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The Mirror Of The Ancients

Miragia-Trilogie 2
von

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Sorrow

„Wenn Sie nichts weiter unternehmen, dann werden wir sehr vorsichtig mit Ihren Freunden umgehen, Miss Lockheart“, sagte Fawkes.

Tifa warf ihm einen Blick voller Verachtung zu zeigte dabei zornig die Zähne. Er hatte endgültig bei ihr verspielt, und dies war ohnehin das letzte Mal, dass sie ihm ins Gesicht sehen würde. Einen anderen beachtete sie schon jetzt höchstens aus den Augenwinkeln – ihren eigentlichen Vorgesetzten, Kommissar Taggert. Sie fragte sich, welchen Deal die Mittellandjustiz mit der ERCOM abgeschlossen hatte, damit letztere bekam, was sie wollte. Es ging nur darum, möglichst alle Überbleibsel des früheren JENOVA-Projekts zu bergen und zu beanspruchen, und Zeugen sowie sonstige Unruhestifter aller Art würden ausnahmslos von der Bildfläche fortgeschafft werden. Wenn nicht friedlich, dann gewaltsam. Kurz kam in Tifa der Gedanke auf, dass wissende Personen vielleicht sogar ... eliminiert wurden. Letztlich konnte niemand wissen, wozu die ERCOM fähig war. Die Hauptsache war, dass sich nicht auch noch Cloud von diesen falschen Gesetzeshütern erwischen ließ.
 

Es wurde immer dunkler.

Cloud hatte zu seinem eigenen Missfallen nicht die geringste Ahnung, wohin er sich und Vincent überhaupt teleportiert hatte – in Aufregung und Furcht war er zu keinem einzigen klaren Gedanken fähig gewesen. Nun spannte sich über seinem Kopf ein in Schwärze getauchter Nachthimmel. Da die Sterne sehr hell leuchteten, befanden sie sich augenscheinlich weder in der Nähe von Midgar noch von Junon, außerdem war in weiter Ferne des Heranrollen von leise rauschenden Wellen zu hören.

„Ich vermute, wir sind in Sicherheit“, sagte Cloud leise, wobei er nicht genau wusste, ob Vincent ihm zuhören konnte. „Ich kann unseren Standort gerade nicht genau lokalisieren ... aber wenn ich mich konzentriere, kann ich uns mit der Substanz an einen Ort bringen, den ich besser kenne ...“ Insgeheim hatte er auch eine Idee, wohin genau er wollte: Das AVALANCHE-Ausbildungszentrum in Junon. Weder Cid noch Barret befanden sich zurzeit dort, dafür Clouds sämtliche Schüler. Die ganze Vorrichtung würde Schutz bieten. Jedenfalls eine Zeitlang. „Vincent, hörst du mich?“ Vincent gab keine Antwort und bewegte sich auch nicht. Allmählich erschöpften Clouds Arme unter seinem Gewicht, aber er wagte es nicht, seinen Freund auf den Boden zu legen. Früher, dachte Cloud grimmig, hätte ich ihn stundenlang so tragen können – als ich noch an das vertraute Gewicht des Schwerts gewöhnt war. Himmel, der Lauf der Zeit hat einen Schwächling aus mir gemacht. Und doch versuche ich, Jüngeren beizubringen, was ich einmal gekonnt habe ...

Die Transfer-Substanz befand sich auf dem MASTER-Level, also musste sie auch ein weiteres Mal funktionieren. Das tat sie jedoch nicht. Cloud hatte Schwierigkeiten, den korrekten Befehl zu erteilen – was nicht zuletzt damit zusammenhing, dass er die Gegend rundherum nicht zuordnen konnte. Kein Ausgangspunkt, kein Ziel. Es ging nun einmal nicht anders.

Cloud fluchte leise, während er losging. Er hatte in der Gegenwart von Cid und Barret eine ganze Reihe interessanter Flüche gelernt, und nun war der Zeitpunkt gekommen, den ganzen Bestand voll auszuschöpfen. Sie alle gingen einem glatt über die Zunge ...

