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Fiore Rosso

Sequel to Calore [Miyavi/Karyu] [MC] [Singlework]
von

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Vendetta Rossa Part A

Eight – Vendetta Rossa (rote Rache) Part A
 

„normal talk“

»mental talk«

//falshback or dream//

~use of magic words~

~~~~~ stands for a shifing timeline
 

52 Stunden.

Gottverdammte zwei Tage war es nun her. Und noch immer kämpfte Kyō gegen das Gift in seinem Körper. Kämpfte gegen den Tod, denn auch wenn Tatsuro alle Wunden geschlossen hatte, das Blut war verloren und konnte nicht ersetzt werden.

Sie versuchten es.

Zur Hölle, Kyō versuchte es.

Er trank, wann immer er wach genug dazu war, wusste, dass es der einzige Weg war, wie er Shinya helfen konnte, doch er erbrach sich immer wieder. Geschüttelt von Krämpfen und Schmerzen, die die meiste Zeit so heftig waren, dass der Blonde steif in fötaler Position dalag. Er atmete abgehackt, weil die uralten Instinkte seines Körpers dachten, der Sauertsoff würde helfen, dass Quecksilber zu vertreiben.

Miyavi biss sich auf die Lippen, als er den heißen Körper seines Freundes zu sich auf den Arm wuchtete, damit Karyu die blutbefleckten Lacken wechseln konnte.

Kyōs Haut war ungesund grau, über und über von einem feinen Film an Rot bedeckt. Auf seiner Stirn, zwischen den nassen verknoteten Strähnen, perlte der Schweiß größer, fiel von den Schläfen, sammelte sich am Kiefer und im Halsbereich.

Kyō stöhnte gebrochen, als ein neuer Krampf kam, seine eine Hand packte Miyavis Oberteil, riss harsch daran, als er keuchte.

Sein Atem, er klang so gequält, so verzweifelt!

De Langhaarige fühlte Tränen, presste deswegen die Lider so fest aufeinander wie er es konnte, wog sich und Kyō seicht hin und her, wisperte zusammenhanglose Worte.

Lügen, an die er selbst nicht mehr glauben konnte, doch sie waren alles, an das sie sich klammerten.

Miyavis Wange ruhte gegen Kyōs Kopf, als er flüsterte, während der Mann in seinem Armen zitterte, immer wieder wimmerte. Dann hustete Kyō so harsch. Es klang, als würde er in jedem Moment seinen Lungen hervorbringen.

„Es wird alles gut, du wirst gesund. Wir werden Shinya finden. Du wirst ihn retten, so wie du ihn jedes Mal rettest...“

Unsinn!

Leere Worte und Versprechungen!

Kyō würde das hier nicht überleben.

Miyavi musste sich zwingen, nicht zu schluchzen, als er den Blonden zurück auf das Bett legte – abermals war dieser bewusstlos. Die Finger des Blonden waren von seinem Oberteil gefallen und der Kopf in den Nacken gesunken.

Er war wie eine Puppe, mit der man gespielt und dann achtlos weggeworfen hatte, weil sie nicht mehr hübsch genug war.

Karyus Finger strich über Kyōs Gesicht, dann nahm der Heiler einen Lappen, nässte ihn und glitt mit diesem über die Haut.

Unendlich sanft, als würde er befürchten, dass er dem Blonden ebenfalls Schmerz bereitete.

In den dunklen Augen des Heilers standen Tränen und der Vampir wusste, dass sein Geliebter wusste, dass sie die letzten Stunden mit Kyō verbrachten.

Und so gerne Miyavi etwas gesagt hätte, versucht Hoffnung zu schenken, er konnte nicht. Seine Kräfte waren am Ende und die Lüge, die er sich selbst vorgebetet hatte, zerbrach mehr und mehr.

