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Schatten der Vergangenheit

von

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Feine Wolkenschleier zogen sich über den Himmel.

Der feurige Schein einer blutroten Sonne tauchte sie in eine Vielzahl von zarten Farbtönen, während der Himmel selbst in intensivem Orange und geradezu verträumten Purpur erstrahlte.

Dort, wo das Licht der Sonnenstrahlen nicht mehr hinreichte, hatte der Himmel begonnen, sich düster zu verfärben. Erst war es nur ein dunkleres Purpur, doch bald wurde es zu einem finstren Violett, ehe es sich in verschiedene, immer dunklere Blautöne ergoss.

Mit einem letzten tiefroten Aufflammen versank die Sonne im Westen; irgendwo, weit draußen, in den Wellen des großen Ozeans.

Die Nacht streckte ihre Klauen aus und griff nach den letzten Fetzen, die vom Tag noch zurückgeblieben waren. Sie begrub die Helligkeit unter sich und ließ nur dämmriges Zwielicht zurück.

Es wurde ruhig.

Der heitere Gesang der Vögel verstummte nach und nach, wie die anderen Laute, die den Wald sonst zu einem Ort voller pulsierenden Leben machten.

Selbst der Wind, der den Tag hindurch mit den Blättern in den Baumkronen gespielt hatte, war abgeklungen.

Nicht einmal mehr ein leises Rascheln drang an die Ohren der acht Elfen, die schweigsam den verschlungenen Pfad entlang ritten. Einzig das Scharren der Schreiterkrallen über das Straßenpflaster und das einsame Klappern der Pferdehufe auf dem harten Grund hallte in ihren Köpfen wieder.
 

Es waren erst einige Stunden vergangen, seitdem sie aufgebrochen waren, doch trotz dieser recht kurzen Zeitspanne konnte sie eines mit Gewissheit sagen:

Sie hasste diesen verfluchten Paladin jetzt schon!

Sein Auftreten; so selbstbewusst und sicher. Dieser Ausdruck auf seinem Gesicht; herablassend, geradezu arrogant mochte man behaupten; den sie ihm am Liebsten von den viel zu blassen Zügen gewischt hätte.

Und nicht zuletzt die Art, wie er sie ansah. Als sei sie nur irgendeine unbedeutende, namenslose Elfe am Wegesrand, ohne nennenswerte Ahnen und ohne Autorität!

Sie verabscheute ihn. Sein ganzes Verhalten.

Ruhig, kühl, durchdacht.

Doch er war klug – klug genug, ihre Gegenwart weitestgehend zu meiden.

Ihre Miene verzog sich zu einer Grimasse der Verachtung, als sie sich umwandte, um einen Blick auf den Paladin zu erhaschen.

Wozu sollte seine Gegenwart gut sein?! Was konnte schon schlimmsten Falls geschehen?

Sollte sie vom Rücken ihres Schreiters fallen?!

Sie schnaubte leise.

Als ob eine ernsthaftere Gefahr bestünde, als die, vor Langeweile umzukommen!

Es wurde viel zu viel Aufsehen gemacht, seit die Nachricht, dass Orcs aus den Internierungslagern entkommen konnten, auch Quel’Thalas erreicht hatte.

Diese kulturlosen Wilden würden schneller tot sein, als sie das Wort „Sanktum“ auch nur aussprechen könnten – wenn sie es denn überhaupt auszusprechen vermochten.

Es war geradezu lächerlich.

Man benahm sich, als würden diese Barbaren hinter dem nächsten Baum darauf lauern, dem Erstbesten, der ihren Weg kreuzte, den Schädel zu spalten.

Der Paladin schien ihren Blick bemerkt zu haben. Langsam sah er auf und starrte sie geradewegs an.

Rasch wandte sie ihren Blick von ihm, straffte die Schultern und betrachtete fest den Weg, der vor ihnen lag.

Mehrere Pferdelängen hinter ihr schüttelte der Blonde den Kopf.

Sie waren erst seit dem späten Nachmittag auf dem Weg, doch schon wünschte er das Ende dieser Reise mehr herbei, als alles andere.