Bereits nach einigen Schritten öffnete Vincent die Augen. Dies war nur daran zu erkennen, dass dort, wo sich sein Kopf ungefähr befinden musste, zwei rote Punkte aufleuchteten. „Cloud, du bist immer noch da.“ Keine Frage, keine Verblüffung, nur eine Feststellung.

„Ja, natürlich.“

„Wohin gehen wir?“

Keine Ahnung. „Wir gehen weiter Richtung Mideel“, log Cloud. Zügig kämpfte er sich voran und bemerkte nunmehr, dass sich der Untergrund verdächtig weich anfühlte. Wir sind im Sumpf nahe der Mythril-Mine! Aber ... so weit hätte uns die Substanz überhaupt nicht transportieren dürfen! Kein Wunder, dass sie jetzt streikt. Verdammtes Ding! Er hielt an. „Ich fürchte, wir kommen hier unmöglich durch innerhalb einer Nacht.“

„Dann lass uns doch ... schlafen.“

„Nein, Vincent.“ Du wirst nicht mehr aufwachen, alter Freund. „Hör mal, du ... du kannst doch im Dunkeln sehen. Siehst du irgendwo das Dach eines Hauses oder so? Irgendetwas, das nach Zivilisation aussieht?“

„Ich sehe nichts, gar nichts ...“ Der letzte Teil ging in einem leisen, fast erstickten Röcheln und Gurgeln unter, und Cloud konnte Vincent in seinen Armen zittern spüren.

„Was ist los, was hast du?“ Er hielt den Mund möglichst dicht über Vincents Ohr, ohne dieses überhaupt sehen zu können. „He, jetzt antworte schon!“ Er bekam keine Antwort. Stattdessen berührte seine Finger etwas Feuchtes, das an Vincent herunterlief. Kleine, allmählich anschwellende Rinnsaale ließen sich sowohl von Vincents als auch von seinen eigenen Kleidungsstücken aufsaugen.

Cloud schauderte. Die warme Nässe strömte ganz eindeutig aus der Bauchgegend seines Freundes nach außen, was nur eins bedeuten konnte: Das ist Blut. Sie hat sich durchgefressen. Leicht schwindelig taumelte Cloud ein paar Schritte nach rückwärts, um aus dem Sumpfgebiet herauszukommen, und legte Vincent auf dem karg mit Gras bewachsenen Erdboden ab.

Hoch oben am Nachthimmel flog ein Schwarm kleinerer Vögel geräuschlos dahin. Lauter kleine schwarze Gestalten, die kaum mit den Flügeln schlugen, nur wie schwerelos dahinglitten.

Der kalte Wind ließ Cloud frösteln. Seine Jacke hing an einem Haken in Tifas Haus. Inmitten dieser Verlorenheit wünschte er sich irgendjemanden, der bei ihm sein konnte ... einfach, um sich sicher zu fühlen und das zu vergessen, was um ihn herum geschah. Die ERCOM zu vergessen, die geschmierte Mittellandjustiz, die versteckte Spiegel-Maschine und vor allem den sterbenden Vincent vor seinen Füßen. Das alles brauchte er nicht, wollte er nicht. Er wollte sich flüchten. Einfach nur wieder zu Hause sein, bei Aeris und dem Kind, das sie erwartete ... Aber er konnte nicht weg.

Mit aller Entschlossenheit, die er aufbringen konnte, kniete er sich auf den weichen Erdboden und beugte sich über Vincent. Inzwischen hatten seine Augen sich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt. Er sah Vincents offene Augen schwach leuchten und das schwarze Haar sich kaum merklich im Wind bewegen. Von seinem hingestreckt daliegenden Körper breitete sich allmählich ein warmer, roter Fleck aus.

Cloud blieb so knien und starrte hinab auf etwas, das er im Begriff war zu verlieren. Und dann, ganz unerwartet, begann Vincent wieder zu sprechen – so leise, dass Cloud sich noch weiter hinabneigen musste, um ihn überhaupt zu hören.

