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The Mirror Of The Ancients

Miragia-Trilogie 2
von

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Floating

Die Zelle war noch dunkler als die auf der S.S.Botterscotch. Auch in dieser hier gab es keine Fenster.

Innerhalb der letzten zwei Tage hatte Cloud oftmals Gelegenheit gehabt, über das nachzudenken, was ihm im Verheißenen Land – oder Miragia, wie die Cetra es nannten – gesagt worden war. Wenn es nun so weiterging, wie die ERCOM und die Mittellandjustiz es planten, dann hatte dieser Ort keine Chance, weiterhin unentdeckt zu bleiben. Henry Fawkes hatte den geheimen Keller, den Lukretia für ihre Erfindung angelegt hatte, mit eigenen Augen gesehen, hatte die Technologie des Alten Volkes unmittelbar vor der Nase gehabt. Wenn er die Gelegenheit erst einmal hätte, dann würden er und seine ERCOMschen Spießgesellen den Schacht auseinandernehmen, das SPECULUM irgendwo in eines ihrer Institute schaffen und daran herumbasteln, bis sie dem Geheimnis auf die Spur kämen. Bis dahin würde Lukretia, oder besser gesagt ihr Geist, viele von ihnen grausam töten müssen. Es wurde einen Aufruhr geben, von einem Durchbruch würde ebenso öffentlich berichtet werden wie von einem unsichtbaren Monster ...

Mit einem Mal war ihm klar, dass er sie alle enttäuscht hatte. Ifalna, Ophiem und die anderen Cetra. Er hatte getan, was er konnte, um das SPECULUM geheim zu halten, aber er war nicht schnell genug gewesen. Bevor er sich der Gefahr überhaupt bewusst geworden war, hatte sie ihn überrannt.

Verdammt, ich habe versagt.

Ein Klopfen an der vergitterten Metalltür holte ihn aus seinen Gedanken zurück und forderte seine Aufmerksamkeit.

„Ja?“

„Ich bin’s, Cloud. Ich habe die Erlaubnis, dich zu besuchen. Machst du die Tür auf?“ Es war Tifa. Ihre Stimme klang gedämpft durch die zentimeterdicke Eisenschicht.

„Ich denke, die Tür wird von außen aufgeschlossen. Oder darf ich hier etwa selbst entscheiden, ob ich rausspaziere oder nicht?“

„Natürlich wird sie von außen zugemacht, aber sie ist mir einfach zu schwer! Hilf doch mal!“ Es war unüberhörbar, dass sie mit aller Gewalt danach trachtete, die Tür zu bewegen.

Langsam erhob sich Cloud von seinem ohnehin nicht sehr bequemen Lager, nahm den Türgriff und stemmte sein ganzes Gewicht dagegen. Von einem rostigen Knarren begleitet schob sich die Panzertür zur Seite auf. „So ... komm rein.“

Tifa zwängte sich durch den Spalt und blieb stehen. „Verdammt eng hier drinnen. Sobald man durch die Tür kommt, stolpert man über das Bett und knallt mit der Nase gegen die Wand ... und hier bist du seit zwei Tagen nicht rausgekommen?“

„Richtig. Setz dich doch.“

„Aufs Bett?“

„Von mir aus auch auf den Boden, aber dann besteht die Gefahr, dass ich auf dich drauftrete.“

Er sah zu, wie sie sich setzte. Es war seltsam ... in jeder anderen Situation hätte sie ihn umarmt, wäre ihm um den Hals gefallen wie immer, aber nun bestand eine Art scheue Distanz zwischen ihnen.

Sie trug ihr einfaches weißes Shirt und hatte sich das lange Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Nichts mehr war zu sehen von der schneidigen Botschafter-Vorsteherin, die sie vor kurzer Zeit noch abgegeben hatte. Nun sah sie aus, wie Cloud sie seit Jahren in Erinnerung hatte – abgesehen von ihrer rehbraunen Wildlederjacke, die sie über den Arm gelegt festhielt wie etwas, das man ihr jederzeit entreißen konnte.

„Cloud, wie geht es dir?“, wollte sie wissen.

„Och, ich kann mich eigentlich nicht beklagen. Und du?“

„Du weißt schon, was ich meine“, setzte sie nach.

