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Elfenseele & Drachenherz

von

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Gefährliche Gäste

Widmung: Allen Rudelmitgliedern
 

Klick klack klick klack. Klick klack klick klack. Ein kräftiger Ruck an den Zügeln. Klick klack. Klick.

Mit dem Verklingen des letzten, glockenhellen Hufschlages senkte sich Stille über die kleine Talmulde. Stille, zu tief und allumfassend, um hier oder anderswo in der bekannten Welt natürlichen Ursprungs sein zu können. Nicht einmal mehr der Wind, der ununterbrochen klagend und jaulend durch die eiszerklüftete Landschaft streifte, wagte an diesem Ort noch sein trauriges Lied zu spielen.
 

Das Sattelleder knarrte, als Selene sich herumdrehte und mit einer in weichem Kaninchenleder steckenden Hand auf der Kuppe ihrer Fuchsstute abstützte. Ihre Augen, schwarz wie ein See in tiefster, mondloser Nacht, glitten langsam über die Felswand und blieben schließlich an dem Durchgang hängen, durch den sie vor wenigen Augenblicken die Talmulde betreten hatte. Der Spalt war gerade breit genug für ein Pferd samt Reiter und mehrere hundert Meter lang. Dahinter, in der eisigen Einöde, wartete ihre Garde. Fünfzehn Kämpfer des Morgenrots, ein jeder so viel wert wie fünf gewöhnliche Männer mit guter Ausbildung. Mindestens. Selbst der Kaiser konnte keine Ritter vorweisen, die dieser Einheit gewachsen waren. Der Gedanke erfüllte sie weder mit Stolz, noch mit Genugtuung. Die Männer waren einfache Werkzeuge, welche entweder gut funktionierten oder ausgesondert wurden, sobald sie sich als untauglich erwiesen. Und die Ansprüche des Morgenrots waren hoch.
 

Mit einem lautlosen Knurren zog Selene die Füße aus den Steigbügeln und ließ sich zu Boden gleiten. Das Rascheln ihrer schneeweißen, mit Gold bestickten Robe unter dem pelzbesetzen Umhang klang in der vollkommenen Stille unnatürlich laut.

Sie empfand auch nach den Tagen der Reise durch Frost und Schnee noch immer heißen Groll ob der bodenlosen Frechheit, dass diese Priester – sie belegte das Wort in Gedanken mit einem verächtlichen Klang – es gewagt hatten, sie zum Erscheinen ohne Begleitung aufzufordern. Nein, es ihr zu befehlen! Ginge diese Anweisung nicht konform mit ihren eigenen Plänen, Selene hätte nicht im Traum daran gedacht, ihre Garde in der Einöde zurück zu lassen. Doch sie würde sich merken, mit wem sie es heute zu tun hatte, und irgendwann waren auch diese Werkzeuge abgenutzt. Dann konnte sie sich angemessen für das anmaßende Verhalten erkenntlich zeigen. Jetzt gab es Wichtigeres.
 

Die jung anmutende Frau drückte den Rücken durch und schritt mit kurzen, energischen Schritten auf das Portal zu, welches sich in der ihr gegenüberliegenden Felswand befand. Ein schwarzes, bogenförmiges Loch im glitzernden Gestein, hoch genug, zwei Männer übereinander hindurch zu lassen, und noch einmal fast genauso breit. Ihre weichen Samtpantoffeln fanden auf dem spiegelglatt ausschauenden Untergrund sicheren Halt. Hier lagen weder Schnee noch gab es Eis. Niemand vermochte zu sagen, um was es sich bei der transparent bis bläulich glitzernden Schicht auf den Felsen handelte. Sie überzog innerhalb der Talmulde alles, wie eine dicke Schicht aus geschmolzenem und wieder erstarrten Glas, die Wände, den Boden. Dort, wo sie sich zu funkelnden Kristallen verformt hatte, brachen sich die Strahlen der Sonne in deren Inneren in allen Farben des Regenbogens. Nur wenige, besondere Menschen – Menschen wie Selene – wussten um die Höhlen, die sich hinter dieser Glasschicht verbargen und um die wenigen Legenden, die sich um Orte wie diesen rankten.
 

Sie erreichte die schmale Treppe, die hinauf zu dem Portal führte. Der Durchgang lag matt schimmernd vor ihr. Mit einem verhaltenen Luftholen schritt Selene die wenigen Stufen hoch und trat in die bogenförmige Schwärze. Es war jedes Mal von Neuem ein merkwürdiges Gefühl, die Barriere zu durchbrechen, und ließ sich durch keine ihr bekannte Situation beschreiben. Am ehesten glich es noch dem Empfinden eines Eimers mit Eiswasser, der unversehens über ihrem Kopf entleert wurde. Für einen viel zu langen Sekundenbruchteil fraß sich tödliche Kälte bis in ihre Seele, raubte ihr den Atem und ließ sie verschreckt nach Luft schnappen. Dann war sie auf der anderen Seite und zurück blieb nur noch das ahnungsvolle Kribbeln, einer großen Gefahr so gerade noch entkommen zu sein. Mit jedem Durchschreiten wurde es schlimmer, ging die Kälte tiefer und nahm die Ahnung eine deutlichere Gestalt an.
 

