Zum Inhalt der Seite

Schuld & Sühne

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 1

Alles drehte sich um ihn. Scheiße. Er hatte sich sterben wirklich anders vorgestellt. Vor allem, wo er doch vorher noch so eine schöne Halluzination von Kira gehabt hatte. Wie in alten Zeiten war es gewesen. Kira, der immer da war, wenn man - nein, er - ihn brauchte.
 

Scheiße!
 

Und dann war dieser beschissene Luzifer aufgetaucht. So ein verdammter Bastard. Hatte ihn einfach umgebracht. Scheiße! Arschloch! So was hätte Kira nie getan!

Wie hatte das alles nur so verquer laufen können. Erst starb er, dann wurde er Mudos Verbündeter und dann auch noch von seinem ehemals besten Freund ermordet. Großartig! Seine ganze Existenz war wirklich die reinste Verarsche!
 

Kato lag ausgestreckt auf der Erde. Etwas orientierungslos versuchte er sich aufzurichten. Was ihm aber nur schwerlich gelang, denn alles um ihn herum drehte sich.

"Scheiße... Wo bin ich hier gelandet"

Er befand sich in einem dunklen Raum, den man - hätte Kato auch nur die leiseste Ahnung von Architektur gehabt - als gotisch bezeichnen konnte. Kalte Mauern aus schwerem Stein umgaben ihn und nicht ein Ausweg war in Sicht.
 

Wäre Yue Kato nicht derart damit beschäftigt gewesen, sich über die Ungerechtigkeit, der diesseitigen und jenseitigen Welt aufzuregen, hätte er vielleicht die dunkle Gestalte bemerkt, die auf ihn zu schlich.

Doch wie bereits gesagt, Yue hatte anderes zu tun...

"So, eine Scheiße... Da kämpft man für die Guten und was passiert? Man wird (wieder einmal) abgemetzelt und landet irgendwo in der Pampa!"

Ein Grinsen schlich sich auf das Gesicht der Gestalt, das unter einer langen Kapuze versteckt war. Luzifer hatte ja schon erwähnt, dass dieses Kind amüsant sein würde, aber dass es derart unterhaltsam war, damit hatte er nicht gerechnet...
 

"Es tut mir wirklich Leid, deine Hasstiraden auf das Leben unterbrechen zu müssen, aber wir sollten jetzt gehen!"

"Wuahhh... Scheiße..." Erschrocken drehte sich Kato um "...Wer zum Teufel bist du? Und wo zum Teufel bin ich hier? Ich sollte verdammt noch mal eigentlich tot sein!"

Vor ihm stand eine Figur in dunklem Unhang, die eine riesige Sense mit sich herumschleppte. Gut, Kato war ja Verrückte mit Sensen und Schwertern bereits gewohnt, aber der hier hatte etwas an sich, was selbst abgehärteten Kiffern wie ihm einem Schauer über den Rücken jagte. Es war möglicherweise das, was man als eine dunkle Aura bezeichnen konnte.

"Also..." Die Gestalt machte eine Pause. "... da du offensichtlich viele Fragen hast, werde ich sie dir der Reihe nach beantworten.

Erstens: Ich bin ein Bote.

Zweitens: Das hier ist die eine der dreizehn Vorhöllen.

Und Drittens: Ja, du bist tot"

Mit diesen Worten drehte sich die Gestalt um und ging davon.

"Hey, warte mal! Was meinst du mit Vorhölle?" Kato hatte es endlich geschafft sich zu erheben und rannte der Figur nach.

"Schön, dass du dich endlich entschlossen hast mir zu folgen, ansonsten hätte ich mich gezwungen gesehen, dich für den Rest der Ewigkeit hier vergammeln zu lassen. Um deine Frage zu beantworten, die Vorhölle ist ein Ort an den die Seelen kommen, die - na, sagen wir - in ihrem Leben nicht gut genug gehandelt haben, um in den Himmel zu kommen oder wiedergeboren zu werden. Von hier aus werden sie zum Gericht gebracht, wo entschieden wird, welche Strafe sie für ihre Sünden und den Rest der Ewigkeit erhalten werden." Die Figur hatte das alles in einem sehr neutralen Ton heruntergeleiert, fast so als würde sie das des Öfteren erklären.

"Ähm... na ja, das mit er Hölle hatte ich soweit schon verstanden.... Meine Frage war eher: WARUM ZUM TEUFEL BIN ICH HIER? ICH HABE VERDAMMT NOCHMAL FÜR DIE GUTEM GEKÄMPFT UND BIN FÜR DEN SCHEISS MESSIAS GESTORBEN!!!"

Ein wutschnaubender Kato hatte sich vor der Gestalt aufgebaut, die doch etwa zwei Köpfe größer war als er selbst.

"Hmm, vielleicht liegt es an deinem Vokabular. Nicht mal Bonaparte hat so viele Schimpfwörter auf Lager wie du als er hier ankam" entgegnete die Figur gelassen und machte sich daran ihrem Weg fortzusetzen.

"Hey, warte! Du hast meine Frage nicht beantwortet!" Kato musste sich beeilen, um mit der Gestalt Schritt zu halten.

"Tja, wenn du dir deiner Fehler nicht bewusst bist, kann ich es dir auch nicht sagen. Aber nachher bei der Verhandlung werden dir die Anklagepunkte vorgelesen, dann kannst du dich ja mit dem Richter streiten, ob du hierher gehörst oder nicht."

"Richter...?" Irgendwie kam bei ihm, bei diesem Wort ein ungutes Gefühl auf.

"Ja, einer der Satane. Ich weiß nicht welcher, denn seit der Schlacht um den Himmel sind es ein paar weniger.." entgegnete die Figur ungerührt. Kato hätte schwören können, dass die Gestalt mit den Schulter gezuckt hatte, doch unter dem langen Umhang konnte man das nur schwerlich sagen.
 

Die zwei gingen für den Rest des Weges schweigend nebeneinander her, denn was hätte ein Verdammter schon einem anderen Verdammten zu sagen gehabt.
 

Kato konnte nicht genau sagen, wann sich der geschlossene dunkle Raum in einen geschlossenen dunkeln Gang gewandelt hatte. Aber eigentlich war es ihm auch egal. Er war hier in der Hölle. Wie hatte das bloß passieren können? Er war sich schon bewusst, dass er nicht gerade ein vorbildliches Leben geführt hatte, doch seine Taten im Jenseits waren doch gut gewesen. Er hatte dem Messias bei dem Versuch geholfen die Welt zu retten. Apropos, was war eigentlich aus der Welt geworden? Hatte Setsuna jetzt Erfolg gehabt oder nicht?

Kato entschied sich für die erste Variante. Denn wenn er schon in der Hölle gelandet war, wollte er wenigstens hoffen, dass es für einen guten Zweck war. Verdammt noch mal, diese Idioten sollten bloß nicht versagt haben, denn sonst würde er es ihnen zeigen...
 

Katos Gedanken wurde von einem abrupten "Wir sind hier" unterbrochen.

"Was? Wo? " Vor ihnen war nicht als Dunkelheit. Kato schaute sich verwirrt um.

"Du musst durch die Dunkelheit gehen und beichtest so dem Fürsten der Hölle all deine Sünden. Auf der anderen Seite wird der Gerichtssaal sein."

"Dann werde ich da sicher nicht durchgehen! Der letzte, dem ich irgendwas erzählen werde ist dieses Arschloch von Luzi..."

Doch bevor Kato dazu gekommen war sein Gezeter zu beenden, hatte die Figur ihm schon einen Stoss versetzet, der ihn direkt in die Finsternis beförderte....
 

TBC

Kapitel 2

Er fiel, wie es ihm vorkam, unendlich lange ins Dunkel. Kato fühlte nichts, es war beinahe wie in einem Traum, in dem man sich bewusst ist, dass man träumt aber dennoch nichts dagegen tun kann. Vor seinem inneren Auge sah er immer wieder Szene seines Lebens: Wie er sich mit seinem Vater stritt, wie er seiner Schwester das Leben schwer machte, obwohl sie die einzige war, die zu ihm hielt.

Er sah, wie er sich mit Mudo prügelte, Kira mit seinem ewigen geheimnisvollen Lächeln im Gesicht und er sah die Drogen, in denen er die Erlösung gesucht hatte.

Ok Ok, sein Leben war wirklich nicht gerade großartig gewesen, aber diese Erkenntnis hatte er ja bereits im Hades gehabt. Aus diesem Grund hatte er ja auch beschlossen, etwas zu ändern und sich dem Messias anzuschließen. Das Bild verschwamm langsam und ein harter Aufprall folgte.

Ein ersticktes "Ufff..." entrang sich seiner Kehle.

Der Fall durchs Dunkel war wohl vorbei und die kleine psychische Standpauke beendet.

Wieder lag Kato auf dem harten Steinboden, nur mit dem Unterschied, dass ihm dieses Mal jedes einzelne Köperteil wehtat.
 

Er spürte, dass er nicht alleine war. Nein, ganz im Gegenteil. Eine Masse von Leuten war in dem Raum versammelt. Ein Raunen und Grollen war um ihn herum zu vernehmen.

Doch es war kein gewöhnliches Geräusch, sondern eines von der Art, das einem eine Gänsehaut über den Rücken jagte und einem alle Haare im Nacken zu Berge stehen ließ.

Um es ganz klar auszudrücken: Kato hatte Angst vor diesem seltsamen "Publikum". Denn genau das waren diese Leute - oder Wesen wäre vielleicht passender -, die sich keinen Millimeter von ihren Plätzen rührten, aber ihn aus aufmerksamen Augen beobachten.

Kato versuchte sich trotz der Schmerzen, die seinen gesamten Körper durchzogen, aufzurichten. Er musterte das Publikum, wie es ihn musterte. Aus irgendeinem Grund, wusste Kato, dass er vor diesem seltsamen Wesen nichts zu befürchten hatte. Sie waren bloß Schaulustige, die sich am Leid der Verdammten erfreuten. Sie waren für ihn keine Gefahr, sondern nur solche, die ebenfalls verdammt waren....
 

"Beweg dich, du Ratte!" grollte eine tiefe Stimme hinter Kato. Dieser hatte kaum die Gelegenheit sich nach deren Quelle umzudrehen, als er auch schon grob angepackt und in dir Mitte des Raumes zu einem Podest gezerrt wurde.

Die Stimme gehörte einem überaus hässlichen Zyklopen, der noch dazu Mundgeruch hatte, wie Kato fand.

"Los, da rauf mit dir!" Der Einäugige deutete auf ein Podest.

"...und komm bloß nicht auf dumme Gedanken wegzulaufen oder dergleichen, alle Wege hier führen sowieso an den gleichen Ort"

"Und der wäre?" entgegnet Kato mit verzogenem Gesicht während er sich die schmerzende Stelle an seinem Arm rieb, wo der Riese angepackt hatte.

Dieser grinste nur und entblößte dabei eine Reihe wundervoll fauler Zähne, die wohl der Ursprung des pestialischen Gestankes waren, den Kato zuvor schon wahrgenommen hatte.

"Na, direkt in die Arme unseres Herren!"

Irgendwie begann sich in Katos Magengegend ein ganz ungutes Gefühl breit zumachen. Die Erkenntnis, dass er hier wirklich in der Hölle war und das nicht, weil er gerade dem Messias half die Welt zu retten, sondern, weil er - aus einem für ihn immer noch vollkommen unersichtlichen Grund - dazu verurteilt worden war. Er stand hier tatsächlich vor dem Höllengericht.
 

Vor ihm erhöht, saß eine Gestalt in schwarz, die für Kato doch der Vorstellung eines Richters nahe kam. Wenn man mal von den Hörnern und der Ziegenschnauze absah.

Etwas mehr rechts waren zwei Bankreihen, die wohl für die Geschworenen gedacht waren. Sie waren allerdings noch leer.

Das seltsame Publikum hinter ihm begaffte ihn noch immer mit derselben unverhohlenen Neugier wie zuvor.

Und irgendwo dazwischen liefen noch ein paar Kreaturen herum, die man durchaus als Gerichtsdiener oder Wächter hätte bezeichnen können.

Irgendwie erinnerte Kato die ganz Szenerie an eine dieser billigen Gerichtsshows im Fernsehen, bei denen der Schuldige sowieso schon von Anfang an feststand.

Das einzige, das fehlte war die Anklage und was noch wichtiger war: Wo zum Teufel war die Verteidigung!

"Es gibt keine Verteidigung, Kleiner..." erschrocken schaute sich Kato um. Die Stimme hatte direkt in seinen Kopf gesprochen und sie gehörte offensichtlich dem gehörnten Richter, der Kato mit rotglühenden Augen ins Visier genommen hatte.

"...Wir sind schließlich hier um dich zu verurteilen und nicht um festzustellen, ob du unschuldig oder schuldig bist. Denn jeder hier weiß, dass du schuldig bist, denn sonst wärst du gar nicht hier."

Mit diesen Worten erhob sich der Ziegenbock - wie Kato beschlossen hatte ihn zu nennen - und schritt erhobenen Hauptes zum Geländer vor ihm und wandte sich an das Publikum.

"Wir sind heute hier versammelt, um - wieder einmal - eine Seele zu ewigen Qualen zu verdammen. Ich, der ehrenwerte Richter Leviathan haben den Vorsitz. Mir unterliegt die Anklage, ebenso wie die Urteilsverkündung."

Das Publikum hinter Kato brach in tosenden Applaus aus. Doch als der Satan die Hand hob, um Einhalt zu gebieten, war es augenblicklich still.

"Ich wusste nicht, dass das hier ein Schauprozess wird" entgegnet Kato, der selbst in einer derart aussichtslosen Situation, seinen Sarkasmus nicht unterdrücken konnte.

"Oh, natürlich wird das hier ein Schauprozess. Er dient lediglich zur Unterhaltung des Pöbels..." Ziegenbock machte eine ausladende Geste in Richtung Publikum,

"... das Urteil steht natürlich schon fest" erwiderte er mit einem bösartigen Grinsen, soweit dies denn für eine Ziege möglich war.
 

Der Richter nahm wieder in seinem Stuhl platz und begann mit der Vorlesung der Anklagepunkte: "Yue Kato, du bist heute hier, weil du nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt bist. Du hast dir einige Dinge zu Schulden kommen lassen, die dir hier vorgeworfen werden.

- Du bist das uneheliche Kind deiner Mutter, das bei einem Seitensprung ihrerseits entstand..."

"Hey! Warte mal! Dafür kann ich wohl wirklich nichts! Wenn meine Mutter irgend so einen Kerl bumst, ist das doch wohl ihr Fehler und nicht meiner!" wütend starrt Kato den Ziegenbock an. Seine Panik und Verzweiflung von vorhin war wie weggeblasen, um einer alles verzehrenden Wut platz zumachen, die sich gerade in Form eines tödlichen Blickes auf den Richter entlud.

"So was nennt man Erbsünde, Kleiner! Und jetzt weiter im Text... Du bist angeklagt, deinen Eltern nicht den gebührenden R..."

"Nein! Verdammt noch mal! Ich war noch nicht fertig! Das mit der Erbsünde ist SCHEISSE! Man kann mich nicht für die Vergehen meiner Mutter verantwortlich machen!" Kato war kurz davor zu explodieren.

"Hör mal, Kleiner. Selbst wenn wir diesen Punkt außer Acht ließen, würdest du trotzdem noch hier landen, denn die Liste ist noch ziemlich lang und deshalb... HALT GEFÄLLIGST DEINE BLÖDE KLAPPE, SONST RUFE ICH JEMANDEN, DER SIE DIR ZUNÄHT!"

Kato wurde von der Wucht dieses Ausbruches von den Füssen gerissen und landete einige Meter weiter hinten unsanft auf seinem Hintern.

Sofort eilten ein paar Gerichtsdiener herbei, die nicht mehr ganz so schlechte Zähne hatten wie Zyklop, aber immer noch einen recht penetranten Geruch verströmten, um Kato wieder auf sein Podest zurückzuzerren.

"Also kann ich fortfahren..." Kato warf Ziegenbock einen weiteren Todesblick zu, sagte aber nichts.

"Du bist angeklagt, deinen Eltern nicht den gebührenden Respekt entgegen gebracht zu haben [1]"

Kato wollte schon den Mund aufmachen um etwas zu erwidern, als der Richter drohend seinen Finger hob. "Ein Wort und ich mache meine Drohung wahr, Kleiner! Und überleg dir gut, ob du die Ewigkeit wirklich stumm verbringen willst, denn dann kannst du nicht einmal schreien." Katos Mund klappte zu wie ein Klodeckel.

Der Satan warf ihm einen strengen Blick zu und fuhr fort. "Du bist angeklagt deine Schwester schlecht behandelt, sie geschlagen und belogen zu haben..."

Und so ging die Liste weiter. Kato hörte nur mit halbem Ohr zu. Ihm war selbst bewusst, dass er nicht gerade ein Heiliger war. All die schmerzhaften Erinnerungen seiner Kindheit tauchten wieder vor seinem geistigen Auge auf und es schmerzte ihn, zu erkennen, wie weh er Leuten - besonders seiner Schwester - getan hatte, die er eigentlich mochte.

Ziegenbock Richter war auf seiner Listen mittlerweile irgendwo bei Katos Teenagerjahren angekommen und warf ihm nun seinen Drogenkonsum vor. Er beizeichnete ihn als Suizidversuch [2], weil sich Kato der negativen Auswirkungen vollkommen bewusste gewesen sei. Auch hätte er all seine Freunde, die mit ihm Drogen genommen hatten, umgebracht...

Bei dieser Bemerkung stutzte Kato, das konnte nun wirklich nicht wahr sein. Der Richter bemerkte das offensichtliche Unwollen und fügte ergänzend hinzu, dass das bewusste Nichteingreifen in den Drogenkonsum seiner Freunde - das ja einem Selbstmord gleichkam - mit Mord gleichzusetzen sei.

Kato seufzte. Er musste dem Richter irgendwo recht geben. Natürlich nicht bei allen Punkten. Die meisten waren sowieso total verdreht und falsch ausgelegt, aber vielleicht hätte er etwas tun sollen. Vielleicht...
 

"So, und nun zur Urteilsverkündung..." Kato hatte gar nicht bemerkt, dass der Richter mit der Vorlesung der Anklagepunkte geendet hatte. Aber er beschloss ihm jetzt wieder seine volle Aufmerksamkeit zu schenken, immerhin ging es nun um seine Zukunft oder um es genauer auszudrücken um den Rest der Ewigkeit... 'Wow, was für großartige Aussichten'

"Yue Kato, du wirst dazu verurteilt, den Rest der Ewigkeit damit zuzubringen, die Wut unseres Herren zu besänftigen, indem du ihm jeden Wunsch von den Augen abliest und jederzeit bereit bist seinen Befehlen folge zu leisten!" Ein triumphierender Ausdruck hatte sich im Gesicht des Richters breitgemacht.

"Was?!? Sag mal, tickst du nicht mehr richtig?!? Ich soll Luzifers persönlicher Sklave werden?!?" Kato hatte die Drohung betreffend seines Mundes wohl wieder vollkommen vergessen und schrie lauthals durch die Gegend, um seiner Empörung Luft zu machen.

"Na ja, Haustier wäre vielleicht treffender, aber es stimmt... Du wirst die große Ehre haben unserem Herrn direkt unterstellt zu sein. Was meiner Meinung nach zwar viel zu gut ist für eine erbärmliche kleine Seele wie dich. Aber wie ich bereits sagte, das Urteil stand von Anfang an fest...
 

TBC
 

[1] Eines der 10 Gebote lautet: Du sollst Vater und Mutter ehren.

[2] Für Selbstmord landet man in der Hölle... zumindest laut Bibel

Kapitel 3

Kato konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, was nach der Urteilsverkündung passiert war. Das einzige, was er noch vage wusste, war dass er von Zyklop und ein paar anderen übelriechenden Kreaturen aus dem Gerichtssaal gezerrt worden war. Danach war alles schwarz in seinem Gedächtnis...
 

Kato fand sich jetzt in einem Bett wieder. Einem Bett, das mit schwarzer Seide bezogen war, soweit er das beurteilen konnte.

Er rollte sich herum und versuchte etwas zu erkennen, doch irgendwie wollten seine Augen nicht so recht mitspielen. Alles erschien verschwommen und unklar.

Er setzte sich auf und rieb sich müde über die Sehorgane.

"Ah, wie ich sehe, bist du wach... wurde auch langsam Zeit!" Die Stimme kam vom anderen Ende des Raumes. Obwohl es mit Katos Orientierungssinn nicht sehr weit her war.

Verwirrt suchte er nach dem Ursprung der Stimme und musste feststellen, dass sie einer Gestalt in schwarz gehörte. 'Schwarz, wie originell' dachte er bei sich und konnte ein kleines Grinsen nicht unterdrücken.

"Schön, dass du noch so was wie Humor besitzt, allerdings wird dir schon bald nicht mehr nach Lachen zumute sein..." Die Figur erhob sich und Kato konnte nun endlich durch den Schleier der Müdigkeit erkennen, dass es sich um Mad Hatter handelte.

"Oh... Du bist es nur..." Kato gähnte herzhaft.

"Was?!... Ich bin es nur?! Was fällt dir ein, du gemeiner Sterblicher!?" Der Satan war näher auf das Bett zu geschlichen und hatte sich vor dem nichts ahnenden Kato aufgebaut. Allerdings nicht etwa mit dem, was man als einen gefährlichen Gesichtsausdruck bezeichnen würde - das war sowieso nicht Belials Stil - , sondern eher mit einem Grinsen, das jedem Clown einen Schauer über den Rücken gejagt hätte.

Kato ließ sich nicht davon beeindrucken und schaute sich stattdessen neugierig im Raum um. Ihm gegenüber war eine hohe Fensterfront, die eine Aussicht auf einen trüben grauvioletten Himmel preisgab. 'Nicht gerade sehr fröhlich' ging es ihm durch den Kopf.

Davor stand ein riesig anmutender Bürotisch, vor dem ein paar rote Sessel standen. In einem davon hatte Belial zuvor gesessen.

Ein sehr betontes "Hm Hm" seitens Mad Hatter riss Kato aus seinen Innenraumstudien.

Er wandte sich dem gefallenen Engel zu und bedachte sie mit einem genervten Blick. "Was willst du? Und was noch wichtiger ist: Was tue ich eigentlich hier?"

"Schön, dass du dich entschlossen hast, dich doch noch an der Unterhaltung zu beteiligen..." das Grinsen in ihrem Gesicht hielt sich immer noch standhaft.

"Ich bin hier, um dich in deinen neuen Aufgaben zu unterweisen... Der Herr war der Meinung, ich würde mich sehr gut dazu eignen..." ein verträumtes Lächeln umspielte Belials Lippen.

"...und um deine zweite Frage zu beantworten: Du bist hier, weil du dazu verurteilt wurdest und deinem Urteil gemäß, wirst der Diener unseres Herrn werden!"

"Du meinst wohl eher sein Sklave..." entgegnete Kato sarkastisch. „...Aber das meinte ich eigentlich nicht: Ich wollte mehr wissen, warum ich in der Hölle gelandet bin?"

Gespielt nachdenklich stütze der Satan sein Kinn ab. "Nun, die Anklagepunkte wurden dir ja vorgelesen. Es war wirklich genug, um verurteilt zu werden..."

Doch Kato ließ die Fürstin des Hochmutes nicht ausreden, Wut hatte sich in ihm ausgebreitet. "Weißt du, ich hatte eigentlich angenommen, dass man mir, nachdem ich mich auf die Seite der "Guten" geschlagen hatte, verzeihen würde!" antwortete Kato zwischen zusammengepressten Zähnen.

"Lass dir eins gesagt sein..." Mad Hatter hob belehrend die Hand "... Gott ist nicht gütig! Er verzeiht nicht! Besonders nicht denen, die sich gegen ihn stellen... Aber was red' ich da! Gott gibt es ja nicht mehr!" Sie lachte kurz auf und beugte sich zu ihm herunter. "...wahrscheinlich bist du hier gelandet, weil das System nicht mehr richtig funktioniert. Die da oben haben momentan sowieso ein ziemliches Durcheinander." Sie zuckte mit den Schultern.
 