Diese Magierin. Er konnte es nicht recht in Worte fassen, doch etwas an ihr störte ihn.

Nicht etwa ihre Abneigung und die Verachtung, mit der sie ihn behandelte – dergleichen war er gewohnt.

Magier blickten ohnehin auf alles hinab, was nicht mindestens den gleichen Rang besaß.

So wunderte ihn ihre Abneigung nicht. Selbst die Waldläufer begegneten ihm mit Hochmut und Überheblichkeit.

Er war nur ein Paladin; ein Ritter der Silberhand; ein Narr und Menschenfreund – wenigstens in ihren Augen.

Sein Blick schweifte ab in das Dunkel zwischen den Bäumen. Die Schatten der Nacht wurden immer dichter und aus den Büschen glomm das fahle Leuchten der Augen nächtlicher Jäger.

Leises Rascheln drang an seine spitzen Ohren. Auch die Waldläufer und zu seinem Überraschen gar die Arkanistin schienen es bemerkt zu haben.

Auf eine Knappe Geste von ihr hin zügelten sie alle ihre Schreiter. Auch er ließ sein Pferd zum Stehen kommen.

Etwas bewegte sich zwischen den Blättern der Sträucher.

Lautlosen Gebärden folgend wurden Bögen gespannt und Pfeile an Sehnen gelegt. Auch er legte die Hand an den Griff seines Schwertes und wartete wachsam, was geschehen mochte.

Ein rötliches Glühen erschien dort, wo die Arkanistin auf ihrem Schreiter verharrte.

Flammenzungen tanzten um ihre schlanken Finger. Gelblich glimmende Funken stoben in den Nachthimmel auf.

„Zeigt Euch, wenn Ihr nicht wollt, dass Ihr als Nadelkissen endet! Eine weitere Warnung werdet Ihr nicht erhalten!“, rief sie dem Gesträuch entgegen. Der unstete Schein der Flammen ließ Schatten über ihr Gesicht tanzen und wandelte ihre ernste Miene zu einer verzerrten Grimasse. Ihre hellen Augen glühten in der Dunkelheit; ebenso jene der anderen Elfen.

Das Rascheln wurde lauter, doch weder kam Antwort, noch zeigte sich jemand oder etwas.

Ethanil nickte seinen Waldläufern zu.

Sie verstanden.

Scharfe Elfenaugen starrten auf das Gesträuch und suchten einen Punkt, auf den sich ein Schuss als lohnenswert erweisen würde.

Der Griff des Paladins um sein Schwertheft schloss sich fester.

Wieder Rascheln.

Dann der lang gezogene Schrei eines Greifvogels.

Der Anführer der kleinen Waldläufergruppe hob die Hand – ein Zeichen, inne zu halten.

Sein Blick wanderte zu einem Vogel, der sich im Geäst eines alten Baumes niedergelassen hatte. Es war ein Falke. Erneut stieß dieser einen Schrei aus.

Mit unverhohlener Intelligenz blickte er auf die Elfen hinab; geradezu wie ein Herrscher auf seine Untergebenen.

Ein dünnes Lächeln huschte über Ethanils Züge.

Er nahm die Hand vom Heft seines Schwertes und ließ sich aus dem Sattel seines Schreiters gleiten.

Verständnislose Blicke seitens der Arkanistin folgten ihm, doch die anderen Waldläufer kamen seinem Beispiel gleich und senkten ihre Waffen.

Stille trat ein. Nur durchbrochen vom Schauben des Pferdes und dem Gezänk der Falkenschreiter.

Ein Pfiff gellte durch die beginnende Nacht.

Der Greifvogel wandte seinen Blick ab, spreizte die Schwingen und erhob sich in die Lüfte.

In steilem Sturzflug sauste er über die Köpfe der Elfen hinweg und landete auf dem ausgestreckten Arm eines Vermummten.

Die Blicke der Anwesenden wandten sich allesamt dem Neuankömmling zu.

Arendil hob eine Augenbraue und musterte den Vermummten gründlich.