„Meinst du die Tatsache, dass ich bald sterben muss? Auch an diesen Gedanken habe ich mich schon beinahe gewöhnt ... aber ich schätze, wenn es soweit ist, werde ich ziemliche Angst haben. Ich werde wahrscheinlich rumquieken wie ein Karnickel und um mich schlagen, wenn sie mich an den Stuhl fesseln wollen. Das wird mal wieder eine Show, bei der sich das Zusehen lohnt.“

Tifa verdrehte die Augen. „Bitte, verschone mich mit deinem Galgenhumor. Der ist nicht einmal besonders lustig. Glaubst du wirklich, ich und die Anderen, wir hätten dich schon aufgegeben?“

„Falls nicht, dann sag ihnen, dass sie sich um Aeris und das Baby kümmern sollen. Du natürlich auch ...“

„Hörst du mir überhaupt zu?“ Sie hob den Kopf, und er sah ihr direkt in die Augen. Große nussbraune Augen, in denen die Widerborstigkeit aufflammte, wie schon so oft, wenn sie ganz und gar nicht seiner Meinung war.

„Ja“, antwortete er. „Und, was genau willst du mir sagen? Dass ihr eine Möglichkeit seht, mich vor dem sicheren Tod zu bewahren? Wollt ihr eine spektakuläre Rettungsaktion starten, mit der Tiny Bronco von oben durch die Decke krachen und dann alle –“

Cloud!“

„Also nicht.“

„Du lässt dich wirklich so hängen?“

„Habe ich hier die Möglichkeit, etwas anderes zu tun?“

„Wo ist dein Lebenswille, Cloud? Wo ist diese Unbesiegbarkeit, mit der du es geschafft hast, die MAKO-Vergiftung zu überleben? Du willst nicht allen Ernstes hier in deiner Zelle sitzen und brav dein Ende abwarten! Das kann ich einfach nicht glauben!“

Er schwieg. Als er seine Finger vom Metallgestell des Bettes fortnahm, hinterließen sie den charakteristischen feuchten Abdruck.

„Also ist es doch so.“

Er antwortete immer noch nicht.

„Manchmal“, sagte sie leiser werdend, „habe ich Lust, dir eins hinter die Löffel zu geben, weißt du.“

Daraufhin fand auch er die Sprache wieder. „Warum kämpfst du dagegen an?“

Sie holte aus und schlug ihn.

„Au! He, das war ziemlich fest.“

„Und angebracht. Ich trainiere mein Karate jeden Tag zwei Stunden lang. Bist du jetzt ein wenig aufgerüttelt, ja?“

Er rieb sich die getroffene Schläfe. „Ihr plant also allen Ernstes, mich hier rauszuholen.“

„Natürlich tun wir das. Wir haben noch keinen durchführbaren Plan, arbeiten aber daran.“

„Dann seid ihr nicht mehr eingesperrt?“

„Wir stehen lediglich unter Aufsicht, aber selbst die ERCOM hat im Moment wenig gegen uns in der Hand. Noch haben sie nicht genügend bestochene Zeugen, um uns zu verurteilen.“ Ihre Stimme klang düster, erhellte sich jedoch sogleich wieder. „Wie gesagt, Cloud, wir wollten nur, dass du von unserem Plan weißt und wieder Hoffnung schöpfst. Allerdings ... dass du dich bereits aufgegeben hättest, das hatte ich beim besten Willen nicht erwartet ...“

„Dachte ich mir. Aber wenn du zwei Tage lang auf diesem Bett hier gesessen hättest, dann würdest du meine Auffassung wahrscheinlich irgendwann teilen. Also, du ... bist gekommen, um mir das zu erzählen?“

„Und weil ich dich sehen wollte.“

„Ah ja. Ich habe schon gedacht, ihr lasst mich bis zum Ende allein. Wie geht es Aeris?“

„Dass du nach ihr fragen würdest, war mir klar. Sie hätte dich selbst besucht, wenn sie es ihr erlaubt hätten.“

„Man lässt sie nicht zu mir?“

„Ganz genau. Aber ich soll dir ausrichten, dass sie dich liebt und all das. Und von den Anderen nur, dass du durchhalten und dir deinen Lebensmut nicht nehmen lassen sollst ... wozu es ja schon zu spät zu sein scheint.“

„Nun ja, ich war die ganze letzte Zeit allein. Ich kam mir nicht besonders lebenslustig vor, wie man sich denken kann.“