"Aber jetzt genug von dem Geschwätz! Es wird Zeit, dass du dich anziehst und ein paar Lektionen in richtigem Betragen erhältst. Sonst wird der Herr böse mit uns sein, wenn ich dir nichts Gescheites beibringe."
 

~~~~~
 

"Das werde ich ganz sicher nicht anziehen! Vergiss es! Ich seh’ aus wie ne Tunte!" Kato hatte sich wutschnaubend vor der Herrin des Hochmutes aufgebaut. Er schien ganz und gar nicht mit der Kleiderwahl des Satans zufrieden zu sein...

"Ich weiß gar nicht, was du hast..." ein amüsiertes Grinsen zierte ihr weiß geschminktes Gesicht.

"... du siehst sogar richtig sexy aus. Mit den Shorts kommen deine strammen Schenkel endlich mal richtig zur Geltung."

Belial hatte für Luzifers zukünftiges Haustier ein schwarzes Nichts als Oberteil ausgesucht, das zu Katos Unwillen einfach zu viele Löcher hatte, durch die man seine blanke Haut sehen konnte. Und die passenden Lackledershorts verdeckten ihrerseits auch nur gerade das nötigste.

"Spinnst du! Ich hol mir in den Klamotten ja noch den Tod... Mal abgesehen davon, dass ich wie ne Transe aussehe!" Trotzig stemmte er die Arme in die Hüften und ein wütendes Funkeln hatte von seinen Augen Besitz ergriffen.

"Hmm... Vorher war's noch Tunte... aber egal..." belustigt musterte der gefallene Engel "seine Kreation" als sich plötzlich ein nachdenklicher Ausdruck auf sein Gesicht schlich.

"Irgendetwas fehlt noch..." Belial schien angestrengt nachzudenken. Und auch Kato hatte trotz seiner Wut auf das gesamte Universum eine gewisse Neugier entwickelt. Was konnte dieses verrückte Weib ihm noch mehr Demütigendes antun?
 

"Ach ja genau, jetzt fällt's mir wieder ein!" Geschwind eilte der Hutmacher zum Bürotisch und öffnete eine der vielen Schubladen.

Kato konnte auf die Distanz nicht erkennen, was sie herausgenommen hatte, aber irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl bei der Sache. Wer konnte schon wissen, was dieses sadistische Weib jetzt schon wieder ausgeheckt hatte. [1]

Strahlend kam Belial wieder auf ihn zu und hielt dabei etwas in der Hand, das nach Katos Meinung verdächtig nach einem Hundehalsband aussah.

Panik fing an sich in ihm breit zumachen. "Nein, wag es bloß nicht, mir das anzulegen! Das geht wirklich zu weit" entsetzt zeigte er auf das Halsband in Belials Händen.

Mad Hatter lächelte bloß verschwörerisch und ging weiter schnurstracks auf Kato zu, der nun verzweifelt begann die Flucht zu ergreifen.
 

"Na na, weglaufen nützt nichts..." Sie packte ihn am Oberarm und schleuderte Kato aufs Bett zurück. Dieser blieb für einen Moment benommen liegen.

Es war einfach unfair. Er hatte nicht die geringste Chance sich gegen diese verdammten Dämonen zu wehren. Sie waren einfach alle viel zu stark für ihn...

"Eine gute Erkenntnis, mein Junge..." Belial war nun genau über ihm. "...Wenn du dich nicht wehrst und dich anständig benimmst, wirst du weniger leiden."

Kato bemerkt, dass sich der Dämon genau zwischen seinen Beinen positioniert hatte und irgendwie war ihm das peinlich. Er hatte schließlich nur diese extrem knappen Shorts an...

Der Hutmacher war gerade dabei Kato das Halsband anzulegen, als mitten in seiner Bewegung innehielt und den Jungen mit einem wissenden Blick musterte.

"Weißt du, man nennt mich den schönsten und verführeristen unter den sieben Satanen... " sie beugt sich zu seinem Ohr “...aber auch den lüsternsten" und mit diesen Wort leckte sie spielerisch über Katos Ohrläppchen.

Dieser wusste gar nicht so recht wie ihm geschah, als er auch schon etwas Kaltes an seinem Hals spürte, das ihm für einen Moment die Luft abschnürte.

Der Satan es Hochmutes richtete sich wieder auf, saß allerdings immer noch zwischen Katos gespreizten Beinen. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Man konnte diese jungen Männer einfach zu leicht um den Finger wickeln. Ihre pulsierenden Hormone machten Belials Arbeit wirklich zu einem Kinderspiel. Zufrieden lächelte sie in sich hinein. Dieses Exemplar hier war wirklich ganz außerordentlich. Zu schade, dass es nicht ihr Spielzeug war, sondern das ihres Herrn...

Aber sie würde es natürlich nicht wagen sich daran zu vergreifen. Luzifer-sama hatte sich sehr deutlich ausgedrückt, als er sie anwies, es zu unterweisen.

Na ja, dann würde sie eben ihr bestes tun, damit der Herr zufrieden mit ihrer Arbeit war. Das sollte Lohn genug für sie sein...
 

TBC
 

[1] Eigentlich würde ich jetzt gerne ein Rätselraten veranstalten *g* Was nimmt Belial aus der Schublade??? Tja, leider wird das schöne Rätsel schon frühzeitig aufgelöst, weil sonst das Chapter wirklich zu kurz geworden wäre...

Kapitel 4

Kato tastete nach dem Halsband. Er konnte nirgendwo einen Verschluss fühlen. Das einzige, was er ertastete, war eine große Schnalle vorne. Ansonsten schien es ein normales Lederhalsband zu sein.

Er lag ausgestreckt auf dem großen Bett und wartete aus Belials Rückkehr. Diese hatte ihn allein gelassen, um den "großen Luzifer" zu holen und sich zu vergewissern, dass alles zu dessen Zufriedenheit ablief.

Kato hätte sie am liebsten erwürgt. Er hatte jetzt schon eine solche Wut auf dieses Mannsweib, dass sie ihn beinahe zur Weißglut trieb. Nur dummerweise standen seine Chancen ziemlich schlecht.

Der Dämon hatte schon vorher recht deutlich bewiesen, dass er Kato körperlich haushoch überlegen war. Mit nur einer einzigen kraftvollen Bewegung hatte sie ihn aufs Bett katapultiert und er hatte nicht den Hauch einer Chance gehabt...

Wie würde das erst bei Luzifer rauskommen? Der würde schließlich noch stärker sein. Kato schauderte bei dem Gedanken zu was der Fürst der Hölle alles fähig sein könnte.

Vielleicht sollte er den Rat des Hutmachers doch beherzigen und sich so wenig wie möglich wehren... doch Kato verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Schließlich hatte er immer noch so etwas wie seinen Stolz und außerdem hatte er Luzifer nicht verziehen, dass er ihm seinen besten Freund weggenommen hatte.
 

"Das werde ich dir nie verzeihen..." murmelte er leise vor sich hin.

"Was wirst du mir nie verzeihen?" Erschrocken setzte sich Kato auf und musste feststellen, dass er nicht mehr alleine im Raum war.

Direkt vor seinem Bett stand ER. Der leibhaftige Teufel. Der gefallene Engel Luzifer. Sein bester Freund, Kira... und irgendwo dahinter war noch Belial, der er aber nicht sonderlich viel Beachtung schenkte.

Kato wusste nicht, was er antworten sollte. Er brachte keinen Ton heraus.

Des Teufels Gesicht war völlig reglos und verriet keine einzige Emotion und seine kalten Augen starrte ihn unentwegt an. Dunkle Strähnen fielen ihm in die Stirn und wieder einmal kam Kato der Gedanke, wie sehr dieses Wesen doch "seinem" Kira ähnelte.
 

"Hutmacher, lass uns allein! Und sorg dafür, dass wir nicht gestört werden!" Luzifer hatte seinen Blick nicht von seinem neuen Spielzeug genommen, sondern musterte es immer noch eingehend.

"Jawohl, mein Herr!" Belial verbeugt sich kurz und löste sich, im wahrsten Sinne des Wortes, in Luft auf.
 

"Kira..." Kato hatte leise gesprochen, so leise, dass das Wort fast nicht zu hören war. Doch der Fürst der Finsternis hatte ihn sehr wohl verstanden und ein kleines Lächeln schlich sich auf dessen Lippen.

"Du weißt genau, dass ich nicht Kira bin. Warum gibst du nicht endlich auf? Hat es nicht gereicht, dass ich dich getötet habe?

Kato senkte seinen Blick. Er war verwirrt und sein Herz tat weh....

Er konnte sich ja auch nicht erklären, warum er den Kerl vor sich nicht einfach hassen konnte.

"Soll ich dir sagen wieso?" Luzifer griff nach Katos Kinn und zwang diesen ihn anzusehen.

Und wieder waren da diese kalten Augen, die ihn zu durchdringen schienen und ihn jedes mal durcheinander brachten.

"...weil du ihn geliebt hast!" Es dauerte einen Moment bis die Worte zu Katos Verstand durchgesickert waren, doch dann riss er sich energisch los und starrte den Teufel trotzig an.

"Bild dir bloß nichts ein, du arroganter Bastard! Kira war mein Freund und ich lasse nicht zu, dass du solchen Schwachsinn von dir gibst und so sein Andenken noch mehr verschandelst!"

Einen Augenblick lag herrschte Stille, dann brach der Teufel ins schallendes Gelächter aus.

"Oh, du bist wirklich amüsant... Ich denke, es wird mir große Freude bereiten dich zu zähmen!"

Luzifer hatte sich auf die Bettkante gesetzt und betrachtete Kato nun mit etwas, dass man als räuberisches Lächeln bezeichnen konnte. Dieser fühlte sich durch das seltsame Verhalten seines Gegenübers doch etwas verunsichert, um nicht zu sagen bedroht, und begann nun langsam die Flucht rückwärts. Kato rutschte auf seinem Allerwertesten an die äußerste Bettkante, um möglichst großen Abstand zwischen sich und den Herrn der Hölle zu bringen.
 

"Hast du Angst?" Luzifer ließ sein Opfer nicht aus den Augen und schien jede noch so winzige Bewegung zu registrieren.

Oh ja, natürlich hatte Kato Angst. Wer würde nicht Angst kriegen, wenn der leibhaftige Teufel einem mit einem Blick anstarrt als wäre man ein saftiges Steak [1]. Allerdings hätte Kato sich eher die Zunge abgebissen, als das zuzugeben.

"Oh ja, du hast Angst. Ich kann sie regelrecht riechen." Mit einer schnellen Bewegung hatte er sich Kato geschnappt, so dass dieser nun unter ihm lag.

Der Blonde erwachte wieder aus seiner Erstarrung und fing an, sich zu wehren. "Lass das, du Perverser! Geh sofort von mir runter!" Doch Luzifer kannte keine Gnade und nagelte die Hände, die verzweifelt versuchten um sich zu schlagen über Katos Kopf fest.
 

Die dunkeln Strähnen des Teufels streiften Katos Gesicht. 'Ganz weich, fast wie Seide.... Wuäähh, Yue spinnst du! Denkt nicht solche Scheiße, er kann bestimmt deine Gedanken lesen!'

Ein amüsiertes Lächeln erschien im Gesicht des Dunkelhaarigen "Ja, Kato! Du hast vollkommen Recht. Deine Gedanken sind wie ein offenes Buch für mich. Also, solltest du jemals auf die dumme Idee kommen, fliehen zu wollen oder sonst irgendetwas anzustellen, dann sei gewiss, dass ich es sofort erfahren werde." Und mit diesem Worten drückte er dem Blonden einen harten Kuss auf die Lippen...
 

Kato war völlig perplex. Er wusste nicht wie er darauf reagieren sollte.

Doch noch bevor er dazu kam, richtig zu realisieren was eigentlich geschah, hatte sich Luzifer auch schon wieder von ihm gelöst.

"Weißt du, ich hatte eigentlich etwas mehr Widerstand von dir erwartet ...oder..." er strich sanft über die freie Schulter seines Spielzeuges. "...bist du so scharf darauf, von mir genommen zu werden?“
 

Das war nun eindeutig zuviel! Kato stemmte sich mit aller Kraft gegen das Gewicht auf seinem Körper und versuchte frei zu kommen. Doch diese Maßnahme solle sich schon bald als Schuss nach hinten herausstellen, denn mit den Händen, die noch immer in Luzifers eisernem Griff gefangen waren, hatte er keine Chance. Also versuchte der Blonde den Teufel abzuschütteln, indem er sein Becken hob und sich ihm entwinden wollte.

Allerdings hatte auch diese Aktion das genaue Gegenteil zur Folge, von dem was Kato ursprünglich beabsichtigt hatte. Denn Luzifer lag nun wunderbar zwischen seinen gespreizten Beinen und die Situation schien noch aussichtloser als zuvor....

"Lass mich sofort los!" fauchte der Blonde.

Doch der Höllenfürst reagierte überhaupt nicht und fuhr unbeirrt mit der Erkundung von Katos Körper fort. Mit seiner freien Hand strich er langsam über das Schlüsselbein seines Opfers zur Mitte hin, um dort kurz den Halsansatz zu streicheln und dann seinen Weg weiter nach unten fortzusetzen.

Der Körper unter ihm versteifte sich merklich, doch Luzifer hatte nicht den Hauch einer Absicht sich davon beirren zu lassen. Er griff unter das schwarze Shirt, schob es nach oben und leckte einmal kurz über die Brustwarze, die sich ihm präsentierte... und biss dann zu...
 

Kato schrie auf.

"Bitte hör auf... Bitte..." Der blonde Junge schien der Verzweiflung nun doch schon recht nahe zu sein. Auf seinem ganzen Körper hatte sich eine Gänsehaut gebildet und jedes einzelne Haar in seinem Nacken stand zu Berge. Er wusste einfach nicht, was er denken sollte. Er war so verwirrt und sein ganzer Körper fühlte sich so seltsam an...
 

"Bitte..." wimmerte er.

Der Teufel betrachtete den Jungen belustigt. Es gefiel ihm, wie sehr er sein Spielzeug bereits jetzt schon dermassen aus der Fassung gebracht hatte.

"Was, du bettelst jetzt schon?! Dabei haben wir noch nicht mal richtig angefangen... " Der Dunkelhaarige drückte Kato nochmals einen Kuss auf, erhob sich dann aber.

"Lassen wir's gut sein für heute. Denn schließlich..." er beugte sich zu Kato herunter - der immer noch in derselben Position auf dem Bett lag - streichelte ihm über die Wange und flüsterte in sein Ohr: "...habe ich noch die gesamte Ewigkeit Zeit, um alles mit dir anzustellen, was mir gefällt!"
 

TBC
 

A/N: So was meint ihr? Ist Luzi zu nett rübergekommen? Ich hatte so meine Bedenken, dass wenn ich ihn jetzt schon über Kato herfallen lasse würde, käme das irgendwie zu schnell....

Irgendwie ist mir der 2. Teil dieses Kapitel ziemlich schwer von der Hand gegangen. Ich musste es hundert Mal abändern, damit es stimmte und mit dem Schluss bin ich auch nicht so zufrieden. Denn eigentlich hatte ich das ein wenig anders geplant gehabt.
 

[1] Ich muss mich bei allen Vegetariern entschuldigen. Gomen... Aber hier muss auch vermerkt werden, dass Luzifer ganz offensichtlich keiner ist;P

Kapitel 5

Kato schauderte. Das war wirklich die wahrscheinlich aussichtsloseste Situation seines Lebens.

Nein, Korrektur: Er war ja schon tot. Also die wahrscheinlich aussichtsloseste Situation seiner gesamten Existenz!
 

Luzifer hatte ihn, nach ihrer kleinen Eskapade auf dem Bett, im wahrsten Sinne des Wortes an die Leine genommen.

Kato war so auch endlich die Bedeutung der Schnalle vorne an seinem Halsband klar geworden. Sie diente nämlich dazu, dort die Leine befestigen zu können, an welcher der Teufel ihn danach quer durch die Palastgänge gezerrt zerrte.

Kato hatte natürlich geschrieen und getobt, doch es hatte alles nichts genützt. Der Teufel hatte ihn einfach geflissentlich ignoriert oder etwas fester an der Leine gezogen, wenn Kato sich wieder mal geweigert hatte, weiter zu gehen.

Irgendwann hatten sie dann doch endlich einen Raum erreicht, den Luzifer kurz als 'sein Arbeitszimmer' deklariert hatte.
 

"So, und nun Sklave...." der Dunkelhaarige riss Kato an dem Halsband zu sich heran, so dass er ihm direkt in die Augen sehen musste. "...werde ich dich mit deinen Aufgaben vertraut machen."

Er zog Kato mit sich zu einem riesigen schwarzen Schreibtisch, auf dem sich Unmengen von Papieren stapelten[1]. Irgendwo unter dem Durcheinander lugte noch ein Totenschädel hervor und schaute das neue Haustier seines Herrn aus leeren Augenhöhlen an[2]. Kato hätte schwören können, dass das Teil ihn beobachtete. Nicht, dass ihm nicht schon genug unwohl zumute gewesen wäre. Nein, jetzt musste er sich auch noch von voyeuristisch veranlagten Schädeln begaffen lassen...
 

"Auf die Knie mit dir!" Luzifer hatte es sich auf einem breiten Ledersessel hinter dem Tisch gemütlich gemacht und bedachte den Blonden mit einem Blick der keinen Widerspruch duldete.

Doch Kato, sich der optischen Warnung wohl nicht bewusst, gab nur ein empörtes "Was?!" von sich.
 

Der Teufel ließ sein Opfer nicht aus dem Augen, legte aber ganz nonchalant ein Objekt vor sich auf den Tisch, das Kato nicht ganz klassifizieren konnte. Er wusste, er hatte dieses längliche schwarze Etwas schon mal irgendwo gesehen...
 

Ach ja, genau! Jetzt fiel es ihm wieder ein. Es war im Fernsehen gewesen. Das war eines der Dinger, die die Reiter bei den Dressurshows immer benutzten, um ihre Pferde anzutreiben...

Was zum Teufel konnte der Teufel mit so einem Teil wollen?

Doch das Haustier kam nicht dazu, sich noch weitere Gedanken über die Intentionen seines Herrn zu machen, denn diese wurden ihm innerhalb von Sekundenbruchteilen demonstriert...

Luzifer hatte mit einer Geschwindigkeit, die für Katos Augen nicht erfassbar gewesen war, ausgeholt und ihm mit der Reitgerte[3] einen Schlag quer über die Brust verpasst.

Der Blonde taumelte nach hinten. Ein unsagbarer Schmerz hatte sich in seiner Brustregion ausbreitet und ließ ihn zu Boden gehen.

Keuchend legte er die Hand auf die betroffene Stelle und musste feststellen, dass sie blutete.

"Regel Nummer eins, Sklave: Meinen Befehlen wird Folge geleistet und das unverzüglich und ohne den geringsten Widerspruch! Verstanden?"
 

Kato nahm die Worte des Teufels nur durch einen Schleier wahr, er war einfach noch zu benommen von dem Schlag.

Luzifer hatte sich aus seinem Sessel erhoben und schlich nun langsam, wie eine Raubkatze auf den am Boden liegenden Kato zu.

"Verstanden, Sklave?" donnerte er neben der zusammengekrümmten Gestalt.

"Ja, verstanden..." murmelte dieser.
 

"Regel Nummer zwei: Du wirst mich von nun an immer mit 'Meister Luzifer-sama' anreden! ...Verstanden?"

Kato lag auf dem Rücken und hatte seinen Kopf vom Teufel weggedreht. Noch leiser aus zuvor erwiderte er: "Ja, verstanden"

Doch diese Antwort schien dem Höllenfürsten nicht zu gefallen, denn erneute schnellte die Reitgerte in unmenschlichem Tempo auf den wehrlosen Kato hernieder. Dieses Mal sollte das Ziel jedoch nicht seine flache Brust sein, sondern seine entblößten Oberschenkel.
 

"Wuääähhhh... Bist du verrückt?!? Ich hab doch gesagt, dass ich's verstanden hab!" wimmerte das blonde Häufchen Elend, dessen Stimme nun schon einen etwas belegten Klang bekommen hatte.

"Wie heißt das?

Für einen Moment herrschte Stille, dann ganz langsam kam die Antwort.

"Verstanden, ....Meister Luzifer-sama..."

"Braver Junge..." anerkennend strich der Teufel über die malträtierten Oberschenkel seines Opfers, wo sich bereits rote Striemen abbildeten. Unter ihm zuckte die verängstigte Gestalt zusammen und versuchte sich der Berührung zu entziehen, indem sie ihrem Peiniger den Rücken zuwandte.
 

"Regel Nummer drei...." lasziv fuhr der Dunkelhaarige der schlangenförmigen Linie nach, die von Katos Wirbelsäule gebildet wurde und sich ihm so wunderbar darbot.

"...versuch niemals dich mir zu entziehen..."

Kato wurde schlagartig bewusst, was für einen gravierenden Fehler er gerade begangen hatte, indem er seinem Feind derart ungeschütztes Terrain so leicht zugänglich gemacht hatte. Doch in der Hölle begeht man keinen Fehler zweimal, diese Erfahrung sollte auch er machen.

Die Reitgerte sauste auf den baren Rücken des Blonden hernieder, ließ diesem erneut aufschreien und sich wimmernd zusammenkrümmen.
 

Luzifer beugt sich über die verzweifelte Kreatur. Er ergriff das Halsband und zwang Kato ihn anzusehen. "Das sind drei einfache Regeln, die du befolgen wirst, ansonsten..." demonstrativ wedelte er mit dem schwarzen Stock "...wirst du noch öfters Bekanntschaft hiermit machen!"

Der Herr der Hölle erhob sich wieder und ließ von seinem Spielzeug ab, das wie einen nasser Sack auf den Boden zurückplumpste, wo es liegen blieb.

Luzifer beachtete es gar nicht, sondern begab sich zurück hinter seinen Schreibtisch und widmete sich dem Papierstapel vor sich.
 

So verging die Zeit. Kato lag auf dem kalten Fußboden und badete förmlich in seinem Leid. Er suchte verzweifelt nach einer Position, die möglichst schmerzfrei war. Doch weder sein geschundener Rücken noch seine verletzte Brust ließen zu, dass er sich auf dem einen oder der anderen niederließ. So blieb nur eine unbequeme Seitenlage übrig, die auch nicht gerade als komfortabel zu bezeichnen war. Hin und wieder ließ er ein herzerweichendes Keuchen oder Röcheln vernehmen, was von seinem Herrn allerdings lediglich mit konsequentem Nichtbeachten quittiert wurde...
 

TBC
 

[1] Ja, nicht mal der Fürst der Hölle bleibt vor Papierkram verschont *g*

[2] Kennt ihr das letzte Einhorn? Dort gibt es diese Szene in der das Skelett auf der Uhr sitzt und sich mit dem Zauberer über Wein streitet... Hat mich irgendwie daran erinnert

[3] So heißt das Teil *eg*

Kapitel 6

Luzifer legte seinen Stift ab und seufzte entnervt. "Weißt du, für einen Junkie, der doch das eine oder andere Mal auf Entzug war, hältst du verdammt wenig aus."

Er beugte sich über den Tisch nach vorne, um das wimmernde Bündel zu betrachten.

"Halt die Klappe, Arschloch!" fauchte Kato und seine Augen schimmerten feucht. Er versuchte dem Teufel einen möglichst tödlichen Blick zuzuwerfen, was aber in seinem derzeitigen Zustand nicht mal ein Kleinkind beeindruckt hätte.

"Na na, hast du immer noch nicht gelernt, wie man sich seinem Herrn und Meister gegenüber verhält?" Der Teufel bedachte ihn mit einem mahnenden, aber gleichzeitig auch leicht gelangweilten Blick

"Meister Luzifer-sama, ihr seid ein Arschloch und ich bitte euch höflichst darum, es zu unterlassen, mich mit solchem Schwachsinn zuzutexten!" presste Kato zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Es war ihm durchaus bewusst, dass er sich mit dieser Beleidigung auf sehr dünnes Eis wagte. Aber diese beschissene Bemerkung mit dem Junkie hatte so verdammt nach Kira geklungen, dass er sich einen bissigen Kommentar einfach nicht hatte verkneifen könnte. Ach, zum Teufel mit Luzifer, sollte er doch tun, was er nicht lassen konnte...
 

Doch dieser reagierte vollkommen anders als erwartet, er brach nämlich in schallendes Gelächter aus.

"Du bist wirklich amüsant, Sklave..."

Kato wurde langsam wütend. Was verdammt noch mal sollte daran bitte komisch sein? Den Schmerz ignorierend, versuchte er sich aufzusetzen.

Oh, nur langsam... die Oberschenkel spannten und sein Rücken schmerzte als wäre er von einem Panzer überrollt worden. Allerdings hatte die Brustwunde aufgehört zu bluten und war jetzt nichts weiter als ein roter Striemen.
 

Luzifer hatte sich wieder weitgehend unter Kontrolle und musterte die lächerlichen Versuche seines frisch ernannten Lieblings, sich zu erheben.

Er bemerkte auch Katos Verwunderung über die schnelle Heilung seiner Verletzung. "Wir sind hier in der Hölle, du hast keinen sterblichen Körper mehr. Das heißt, dass Wunden lediglich den Zweck haben, Schmerzen zu bereiten, denn töten können sie ja nicht mehr. Deswegen heilen sie so schnell... und ganz nebenbei..." er griff nach Katos blondem Schopf und zog ihn so endgültig auf die Beine. "...ist es doch viel angenehmer einen schönen und makellosen Körper immer und immer wieder zu bestrafen als einen, der bereits total entstellt ist!" verführerisch leckte er über Katos geschlossene Lippen. Dieser starrte ihn nur aus entsetzten Augen an.
 

Der Blonde hing zur einen Hälfte in Luzifers eisernem Griff, zur anderen stützte er sich auf dessen Tisch ab. Er war momentan irgendwie etwas orientierungslos. Das Gesicht des Teufels war nur Millimeter von seinem eigenen entfernt und er konnte wieder direkt in diese kalten, blau-grauen Augen sehen, die niemals auch nur eine Kleinigkeit über ihren Besitzer preisgaben.

'Seltsam... waren Kiras Augen nicht braun?'

Der Teufel schüttelte bloß seinen Kopf und gab Kato wieder frei.

"Du lernst es wohl nie, was?"

Hä, von was redete der Kerl schon wieder, er hatte doch gar nichts getan[1]? Doch Kato hatte andere Probleme als sich Gedanken über das enigmatische Gerede des Höllenfürsten zu machen. Er war nämlich gerade damit beschäftigt, sich verzweifelt an die Tischplatte vor ihm zu klammen, damit seine Beine nicht nachgaben.
 

"Hör zu, Sklave. Ich gebe dir einen Auftrag, damit du hier nicht die ganze Zeit rumhängst und mich vollheulst..." der Teufel wühlte zwischen den Unmengen von Papieren

"Was? Ich dachte, du stehst darauf, andere leiden zu sehen?" Kato blickte ihn aus hasserfüllten Augen an, doch Luzifer beachtete ihn nicht weiter.

"Das ist doch kein Leid, Kato! Ein bisschen rumheulen und winseln, wie ungerecht das Schicksal doch ist... ich bitte dich!" entgegnete der Fürst der Hölle gelassen, er schien endlich gefunden zu haben, wonach er gesucht hatte und hielt dem Blonden eine rote Akte unter die Nase.

"Hier... bring das zum Herrn der Fliegen ...und zwar dalli!"

Kato stand wie angewurzelt vor dem Tisch. Er hatte es gerade eben geschafft ohne die Hilfe des Möbels vor ihm, zu stehen und jetzt erwartete dieser Sklaventreiber auch noch dass er Dienstbote spielte. Der hatte sie doch nicht mehr alle...
 

"Sklave..." Luzifers Stimme klang leicht genervt. Schlechtes Zeichen! "...wie lautet Regel Nummer eins?"

"Alle Befehle sofort und ohne Widerworte ausführen... aber ganz nebenbei: Gesagt hab ich überhaupt nichts!" gab der Blonde trotzig zurück. Er schnappte sich die Akte und stampfte so schnell wie es sein Rücken eben zuließ Richtung Ausgang. Kurz vor der Tür stoppte er und drehte sich nochmals um.

"Sagt mal, Meister Luzifer-sama... Wo finde ich diesen Herrn der Fliegen überhaupt?"

Der Teufel hatte sich in seinem Sessel zurückgelehnt und beobachtete sein widerspenstiges Haustier mit unlesbarem Gesichtsausdruck. "Warum denkst du, heißt er Herr der Fliegen?"
 

Kato schwieg für einen Moment, dann antwortete er mit einem Schulterzucken: "Keine Ahnung... Vielleicht ist er ein wandelnder Misthaufen..." Der blonde Sklave wandte sich wieder der Tür zu.
 

Wenn Kato es nicht so eilig gehabt hätte aus dem Büro des Teufels zu verschwinden, hätte er möglicherweise bemerkt, wie sich hinter ihm die Mundwinkel des Höllefürsten ganz ein wenig nach oben kräuselten...
 

Er war schon draußen als er nochmals durch dir zufallende Tür Luzifers Stimme vernahm:

"Noch etwas, Sklave: Komm ja nicht auf die dumme Idee, die Akte zu öffnen! Ansonsten... "

"Ja, schon klar! Ansonsten wirst du mich windelweich prügeln" gab Kato zurück.
 

Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
 

Wow.... Er hatte es tatsächlich geschafft! Er war nicht mehr im selben Raum mit Luzifer! Eine dicke fette Eichentür trennte sie beide voneinander.

Kato erfreute sich gerade seiner, für kurze Zeit zurück gewonnenen, Freiheit, als sich vor ihm eine neue Frage auftat: Wohin jetzt? Er zweifelte nicht an den Worten des Teufels, dass es keinen Ausweg aus der Hölle gab. Denn ganz umsonst hieß sie ja schließlich nicht "Hölle - Ort der ewigen Qualen"[2]. Deshalb schrieb er die Option Flucht auch gleich ab.

Allerdings wäre eine kleine Erkundungstour im Palast der Finsternis sicher auch sehr interessant. Und vielleicht würde er ja unterwegs noch diesen Herrn der Fliegen antreffen....
 

TBC
 

[1] Kleines Rätsel: Was meint Luzifer? Ist nicht schwer, oder^-^

[2] Zuerst hab ich nen beschissenen Tippfehler gemacht und "Hölle - Orte der ewigen Quallen" geschrieben. Stellt euch nur mal vor, überall in der Luft schweben Quallen herum*drop*

Kapitel 7

Kato schaute sich um. Wohin sollte er gehen? Er stand immer noch vor der Tür zu Luzifers Arbeitszimmer und konnte sich nicht entscheiden in welche Richtung er dem längs verlaufenden Gang folgen sollte. Zu seiner Rechten schien er ein wenig anzusteigen und wenn er sich recht erinnerte, waren sie von dort gekommen. Allerdings war das schwer zu sagen, denn Kato hatte sich bei seiner Ankunft hier in erster Linie darauf beschränkt, zu zetern und zu schreien und dadurch seiner Umgebung nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt.
 

Zur Linken verlief der Gang leicht abwärts und war wesentlich schlechter beleuchtet. Kato konnte sein Ende oder wenigstens die nächste Biegung von seinem derzeitigen Standpunkt nicht ausmachen. Es war genau einer jener Gänge, die man in Horrorfilmen meiden sollte...
 

Der Blonde entschied sich in seiner Euphorie für die zweite Variante. Sie schien ihm doch wesentlich viel versprechender als der Weg, den er - seiner Meinung nach - ja schon einmal gesehen hatte.
 

~~~~
 

Im Raum hinter der schweren Eichentür saß der Teufel noch immer in seinem breiten Sessel und hatte die Augen geschlossen. Er beobachtete sein Spielzeug durch seine allgegenwärtige mentale Präsenz und amüsierte sich göttlich...

Er war wirklich erfreut, dass sein Sklave den Gedanken an Flucht so schnell aufgegeben hatte, andere hatten Jahrhunderte für diese Erkenntnis gebraucht. Allerdings erschien es ihm doch recht töricht auf eigene Faust einen Streifzug durch die Hölle unternehmen zu wollen.

Aber Torheit war wohl auch eines der Markenzeichen seines neuen Haustieres…
 

Nun gut, sollte sein Haustierchen nur machen. Es würde schon noch früh genug herausfinden, was es wirklich bedeutete durch die Hölle zu gehen und was für Schrecken hier unten noch lauerten.
 

~~~~
 

Wow, das war wirklich cool. Kato folgte dem Gang jetzt schon eine ganze Weile und es war kontinuierlich dunkler geworden. An den Wänden, die jetzt nicht mehr fein und eben waren, sondern felsig und eher naturbelassen, hingen in unregelmassigen Abständen Fackeln, die mit violetter Flamme brannten.

Das ganze schuf wirklich eine unheimliche Atmosphäre und wäre Kato noch am Leben gewesen, hätte er es vielleicht tatsächlich mit der Angst zu tun gekriegt.

Doch überzeugt von der Tatsache, dass ihm nun wirklich nichts mehr Schlimmeres als Luzifer passieren könnte - was rein theoretisch auch stimmte - folgte er dem Weg frischfröhlich weiter.
 

"Gott, ist das langweilig..." stöhnte er nach ein paar Minuten entnervt. Er hatte sich an der rechten Seite des Ganges niedergelassen und saß jetzt am Boden. Es war immer noch nichts passiert. Kein Monster, keine Hexe, nicht mal ein Vampir war aus dem Nichts aufgetaucht und hatte seinen Weg gekreuzt. Es gab hier nicht mal Ratten...
 

"Und so was nennt sich Hölle....tzz!"

Das einzige, das sich verändert zu haben schien, war die Temperatur. Es war zunehmend kühler geworden...

Kato begann nun auch leicht zu frösteln. In seinen kurzen Shorts und dem Oberteil, das durch Luzifers Attacke noch ein paar Löcher mehr zählte, war er nicht wirklich für winterliche Temperaturen gerüstet. Allerdings machte er auch die positive Entdeckung, dass von seinen Wunden nichts weiter als ein paar rote Flecken übrig geblieben waren, deren Schmerzpegel sogar Kato als erträglich einstufen konnte.
 

Der Blonde begann sich die Oberarme zu reiben. Es war wirklich saukalt hier unten. Er zog es gerade in Erwägung umzukehren, als sein Blick auf die rote Mappe viel, die neben ihm am Boden lag. Hm, der Teufel hatte zwar ausdrücklich gesagt, er solle sie nicht öffnen, aber...
 

/Hallo/

Wuähhh! Wie vom Blitz getroffen sprang Kato auf. Woher kam die Stimme? Hatte man ihn beim Versuch die Akte zu öffnen erwischt?

Er schaute sich panisch um, konnte jedoch niemanden entdecken.

/Hier bin ich/

Irritiert blickte er zuerst nach rechts, dann nach links. Wieder nichts!

/Hier, du Idiot! Direkt vor dir an der Wand/

Kato schaute an die Wand und was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Sein eigener Schatten winkte ihm gerade zu!
 

Entsetzt wich er ein paar Schritte zurück, um einen genügend großen Abstand zwischen sich und sein eigenwilliges Anhängsel zu bringen. Doch bekanntlich war es ziemlich schwer vor seinem eigenen Schatten davonzulaufen und so warf sich der jetzt einfach auf den Boden, anstatt an die Wand und grinste ihn von dort aus an, bzw. verzog Katos Schattenmund zu einem Grinsen.

"D...d...du..." Der Blonde zeigte entsetzt auf die schwarze Fläche und konnte noch immer nicht fassen, dass sich sein lebenslänglicher Begleiter gerade selbständig gemacht hatte.

/Ich...?/ fragt der Schatten neugierig und schien etwas näher zu kommen.

Woraufhin Kato wieder den völlig sinnlosen Versuch unternahmen, weiter zurückzuweichen.

"D..d..du lebst?!"

/Ähm... na ja... nicht so richtig.../ Der Schatten kratzte sich am Kopf

/...weißt du, ich hab mir deinen Schatten nur ausgeliehen, damit du mich bemerkst.../

"Dann bist so also nicht MEIN Schatten?" So etwas wie Erleichterung klang in Katos Stimme mit.

/Nein, natürlich nicht. Dein Schatten könnte so was doch gar nicht. Er gehört zur Gattung derer, die nur nachmachen können, was die Körper ihnen vorgeben/

"Aha... Und was bist du dann?

/Ohh... Ich bin eine Schattenfee.../ Der Schatten schien sich über das plötzliche Interesse seines Gegenübers sehr zu freuen, er hüpfte nämlich von einem Bein aus andere. Irgendwie widerstrebt es Kato seinen eigenen Schatten solche Dinge tun sehen, obwohl er sie nicht tat. Und ganz nebenbei wirkte dieses Gehüpfe ziemlich weibisch...[1]

"Sag mal, Schattenfee... hast du auch einen Namen?"

/Oh ja, natürlich habe ich einen Namen/

"Und wie lautet der?" Kato gewann sein Selbstvertrauen langsam wieder. Der Gedanke, dass das nicht SEIN Schatten war, der sich da selbstständig gemacht hatte, beruhigte ihn doch ungemein.

/Ombra/[2]

"Aha... Und was willst du von mir, Ombra?" Er wagte sich jetzt sogar wieder einen Schritt näher auf die schwarze Fläche zu.

/Ich will mit dir spielen!!!/

Kato stellte sich gerade gedanklich die Frage, wie ein Schatten so etwas bewerkstelligen wollte, als sich vor ihm eine schwarze Masse erhob. Sie schien irgendwie aus seinem eigenen Schatten aufzusteigen und hatte annähernd menschliche Form.

Das dunkle Wesen starrte ihn an… zumindest war Kato überzeugt davon, das er ihn anstarrte, denn man kann das ja nicht so genau sagen, wenn etwas kein Gesicht hatte...

Er wollte gerade die Flucht ergreifen, als ihn etwas Eiskaltes umfing und sich Dunkelheit um ihn ausbreitete...
 

Kato schrie. Mit aller Macht strampelte er und schlug um sich. Doch seine Bemühungen waren vollkommen sinnlos. Man hätte genau so gut versuchen können einen Eimer Wasser zu verprügeln, es hätte etwa die gleiche Erfolgsquote gehabt.
 

/Reg dich doch nicht so auf.../

"Wuähhhh...!" Kato fand sich plötzlich am Boden sitzend wieder. Allerdings war er nicht mehr in dem Gang mit den violetten Fackeln, sondern in einem Raum, der von abertausenden von Kerzen beleuchtet wurde.

Der Blonden schaute sich panisch um.

Überall an den Wänden tanzten Schatten, deren Eigentümer nirgends auszumachen waren. Die meisten von ihnen waren formlos. Aber es gab auch solche, die man als nahezu menschlich bezeichnen konnte. Und dann gab es noch ganz andere... Die hatten Formen, die sich Kato nicht mal in seinen wildesten Alpträumen hätte ausmalen wollen...
 

Er zitterte vor Angst. Sein Puls raste und er musste sich echt zusammenreißen nicht wie ein kleines Kind loszuheulen.

/Du bist echt ein Feigling... und ich dachte, es würde Spaß machen mit dir zu spielen.../

Vor ihm hatte sich wieder die schwarze Masse aus dem Boden erhoben. Sie hatte die Arme in die Hüften gestemmt und versuchte in ihrer Konturlosigkeit wohl so etwas wie vorwurfsvoll zu wirken.

"Was...?" Kato saß immer noch wie ein verängstigtes Häufchen Elend am Boden.

/Hallo... ich bin es Ombra, die Schattenfee.../ Das Wesen wedelte mit seinem Arm aus schwarzem Nichts vor seinem Gesicht herum.

/...hast du mich denn schon wieder vergessen? Teufel, ihr Körper seit echt seltsam.../ Der Schatten schüttelte die runde Ausstülpung am oberen Ende seiner selbst, die wohl als Kopf zu bezeichnen war.

"Äh... Nein... Wo sind wir hier?" Etwas verschüchtert schaute der Blonde auf. Er war sich nicht so ganz sicher, wohin er seine Augen richten sollte, denn schließlich konnte er dieser Schattenfee ja nicht ins Gesicht schauen!

/Natürlich im Reich der Schatten, du Schlaumeier... Wo denn sonst?!/ Sie - Kato hatte beschlossen dieses Wesen doch als weiblich anzusehen - klang etwas vorwurfsvoll.
 

~~~~
 

/Kommst du jetzt?/

"Wohin willst du denn gehen?" Er war ganz und gar nicht begeistert von der Idee mir IHR irgendwo hin zu gehen.

/Na zu den anderen Schattenfeen, ich möchte dich ihnen zeigen/ Sie hatte wieder damit begonnen, wie ein verliebtes Girlie, dass sich nicht traut ihrem Schwarm um ein Date zu bitten, von einem Bein af das andere zu hüpfen.