Ein hochgewachsener Elf, gekleidet in die Farben des Waldes und mit der klassischen Ausrüstung eines Waldläufers bewehrt.

Er seufzte leise. Als ob noch mehr dieser …Waldläuse… jetzt von Nöten gewesen wären…

Auch die Arkanistin betrachtete den Erschienenen mit Missfallen.

„Was wollt Ihr?! Wir haben keine Zeit für derartige Verzögerungen!“, fuhr sie den Elfen barsch an.

Er hingegen ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit geradezu unendlicher Gelassenheit neigte er sein Haupt und streifte die Kapuze zurück, die sein Gesicht verborgen hatte.

Seine alterslosen Züge waren von langen Jahren und vielen Kämpfen geprägt und in seinen Augen glomm die Erfahrung mehrer Menschenleben.

Sein Haar war von einem fahlen weiß und ähnelte der im Zwielicht der Nacht fast ebenso bleich scheinenden Farbe seiner Haut.

Seine Miene war unbewegt. Weder Gedanken noch Gefühle hätte sie erahnen lassen.

„Verzeiht mein …plötzliches Erscheinen.“ Seine Stimme klang ruhig und gefasst. Er schien den Umgang mit Elfen höheren Ranges gewohnt, denn weder war aus ihr Abneigung noch kriecherische Schmeichelei zu hören.

„Ihr müsst Vanariel Silverwing sein.“ Ein dünnes Lächeln huschte über seine Lippen, doch seine Augen spiegelten es nicht wieder. „Nein. Ihr seid es gewiss.“, berichtigte er sich.

Vanariel blickte ihn hochmütig an.

„Wer seid Ihr und was wollt Ihr?!“, erwiderte sie brüsk.

„Mein Name ist nicht wichtig, denn meine Kunde fordert Eile.“, entgegnete er ihr.

Sie wollte etwas einwerfen, doch noch ehe sie dazu kam, fuhr er an den Anführer der Waldläufergruppe gewandt fort.

„Relerin.“, sprach er nur.

Ethanils Augen weiteten sich. „Wo?“, war das einzige, was ihm über die Lippen drang.

Der Weißhaarige warf einen knappen Blick auf die Arkanistin, dann wandte er sich wieder dem Waldläufer zu.

„Nicht fern.“

Ethanil nickte knapp.

„Es liegt auf dem Weg, dem ihr ohnehin gefolgt wäret, wie ich vermute.“, fügte der Elf hinzu.

„Wir werden dir folgen.“ Der Dunkelhaarige sah die Arkanistin an.

Missfallen zeigte sich in ihrer Miene, doch sie sprach nicht dagegen. Sie ließ die Flammen, die um ihre Finger züngelten, verschwinden und straffte die Schultern.

„Sagtet Ihr nicht, es eile? Worauf wartet Ihr dann noch mit dem Aufbruch?!“, fuhr sie ihn an.

„Dann folgt mir.“ Der Falke stieß einen schrillen Schrei aus. Dann erhob er sich mit kraftvollen Schlägen seiner Schwingen und flog über die Baumkronen hinweg davon.

Der Waldläufer nickte Ethanil zu.

Dieser schwang sich zurück in den Sattel seines Falkenschreiters. Dann, ohne ein weiteres Zeichen, presste er dem Tier die Fersen in die Flanken.

Der Schreiter kreischte auf und setzte sich mit weiten Schritten in Bewegung.

Einen kurzen Moment lang starrten die übrigen Waldläufer ihrem Anführer hinterher, ehe auch sie ihre Reittiere antrieben und ihm folgten.

Die Arkanistin rümpfte die Nase.

„Lächerlich!“, stieß sie aus. Sie fuhr sich durch ihr fuchsrotes Haar.

Ihr Schreiter trottete geradezu gemütlich den schmalen Pfad entlang.

Das Klopfen von Hufschlägen ließ sie zur Seite blicken.