Karyu lehnte sich über den Älteren, küsste sanft die Stirn, seine Schultern bebten dabei... es tat Miyavi so weh, seinen Geliebten so zu sehen. Er zog ihn in die Arme, nachdem er nach dessen Hand gegriffen und leicht gezogen hatte und nun vergrub sich Karyu geradezu gegen ihn, schluchzte harsch. Miyavi fühlte es, weil sich der ganze Leib des Heilers krampfte.
 

»Es ist meine Schuld!« Hände packten sein Oberteil, zogen hart daran.»Wenn ich nicht in eurer Leben gekommen wäre, dann wäre das alles nie passiert! Kyō würde es noch gut gehen und Shinya...«

„Hör auf damit!“

Miyavis Stimme war gequält, als er sie aus seiner zugeschnürten Kehle presste, Karyu von sich schob und dabei schüttelte.

„Nichts davon ist deine Schuld! Du kannst nicht dafür, dass Kamijo solch ein Bastard ist! Und ich bin verdammt noch mal heilfroh, dass du in unser Leben gekommen bist! Du hast mich gerettet! Du und dein Feuer! Also sag nicht, dass es falsch war!“

Er zog Karyu wieder gegen sich, hielt ihn mit knochenbrechender Kraft, tat ihm mit Sicherheit weh, doch Karyu erwiderte die Umarmung mit der gleichen Stärke, dem gleichen Verlangen, brauchte es und wollte noch mehr.

»Verzeih... bitte verzeih...«

Miyavi schüttelte den Kopf, presste die Lider aufeinander, als er Karyu noch enger an sich zog, ebenso, wie sich dieser härter an ihn klammerte.

„Shinya und Kyō wären traurig, wenn du so denkst. Sie lieben dich und sie wussten, was es bedeutet, als sie entschieden haben, dass du bei uns leben sollst. Sie wussten, dass es immer Gefahr geben würde, solange Kamijo am Leben ist. Sie wussten auch, dass es Gefahr bedeutete, nach ihm zu suchen und sie haben es trotzdem getan, weil sie wollten, dass es endet. Sie wollten, dass du glücklich bist und frei. Enttäusche sie nun nicht, indem du die Schuld in dich hinein frisst.“

Er streichelte sanft über Karyus Wangen, beobachtete, wie sein Geliebter einen tiefen Atemzug nahm, dann nickte.

»Wir müssen Shinya zurückholen.«

Miyavi nickte, griff ein allerletztes Mal nach der Lüge, die geschlagen und blutend am Boden vor ihm lag.

„Ich weiß. Und das werden wir auch, sobald Kyō...“

»... wieder gesund wird?« Karyu unterbrach ihn und der gerade besiegte Schmerz kehrte in die Augen zurück. »Glaubst du wirklich daran, dass er es schafft? Bist du nicht nur noch hier, weil du ihn in seinen finalen Momenten nicht allein lassen willst?«

Die Lippen des älteren Vampirs öffneten sich, doch nicht ein Wort entfloh ihm – was konnte er darauf auch sagen?

Es abermals verleugnen?

Wo die Wahrheit doch so offensichtlich war?

Und so sah er Karyu nur stumm in die Augen, welcher sich neben Kyō abstützte, die Finger in den Laken vergraben.

Alles, dass sie tun konnten, war zu warten.

Und an Kyōs Seite zu bleiben.
 

Karyu war eingeschlafen.

Sein Kopf lag neben dem von Kyō, aber im Grunde kniete er vor dem Bett und hielt die heiße Hand des blonden Vampirs fest. Miyavi seufzte leise, als er sich erhob, eine Decke nahm und sie sanft über den schlanken Mann legte. Dieser würde sicherlich verkrampft sein, wenn er wieder erwachte, doch wenn er ihn nun bewegte, würde er sich wehren und der Langhaarige war froh, dass er endlich ein wenig ruhte.

Sanft berührte er die Schläfe mit den Lippen, festigte die Decke um die Schultern, dann setzte er sich abermals zu Kyō, strich behutsam mit den Tuch über sein Gesicht. Dann legte er es in die Schüssel hinter sich, wo er es mit frischem Wasser tränkte, auswrang und die Prozedur wiederholte.

