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The Mirror Of The Ancients

Miragia-Trilogie 2
von

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Changing Minds

Der Waldboden war sumpfig und bedeckt von trockenen schwarzen Ranken, die sich krankhaft durch das Unterholz wanden wie wuchernde Geschwüre. Riesige, endlose kahle Baumstämme ragten in krummen Winkeln in den Himmel, den man aufgrund des schwarzen Blätterdaches nicht zu sehen vermochte. Seltsam gelbliches Gras spross an einigen weniger matschigen Stellen in Büscheln aus der faulig-feuchten Erde.

„Schön hier“, kommentierte Fawkes vorsichtig.

„Finde ich überhaupt nicht“, antwortete Sephiroth.

„Das war Ironie.“

„So? Nun, mein rhetorischer Scharfsinn hält sich leider in Grenzen.“

„Den Eindruck hatte ich bisher nicht. Warum sind wir hier?“

„Weil Sie von allen Orten, die das Verheißene Land zu bieten hat, am ehesten den hier zu sehen bekommen sollten. Und ich merke, was er für Gefühle in Ihnen weckt.“

„So ... welche denn?“

„Das wissen Sie selbst. Vorwiegend Abneigung, Abscheu, Ekel. Na, wollen wir mal nachsehen, was sich hinter diesem Tannenwall verbirgt?“

Nein!, dachte Fawkes.

Sephiroth schob ihn nachdrücklich vorwärts.

„Oh, großer Gott, was – wer sind diese Menschen?“

„Es sind Cetra. Sie können noch nicht gehen, solange ihr Mörder am Leben ist.“

Hinter einer Reihe dunkler Nadelbäume war ein Feld zum Vorschein gekommen, auf welchem zusammengekrümmte Personen lagen, mindestens ein Dutzend, mit durchscheinenden, schimmernden Ketten an den Erdengrund gefesselt und fast bewegungsunfähig gemacht. Bei ihrem jämmerlichen Anblick stellten sich selbst Henry Fawkes die Nackenhaare auf. „Aber – wir müssen sie losbinden!“

„Nein, das können wir nicht. Wissen Sie, was das Ergebnis dieser Bemühungen wäre? Sie würden ebenfalls mit Ketten gefesselt neben ihnen liegen. Wagen Sie das nicht. Gehen Sie nicht hin und sprechen Sie keinen von ihnen an. Cloud ist diesem Schicksal bei seinem Besuch nur sehr knapp entgangen.“

„Strife haben Sie auch hierher gebracht?“, fragte Fawkes ungläubig.

„Nein, habe ich nicht. Er kam ohne das SPECULUM hierher, vor einigen Jahren, unbeabsichtigt. Er hatte keine Warnungen erhalten. Das hier ist der Mittelpunkt des Spiegels, die Totalreflexion. Hier kann man sich auf nichts verlassen, schon gar nicht auf das, was einem von den Cetra, die hier festliegen, gesagt wird. So, und nun sind Sie mir ein paar Antworten schuldig, Fawkes.“

„Ich – ja, von mir aus ... aber erst, wenn Sie mich von diesem grauenerregenden Ort wegbringen!“

„Kein Problem, folgen Sie mir einfach den Weg zurück.“

Fawkes ergriff vorsichtshalber einen Zipfel des schwarzen Capes. Ihn schauderte, als er der schwach glimmenden Punkte rundherum gewahr wurde, die ihn von einem Versteck zwischen den Bäumen aus anzustarren schienen.

„Ignorieren Sie sie“, sagte Sephiroth ruhig und schloss eine Hand um Fawkes’ Handgelenk.
 

„Das ist überhaupt die Antwort auf unser Rätsel“, stellte Aeris beinahe ergriffen fest. „Der Spiegel des Alten Volkes ... ist ganz einfach Reds Spezies.“

„Darauf wäre ich im Leben nicht gekommen“, gab Cloud perplex zu. „Hätte mein Vater nicht danach gesucht ...“

„Also darf ich annehmen, dass mir das endlich eure Anerkennung eingebracht hat?“

„Wenn du so willst ... von mir aus ...“

Nanaki wackelte unruhig mit den Ohren. „Sagt mal, was nützt uns das? Was haben wir denn davon, dass wir jetzt wissen, was Henry Fawkes sucht?“

„Ganz einfach. Er suchte ja danach, weil er wusste, dass es im Kellerschacht einen Hinweis darauf geben würde ...“

„Jaja, aber wo war denn dieser Hinweis? Hat denn das SPECULUM in irgendeiner Weise darauf hingewiesen, dass meine Rasse der Spiegel des Alten Volkes ist?“

Cloud und Aeris tauschten einen Blick. „Eigentlich ... nicht.“

„Eben.“

Mit nachdenklicher Mine kreuzte Cloud die Arme vor der Brust. „Das bedeutet ... wir haben etwas übersehen. Wir haben das Rätsel gelöst, bevor wir den Hinweis erhalten haben. Aber wenn das SPECULUM der Hinweis ist oder wenigstens einen liefert ... wieso haben wir darüber nichts herausgefunden?“

„Vielleicht war nicht das SPECULUM der Hinweis“, spekulierte Aeris.