„Cloud – ich, ich muss dir etwas sagen.“

„Bitte sprich nicht, Vincent. Dadurch wird es nur noch schlimmer.“ Cloud zwang sich, den Blick abzuwenden. Sie waren beide weit von Mideel oder Junon entfernt, und es gab nichts, das er für Vincent hätte tun können. Er fühlte sich hilflos, als sei er es selbst, der zugrunde gehen musste.

„Doch – Cloud ... ich habe dich angelogen.“

„Weiß ich. Weiß ich doch längst.“

„Ich kenne diese Maschine, Cloud, aber ich konnte das nicht sagen, weil es ...“

„Es ist ein Geheimnis“, murmelte Cloud. „Wohlbehütet. Deswegen hast du uns irgendetwas von Chlorgas erzählt ... an dem du längst ...“

„... gestorben wärst“, flüsterte Vincent. „Ich wollte euch alles erklären, aber ...“

„Lukretia.“ Cloud bekam eine Gänsehaut, als ihm einfiel, dass Vincent wohlmöglich genau wusste, wer ihn da zu töten versuchte. „Aber sie ....“

„Sie hat diese Maschine im Keller gebaut, Cloud, sie war es.“

„Ja, ich weiß.“

„Aber ... woher ...?“

Cloud seufzte leise. „Es dauert viel zu lange, dir das zu erzählen. Weißt du, wofür die Maschine gedacht ist?“

„Nein ... ich hatte gehofft, du könntest mir das sagen, aber ... jetzt befürchte ich, dass mir die Zeit davonrennt ...“

„Oh, verflucht! Es ist alles meine Schuld, nur weil ich die Transfer-Substanz nicht richtig benutzt habe! Ich hätte dich retten können, du wärst gesund und –“

„Hör damit auf!“, unterbrach ihn Vincent überraschend heftig. „Das stimmt nicht, und du weißt es. Der Prozess hätte höchstens verlangsamt werden können, aber ... das würde alles ... nur noch schlimmer machen ...“

In der Dunkelheit konnte Cloud gut erkennen, wie aus Vincents Rücken die Schulterblätter zu langen Flügelkielen nach oben wuchsen. Er trachtete danach, sich in Chaos zu verwandeln, ein krankhafter Überlebensinstinkt, den ihm Hojo eingepflanzt hatte. Das Blut war nunmehr so weit geflossen, dass es Cloud erreichte und seine Knie benetzte.

Vincent hörte, wie Cloud scharf die Luft einsog, und griff sich mit der so ziemlich letzten möglichen Anstrengung an den Hals, um seinen abgetragenen und am Saum von Ratten zerfressenen weinroten Umhang loszumachen.

„Was machst du?“ Cloud sah auf. „Tu einfach nichts .... wenn wir Glück haben, dann findet man uns noch rechtzeitig ...“

„Nein.“ Mit seiner Klauenhand legte Vincent den Umhang über Cloud Knie. Er fror ohnehin immer weniger, je mehr Leben zusammen mit dem Blut aus seinem Körper strömte. „Nimm ihn mit.“

Es war offensichtlich, dass Cloud nicht verstand. „Was soll ich damit tun?“ Er vermutete, dass er ihn irgendwohin bringen sollte, damit sich dort etwas oder jemand an Vincent erinnern würde – aber nein, entsann er sich, Vincent darf gar nicht erst davon ausgehen, dass sein Leben wirklich in Gefahr ist! „Behalt ihn.“

„Hast du dich je gefragt, weswegen ich die Gravitation überwinden kann, Cloud?“

Diese Frage kam durchaus überraschend. „Nein – wieso ...?“

„Das lag nicht an Hojos Experimenten, sondern an diesem Umhang. Jede Faser ist beschichtet mit Levitas-Substanz. Er ist ... ein Geschenk von Lukretia gewesen.“

Also konnte sie auch Umhänge basteln, dachte Cloud zynisch, und sie denjenigen schenken, deren Bauchdecke sie später in Stücke reißen wollte. Er schüttelte sich angewidert. „Ich will ihn nicht, Vincent.“

„Bitte ... du ... wirst ihn bestimmt brauchen. Ich will ihn niemandem schenken außer dir, und deswegen musst du ihn nehmen.“

„Muss ich ihn auch tragen?“, fragte Cloud abgestumpft.