Kyōs Lippen öffneten sich, als das Tuch erneut gegen seine Wange ruhte und Miyavis Herz machte einen einzigen, aufgeregten Satz... es war das erste Zeichen seit Stunden!

»Kyō?«

Erst war da nichts, dann eine fahrige Bewegung der Finger. Es konnte ein reiner Reflex sein, weswegen der Vampir seinen Freund erneut rief, wünschte, dass er deutlicher reagierte, dieser die Augen öffnete.

Dieser Anblick war Miyavi nicht vergönnt, doch Kyōs Finger hoben sich seicht, als wollten sie zugreifen. Der Langhaarige presste sich näher an seinen Freund, schon einen Arm unter dessen Schultern hindurch und griff mit der freien Hand nach Kyōs. Gab ihm einen Anker.

»Kyō? Kannst du mich hören?«

Ein leises Stöhnen, so fein, doch es reichte, dass Karyu aus seinem Schlaf gerissen wurde, sich auf dem Bett stützte. Die Decke fiel von seinen Schultern und blieb vergessen liegen.

»Ist er wach?«

Miyavi schüttelte seicht den Kopf, strich mit dem Daumen über die Finger des Kleineren.

»Ich bin nicht sicher.«

Sie sahen beide zu Kyō, welcher leise keuchte, wie als würde er suchen tiefer Luft zu holen und es einfach nicht können.

Der Leib spannte sich wie unter einem weiteren Krampf an, aber es war schnell klar, dass es mehr ein Kampf war.

Das Bewusstsein des Blonden suchte an die Oberfläche zu dringen, Herrschaft über Sinne und Bewegungen zu erlangen.
 

Und obgleich Miyavi seine Hoffnung treten und zurück drängen wollte – denn dies hier konnte auch den allerletzten Moment bedeuten! – eroberte sie ihn in Sekunden. Karyu erging es genauso, er sah es an dem Gesicht, den Augen, den zitternden Fingern.

»Komm schon, Kyō. Kämpf weiter!«

Es war ein Flehen, dass auf seinen eigenen Lippen gelegen hatte und er beobachtete mit hämmernden Herzen, wie sich die Zunge des Blonden hervor stahl, über trockene, aufgerissene Haut fuhr, ohne Linderung geben zu können.

„Shin...“

Nur ein Hauch, ein Wort ohne wirklichen Ton dahinter, doch für Miyavi und Karyu der schönste Laut der letzten, finsteren Stunden.

»Wir werden ihn zurückholen... du wirst ihn retten.«

Abermals dauerte es, bis Kyō reagierte, seicht den Kopf schüttelte.

„Nein... nicht ich... ihr...“

Karyu schüttelte den Kopf, sein Gesicht von Leid erfüllt – nun war er es, der die Wahrheit leugnete und sich an die Hoffnung klammerte.

»Sag so etwas nicht!«

Ein Mundwinkel des Älteren zog sich in die Höhe.

„Wisst es doch... zuhören...“ Er drückte Miyavis Hand so fest er konnte, suchte den Langhaarigen näher zu ziehen, was dieser befolgte, sich dicht zu den Lippen lehnte. „Shinya... sie haben ihn nach Norden gebracht... sie sagten... großes Anwesen... niemand wird ihn dort schreien hören. Holt...“

Kyō keuchte, bäumte sich unter einen plötzlichen Krampf auf. Sein Körper hyperventilierte, begriff einfach nicht, dass Sauerstoff nicht helfen konnte, dass er anders lebte – Miyavi fauchte schmerzerfüllt, als sein Freund die Knochen seiner Hand zertrümmerte, doch er ließ ihn nicht los, ebenso wenig wie Karyu, welcher Kyō nach unten drückte, sein Gesicht mit beiden Händen festhielt. Ein Schrei brach sich von den wunden Lippen Kyōs, heiser, unmenschlich. Gemischt mit gurgelndem Schluchzen und Röcheln.