Tifa legte ihm eine Hand auf die Schulter, eine wohl zu zaghafte Geste für eine langjährige Freundin. „Weißt du, Zangan hat mir nach drei aufeinanderfolgenden Niederlagen mal gesagt: ‚Was auch immer dir genommen wird, du hast immer noch dich selbst. Darum pass gut auf dich auf. Wenn du dich selbst verlierst, kann dir niemand mehr helfen, und es wird dein endgültiger Untergang sein.’ Also halt gefälligst die Ohren steif und lass dich von dieser ganzen geschmierten Mittellandjustiz nicht unterkriegen. Wir geben dir Bescheid, wenn wir einen guten Plan ausgearbeitet haben.“

Sie stand auf, und er hielt ihre Hand fest. „Tifa, welcher Tag ist heute?“

„Hm? Der zehnte Januar.“

„Dann ist morgen die Hinrichtung. Ich verliere hier noch jegliches Zeitgefühl.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Ihr wollt bis morgen einen Plan ausarbeiten? Na, dann viel Vergnügen.“

„Wir werden es schaffen“, sagte sie fest. „Du wirst sehen.“

Sie schlüpfte wieder durch den Türspalt nach draußen.

„Tifa! Sag Aeris, dass ich sie liebe, ja?“

„Das wirst du ihr schon bald selbst sagen können ... aber gut, ich richte es aus. Komm, hilf mir, die Tür wieder zuzumachen.“

Nachdem der Spalt geschlossen war, hörte Cloud, wie der Riegel vorgeschoben wurde und sich Tifas Schritte entfernten.

Nun würde er eine weitere Zeitlang allein sein.
 

Der Tag hatte nicht mehr viele Stunden, bis es Cloud wirklich an den sprichwörtlichen Kragen ging.

Nahe einem steril aussehenden Korridor irgendwo im Gebäudetrakt des Mittellandjustiz-Hauptquartiers saßen Tifa, Aeris, Nanaki, Reeve und Cid völlig aufgelöst in einer Art Gemeinschaftszimmer für unter Aufsicht Stehende, fieberhaft über einem Plan brütend und mittlerweile ziemlich übermüdet. Seit anderthalb Stunden wurden Barret und Yuffie nun zum wiederholten Male über ihr Terroristendasein verhört. Es war kaum auszuhalten.

Tifa, auf einem fleckigen grauen Stoffsofa mehr liegend als sitzend, rieb sich schließlich langsam die Nase. „Sagt mal, ist euch ... irgendetwas eingefallen?“

Ein einstimmiges leises Brummen war die Antwort, wie schon so oft.

„Also nicht, wie ich sehe.“

„Wir können hier nicht weg“, sagte Reeve, derzeit anscheinend der einzige noch halbwegs klardenkende Mensch, der anwesend war.

„Ich weiß. Das Gelände nicht verlassen, sonst werden wir, na ja, zum Abschuss freigegeben. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass es mir selber einmal so gehen würde.“

Vor dem kleinen Fenster flatterten einige Vögel vorbei, vermutlich Tauben. Keiner sah genau hin.

„Ich werde definitiv nicht zulassen, dass sie Cloud umbringen“, sagte Aeris leise. „Versteht ihr, das geht einfach nicht. Ich werde das schon verhindern.“

„Wie denn?“, erkundigte sich Cid halbherzig. „Willst du deine alte Bekannte, die Omega WEAPON, aus ihrem Erdloch scheuchen?“

Aeris schüttelte kummervoll den Kopf. „Diese WEAPON existiert nicht mehr. Ich hätte sie längst um Hilfe gebeten.“

„Die konnte Cloud doch nicht leiden.“

„Sie hätte einer Anweisung von mir trotzdem Folge geleistet.“

„Oh ja. Das wär’ ein schönes Durcheinander geworden, hm?“

„Vermutlich.“

Das Flügelschlagen vor dem Fenster verstummte. Nur noch der Himmel war zu sehen, so düster, wie er mitten am Tage lange nicht gewesen war.

„Ich muss euch etwas sagen“, kam es schließlich leise von Nanaki, der bäuchlings ausgestreckt auf dem fusseligen Teppich lag. „Wisst ihr, seit wir in diesem Zimmer hier sitzen, geht mir ein vertrauter Geruch nicht mehr aus der Nase ... aber es ist keiner von euch. Es ist auch nicht Barret oder Yuffie, und ich glaube, es ist auch nicht Cloud ... aber irgendetwas, das ich kenne.“

Ein jeder kommentierte diese Botschaft lediglich mit irgendeinem unidentifizierbaren Geräusch, nur Aeris hob alarmiert den Kopf. „Woher kommt denn dieser Geruch, weißt du das?“

„Weiß nicht. Soll ich mal schauen?“

„Ja, mach das! Wenn wir jetzt schon keinen Plan aushecken können, dann wenigstens Inspiration dafür sammeln. Leg los.“

„Hmm ... okay.“ Nanaki erhob sich gemächlich, reckte witternd seine feine Nase in die Höhe und sog die Luft in kurzen Stößen ein. „Aaaaah ja. Das ist ... nicht weit weg. Komm mit.“

Er ging langsam voran, leise wie eine Katze und schnüffelnd wie ein Bluthund. Aeris stand vom Sofa auf und folgte ihm zur Tür.