Stimmen, leise und zurückhaltend, drangen an ihr Ohr und Selene schlug die unwillkürlich geschlossenen Augen auf. Das Bild, welches sich ihr bot, ähnelte denen, die sie schon an anderen Orten dieser Art gesehen hatte: ein in den Fels geschlagener Raum, 20 mal 20 Schritt groß. Die behauenen Wände waren so lange geschliffen und poliert worden, bis man keine auch noch so kleine Unebenheit mehr in ihrer grauen Oberfläche fand. Gleiches galt sowohl für den Boden als auch die hohe Decke. Weiße, kugelförmige Gebilde zwei Schritt über ihren Köpfen verbreiteten ein milchiges Licht und direkt in der Mitte des Raumes stand der Altar. Sein Aussehen war überall gleich: eine aus weißen Stein gemeißelte, in sich gedrehte Säule, die sich zur Mitte hin verjüngte und auf Hüfthöhe eines erwachsenen Mannes zu einer flachen Schale öffnete. Innerhalb der Schale befand sich eine transparente Flüssigkeit, in der sich ein Kristall spiegeln würde. Ein Kristall, der oberhalb der Schale gar nicht vorhanden war.
 

Selene registrierte beiläufig, dass das dezente Murmeln mit ihrem Eintreffen verstummt war, und richtete ihre Aufmerksamkeit ungeteilt auf die übrigen Anwesenden. Keiner von ihnen verneigte sich oder senkte auch nur respektvoll den Kopf. Ihre vollen Lippen verzogen sich unwillig. ‚Später. Eure Mäntel und Masken vermögen euch nicht zu schützen.’

Obgleich sich die Priester hinter einer Maske verbargen und ihre Gestalt in bodenlange Mäntel gehüllt hatten, erkannte Selene jeden einzelnen von ihnen. Der ganz rechts außen mit der steifen Haltung, als hätte er ein Brett an seinen Rücken gebunden, musste Bornham sein. Und der Mann daneben, dessen Augen unruhig hin und her huschten und keinen Punkt länger als drei Sekunden fixierten, war ohne Zweifel Dain. Nahe dem Altar stand der alte Thurim, der mehr Arroganz ausstrahlte als alle anderem im Raum zusammengenommen. Und dahinter … Selene kniff die Augen zusammen.
 

Die Gestalt in dem dunkelgrauen Umhang war kein Priester. Jedenfalls keiner der ihr bekannten. Der dunkle, schwere Stoff verdeckte seinen gesamten Körper bis auf den Boden, und er trug die Kapuze so weit ins Gesicht gezogen, dass darunter nur Schwärze erkennbar wurde. Das prägnante an ihm aber war, dass man ihn übersah. Als sie den Raum betreten hatte, war er ihr nicht aufgefallen und auch jetzt noch, als Selene ihn direkt anschaute, schien er sich ihren Blicken immer wieder zu entziehen. Sie blinzelte. Die Gestalt in dem Kapuzenumhang war verschwunden.
 

„Lady? Ist mit Euch alles in Ordnung?“

Die nasale Stimme zwang Selene dazu, ihren Blick von der Stelle, an der eben noch die Kapuzengestalt gestanden hatte, loszureißen und sich dem Sprecher zuzuwenden. Thurim natürlich, wer sonst wagte auch, sie offen ohne ihren Titel anzusprechen. In den blassblauen Augen des Priesters ruhte der stille Hunger eines Mannes, der Zeit seines Lebens niemals genug Macht erlangt hatte, um zufrieden zu sein, und in Anbetracht seines nahenden Endes alles versuchte, dieses Ziel doch noch zu erreichen. Egal, welche Mittel und Wege er dazu verwenden musste. Alles in einem also ein gefährlicher Mann. Ihn nach der sechsten Person, die plötzlich verschwunden zu sein schien, zu fragen, bedeutete das Präsentieren einer Schwäche, die sie sich nicht leisten konnte. Vielleicht war es nur einer seiner Spione gewesen, vielleicht etwas anderes – damit würde Selene sich befassen, wenn sie alleine war, und so überging sie die Nachfrage des Priesters mit aller Herablassung, zu der sie fähig war. Ihre Stimme schnitt klar und kühl durch den Raum: „Ich hoffe, ihr habt alles Nötige vorbereitet? Ich habe nicht viel Zeit. Dann lasst uns beginnen…“
 

tbc



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-05-28T09:56:45+00:00 28.05.2009 11:56
Hallo, Schneeflocke.

Schön, dass du dich endlich entschlossen hast, dein RPG als als durchgehende Geschichte aufzuschreiben. Sie lesen zu können ist doch etwas anderes, als nur einzelne Brocken davon im Gespräch zu erfahren. Und du hast mich neugierig genug gemacht.
Der Name Selene sagt mir ja schon ein wenig. Auch der Kristall kommt mir bekannt vor. Ich frage mich, wie das alles mit dem Abenteuer zusammen hängt. Schreib schnell weiter, jetzt möchte ich alles wissen.

Grüße
Kay
Von: abgemeldet
2009-05-27T19:19:18+00:00 27.05.2009 21:19
Schöner Auftakt. Ich mag die detaillierten Beschreibungen. Selene gefällt mir, ich hoffe, das war nicht ihr einziger Auftritt. Sie ist so biestig und zugleich sehr ladylike.

Es grüßt,
Lilith


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