Es war die Hölle.

Und es dauerte ewig.

Als es aufhörte, brach Karyu über Kyō zusammen, schlicht weil es keinen Widerstand mehr gab. Keine Regung mehr. Nur ein dünner Rinnsal an Blut der aus Kyōs Nase lief.

»Nein. Nein, nein, nein!«

Karyus Hände fingen panisch das Gesicht des unter ihm Liegenden, als er stumm zu schluchzen begann.

»Nein, nein, nein, nein....«

Wieder. Und immer wieder dieses eine Wort.

Als würde es etwas bewirken können. Als würde es das Schicksal aufhalten können.

„Karyu...“

Auch Miyavi weinte, rote Tränen, die über seine Wangen rannen, als er auf das Bett krabbelte und seinen Geliebten von hinten umarmte. Nach dessen Händen griff, die immer wieder über Kyōs Stirn strichen, das Haar aus dieser kämmten.

„Karyu. Bitte.“

Nur ein wildes Kopfschütteln. Karyu konnte das hier nicht akzeptieren. Egal, was er zuvor auch gesagt hatte, egal wie sehr er es gewusst hatte. Dies hier passierte nicht!

„Karyu! Lass ihn los! Lass ihn gehen!“

Miyavi zog hart an ihm, löste seine Hände gewaltsam von dem leblosen Körper, bewegte sich rückwärts, bis sie beide vom Bett fielen.

„Ist gut, ist ja alles gut...“

Die Worte des Vampirs wurden immer wieder durch qualvolles Schluchzen unterbrochen und abermals schüttelte Karyu nur den Kopf, kämpfte gegen die Arme, die ihn unerbittlich hielten.

»Nein! Nichts ist gut! Gar nichts! Kyō.. Shinya...«

~Ruhe~

Tatsuros Stimme schälte sich von den Wänden, ein Wispern und ein Sturm. Karyus Lider flatterten, als er lautlos keuchte – dann sank er bewusstlos in Miyavis Armen zusammen, der sein tränenüberströmtes Gesicht in Richtung der Tür wandte. Der Lichtmagier stand in dieser, beide Hände gegen den Rahmen gestützt. Die dunklen Iriden waren gejagt, teilten Miyavi ohne ein Wort mit, dass dies nicht der erste Tod war, denn der Andere miterlebt hatte.

Die große Standuhr in der Eingangshalle schlug vier Mal.

Miyavi schloss die Augen. Wuchtete Karyu auf seine Arme und trat zu Tatsuro, übergab ihn.

„Wasch ihn und bring ihn zu Hizumi. Ich kümmere mich um Kyō. Dann holen wir Shinya.“

Tatsuro schwieg einen Moment, dann:

„Er ist möglicherweise nicht mehr am Leben. Getötet durch Kamijos Qualen. Oder seine eigene Hand.“

„Ich weiß.“ Miyavis Stimme war leise, bar jeglicher Emotion. „Es ist egal, was wir finden werden. Ich werde nichts von ihm Kamijo überlassen.“
 

Der Lichtmagier nickte einmal, bevor er sich herum drehte und ging. Miyavi starrte an einem Punkt der hinter Tatsuro gelegen hatte und es brauchte, bis er sich überwinden konnte, an das Bett zurück zu kehren. Er strich über Kyōs Bein, hinauf über den schlanken Körper bis zum Gesicht. Tränen brannten in seinen Augen, doch er verbot sich, sie fallen zu lassen. Stattdessen zog er die Decke weg, hob seinen langjährigen Freund in die Höhe, drückte ihn eng an sich. Seine Stirn gegen die des Blonden ruhen lassend, trat er zur Tür und aus dem Raum.

Das sie so auseinander gerissen werden würden.