„Ihr solltet schneller reiten, sonst verliert Ihr den Anschluss.“, erklang die Stimme des Paladins zu ihrer Rechten. Es war das erste Mal seit ihrem Aufbruch, dass er das Wort an sie richtete.

Sie schnaubte leise.

„Ich mache, was mir beliebt, Paladin! Merkt Euch das!“, erwiderte sie spitz.

Sie wandte ihren Blick von ihm ab und reckte das Kinn empor.

Aus dem Augenwinkel glaubte sie zu sehen, wie er mit den Achseln zuckte. Dann vernahm sie ein deutliches Schnaufen. Vier beschlagene Hufe donnerten über den harten Boden, als der Paladin sein Ross antrieb und er sie alleine hinter sich zurückließ.

Vor Empörung schnappte sie nach Luft.

Das er sich dies erlaubte!

Sie raunte ihrem Reittier etwas zu. Ein Ruck lief durch den Schreiter. Mit nach vorne gestrecktem Hals und weit ausholenden Schritten rannte der Vogel den Weg entlang.

Es dauerte nicht lange, ehe sie vor sich den blauen Umhang des Paladins durch die Luft wirbeln sah und das Geräusch vieler über den Boden kratzender Krallen vernahm.

Ihre Augen funkelten.

Sie drückte sich dichter an den Körper ihres Reittieres. Fast augenblicklich legte der Vogel an Geschwindigkeit zu.

Ein triumphierendes Lächeln huschte über ihre Züge, als sie den Paladin neben sich sah.

„Ihr solltet schneller reiten, sonst verliert Ihr den Anschluss, Paladin.“, äußerte sie.

Noch ehe er ihr etwas erwidern konnte, war sie an ihm vorbeigezogen.

Mit einem Ausdruck, dem man nicht recht entnehmen konnte, ob er Erstaunen, dass sich in Verachtung wandelte, oder grundlegende Abscheu spiegelte, blickte er ihr hinterher.

Mit diesem arroganten Weibsbild würde er sicher noch sehr viel Freude haben…

Er konnte kaum erwarten, sie endlich in Lordaeron abzuliefern und Ruhe vor ihrem überheblichen Getue zu haben!
 

Es war kaum Zeit vergangen, so schien es, als Ethanil seinen Schreiter auf einem von elfischen Bauten gesäumten Platz zügelte.

Feuerschalen und Fackeln waren entzündet worden. Magische Kugeln schwirrten über den Eingängen der Gebäude und spendeten zusätzliches Licht. Warmer Schein fiel durch die Stoffbahnen vor den Bogenfenstern und Eingangsportalen und vertrieb die Dunkelheit von dem kleinen, gepflasterten Platz.

Doch der dunkelhaarige Elf achtete nicht auf all dies. Rasch stieg er vom Rücken seines Reittieres und suchte mit gehetztem Blick nach einem Anzeichen des Waldläufers, dem er sein aufgebracht Gemüt zu danken hatte.

Das Schlagen von Vogelschwingen drang an seine hellhörigen Elfenohren.

Er wandte sich um.

Der Falke landete auf dem vorstehenden Sims des größten der Gebäude.

Er vernahm, wie langsam die anderen Waldläufer auf dem Platz ankamen und ebenfalls abstiegen. Doch er beachtete sie nicht.

Sein Blick richtete sich fest auf das Gebäude vor ihm.

Eine Hand legte sich ihm auf die Schulter und er schrak auf.

Er sah zur Seite.

Der Weißhaarige nickte ihm zu. Seine Miene war ernst. Eine steile Sorgenfalte hatte sich auf seiner Stirn gebildet.

Ethanil schloss kurz die Augen. Sein Kopf ruckte kaum merklich auf und ab.

Hufgeklapper drang an seine Ohren.

Der Paladin war soeben auch eingetroffen – doch nicht einmal mehr so etwas wie das Heilige Licht würde nun noch eine Rolle spielen.

„Du solltest dir besser gut überlegen, ob du ihn wirklich so sehen willst, oder ob du ihn in Erinnerung behältst, wie du ihn lange Jahre kanntest.“, äußerte der Weißhaarige.