„Nicht, und stattdessen? Ansonsten war doch da unten nichts.“

„Doch. Ein unsichtbares, mordendes Wesen.“

„Du meinst Lukretia.“

„Genau. Sie weiß oder wusste viel mehr über das alles, als wir uns vorstellen können. Warum soll sie das mit Reds Rasse nicht gewusst haben? Vielleicht hatte sie einen Hinweis. Vielleicht hat sie ihn uns auch gegeben, und wir haben ihn nicht verstanden.“

Cloud zog die Stirn kraus. „Also, diese Vermutung klingt mir jetzt doch ein bisschen zu phantastisch.“

„Warum? Schließlich wissen wir nicht, wie sie auf Red reagiert hätte.“

„Ja, weil er ihre Anwesenheit mehr fürchtet als Hojos Experimente. Er wird sich nicht in ihre Nähe wagen.“

„Das stimmt“, bekräftigte Nanaki leise.

„Vielleicht muss er das aber“, sagte Aeris entschieden. „Vielleicht zeigt sie uns noch etwas, das sie weiß, wenn sie daran erinnert wird. Wir müssen Red zu ihr bringen.“

Der Vierbeiner gab ein Winseln von sich und kauerte sich mit angelegten Ohren zusammen.

„Aeris, das können wir nicht machen! Er ist gänzlich frei von JENOVA, Lukretia wird ihn zerfleischen, genau wie Vincent!“

Sie ergriff seine erhobenen Handgelenke und beugte sich zu ihm herüber. „Cloud, beruhige dich. Red ist immerhin ein Spiegel des Alten Volkes. Ich glaube nicht, dass sie ihm etwas antun wird.“

„Aber du kannst es nicht wissen. Du riskierst sein Leben, wenn du ihn zwingst, zu ihr zu gehen.“

„Du hast Recht.“ Sie ließ ihn los und wandte sich zu Nanaki herab. „Hör mal ... ich will dich nicht in Gefahr bringen. Ich halte das für die einzig richtige Möglichkeit, aber du sollst dabei nicht verletzt oder getötet werden. Vielleicht ist es für uns auch gar nicht so wichtig, die ganzen Hintergründe zu kennen.“

„Wir sollten sie aber eigentlich kennen, weil wir die Einzigen sind, die sie noch kennen lernen können“, murmelte Nanaki von Zweifeln erfüllt. Seine Furcht war groß, seine Risikobereitschaft auch, und seine Neugier toppte beides noch. „Ich kann es machen. Ich mache es, wenn ihr mitkommt ... und wenn ich vorher das Verheißene Land besuchen darf.“

„Das kann ich dir nicht länger verbieten“, gab Aeris widerwillig zu. „Aber Red, überleg dir deine Entscheidung, bitte. Du begibst dich in Gefahr. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, so besonders scharf darauf zu sein, dass du mitmachst ... und es war auch falsch, dich überhaupt dazu zu drängen. Letztlich ist es besser, wenn du ihr weiterhin fernbleibst.“

Er schüttelte den Kopf. „Dein Gefühl wird dich schon nicht täuschen. Wir konnten uns bisher immer darauf verlassen.“

„Auch die Cetra sind nicht unfehlbar.“

„Und wenn schon. Der Versuch ist es wert. Ich will meine Existenz nicht länger in irgendeinem dunklen Geheimnis verschüttet wissen ... wenn meine Spezies wirklich eine so überragende Rolle spielt, wo auch immer, dann will ich ihr gerecht werden.“

Cloud furchte die Stirn und bedachte Nanaki mit einem nachsichtigen Lächeln. „Glaubst du, dass es das ist, was sich Seto für dich wünscht?“

„Nein. Aber ich glaube, dass es das ist, was sich Bugenhagen für mich wünscht.“
 

Irgendetwas an dem Verheißenen Land wirkte nicht echt. Darüber wurde sich Henry Fawkes ein weiteres Mal klar, als das bedrohliche Dunkle Tor sich hinter seinem Rücken geschlossen hatte und wieder diese seltsame, blumenübersäte Wiese vor seinen Füßen ansetzte. Der Himmel war zu blau, das Gras zu grün, die Blumen zu bunt ... es sah aus wie eine Szene aus einem Bilderbuch. Und es war so verdammt still. Hier gab es keine Tiere, verständlicherweise. Irgendetwas daran sah gefälscht aus, ins Kitschige übertrieben, wie eine Plastikblume im Vergleich zu einer echten.