Miyavi konnte es nicht greifen – er fühlte sich taub. Benommen. Als würde er inmitten eines Ozeans ausgesetzt dahin treiben. Ein Meer voll von Blut. Kyōs Blut. Shinyas Blut.

Schuldgefühle übermannten ihn. Die gleichen Emotionen, die er Karyu zuvor verweigerte, indem er ihm gesagt hatte, dass er die beiden Vampire nicht enttäuschen dürfe. Das sie traurig sein würden, über solche Gedanken. Und dennoch...

… Er hätte es verhindern müssen.

… Hätte an ihrer Stelle nach Kamijo suchen sollen.

… Hätte sie an den Händen packen und mit ihnen fortgehen sollen.

… Hätte der sein sollen, der stirbt.

Ein Schnauben in seinen Gedanken.

»Und was hätte das gebracht?«

Kyōs halb durchsichtige Gestalt saß auf dem Fensterbrett des Bades, zwischen den Fingern eine entzündete Zigarette, starrte mürrisch auf seinen eigenen Leib. Seinen Körper, den Miyavi mit behutsamen Bewegungen entkleidete und wusch.

»Du wärst am Leben.«

»Und du tot. Du, ich, was macht es für einen Unterschied?«

»Shinya wird leiden. Karyu leidet. Und ich auch.«

»Shinya wird erstarken oder mir folgen. Karyu wird aufstehen und weiter voranschreiten, er hat es bereits unzählige Male getan. Und du – hör auf so ein egoistisches Schwein zu sein. Sie es anders herum. Glaubst du mir wär es egal, wenn ich deine Leiche irgendwo raus zerre?«

Miyavi funkelte zu Kyō hoch.

»Du bist es aber, der tot ist! Ich habe nichts, dass ich anders herum sehen könnte!«

»Ändert nichts an den Fakten. Zumal Karyu dir folgen würde. Schon mal dadrüber nachgedacht?«

Der Blonde zog seelenruhig an seiner Zigarette, fixierte Miyavi dann mit einem stechenden Blick.

»Akzeptier es, Miya. Die Sache is einfach beschissen gelaufen.«

»Ja. Weil ich es nicht verhindert habe!«

Eine Braue des Blonden zog sich in die Höhe.

»Was nicht verhindert? Das wir dich auf Karyu aufmerksam gemacht haben? Das du dich in ihn verliebt hast? Er dich liebt? Wir ihn lieben? Wir entschieden haben, Kamijo zu suchen?«

Kyō sprang vom Fensterbrett herunter, trat auf Miyavi zu und schob diesen eine Hand in den Nacken.

»Es lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Geh und mach, was du Tatsuro gesagt hast. Hol Shinya zurück. Und dann leb.«

Miyavis Augen schlossen sich und es kostete Mühe, dass Schluchzen zu halten, das Beben seiner Schultern zu verhindern.

Es gab so viele Zweifel. So viele Fehler. Er war zerfressen davon.

»Was, wenn ich es nicht schaffe?«

Die Lippen des älteren Vampirs streiften die seinen.

»Dann werden wir uns sehr bald wieder sehen.«

Miyavi antwortete nicht, starrte Kyō nur an – so lange, bis dieser verschwand und die Luft wieder zu reiner Luft wurde.

Seine Toten.

Seelen, an deren Auslöschung er Schuld war.

Er hatte es nicht nachvollziehen können, wenn Kyō davon gesprochen hatte.

Nun begriff er.

Und akzeptierte.
 

Er zog dem Blonden einen Yukata an, brachte ihn in den Keller hinunter. Sie hatten dort einen kleinen Tempel bauen lassen, Kyo hatte darauf bestanden. Hatte gewollt, dass seinem Körper dort die letzte Aufwartung gemacht werden konnte, bevor er im Garten ihres Anwesens eine Ruhestätte erhalten würde. Ein massiver Block aus Marmor, darüber ein Himmel aus Kyōs geliebten Kirschblüten.