Ethanil fegte die Hand des anderen Elfen von seiner Schulter und trat sicheren Schrittes in das Gebäude ein.

Das Licht, was ihn empfing war gedämpft und wirkte kalt und starr verglichen mit dem Schein, der den Platz erhellt hatte. Dunkle Schatten zogen sich durch den Raum und über die verzierten Wände, die nun trist und öd schienen.

Einige Elfen standen um eine Bahre herum und versperrten die Sicht.

Als sie seine Schritte vernahmen blickten sie sich zu ihm um.

Ihre Mienen waren ernst wie die des Weißhaarigen, doch waren sie verzerrt von Trauer und Wut. Ihre Augen glühten im fahlen Dämmerlicht, das den Raum spärlich erhellte.

Der Wunsch nach Rache loderte in ihnen.

Sie nickten ihm zu und traten einen Schritt beiseite.

Er erwiderte ihren stummen Gruß. Worte waren keine von Nöten. Er kannte sie. Sie waren Waldläufer, wie auch er einer war. Und er wusste, was in ihnen vorgehen musste.

Er schritt auf die Bahre zu.

Eine bleiche Hand geriet in sein Blickfeld. Getrocknetes Blut haftete an ihr.

Süßlich, metallischer Gestank stieg in seine Nase und hätte ihn Tränen in die Augen getrieben, wäre dies das erste Mal gewesen, da er den Geruch und seine schwere Bedeutung auf sich lasten spürte.

Er merkte, wie seine Beine kurz davor waren, ihn nicht länger zu tragen. Er bebte am ganzen Körper.

„Wie konnte das geschehen?“, entrang es seiner Kehle. Er hatte die Beherrschung über sich verloren. Seine Stimme klang rau und kraftlos.

Sein Blick wanderte über den blassen Körper, der auf der Bahre ruhte.

Die Kleidung des Elfen war blutgetränkt. Pfeile steckten in dem regungslosen Körper. – Grobgeschnitzte Schäfte mit unsteter Befiederung. – Ein Loch klaffte in der Brust des Leblosen.

Als hätte jemand – oder etwas – sie aufgerissen.

Seine Hände ballten sich zu Fäusten.

Das Gesicht des Elfen war kaum mehr als ein solches zu erkennen.

Ein langer, grober Schnitt hatte die Kehle zerfetzt. Hautlappen fehlten und gaben den Blick auf das rohe Fleisch frei.

Der Schädel war verformt; als hätte man ihn mit brachialer Gewalt zertrümmert. Die spitzen Elfenohren waren nur noch verstümmelte Stümpfe.

Leere Augenhöhlen starrten ihn an.

„Wie konnte dies nur geschehen?!“ Er hieb mit der Faust auf den Rand der Bahre.

Tränen füllten seine Augen.

Schritte kündeten davon, dass die übrigen Waldläufer der kleinen Gruppe in das Gebäude gefolgt waren.

Leises Murmeln hob an. Erst klang es entsetzt und ungläubig ob dessen, was sie erblickten.

Dann schwang es in trauergenährte Wut um.

„Wie konnte dies geschehen?!“, drang die Stimme einer schwarzhaarigen Elfe an seine Ohren.

Ethanil blickte zu ihr. Dann auf den Weißhaarigen.

Dessen Miene zeigte keine Regung, doch in seinen Augen loderte derselbe Hass, der auch in den Augen der anderen Elfen glomm.

„Wie konnte dies geschehen Elandor?“, fragte er mit matter Stimme. „Wer hat ihm dies angetan?!“

Der Angesprochene wandte seinen Blick von dem Toten und starrte Ethanil fest an.

„Er verfolgte Spuren in den Wäldern. Allein.“, begann der weißhaarige Elf.

Der Dunkelhaarige hob die Augenbrauen. „Spuren? Welche Spuren?!“, entrang es ihm.

Elandor tauschte einen kurzen Blick mit einem der anderen Waldläufer.

„Wir vermuteten, die von Trollen. Doch waren auch andere unter diesen.“, antwortete er.