"Haben sie mich denn nicht schon gesehen?" fragend deutete Kato an die Wand hinter sich, wo die unzähligen Schatten immer noch ruhelos umherwanderten.

/Das sind doch keine Schattenfeen, Dummerchen.../ erwiderte sie tadelnd.

/...das sind nur ganz gewöhnliche Schatten, die keinen Körper mehr haben/

"Aha..." Kato wollte sich gar nicht vorstellen, wie einige dieser Körper ausgesehen haben mochten.

/Komm jetzt endlich!/ Ombra griff nach seinem Handgelenk und wieder spürte Kato diese unsagbare Kälte, die er zuvor schon gespürte hatte. Sie ging direkt von der Stelle, wo der Schatten ihn berührte, aus...

"Lass mich los!" Energisch riss sich Kato los und hielt sich die Hand, die innerhalb von wenigen Augenblicken vollkommen taub geworden war. Eine dünne Frostschicht hatte sich schon an der betreffenden Stelle gebildet...

"Spinnst du?!? Willst du, dass ich ein Eisklotz werde!" schrie der Blonde sie entsetzt an. Ombra wich zurück. /Entschuldige, ich hatte nicht mehr daran gedacht, dass ihr Körper, das nicht vertragt... Ich wollte nicht, dass du böse auf mich bist.../ gab sie kleinlaut zurück.

Kato grummelte bloß etwas von "wenn die mir abfällt..." vor sich hin und rieb sich das Handgelenk.

/Kommst du trotzdem mit mir zu den anderen? Ich verspreche auch, dass ich's nicht wieder tue/[3]Die Schattenfee hatte einen bettelnden Ton in ihre Stimme gelegt und Kato hätte schwören können, dass sie versuchte ihn mit Hundeaugen anzusehen...

"Ok, aber ich komme nur mit, wenn du mir dafür sagst, wie ich von hier wieder ins Reich der Körper zurückkomme!"

/Ja klar, mach ich!/ Ombra schien sich zu freuen, denn sie begann schon wieder mit dem penetranten Gehüpfe...

/Wir müssen in die Richtung/ sie zeigte auf einen Weg, der sich durch die unzähligen brennenden Kerzen hindurchschlängelte und fing an davonzugleiten. Kato machte sich zwar insgeheim Sorgen, ob er bei den vielen Kerzen nicht noch Gefahr lief, Feuer zu fangen, aber er folgte ihr trotzdem.

Doch seine Bedenken sollten unbegründet bleiben, denn schon nachdem er ein paar Schritte getan hatte, zog ein eiskalter Wind auf.

"Ombra, bist du das schon wieder?" Um ihn herum kämpften die Kerzen im Wind einen erbitterten Kampf gegen das Erlöschen.

/Nein, das bin ich nicht... Das ist unser Herr, er scheint bemerkt zu haben, dass du hier bist.../ die Stimme der Schattenfee zitterte.

Am andern Ende des Raumes schlug eine Tür auf und gleißendes Licht flutete herein. Die letzten Kerzen, die noch verzweifelt um ihr Weiterbrennen gekämpft hatten, erloschen nun vollends und die Schatten flohen...

Auch Ombra löste sich in einer Pfütze schwarzen Nichts am Boden auf und Kato stand plötzlich ganz allein in dem riesigen Raum, der nun hell erleuchtet war und in dem kein einziger Schatten auch nur die geringste Überlebenschance gehabt hätte....
 

TBC
 

[1] Ihr müsst euch jetzt einfach so ein richtiges hibbeliges Anime Girlie vorstellen, das keinen Moment stillsitzen kann...

[2] Ombra = (ital.) Schatten... Ich weiß, das war wieder mal super einfallsreich von mir;P

[3] Ich bin davon ausgegangen, dass die Schattenfeen, weil sie ja keine Körper haben, nicht wirklich nachvollziehen können, was Schmerz bedeutet. Deshalb verhält sich Ombra auch so schräg Kato gegenüber als sie ihn beinahe einfriert.

Kapitel 8

Im Widerschein des Lichtes zeichneten sich sie Umrisse einer Gestalt ab.

Kato kniff die Augen zusammen, denn er war immer noch geblendet von der plötzlichen Lichtflut. Er konnte noch nicht viel erkennen, doch er hörte wie sich ihm Schritte näherten.

Für einen Moment kam Kato der wahnwitzige Gedanke, dass das Luzifer sein musste, der kam um ihn zu bestrafen, weil er die Akte noch nicht abgeliefert hatte… Apropos Akte, wo war das Scheißteil eigentlich?

Verzweifelt schaute er sich um und versuchte, die rote Mappe ausfindig zu machen. Doch ohne Erfolg.
 

"Na, suchst du etwas, Kleiner?" Die Gestalt hatte sich nun direkt vor Kato aufgebaut und überragt diesen um etwa einen Kopf. Sie war in einen dunkelblauen Umhang gehüllt, der an einen dieser alten Kavaliersfilme erinnerte.
 

Ok, das war ganz eindeutig nicht Luzifer. Irgendwie ein beruhigender Gedanke, denn so würde er seiner Strafe noch für ein Weilchen entgehen; und Kato zweifelte nicht daran, dass der Herr der Hölle ihn bestrafen würde...
 

"Ich habe dir eine Frage gestellt, Süßer!" Der dunkelhaarige Mann griff nach Katos Kinn und musterte ihn ganz offensichtlich.

"Hey! Was fällt die ein, mich anzutatschen!" Kato schlug die Hand des Fremden weg. Normalerweise hätte es ihn beruhigt wieder in Gesellschaft eines Wesens zu sein, das einen Köper besaß - um nicht zu sagen einen Körper, der sogar menschlich war - doch irgendwie war ihm dieser Kerl unsympathisch.

"Oh, du bist wohl ein Wildfang..." Der Mann lachte hohl auf.
 

Kato warf ihm einen bösen Blick zu. "Wer bist du und was willst du von mir...?"

"Das könnte ich eigentlich eher dich fragen, mein Süßer..." Der Fremde trat einen Schritt näher auf Kato zu. "...denn schließlich bist du hier in meinem Reich ..."

"Dein Reich?" Kato musste schlucken. "Aber die Schattenfee vorhin hat behauptet, dass hier das Reich der Schatten sei."

"Oh, hat sie das wirklich..." Der Mann trat noch einen Schritt näher auf den Blonden zu.

Kato fühlte sich langsam etwas bedrängt. Warum mussten bloß alle Dämonen immer diesen beängstigenden "Ich-Jäger-du-Beute-Blick" drauf haben.

"...du solltest wirklich nicht auf sie hören. Schattenfeen sind ziemlich dumme Kreaturen... und außerdem..." der dunkelhaarige Fremde machte eine ausladende Geste. "...siehst du ja, wie schnell man sie vertreiben kann!"

"Äh ja… " In Kato breitete sich langsam das Bedürfnis nach Flucht aus. Er musterte den Raum und musste zu seinem Unbehagen leider feststellen, dass der einzige offensichtliche Ausgang, jener war, aus dem der Mann eingetreten war.

Der Fremde verfolgte den Blick des Jungen. Er schmunzelte amüsiert. "Möchtest du gehen?"

"J...ja!" stotterte dieser bloß etwas irritiert. Er war überrascht, dass sein Gegenüber ihn so breitwillig gehen lassen wollte.

"Also gut..." Der Mann strich sanft über Katos Wange. "...ich werde dich von hier weg bringen....." Die Hand des Fremden wanderte vom Gesicht des Blonden weiter nach hinten in dessen Nacken, um den jungen Mann zu sich zu ziehen. Mit der anderen fuhr er kurz über Katos Augen, worauf diese augenblicklich zufielen. Der Körper erschlaffte und der große Mann im dunkelblauen Umhang fing ihn auf.

"Ich werde dich an einen wunderschönen Ort bringen..." Mit diesen Worten hab er den schlafenden Leib hoch und trug ihn Richtung Ausgang.
 

~~~~
 

"Ahhh...ahhh........ahhhhhhhhhhh"

Kato wurde von seltsamen Geräuschen geweckt. Es klang beinahe nach einem Stöhnen oder Keuchen oder vielleicht auch beides...

Langsam schlug er die Augen auf. Doch konnte er sich absolut nicht orientieren. Vor ihm war bloß irgendetwas Grünes....
 

"Bist du endlich wach?!"

Verunsichert blinzelte der Blonde ein paar Mal. Er konnte den Ursprung der Stimme nicht ausmachen. "Wo bist du?"

"Na, direkt über dir." Die Stimme kicherte und der grüne Vorhang lichtet sich.

Kato blickte direkt in das Gesicht eines violettäugigen jungen Mannes, der auch der Besitzer des grünen Vorhangs zu sein schien. Es handelt sich nämlich um nichts anderes als das mähnenartig lange Haar, das den schmalen - ganz nebenbei bemerkt, überaus attraktiven - Körper des Jungen umrahmte. 'Attraktiv?’ Kato fasste sich gerade gedanklich an den Kopf. Das war eigentlich kein Adjektiv, das er für die Beschreibung eines männlichen Wesens benutzen wollte…
 

"Und? Wie geht es dir?" Der Grünhaarige hatte eine sanfte Stimme, die Kato irgendwie wieder etwas beruhigte. Er versuchte sich aufzusetzen. "Mal abgesehen davon dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wo ich eigentlich bin und was hier abgeht, gut."

"Oh, die Frage kann ich dir beantworten..." Der junge Mann lächelte. Es war ein wunderschönes Lächeln, das eine Reihe schneeweißer Zähne entblößte. "...du bist hier im Lustschloss des Satans Asmodeus und er hat uns aufgetragen, dich zu ihm zu bringen, wenn du wieder wach bist!"
 

Kato konnte nun das Geräusch, das ihn zuvor geweckt hatte und das er nicht recht hatte definieren können, wieder bewusster vernehmen. Es war ein Keuchen, ein lustvolles Stöhnen, das dem Blonden einen Schauer über den Rücken jagte.

Er wandte den Kopf und musste feststellen, dass er und der violettäugige feuchte Traum - 'argh, Kato!' - bei weitem nicht die einzigen im Raum waren. Nein, hinter ihnen tummelte sich noch ein ganzer Haufen ebenso wunderschöner junger Männer und Frauen, die ihnen jedoch nicht sonderlich viel Beachtung schenkten, denn sie waren anderweitig beschäftigt...

Und zwar genau mit dem, was sich Kato zuvor nicht als Ursache der Geräusche hatte eingestehen wollen.

Sie trieben es miteinender! Sie hatten heißen hemmungslosen, wilden Sex. Jeder mit jedem! Mann mit Frau, Frau mit Frau, Mann mit Mann, Frau mit Mann, Mann, Frau usw.

Kato viel es schwer seinen Blick von der Orgie loszureißen. Also das hatte die grünhaarige Schönheit mit "Lustschloss" gemeint...

"Wie heißt du eigentlich?" Der junge Mann kniete neben ihm am Boden und musterte den Blonden mit unverhohlener Neugier. Kato war das unendlich peinlich, denn er hatte gerade feststellen müssten, dass er vollkommen nackt war und von dem überaus geräuschvollen Auf-und-Ab hinter ihm hatte sich sein Blut in etwas ungünstigeren Körperregionen gestaut. Schamhaft zog er seine Beine an und versuchte so wenigstens seine Blöße zu bedecken.

"Ich bin Kato... und wie heißt du?" entgegnete er heiser.

"Mein Name ist Nuri und..." der Grünhaarige deutete auf Katos angezogene Beine. "...du brauchst dich deswegen nicht zu schämen..." und etwas leiser fügte er hinzu. „ Ich finde, du bist sehr schön..."

Oh je, jetzt war es endgültig passiert! Dem Blonden stieg sie Röte ins Gesicht. So etwas hatte ihm nun wirklich noch nie jemand gesagt, dass er schön sei...

Er wandte seinen Blick ab, doch Nuri beugt sich zu ihm herunter und drückte ihm sanft einen Kuss auf die Wange.

"Willkommen im Reich der ewigen sinnlichen Genüsse..."
 

TBC

Kapitel 9

Nuri lächelte ihn verführerisch an. Es war wirklich ein wunderschönes Lächeln, doch leider half es Kato kein bisschen das ungute Gefühl in seiner Magengegend zu vertreiben.

"Du brauchst wirklich nicht nervös zu sein." flüsterte der Grünhaarige sanft und strich ihm langsam übers Gesicht. "Ich bin sicher, es wird dir hier sehr gut gefallen... Es gefällt jedem hier sehr gut!"

Dabei wanderte seine Hand tiefer, bis sie schließlich bei Katos schlankem Hals innehielt. Zaghaft strichen die sehnigen Finger dem schwarzen Leder entlang, das sich um die weiße Haut wand.

"Es tut mir Leid... Es ließ sich nicht abnehmen..."

Der Blonde begriff zunächst gar nicht, wovon eigentlich die Rede war. Er war zu sehr von Nuris violetten Augen fasziniert gewesen. So fasziniert, dass ihn nicht einmal mehr die überaus irritierenden Geräusche aus dem Hintergrund hätten ablenken können...
 

Doch nun griff er selbst verwundert nach dem Ding, welches der Grünhaarige als so überaus störend empfand.
 

Luzifers Halsband...
 

Erstaunt ertastete Kato es erneut, als wäre es das erste Mal. Er spürte wieder die Struktur des Leders und das kalte Metal der Schnalle ließ ihn schlagartig in die Wirklichkeit zurückkehren.

Oh ja, natürlich. Luzifer! Scheiße, Luzifer!!!

Der würde ihn killen... Nein, das war noch zu wenig!

Oh Gott, ihm grauste davor, was der Teufel mit ihm anstellen würde, wenn er das hier erführe. Wahrscheinlich würde er ihn solange foltern und quälen bis er nicht mehr wusste, ob er Männlein oder Weiblein war...

Der Blonde musste unwillkürlich schaudern.
 

Nuri beobachtete die ganze Szene nur interessiert. Ein etwas verängstigter Ausdruck hatte sich auf dem Gesicht des Blonden gebildet.

"Hat dein Herr es dir angelegt?" fragte er vorsichtig.

Kato schreckte auf. "Was... Wie...?" verwundert starrte er den Grünhaarigen an, fast so als wäre er eben erst aus einer Art Trance erwacht.

"Das Halsband..." Nuri deutete darauf und rückte näher zu Kato. "...ich wollte wissen, ob dein Herr es dir gegeben hat?"

Dem Blonden war die Situation sichtlich peinlich, denn die violettäugige Schönheit saß nun wirklich schon beinahe AUF ihm und die Tatsache dass sie beide nackt waren, trug auch nicht gerade zur Beruhigung von Katos ohnehin schon erhöhtem Blutdruck bei.

"Na ja, gegeben ist vielleicht der falsche Ausdruck... aufgezwungen wäre besser." Er senkte den Blick. Kato konnte Nuri einfach nicht in die Augen sehen.
 

Das war einfach alles viel zu schräg hier. Er saß an einem Ort fest, wo es die Leute wie die Karnickel trieben und er selbst wurde von einem jungen Mann belagert, für den selbst der Papst all seine Moralvorstellungen über Bord geworfen hätte.

Kato konnte es wirklich nicht mehr länger leugnen: Nuri gefiel ihm. Nein, mehr sogar! Seine wunderschönen seltsamen Augen raubten ihm den Verstand und er hätte alles dafür getan, nur einmal diese glatte weiße Haut berühren zu dürfen....
 

Arrrrgh .... Und dabei stand er doch nicht auf Kerle!!!
 

Nun gut, vielleicht konnte er sich ja einreden, dass diese Hingezogenheit zu diesem 'Mann' daher kam, dass eben dieser nicht unbedingt wie der typische Mann aussah. Erstens hatte Nuri wirklich unglaublich langes Haar, das ihm mindestens bis zur Hüfte reichte, dann dieser ganze schmale zierliche Körperbau und natürlich die feinen Gesichtszüge, die so sehr an die eines Mädchens erinnerten.... An die eines überaus schönen Mädchens....
 

Katos Gedankengängen wurden abrupt unterbrochen von Nuris feinem Lachen. Verwundert schaute er auf. "Was ist denn so komisch?"

"Na du..." Kichernd deutete er auf den Blonden und hielt sich den Bauch.

"Was? Wieso?" Dieser konnte nicht ganz folgen.

Nuri schaffte es mit Müh und Not sich ein wenig aufzurichten und ließ sich dann vollkommen unvorhergesehen - zumindest für Kato - auf den Blonden fallen. Dieser ging zu Boden.

Ein ersticktes "Ufff..." entwich seiner Kehle.

Nuri lag nun so auf Kato, dass dieser sich nicht mehr rühren konnte und so jegliche Chance auf Flucht beseitigte.

"Hör endlich auf dich wie ne Jungfrau zu benehmen!" ertönte es vom Grünhaarigen während er sich an Katos entblößter Halsbeuge zu schaffen machte. Von diesem wiederum war nur ein erschrockenes Keuchen zu vernehmen. Nuris plötzliche Attacke hatte ihn ein wenig überrumpelt. Er war wirklich nicht darauf vorbereitet gewesen, dass der Grünhaarige sich im wahrsten Sinne des Wortes auf ihn stürzen würde. Außerdem konnte er sich nicht so richtig entscheiden, ob ihn DAS, was dieser gerade da mit seinem Hals tat, gefallen sollte oder nicht.
 

Eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen und ein wohliges Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Ok, es gefiel ihm. Kato versuchte den Gedanken, dass er offiziell nicht schwul war, zu verdrängen (oder mindestens auf später zu verschieben).

Nuris geschickte Finger wanderten dem Bauch des Blonden entlang und hinterließen brennende Spuren. Sanft glitten sie nach unten, zeichneten kleine Kreise um seinen Bauchnabel, nur um wieder nach oben zu wandern und sich in Katos Haaren zu vergreifen. Dieser erzitterte unter den erfahrenen Berührungen des anderen, denn er war eine solche Behandlung wirklich nicht gewöhnt. In seinem ganzen Leben hatte sich noch nie jemand die Mühe gemacht irgendwie sanft oder zärtlich zu ihm zu sein...

Sicher hatte Kato ein gewisses Maß an sexueller Erfahrung, aber meistens waren das nur kurze Zusammentreffen gewesen, bei denen sein Gegenüber meistens genauso stoned gewesen war, wie er selbst.
 

Nuri fixierte den Blonden mit seinen seltsamen Augen, die wie zwei Edelsteine funkelten. Sanft zog er Katos Kopf zu sich und drückte ihm einen Kuss auf. Beinahe schon automatisch öffnete dieser seinen Mund, um dem Grünhaarigen Einlass zu gewähren. Denn er hatte gerade eben beschlossen, seine letzen Bedenken endgültig über Bord zu werfen. Was bedeutete es schon, wenn er sich einem wunderschönen verführerischen Wesen hingab, das nebenbei bemerkt männlich war.
 

Es bedeutete gar nichts! Es hatte keine Konsequenzen!

'Mal von Luzifer abgesehen...' erwiderte eine kleine böse Stimme in seinem Kopf.

Es gab niemandem, dem er die Treue geschworen hatte!

'Mal von Luzifer abgesehen, der deine Treue fordert!'

Er war schließlich schon in der Hölle, also konnte ihn niemand dafür bestrafen, wenn er eine Sünde beging, 'Mal vom Herrn der Hölle abgesehen...'
 

Ach, Scheiß Luzifer!
 

Das hatte ihm jetzt wirklich die Stimmung verdorben... Kato drückte Nuri sanft von sich.

"Was ist denn?" fragte dieser verwirrt. Er schien etwas enttäuscht über die plötzliche Unterbrechung zu sein.

"Ich kann nicht..." Verlegen drehte der Blonde erneut den Kopf weg. Es tat ihm auch Leid ‚diese Sache’ abbrechen zu müssen, aber sein gesunder Menschenverstand hatte gerade über seine Lenden gesiegt, denn die Aussicht, was der Teufel mit ihm tun würde, ließ jegliches leidenschaftliche Gefühl in ihm absterben.

"Es ist wegen deinem Herrn, nicht wahr?" Gedankenverloren strich der Grünhaarige wieder dem schwarzen Lederhalsband nach. Kato nickte nur schwach.

"Wird er dich bestrafen, wenn du dich ein wenig mit mir amüsierst?"

"Ja" kam die schwache Antwort. Kato war sich bei dieser Antwort ziemlich sicher. Denn hatte der Hutmacher nicht mal irgendetwas gelabert von, dass Luzifer außerordentlich besitzergreifend wäre...
 

Nuri saß rittlings auf dem Blonden und sein Gesicht hatte einen seltsamen Ausdruck angenommen. Irgendwie beunruhigte das Kato. Denn es war einer jener Gesichtsausdrücke, die er bis jetzt in der Hölle an den Wesen gesehen hatte, die kurz danach in irgendeiner Form über ihn hergefallen waren.

"Ok..." Nuri griff nach seinen Haaren und zog ein dunkles Band hervor, das die grüne Pracht zuvor zusammengehalten hatte. Kato ging bloß der Gedanke durch den Kopf, dass der seidige Kopfschmuck nun noch länger und geschmeidiger schien und ließ sich dadurch von der Tatsache ablenken, dass sich sein Angebeteter soeben seine Hände geschnappt hatte.

"Hey, was tust du da?" fragte er ein wenig entsetzt, als die Erkenntnis in sein Hirn sickerte, dass Nuri gerade dabei war mit dem Stoffstück seine Hände zusammenzubinden. Kato begann sich unwohl zu fühlen. Irgendwie erinnerte ihn das zu fest an den Sadisten Luzifer.

"Ich fessle dich!" antwortete dieser kurz.

"Ja, das habe ich bemerkt, aber was zum Teufel ist der Sinn davon!" Langsam kam in Kato die eine leichte Panik hoch.

"Oh, du musst keine Angst haben. Ich werde dir nichts tun..." Sanft aber doch sehr bestimmt, drückte der Grünhaarige die gefesselten Hände gegen Katos Hals, um so das schwarze Band an der Schnalle seines Halsbands festzumachen.

"... Aber ich dachte mir, dass dein Herr dir nichts vorwerfen kann, wenn du dich nicht wehren kannst. So hast du nämlich eine gute Ausrede: Du kannst behaupten, ich hätte dich vergewaltigt!" Nuri grinste.

Kato hingegen zog seine Augenbraue skeptisch nach oben. Irgendwie gefiel es ihm ganz und gar nicht so wehrlos und ausgeliefert zu sein. Das war irgendwie zu fest Luzifer-Style...
 

Doch die violettäugige Schönheit hatte wirklich sehr überzeugende Argumente. Die Hände, die nämlich wieder auf Erkundungstour auf Katos Körper gingen, wirkten wahre Wunder den Blonden umzustimmen.

Sanft strichen sie Katos Seite entlang und hinterließen wohlige Schauer.

Und als der Mund des Grünhaarigen erneut Einlass zu dem seinen forderte, konnte er einfach nicht anders als ihn zu gewähren. Das alles war einfach zu verführerisch. Er war schließlich auch nur ein Mann.

Sie fochten einen wilden Zungenkampf, jeder darauf bedacht, dem anderen sein Können zu demonstrieren. Doch selbst die geschicktesten Zungenartisten müssen dem Bedürfnis nach Luft hin und wieder nachgeben. Und so kam es, dass zwei Gestalten schweratmend aufeinander lagen. Die eine davon zwar gefesselt, aber ganz und gar nicht mehr peinlich berührt und die andere positiv überrascht vom plötzlichen Wandel seines Gegenübers.

"Wow, du kannst ja richtig gut küssen..." kam es anerkennend von Nuri.

"Tja, die Leute neigen einfach dazu uns Kiffer ein wenig zu unterschätzen..." entgegnete Kato in gespielt theatralischem Tonfall. Er hatte endgültig beschlossen Luzifer zu ignorieren...
 

~~~~
 

"Soso mein kleiner Kiffer, du lässt dich also von einem von Asmodeus Lustknaben verführen...." murmelte der Herr der Hölle vor sich hin. Er hatte sein Büro immer noch nicht verlassen, das war ja auch nicht nötig gewesen. Zumindest bis jetzt nicht...

Luzifer hatte Katos kleines Abenteuer auf Schritt und Tritt verfolgt. Bis jetzt hatte er es ja noch als amüsant empfunden, doch mit dem Eindringen in das Reich des Satans Asmodeus hatte sich sein Haustier auf gefährliches Terrain begeben. Denn der alte Intrigant würde sich wahrscheinlich, trotz - oder gerade wegen - des Halsbandes, das Kato klar als sein Eigentum markierte, weigern ihn zurückzugeben.

Das würde wieder mühsam werden, wenn er persönlich da vorbei musste, nur weil der Herr der Wollust noch immer das Gefühl hatte, ihn herausfordern zu müssen. Und das alles nur wegen einer Frau...
 

TBC

Kapitel 10

"Soso, mein kleiner Kiffer..." mit verführerischem Blick betrachtete der Grünhaarige seinen neuen Spielgefährten und ließ seine Hand langsam im mehr südlichere Regionen wandern, wo sie kurz verweilte, um Katos Schamhaar zu zwirbeln.

"...dann wollen wir mal sehen, wie viel du wirklich aushältst!" Und mit diesem Worten leckte er über die Brustwarze des Blonden, nur um kurz darauf sanft daran zu knabbern. Dies entlockte Kato ein heiseres Stöhnen. Oh ja, das war wirklich gut. Er bog sich dem anderen entgegen, denn schließlich konnte er in seinem etwas einschränkten Status, nichts weiter tun, um den anderen in seinem Tun zu bestärken.

Doch Nuri schien nur allzu gut zu verstehen, was der Blonde wollte. Ein unterdrücktes "Ahhh" war zu vernehmen als sich die schlanke Hand um Katos erigiertes Glied schloss....

"Und gefällt dir, was ich tue...?"

"Hmmm..." kam bloß dessen verträumte Antwort. Der Blonde hatte seine Augen geschlossen und konzentrierte sich darauf, mit seinem Becken dieser großartigen Hand entgegenzuwirken.
 

"Du kannst es wohl gar nicht mehr erwarten, was?" Nuri beugte sich etwas mehr nach unten und visierte nun ein neues Ziel für seinen gierigen Mund an. Die heiße Höhle schloss sich um den steifen Penis des Blonden, was diesen überrascht die Augen aufreißen ließ. Das hatte er nicht erwartet... Nicht das ihm nicht gefallen würde, was der Grünhaarige da tat, ganz im Gegenteil, er war überwältigt. Und genau jene Überwältigung versuchte er zu artikulieren, indem er einige stöhnende und keuchende Geräusche von sich gab.

Nuri schien nur allzu gut zu verstehen, dass Kato nicht wirklich in der Lage war, einen vernünftigen Satz in Form von Worten zu formulieren. Trotzdem belohnte er den Blonden, indem er seine Zunge lasziv um die bereits nasse Spitze des Gliedes kreisen ließ.
 

Kato biss die Zähne zusammen und sog scharf Luft ein, um nicht laut aufzuschreien. Doch wahrscheinlich wäre ein Schrei oder Stöhnen, Keuchen oder Röcheln in diesem Meer der Lust nicht weiter aufgefallen. Denn Kato und Nuri waren nun nichts anderes mehr als ein weiteres Paar Liebender, das sich in dem Raum der sinnlichen Gelüste seinen Trieben hingab. Und sie wären in ihrer Position auch nicht weiter von allen anderen zu unterscheiden gewesen, wäre da nicht ein winzigkleiner Makel gewesen...
 

Ein schwarzes Stück Leder, das sich um den weißen Hals des einen wand und einfach nicht wegzukriegen war...
 

"Oh Nuri..." verzweifelt griff Kato nach der grünen Haarpracht seines Gegenübers und versuchte diesen zu animieren, sich etwas mehr zu bewegen. Doch die violettäugige Schönheit wollte seinem Opfer nicht so schnell Erlösung schenken. Nein, das hier war schließlich immer noch die Hölle und man liebte es, sich gegenseitig ein wenig zu quälen. Und Nuri hatte im Lauf der Zeit wirklich eine besonders ausgeprägte Ader für diesen Volkssport entwickelt. Er fuhr mit seinen Zähnen den heißen Schaft auf und ab und reizte so den armen Kato noch mehr.

"Ahhh..." dieser warf den Kopf zurück, wand sich unter dem geschickten Mund hin und her und versuchte vergebens mit seinem Becken dagegen zu stoßen. Doch der süße Mund wollte ihn nicht gewähren lassen, sondern hielt ihn mit eisernem Griff am kalten Boden der Tatsachen.
 

"Bitte..."

Ein zufriedenes Lächeln hätte sich wohl bei diesen Worten auf Nuris Lippen gebildet, wären diese nicht gerade anderweitig beschäftigt gewesen.

Wenn sie anfingen zu betteln, war das immer ein gutes Zeichen...

Der Grünhaarige wollte gerade dazu ansetzen seinen Geliebten mit dem ultimativen Genuss seiner Zungenkünste zu verwöhnen, als er spürte, wie ihn jemand von hinten äußerst unsanft am Becken ergriff und ihn von Kato wegzog.
 

Nuri wollte den Unbekannten gerade anfahren, was ihm einfiel ihn zu unterbrechen, doch dieser ließ ihm keine Gelegenheit dazu. Der große Fremde presste seine Lippen auf die des Grünhaarigen und zog ihn noch weiter von Kato weg.

Der Blonde hatte sich währenddessen auf seine Unterarme gestützt und gab bloß einige unwillige Geräusche von sich. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, wenn der beste Blow-job seines Lebens einfach so im Nichts endete.
 

Kato betrachtete die Szene mürrisch als sich plötzlich sein Verstand wieder einschaltete. Halt mal! Der Kerl da war angezogen. War das nicht der unsympathische Typ, der ihn aus dem Reich der Schattenfeen mitgenommen hatte?!

Yue Kato hatte ja nie von sich behauptet ein Leuchte zu sein und außerdem waren die Umstände für rationales Denken momentan alles andere als gut, aber wenn das kleinste bisschen Kombinationsgabe in seinem Hirn recht hatte, dann musste das da der Satan Asmodeus sein, der da gerade mit seinem potentiellen Gute-Nacht-Fick knutschte!
 

Als hätte der Herr der Wollust die Gedanken des Blonden vernommen, warf er ihm einen stechenden Blick zu, ohne jedoch seine momentane Beschäftigung mit Nuri zu unterbrechen.

Er zwinkerte Kato zu und fuhr mit seiner behandschuhten Hand dem kunstvoll geschwungenen Rückgrat des Grünhaarigen entlang.

Normalerweise hätte Kato nicht leugnen können, dass das eine überaus verführerische Aussicht war. Doch irgendwie ließ ihm die Präsenz dieses dunklen Wesens einen Schauer über seinen Rücken laufen. Ihm war ganz und gar nicht mehr wohl in seiner Haut.

Rein intuitiv zog der Blonde seine Beine wieder an, er wollte sich wirklich nicht so auf dem Servierteller präsentieren, wenn er schon vollkommen nackt und schutzlos war.

Doch gerade diese Geste schien das Interesse des Satans noch mehr zu wecken, denn er wandte sich von Nuri ab und bewegte sich langsam auf Kato zu...
 

Oh je, schlechtes Zeichen! Der Kerl hatte schon wieder diesen durchdringenden Du-bist-der-Nächste-Blick drauf. Kato musste schlucken und kroch langsam auf seinem Hintern rückwärts. Allerdings sollte sich auch diese Flucht als genauso sinnlos, wie jede andere zuvor erweisen. Irgendwie gab es wahrhaftig kein Entkommen, wenn man in der Hölle weilte.
 

Asmodeus hatte sich vor dem kauernden Blonden platziert und musterte diesen amüsiert.

"Wie ich sehe, wurdest du gut unterhalten..." Der Satan ging vor ihm in die Hocke und streckte langsam seine Hand aus, wie es jemand tut, der versuchte das Vertrauen eines verängstigten Hundes zu gewinnen.

"Du brauchst keine Angst vor mir zu haben..." Vorsichtig strich er über Katos Wange, der ihm wiederum nur misstrauisch beäugte

"...außer vielleicht, wenn du eine Jungfrau bist, dann solltest du so schnell wie möglich auf dem nächsten Baum sein, obwohl ich daran zweifle, dass das dich retten würde!" Der Dunkelhaarige lachte schallend über seinen eigenen Witz, was Kato nur das Gesicht verziehen ließ. Dieser Kerl war einfach nur ekelhaft und er hatte wirklich nicht vor, sich von ihm vögeln zu lassen. Das bedeutete dann allerdings, dass er schnellstens das Weite suchen sollte.