„Ja.“

„Ich kann nicht.“

„Du wirst dich wundern.“

„Ich will mich nicht wundern. Wenn du wüsstest, wie oft ich mich in letzter Zeit gewundert habe ...“ Rasch fiel ihm wieder die Transfer-Substanz ein, er legte eine Hand auf Vincents Schulter und probierte aus, ob sie funktionierte. Nichts tat sich.

„Ich würde mich gerne noch ein einziges Mal wundern“, murmelte Vincent leiser werdend, „und zwar darüber, noch einmal Lukretia zu sehen – so, wie sie früher war.“

Cloud hielt den Atem an. Vincent wusste es also nicht. „Das würde ich dir auch gönnen“, gestand er und meinte es ernst.

„Ich wünschte nur, ich hätte sie gefunden ... wenn ich sie schon nicht retten konnte.“

Du hast sie gefunden, dachte Cloud bitter. Sie ist bei dir. Sie quält dich und sie wird dich vernichten wie jeden anderen Eindringling. Sie wird keine Gnade mit dir kennen, egal wie sehr du sie liebst. Er widerstand dem Wunsch, sich einem stillen Seufzen hinzugeben, und riss sich mit aller Kraft zusammen. Er wusste, dass Vincent bereit war zu sterben, dass er sich nicht mehr fürchtete. Eben deswegen konnte Cloud ihm nicht erzählen, was aus Lukretia geworden war. Dadurch würde er Vincent seine letzten Minuten zur Hölle machen, denn dann würde sein Freund sich wünschen zu leben ... und das würde er nicht können. Ehe er sich noch elender fühlen konnte, zuckte Vincent vor ihm heftig zusammen.

Er krümmte sich wie in einem Krampfanfall und stieß einen gepressten Schrei aus, der schon so schwach war wie der eines Mannes am Rande des Todes. Aus der Wunde in seinem Bauch schoss noch eine ganze Menge Blut, dann verteilten sich unter Krafteinwirkungen des unsichtbaren Feindes seine Eingeweide auf dem Erdboden.

Cloud wich erschauernd zurück, und sein Herz hatte vor Entsetzen einen Schlag ausgesetzt.

Aber jetzt, so kurz vor seinem Ende, hatte Vincent wieder Kraft. Er griff sich an die Seite und schleuderte Cloud sein Gewehr vor die Füße. „Erschieß mich.“

Wie erstarrt blieb Cloud halb in der Hocke vor ihm stehen.

„Mach schon!“, schnappte Vincent. Aus seinen Ohren lief ebenfalls Blut. Er war bedeckt von Blut, es war überall, sodass er beinahe darin zu ertrinken drohte. „Du musst mir helfen, Cloud. Komm her!“ Er hielt sich zwei stark zitternde Finger an die Stirn und erklärte schwer atmend: „Ich zeig’ dir, wie man einen Menschen tötet, Cloud. Das ist ganz sauber. Zwischen die Augen.“

Cloud wollte keinen Menschen töten. Cloud wollte überall sein, nur nicht hier. Cloud wollte fortlaufen ... Aber er tat es nicht. Erstaunt über sich selbst zwang sich er sich hoch und trat wieder neben Vincent, das Gewehr in der Hand. „Ich will es nicht sehen ...“, begann er.

„Die Augen“, wisperte Vincent, „weil sie brechen. Ich werde sie zumachen, siehst du.“ Seine Lider schlossen sich, aber noch immer hob sich der Brustkorb bebend und presste beim Atmen nur noch mehr Blut aus den Wunden. Er wartete. Seine Muskeln waren fast entspannt, er wartete nur noch auf den erlösenden Schuss, und er war geduldig.

Clouds Hände waren ruhig, als er die Mündung des Gewehrs vorsichtig an Vincents Stirn setze. „Es wird alles gut. Deine echte Lukretia, du wirst sie bestimmt treffen ... Gute Reise, mein Freund.“

Vincent schenkte ihm auch mit geschlossenen Augen ein letztes schwaches Lächeln.



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