„Relerin verfolgte diese – gegen unser Anraten, bis zum Morgen zu warten. Einige folgten ihm, doch als wir ihn fanden…“

„…hatten diese Barbaren schon dies mit ihm angestellt!“, vervollständigte eine ernst blickende Elfe mit hellbraunen Haaren bitter. „Sie haben ihn aufs grausamste gefoltert. Seinen Leib zerschmettert und verstümmelt. Und dann haben sie ihn liegen gelassen; ausgeblutet und zerrissen.“ Ihre Stimme bebte mit jedem Wort, das sie sprach. Ein helles Glänzen trat in ihre Augen. „Aber wir haben sie verfolgt! Wir haben diese Barbaren verfolgt - und jene abgeschlachtet, die uns vor die Bögen liefen!“

Der Weißhaarige sah sie streng an. „Vergiss nicht, dass es nur einige wenige waren, die ihr erlegen konntet Lysell!“, wies er die Elfe scharf zurecht.

Sein Blick wanderte zu Ethanil.

„Dort draußen sind immer noch genug Trolle. Und sie scheinen nicht allein. Ihre Angriffe sind anders geworden. Barbarisch zwar, doch mit mehr Disziplin – gerichteter!“

Der Waldläufer horchte auf. „Was heißt: Sie scheinen nicht allein?!“

„Die Spuren, die wir an Relerins Leichnam im aufgeweichten Boden fanden waren die von Trollen; zweifellos. Doch dort waren noch andere Spuren – Orcspuren, wie ich vermute!“

„Orcs?!“, erhob sich eine Stimme. Köpfe wurden gedreht.

„Ihr wollt uns also weismachen, dass Orcs, die aus den Lagern der Menschen entkommen sind, hierher – nach Quel’Thalas – gelangt sind und sich mit Trollen zusammengeschlossen haben?!“

Die Arkanistin hatte das Gebäude unbemerkt betreten und blickte die Waldläufer mit einer Mischung aus Arroganz und Unglauben an.

Der weißhaarige Elf nickte. „Exakt.“

„Lächerlich!“, entrang es der Arkanistin.

„Lächerlich? – Sagt dies den Elfen, die durch diese Barbaren den Tod gefunden haben!“, entgegnete der Waldläufer ihr.

„Einen unachtsamen Elfen können sogar Trolle ohne Hilfe töten – dafür brauchen sie nicht die Unterstützung von Orcs!“

Sie schnaubte verächtlich. „Er hätte besser auf sich Acht geben sollen!“

Die Arkanistin fuhr sich durch ihre feinen Haare und bedachte die Waldläufer eines herablassenden Blickes. „Mir soll es gleich sein, ob Orcs oder Trolle diese Wälder heimsuchen – es ist Aufgabe der Waldläufer diese Wilden im Zaum zu halten und zu beseitigen – nicht die meine!“

Die Mienen der Anwesenden waren Masken des Zorns und des Hasses.

„Ihr solltet dieses Haus besser verlassen.“, gab einer der Waldläufer zu Rat. Zustimmendes Gemurmel wurde laut.

Die Arkanistin musterte die Elfen abschätzend. „Ich soll dieses Haus verlassen?!“ Ein dünnes Lächeln huschte über ihre Züge. „Ich bin weit gereist und würde Ruhe begrüßen.“

Sie wandte sich Ethanil zu. „Lasst den Kadaver hier heraus bringen – immerhin scheint mir dies ein Gasthaus und keine Leichenhalle!“

Doch weder der Angesprochene, noch ein anderer rührte sich.

„Ethanil! – Dies ist ein Befehl!“

Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und fixierte den Dunkelhaarigen mit finstrem Blick.

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter.

Ruckartig wandte sie ihren Kopf.

Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als sie in das Antlitz des Paladins blickte.

„Nehmt Eure Hand von mir fort, Paladin!“, zischte sie ihn an.

Doch statt ihrer Weisung gehorsam zu folgen oder eine Entschuldigung auszusprechen, wurde der Druck, der auf ihrer Schulter lastete, stärker.