„Es ist Gewöhnungssache“, sagte Sephiroth neben ihm verallgemeinernd. „Eigentlich lässt es sich hier ganz gut einleben.“

Zum ersten Mal fiel Fawkes der schwarze Flügel über dessen Schulter auf, und er tat so, als interessiere ihn das nicht. „Ich frage mich eher, wie Sie und die Cetra das hier aushalten“, erwiderte er und machte vorsichtshalber einige Schritte von dem Tor fort.

Sephiroth warf ihm einen fragenden Blick zu. „Inwiefern?“

„Naja ... Ihnen ist schon klar, dass Sie gerade mal seit sieben oder acht Jahren hier zu Hause sind, aber wie lange wird das andauern? Ewig? Es werden Jahrhunderte und Jahrtausende vergehen, und Sie können nichts tun, als dabei zuzuschauen, für immer. Erschreckt Sie das nicht?“

„Hm.“ Erst nach einigem Zögern gab der Schwarzgekleidete zögerlich zu: „Ich habe nie darüber nachgedacht.“

„Dann sollten Sie wohl bald damit anfangen.“

„Ach, all diese Dinge gehen Sie ohnehin nichts an, Mister Fawkes. Würde Cloud und den Anderen nicht so viel daran liegen, Sie lebend zurückzubekommen, dann hätte ich Sie glatt in den Glasberg zu den WEAPONs geschickt. Oder besser noch, ich hätte Sie selbst erledigt – würde ich nicht seit jener Zeit eine Abneigung dagegen empfinden, meine Klinge durch lebendiges Fleisch zu rammen –“

„Sie sind also doch, wie die Aufzeichnungen sagen“, gab Fawkes einen verächtlichen Kommentar von sich. Es überkam ihn gerade so, obgleich er wusste, dass Sephiroth wohl immer noch seine Gedanken las. „Sie wollten JENOVA den Planeten überlassen, habe ich Recht? Sie führten bereitwillig ihren Willen aus und ließen dabei eine Menge Leichen zurück. Warum sind Sie hier, wenn Sie all das wirklich verschuldet haben?“

Fawkes hatte vonseiten Sephiroths eine andere Reaktion erwartet als die stattfindende. Sein Gegenüber sog tief die Luft ein, als sei das in einem bereits verschiedenen Zustand wirklich noch notwendig, und verdrehte mit einer Andeutung von Genervtheit die Augen. „Haben Sie allen Ernstes gesagt, Fawkes, dass Sie alles über diese Sache wissen?“

„Ich weiß, was niedergeschrieben wurde. Das und mehr nicht. Wenn das alles falsch ist, belehren Sie mich.“

„Nein, dazu habe ich keine Lust. Ich will das jetzt nicht schon wieder alles herunterbeten, schon gar nicht jemandem, der sowieso nicht auf meiner Seite ist.“

„Haben wir denn Seiten?“, fragte Fawkes mit einem Versuch der Versöhnung, aber Sephiroth ging nicht darauf ein.

„Ich schlage vor, Sie kehren jetzt wieder zurück, es ist sowieso höchste Zeit. Schließen Sie die Augen und –“

„Was ist das dort?“, unterbrach Fawkes ihn dreist mit einer Frage und deutete auf den Gegenstand, den Sephiroth die ganze Zeit über in einer Hand festgehalten hatte.

„Was? Das hier?“

„Genau. Ist das nicht ...“

„Eine Panflöte, was dachten Sie?“

„Ich fragte mich, wozu man hier so etwas braucht.“

Sephiroth zögerte. „Das wird sich zeigen“, sagte er vage. „Und jetzt tun Sie, was ich sage. Ich bringe Sie zurück. Und ich hoffe, dass Sie die ganze Geschichte jetzt etwas anders betrachten.“

„Das wird sich zeigen“, zitierte Fawkes selbstgefällig, kam aber jeder weiteren Aufforderung nach.



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