Doch dieser Gedanke sollte sich schon bald als eine Unmöglichkeit herausstellen, denn Asmodeus Hand, die vorher gerade noch Katos Wange gestreichelt hatte, wanderte nun in tiefere Regionen und erfasste ziemlich forsch, das noch immer steife Glied des völlig irritierten Blonden.

Dieser wusste nicht so recht, ob er sich wehren sollte. Einerseits sagte ihm sein gesunder Menschenverstand, dass es wahrscheinlich sowieso sinnlos sein würde zu versuchen einem Erzdämon zu widerstehen, andererseits verlangte Katos Stolz dass er sich nicht einfach so ergab.
 

Mit Nuri war es etwas anderes gewesen. Dazu hatte er sich entschlossen gehabt und dieser Entschluss war ihm durch den widerlichen schleimigen Typen, der sich gerade an seinem besten Stück vergriff, vermiest worden!
 

Energisch schlug er die Hand weg: "Fass mich nicht an, du Schwein!" Wütend starrte er den Herrn der Wollust an. Kato hatte sich gerade dazu entschlossen wieder einmal in sein offensichtliches Verderben zu rennen. Doch der Dunkelhaarige schien ihm seinen Widerstand nicht wirklich übel zu nehmen. Im Gegenteil, er schien eher noch belustigt.

"Ohh, bist du immer noch nicht zahm? Hat es nicht gereicht, dass ich Nuri zu dir geschickt habe? Normalerweise kam er wirklich jedem um den Finger wickeln und gefügig machen, doch bei dir..." Er warf einem Blick über seine Schulter zu dem Grünhaarigen der mittlerweile auf den Boden gesetzt hatte und sich dort räkelte wie eine Katze. Der Angesprochene schaute fragend auf.

"Habe ich es etwa nicht gut gemacht, Herr?" Aus der Stimme des Lustknaben war so etwas wie Sorge herauszuhören.

"Nun, wie er scheint Nuri, ist unser neues Haustier immer noch etwas wild..." Asmodeus hatte seine Aufmerksamkeit wieder Kato zugewandt, unterließ es jedoch dem Blonden zu nahe zu kommen.

"Oh, das tut mir Leid, mein Herr...." Der Grünhaarige kam nun zu den zwei anderen hin und schlag die Arme um seinen Herrn. "...soll ich es noch mal versuchen?"

Der Dunkelhaare lachte nur leicht und erwiderte: "Ich glaube leider, dass er dir keine zweite Gelegenheit dazu geben wird. Unser Haustierchen scheint etwas nachtragend zu sein..." Und mit diesem Worten fixierte er Kato wieder mit seinen dunkeln Augen.
 

Dieser hingegen kam sich momentan ziemlich verarscht vor. Warum nur hatte sich die ganze Welt - nein, die ganze Hölle - gegen ihn verschworen?! Reichte es denn nicht, dass er bei Obersadist Luzifer gelandet war? Musste er denn immer wieder an solche verrückte, perverse und sonst irgendwie seltsam veranlagte Typen geraten?!

Und jetzt war ihm auch noch die kleinste Aussicht auf ein wenig Entspannung in Form eines netten kleinen Ficks genommen worden, weil sein netter kleiner Fick auch bloß das hörige Spielzeug eines anderen Perversen war…

Irgendwie ärgerte es ihn gehörig, dass Nuri ihm einfach so in den Rücken gefallen war. Aber eigentlich hätte er es sich ja denken könne, dass da irgendwo ein Hacken sein musste...
 

~~~~
 

"Dann soll ich ihn also festhalten, Herr?"

"Ja, das wäre gut Nuri. Ich möchte wirklich nicht, dass er allzu fest um sich schlägt. Du weißt ja, ich mag es nicht besonders, wenn man sie mit Gewalt nehmen muss..."
 

Kato war am Rande einer ausgewachsenen Panik. Diese zwei Verrückten hatten ihn nämlich - ohne groß auf seine Gegenwehr zu achten - in den nächsten Raum geschleppt und jetzt lag er ziemlich wehrlos und ausgeliefert auf einem Altar. Seine ehemals angebetete grünhaarige Schönheit hatte ihm, während Asmodeus ihn ziemlich grob durch die Gegend gezerrt hatte, erklärt, dass nur dem Herrn dieses Reiches, Lord Asmodeus persönlich, die Ehre zustand einen Neuling in die Welt der sinnlichen Genüsse einzuführen. Mit anderen Worten: Ihm die Unschuld zu rauben.

Gut, Kato war alles andere als unschuldig, dennoch schien ihm die Aussicht, auf einem Altar von einem schleimigen uralten Typen zu vergewaltigt zu werden, mehr als grauenhaft....

Nuri hatte sich am Kopfende des Tisches oberhalb des Blonden postiert und hielt dessen Hände fest. Es schien den Grünhaarigen einigen Aufwand zu kosten, Kato stillzuhalten, denn was die körperliche Kraft anging, hätte man das zukünftige Opfer wohl als überlegen bezeichnen müssen, wäre die Ausgangslage nur nicht so schlecht gewesen...

Was den Herrn der Wollust anging, so stand er bloß lässig am unteren Ende des Altars und hielt mit einer Hand Katos Becken fest. Es für ihn ein Leichtes den widerspenstigen Sklaven zu bändigen, aber er fand es durchaus amüsant zu beobachten, wie sich seine neue Anschaffung mit seinem violettäugigen Liebling stritt und ihn zwischen zusammengepressten Zähnen als Verräter beschimpfte.
 

"Wieso tust du das? Ich habe dir vertraut!" schrie der, mittlerweile der Verzweiflung nahe, Blonde seinen Peiniger an. Doch dieser schien dessen Empörung nicht wirklich nachvollziehen zu können.

"Kato, ich tue hier doch auch bloß meine Pflicht..... Autsch! Hör auf, Kato!" Nuri war gerade nochmals einer gezielten Ellenbogenattacke, die gegen seine Nase gerichtet gewesen war, halbwegs entkommen.

Energisch drückte er nun die Arme des Blonden auf den kalten Stein.

"Hör zu..." der Grünhaarige beugte sich zu Katos Ohr herunter. Er war langsam erschöpft gegen diesen widerspenstigen Neuling anzukämpfen, es gab sicher auch eine einfachere Lösung.

"...wenn du dich nicht wehrst, wird es weniger wehtun und außerdem verspreche ich dir, dass ich es wieder gutmachen werden, wenn du jetzt enttäuscht von mir bist..." sanft leckte er über das Ohrläppchen des Blonden, welcher daraufhin endlich ruhiger wurde.

"...ich wollte nicht, dass du böse auf mich bist, aber auch ich muss den Befehlen meines Herrn gehorchen, verstehst du? Wenn er dich will, dann muss ich ihn machen lassen! Aber wenn das hier vorbei ist, dann können wir gern dort weiter machen, wo wir aufgehört haben..."

Nuri zog sich zufrieden von dem nun völlig reglosen Kato zurück, überzeugt davon, dass die Aussicht auf eine erneute Kostprobe seiner einmaligen Verführungskünste, den Blonden ruhig gestellt hatte.
 

Doch die Wirklichkeit sah ganz anders aus. Kato war einfach nur zu perplex, um sich weiter zu wehren. Was fiel diesem ignoranten Wesen eigentlich ein, ihn jetzt mit Sex ködern zu wollen, nachdem er ihm so gemein in den Rücken gefallen war?!

Doch all seine Empörung konnte ihn nicht davor bewahren, dass Asmodeus nun begann, sich an seinen Schenkeln zu schaffen zu machen. Der Satan fuhr langsam der weichen Innenseite entlang, was bei Kato endlich wieder eine Reaktion hervorrief. Er versuchte sich verzweifelt der Berührung zu entziehen, doch es war sinnlos.

Die Hand wanderte weiter nach oben, bis sie schließlich ihr Ziel erreicht hatte: Katos warmer weicher Eingang. Ein unterdrücktes Keuchen entrang sich der Kehle des Blonden, als er spürte wie sich ein Finger langsam in seinen Körper schob.

Schamhaft warf er den Kopf zurück und versuchte so dem lüsternen Blick des Herrn der Wollust zu entgehen, der immer zu auf ihn gerichtet war. Doch das hatte allerdings zur Folge, dass er nun Nuris belustigtes Gesicht im Blickfeld hatte, das er als noch nervtötender empfand.
 

Kato hätte wirklich alles getan, um sich irgendwie aus dieser Situation zu retten. Wirklich überall wäre lieber gewesen als jetzt zu diesem Zeitpunkt hier. Er wäre sogar lieber bei Luzifer gewesen....
 

~~~~
 

Wäre Yue Kato nicht so beschäftigt damit gewesen, sich selbst zu bemitleiden und sich irgendwo anders hin zu wünschen, hätte er vielleicht bemerkt, dass die ewige Geräuschkulisse des Stöhnen und Keuchens, die stets allgegenwärtig schien, verstummt war.

Und vielleicht wäre auch der Lieblingslustknabe des Herrn Asmodeus misstrauisch geworden und hätte bemerkt, dass die Zimmertemperatur gerade um ein paar Grad gefallen war, wenn er nicht zu sehr von der sich ihm darbietenden Szene hingerissen gewesen wäre.

Und möglicherweise hätte auch der Herr der Wollust selbst bemerkt, dass schwarze Federn um ihm herum flogen und wirbelten, wenn er nicht so sehr darauf bedacht gewesen wäre, Kato vögeln zu wollen...
 

Doch sie alle bemerkten von den Veränderungen um sich herum nichts, sie hatten ja schließlich alle besseres zu tun.

So kam es, dass sie alle gleichermaßen erschrocken waren, als eine Stimme kälter als Eis ihre Aktivitäten unterbrach...
 

TBC

Kapitel 11

"Asmodeus..." Die Stimme durchschnitt die Luft wie ein Eispfeil.

"...ich kann mich nicht daran erinnern, dir erlaubt zu haben, dich an meinem Eigentum zu vergreifen."
 

Der Satan der Wollust musste sichtlich schlucken. Seine gierigen Hände lagen immer noch auf Katos Becken und er war wirklich nur einen Bruchteil davor gewesen, sich mit seinem neuen Lustobjekt zu vereinen. Doch wie es schien, sollte heute nichts daraus werden...
 

"Hast du irgendetwas zu deiner Verteidigung zu sagen, Marquis?"

Asmodeus seufzte theatralisch und löste sich von dem Blonden. Er wandte seinen Blick dem Herrn der Finsternis zu und versuchte dabei möglichst gelassen zu wirken. Die Geste verlor allerdings sehr an Wirkung, wenn man bedachte, dass Nuri gerade schreiend das Weite gesucht hatte.

"Nein, mein Herr, ich habe dazu nichts zu sagen."

Luzifer stand mit verschränkten Armen vor ihm und betrachtete den Satan mit kaltem Blick. Sein schwarzer Umhang wehte um ihn herum, angetrieben von einem Wind der aus dem Nichts zu entspringen schien.

"So... dann hältst du es also nicht für nötig, dich diesbezüglich..." Er packte Kato an den Haaren und zog ihn in eine aufrechte Position. "... zu rechtfertigen."

"Nein Herr..." antwortete Asmodeus und versuchte trotz seiner heruntergelassenen Hose so würdevoll wie möglich zu wirken. Er wusste, dass er in Schwierigkeiten war. Sich in flagranti mit dem neuen Haustier des Beherrschers der Hölle erwischen zu lassen, war durchaus ein Vergehen für das er mit einer harten Strafe rechnen musste.

Aber eigentlich war ihm das egal. Denn er hatte ja von vornherein vorgehabt, den Sklaven nur deswegen zu nehmen, WEIL er Luzifer gehörte.

Allerdings störte er sich ein wenig an der Tatsache, dass ihm dieser dazwischengefunkt hatte, bevor er sich wirklich mit dem Blonden hatte amüsieren können. Nun eine Strafe zu erhalten, ohne etwas getan zu haben, schien ihm doch reichlich unbefriedigend.
 

"Asmodeus, du weißt, dass ich dich nicht ungestraft davonkommen lassen werde!"

Des Teufels Mund war nun direkt neben seinem Ohr. Dem Herrn der Wollust lief ein Schauer den Rücken hinab.

Das schien ein schlechtes Zeichen zu sein. Sein Herr war wirklich wütend! Denn wenn er so leise und bedacht sprach, war er um einiges gefährlicher als wenn er schrie. Und das hieß für ihn jetzt keine falsche Antwort zu geben.

Natürlich war er ein Intrigant und versuchte immer wieder kleine Verschwörungen gegen den Herrn der Hölle. Doch jeder wusste, dass er niemals Erfolg haben würde. Sogar er selbst war sich dessen bewusst. Das hier war alles bloß ein Spiel, ein Teil seiner Rolle, die er hier so gewissenhaft spielte. Er hatte nun mal den Part des Rebellen erwischt. Außerdem hätte es ihm gefallen, wenn sein geliebter Schmetterling ihm dadurch etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Sie hatte ja eine Schwäche für mächtige Männer...

Aber eigentlich war klar, wer hier das Sagen hatte und wenn es wirklich darauf ankam, hätte keine einzige Seele in She'Ol es gewagt, die Autorität des Höllenfürsten Luzifers anzuzweifeln. Denn so war die Hierarchie aufgebaut. Zuoberst stand er, der gefallene Morgenstern und keiner machte ihm diesen Platz wirklich streitig. Jeder, der nur halbwegs bei klarem Verstand war, hatte begriffen, dass dieser "Job" die Hölle zu regieren bei Weitem nicht so einfach war, wie es vielleicht den Anschein hatte und außerdem war niemand so lebensmüde sich ernsthaft mit Luzifer anlegen zu wollen.
 

Er war ihr aller Herr - der einzige, unangefochtene Beherrscher der Hölle!
 

"Ja natürlich, mein Herr. Ich werde jede Strafe annehmen, die ihr mir auferlegt... Allerdings möchte ich vorher noch anmerken, dass er..." Asmodeus deutete auf Kato, der mit schmerzverzerrtem Gesicht immer noch in Luzifers eisernem Griff gefangen war. "...sich nicht sonderlich gewehrt hat!" Ein fieses Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Satans.

"Hey! Was heißt hier 'nicht sonderlich gewehrt!', vergewaltigen wolltest du mich, du Arschloch! Du Perverser...." keifte der Blonde. Er hätte sich auf den Herrn der Wolllust gestürzt, wäre dieser nur in Reichweite gewesen.

Luzifer warf seinem Sklaven einen strengen Blick zu, der ihm bedeutete den Mund zu halten.

Doch Kato hatte gar nicht die Absicht auf seinen gesunden Menschenverstand zu hören und diese Warnung ernst zu nehmen. "Warte nur, irgendwann zahl ich dir das heim, du alter Lüstling..."

Die Tatsache, dass er auf Knien vor den beiden gefallenen Engeln herumrutschte und die Hand des Höllenfürsten immer noch erstaunlich energisch an Katos Haarschopf zog, schien den Blonden nicht im geringsten davon abzuhalten Drohungen auszustoßen.

Im Gegenteil: Es schien beinahe so, als ob die vermeintliche Rettung durch 'seinen Herrn' den Sklaven in einen Zustand der Furchtlosigkeit versetzt hatte.
 

Doch der Herr der Finsternis war wirklich nicht in der Stimmung, sich das Gezeter seines Spielzeuges anzuhören. Kurzerhand folgte eine schallende Ohrfeige und Kato lag schniefend am Boden.

"Halt den Mund!" war die einzige Begründung, die der Blonde zu hören kriegte.
 

Der Teufel wandte wieder Asmodeus zu. "Lass dir eins gesagt sein, Marquis… Wag es nie wieder etwas anzufassen, das mir gehört! Ansonsten..." Er legte eine bedeutsame Pause ein, in der er den Herrn der Wollust mit seinen kalten blau-grauen Augen fixierte "...wirst du nie wieder irgendetwas anfassen!"

"Ja, natürlich, mein Herr. Ihr habt euch deutlich ausgedrückt..."

Luzifer warf ihm einen abschätzenden Blick zu. Doch der Herr der Wollust reagierte nur darauf, in dem er sich leicht verneigte.
 

Am Boden wimmerte der nackte Kato immer noch vor sich hin. Das war einfach nicht fair! Womit hatte er jetzt das wieder verdient? Er hielt sich seine schmerzende Wange und versuchte möglichst vorwurfsvoll dreinzuschauen.

Doch auf den Höllenfürsten machte das alles keinen Eindruck. Er packte sein wehleidiges Haustier am Halsband und wandte sich zum Gehen.
 

~~~~~
 

Luzifer hatte ihn - wieder einmal- quer durch unzählige dunkle Gänge gezerrt. Kato hatte schon nach kürzester Zeit vollkommen die Orientierung verloren, obwohl er sich dieses Mal fest vorgenommen hatte, darauf zu achten, wo sie durchgingen.

Einerseits lag das wahrscheinlich daran, dass sie an so viele Verzweigungen und Gablungen kamen, dass das arme Kiffergehirn des Blonden vollkommen überfordert war. Andererseits trug auch die Tatsache, dass Kato noch immer vollkommen nackt von Luzifer hinter sich her gezogen wurde dazu bei, dass es dem Sklaven reichlich schwer fiel, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren.

Dem Herrn der Hölle allerdings nicht, denn er beachtete den Blonden gar nicht. Ein weiterer Faktor, der bei dem hüllenlosen Haustier Beunruhigung auslöste. Denn auch in Katos THC verseuchtem Gehirn hatte sich die Erkenntnis breitgemacht, dass man mehr Angst vor Luzifer haben musste, wenn dieser besonders ruhig war, als wenn er seinen Ärger deutlich artikulierte. Und dass er momentan gar nichts sagte, war eindeutig ein solches Zeichen, das man als gefährlich deuten sollte...
 

"Äh.... Meister Luzifer-sama?" versuchte er es vorsichtig

"Was ist, Sklave?!" Der Teufel klang genervt.

"I-ich wollte euch bloß darauf aufmerksam machen, dass ich vollkommen nackt bin und dass...." weiter kam Kato nicht, denn der Herr der Hölle hatte sich schlagartig umgedreht und betrachtete sein Spielzeug mit einem gefährlichen Blick.

"...Und was? Sklave?" Luzifers Augen wanderten über den entblößten Körper und blieben an einer ganz bestimmten Stelle hängen.

Kato errötete. Schamhaft versuchte er sich zu bedecken, doch sein Herr kam ihn zuvor. Er packte die Hände des Blonden und hielt sie auf sehr schmerzhafte Weise fern von der besagten Stelle.

"Wag es ja nicht... Nach all dem was du angestellt hast, bist du wirklich nicht in der Position Forderungen zu stellen!"

Der Sklave senkte sein Haupt und seufzte resignierend. Er wusste, dass eine riesige Menge Ärger auf ihn zukam. Wahrscheinlich in Form vom ausgedehnten Reitgerten Sessions und nächtelanger Tortur für seinen Hintern. Gott, er tat sich jetzt schon selbst Leid!

"Oh, glaub mir..." Der Teufel zog dem Blonden ganz nah zu sich, "...du wirst nicht genug Tränen für das haben, was ich mit dir vorhabe!"
 

~~~~
 

Karo schrie. Genau wie er es prophezeit hatte, war es Luzifers erste Handlung gewesen als sie sein Büro erreicht hatten, das von dem Blonden so sehr verabscheute schwarze Stöckchen aus der Schublade hervorzuholen.

Nun lag er also über den Schreibtisch gebeugt und wartete auf dem nächsten Schlag, der auf seinen Allerwertesten folgen sollte.
 

Luzifer war wirklich gnadenlos. Er schlug in möglichst unregelmäßigen Abständen zu, um es seinem Opfer unmöglich zu machen, sich auch nur irgendwie an einen bestimmten Rhythmus gewöhnen zu können. Nicht, dass es überhaupt möglich gewesen wäre, sich an so etwas zu gewöhnen, denn der Schmerz, den Kato erfuhr, trieb ihm die Tränen in die Augen und jeder erneute Schlag ließ ihn noch lauter schreien als zuvor.

Seine Stimme war schon kurz davor zu versagen und sein Hals schmerzte. Er bittete und bettelte um Vergebung. Doch der Teufel kannte keine Gnade. Er reagierte überhaupt nicht auf das Gewimmer, sondern fuhr unbeirrt fort sein Eigentum zu bestrafen.
 

Irgendwann nach unendlich langer Zeit, so schien es Kato, folgte kein neuer Schlag mehr. Trotzdem wagte es der Sklave nicht so recht, darauf zu hoffen, dass die Bestrafung endlich vorbei wäre, denn wie oft hatte Luzifer extra lange gewartet mit der nächsten Gewaltausübung, nur damit sich sein Haustier in Sicherheit wiegte und der nächste Schlag dafür umso mehr schmerzte.
 

Doch es passierte nichts. Kato horchte auf, aber er konnte nicht einmal die Atmung des Höllenfürsten wahrnehmen. Langsam konnte er das Gefühl der Hoffnung nicht mehr länger verdrängen. Vielleicht, ja vielleicht war es tatsächlich vorbei...
 

Der Schimmer der Erlösung verblasste so schnell wieder, wie er gekommen war. Denn mit Luzifers sanfter Berührung, die Katos Hintern streifte und diesen erschrocken zusammenzucken ließ, verflüchtige sich der Silberstreifen am Horizont wieder.

"Na na, mein Sklave... Ich bin doch noch lange nicht fertig mit dir!" Seine Hände wanderten verführerisch über das verletzte Gebiet und zogen ihre Kreise. Wäre Katos Hintern nicht halb taub gewesen, hätte er wahrscheinlich nicht abstreiten können, dass diese Behandlung überaus ...anregend war. Doch solange sein Arsch ein Mienenfeld war, hätte er das nicht in tausend Jahren zugegeben.
 

TBC

Kapitel 12

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 13

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 14

Der schlanke Körper warf sich unruhig im Schlaf hin und her, keuchte und brachte die schwarzen Seidenbettlaken durcheinander.

Kato hatte wirklich den wahrscheinlich schrecklichsten Tag seines Lebens hinter sich. Er sehnte sich so sehr nach ein wenig Ruhe. Doch nicht einmal diese sollte ihm vergönnt sein. Seltsame Träume suchten seinen Schlaf heim und ließen ihn nicht zur Rast kommen.

Doch wenigstens aus dieser Qual sollte er schnell erlöst werden, denn die rothaarige Gestalt, die neben seinem Bett saß, musterte den Schlafenden interessiert. Sie hatte in einen schwarzen Polstersessel direkt neben der Schlafstätte des Blonden Platz genommen und richtete nachdenklich ihren Hut.

Eine gewisse Besorgnis war im geschminkten Gesicht des Satans der Hochmut abzulesen.

"Hatte ich dich nicht gewarnt..." flüsterte sie mehr zu sich selbst.
 

Belial rutschte nach vorne, so dass sie nur noch auf der Sesselkante saß, um Kato ein paar verschwitze Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Dieser gab nur ein grummelndes Geräusch von sich, als die kalte Hand des gefallenen Engel sein Gesicht streifte. Belial hielt kurz inne, sie war nicht sicher, ob der Sklave nun endlich aus seinen Fieberträumen erwachen würde.
 

Die Lieder des Blonden flackerten kurz, dann schlug er die Augen auf. Zwei paar blaue Augen trafen aufeinander. Die einen kalt und neugierig, die anderen verwirrt und verängstigt.

Sofort war Kato hellwach. Entsetzt versuchte er die Flucht zu ergreifen. Doch der verrückte Hutmacher reagierte sofort auf den intuitiven Fluchtversuch des Sklaven. Sie packte ihn an den Schultern und drückte ihn wieder zurück in die Kissen. Dieser schlug um sich und versuchte aus dem starken Griff des Satans zu entkommen. Eine Panik hatte von ihm Besitz ergriffen, die er sich selbst nicht erklären konnte. Alles was er wusste, war dass er unbedingt weg musste... weg von dieser Person.
 

"Lass das!" befahl Belial mit eiskaltem Ton und erstaunlicherweise schienen ihre Worte Wirkung zu zeigen. Kato beruhigte sich langsam wieder und der Widerstand wurde schwächer. Doch noch immer starrte er sie aus diesen unnatürlich geweiteten blauen Augen an, die all seinen Schmerz auf einmal auszudrücken schienen.
 

Der Hutmacher kannte dieses Symptom nur zu gut, er hatte es schon oft bei Opfern einer Vergewaltigung gesehen. Es war das berühmte "Morgen-danach"-Syndrom.

Theatralisch seufzte sie und ließ Kato los. Dieser verkroch sich in die äußerste Ecke des Bettes und schlang sofort die Arme um seine Beine.

Mad Hatter beschloss sitzen zubleiben, wo sie war. Es würde das arme Haustier nur noch mehr verängstigen, wenn sie jetzt näher kam.

"Ich hörte, dass du dich schlecht benommen hast, Sklave..." Sie schüttelte missbilligend ihren Kopf. "...hatte ich dir nicht gesagt, du sollst mir keine Schande machen, wenn du mit dem Herrn zu tun hast! Immerhin bin ich für deine Ausbildung zuständig."
 

Kato musterte den Hutmacher aus zu Schlitzen verengten Augen. Er hatte nicht im Geringsten vor, ihr eine Antwort zu geben, sondern warf ihr einen Blick zu der sagte: Komm näher und ich kratze die die Augen aus!

Doch Belial schien die unausgesprochene Drohung nicht wirklich ernst zu nehmen. Sie betrachtete den Blonden nachdenklich, rührte sich jedoch nicht vom Fleck.

"Willst du nicht endlich damit aufhören und dich anziehen? Hier weiter zu sitzen und zu schmollen, wird dir gar nichts bringen..."

Sie schlug die Beine übereinander und legte ihre Hände auf die Knie. Mit unbewegter Miene erwiderte sie den vorwurfsvollen Blick Katos.

Keiner der beide sagte ein Wort. Sie fochten ihren Kampf nur mit Blicken.

Wäre in diesem Moment irgendein Lebewesen zwischen diese zwei geraten, wäre es wahrscheinlich augenblicklich erstarrt. Man konnte regelrecht fühlen, wie die H2O Moleküle in der Luft langsam vom Zustand der Gasförmigkeit in den der der Eisförmigkeit übergingen.
 

Doch wie in jedem Kampf, gab es auch in diesem Gewinner und Verlierer. Der Part des weniger Glücklichen fiel - wie es gerade schien - Kato zu. Denn er war der Erste, der seine Lieder senkte und sich somit geschlagen gab.

Für einen Moment erschien ein triumphierender Ausdruck im Gesicht des Hutmachers, der aber so schnell wieder verschwand, wie er gekommen war. Die Form wahren, war die Devise...

Der Blonde seufzte resignierend und kroch wieder etwas näher auf den gefallenen Engel zu. Zaghaft stellte er seine Füße auf den Boden und warf dem Hutmacher einen anklagenden Blick zu.
 

"Und was jetzt....?" Kato versuchte sein Bestes möglichst genervt zu klingen. Doch irgendwie misslang dieser Versuch kläglich, denn es war nur schwerlich zu übersehen, wie der Sklave nervös auf seinem Hintern herumrutschte und dabei versuchte eine möglichst schmerzfreie Position zu finden. Auf seiner Stirn stand Schweiß und blaue und rote Striemen zeugten davon, wie sehr der schlanke Körper noch unter der gestrigen Tortur litt.

"Nun..." Belial faltete ihre Hände und setzte ihr charmantestes Lächeln auf.

"Zuerst werden wir dir etwas Neues zum Anziehen besorgen, da du das, was ich das letzte Mal für dich ausgesucht hatte, ja anscheinend ‚verloren hast’.

Kato rollte die Augen. "Aber bitte dieses Mal etwas, das etwas mehr Raum für die Fantasie lässt, ja?"

"Oh, hat es dir nicht gefallen?" fragte sie unschuldig. Das dreckige Grinsen im Gesicht des Hutmachers hätte sogar ein Blinder bemerken müssen.

"Nein!" erwiderte Kato kalt, während er das eingetrocknete Blut an seinen Beinen betrachtete. Mit den Findern fuhr er den roten Linien entlang. Kleine vertrocknete Stückchen bröselten ab und blieben unter seinen Fingernägeln hängen. Mit einem angeekelten Blick musterte er seine Hände, die nun einen leichten Rotton angenommen hatten.
 

Belial beobachtete den Blonden und schüttelte bloß leicht den Kopf. Sie hatte beschlossen, das leicht psychisch traumatisierte Haustier heute nicht mehr weiter zu triezen, sonst konnte sie wohl jegliche Kooperation seitens Kato vollkommen vergessen.

"Also gut, dann darfst du heute selbst aussuchen, was du tragen willst...." Der Hutmacher machte eine ausladende Geste in Richtung eines riesigen schwarzen Kleiderschrankes, der irgendwie plötzlich aus dem Nichts erschienen war.

Kato beäugte zuerst das schwarze Möbel, dann den schwarz gekleideten Dämon misstrauisch. Er konnte sich nicht recht entscheiden, ob er diesem durchgeknallten Weib trauen konnte. Vielleicht lief er ja Gefahr, dass wenn er sich jetzt erhob und ihr seinen Rücken zudrehte, sie sich plötzlich von hinten auf ihn stürzte oder etwas ähnliches passierte, wie beim letzten Mal als sie allein waren.
 

Auf dem Gesicht des Hutmachers hatte sich ein wissendes Lächeln gebildet. Sie konnte zwar im Gegensatz zum Herrn der Hölle nicht Gedankenlesen, aber das war bei einem derart durchschaubaren Wesen wie Kato auch gar nicht nötig.

Es war wirklich unschwer zu erkennen, dass das arme Haustier total verstört war und ganz offensichtlich Angst davor hatte, die sichere Zone seines Bettes zu verlassen.

Also gut, dann würde sie halt heute Wohltäter spielen. Schließlich hatte auch sie einen Zeitplan an den sie sich halten musste. Denn Luzifer hatte verlangt, dass der Sklave etwas besser erzogen und bereit zur Erfüllung seiner Aufgaben war, wenn er das nächste Mal vorgeführt würde…
 

Belial erhob sich und ging selbst zum Kleiderschrank. Prüfend ließ sie ihren Blick über den Inhalt schweifen. Es war wirklich reichlich schwer ein Outfit zu finden, dass nicht sagte: "Komm und nimm mich hier auf der Stelle!".

Sie hatte den Modegeschmack von einige Dämonen ja schon immer in Frage gestellt, aber wer auch immer das Kleiderrepertoire für die Sklaven zusammengestellt hatte, schien ganz eindeutig eine Schwäche für "jung, geil und hörig" zu haben.... Also wahrscheinlich Asmodeus.
 

Der Hutmacher ließ seine schlanken Finger über ein paar Stoffe gleiten, die eine sehr beschränkte Farbauswahl zwischen Weiß, Rot und Schwarz boten. Die Materialwahl beschränkte sich eigentlich darauf, dass die "Kleider" entweder aus Leder, Latex oder sonst irgendeinem synthetischen Lackzeug zu bestehen schienen und in den meisten Fällen noch mit irgendwelchen netten Schnallen, Nieten oder Ringen versehen waren.

Tja, irgendwie wurde der verrückte Hutmacher das Gefühl nicht los, dass Kato alles andere als begeistert sein würde. Rein aus Interesse zog sie also ein solches Kleidungsstück aus dem Schrank, das an eine Art Harness erinnerte. Es bestand aus ledernen Riemen oder Gurten - wie auch immer man das betrachten wollte - die an einem Stringtanga befestigt waren und sich dann um den gesamten Körper des Trägers wanden. Es war durchaus vorstellbar, dass Leute, die eine Schwäche für Bondage und solche Dinge hatte, so etwas durchaus als erotisch bezeichnen würde. Und wenn man bedachte, dass man hier ja in der Hölle weilte, gab es sicher eine Menge Leute, die auf so was abfuhren...
 

Belial hingegen bildete hier eine Ausnahme. Sie mochte es ja, wen sie einwenig wimmerten etc. aber sie gehört ganz eindeutig nicht zu denen, die auf Blut standen. Auf jeden Fall, solange sie der dominante Part war. Wenn natürlich ihr geliebter Meister Luzifer gewollt hätte, dass sie blutete, hätte sie ihm jeden einzelnen Tropfen des roten Lebenssaftes in ihren Adern gegeben...
 

Aber das war ja nicht der Fall. Also hängte sie das Gurtenteil wieder zurück an seinen Platz.