„He, wohin wollt ihr denn jetzt?“, fragte Tifa misstrauisch. „Red riecht doch dauernd irgendwas Komisches, an jedem Ort, das kennen wir doch.“

„Nein, nein, nein“, kam es entfernt von einem hochkonzentrierten Nanaki. Seine Nase hing dicht über dem Boden. „Kommt mit, kommt mit. Ich hab’s gleich.“

Tifa, Reeve und Cid wechselten einen ratlosen Blick, dann standen sie alle auf und liefen den Beiden nach.

Nanaki war sehr aufgeregt, wie an seiner zuckenden Schwanzspitze zu erkennen war. Seine Schnurrhaare zitterten, als er vor einer Tür stehen blieb – eine Metalltür wie all die anderen auf dem langen Gang. Nur an dieser hing ein kleines Schild, notdürftig mit Klebeband befestigt: PLEASE BE QUIET! NO SMOKING!

„Cid, mach deine Zigarette aus“, befahl Tifa, als sie die schwere Tür aufstieß. „Wollen doch mal sehen, was wir da haben.“

Der Raum, der sich den Fünf erschloss, war groß und finster. Die Fenster waren mit Jalousien verdunkelt. Ein seltsamer Geruch schlug ihnen entgegen, warm und kalt, fremd und vertraut zugleich.

Reeve betrachtete seinen Arm und bemerkte die Gänsehaut darauf. „Wow, das ist ... gruselig.“

„Genau das ist es“, murmelte Nanaki. „Gibt es hier vielleicht irgendwo Licht?“

„Bestimmt nicht. Aber wir können die Vorhänge etwas zur Seite ziehen“, schlug Tifa vor und sorgte sogleich selbst für etwas mehr Helligkeit.

Daraufhin fiel der Blick aller auf Reihen von länglichen Tischen mit grauen Planen darauf, unter denen sich irgendetwas befand. Es war unverkennbar, um was es sich handelte.

„Aaaaaarrghhhh!“, stieß Tifa leise hervor. „Guckt mal, das – das ...“

Cid holte tief Luft. „Tja, wenn da nebenan das Pathologie-Labor ist, dann ist das hier ...“

„... die Leichenhalle“, beendete sie flüsternd den Satz.

„Ist die nicht für gewöhnlich abgeschlossen?“

„Das darfst du mich nicht fragen.“

„Sieht irgendwie nach Falle aus ...“

Ehrfürchtig ließen die Versammelten den Blick durch den Raum schweifen. Es war ein bedrückender Anblick, der ihnen das zuletzt Geschehene noch einmal vor Augen führte ... und auch das, was bald passieren würde.

„Alles Tote“, murmelte Nanaki. Sein Schwanz peitschte leise über den einfarbigen Linoleumboden.

„Das bedeutet also, hier irgendwo ist auch ...“

„Ja.“

„Hier drüben“, kam es leise aus einer anderen Richtung von Cid.

Die anderen sahen sich nach ihm um und traten langsam näher. Der Pilot stand mit herabhängenden Schultern vor einem der Tische irgendwo in der Mitte und starrte darauf herab.

Auf diesem Tisch lag Vincent. Er war der Einzige, dem man die Kunststoffdecke nicht über das Gesicht gezogen hatte, sondern nur bis knapp unter die Brust. Neben ihm auf einem Stuhl lagen seine Kleidungsstücke, einschließlich des Stirnbandes, seines zerfetzten Umhangs und der daraufgelegten Transfer-Susbtanz, ein kleiner, im spärlichen Licht grün schimmernder Stein. Alles war sauber. Nirgendwo war mehr Blut zu sehen. Sowohl Vincent als auch alles, was er bei sich gehabt hatte, waren von dem schrecklichen Ereignis gereinigt worden.

„Ich wusste nicht, dass sie ihn hier aufbewahren“, sagte Tifa. „Meine Güte ... sie haben ihn hier erst mal hingelegt, wie mir scheint ...“ Es fiel ihr schwer, den Blick abzuwenden.