Sanft legte er den Blonden auf der Bahre in der Mitte des Raumes, glätte die Falten und zog die Ärmel zurecht. Mit den Knöchel der Finger strich über eine blasse Wange, dann wandte er sich den Kerzen zu, entzündete die armdicken Wachsgebilde. Ihr sanftes Licht badete den kleinen Raum in Gold, Orange und Rot. Farben der Sonne, die sie vor Jahrhunderten verloren hatten. Zumindest nun würde Kyō sie wieder sehen.

Miyavi lehnte sich über seinen Freund, küsste die Stirn. Er ließ die Lippen ruhen, derweil sich eine Träne löste. Sie lief über sein Nasenbein, berührte Kyos Haut und blieb dort bestehen. Wie ein Chakra. Ein göttliches Zeichen. Miyavi lachte erstickt. Was für ein Bullshit.

„Wir sehen uns in der Hölle, mein Freund.“

Er bekam keine Antwort.

Oben in seinen Gemächern zog er sich um. Schwarzes Leder von Kopf bis Fuss. Das lange Haar flocht er und drehte es dann in einen Knoten. So würde es ihm am wenigsten stören und man würde es vor allem nicht gegen ihn verwenden können. Aus Kyōs Zimmer holte er ein Messer und zwei Schusswaffen. Töten würde er damit weder Shifter noch Vampire, doch es reichte, um sie bewegungsunfähig zu machen. Um mehr ging es ihm nicht. Der einzige, dem er die Kehle mit beiden Händen herausreißen würde, war Kamijo. Er war sich ziemlich sicher, dass sich Tatsuro um den Rest kümmern würde.

Die Knochen seiner gebrochenen Hand waren geheilt, weswegen er sie zu einer Faust ballte. Das Leder knarrte unter dieser Bewegung – sehr gut. Er war bereit.

Lautlos trat er in den Raum, in welchen Hizumi und Karyu auf dem Bett lagen – der Lichtmagier lehnte gegen die Wand nah bei ihnen, sah Miyavi aber nicht an, als er zu sprechen begann.

„Du willst ihn hier zurücklassen?“

„Nein. Die Gefahr das sie ihn holen, während ich fort bin, ist zu hoch. Weck ihn auf.“

„Und Hizumi?“

Miyavi schwieg einen Moment. Der Mensch steckte bereits zu tief drinnen. Er hatte schon zuviel gesehen und musste aufgeklärt werden. Es war Tatsuro und seiner Gabe, andere Wesen in einen unbegrenzten Schlaf zu versetzen, zu verdanken, dass nicht schon Hunderte von Fragen gestellt worden waren. Schließlich nickte er ein weiteres Mal.

„Ihn auch.“

„Du willst es ihm offenbaren.“

Eine Frage in eine Aussage gekleidet und nun legten sich Tatsuros Iriden auf ihn, weswegen Miyavi nickte.

„Ebenso wie du es willst.“

Ein schmales, anerkennendes Lächeln, dann trat der Langhaarige zum Bett, streckte eine Hand aus und berührte erst Hizumi, danach Karyu, indem er ihnen den Mittelfinger zwischen die Brauen legte.

~Erwache.~
 

Wenige Sekunden später regten sich beide Männer. Hizumi stöhnte leise, wischte sich fahrig über das Gesicht, offensichtlich noch nicht vollständig orientiert. Karyu hingegen fand schneller zu sich, richtete seinen funkelnden Blick auf Tatsuro. Der Magier blickte eben zurück – er würde sich nicht für seine Tat entschuldigen. Hätte er nicht gehandelt, der Neugeborene wäre außer Kontrolle geraten und das Drama der heutigen Nacht um einen weiteren Akt reicher gewesen.

Miyavi lehnte sich zu Karyu, fing dessen Lippen in einem feurigen Kuss, welcher mit sich um seinen Hals schließenden Armen erwidert wurde.