Heute wollte sie dem Sklaven ja nicht zuviel zumuten. Vielleicht ein anderes Mal wieder, nur um ihn zu ärgern oder so.... Aber heute, wollte sie ihn ein wenig schonen. Luzifer würde noch hart genug zu ihm sein.

Sie packte sich also das nächste Stück direkt daneben und begutachtete es. Prüfend drehte sie es hin und her. Irgendwie fiel es ihr schwer sich Kato darin vorzustellen und sie war ganz sicher nicht eine Person, der es an Fantasie mangelte. Aber wenn Kato das Teil, das sie hier gerade in Händen hielt anziehen würde, hätte die Hölle einen Erzdämon weniger, weil der Satan der Hochmut gerade vor Lachen krepiert wäre. Allein die Vorstellung trieb einen amüsierten Ausdruck auf das geschminkte Gesicht Belials. Also wirklich, Kato in einem Schwesternkostüm mit Häubchen... Wenn das nicht einen grausamen Tod wert war.

Sie machte sich eine gedankliche Notiz sich dieses Stück für einen späteren Zeitpunkt zu merken und hängte auch es wieder zurück.
 

In den Augenwinkeln registrierte der Hutmacher, wie ein blondes Häufchen Elend auf der Bettkante unruhig hin und her rutschte. Dem Sklaven schien alles andere als wohl bei der bisherigen Kleiderwahl des Dämons zu sein. Zwar hatte er bis jetzt vermieden irgendeinen bissigen Kommentar dazu abzugeben, weil er insgeheim fürchtet, so die sadistische Ader des verrückten Hutmachers nur noch mehr anzustacheln, aber allein der Anblick des Schwesternkostüm hatte bei ihm ganze Flutwellen der Panik ausgelöst. Was kam als nächstes...?
 

Das wiederum war eine Frage, die nur allzu schnell beantwortet werden sollte. Denn Belial zog eine schwarze Lederhose aus dem Schrank und betrachtete sie mit kritischem Blick.

Sie reichte bis zum Boden und schien tatsächlich in der Lage, die volle Länge eines männlichen Beines bedecken zu können. Hinzu kam noch, dass sie keine verdächtigen Löcher oder Schlitze besaß, die für irgendeinen "andern" Zweck missbraucht werden konnten. In Kato regte sich so etwas wie Hoffnung...

Neugierig reckte er seinen Hals um einen besseren Blick auf das Stück zu haben.

Belial bemerkt natürlich das offenkundige Interesse des Sklaven, aber ganz so einfach konnte sie es ihm trotzdem nicht machen. Sie hatte sich zwar vorgenommen, ihn heute nicht unnötig zu quälen, aber sie war trotzdem noch einer der sieben Satane und irgendwo war es doch ihre Pflicht armen unschuldigen Seelen wie Kato das Leben schwer zu machen.
 

Der Hutmacher fixierte den Blonden aus den Augenwinkeln. Ein seltsamer - nach Katos Geschmack eindeutig beängstigender - Blick hatte sich in den blauen Augen des Erzdämons manifestiert. "Gefällt dir das?"

Kato wusste erst nicht, was sie meinte, doch plötzlich ging ihm ein Licht auf und ein schwaches Nicken seinerseits war die Antwort.

Belial lachte bloß auf und warf die Hose zu dem Blonden aufs Bett. Dieser war so überrascht, dass er nicht schnell genug auf die Geste reagieren konnte und das Kleidungsstück ihn direkt ins Gesicht traf.

Und wieder erklang das Lachen des Satans der Hochmut wie klingelnde Glöckchen. Zufrieden verschloss sie den Schrank wieder, welcher sich daraufhin augenblicklich in Luft auslöste.

"Ähm... Sollte ich nicht noch etwas für oben haben...?" der Sklave blickte den gefallenen Engel etwas irritiert an.

Belial musterte Luzifers Haustier kurz, antworte dann aber mit einem ganz nonchalanten "Nein!".
 

War ja klar, dass da noch irgendein Hacken sein muss, dachte Kato bei sich. Doch eigentlich war er ganz zufrieden, dass er dieses Mal ein Kleidungsstück anziehen konnte, das wenigstens seinen gesamten Hintern bedeckte, wo doch besonders dieser momentan sehr "heißes" Gebiet war. Etwas steif erhob er sich und versuchte in die Hose zu schlüpfen.

Belial, die nicht den geringsten Ansatz machte, wegzusehen oder Kato auch nur das kleinste bisschen Privatsphäre zu gönnen, ignorierte er einfach.

Ein scharfes Zischen entwich ihm, als das Leder die Region seines malträtieren Allerwertesten erreichte. Möglichst vorsichtig versuchte der Blonde das Kleidungsstück über eben diesen zu ziehen und so unnötigen Schmerz zu vermeiden. Dabei bog und dehnte er sich, dass jeder Akrobat schwer beeindruckt gewesen wäre und sich dem Betrachter ein überaus amüsantes Bild darbot.

Belial unterdrückte gekonnt ein kleines Lachen und beobachtete weiter die Anstrengungen des Sklaven...
 

Die Hose passte im wahrsten Sinne wie angegossen. Eine Tatsache, an der sich Kato normalerweise nicht gestört hätte, aber sein Arsch, der Farbtönungen zwischen blau und violett angenommen hatte, protestierte entschieden gegen das enge Kleidungsstück. Vorsichtig versuchte der Sklave ein paar Schritte zu gehen, was allerdings sofort mit einem stechenden Schmerz in der Gegend seiner Darmausgänge bestraft wurde.

Er verzog das Gesicht und setze wirklich alles daran, nicht lauthals loszuschreien.

Der Hutmacher beobachte die ganze Szene bloß amüsiert und verkniff sich jeglichen Kommentar.
 

TBC

Kapitel 15

Kato gab sich wirklich die größte Mühe möglichst kleine Schritte zu machen, um so sein Gesäß nicht unnötig zu belasteten.

Der blonde Sklave wanderte hinter Belial durch einen der unzähligen dunkeln Gänge, auf dem Weg ins Nirgendwo; oder um den Satan der Hochmut genau zu zitieren, waren sie auf dem Weg zum Speisesaal, wo Kato die nächste Lektion seiner unabdingbaren Ausbildung im Dienst des Herrn der Finsternis, erhalten sollte...
 

Der Sklave war alles andere als glücklich darüber, dass er bei Temperaturen, die zwischen -10° und 10000° variierten oben ohne rumlaufen musste. Hinzu kam noch sein bereits vermerkter schmerzender Hintern, der sich vehement gegen derart sportliche Aktivitäten, wie "herumlaufen" wehrte.

So kam es also, dass von Seiten Katos in erster Linie Genörgel zu vernehmen war, welches der Hutmacher wiederum geflissentlich ignorierte. Sie hatte sich gesagt, dass wenn der Blonde wieder soweit war, herumzumeckern, konnte es ihm nicht mehr so schlecht gehen und er war wieder ziemlich auf dem Damm. Und das war ein gutes Zeichen für das, was sie vorhatte. Immerhin sollte das wilde Haustier heute einwenig Erziehung genießen...
 

Kato war gerade dabei etwas wie "Ihr seid alle total pervers und ich hasse euch alle...." von sich zu geben, als Mad Hatter abrupt stehen blieb. Der Blonde, derart in seine Schimpftirade vertieft, bemerkte den Halt zu spät und rannte natürlich direkt in den Dämon. Als Resultat gingen beiden zu Boden.

"Ich finde es ja schmeichelhaft, dass du derart anhänglich bist, mein Süßer... aber denkst du nicht, dass dein Herr etwas erzürnt sein dürfte, wenn du mich einfach so offensichtlich anbaggerst..." entgegnete der verrückte Hutmacher zuckersüß. Sie erhob sich wieder und strich ihren Mantel glatt.

Kato saß immer noch etwas überrascht am Boden, fing sich aber ziemlich schnell wieder. Mit einem tödlichen Blick bedachte er Belials ausgestreckte Hand, die sie ihm als Hilfe zum Aufstehen angeboten hatte.
 

"Halt die Klappe, Schlampe!" Er schlug ihre Hand weg und sprang regelrecht auf seine Füße. Das wiederum sollte sich jedoch als Fehler herausstellen, denn sein Arsch reagierte sofort auf die unbedachte Bewegung. Der Blonde verzog sein Gesicht, was vom Hutmacher mit zufriedener Miene registriert wurde.

"Tja, die Strafe folgt sofort ...in deiner Position sollte man Vorgesetzte wirklich nicht beleidigen. Oder hast du denn gestern gar nichts gelernt...?" Belehrend hob sie ihren Finger und fuchtelte damit vor Katos Gesicht rum. Hätte der Satan der Hochmut zu diesem Zeitpunkt noch eine Brille getragen, wäre jeder alte Lehrer, der noch ein Verfechter körperlicher Züchtung war, bis zum äußersten Stolz auf sie gewesen.

Kato gab bloß ein abwertendes "Tsssssss..." von sich und drehte den Kopf weg. Dieses dumme Weib musste schließlich nicht sehen, wie sich wieder Angst in seine Augen geschlichen hatte. Denn er erinnerte sich nur zu gut an gestern und um ganz ehrlich zu sein, hatte er eine Heidenangst davor dem Herrn der Hölle noch mal zu begegnen. Aber das würde wohl unumgänglich sein...
 

Dafür konnte er jetzt erkennen, warum der Hutmacher so plötzlich stehen geblieben war. Vor ihnen befand sich eine riesige schwarze Tür, die er zuvor in der Finsternis des Ganges tatsächlich nicht gesehen hatte. Irgendwie hatten eine Menge Dinge hier unten in der Hölle die seltsame Angewohnheit einfach aufzutauchen und wieder zu verschwinden, wie es ihnen gerade beliebte. Nicht nur Türen schienen etwas eigenwillig veranlagt, sondern auch dieser Schrank von vorhin, der sich einfach vor seinen Augen in Luft aufgelöst hatte.

Kato kam sich irgendwie ein wenig überfordert vor, aber wenigstens hatte ihn dieser Gedanke von seiner Angst betreffend Luzifer abgelenkt.
 

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Mad Hatter einen Schlüssel hervorzog und ihn ins Schloss der schwarzen Tür steckte, das die Form eines aufgerissenen Drachenmaules hatte.

Sie drehte das kalte Eisen zweimal herum und dann war ein seltsames Klacken zu hören. Es klang als ob eine riesige Menge von Zahnrädern in Bewegung gesetzt würde, nur um diese eine Tür zu öffnen.

Doch Kato sollte mit dieser Vermutung gar nicht so falsch liegen, denn als deren schwarze Flügel endlich aufschwangen, konnte er sehen, dass sie mindestens 20 cm dick waren und aus massivem Metal zu bestehen schienen.

Und wieder einmal lief dem Blonden ein Schauer über den Rücken. Einerseits wegen der Frage, warum jemand ein solch stabile Tür für ein Speisessaal brauchte und andererseits, weil den zwei Eindringlingen ein extrem fauliger Geruch aus dem nun geöffneten Raum entgegenschlug.
 

Der Hutmacher zupfte dezent das Taschentuch aus seiner Brusttasche hervor und hielt es sich vor die Nase. "Der Raum wurde schon lange nicht mehr benutzt..." meinte sie erklärend und ging ein paar Schritte hinein.

"...um genau zu sein, wurde er nicht mehr benutzt, seit die Seele unseres Herrn damals vor tausenden von Jahren in dieses Schwert eingesperrt wurde. Aber früher...." sie breitete ihre Arme aus und drehte sich einmal um ihre eigene Achse.

„...haben wir hier rauschende Feste gefeiert."

Der Staub zu Füssen des verrückten Hutmachers wirbelte auf und hüllte den Dämon in eine Wolke. Das verlieh der sowieso schon überirdischen anmutenden Gestalt eine noch seltsamere Aura.
 

Auch Kato überwand, trotz der Widersprüche seiner Nase, seine Skepsis und trat ein. Irgendwo von der Seite her fiel ein schwacher Lichtschein in den ansonst dunklen Raum und beleuchtete die zwei Gestalten.

"Und was genau wollen wir denn nun hier?" fragte Kato zwischen zwei unterdrückten Hustern. Auch wenn man eigentlich erwartet hätte, dass ein Kiffer wie er, eine gewisse Resistenz gegen Staub, Dreck und sonstige ungesunde Partikel haben sollte, war dies nicht der Fall. Kato war Allergiker und die Tatsche, dass er tot war, hielt seine Psyche kein bisschen davon ab, in einem solchen Raum, wo die Staubpartikel den größten Teil der Luft auszumachen schienen, nicht einen Hustenanfall nach dem anderen zu kriegen.

Belial drückte ihm mitleidig ihr Taschentuch in die Hand. Normalerweise hätte der Junkie es natürlich nie angenommen, aber die Tatsache, dass seine Nase gerade wieder kurz davor war zu explodieren, trug ihren Teil dazu bei, dass auch die sturresten Kiffer klein beigaben.
 

Während der Sklave herzhaft das weiße Stück Stoff verunreinigte, schlenderte der Hutmacher ganz gelassen den Saalwänden entlang. Hie und da zog sie einen schweren dunkelblauen Samtvorhang zur Seite und langsam wurde der dunkle Raum mit Licht geflutet.

Kato hatte irgendwie das Gefühl, dass je heller der Saal wurde, desto freier wurden auch wieder seine Atemwege. Etwas erstaunt über die immense Größe, die sich vor ihm auftat und die Tatsache, dass außerhalb der Fenster, die der Hutmacher soeben freigelegt hatte, doch tatsächlich ein tagheller Garten war, ließ er das Taschentuch wieder sinken.

Neugierig schaute er sich um und ging zu den raumhohen Glasscheiben hinüber. Belials Blick folgt ihm auf Schritt und Tritt. Sie konnte durchaus nachvollziehen, dass der Anblick den Blonden ganz für sich eingenommen hatte, denn dieser Garten war auch wirklich etwas ganz besonderes.
 

Kato legte vorsichtig seine Hand an die Fensterscheibe und betrachtete das Bild, das sich im so willig darbot: Ein Garten. Voller Blumen, Bäume, Sträucher, Gräser, Tiere....

Der Blonde konnte sich kaum sattsehen, denn in letzter Zeit hatte er nur wenig Erfreuliches, geschweige denn Natürliches zu Gesicht bekommen. Und obwohl... oder gerade deswegen dieser seltsame Garten im Herzen der Hölle total verwildert war, kam es dem Sklaven so vor, als hätte er noch nie etwas Schöneres oder Freieres gesehen.
 

Die Nasenspitze des Blonden berührte schon beinahe die Scheibe als Belial ihn aus seinen Träumereien riss.

"Das ist eine Nachbildung des Garten Edens..." Sie legte ihm sanft die Hand auf die Schulter und zog Kato vom Fenster weg, "...er wurde als Zeichens des Triumphes gebaut, als unser Herr das Menschenkind Eva dazu verführt hat vom Baum der Erkenntnis zu essen."

Ein sehr selbstzufriedenes Funkeln hatte sich in die Augen des Satans geschlichen, was von Kato mit steigendem Unbehagen registriert wurde. Entschieden löste er sich von Belials Berührung und baute sich mit vorwurfvollem Blick vor ihr auf.

Der Dämon seufzte bloß und machte eine ausladende Geste in Richtung Fensterreihe.

"Doch wie du siehst, ist auch das zweite Eden in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt worden. Der Garten und dieser Saal hier, dienten früher oft dazu große Feste zu feiern. Wir haben damals regelrecht in unseren Triumphen gebadet, doch leider kam dann alles anders als erwartet...." Belial legte eine signifikante Pause ein und senkte den Blick "... aber das weißt du ja."
 

"Nein, weiß ich nicht! Erzähl's mir!" erwiderte Kato ein wenig trotzig. Er stemmte die Arme in die Hüften und schaute den Satan der Hochmut herausfordernd an.

Einerseits tat er das natürlich, um Belial zu nerven, aber andererseits interessierte es ihn tatsächlich. Denn das würde ihm vielleicht endlich eine Antwort darauf verschaffen, warum sein ehemals bester Freund zum Teufel mutiert war.

Der Hutmacher hielt seinen Kopf gesenkt, so dass seine blauen Augen durch den Rand des Hutes verdenkt waren. Ein schlauer Zug, denn ansonsten hätte der Sklave gewiss den Schalk in ihnen erkannt.

"Nun... die Zeit, zu der dieser Garten noch ein blühendes Meisterwerk war und wir Satane hier in diesen Gefilden rauschende Orgien und Feste feierten, liegt weit zurück. Damals war die Hölle noch jung und wir waren es mit ihr...."

Belial wandte sich von dem Blonden ab und ging ein paar Schritte in die Mitte des Raumes. "...Wir haben unsere Freiheit genossen, die Freiheit alles zu tun und keinem Gott mehr untergeben zu sein.... auch wenn wir den Himmel dafür aufgeben mussten..."

Sie krempelte ihre Ärmel zurück und drehte sich wieder zu Kato um.

"... doch wer will schon den Himmel, wenn er das hier haben kann?!" und mit diesen Worten sprühten glühende Funken aus den Händen des Satans, die augenblicklich die unzähligen Kerzen an den Wänden entzündeten.
 

~~~~
 

Kato gingen fast die Augen über. Der Raum war vollkommen erleuchtet und ihm wurde erst jetzt dessen wirkliches Ausmaß bewusst. Er war unglaublich hoch. Der Sklave konnte gar nicht wirklich beschreiben wie hoch. Der einzige Vergleich, der im dazu einfiel, waren die alten europäischen Kathedralen.

Unzählige kleine Zinnen und Erker schienen regelrecht aus den Wänden zu wachsen und mit dem Licht zu neuem Leben erwacht zu sein. Natürlich hatte der Saal etwas Monströses und Beängstigendes an sich und dennoch fiel es dem Blonden nicht schwer sich vorzustellen, wie die Erzdämonen hier ihre Feste zelebriert hatten.

Kato drehte sich einmal im Kreis, um alles zu sehen, doch irgendwie kam er sich total verloren vor.

Zu seiner Rechten war die Fensterfront, die den Blick auf den wilden Garten preisgab und auf der Linken säumte ein Kerzenhalter den nächsten, die nun in wohlig-warmem Schein leuchteten.
 

Der Satan der Hochmut schien sehr zufrieden mit sich. Wenn Luzifers Haustier jetzt schon so sprachlos reagierte, war sie wohl auf dem richtigen Weg.

"Möchtest du die Geschichte noch weiter hören?" fragte sie mit einem charmanten Lächeln.

Kato nickte bloß. Er war irgendwie gerade zu sehr damit beschäftigt, überwältigt zu sein, um noch eine artikulierte Antwort von sich zu geben.

"Also... wir waren gefallen..... Aber das hat uns eigentlich nicht groß gestört. Denn es hat schließlich auch seine Vorteile gefallen zu sein..." Sie zwinkerte dem Sklaven zu und drückte ihm ganz nebenbei einen Eimer plus Putzlappen in die Hand, der wieder mal irgendwo aus dem Nichts aufgetaucht war.

"Wir badeten in unserer eigenen Glorie als..."

"Hey halt mal, was bitte soll ich hiermit?" fragte Kato etwas verdutzt, dem das Ganze doch etwas zu schnell gegangen war.

"Oh... Du musst hier putzen, deshalb sind wir doch hier... oder was hattest du erwartet? Das ich hier eine Sightseeing Tour mit dir veranstalte?!" Belial schüttelte bloß gekonnt theatralisch ihren behuteten Kopf und wollte schon mit ihren Ausführungen fortfahren, als das ungezogene Haustier sie noch mal unterbrach:

"Aber was genau soll ich denn hier bitte putzen....? Und nur mal nebenbei: Warum muss ich putzen und du redest?" beschwerte sich der Kiffer.

"Naja, das ist eigentlich ziemlich einfach: Du..." sie stupste Kato direkt auf die nackte Brust "...bist der Sklave und ich bin der Satan. Das heißt du putzt und ich rede! Und um deine erste Frage zu beantworten: Du sollst hier ALLES putzen!"

Kato schaute einmal hinter sich, dann wieder zum Hutmacher. "Wie alles?"

"Na alles alles!" Sie grinste über beide Ohren, "Und wenn du dich nicht ein wenig sputest, dann könnten wir etwas unter Zeitdruck geraten, denn unser Herr hat angeordnet, dass der Raum bis heute Abend für die Wiedereinweihung flott sein muss."
 

Der Sklave starrte sie entgeistert an. "Ich glaube, du bist nicht mehr ganz bei Trost! Wie bitte soll ich das alles ganz allein schaffen? Hast du dich eigentlich schon mal umgesehen?! Dafür bräuchte selbst ne Putzkolonne ne Ewigkeit und wie bitte soll ich das hiermit...." der Blonde hielt Belial den Eimer unter die Nase. „...schaffen?"

"Also indem du hier rumzeterst sicher nicht." Sie zuckte unberührt mit den Schultern,

"Weißt du, ich hatte eigentlich den guten Willen, dich ein wenig zu unterhalten, indem ich dir die Geschichte weitererzähle während du putzt, aber wenn du kein Interesse daran hast...."

Der Hutmacher wollte sich schon umdrehen, als Kato ihn zurückhielt.

"Ok ok, schon verstanden: Ich putze, du erzählst!" Die Blonde ließ sich auf seine Knie fallen und tunke den Lappen in den Eimer. Mit einem überaus sauren Gesichtausdruck begann der Sklave also den Boden zu schrubben ...und Belial erzählte....
 

TBC

Kapitel 16

Der Hutmacher hatte es sich auf einem der breiten Fenstersimse bequem gemacht und begann zu erzählen: "Damals als wir noch jung waren und es uns egal war, wie der Himmel oder sonst irgendwer über uns dachte, als wir noch jubilierten über die Erfahrung Gott und seinem künstlichen Schicksal entkommen zu sein, da bewunderten wir niemanden mehr als ihn, den gefallenen Morgenstern. Er war unser Führer, unser Erlöser, der uns aus der Geisel Gottes befreit hatte.

Er hatte uns eine neue Heimat gegeben, die Hölle. Und deshalb kamen wir uns unbesiegbar vor. Auch wenn wir aus dem Himmel verbannt worden waren und den Krieg verloren hatten, war uns allen irgendwo bewusst, dass wir wieder eine Chance kriegen und dass wir dann siegreich sein würden...." Etwas gedankenverloren nahm die Herrin der Hochmut ihren Hut ab und legte ihn neben sich auf die Sitzfläche. Sie strich ein paar ihrer roten Strähnen hinters Ohr und betrachtete den Sklaven, wie er eifrig - oder eben nicht ganz so eifrig - den Boden schrubbte.

Kato schaute kurz auf. "Und weiter...."

"Nun, dann war unser Herr einfach plötzlich verschwunden. Einfach so weg.... Kannst dir vorstellen, was für ein Chaos ausgebrochen ist? Schließlich war er derjenige, dem wir alles zu verdankten hatten - auch das schlechte möchte ich hierbei anmerken. Aber auf einmal war er nicht mehr da, verstehst du? Von Gott verstoßen zu werden, war für die meisten von uns nicht wirklich schlimm gewesen, aber von IHM verstoßen zu werden, hat eine riesige klaffende Wunde hinterlassen. Wir waren verlassene Kinder, die nicht mehr wussten, was zu tun ist.

Dass seine Seele in dem Schwert Nanatsusaya eingesperrt war, wusste niemand. Nicht einmal der Organische Engel Alexiel, die es doch so lange ihr Eigen nennen durfte."

Belial seufzte und schlug die Beine übereinander. Ihre Augen folgten unablässig Katos Hintern, wie dieser gleichmäßig hin- und her wippte während der Sklave auf allen Vieren auf dem Boden herumkroch.

"Sag mal Hentai, hast du noch was besseres zu tun, als deine perversen Fantasien an meinem Arsch auszulassen?!" Der Blonden war abrupt aufgesprungen und hatte sich vor dem Satan aufgebaut, der nun doch etwas überrascht darüber war, ertappt worden zu sein.
 

Mad Hatter setzte ihr Lächeln auf, das sagte ‚Mich kann kein Wässerchen trüben’ und musterte Kato von oben bis unten. "Wie war er denn eigentlich?"

"Wie war wer?" Der Sklave hatte die Hände in die Hüften gestemmt und so was wie ein panischer Ausdruck hatte sich in seinem Gesicht breit gemacht.

"Na der Herr! So wie du vorhin durch die Gegend gelaufen bist, muss es ein sehr interessanter Fick gewesen sein..." Oh, wie sehr es der Hutmacher doch genoss den blonden Junkie auf die Palme zu bringen! Und der Moment war gerade so großartig gewesen. Das Haustier hatte absolut nichts geahnt...

Innerlich breiteten sich geradezu orgasmatische Wellen der Selbstzufriedenheit aus. Vergessen waren all die Vorsätze den Sklaven heute nicht zu quälen. Sie war einfach zu schwach... Aber sie war es gern!
 

Kato hingegen war sprachlos. Sein Mund klappte auf und wieder zu und er wusste einfach nicht, was er erwidern sollte. Brodelnde Wut hatte von ihm Besitz ergriffen und dennoch war da dieses Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber dem Spott des Hutmachers. Er wollte ihr wirklich die Meinung sagen, ihr sämtliche Gemeinheiten und Beleidigungen an den Kopf schmeißen, die ihm einfielen.

Das Problem war nur, ihm fiel rein gar nichts ein. Er stand da, vor Wut und Zorn innerlich kochend, aber brachte seinen Mund, der einst für seine Schlagfertigkeit gefürchtet gewesen war, keinen Millimeter auf.
 

Nun war Mad Hatter doch etwas überrascht, sie hatte eigentlich eine giftige Antwort seitens Kato erwartet. Vielleicht hatte sie doch einen "wunden Punkt" erwischt und sich zu früh vorgewagt. Aber nun gut, dann war sie eben wieder nett.

"Hey Kleiner, krieg’ dich wieder ein. Ich wollte dir nicht zu nahe treten..." Lässig angelte sie sich ihren Hut und platziere ihn gekonnt wieder auf ihrem Schädel.

Der Blonde starrte sie an, als wollte er sich jeden Moment auf den gefallenen Engel stürzen. Heftig atmend versuchte Kato seine Wut gerade auf den vollkommen unbeteiligten Putzlappen zu übertragen. Seine Finger bohrten sich in das wehrlose Gewebe und er war kurz davor, das unschuldige Stück Stoff an die nächste Wand zu knallen, als der Satan sich wieder einschaltete.

"Ach übrigens... Du hast da hinten einen Fleck übersehen!" mit der Miene eines weißen Schäfchens zeigte der Hutmacher an eine Stelle hinter dem Sklaven.

So, das war jetzt endgültig zuviel! Irgendwie riss in Katos Unterbewusstsein gerade ein Faden, der allgemein als Geduld bekannt war.

Der Blonde krallte sich den Eimer und schmiss ihn voller Wucht dem Satan der Hochmut entgegen.

Dieser hatte natürlich mit einer derartigen Reaktion gerechnet und war längstens aus der Schusslinie des Gefäßes verschwunden, als dieses gegen das Fenster prallte.

Lachend stand der Hutmacher nun hinter dem Sklaven und umfasste dessen Oberkörper.

"Na na mein Süßer, du bist aber heute feurig?"

Kato wollte sich aus der unfreiwilligen Umarmung befreien, doch wieder einmal wurde ihm die Tatsache, dass er absolut chancenlos gegen einen der großen Erzdämonen war, so grausam vor Augen geführt, wie eine kalte Dusche am Morgen. Er wehrte sich, schlug wie ein Wilder um sich und versuchte den Hutmacher zu treten. Doch es war sinnlos.

Belial hielt ihn gefangen, als wäre es das einfachste der Welt. Langsam strich sie dem Brustbein des Blonden entlang und flüsterte in sein Ohr: "Ganz ruhig mein Kleiner, ich tu dir nichts... war doch nur Spaß... aber willst du nicht, dass ich dir die Geschichte zu Ende erzähle...?"

Sanft wanderte die Hand des Satans weiter hinauf und streichelte den Hals des Sklaven. Ein federleichter Kuss wurde an die Stelle direkt über dem schwarzen Halsband platziert, das Kato doch so offensichtlich als das Eigentum Luzifers auswies.
 

"Niemand wusste, wo unser Herr war. Die Hölle versank regelrecht in Verzweiflung ob seiner Abwesenheit. Und so verging die Zeit... Wir Erzdämonen haben es geschafft, uns irgendwie zu arrangieren und so etwas wie ein Ordnungssystem aufzubauen, das halbwegs funktionierte. Das heißt natürlich nicht, dass alles reibungslos lief. Im Gegenteil, andauernd gab es irgendwelche Intrigen und Revolutionen. Leute wurden in Scharren von hinten erdolcht, nur weil sie so töricht waren, Dinge zu behaupten wie, dass es auch ohne Luzifer möglich wäre den Himmel zu erobern. Wir großen Sieben haben die Hölle auf unsere Weise regiert, indem wir sie gerecht untereinander aufteilten. In jedem Reich ist der zuständige Satan, die oberste Instanz. Er kann dort tun und lassen, was und wie er will. Macht ein anderer Satan den Fehler sich in die Domäne eines anderen zu verirren, sollte er nicht mit einem netten Empfang rechnen, sondern auf der Hut sein. Denn wenn einer fällt, sind die Hyänen nicht weit....

Machtspielchen standen also an der Tagesordnung. Es gab nur einen neutralen Ort, an dem wir uns immer versammelten, um unsere Sitzungen abzuhalten und uns abzusprechen, wenn es um etwas ging, dass die ganze Hölle betraf: Der Ratssaal im Herzen des Palastes der Finsternis.“
 

“Lang hat Asmodeus versucht, die absolute Macht an sich zu reißen. Er ist vielleicht ein alter gerissener Wolf. Doch auch er ist bei weitem nicht stark genug, um die Hölle zu regieren. Seine Lustknaben mögen mit Freude vor ihm kriechen, doch die wirklich gefährlichen Dämonen würden niemals vor ihm das Haupt beugen...

Und so bestand die Hölle in einem Zustand der Instabilität, war immer kurz davor zu zerbrechen, bis dein ach so heiß geliebter Sakuya Kira aufgetaucht ist.

Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie laut mein Herz geschlagen hat, als ich ihn zum ersten Mal sah...."

Belial schmiegte sich an Katos warmen Körper und hatte den Kopf auf dessen Schulter gebettet.

Verführerisch hauchte sie: "Es war, als würde der Morgenstern erneut aufgehen, als würde das Licht und die Hoffnung zurückkehren. Zuerst war ich mir ja nicht ganz sicher, doch so eine Aura kann nur ER haben.

Wer hätte schon geahnt, dass seine Seele Jahrtausende in einem Schwert gefangen war. Weißt du, während all der Jahre seiner Abwesenheit, habe ich wirklich überall nach ihm gesucht und nichts unversucht gelassen, ihm zu finden. Doch jede meiner Anstrengungen blieb erfolglos...

Aber endlich ist er wieder da. Hier an dem Platz, der ihm vorherbestimmt ist und wo er hingehört!"

Mit einer schnellen Bewegung löste sich Belial von dem Blonden und drehte ihn so um, dass er sie ansehen musste. "Verstehst du, Kato... Nicht Luzifer ist der Unfall, sondern Sakuya Kira! Der Herr der Finsternis existiert seit jeher, doch dein geliebter Kira war bloß das kleine Ränkespiel des Schicksals, das manchmal seltsame Wege einschlägt. Er hat nie wirklich existiert und er wird nie wieder existieren! Er kommt nicht zu dir zurück!"
 

Der Sklave wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Seine Wut war wie eine Kerze im Wind erloschen und hatte einer dumpfen unbestimmten Traurigkeit Platz gemacht. Kato senkte den Blick, denn es war wirklich nicht nötig sich jetzt noch mit der Herrin der Hochmut anzulegen, eigentlich wusste er ja, dass sie Recht hatte. Seine Schultern hingen schlaff nach unten und irgendwie brannten seinen Augen so grauenhaft...

Ein ganz klägliches Schniefen entwich dem Sklaven, worauf der Dämon in augenblicklich losließ.
 

Oje, hatte sie es jetzt doch zu weit getrieben?! Bei allen Göttern und Dämonen, bloß nicht heulen! Belial kam sich irgendwie ein wenig hilflos vor, Tränen waren nun wirklich etwas, dem sie nicht gewachsen war. Vorsorglich kramte sie ein weiteres Taschentuch hervor und reichte es dem Blonden. Sie hatte zwar mit dessen Verschleißgewohnheiten bereits Bekanntschaft gemacht, denn Kato hatte nicht mal ansatzweise den Versuch unternommen, ihr das weiße Stück Stoff, mit dem er vor noch nicht allzu langer Zeit seine Nase befreienderweise entleert hatte, zu retournieren. Aber was soll's...? Ein echter Kavalier hatte sowieso immer mindestens ein Ersatztuch dabei.

Sie reichte es dem Sklaven. Dieser nahm es zwar entgegen, aber machte immer noch nicht die kleinsten Anstalten aufzusehen oder sich gar zu bedanken.
 

Nun gut, vielleicht war sie doch etwas zu grob mit dem armen Hautstier gewesen...
 

"Hör zu Darling, ich verschwinde schnell für ein paar Stunden. Wenn ich wieder komme, solltest du hier soweit sein, dass man rumlaufen kann, ohne hüfttief im Staub zu waten."

Mit diesen Worten drehte sich Mad Hatter um und verschwand durch die Tür.
 

Kato stand allein und verlassen mitten im Raum und wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Einerseits hatte er das unabdingbare Bedürfnis sich in seinem Bett zu verkriechen, die Decke über den Kopf zu ziehen und der ganzen Welt den Rücken zu kehren. Doch andererseits war er sich voll und ganz bewusst, dass er nicht einmal so was wie ein Bett hatte, deshalb entfiel diese Möglichkeit schon mal.

Er zog es kurz in Erwägung hier alles stehen und liegen zu lassen und vielleicht noch mal einen kleinen Streifzug durch das Schloss der Finsternis zu unternehmen, entschied sich dann aber doch dagegen. Der Schmerz in seinem Hintern war noch zu präsent...
 

Der Blonde beäugte kurz den Eimer, der wieder schön geordnet und gefüllt auf dem Boden stand. Der Lumpen lag unschuldig daneben... Nicht mehr die geringste Spur von seiner kleinen Wurfattacke gegen Belial.... Es war irgendwie schon beängstigend wie viele Dinge hier ihr Eigenleben zu führen schienen.

Lustlos schlurfte er hinüber und packte sich das Stück Stoff und tunkte es derart energisch in das Wasser, dass die Hälfte überschwappte.

Der Junkie grummelte irgendwas von "Scheiss Leben..." vor sich, was aber relativ sinnlos war, wenn man bedachte, dass er ganz allein war und niemand sein Gemurre hören konnte.

Er klatschte den triefnassen Lappen auf den Boden und fing von neuem mit Schrubben an.
 