Vincent lag flach auf dem Rücken, unter ihm sein langes schwarzes Haar, das im einfallenden Licht sanft schimmerte. Seine Augen waren nun geschlossen, und damit war alles Bedrohliche oder Furchteinflößende gänzlich von ihm gewichen.

„Ich dachte immer, dass Tote aussehen, als ob sie schlafen. Aber das tut er nicht.“

„Schlafende bewegen sich“, sagte Reeve. „Guck dir nur ein betäubtes Tier an ... eine Katze oder so ... die sehen auch überhaupt nicht aus, als ob sie schlafen, oder? Oh ja, ich weiß, das passt nicht hierher.“

Aeris bückte sich leicht und berührte mit dem Finger die schwarzverfärbte Einschusswunde. Sie erschauerte bei dem Kontakt mit Vincents eiskalter Haut. „Das ... das war ein ganz und gar sauberer Schuss“, stellte sie mit zittriger Stimme fest. „Wirklich, das ... hat Cloud sehr gut gemacht ...“

Gut gemacht?“, fuhr Cid auf. „Verdammt, ich werde immer noch nicht schlau daraus! Warum hat er das getan, warum? Wie schlimm auch immer das aussah, wir hätten ihn retten können! Wir finden immer einen Weg! Zum Teufel!“

„Ich sage euch, warum Cloud keine Wahl hatte“, antwortete Aeris zögerlich. „Ich werde es euch genau erklären, wenn ihr mir zuhören wollt.“

„Natürlich wollen wir, und jetzt raus damit!“

„Ihr wisst, dass es Lukretia war, die ihn angegriffen hat ... oder?“

„Ja, himmelnocheins, das hat Cloud ja gesagt. Erklär mir bitte, was das soll!“

Aeris trat einen Schritt zurück und lehnte sich gegen einen der Tische. „Lukretia hatte ein Geheimnis, und das ist diese Maschine, die ihr im Keller entdeckt habt. Sie ist auch nach dem Tode noch gezwungen, ihre Erfindung vor jedem Eindringlich zu bewachen. Sie tötet jeden, der sich ihr nähert.“

„Bemerkenswert, dass wir noch leben“, kommentierte Reeve.

„Ihr hattet Glück“, fuhr die Cetra mit fester Stimme fort, „dass sich immer jemand in eurer Nähe befunden hat, der Lukretias Aufmerksamkeit ganz besonders erregt hat. Zunächst war es Cloud. Ihr müsst wissen, dass sie Cloud physisch nichts antun kann, da sie JENOVA fürchtet. Dann war es Vincent ... derjenige, der sie liebte und dessen Liebe die einzige Emotion war, an die sie sich noch erinnern konnte. Sie hatte nicht vor, ihn zu töten – aber sie hatte keine Wahl, darüber nachzudenken. Schon einmal hat sie den Fehler begangen, sich von Vincent abzuwenden und sich stattdessen Hojo hinzugeben, sodass sie nun letztlich vollkommen mit Vincent vereint sein wollte und nicht bereit war, je wieder von ihm abzulassen. Sie hat ihn zu sehr geliebt. Ihre Liebe war tödlich für ihn. Aber er wusste es nicht. Für ihn war es eine einzige Qual, die er beenden wollte. Er nahm sie nicht wahr, wisst ihr, dazu waren seine Schmerzen und auch seine Angst zu groß. Wahrscheinlich hat Lukretia daraufhin nur umso mehr versucht, ihn für sich zu vereinnahmen. Und dann ... dann handelte Cloud, genau wie Lukretia, aus Liebe, um Vincent das Ende zu erleichtern. Es war das Beste, was er tun konnte, das einzig Richtige und Barmherzigste. Ihr wisst das. Ihr wisst, dass Cloud nur etwas tut, von dem er weiß, dass es moralisch richtig ist.“ Sie hob den Blick und sah noch einmal in die Runde.

Cid seufzte leise. „Vielleicht hast du Recht“, sagte er leise und verstand endlich. „Es war richtig ... er wollte ihm helfen. Ich weiß. Aber Vincent ... bitte, nein. Oh Gott.“ Schluchzend presste er sich eine Hand auf die Augen, die wie immer in einem Lederhandschuh steckte, und versuchte, sich wieder zu fangen.