„Ihr solltet dieses Haus verlassen.“ Seine Stimme war tonlos, doch seine Miene zeigte unterdrückten Zorn.

Sie fegte seine Hand grob von ihrer Schulter und machte kehrt.

„Ich wollte diese …Leichenhalle… ohnehin verlassen. Die Luft hier ist fürchterlich – und der Gestank des Blutes und Todes erst!“, meinte sie hochmütig.

Mit diesen Worten trat sie aus dem Gebäude, vorbei an Waldläufern, die ihr mit offener Feindseeligkeit und Abneigung hinterher sahen.

Arendil schüttelte den Kopf. Er nickte erst Ethanil, dann dem Weißhaarigen zu.

„Verzeiht.“, drang es über seine Lippen. Dann folgte er der Arkanistin.
 

„Was erlaubt Ihr Euch eigentlich?!“

Die Elfe blickte zurück. Abscheu verzerrte ihre hübschen Züge.

„Wie sprecht Ihr mit mir, Paladin?!“, erwiderte sie schroff. „So lasse ich nicht mit mir reden!“

Der Blonde trat unwirsch auf sie zu. Zorn funkelte in seinen kalten, blauen Augen.

„Mir ist es gleich, ob Euch mein Ton missfällt, oder auch nicht.“, knurrte er.

Am liebsten hätte er ihr allerhand entgegen geworfen. Doch er hielt sich zurück. Es wäre unklug gewesen, bereits zu Beginn der Reise Groll zu säen. Dafür blieb während des Weges bei weitem genug Zeit.

„Besitzt Ihr nicht einmal genug Taktgefühl, die Trauer anderer nachzuvollziehen?!“

Sie fuhr sich durch die Haare.

„Was kümmert mich irgendein unachtsamer Waldläufer?“, entgegnete sie kaltschnäuzig.

„Hätte er besser Acht gegeben, würde er nun nicht kalt und starr in diesem Haus liegen.“ Sie deutete mit einem Nicken auf das Gebäude.

„Zudem – was beschäftigt es Euch, Paladin? Es sind Waldläufer – sie halten ebenso wenig von Euch, wie jeder andere Elf, der seiner Abstammung stolz ist.“

Sie rümpfte die Nase und wollte an ihm vorbei schreiten.

Eine Hand schloss sich fest um ihren Arm.

Wütend starrte sie ihn an.

„Lasst mich los!“, presste sie mit einem Zischen hervor.

Einen kurzen Moment lang starrte er ihr wort- und regungslos in die Augen.

Dann ließ er sie los.

„An Eurer Stelle würde ich mein Verhalten gegenüber dem Tod ändern – allzu leicht könnte der Eure früh eintreffen.“, sprach er verächtlich.

„Soll das eine Drohung sein?!“

Ihre Gesichter trennte kaum mehr als eine Elle Luft.

„Lediglich eine Warnung. – Euer Gebaren wird Euch nicht viele wohl gesonnen machen.“

Er trat einen Schritt zurück. Abschätzend musterte er sie.

„Ihr solltet diese Warnung beherzigen – oft wird man sie Euch nicht mehr geben.“

Mit diesen Worten wandte er sich um und verschwand zwischen den Wänden der beieinander stehenden Gebäude.

Sie schnaubte verächtlich.

Was dachte dieser Elf, wer er sei, so mit ihr zu sprechen?!

Ihre zarten Hände ballten sich zu Fäusten.

Er würde diese Worte noch bereuen! Niemand – am allerwenigsten ein lichtgläubiger Narr und Menschenfreund – hatte ihr zu sagen, wie sie sich zu verhalten habe!

Sie war eine Quel’dorei. Ein Wesen edler Abstammung.

Er hingegen – er war es nicht einmal wert, dass man ihn überhaupt zum Volke der Hochelfen zählte!

In ihren Augen war er nicht mehr als ein Mensch. Mochte auch sein Äußeres von seinem elfischen Geblüt künden; sein Glauben war der eines schwachen, unwissenden Volkes.

Und so war auch er: Schwach und unwissend.