~~~~
 

Natürlich war Kato nicht fertig bis Belial zurückkam. Doch diese schien nicht wirklich erstaunt über die Tatsache, dass der Boden noch immer mehr ein Paradies für Staubmilben darstellte als dass er als solcher erkennbar war.

Um ganz ehrlich zu sein, hatte sie sowieso mehr Beschäftigungstherapie mit dem Sklaven betrieben als wirklich zu erwarten, dass er im Stand war diesen Saal allein zu putzen.

Der Hutmacher schnippte kurzerhand mit den Fingern und sofort trabte eine ganze Mannschaft grün gekleideter Leute an, die in Katos Augen verdammt nach einer Putzkolonne aussahen.
 

"Was...?" erbost knallte der Sklave den Lumpen an den Boden und war kurz davor dem verrückten Hutmacher (wieder einmal) den Hals umzudrehen.

"Warum holst du die erst jetzt?! Jeder, der auch nur ein Fünkchen gesunden Menschenverstand besitzt, hätte von Anfang an erkannt, dass ich das nie allein schaffen kann!"

"Ich habe nie behauptet, dass du das allein schaffen kannst..." Belial war gerade dabei gewesen den Zuständigen der Putzmannschaft zu instruieren als Katos Gezeter wieder einmal unüberhörbar wurde.

Ganz cool hatte sie sich umgewandt und betrachtete den Sklaven mit einem wissenden Blick.

"...Aber du solltest zuerst lernen, was es heißt zu putzen und wie viel Aufwand es erfordert. Jetzt wo du erkannt hast, was wirklich für harte Arbeit dahinter steckt, darfst du dich seiner richtigen Aufgabe für heute Abend widmen."

Der Blonde starrte sie bloß fassungslos an. Irgendwie hatte er das Gefühl hier nur von perversen Verrückten umgeben zu sein, die ihre unmenschliche Freude daran hatte, ihn unnötig zu quälen.

Aber Halt! Was diskutierte er hier überhaupt? Er war schließlich in der Hölle und die mussten ihrem Ruf schließlich auch irgendwie gerecht werden. Obwohl er nie erwartet hätte als er noch lebte, dass man ihn hier zu ewigem Putzdienst verdonnern würde!
 

Der Sklave bedachte Belial also mit einem Blick, der sagte: Sobald du mir den Rücken zudrehst, werde ich dich von hinten erwürgen!

Doch der Hutmacher schenkte dem Blonden nicht weiter Beachtung und erklärte dem Mann mit dem Schrubber in der Hand, der wohl offensichtlich der Leiter dieser Gruppe war, was zu tun war und wie sie sich den Raum für das abendliche Fest vorgestellt hatte. Der Schrubbertyp nickte ein paar Mal und wandte sich dann ganz enthusiastisch seinen Mitschrubbern zu.

Kato beobachtete die Szene mit Unwollen. Er war wirklich kurz davor einen Mord zu begehen, obwohl das wohl sinnlos gewesen wäre. Schließlich waren hier alle entweder bereits tot oder unsterblich, also fiel diese Alternative auch ins Wasser. Dieses ganze Dasein war ja so unbefriedigend!
 

Wütend stampfte Kato auf und verschränkte die Arme vor seiner Brust wie ein trotziges Kind.

Das wiederum lenkte die Aufmerksamkeit des Hutmachers wieder auf ihn.

"Oh, sei nicht traurig Kato-kun. Ich weiß, du hast jetzt das Gefühl, dass dein ganzer Aufwand umsonst war, aber ich verspreche dir dass er's nicht war. Heute Abend wird hier wirklich ein großes Fest stattfinden und dann kannst du stolz auf dich sein auch dazu beigetragen zu haben." sagte der Ex-Engel in einem Ton, den eine Kindergärtnerin gebrauchen würde, um ein schmollendes Kind davon zu überzeugen, dass der Lutscher des anderes Kindes nicht größer war als der von ihm selbst.

Der Sklave schenkte ihr einen Blick der etwa als "Verreck doch!" gedeutet werden konnte und drehte sich demonstrativ um.

"Also jetzt übertreibst du...." Belial klang etwas vorwurfvoll. "Schließlich hätte ich dich auch noch weiter den Boden schrubben lassen können... wenn du so scharf darauf bist!"

"Wag es bloss nicht!" beinahe erschrocken hatte sich der Blonde wieder zu ihr umgewandt.

Ein kleines zufriedenes Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Satans. Sie packte Kato am Handgelenk und zog ihn etwas weg von der Menge, die sich jetzt schon ziemlich eifrig in den Kampf gegen Dreck und Schmutz gestürzt hatte.

"Lass uns nicht immer streiten, mein Süßer. Ich bin nämlich außerordentlich guter Laune..."

"Ach ja?" entgegnete der Blonden bloß grimmig

"Ja. Heute Abend wird hier nämlich die "Willkommen-zurück-Feier" für unseren Herrn zelebriert. Deshalb wird auch dieser Raum wieder neu eingeweiht, nachdem er solange unter Verschluss stand."

"Aha... und was bitte interessiert mich das?" Kato versuchte wirklich krampfhaft Desinteresse vorzutäuschen, was der Hutmacher natürlich schon längst durchschaut hatte. Deshalb erzählte sie ihm das ja auch.
 

"Nun, du wirst natürlich auch dort sein... als der Sklave unseres Herrn..." Kato rollte mit dem Augen, während der Hutmacher irgendetwas an seinem Hals herumfummelte. Er war schon einem Punkt angelangt, wo er es aufgegeben hatte, sich gegen ihr ewiges Getatschte zu wehren.

"Du wirst dafür zuständig sein, ihn zu bedienen und ihm jeglichen Wunsch von den Augen abzulesen."

Der Blonde verzog genervt das Gesicht. "Kann das nicht jemand anders machen?! Ich bin nicht besonders gut darin, Leuten in den Arsch zu kriechen."

"Nein, für etwas bist du schließlich sein persönlicher Sklave und deshalb wirst ausschließlich DU ihn bedienen und niemand sonst!"

Sie griff nach seinen Handgelenken und hauchte zuerst auf das rechte dann auf das linke einen sanften Kuss.

"Hey! " Jetzt wurde es ihm doch zu bunt und energisch riss er sich von der Berührung Belials los.

Mit Entsetzen musste er jedoch feststellen, dass dort, wo der gefallene Engel seine Küsse platziert hatte, nun je eine weiße Manschette prangte, die sein Handgelenk umschloss.

Alarmiert griff der Sklave nach deinem Hals, nur um zu erkennen, dass auch dort eine kleine Veränderung eingetreten war. Vorne an seinem Halsband war nun nämlich eine schwarze Fliege befestigt.

"Was soll das?!" empört über die Tatsache, dass er aussehen musste, wie einer dieser schwulen Chippendale Schönlinge, versuchte er verzweifelt, das Accessoire an seinem Hals loszuwerden. Doch leider saß es genau so fest, wie das Lederhalsband.

"Ich wusste, dass du das versuchen würdest..." erwiderte Belial triumphierend, "...deshalb kannst du sie solange nicht abnehmen, bis der Abend zu Ende ist!"

Kato stöhnte entnervte auf.

"Na na, so schlimm ist das nun wirklich nicht... Du siehst übrigens echt sexy aus... wie ein Kellner... nur eben ohne Hemd!"

Der Hutmacher duckte sich gekonnt unter einem schlecht gezielten rechten Hacken seitens Kato hinweg.

Lachend drehte sie sich um, als der Blonde erneut versuchte sie zu schlagen.

"Lass den Unfug und komm jetzt!" Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu.

Irgendwie war das Ganze echt deprimierend für Kato und er wurde das Gefühl nicht los dass ihn hier niemand ernst nahm...

"Und wohin?"

"Na in die Küche. Das Personal muss dir doch erklären, was du heute Abend alles wissen musst!"

Der Sklave seufzte. Das konnte ja noch heiter werden.
 

TBC

Kapitel 17

Also Servietten links, Gabel rechts. Nein, es war anders rum! Bei allen Göttern, Kato war am verzweifeln. Das war genau dieselbe Scheiße, die ihm seine Mutter schon immer hatte beibringen wollen als er ein sabberndes Kleinkind war. Er hat sich das Zeug schon damals nicht merken können und jetzt erwartete dieser schnöselige Kellner mit der französischen Akzent doch tatsächlich, dass er all die hundert verschienenden Arten von Besteck unterscheiden konnte. Salatgabel, Fischmesser, Dessertlöffel, Krustentierzange... [1]

Als ob das einen Unterschied machte. Für Kato funktionierte Essen normalerweise nach der Devise: Alles rein und möglichst nicht kleckern. Dabei war es scheißegal, ob eine Gabel nun drei oder vier Zinken hatte, wen zum Teufel interessierte das schon!

Und wieso musste er die Scheiße überhaupt wissen, er nahm ja noch nicht mal am dem Bankett teil, er sollte bloß servieren. Das konnte nun wirklich keine so große Kunst sein!
 

"No! Dü dümmer Jüngee! Wi’ wiele Malee ’ab isch dir schon gesagt won reschts!? Du müsst won reschts serwieren!"[2] Der Franzose mit dem gezwirbelten Schnurrbart war der Verzweiflung mindestens genauso nahe wie Kato. Es kam, Luzifer sei Dank, nicht allzu oft vor, dass er mit solchen Dieletanten, wie diesem seltsamen Gossenkind arbeiten musste. Was hatte sich Lord Belial [3] nur dabei gedacht, diesen schrecklichen Jungen zu ihm zu schicken?
 

Der Kellner erhob sich und zog den Blonden zum Stuhl, wo er noch vor einem Moment zuvor selbst gesessen hatte.

"Alzo, isch erkleree es dir nür nosch ein einssiges Mall...."[2] Er drückte den Blonden nach unten, so dass er auf dem weichen Polster zu sitzen kam, "Dü bis’ jetzt derr Gasst ünd isch derr Gellner. Regarde!"[2]

Mit eleganten Schritten näherte sich der Franzose dem Blonden, dabei balancierte er gekonnt das Silbertablett inklusive Weinflasche darauf, auf seinen Fingerspitzen. Er platzierte sich rechts von Kato und lenkte die geschlossene Flasche an den Rand des Weinglases und simulierte so ein Einschenken. "Ssihst dü? Won reschts! Imme’ won reschts!"[2]

Zufrieden über seine eigene, nahezu perfekte, Performance trat der Kellner ein paar Schritte zurück, um Kato Platz zu machen, "Zo, ünd jetz’ tü!"[2]

Der Schnurrbärtige drückte dem Blonden entschlossen die Weinflasche und das Tablett in die Hand und setzte sich anschließend. Erwartend betrachtete er den Sklaven, der etwas ratlos im Raum stand und die Flasche mittlerweile mindestens genauso misstrauisch begutachtet wie den schnurrbärtigen Franzosen.

"Na loss, masch schon, tü cornichon!" [2]

Etwas unsicher ging Kato auf den Tisch zu und stellte sich rechts neben dem Mann hin. Zögerlich führte er die Flasche an den Glasrand und wartete darauf, dass der Kellner sein Tun gutheißen würde.
 

"NO, DÜ ÜNFÄHISCHER IDIO’!!"[2] donnerte der Franzose. Erschrocken sprang Kato zurück und stieß dabei das Weinglas zu Boden. Es zerbrach natürlich in tausend Stücke. Vollkommen ratlos und überrumpelt starrte der Sklave den Mann an. Es war ihm absolut schleierhaft, was er nun wieder falsch gemacht hatte.

"Was?" fragte er zaghaft.

"Dü solltes’ dosch won reschts einschengeen!"[2] schwer atmend stütze sich der Kellner auf dem Stuhl ab. So viel Unfähigkeit in einem einzigen Menschen war wirklich kaum zu ertragen.

Kato starrt ihn völlig fassungslos an. "Aber das war rechts! Sag mal, hast du französische Tunte irgendwelche Probleme mit der Orientierung oder so!" keifte der Blonde nun zurück. Dieses Mal fühlte er sich wirklich zu Unrecht beschuldigt.

Der Kellner musterte ihn aus zu Schlitzen verengten Augen "Aber dü solls’ ausch MIT reschts einschengeen!"[2]

"Hä?" der Sklave schaute ihn fragend an.

"Mit deer reschten ’and, dü Idio’!"[2] kam die Antwort in geschriener Form.

Kato nahm sofort einen Satz rückwärts und stolperte dabei in den Scherbenhaufen des zerschmetterten Weinglases. Und natürlich hatte der Kiffer keine Schuhe an, woher auch? Der Hutmacher hatte es ja versäumt ihm welche zugeben....

"Oh mon Dieu, womit ’abe isch das bloss werdient?"[2] murmelte der Schurrbärtige vor sich hin und legte resignierend das Gesicht in seine Hände.
 

~~~~
 

Kato humpelte langsam in Richtung Tisch. Er balancierte das Silbertablett auf der rechten Hand und versuchte wirklich alles, damit es von dem unregelmäßigen Auf -und Abgewippe nicht runter fiel. Doch diese Aufgabe sollte sich als ziemlich schwierig erweisen, wenn man mit einer Scherbe im Fuß dazu gezwungen war, ständig hin- und herzulaufen und keinen einzigen Moment auch nur ansatzweise die Zeit hatte sich mal hinzusetzen.

Der Blonde biss auf die Zähne und stellte sich rechts des großen schwarzen Thrones hin, auf dem der Herr der Hölle bereits Platz genommen hatte.

Der Raum, den Belial ihm kurz zuvor noch in recht "verstaubtem" Zustand gezeigt hatte, war jetzt blitzblank geputzt und festlich geschmückt. Eine lange Tafel stand in der Mitte des Saales und alles was in der Hölle Rang und Namen hatte - oder zumindest behauptete es zu haben - war versammelt.

Zuoberst saß natürlich Luzifer, gefolgt von den sieben - Korrektur fünf: Balbero war tot und Asmodeus noch zu tot von Luzifers Bestrafung, um an solchen Festlichkeiten teilzunehmen - Erzdämonen. Danach kam eigentlich nur noch Gesindel. Ein paar gefallene Engel, ein paar Dämonen und ein paar wenige Menschen, die im Leben besonders schlecht gewesen waren.

Der Sklave nahm die Weinflasche vom Tablett und hielt sie dem Fürst der Finsternis vor die Nase, damit dieser die Auslese gutheißen konnte. Zögerlich schenkte er dem Teufel einen Prüfschluck ein, wohlgemerkt mit links. Denn Kato konnte nun wirklich nicht ganz aus seiner Haut, als kulturell jungfräulicher Junkie. Außerdem war er Linkshänder, wenn er ernsthaft den Versuch unternommen hätte, dem Herrn der Hölle mit rechts einzuschenken, hätte dieser gewiss schon längst einen Wutanfall gehabt, weil der unfähige "Aushilfskellner" schon die halbe Tischdekoration runter geschlagen hätte.

Doch Luzifer schien Katos kleinen Fauxpas gar nicht zu bemerken, oder mindestens störte er sich nicht daran. Er nahm das Glas und führte es langsam zu seinen Lippen.

Die Augen des Blonden folgten unweigerlich der Bewegung. Er war hingerissen von der Grazie, die in dieser simplen Aktion steckte.

Kato schüttelte sich! Was zum Teufel tat er da schon wieder!? Dieser Kerl hatte ihn noch gestern Nacht vergewaltigt und eigentlich hatte es ihm bis vor kurzem noch Schauer über den Rücken gejagt, wenn er nur daran dachte, dass er ihn wieder sehen musste.

Etwas widerwillig trat einen Schritt zurück, worauf natürlich wieder mal ein stechender Schmerz in seinem Fuß die Antwort war. Kato presste die Lippen zusammen, um nicht laut loszujammern.

"Es ist gut...." der Blick des Teufels war immer noch starr geradeaus in die Menge gerichtet. Er wirkte vollkommen gelassen.

"Hä?" Der Sklave war für einen Moment etwas ratlos, wovon der Kerl eigentlich redete. Er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, seinen eigenen verwirrten Verstand etwas zu ordnen und in seinem Elend zu baden. Irgendwie war es schon eine Ironie, dass er sobald er den einen Schmerz loswurde, auch gleich ein neuer folgte, um ihn abzulösen.

"Der Wein, Sklave..." Luzifer wandte den Blick zu dem Blonden und seine Augen funkelten drohend.

"Ja, natürlich. Verzeiht, Meister Luzifer-sama." Kato lief es kalt den Rücken runter, trotzdem trat er wieder näher auf den Teufel zu. Er führte die Weinflasche erneut zum Glas und füllte es dieses Mal bis er das bestimmte "Genug" des Herrn der Finsternis vernahm.

Dieses Wort löste irgendwie eine riesige Welle der Erleichterung in dem Sklaven aus, denn es bedeutete, dass er sich nun wieder von dem Tisch entfernen konnte.

Kato wollte sich schon umdrehen und seinen Weg in die Küche antreten als er spürte, wie ihn jemand von hinten um die Hüfte packte.

"Na na, nicht so schnell Sklave... Hast du nicht etwas vergessen?" Luzifer zog sein Haustier zurück, so dass es prompt aus seinem Schoss zu sitzen kam. Der Blonde starrte ihn völlig entsetzt an.

Auch der Rest der Anwesenden war ziemlich beschäftigt damit, so zu tun als würde es sie nicht im Geringsten interessieren, was da am Kopfende des Tisches vor sich ging.

Ganz sanft strich der Teufel seinem Sklaven eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dieser hatte sich schon wieder total verkrampft und ein unkontrollierbares Zittern hatte von seinem Körper Besitz ergriffen.

"H-habt Ihr noch Wünsche, Meister Luzifer-sama?" fragte das Haustier kleinlaut und mit gesenktem Blick.

"Oh ja, die habe ich..." er strich Katos Brust entlang und musterte den Sklaven, wie er elend und total verängstigt versuchte der Berührung auszuweichen. Etwas forsch griff er nach dem Kinn des Blonden und zwang diesen ihn anzusehen.

"Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst dich mir nicht entziehen!" Die Stimme des Teufels klang streng und Kato zuckte reglerecht darunter zusammen. Ihm war noch allzu gut in Erinnerung, mit was für einer Strafe Luzifer gedroht hatte, sollte er eine seiner drei Regeln brechen.

Doch der Teufel schien nicht wirklich in Stimmung, ihn hier in aller Öffentlichkeit mit einer Reitgerte zu traktieren, obwohl Kato es ihm zugetraut hätte.

Sondern er ließ das Kinn des Sklaven los und stellte diesen wieder auf seine Füße.

"Du gehst jetzt in die Küche und bringst die Weinflasche zurück. Danach kommst du wieder hierher und setzt dich zu mir."

Kato starrt ihn völlig entgeistert an. "Wie zu Euch? Hier ist kein Stuhl mehr frei..."

"Du sollst dich auch nicht auf einen Stuhl setzten, Dummkopf. Haustiere gehören nicht an den Tisch, sondern darunter, vor die Füße ihres Herrn."

Der Dunkelhaarige deutete auf besagte Stelle.

Kato glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Er starrte zuerst den Teufel an, dann auf den Boden vor dessen Füssen.

Er war wirklich kurz davor irgendeine Form eines hysterischen Anfalls zu erleiden. Denn eigentlich war er der Meinung gewesen, dass er jetzt an einem Punkt angelangt sei, wo es nicht mehr schlimmer kommen konnte. Oh, wie sehr er sich wieder einmal getäuscht hatte...
 

~~~~
 

Missmutig schlich Kato wieder auf den Tisch zu. Er hatte den Befehl des Teufels ausgeführt und die Flasche zurückgebracht. Dabei sollte man übersehen, dass er für diese ganze Aktion bestimmt eine gute Viertelstunde gebracht hatte und die Küche lag - nur so nebenbei bemerkt - direkt neben dem Speisesaal.

Ohne es zu wollen wurden seine Schritte langsamer, je näher er dem schwarzen Thron kam. Einige Anwesenden hatte schon ihre Blicke auf ihn gerichtet und beobachteten amüsiert das Zögern des Haustiers.

Auch die Aufmerksamkeit des verrückten Hutmachers galt mehr dem Blonden, als dem süßen Bunny neben ihr, dass sie ohne Unterlass zuzutexten schien. Ihr eiskalter Blick sprach Bände. Wag es bloß nicht mich hier in Verlegenheit zu bringen, schien er zu sagen.

Kato musste schlucken. Er stellte sich gerade die Frage, was wohl das weniger schlimme Erlebnis war: Luzifer die Stiefel zu lecken oder von Belial durch die Mangel gedreht zu werden und anschließend wahrscheinlich doch noch vom Herrn der Hölle persönlich zu Tode gefickt zu werden? Der Blonde entschloss sich also doch für ersteres. In Anbetracht der möglichen Konsequenzen erschien es nämlich geradezu harmlos.

Sein Schritt beschleunigte sich wieder etwas und - ginge es nach Katos Meinung - viel zu schnell war er an seinem Ziel angelangt. Etwas unschlüssig stand der Blonde neben dem Thron und konnte sich nicht so recht entscheiden, ob er sich jetzt einfach hinsetzten oder doch lieber darauf warten sollte, bis Luzifer ihm den Befehl dazu gab.

Doch dieser beachtete ihn gar nicht, sondern unterhielt sich mit einem Kerl, dessen Haare aussahen als wären sie seit Jahrhunderten nicht mehr gewaschen worden. Sie hingen in grauen Strähnen in sein Gesicht und Kato hätte schwören können, dass sich da nahe dem Scheitel etwas bewegt hatte. Angeekelt verzog er das Gesicht.

Ein Fehler. Denn der Teufel nutzte die Unaufmerksamkeit seines Haustieres, um dieses grob am Halsband zu packen. Ohne sich selbst auch nur umzudrehen, drückte er den Blonden in die Knie und dirigierte ihn direkt vor sich unter den Tisch.

"Das ist dein Platz, Sklave ...und komm bloß nicht auf dumme Gedanken!"

Luzifer ließ Kato wieder los und der Blonde musste erst einmal tief Luft holen, weil der Teufel derart fest zugepackt und ihm damit die Kehle zugeschnürt hatte.
 

Er zog die Beine an und legte den Kopf auf seine Knie. Ein Vorteil, dass er hier unter dem Tisch saß war dass ihn wenigstens niemand sehen konnte. Allerdings gab es einige Dinge, die Kato seinerseits lieber nicht gesehen hätte. Zum Beispiel den Pferdefuss eines Typen auf der rechten Tischseite. Der Sklave hätte nicht einordnen können, wem er denn nun gehörte, denn oberhalb der Tischplatte sahen die meisten Anwesenden "relativ" normal aus.

Dann waren da noch ein paar Schwänze der verschiedensten Art, Netzstrümpfe, Highheels, gar nichts.... Halt mal! ... gar nichts... Oh mein Gott, DAS war ganz sicher etwas, das Kato lieber nicht gesehen hätte! Ein Wunder, dass nicht noch irgend ne Schlampe unter dem Tisch hockte und dem Kerl einen blies. Obwohl... wäre Asmodeus hier gewesen, wäre der Blonde sicher nicht allein in den Regionen unterhalb der Öffentlichkeitsgrenzen gewesen.

Ein kleines Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Sklaven. Na, eigentlich war das gar nicht so schlimm. Denn wenn er hier "zu Luzifers Füssen" saß, musste er wenigstens nicht rumlaufen und sich mit solchen unwichtigen Dingen, wie dem "Auftischen von rechts" beschäftigen. Außerdem war das endlich einmal eine Entlastung für seinen Fuß.

Apropos Fuß... Kato änderte eine Position und setze sich im Schneidersitz hin, um sich die Sohle einmal genauer beschauen zu können. Das Ganze war reichlich unbequem, denn er konnte seinen Rücken nicht ganz strecken, sonst wäre er mit seinem Kopf gegen die Tischplatte geknallt. Also saß der Blonden in einer verkrüppelten Haltung auf dem Boden und praktizierte irgendwelche Übungen, die für Leute, die nicht wussten weshalb er das tat, verdammt nach Yoga ausgesehen hätten.

Vorsichtig fuhr er mit dem Finger über einen kleinen Schnitt und versuchte dabei nicht aufzustöhnen. Welches Arschloch hatte eigentlich bestimmt, dass er hier in der Hölle barfuss rumlaufen musste?! [4]
 

Kato seufzte entnervt als er bemerkte, wie der Teufel mit den Fingern schnippte. Was? Hieß das etwa er solle herkommen? Wer bzw. was war er denn eigentlich?! Ein Hund?!

Doch auch der kleine widerspenstige Kiffer hatte mittlerweile begriffen, dass es weitaus weniger schmerzvoll war, wenn man Luzifers Befehlen nachkam... und das am besten schnell.

Also kroch er ergeben zu seinem Herrn. Dieser packte den blonden Haarschopf und zwang seinen Sklaven aufzusehen.

"Trink..."

Der Teufel führte einen Kelch an die Lippen Katos und dieser hatte gar keine andere Wahl als seinen Mund zu öffnen und die Flüssigkeit zu schlucken. Denn die kalten Augen des gefallenen Engels hatten das Haustier direkt ins Visier genommen und schienen nicht den geringsten Widerspruch zu dulden.

Erschrocken drehte der Blonden den Kopf weg. Das Zeug brannte ja wie Feuer im Hals! Prustend und keuchend versuchte er wieder zu Atem zu kommen, immer noch gefangen im Griff der Teufels.

"Hmm, eigentlich hatte ich mehr von dir erwartet, mein kleiner Junkie... aber wie es scheint, hast noch nie wirklich harten Alkohol getrunken." Ein belustigtes Grinsen zierte Luzifers Lippen.

Kato betrachtete ihn mit einer Mischung aus Gehässigkeit, wegen der Bemerkung betreffend seiner Trinkfestigkeit und absolutem Entsetzten ob dessen, was der Teufel vorzuhaben schien, als dieser das Gefäß zu seinem eigenen Mund führte und es seelenruhig leerte.

Der Dunkelhaarige stellte den Kelch wieder auf den Tisch und schaute sein Haustier mit einem mehr als triumphierenden Gesichtsaudruck an. Und bevor dieses überhaupt verstand was passierte, hatte Luzifer es auch schon nach oben gezogen und drückte ihm einen harten Kuss auf.

Lediglich ein ersticktes "Hmpf" war zu vernehmen und Katos geweitete Augen starrten den Teufel entsetzt an.

'Nein, bitte nicht schon wieder' war der einzige Gedanke des Sklaven. Doch sein Herr ließ schnell wieder von ihm ab, was wohl auf die Anwesenheit des gesamten höllischen "Adels" zurückzuführen war.

Der Blonde sank atemlos nach unten und sein Oberkörper kam auf Luzifers Schoss zu liegen. Irgendwie war ihm plötzlich so schwindlig. Alles drehte sich. Vergebens versuchte er die schwarzen Punkte vor seinen Augen zu vertreiben, doch diese stellten sich als sehr hartnäckig heraus.

Der Dunkelhaarige legte beinahe liebevoll die Hand auf den Katos Kopf .

"Es scheint, als verträgst du keinen Wein" meinte er spöttisch.

"Wein?....." krächzte der Sklave heiser " ....das war nie und nimmer Wein!"

Luzifer lachte leise. "Ja, da hast du recht. Es ist kein Wein. Man nennt es 'Aqua del sole' Sonnenwasser...."

"Aha..." dem Blonden war es eigentlich scheißegal, wie das Zeug hieß, denn die schwarzen Punkte vor seinen Augen hatten sich gerade in grüne Punkte verwandelt und irgendwas sagte ihn, dass das kein gutes Zeichen war. Er versuchte wirklich krampfhaft, sich auf das zu konzentrieren, was vor ihm ablief, doch sein Gehirn wollte einfach nicht... Außerdem war da noch diese schreckliche Hand von Luzifer, welche die ganze Zeit durch seine Haare strich. Wer konnte sich da überhaupt noch auf Irgendetwas konzentrieren?!

"Mach die Augen zu, dann wird es besser..." meinte der Teufel ruhig und ließ sich durch Katos Zustand nicht davon abhalten einen Kellner zu rufen, der den Kelch erneut füllte.

Er nahm einen Schluck und wandte sich dann wieder dem Sklaven auf seinem Schoss zu. Dieser hatte seine Finger in den Stoff von Luzifers Hose gekrallt und versuchte gleichmäßig ein- und auszuatmen. Was ihm aber nicht sonderlich erfolgreich gelang, denn seine Gesichtsfarbe war mittlerweile mit der eines Mehlsacks zu vergleichen und kleine Schweißtröpfchen standen auf seiner Stirn.

"Du tust ja beinahe so als würdest zu streben..." Luzifer strich Katos Hals entlang.

Auch er konnte fühlen, dass die Haut seines Sklaven heißer war, als sie eigentlich sein sollte. Aber das war ein bekannter Nebeneffekt des 'Aqua del sole', es heizte den gesamten Organismus auf. Bei Dämonen spielte das keine große Rolle, denn die meisten von ihnen waren ziemlich resistent gegen jegliche Art von Alkohol, Giften, Säuren etc.

Aber ein kleiner Mensch wie Kato war seiner Wirkung völlig ausgeliefert...
 

Zufrieden legte der Teufel seine Hand auf die Stirn des Sklaven und strich einmal sanft über dessen Augen. Sie fielen sogleich zu.

Kato war eingeschlafen....
 

TBC
 

A/N: Ich muss zugeben, dass ich nicht wirklich eine Ahnung von Servieren habe. Ich hatte bloß so was in Erinnerung, dass man von rechts auftischt.... Vielleicht liege ich jetzt auch falschX_X
 

[1] Kennt ihr die Szene in Pretty Woman, wo der Hoteldirektor Julia Roberts über Tischmanieren belehrt? Ich kringle mich einfach jedes Mal vor Lachen....

[2] Hier eine kleine Übersetzung für alle diejenigen, die meinem Versuch einen franz. Akzent auszuschreiben nicht folgen können;P

> “Nein, du dummer Junge! Wie viele Male hab ich dir schon gesagt von rechts?! Du musst von rechts servieren!“

> „Also, ich erkläre es dir nur noch ein einziges Mal!“

> „Du bist jetzt der Gast und ich bin der Kellner. Schau genau zu!“

> „Siehst du? Von rechts! Immer von rechts!"