„Geht dich umziehen, hol dir deine Waffen. Shinya erwartet uns.“

Sein Daumen strich über den Mund seines Geliebten, die Augen geschlossen, konnte der Langhaarige ihn nicken fühlen, bevor sich dieser löste und vom Bett herunter rollte. Hizumi hatte sich inzwischen aufgesetzt, sah Miyavi an. Der Blick war noch etwas verhangen, aber alles in allem hielt sich der Mensch gut unter Kontrolle. Schien instinktiv zu begreifen, dass sich sein simples Leben verändert hatte und das er zuhören musste, wenn er am Leben bleiben wollte.

Der Vampir nickte anerkennend. Es würde das Folgende einfacher machen. Er setzte sich zu ihm, fixierte ihn mit einem intensiven, gar harten Blick. Das Hizumi nicht zurück schreckte, machte Tatsuro stolz, was er ausdrückte, indem er seine Hand auf die Schulter des Menschen legte.

Dieser sah kurz nur ihm auf, nur einen Augenblick, dann konzentrierte er sich auf Miyavis leise, ernst gesprochene Worte.

„Das, was ich dir nun erzähle, wird dir unmöglich vorkommen. Du wirst vielleicht darüber lachen und denken, dass wir unseren Verstand verloren haben. Dennoch muss ich dir Schweigen abverlangen. Ein absolutes Schweigen, sonst ist dein Leben auf der Stelle verwirkt. Hast du das verstanden?“

Hizumi nickte langsam, weswegen Miyavi abermals nickte.

„Der Mann, dem du im Club gesehen hast und vor dem du Karyu gerettet hast – er ist kein Mensch. Er ist ein Vampir, ein bösartiger dazu. Es geht ihm nicht darum, unter den Menschen zu leben und unauffällig zu bleiben. Lieber versklavt er sie und benutzt sie wie Spielzeug, das man wegwerfen kann, wenn es zerbrochen ist. Er ist ein dunkles Abbild unserer Rasse. Jemand, der zu verachten ist.“

„Euer Rasse? Du willst sagen, dass du auch einer bist. Ein Vampir. Kyō und Shinya auch?“

Die Worte kamen ruhig über Hizumis Lippen, kein Erstaunen, nur das ehrliche Bemühen zu 'Verstehen'.

„Ja. Und auch Karyu.“

„Er auch? Aber... ich habe seinen Herzschlag gefühlt. Seine Wärme... sein, sein Blut.“

„Ich habe ihn erst in der Nacht gewandelt, in welcher er angegriffen wurde. Kamijo hat ihn gebissen. Es blieb kein anderer Weg, sonst wäre Karyu gestorben.“

Hizumi nickte langsam, sah Miyavi dann undefinierbar und dennoch unendlich intensiv an.

„Ist er glücklich so?“

»Würden es andere Umstände sein, in denen ich geboren wurde, dann ja. Ich würde sehr, sehr glücklich sein.«

Die Augen des Menschen legten sich auf den Neugeborenen, die Lippen leicht geöffnet, der Blick abermals gewandelt. Unerwartet. Überrascht.

„Du kannst reden.“

»Nein. Zumindest nicht wirklich.“ Karyu setzte sich zu Hizumi, griff nach dessen Hand, hielt sie mit beiden eigenen. »Was du hören kannst, sind meine Gedanken. Du nimmst sie mit deinem Geist wahr, nicht mit deinen Ohren.«

„Warum... warum hast du das nicht schon früher gemacht?“

Karyu lachte lautlos, streichelte sanft über Hizumis Handrücken.

»Wärst du denn so ruhig geblieben, wie jetzt? Wo du gesehen hast, was möglich ist? Du wärst ausgeflippt – ich hätte dich verloren. Und das hätte ich nicht ertragen. So war es einfacher. Für dich. Und für mich.«

Der Schwarzhaarige schwieg einen Moment, dann nickte er.