Mit vor Hass verzerrten Zügen starrte sie dorthin, wo er zwischen den Bauten verschwunden war.

Du magst dich und deine Worte für weise halten, Paladin. Doch sind weder sie noch du es.

Lege dich nie mit einer Magierin an – du könntest dir sonst noch die Finger verbrennen!



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-07-07T09:46:40+00:00 07.07.2009 11:46
So, Sarachen meldet sich zurück! ^^
Entschuldige bitte die große Verspätung (ein Monat! OO), aber irgendwie war ich nicht so in Lesestimmung. Allgemein. Tut mir sehr Leid...
*knuddel*
Selbst meine eigene Fanfic braucht wohl eine Weile.

Also ich finde, dass dein Schreibstil äußerst mittelalterlich klingt, wie in einem echten mittelalterlichen Roman! Wie du am Anfang den Sonnenuntergang beschrieben hast.. da wurde ich, ehrlich gesagt, sogar etwas eifersüchtig *lächelt*
Du hast Talent, Liebes!
Und mit solchem ist nicht jeder gesegnet. Wie lässt du dich eigentlich inspirieren?

Es ist sehr spannend, Vanariel und ihre Gefolgschaft auf ihrer Reise zu verfolgen. Relerin ist also ein elfischer Name. Ich dachte schon, ich nerv dich weiter mit meinem Fragebogen xD
Also Arendils Umgang mit Vanariel (ebenso umgekehrt) erinnert mich an unser Rp :)
Kaum haben sie sich kennengelernt, da will er sie schon loswerden
xD
Oh mein Gott, wen sehe ich da? *total perplex ist*
Elandor...!
Das ist aber super, dass er vorkommt!
Weißt du, so wie du die Grausamkeit der Trolle beschrieben hast, da konnte ich nicht anders, als an das traurige Schicksal der Hoch(Blut)elfen zu denken. Sich mit den Orcs und den Trollen zu verbünden war sicher alles andere als eine große Ehre für sie. Aber wie Arendil im Rp schon so schön sagte ^^
Die Rache wird unser sein.

Hmm, also für solch ein unsensibles Verhalten Vanariels hätte jeder Anwesende ihr gewiss ins Gewissen gesprochen. Dass ausgerechnet Arendil das tun würde, hätte ich am Wenigsten erwartet^^
Ob Waldläufer oder nicht, Relerin ist (war) immernoch ein Hochelf. Leider scheint dies nicht alle von oben zu kümmern...
Ein sehr schönes und dramatisches Kapitel, Liebes ^^
Tut mir nochmals Leid...
Bevor ich meine nächste Frage vergesse - wirst du die Kapitel betiteln? ^^

Ganz liebe Grüße von Sarachen
Von:  Rekhyt_Moonfang
2009-05-27T11:25:43+00:00 27.05.2009 13:25
Interessante Einstellung die diese Elfe da an den Tag legt.
Und da sag mal einer, Elfen legen Wert auf Höfflichkeit^^

Mir gefällt hier besonders der letzte Abschnitt, also das Gespräch zwischen den beiden. Stellt wunderbar die verschiedenen ethischen Einstellungen der beiden dar. Dass Arendil ihr einmal ins Gewissen redet ist hier wohl wirklich bitter nötig gewesen, auch wenn es scheinbar nicht viel gebracht hat^^
Ich bin mal interessiert welche Rolle du dem Toten im weiteren Verlauf noch zuweist.
Bis zum nächsten
Drogar
Von:  Carifyn
2009-05-26T09:25:58+00:00 26.05.2009 11:25
*lacht* Ah, das dürfte noch äußerst amüsant werden... insbesondere die Beziehung zwischen Arendil und der Arkanistin. Wobei mir ersterer immer noch sehr sympathisch ist.

Die einzige "Kritik" die mir dazu gerade einfällt... viel zu kurz. Ich hätte am liebsten gleich weitergelesen. ;)

Auf jeden Fall weiter so... ich freu mich schon sehr auf die nächsten Kapitel.
Gruß,
Cayce


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