> „So, und jetzt du!"

> „Na los, mach schon, du cornichon!" (Cornichon = Essiggürkchen*g*)

> „NEIN, DU UNFÄHIGER IDIOT!!"

> „Du solltest doch von rechts einschenken!"

> „Aber du sollst auch MIT rechts einschenken!"

>„Mit der rechten Hand, du Idiot!"

> „Oh mon Dieu, womit habe ich das bloss verdient?"

[3] Das ist kein Schreibfehler. Er sagt schon "Lord", weil er Belial für männlich hält oder sie mindest so behandelt^^

[4] Die Autorin, denn sie hat vergessen dir im vorletzten Kapitel Schuhe zu verpassen. Jetzt musst du halt leiden, Katolein *harhar*

Kapitel 18

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 19

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 20

"Los steh auf!"

Luzifer ging wallenden Mantels an seinem Sklaven vorbei. Das wimmernde Häufchen Elend folgte mit seinem Blick dem Herrn der Hölle, blieb aber ansonsten reglos liegen. Er schämte sich ja so....

"Bring mich nicht dazu, dich holen zu müssen!" Ohne einen Blick zurückzuwerfen oder sein Tempo zu verlangsamen, setzte der Teufel seinen Weg nach draussen fort.

Erschrocken raffte sich das Haustier auf und kam torkelnd auf die Füße. Schmerz durchzog seinen Rücken und ihm war schwindlig. Haltsuchend griff er nach dem Eisengestell, in dem er vor ein paar Minuten noch gefangen gewesen war, um sich dort abzustützen. Eine Ironie, wenn man bedachte, dass er sich vorher nichts sehnlicher gewünschte hatte, als aus diesem Ding herauszukommen...
 

"Beeil dich..." die Stimme des Teufels war nun doch schon recht weit entfernt und dennoch war die leichte Gereiztheit darin kaum zu überhören. Es lief dem Blonden kalt den Rücken runter. Er packte den schwarzen Lederstoff, der leicht feucht um seine Beine gewickelt war und zog die Hose nach oben. Sie klebte eklig an seiner Haut und Kato musste selbst das Gesicht verziehen.

Schnell stieß er sich von dem Gestell ab und machte sich mit der schlangenlinigen Präzision eines Betrunkenen daran, seinem Herrn hinterher zu laufen.
 

Leicht schnaufend schaffte er es endlich zum Teufel aufzuschließen. Dieser drehte sich nicht mal zu seinem Sklaven um und schritt unbeirrt weiter.

Der wallende schwarze Stoff von Luzifers Umhang wehte hinter ihm her und Kato musterte einen Moment interessiert die Wellen, wie sie auf und ab wippten. Dann jedoch drang plötzlich der scharfe Geruch von Urin an seine Nase und beschämt, senkte er wieder den Blick. Er wagte es nicht einmal seinem Herrn in den Rücken zu starren, zu peinlich war das alles.
 

~~~~
 

Meister und Sklave gingen schweigend durch die dunklen Gänge. Kato immer einen Meter hinter seinem Herrn mit gesenkten Haupt. Er war jetzt wirklich der Meinung, dass es nicht mehr schlimmer werden konnte, egal was Luzifer noch mit ihm vorhatte. Denn schließlich war er schon geschlagen, ausgepeitscht, vergewaltigt, blamiert bis auf die Knochen und von den verschiedensten Leuten sexuell belästigt worden.
 

"Los, geh da rein!" Luzifer war abrupt stehen geblieben und deutete auf eine schwarze Tür auf der rechten Seite des Ganges. Kato schaute sich einen Moment misstrauisch um, ob er den Raum vielleicht schon kannte, musste sich dann aber für ein Nein entscheiden. Ohne Widerworte ging er am Teufel vorbei und schritt auf die mit silbernen Gravuren verzierte Tür zu.

Sein Blick glitt kurz über die wunderschön angeordneten Zeichen, doch dann spürte er auch schon den warnenden Blick des Herrn der Hölle im Rücken. Kato musste schlucken und drückte schnell die Klinke nach unten.
 

Wieder einmal wurde er von alles verschlingender Dunkelheit begrüßt. "Eigentlich auch schon mal was von Lichtschaltern gehört" murmelte er leise vor sich hin, trat aber ohne Zögern in den Raum. Der Sklave hatte keine Angst, auf jedem Fall nicht vor dunkeln Räumen, in denen menschenfressende Ungeheuer lauern konnten. Denn einerseits war er hier in der Hölle und er konnte von sich behaupten, doch schon einiges erlebt zu haben und andererseits stand der Teufel höchstpersönlich hinter ihm. Also was bitte konnte noch schlimmeres vor ihm lauern. Nichts! Rein gar nichts...
 

Katos Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und er konnte schemenhaft einige Möbel ausmachen. Hinter ihm betrat Luzifer den Raum und die Tür fiel ins Schloss.

"Der Lichtschalter ist auf der Seite der Türfalle..." augenblicklich wurde der Raum von Helligkeit geflutet. "...so wie bei allen normalen Räumen."

Kato musste die Augen zusammenkneifen, trotzdem war der Spott in Luzifers Gesicht kaum übersehen.
 

Der Sklave schaute sich in dem Raum um. Nur zur Sicherheit, es konnte schließlich nicht schaden, schon mal im Vornherein auszumachen, welche Möbel groß genug waren, um sich dahinter zu verkriechen.

Ein riesiges, mit einem schweren schwarzen Stoff bezogenes Bett stand mitten im Raum. Kato zog es tatsächlich für einen Moment in Erwägung, dass es gemütlich aussah, bis er bemerkte, dass sich dort etwas langes Dünnes bewegte..... Ja, tatsächlich, da kam - nein, kroch - etwas unter der Bettdecke hervor. Eine Schlange! Der Blonde nahm sofort einen riesigen Satz rückwärts und stolperte dabei in eine Glasvitrine, die auf einem Steinsockel stand. Die Frage was hier widerstandsfähiger war, Stein oder zerschundener Rücken, war schnell beantwortet. Kato landete mit einem Aufschrei auf seinem Allerwertesten. Die Schlange wandte kurz ihren schmalen Kopf in Richtung des Geräusches. Ließ sich dann aber nicht weiter davon beeindruckten und glitt langsam vom Bett herunter. Sie schlängelte auf ihren Herrn, den Teufel, zu und beachtete dessen anderes, absolut panisches, Haustier gar nicht.

Dieses hingegen versuchte gerade einen genug großen Abstand zwischen sich und den Kaltblüter zu bringen, was ihm allerdings beim momentanen Zustand einiger seiner Körperteile reichlich schwer fiel. Er vertrug ja wirklich viel: Teufel, Dämonen, Idioten wie Setsuna... Aber bei allen Göttern, jemand sollte ihm diese Schlange vom Leib halten!
 

Luzifer bückte sich und hob das Tier nahezu liebevoll auf den Arm.

"Hallo Lilith...[1]" flüsterte er leise und strich der Schlange über den Kopf. Diese schien großen Gefallen an dem Tun ihres Herrn zu haben und wand sich freudig um dessen Hals.
 

Kato beobachtete die Szene mit mehr als missgünstiger Miene. Scheiß Viech! Warum war Luzifer zu ihm nie so nett?!

Er rieb sich seinen schmerzenden Rücken und wagte es dabei seinen Blick von der Nemesis, die sich wohlig räkelnd um des Teufels Hals wand, abzuwenden. Sein Interesse glitt zu der Steinsäule, an der er lehnte. Mit Erstaunen musste er feststellen, dass in der Glasvitrine, die oben drauf stand, ein angebissener Apfel lag. Also langsam wurde es doch etwas makaber.

Kato stützte sich auf, um die verbotene Frucht genauer unter die Lupe nehmen zu können. Na ja, irgendwie sah das Teil wie eines dieser Zierobst-Dinger aus Plastik aus.

Ok, Korrektur: Es sah bei noch eingehenderer Betrachtung eigentlich absolut perfekt aus, wenn man von den zwei Einbissstellen absah...
 

Kein Wunder, dass man da schwach wurde. Kato stupste mit dem Finger gegen die Glasscheibe. Das Gefühl eines unglaublichen Hungers hatte gerade angefangen sich von seiner Magengegend her auszubreiten. Ganz besonders der Hunger auf diesen einen wunderbaren, saftigen Apfel ließ ihm das Wasser ihm Mund zusammenlaufen. Irgendwo weit hinten schlich sich die Frage in Katos Bewusstsein, wann er eigentlich das letzte Mal was gegessen hatte. Angestrengt versuchte er sich zu erinnern, kam dann aber zum Schluss, dass er noch überhaupt nichts gegessen hatte, seit er hier war. Ok, das war die Hölle, verhungern würde er also nicht, aber die Lust war schon da..... und wie toll doch dieser Apfel aussah.
 

Was wohl passieren würde, wenn er die Glassvitrine aufmachte und dann in diese wunderbare Frucht beißen....
 

"Das würde ich dir nicht empfehlen..." hauchte eine tiefe Stimme hinter ihm. Der Sklave schreckte zusammen und wollte schon die Flucht ergreifen als Luzifer ihn am Oberarm packte.

"Das ist praktisch ein Relikt und wie würde das denn aussehen, wen ein simples Haustier die Frucht verschandeln würde, die für den Sündenfall der gesamten Menschheit verantwortlich ist..." der Teufel strich sanft den Muskeln von Katos Arm entlang. Der Blonde begann unweigerlich zu zittern, was beim Herrn der Hölle ein leicht belustigtes Lächeln auslöste. Er strich ihm ein paar Haarsträhnen hinters Ohr und zog den Kopf seines Haustieres zu sich bis....
 

Luzifer hielt abrupt inne und verzog das Gesicht. "Du stinkst!" meinte er abwertend und stieß den Blonden von sich.

Dieser stolperte ein paar Schritte zurück, wo er haltsuchend nach dem Steinsockel griff. Beschämt wandte er seinen Blick zu Boden, was jedoch nur zur Folge hatte, dass ihm selbst der penetrante Geruch von Urin in die Nase stieg. In diesem Moment wollte er wirklich nichts lieber als im Erdboden versinken.

"Los, geh dich waschen!" mit kalten Tonfall zeigte der Fürst der Finsternis auf eine Tür am entgegengesetzten Ende des Raumes, welche augenblicklich mit einem lauten Knall aufschlug als wäre ihre eine Sturmböe entgegengekommen.
 

Der Blick des Sklaven war der Bewegung gefolgt, dennoch musste er sich noch mal fragend zu seinem Herrn umwenden. Was sich jedoch als Fehler herausstellte, denn der Teufel quittierte sein Zögern lediglich mit einem eiskalten Blick und wandte sich ab.

Doch auch wenn der Herr der Hölle ihm nun keine Beachtung mehr schenkte, Lilith tat es dafür umso mehr. Die Schlange streckte ihm geradezu triumphal die Zunge raus und schmiegte sich etwas näher an ihren Herrn als wäre sie froh über die abrupte Unterbrechung dieses intimen Zusammenseins.
 

Scheiß Vieh! Verärgert über den Sieg der Schlange und gleichzeitig auch unendlich peinlich berührt über den Kommentar Luzifers, ging der Blonde endlich in die angezeigte Richtung.
 

~~~~
 

Er trat durch die Tür und was er sah, verschlug ihm regelrecht den Atem.

Ein Becken aus schwarzem Obsidian - nicht dass der Kiffer den Stein hätte klassifizieren können - war in den Boden eingelassen. In seiner ungeometrischen Form füllte es praktisch den ganzen Raum aus. Drei Stufen führten zum Grund des schwarzen Pools und an den Wänden des Raums befanden sich keine Wasserhähne, sondern das Nass floss aus weitgeöffneten Drachenmäulern in das Becken.

Kato musste schlucken. Hatte der Teufel etwa DAS mit waschen gemeint?! Sollte er tatsächlich ein Bad in dieser riesigen schwarzen Wanne nehmen?!

Nicht, das es nicht einlandend, entspannend und absolut verführerisch aussah......

Aber er hatte zu seinen Lebzeiten nicht mal ansatzweise je ein derart nobles Bad gesehen, geschweige denn betreten, und jetzt weilte er in der Hölle als Sklave und...
 

Ach, was überlegte er überhaupt! Kato streifte sich die Hose von den Beinen und fühlte sich sogleich erleichtert das feuchte Material los zu sein.

Prüfend setzte er einen Fuß auf die erste Stufe. Ein wohliger Schauer überfiel ihn. Oh, Gott war das schön! Ermutigt stieg er hinunter in das Becken, so dass das Wasser ihm bis zu den Oberschenkeln reichte.

Das warme Nass umspülte seinen Körper und Kato konnte nicht in Worte fassen, wie gut es sich doch anfühlte.

Trotz der Wärme hatte ihn eine Gänsehaut überfallen. Irgendwie konnte der Sklave gar nicht glauben, dass das wirklich passierte. Vorsichtig ließ er sich hinuntergleiten, damit er ins Sitzen kam. Er zuckte leicht zusammen als die Flüssigkeit seinen aufgerissenen Rücken berührte. Doch im Vergleich zu dem, was er alles schon erlitten hatte, war dieser Schmerz wahrhaft nichtig. Außerdem schien die schnelle Heilung von Wunden wenn man tot war, sich wieder bemerkbar zu machen.

Kato seufzte und lehnte mit seinem blonden Kopf an den Beckenrand.
 

Kurz glitt sein Blick über ein paar Flakons, die links von ihm auf der Kante standen. Sie schimmerten in den verschiedensten Farben. Blau, violett, rot, leicht grünlich....

Ob das Badeöle waren? Der Sklave griff nach dem vordersten in der Reihe, entstöpselte es und roch daran. Jep, Badeöl...

Ob er das benutzen durfte? Hmm, aber wenn Luzifer sich schon beschwerte, dass er stank, dann hatte er sicher nichts dagegen, wenn er für eine kleine geruchliche Verbesserung sorgte.

Er wollte schon den Inhalt des blauen Fläschchens, das er in Händen hielt ins Badewasser kippen, als die angeborene - in den meisten Fällen ungesunde - Neugier des Kiffers wieder mal zum Vorschein kam. Da waren ja noch andere Fläschchen, das hieß dann wahrscheinlich auch andere Düfte.

Man musste schließlich alles mal ausprobiert bzw. gerochen haben.

Kato stellte den kleinen Glasbehälter wieder zurück und schnappte sich den nächsten. Er war violett. Und genau dementsprechend roch er auch.... Irgendwie blumig. Der Sklave rümpfte die Nase. Blumen bäh.... Das passte nun wirklich überhaupt nicht zu ihm. Ok, vielleicht Gras, aber das war auch wirklich das einzige Grünzeug mit dem er sich anfreunden konnte.

Er grinste ein wenig über seinen eigenen Witz und widmete sich der nächsten Flasche neben dem Blümchenzeug. Die rote.

Uh, rot. Das klang doch schon mal gut. So erotisch. Kato schaudert und öffnete mit einem dreckigen Grinsen im Gesicht den Glasbehälter

Der Geruch stieg langsam auf und drang in die Nase des Sklaven. Einige Sekunden vergingen bis dessen Gehirn realisierte, was er da roch, dann zog er erschrocken den Flakon weg. Etwas entgeistert starrte er auf die kleine, unschuldig wirkende Flasche und bedachte sie mit einem misstrauischen Blick. Dann ganz langsam näherte er sie noch einmal seinem Riechorgan. Er sog einen dicken Schwall parfümierter Luft ein und erneut durchfuhr ihn dieses Gefühl. Das rote Zeug in diesem Flakon roch genau wie Luzifer selbst!

Kato konnte den Geruch nicht genau definieren, aber er wusste, dass der Teufel genau so roch. Irgendwie nach Erde und Wind. Nach fernen Ländern und unbekannten Geheimnissen. Nach Wissen und Macht.... und nach Blut...
 

Er stellte den kleinen Glasbehälter zurück. Das würde er schön bleiben lassen. Er hatte für heute wirklich schon genug Ärger mit dem Teufel gehabt, da musste er wirklich nicht noch dessen Badeöl missbrauchen.....
 

Da blieb also nur noch die letzte Flasche in der Reihe. Grün. Hmm, war ja eigentlich keine schlechte Farbe. Wie ging dieser dumme Spruch: Grün war die Hoffnung. So ein Scheiß! Leicht genervt packte er sich also den hintersten kleinen Flakon und roch daran.

Hmmm... Ok.... na ja... eigentlich ganz annehmbar. Er runzelt kritisch die Brauen und sog noch mal prüfend einen Luftschwall ein. Roch nach Meer. Strand, Möwen, Wind...

Eigentlich hatte er ja das Meer schon immer gemocht. Eine verschwommene Erinnerung von seiner Kindheit stieg in ihm hoch als er und seine Familie einmal einen Tag am Strand verbracht hatten. Er war damals noch ganz klein gewesen. Seine Schwester hatte ihn an der Hand genommen und zusammen waren sie...

Stopp! Zuviel Nostalgie! Entschieden schüttelte der Sklave den Kopf, kippte dann aber trotzdem die grünliche Flüssigkeit ins Wasser.

Sofort bildete sich Schaum. Allerdings nicht der wohlbekannte Seifenschaum, sondern er sah eher wie der Meerschaum aus, der durch die Wellenbewegung gebildet wurde.

Der typische Geruch nach Salz drang ihm in die Nase und Kato konnte das penetrante Geschrei der Möwen schon beinahe hören. Irgendwie wurde er einfach das Gefühl nicht los, dass das kein gewöhnliches Badeöl gewesen war, aber warum wunderte er sich überhaupt noch über solche Dinge.
 

Er konnte immerhin nicht abstreiten, dass die Atmosphäre sehr angenehm war. Erneute lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Das warme Wasser schaukelte den bewegungslosen Körper leicht hin und her. Das blonde Haar schwamm wie ein Fächer an der Oberfläche und hatte sich durch die Nässe dunkel verfärbt.

Die Gedanken von vorhin kehrten in den Geist des Sklaven zurück. Seine Familie am Strand. Er und seine Schwester, wie sie zusammen Muscheln gesammelt hatten. In seiner Erinnerung sah er zwei kleine Kinder. Das Mädchen noch einen Kopf größer als der Junge, die zusammen spielten und lachten. Irgendwie seltsam, dass er diese Erinnerung solange verdrängt gehabt hatte. Denn schließlich war es eine der wenigen schönen, die er an seine Familie hatte.
 

~~~~
 

Er musste gähnen. Die Wärme machte ihn irgendwie ganz schläfrig. Kato warf den Kopf auf die andere Seite, hielt die Augen aber weiterhin geschlossen.

Das Wasser plätscherte unaufhörlich im immer gleichen Rhythmus und der Blonde war wirklich schon kurz davor ins Reich der Träume abzugleiten als er Schritte vernahm. Gemächlich und ruhig, aber ganz eindeutig Schritte. Sein Hirn registrierte die Ankunft des anderen durchaus, doch Katos Körper war ganz eindeutig zu faul, um die riesige Anstrengung auf sich zu nehmen und die Augenlieder zu heben. Also blieb er einfach liegen wie er war.
 

Das Rascheln von Stoff war zu hören und bald schon konnte der Blonde spüren, wie ihm kleine Wellen entgegenschlugen. Jemand hatte das Becken betreten....
 

TBC
 

[1] Also, für alle die es nicht wissen: Lilith war der jüdischen Legende nach Adams erste Frau (vor Eva). Aber die zwei sollen sich nicht so gut verstanden haben, weil Adam sie nicht als gleichberechtigt akzeptieren konnte. Daraufhin flog Lilith aus dem Paradies.

Weil sie nicht vom Baum der Erkenntnis aß, blieb sie auch unsterblich und wurde die Mutter vieler Dämonen. Sie wird oft als Frau in Umarmung einer Schlange dargestellt und ist bis heute ein Symbol für Emanzipation.

Kapitel 21

Das Wasser bewegte sich ein wenig und kleine Wellen brandeten an Katos flacher Brust. Das wäre jetzt ganz eindeutig DER Moment gewesen, die Augen zu öffnen. Aber der Sklave konnte einfach nicht die körperliche Kontrolle aufbringen, um sich seinen wohligen, warmen Träumen zu entziehen.

Aber da Faulheit bekanntlich auch eine Todsünde ist, wurde auch das lethargische Verhalten des Blonden sofort gestraft. Etwas streifte ihn sacht am Bein und aus war es mit der Ruhe.

Kato schreckte auf und starrte mit schreckgeweiteten Augen um sich. Der Herr der Finsternis hatte sich ihm gegenüber, am anderen Ende des Beckens niedergelassen und betrachtete sein Haustier mit belustigter Miene. Er saß ganz eindeutig zu weit weg, um ihn aus dieser Distanz berühren zu können. Allerdings zweifelte Kato daran, dass so etwas wie Entfernung ein Hindernis für den Teufel darstellte.
 

Der Sklave beäugte ihn misstrauisch. Doch Luzifer blieb sitzen, wo er war und unternahm nicht den geringsten Versuch in irgendeine Interaktion mit seinem Haustier zu treten. Schweigend lehnte er seinen Kopf zurück. Seine langen dunkeln Haare hingen in Strähnen hinunter und begannen sich mit Wasser vollzusaugen. Irgendwie sah er schon unglaublich gut aus, so nass und....

Erschrocken wendet Kato seinen Blick ab. Ihn war irgendwie plötzlich so heiß.
 

Er konnte fühlen, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg und Kato versuchte sich auf irgendetwas anderes als den Herrn der Hölle zu konzentrieren. Sein Blick glitt über die schwarzen Steinwände, die wasserspeienden Drachen, die kleinen Flakons mit den verschiedenen Duftessenzen, die Schlange, die im Wasser fröhlich herumplanschte.... Halt mal! Schlange!!!

"Ahhhh!" wie vom Blitz getroffen, war Kato auf den Beinen und versuchte panische das Weite zu suchen. Allerdings wandte sich die kalte, nüchterne Physik gegen ihn, denn sie war der Meinung, dass kleine verängstigte Haustiere nicht auf glasierten Beckenböden, die noch dazu mit Wasser gefüllt waren, wegrennen versuchen sollten. Kato glitt auf den Fliesen aus und fiel natürlich vornüber mit einem lauten Platscher ins Wasser.
 

"Lass den Aufstand, Sklave und sei wieder ruhig..." etwas genervt hatte der Teufel sein schönes Haupt gehoben und warf seinem Haustier einen warnenden Blick zu. Einige Wasserperlen glitzerten in seinen Haaren und waren der eindeutige Beweis für Katos kleinen Flutangriff.

Das Haustier senkte beschämt den Kopf und vermittelte so noch mehr das Bild eines begossenen Pudels. Aus den Augenwinkeln heraus folgte es aber jeder kleinen Bewegung seiner kaltblütigen, schuppigen Widersacherin und sah wie diese freudig im Wasser herumpadelte.

Auch der Blick des Teufels folgte Katos Interesse und ein belustigtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. "Hast du Angst vor Lilith?"

Der Sklave zuckte zusammen als wäre er bei etwas ertappt worden und langsam drehte er seinen Kopf wieder Luzifer zu. Mit der unschuldigsten Miene und der Glaubhaftigkeit von Pinocchios langer Nase antwortete Kato: "Nein!"

Der Teufel betrachtete ihn noch einen Moment mit kritisch gerunzelter Augenbraue, wandte sich dann jedoch der Schlange zu und streckte seinen Arm nach ihr aus.

"Lilith Darling, zeig Kato-kun, dass er keine Angst vor dir zu haben braucht..."

Der Kaltblüter wickelte sich voller Freunde um den sich ihm dargebotenen Arm und labte sich an der davon ausgehenden Wärme. Liliths gespaltene Zunge schnellte aus ihrem Mund und leckte über die weiße Haut des Teufels. Kato beobachtete die Szene mit schreckgeweiteten Augen. Das Vieh war wirklich mehr als seltsam. Er wollte schon einen Schritt rückwärts treten als die Stimme Luzifers ihm Einhalt gebot: "Bleib wo du bist und wag es nicht dich zu bewegen!"

Der Blick des Teufels war immer noch auf die Schlange gerichtet, doch er hob langsam seinen Arm, den der Kaltblüter so gewissenhaft umschlungen hielt, so dass er direkt auf die Brust seines Sklaven zeigte.

"Na na, das reicht jetzt aber..." er kraulte sie am Übergang zwischen Kopf und restlichen Körper, den man wohl als Hals bezeichnen konnte. Die Schlange schien die Liebkosung über alle Massen zu genießen und gar nicht gewillt, sich dem anderen überaus störenden Haustier ihres Herrn zuzuwenden.

Doch Luzifer packte ihren kleinen Schädel und drehte ihn in Richtung des Blonden. Lilith kämpfte kurz gegen die grobe Behandlung, ergab sich dann aber dessen eindeutiger Überlegenheit und richtige ihre ungetrübte Aufmerksamkeit auf den Sklaven.
 

Kato musste schlucken. Diese seltsamen rötlich-gelben Augen hatten ihn ins Visier genommen und schienen jede einzelne noch so kleine Bewegung seinerseits zu registrieren.

Lilith wand sich langsam aber kontinuierlich Luzifers Arm entlang, immer näher in seine Richtung.

Was bei dem Blonden genauso langsam aber kontinuierlich das Gefühl der Panik auslöste.

Kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und er wünschte sich wirklich nichts sehnlicher als jetzt schreiend und wie der letzte Feigling die Flucht zu ergreifen...
 

Eine Gänsehaut hatte sich auf seinen Armen gebildet als die Schlange die letzte Distanz überwand und Katos Brust berührte. Ihr schuppiger Körper glitt weiter nach oben, streifte über sein Schlüsselbein und wand sich schlussendlich wie ein armdicker Schal um den schmalen Hals.

Der Sklave stand wie angewurzelt dort und rührte sich keinen einzigen Zentimeter. Selbst seine Augen waren starr geradeaus gerichtet. Das einzige, was noch bewies, dass der Blonde vor lauter Angst noch nicht wirklich zu einer Salzsäule erstarrt war, war das heftige Heben und Senken seiner Brust.
 

Er war am Hyperventilieren und das ständige Engerwerden seiner Luftröhre trug nicht gerade zu seiner Beruhigung bei. Denn Lilith schien die Panik ihres Gegenübers bemerkt zu haben und war nun mit tierischer Freude dabei, dessen Schwäche nur noch mehr auszunützen, indem sie ihren langen Körper nur noch enger um Kato schlang.

Der Teufel beobachtete das Spiel mit undeutbarer Miene und strich sich gelassen ein paar feuchte Haarsträhnen aus dem Gesicht.

"Lilith, lass das sein.... Er wird ja schon ganz blau."

Die Schlange zischelte ihm entgegen, lockerte aber ihren Würgegriff um Katos Hals etwas. Dieser atmete erleichtert aus. Was hatte jedoch zur Folge, dass die Aufmerksamkeit von Luzifers anderem Haustier wieder auf ihn gelenkt wurde und es ihn nun böse von der Seite anzischte, ohne jedoch seine Umklammerung wieder anzuziehen.

Der Blonde starrte ganz perplex aus den Augenwickeln auf die gespaltene Zunge des Kaltblüters und gab lediglich ein gepeinigtes Wimmern von sich.

"Lilith..." der Teufel klang ermahnend, einen Tonfall den der Sklave mittlerweile sehr gut erkannte.

"....sei lieb!"

"zzzzz....zwie zihr zwünscht, Meister..."
 

Was?! Konnte das Vieh etwa noch reden? 'Ok, ruhig, Yue! So was, sollte dich eigentlich nicht überraschen.... Du hast hier unten immerhin schon genug seltsame Dinge erlebt... Da ist doch eine sprechende Schlange nun wirklich nicht besonderes!' Versuchte Kato sich in Gedanken zu beruhigen. Er wollte es um jeden Preis vermeiden, seinen Kopf zu drehen und der Schlange in die Augen zu sehen. Denn neben ihm tat sich etwas und er wurde das seltsame Gefühl nicht los, dass "Lilith" plötzlich irgendwie anders war.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung war. Eine verhältnismäßig sehr große Bewegung für eine Schlange. Nun gut, jetzt siegte die Neugier halt trotzdem über die Vernunft und Kato drehte vorsichtig seinen Kopf zur Seite.....
 

Sein Mund klappte auf und er musste erst mal Luft holen. Wo zum Teufel kam die Frau her?! Sie grinste ihn leicht spöttisch an und hatte ihre langen, dünnen, seidigweichen, weißen...... Arme um seinen Hals geschlungen.

"W-w-wo...?" Kato brachte keinen zusammenhängenden Satz zustanden, geschweige denn die korrekte Artikulierung eines einzelnen Wortes...

"Wo?" fragte sie aufmunternd.

"W-wo k-kommst du h-her?" der Sklave musste sich wirklich zusammenreißen. Es erforderte ein unendlich großes Maß an Selbstkontrolle, wenn sich eine wunderschöne, nackte Frau, die noch dazu aussah wie ein Abbild von Botticellis Venus, an einem schmiegte wie..... wie eine Schlange!

Katos Kiffergehirn hatte es gerade geschafft eins und eins zusammenzuzählen und dabei auf eine plausible Lösung zu kommen.

"D-Du bist Lilith!" mit weit aufgerissenen Augen starrte er die Schönheit an, deren Haar die Farbe von rotem Herbstlaub hatte und in geschmeidigen Wellen bis zu ihrer Taille reichte.

"Du bist aber ein ganz Schlauer" meinte sie grinsend und strich dem Blonden über die Nase, wie man es bei einem kleinen Kind tat.
 

Der Sklave hingegen war einfach noch zu überfordert von dem plötzlichen Umschwung der Szene. Die ganze Zeit kreiste nur ein einziger Gedanke in seinem Kopf: Die Schlange ist eine Frau! Die Schlange ist eine Frau... oder ist die Frau eine Schlange?!

Hilfesuchend blickte er zu Luzifer. Doch dieser schien seinen zwei Haustierchen keine allzu große Beachtung mehr zu schenken. Er hatte sein dunkles Haupt zurückgelehnt und sie Augen halb geschlossen. Entspannt lag er da und erinnerte in seiner Pose an Kato, wie dieser noch vor ein paar Minuten dagelegen hatte.
 

Lilith schmiegt sich noch näher an Kato und begann - aus seiner Sicht - doch recht unvermittelt damit an seinem Hals zu knabbern.

Noch bevor er auch nur daran denken konnte sich zu wehren, spürte er auch schon einen kleinen stechenden den Schmerz an seinem Hals.

Ein erschrockenes "Iiiieek" entwich seiner Kehle und er versuchte die Schlangenfrau von sich zu stoßen. Was natürlich genauso sinnlos war, wie die meisten anderen von Katos Fluchtversuchen. Die rothaarige Schönheit hatte einen Schenkel zwischen seine Beine geschoben, was zur Folge hatte, dass der Sklave beinahe über das lange Bein gepoltert wäre, während er versuchte Lilith loszuwerden.

"Lass das!" der miserable Versuch eines Haustieres herrisch zu klingen, löste bei seinem Gegenüber lediglich spöttisches Gekicher aus. Dennoch trat die Schlange einen Schritt zurück und gewährte dem Blonden wieder etwas mehr Freiraum.

Sie betrachte ihn, wie er prüfend mit der Hand über seinen Hals fuhr, wo sich schon ein kleiner roter Fleck gebildet hatte. Katos Finger strichen über die Stelle und er zuckte erschrocken zusammen, als er feststellen musste, dass an seinen Fingern doch tatsächlich ein dünnes Rinnsaal roten Blutes klebte.

"Scheiß Schlange!" fauchte er.

"Oh, geh doch zu deiner Mama...." ein breites Grinsen hatte sich in das schöne Gesicht Liliths geschlichen und entblößte dabei ihre Zähne. Für Kato wurde auch im selben Moment die Frage beantwortet, wie sie ihn so gut hatte beißen können. Denn dort wo bei Menschen die Eckzähne waren, prangte bei ihr ein wunderschönes Paar Reißzähne. 'Die Giftzähne einer Schlange....'
 

~~~~
 

Dennoch hatte sich in dem Sklaven so was wie Widerstandsgeist geregt. Er hatte zwar bis jetzt schon des Öfteren die Erfahrung gemacht, wohin dieser führte. Trotzdem schien der blonde Kiffer nicht zu einer Spezies zu gehören, die aus ihren Fehlern lernte.

Ohne groß nachzudenken, tauchte er seine Hand in das Wasser und spritze der Rothaarigen einen Schwall Wasser entgegen.