„Du hast Recht.“

Wieder Schweigen, dann richteten sich die dunklen Augen auf Tatsuro. Unausgesprochene Kommunikation, ein Knistern in der Luft, das fast zu greifen war.

„Ich bin ein Lichtmagier. Und ich habe nach dir gesucht. Sehr viele, lange Jahre.“
 

Eight – Vendetta Rossa (rote Rache) End Part A



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2011-11-11T16:11:06+00:00 11.11.2011 17:11
Ich habe mir gestern die gesamte FF durchgelesen und auch den ersten Teil und ich muss sagen, sie gefällt mir wirklich sehr.
Sie ist ein wenig anders, wie die anderen Vampir-Mystery Geschichten und das finde ich wirklich gut.

Die FF ist ja recht traurig, wenn man mal bedenkt, was Karyu schon alles durchgemacht hat, was ihm schon alles passiert ist.
Das mit Kyo tut mir leid. Ich mochte ihn als Chara echt gerne. Er und Shinya haben gut zusammen gepasst und irgendwie kann ich es gar nicht glauben, was mit beiden passierte. Hoffentlich können die anderen Shinya noch retten, auch wenn es für ihn echt ein Schicksalsschlag sein wird zu hören, dass Kyo jetzt richtig tod ist.

Wie ich Tatsuro einordnen soll, weiss ich noch nicht, aber ich finde es goldig, wie er sich um Hizu kümmert. Ich bin schon mal gespannt, was er mit seinen letzten Worten meinte, denn die waren ja schon ein wenig geheimnisvoll.

Hoffentlich kommt bald ein neues Kapi.
Ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht.
LG
Von:  akilea
2011-11-10T15:56:51+00:00 10.11.2011 16:56
Als ich heute die Nachricht erhielt, dass es ein neues Kapitel gibt, war ich sehr überrascht. Überraschter war ich jedoch noch mehr, als ich las, dass das letzte schon über ein Jahr her war, wow :) Umso mehr freue ich mich, dass es hier noch weiter geht!
Und obwohl ich eigentlich kaum noch FFs auf Animexx kommentiere, mache ich hier eine Ausnahme wie immer, da ich die Geschichte so mag x3
Ich hatte zwar erst zu tun, mich wieder einzufinden, jedoch dauerte es nicht viele Zeilen, dann war ich wieder gefesselt. Normalerweise gebe ich es auf FFs zu lesen, die so lange "auf Eis lagen", weil ich dann einfach nicht mehr rein komme. Aber hier- ich lese sie nach wie vor so schrecklich gern! Und ich hoffe wirklich, dass dieses Mal vielleicht etwas schneller Kapitel on kommen, ich bin schon gespannt ;)
Denn das aktuelle Kapitel...ich bin wirklich sprachlos.
Es war einfach...wow. Ich habe ernsthaft hier gesessen und mit den Tränen gekämpft, so sehr war ich berührt. Den Kampf habe ich sogar ein klein wenig verloren. Und das heißt wirklich was, wenn mich eine Geschichte emotional so mitnimmt. Hut ab!
Und trotztdem....gleichzeitig bin ich so erschüttert und traurig, wie es verlaufen ist. Es war hart für mich zu lesen, aber ich empfand es auch nicht als zu dramatisch. Es war genau gut so geschrieben, wie es war, wie immer.
Die Charaktere sind mir wirklich als Leser ans Herz gewachsen und was nun mit Kyo geschehen ist, nimmt mich wirklich mit. Ich schreibe ja auch selbst Geschichten und könnte da schon immer weinen, wenn ich einen Charakter sterben lasse *lach* Zum Glück kommt das viel zu selten vor.
Ich habe keine Ahnung, was ich mir für Shinya nun mehr wünsche, ob sie ihn lebend finden sollen oder ob er lieber zu Kyo gelangt, ich weiß es nicht, dass überlasse ich dir. Ich hoffe, es wird trotzdem noch irgendwie gut. Ich lasse mich einfach überraschen und bleibe treuer Leser :)

glg, akilea


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