Die anderen nahmen diesen Ausbruch betreten schweigend zur Kenntnis. Falls Cid je einen besten Freund gehabt hatte, dann war es nicht etwa Barret gewesen, obwohl er mit diesem am meisten zusammen war. Was Vincent und Cid verband und immer verbinden würde, das war mehr so eine Art Hassliebe, ein ständiges Beißen und Treten von beiden Seiten, sodass man nie sicher sein konnte, ob sie nun Busenfreunde waren oder Erzfeinde – aber wenn es darauf ankam, konnten sie erstaunlicherweise zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Es war nicht offensichtlich, aber Cid und Vincent waren sehr gute Freunde gewesen. Vielleicht noch bessere als Cloud und Zack ...

„Aeris, ich möchte noch eins wissen“, setzte Nanaki schließlich leise an.

Sie sah auf. „Ja?“

„Woher weißt du das alles?“

Aeris lächelte ihr nichtssagendes, aber dennoch überaus beglückendes Lächeln. „Ich bin eine halbe Cetra, weißt du. Vielleicht hat es mir ein kleiner Vogel gesagt.“ Die Zweideutigkeit in diesem Ausspruch entging bedauerlicherweise allen Zuhörern.

„Na schön“, murmelte der Vierbeiner und gab sich zufrieden.

„Was glaubt ihr werden sie jetzt mit Vincent machen?“, fragte Reeve.

Tifa neben ihm hob den Kopf. „Tja. Sie finden nicht heraus, was ihn so furchtbar zugerichtet hat, bevor Cloud ... ihn tötete. Und weil sie das nicht wissen, werden sie wahrscheinlich, um kein Risiko einzugehen, den Leichnam verbrennen ... ja.“

„Oh je. Dann ist das vielleicht das letzte Mal, dass wir ihn ... im ganzen Stück zu sehen bekommen ...“

„Wahrscheinlich schon. Meine Güte, ich wette, Yuffie würde jetzt erst mal die Decke hochheben und nachsehen, was von ihm übrig ist.“ Sie schauderte.

„Ich will es ehrlich gesagt nicht wissen.“

„Ich ja auch nicht.“

Plötzlich hallten auf dem Flur vor der Türe Schritte wieder.

„Sagt mal ... dürfen wir überhaupt hier sein?“, wisperte Nanaki verunsichert.

„Weiß nicht. Du hast uns mit deiner Nase hierher geführt.“

„Dann lasst uns jetzt schnell wieder verschwinden. Vielleicht sind Barret und Yuffie schon zurück ... aber halt, Moment, wir müssen die Transfer-Substanz mitnehmen ... und am besten auch den Umhang!“

„Dann werden wir doch bloß wieder eingesperrt wegen Diebstahls“, stöhnte Tifa augenrollend.

„Nicht, wenn wir ein hervorragendes Versteck finden ... oder die Substanz vorher schon benutzen. Gibt es denn niemanden in der Mittellandjustiz, der eine Zaubersubstanz verwenden kann? Ob ja oder nein, weswegen liegt das Ding einfach hier mitten im Zimmer? Kam denn niemand auf den Gedanken, wir oder andere Gefangene würden sie aufsammeln?“

Tifas Schweigen machte deutlich, dass sie darauf keine Antwort wusste. Schließlich zuckte sie mit den Schultern und sagte: „Was soll’s. Nimm sie, und wir hauen ab – sobald wir Yuffie und Barret treffen. Wem wir diesen kleinen Fingerzeig zu verdanken haben, werden wir sicherlich noch früh genug herausfinden. Jetzt heißt es, die Gelegenheit beim Schopf packen.“

„Das ist die einzige Möglichkeit, Cloud vor dem sicheren Tod zu bewahren!“, fügte Aeris aufgeregt hinzu.

„Na denn.“ Reeve nahm die Substanz und ließ sie in einer seiner weiten Jackentaschen verschwinden, den Umhang gab er Tifa, die ihn bestmöglich zusammenfaltete und in ihren Hosenbund steckte.

Noch während sie gemeinsam den Korridor hinuntereilten, schloss Aeris zu Cid auf und fragte: „Was passiert jetzt? Wir müssen uns auf jeden Fall ein neues PHS beschaffen, da man unseres, Im Gegensatz zu Vincents Sachen, irgendwo eingeschlossen hat ... und sonst – machen wir uns die Highwind mobil?“

„Nur die?“, schnaubte Cid, bereits wieder eine Zigarette im Mundwinkel. „Wieso nicht die ganze AVALANCHE?“

Aeris blinzelte. „Das ... ist auch gut.“



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