Das wiederum löste bei ihr ein doch sehr hysterisch klingendes "Iiiekkk!" aus.
 

Liliths rote Haare sahen nach Katos Attacke doch etwas zerzauster aus. Sie hingen in dunkelroten Strähnen herunter und umrahmten ihre schmalen Körper. Mit glühenden Augen starrte sie Luzifers Haustier an, welches sich ob seines kleinen Triumphes schadenfreudig ins Fäustchen lachte.

"Na warte..." Die Schlange setzte nun ihrerseits zum Gegenangriff an.

Kato hatte den Sinngehalt dieser Worte noch nicht wirklich verarbeitet, als auch schon eine ganze Flutwelle von Wasser auf ihn zukam.

Er wurde von den Füssen gerissen und plumpste rückwärts in das warme Nass.
 

Lilith hielt sich lachend den Bauch, als das durchtränkte Haustier mit einem mehr als sauren Gesicht wieder auftauchte. Doch der Blonde wollte diese Schmach nicht auf sich beruhen lassen und stürzte sich kurzerhand auf die Schlange. Er riss sie mit sich und beiden verschwanden unter der Wasseroberfläche.
 

"Hm Hm!" Luzifer stand mit verschränkten Armen vor den zwei Übeltätern, von oben bis unten durchnässt. Sein dunkles Haar tropfte und er hatte wieder diesen unheilverheißenden Gesichtsaudruck.

"Geht es euch zwei gehirnlosen Idioten eigentlich noch gut! Was fällt euch ein, hier ein solches Theater zu veranstalten...!"

Das Haustier senkte beschämt sein Haupt. Was jedoch kein minder großer Fehler als den Teufel zu durchweichen, denn da dieser nun in seiner vollen Lebensgröße vor ihm stand und das Badewasser gerade mal bis zu dessen Oberschenkeln reichte, hatte Kato freie Sicht auf etwas eher intime Partien von Luzifers absolut überwältigendem, wunderschönen, perfekten, makellosen.... Körper.
 

Der Sklave musste schlucken. Also DAS erklärte, warum er nicht mehr richtig hatte sitzen können. Eine zarte Röte schlich sich auf die Wangen des Sklaven und er suchte verzweifelt einen anderen Punkt auf den er sein Interesse richten konnte. Sein Blick glitt also ein wenig höher und blieb am wohlgeformten Nabel des gefallenen Engels hängen. Seltsame Gedanke wie, was wäre wenn er jetzt dort seinen Finger reinstecken und den kleinen Wassertropfen, der so verspielt in der kleinen Höhle hing, rauspulen würde, gingen ihm durch den Kopf....

Erschrocken über sich selbst, schüttelte er den Kopf und beschloss nun seine Beachtung uninteressanteren Körperparteien zuzuwenden. Wie zu Beispiel dem Hals. Was bitte war an einem simplen Hals schon schön oder gar erotisch. Der Sklave musterte die weiße, mit kleinen glitzernden Wassertropfen übersäte Haut hoffnungsvoll, musste aber schnell feststellen, dass sie absolut nicht die erwartete Wirkung auslöste. Langsam wurde ihm schwindlig....

Also noch weiter rauf. Kinn, Mund.... Oh mein Gott, der Mund! Schnell weg von diesen Lippen!

Der Blonde wurde das Gefühl nicht los, dass sein Körper gerade etwas sehr SEHR Dummes tat. Er verteilte nämlich die rote mit Sauerstoff angereicherte Flüssigkeit, die im Volksmund auch gern als Blut bezeichnet wird, in Regionen, wo sie eigentlich nicht wirklich erwünscht war. Sie war nämlich - neben seinem feuerrot angelaufenen Kopf - gerade dabei mit 200 km/h in südliche Gebiete vorzustoßen.
 

~~~~~
 

Lilith hatte den mentalen Kraftakt des Sklaven mit allergrößter Freude beobachtet. Nicht dass es sie wirklich erstaunte, dass das Haustier zwischen Rebellion und Hörigkeit gegenüber seinem Herrn hin- und hergerissen war. Das war eigentlich normal. Denn der gefallene Morgenstern hatte bis jetzt noch jeden um den Finger wickeln können; wenn er es wollte. Da nahm sie eigentlich nicht an, dass dieses dumme Menschenkind eine Ausnahme sein würde.

Allerdings erstaunte sie diese, immer noch vorhandene, Sturheit. Die roten Striemen auf Katos Rücken waren auch für sie nicht zu übersehen gewesen, dennoch wagte es das Haustier tatsächlich noch ansatzweise so etwas wie einen eigenen Willen zu haben. Das war beeindruckend.
 

Sie folgte den verschleierten Blick des Blonden, der wie hypnotisiert an den Lippen des Teufels hing. Ja, Luzifer war schon schön, aber seinen Charakter konnte man wegwerfen!
 

~~~~
 

Kato musste unbedingt etwas dagegen tun! Es konnte nicht sein, dass ihn der Anblick seines tropfnassen Meisters derart aus der Fassung brachte.

Es blieb also nur noch eine Möglichkeit: die Augen. Auf Luzifers Augen konnte man sich immer verlassen, denn sie waren immer eiskalt. Das würde ihn bestimmt abkühlen!
 

Doch Fehlanzeige! Die blau-grauen Edelsteine schienen mal ausnahmsweise die Wassermoleküle in der Luft nicht zum Gefrieren zu bringen, sondern schienen..... amüsiert.

"Siehst du etwas, das dir gefällt, Sklave?" der Teufel griff nach dem Halsband und zog ihn zu sich.

"Wart Ihr nicht vorher noch wütend?" verzweifelt versuchte der Blonde eine Ausrede, eine Fluchtmöglichkeit, einfach etwas, das ihn aus dieser Situation retten würde, aufzutreiben.

"Ich vergebe dir!"

Luzifers Hand wanderte tiefer und umfasste Katos straffen Hintern.

"Ähh.. N-nein....äh... Ihr s-solltet wirklich strenger sein.... Ihr solltet mir nicht so schnell vergeben!" Der Sklave versuchte sich aus der Umarmung seines Herrn zu befreien, während in seinem Innern, sich die Stimme der Vernunft gerade an den Kopf fasste. 'Du hast ihm gerade gesagt, dass er dich bestrafen soll! Bist du noch bei Trost, du hoffnungsloser, gehirnamputierter IDIOT!'
 

Luzifer hatte das kleine Spielchen seines Sklaven natürlich schon längstens durchschaut. Aber bitte, wenn sein Haustier spielen wollte... Das konnte er auch!

Er war sowieso momentan enorm guter Laune, da konnte er auch mal über die Vergehen des dummen Junkies hinwegsehen. Denn dieser hatte gerade bewiesen, dass es zumindest körperlich von seinem Meister angezogen war. Und das war ein erster Schritt. Von hier aus würde es nicht mehr weit sein, bis er auch den Rest von Kato ihm ebenfalls verfallen war.

Schließlich wollte er sein Spielzeug nicht zerbrechen, sondern nur zähmen!
 

Luzifer drückte dem zappelnden Haustier noch einen harten Kuss auf, denn ließ er es aus seiner Umarmung frei. Kato stolperte sofort rückwärts und versuchte einen möglichst großen Abstand zwischen sich und dem Teufel zu bringen.
 

Der Herr der Hölle hatte wieder dieses seltsame undurchschaubare Lächeln auf den Lippen, das er als sehr gefährlich zu deuten gelernt hatte.

"Also gut, Sklave, du hast recht. Eigentlich bin ich viel zu nett mit dir. Wir werden deine Bestrafung nachher fortsetzen..." er deutete auf den Ausgang.

"...zieh frische Sachen an und geh dann zurück in den Festsaal neben dem Garten Eden. Dort wirst du auf mich warten.... Und wag es bloß nicht, noch mal wegzulaufen!"

Kato musste schlucken. Er war ja so dumm.... So viel Dummheit konnte es gar nicht in einem einzelnen Menschen geben!
 

Mit hängenden Schultern und gesenktem Blick drehte sich der Sklave um und machte sich auf den Weg das Bad zu verlassen. Er erhaschte bei Hinausgehen noch einen kurzen Blick auf Lilith, die sich vor Lachen kaum noch halten konnte. Sie hatte ihre schönen roten Lippen zusammengepresst und versuchte wirklich mit aller Macht, dass es nicht aus ihr herausplatzte.

Kato warf ihr noch einen tödlichen Blick zu, stieg dann aber die Treppenstufen hoch und ging hinaus.
 

~~~~~
 

Kaum hatte der Blonde die Türschwelle überquert, prustete die Schlange sehr unschlangenhaft los.

"Bei allem Göttern und Dämonen... Er ist witzig!"

Sie ließ sich rückwärts ins Wasser fallen.

"Ich hatte mir ja schon gedacht, dass er was Besonderes sein muss, wenn du ihm soviel Aufmerksamkeit schenkst, aber das..." sie deutete auf die Tür.

"...übersteigt alle meine Erwartungen!"
 

"Schön, dass er dir gefällt. Deine Meinung ist mir enorm wichtig." den Sarkasmus in der Stimme des Teufels hätte selbst ein Tauber bemerken müssen.

Lilith beruhigte sich langsam wieder von ihrem Lachflash. Sie lehnte ihren Kopf an den Beckenrand und betrachtete Luzifer mit einem seltsam prüfenden Blick.

"Aber jetzt mal ernst... Der Kleine ist dir wichtig!"

Luzifer zog seine Augenbraue hoch. "Lilith, ich bitte dich, sei nicht kindisch!" er wandte seinen Blick zu zum Seitenbord mit den farbigen Flakons. Mit gemächlicher Bewegung wanderte seine Hand zu dem kleinen roten Glasbehälter in der Mitte. Er entstöpselte ihn und roch kurz prüfend an der Flüssigkeit.

"Nein, du bist kindisch, Morgenstern..." Sie seufzte theatralisch und setze sich wieder etwas aufrechter hin in ihrer Position, "...ich kenne dich nun schon fast seit der Erschaffung der Menschheit... und deswegen wage ich zu behaupten, dich so gut zu kennen, das ich unterscheiden kann, wann dir jemand wichtig ist und wann nicht!"

"Aha" entgegnete der Teufel uninteressiert. Er war gerade dabei, die rote Flüssigkeit in seine Hand zu träufeln.
 

"Ich kann das nicht mit ansehen!" Lilith überwand die Distanz zwischen ihnen und schnappte sich den kleinen Glasbehälter von Luzifer. "Gib her!"

Sie positionierte sich hinter ihm und begann den Rücken des Teufels gleichmäßig mit dem dickflüssigen Saft einzureiben.

"Aber weißt du, worauf ich hinaus will ist, dass sogar du jemanden brauchst...."

"Aha"

"Lass das! Ich meine doch nur, dass selbst wenn du immer so eiskalt tust, auch du Gefühle hast. Morgenstern, ich kenne dich besser als es dir vielleicht bewusst ist, denn wir sind uns sehr ähnlich..."

"Wir sind uns ähnlich?!" mit einem spöttischen Unterton hatte sich der Teufel umgewandt.

"Ja, sind wir!" Sie drehte seinen Kopf wieder nach vorne. "... Wir haben beide das Paradies aufgeben, damit wir wir selbst sein konnten. Ich verließ Adam, diese Flasche von einem Mann, weil er nicht akzeptieren konnte wer ich war. Ich zog Verbannung, Einsamkeit und schlussendlich sogar die Hölle, diesem falschen Paradies vor. Aber so stark ich auch bin oder vorgebe zu sein, ich würde mir trotzdem hin und wieder jemanden wünschen, der mein Herz versteht.... Und du.... Du bist genauso!
 

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Dann war die ruhige und kalkulierte Antwort des Teufels zu vernehmen: "Nein, Lilith... Ich bin nicht so wie du!"

Die Schlangenfrau hielt in ihrer Tätigkeit des Rückenmassierens inne und gab dem Herrn der Hölle somit die Möglichkeit sich ihr zuzuwenden.

"Ich bin nicht wie du...." Etwas in seiner Stimme sagte der Rothaarigen, dass die Diskussion jetzt beendet war. Dennoch....

"Aber..."

"Nichts aber..." Luzifer drehte seinen Kopf wieder nach vorne, so dass sie ihre Arbeit an seinem Rücken wieder aufnehmen konnte.

"Lass mich doch bitte zuerst ausreden!" Lilith zischelte schon leicht, denn ihre andere schlangenhafte Seite trat bei emotionaler Erregtheit schnell zu Tage.

"Bitte..."

"Also.... " Sie legte eine signifikante Pause ein, "...wenn dir der Junge wirklich egal ist, warum dann er? Er ist nun wirklich nichts Besonderes. Weder ist er besonders schön, noch besonders klug, noch hat er sonst irgendwelche verborgenen Talente. Er ist ganz einfach nur ein kleiner dummer Kiffer, der - wäre er nicht in die ganze Messias-Sache verwickelt worden - sich wahrscheinlich solange zugedröhnt hätte, bis er ob seinem Drogenkonsum krepiert wäre.... Solche wie ihn gibt es zu Tausenden, wenn nicht zu Millionen.... Warum also er?"
 

Luzifer antwortete nicht und Lilith fuhr unbeirrt damit fort das zu tun, was sie schon vorher getan hatte: ihm den Rücken waschen. Doch hätte sie sich nur einmal aus ihrer Position hinter dem Teufel wegbewegt und ihm ins Gesicht gesehen, hätte sie vielleicht bemerkt, dass sie einen empfindlichen Nerv getroffen hatte.
 

"Und? Was ist jetzt?" die Schlange wurde langsame ungeduldig.

"Weil ich es so will!" der Höllenfürst hatte sehr bedacht gesprochen, kein Wort hätte seine wahren Emotionen verraten können.

"Ja, das ist schon klar... Aber warum willst du es so?" hackte sie nach.
 

Urplötzlich wirbelte der Teufel herum und Lilith taumelte rückwärts. Er funkelte sie aus bösen Augen an. "Jetzt gehst du zu weit, Mensch!"

"Schon gut, schon gut!" sie hob abwehrend die Hände. "Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Aber bitte...." die rothaarige Schönheit rappelte sich wieder auf und deutete auf Luzifers Oberkörper. "... lass mich dir die Seife fertig abspülen."

Der Herr der Hölle bedachte sie noch mit einem prüfenden Blick, setze sich dann aber wieder in die vorherige Position.

Sie schwiegen......
 

TBC
 

A/N: Tja, das war Lilith. Manche mögen sich jetzt fragen, was für ein seltsames Verhältnis sie und Luzifer haben. Nun, ich hatte sie mir eigentlich als so eine Art "beste Freundin" vorgestellt, soweit denn jemand wie der Teufel Freunde hat.

Als ich mich ein wenig über ihre Legende schlau gemacht habe, ist mir aufgefallen, dass die zwei auf ihre eigene verkappte Art doch sehr gut zusammenpassen*g*

Kapitel 22

Kaum war Kato über die Türschwelle getreten, hörte er auch schon hinter sich schallendes Gelächter.

'Scheiß Schlange!'

Mit einem leisen Knurren auf den Lippen ging er weiter und verteilte dabei gewissenhaft eine Spur Wassertropfen hinter sich. Er triefte immer noch vor Nässe und ohne die Wärme des Badezimmers begann er langsam ein wenig zu frösteln.

Der Sklave schaute sich um und suchte nach einem Tuch oder sonst einem Stück Stoff, das er missbrauchen konnte, um sich ein wenig abzutrocknen.

Sein Blick viel auf das mit schwarzem Samt bezogene Bett......

Nein, lieber nicht. Man konnte schließlich nie wissen, was sich sonst noch für Viecher hier herumtrieben außer schlangenhaften Frauen.

Also doch direkt was anziehen. Schließlich hatte Luzifer ja gesagt, er solle sich ein paar frische Sachen holen. Allerdings bezweifelte der Sklave, dass er sie sehr lange tragen würde, wenn man seinen sonstigen Klamottenverschleiß so betrachtete. Die einen hatte er "verloren" und die anderen... na ja, waren nicht mehr wirklich brauchbar.

Kato seufzte und ging etwas weiter. Was er jetzt bräuchte, wäre einer dieser Kleiderschränke, die aus dem Nichts auftauchten…
 

...und als hätte das Schicksal einen etwas seltsamen Sinn für Humor, fiel der Blick des Blonden plötzlich auf ein dunkles Möbel das unauffällig und still, schräg hinter dem großen Bett zum Vorschein kam. Als hätte es schon immer dagestanden, schien es sich aus dem Schatten zu lösen und die Aufmerksamkeit des Sklaven auf sich zu ziehen.

Bingo! Das sah doch aus wie ein Kleiderschrank!

Immer noch leicht tropfend, steuerte er also das Möbelstück an. In Gedanken ging er schon die Möglichkeiten, was ihn hinter den schwarzen Holztüren alles erwarten konnte, durch. Denn die Erinnerung an Belials Schwesternkostüm war noch allzu präsent in seinem Geist und Kato hoffte wirklich inständig mal was "Anständiges" zum Anziehen zu ergattern.
 

Er drehte den kleinen Metallschlüssel und wollte die Türe aufziehen. Doch nichts tat sich. Der Schrank blieb verschlossen. Der Blonde zerrte etwas fester, doch das einzige Resultat war, das ihm im Nachhinein die Finger wehtaten.

"Scheiß Kasten!" Er trat einmal kräftig dagegen. Doch jeder mit einem bisschen mehr Verstand als Kato, würde wohl erkennen, dass es ziemlich dumm war, barfuss gegen eine Holztüre antreten zu wollen.

"Auuuu!!!" heulend hielt er sich den Fuß und versuchte den Schrank mit einem bösen Blick zu strafen. Doch dieser war natürlich reichlich unbeeindruckt von den Kapriolen des Haustiers und blieb stumm... und verschlossen.
 

Der Sklave rappelte sich wieder auf und stellte sich mit in die Hüften gestemmten Armen vor das Möbel. Seine Augen glitten über das dunkle Holz und suchten prüfend nach einer Schwachstelle des Gegners. Doch nichts war zu finden.

Der kleine Schlüssel war wohl die einzige Möglichkeit den Schrank aufzukriegen. Kato packte das Metallteil also noch einmal, rüttelte etwas daran, drehte zuerst nach links, dann zweimal nach rechts... und plötzlich machte es klick... Die Schranktür sprang auf.

Auch im Gehirn des Sklaven machte es klick. Hatte er nicht zum Beginn den Schlüssel nach links gedreht, dann nach seiner Kickattacke noch einmal und dann zweimal zurück nach rechts. Dann war der Schlüssel doch wieder in Ausgangsposition. Das hieß dann also, dass der Schrank von Anfang an offen gewesen war!

Kato fasste sich geistig an den Kopf und linste vorsichtig über seine linke Schulter. Das hatte niemand gesehen, oder?
 

Vorsichtig zog er also den Türflügel auf, etwas misstrauisch, was ihn erwarten würde. Doch ihm sprangen keine SM-Spielzeuge entgegen und auch kein Krankenschwester-Betty-Verschnitt.

Kato atmete erst einmal erleichtert aus und musterte dann die Gardarobe. Ok, zwar keine perversen Rollenspielkostüme, aber dafür war die Farbwahl ziemlich eintönig. Schwarz. Wirklich ausnahmslos alles schwarz.

Nicht, dass er ein sehr bunter Typ gewesen wäre, aber eine kleine Abwechslung, nur schon in Form von dunkelblau, wäre für den Sklaven echt ein Lichtblick gewesen.

Nun gut, dann halt nicht. Er ließ seine Hand über die Stoffe gleiten und zog wahllos eines der Stücke heraus. Ein Hemd. Ein schwarzes Hemd, sollte man betonen. Kato ließ den feinen Stoff durch seine Finger gleiten und musste dabei überrascht feststellen, wie weich er doch war. War das Seide? Nicht, dass der Kiffer wirklich eine Ahnung von Stoffen hatte, oder je in seinem Leben schon mal so was wie ein Seidenhemd getragen hatte, aber sogar er hatte schon mal von den kleinen süßen Raupenviechern gehört, die diesen heiß begehrten Stoff produzierten.

Prüfend drehe er es hin und her und konnte sich nicht so recht entscheiden, ob er das Hemd jetzt anziehen sollte. Nicht, dass es sich nicht absolut großartig zwischen seinen Fingern angefühlt hätte. Aber wenn ihn der Anschein nicht trog, gehörten diese Sachen dem Teufel persönlich. Und Kato wollte sich wirklich nicht schon wieder dessen Unwollen zuziehen...
 

Allerdings... Einmal anprobieren würde schon niemanden umbringen.

Er streifte den schwarzen Stoff über seine immer noch leicht feuchten Schultern. Das Hemd klebte etwas an seiner Haut, dennoch wurde Kato das Gefühl nicht los, als hätte ihn mit Anlegen des Kleidungsstücks ein warmer Windhauch gestreift. Wow, das war also Seide. Fühlte sich großartig an!
 

~~~~
 

Der Sklave kramte weiter in dem Schrank. Natürlich hatte er das Hemd nicht wieder ausgezogen. Wer würde sich schon von etwas, das sich so gut anfühlt, so früh trennen. Verspielt wippte das schwarze Stoffstück leicht hin und her bei jeder Bewegung seines nackten Trägers und bildete dabei einen deutlichen Kontrast zu dessen weißer Haut.

Kato zog eine schwarze Hose aus dem Repertoire. Er befühlte kurz das Material. Normaler Stoff, schien noch dazu ziemlich robust zu sein. Er nickte zustimmend und wollte schon mit einem Bein in die Hose steigen, als er nochmals inne hielt.

Der Sklave drehte seinen Kopf zurück und sein Blick glitt noch einmal musternd über die Kleidung....
 

Ok, er hatte es versucht.... Er hatte wenigstens nachgeschaut, ob noch so was wie Unterwäsche in dem Schrank war. Aber wie es den Anschein machte, schienen die meisten Höllenbewohner nicht besonders viel auf diese diskreten kleinen Fetzen zu halten. Resignierend konzentrierte Kato sich wieder darauf, in das Stück Stoff, das so lose an seinen Beinen herumbaumelte zu schlüpfen. Er zog die Hose nach oben - ohne etwas darunter, wohl bemerkt - und knöpfte sie zu.

Prüfend stich er sie glatt und beäugte das Material, wie es fließend nach unten fiel. Ok, sie war vielleicht etwas zu lang. Aber wenn sie tatsächlich Luzifer gehörte, war das auch nicht weiter verwunderlich. Aber was man jetzt bräuchte, wäre ein Spiegel.....
 

Kato schaute sich in dem Raum um, entdeckte aber nirgendwo ein solches Ding, das seinen Absichten hätte dienlich sein können.

Er zog es in Betracht, es noch mal mit der "Ich-wünsch-mir-jetzt-ganz-doll-nen-Spiegel-her-der-dann-aus-dem-Nichts-auftaucht"-Taktik zu versuchen. Allerdings schien sie nicht so gut zu funktionieren, wie bei Schränken.

Der Sklave seufzte und hatte die Hoffung, noch einen Blick auf sein schwarzgekleidetes Selbst zu werfen schon beinahe wieder aufgegeben als ihm etwas ins Auge stach...
 

Ja, natürlich! Die Glasvitrine mit dem Apfel drin. Wieso war er nicht gleich drauf gekommen. Enthusiastisch lief der Blonde zu dem halbhohen Steinsockel hinüber.

Sein Blick fiel auf die Spiegelung im Glas. Zuerst konnte er nicht viel erkennen, doch dann wurde das Bild langsam klarer. Ein blasser junger Mann schaute Kato entgegen, der ein schwarzes Hemd und eine schwarze Hose trug. Er sah eigentlich gar nicht so schlecht aus, wenn man von dem kritischen Ausdruck in seinem Gesicht und den wirren feuchten Strähnen, die ihm in die Stirn hingen, absah.

Das Spiegelbild wischte sich die Haare aus dem Gesicht und drehte sich ins Seitenprofil.

Auch Kato selbst hatte sich zur Seite gedrehte und begutachtete sich. Das schwarze Seidenhemd war ihm von den Schultern gerutscht und gab den Blick auf seinen schlanken Oberkörper frei.

Der Blonde zog die Stirn kraus. Er war etwas mager...

Früher hatten ihm das die Leute oft gesagte, aber damals hatte es ihn einen Dreck gekümmert, wie er aussah und was die Leute dazu sagten. Allerdings war jetzt jetzt und nicht damals...
 

Er zog den Seidenstoff wieder nach oben und bedeckte seine nackten Schultern damit. Auch das Hemd war etwas groß für ihn, aber wenigstens lief man nicht Gefahr darüber zu stolpern wie bei der Hose.

Dennoch knöpfte er sich sicherheitshalber zwei Knöpf zu.
 

Kato warf noch mal einen Blick auf sein Spielbild. Er war noch immer nicht sicher, ob er die Sachen wirklich anbehalten sollte...

Aber Luzifer hatte ja eigentlich gesagt, er sollte sich etwas Frisches zum Anziehen holen. Und er hatte nicht spezifiziert woher...

Beruhigt von dem Gedanken, dass er jetzt eine plausible Entschuldigung für den Fall hatte, wenn es dem Teufel doch nicht gefallen sollte, dass er sich einfach an den Sachen aus dem mysteriösen Wandschrank vergriffen hatte, steuerte der Sklave auf den Ausgang zu.
 

~~~~
 

Katos Kopf drehte sich zunächst misstrauisch nach rechts, dann nach links. Ok, woher waren sie schon wieder gekommen?

Der Sklave sah sich vor dem großen Problem stehend, dass der Teufel von ihm verlangt hatte, dass er doch tatsächlich alleine den Weg zurück in den Festsaal finden sollte. Das war nun wirklich eine Herausforderung, wenn man bedachte, dass Katos Orientierungssinn mit der einer Ameise im Labyrinth des Minotaurus zu vergleichen war.

Er drehte sich um und betrachtet die Tür mit den silbernen Ornamenten hinter sich noch mal. Also, wenn er richtig lag, dann hatte er sie beim Hereinkommen aus einer Perspektive etwas mehr rechts vom jetzigen Standpunkt gesehen. Kato tat einen großzügigen Schritt zur Seite und musterte das schwarze Portal noch einmal. Ja, so dürfte das etwa stimmen!

Zufrieden über seine eigene Genialität, den Weg auf diese Weise zurückzuverfolgen, drehte sich der Sklave um und schlug den linken Pfad ein.
 

Ihm war schon etwas mulmig zumute. So allein durch diese immer finsteren Gänge zu wandern und mal keinen wütenden Teufel im Rücken zu haben, empfand der Blonde doch als überaus beunruhigend. Er hatte noch sehr gut in Erinnerung, was bei seinem letzten kleinen Ausflug auf eigene Faust passiert war und er war wirklich alles andere als scharf darauf eine erneute Begegnung mit irgendwelchen Schattenfeen zu haben.

Kato wanderte weiter und hatte die Arme um sich selbst geschlungen. Einerseits aus reinem Selbstschutzinstinkt und andererseits weil ihm tatsächlich etwas kalt war. Diese scheiß Hölle schien neben ewigem Zwielicht auch noch die Angewohnheit zu haben, immer etwas untertemperiert zu sein. Außerdem kam noch dazu, dass der Sklave vor noch nicht allzu langer Zeit einem wundervoll warmen Bad entstiegen war, dessen Überbleibsel noch immer in Form ein paar feuchter Strähnen von seinem Kopf hingen.
 

Zu seiner Linken löste sich langsam, schemenhaft eine Tür aus der Dunkelheit. Und in Katos Geist schlich sich unweigerlich der Gedanke, dass das die Tür zur Folterkammer sein musste, in der ein paar ach so schöne Stunden verbracht hatte. Der Blonde musste schlucken und entschied, ohne die Tür weiter zu beachten, daran vorbeizugehen. Doch das stellte ihn vor ein neues Problem. Er und sein Herr waren den Weg vom Festsaal hierher nicht 'gegangen', sondern waren im wahrsten Sinne des Wortes in einem Strudel aus schwarzen Federn hier angewirbelt worden.

Kato schaute hinter sich. Ok, der Gang verlief nur in eine Richtung weiter, aber das hieß nach lange nicht, dass das auch der Weg zum Festsaal war. Nicht alle Wege führten nach Rom und manchmal täuschten sich auch Sprichwörter.

Der Sklave seufzte und lehnte sich an die Wand. Er wollte lieber nicht weitergehen. Denn selbst unverbesserliche Junkies lernen manchmal aus ihren Fehlern… auch wenn das bei Kato nur sehr selten der Fall war....

Entmutigt ließ er sich an der Wand nach unten gleiten und stützte den Kopf auf seine Hand ab. Eine leichte Gänsehaut überzog seinen Rücken. Die Kälte des Steins durchdrang den dünnen Seidenstoff nur allzu leicht.

Der Sklave wusste wirklich nicht mehr so recht, was er tun sollte. Jetzt, wo er mal wirklich die Absicht hatte, die Befehle seines Herrn auszuführen, kam ihm die grausame Realität in die Quere, die verhinderte, dass er auch nur ansatzweise eine Ahnung hatte, wo er langgehen sollte, um den besagten Zielort zu finden. Was für eine Ironie...
 

Kato rieb sich die Oberarme in der Hoffnung, so etwas Wärme für sich zu gewinnen. Ohne jedoch großen Erfolg zu erzielen. Er schaute sich noch einmal um und zog es für einen Moment in Erwägung nach Hilfe zu rufen. Allerdings schaltete sich schon nach kürzester Zeit wieder die kleine Stimme in seinem Hinterkopf - die sich seit Beginn dieses relativ hanffreien Aufenthaltes in der Hölle verhältnismäßig oft zu Wort meldete - ein und ermahnte den Selbsterhaltungstrieb in Kato daran, dass die Chance, so nur die Aufmerksamkeit irgendeines Perversen auf sich zu ziehen, wahrscheinlich bei Weitem größer war als wirklich auf Hilfe zu stoßen.
 

Aber was dann?
 

Nun schlussendlich siegte doch Kälte und Verzweiflung vor Vernunft. Ganz leise und kaum hörbar verließ das Wort den Mund des Sklaven:

"H-i-l-f-e"

Er saß immer noch zusammengekauert an seiner Steinwand und hatte die Knie dicht an seinen Körper gezogen.

"Hilfe!" dieses Mal kam die Artikulierung schon etwas deutlicher. Kato schaute sich um, ob vielleicht nicht jemand seinen miserablen Ruf gehört hatte.

Aber nein... Natürlich eilte kein Ritter auf weißem Ross herbei, um die blonde Jungfrau zu erretten. Nun gut, Jungfrau war vielleicht nicht ganz korrekt. Aber der Sklave war wirklich an einem Punkt, wo er sich wünschte, jemand würde auftauchen und ihm sagen, wo's lang geht. Er bestand noch nicht mal auf den Schimmel, ein einfacher Wegweiser hätte schon vollkommen ausgereicht, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Wäre doch Luzifer hier...
 

Halt mal! Hatte er das jetzt wirklich gedacht?! Nein zum Teufel! Bloß nicht Luzifer, der wollte ihn schließlich bestrafen. Eigentlich sollte er dankbar dafür sein, dass er sich verirrt hatte, das würde ihn zumindest für eine Weile vor einer erneuten Schmerz-und-Folter-Session mit dem Herrn der Hölle bewahren. Gut, 'bewahren' war vielleicht das falsche Wort, aber es würde die unumgängliche Konsequenz etwas hinauszögern und noch dazu verschaffte es ihm eine Ausrede.

Allerdings hätte Kato seine Seele darauf verwettet, dass es dem Teufel ja so was von egal war, ob er nun eine Begründung für sein Nichterscheinen hatte oder nicht.

Und wieder musste das Haustier schlucken. Ja, Luzifer wäre es absolut Schnuppe, ob er sich verlaufen hatte oder nicht. Er wollte, dass sein Sklave zu besagter Zeit an besagtem Ort war... und alles andere war egal.

Eigentlich wollte Kato den Fürst der Finsternis wirklich nicht noch unnötig provozieren.....
 

Also doch Hilfe...
 

"Ist hier jemand?!.... HALLO!.... Kann mich jemand hören!" Der Blonde hatte sich erhoben und schrie nun lauthals durch die Gegend. Seine früheren Gedanken hatte er in Erwägung der Tatsache, ob ihn nun das Zusammentreffen mit einem Perversen oder Luzifers Wut härter treffen würde, über Bord geworden.
 

Er drehte sich um seine eigene Achse und hielt Ausschau nach allfälligen Bewegungen in den Schatten. Doch nichts geschah. Alles blieb ruhig und Kato war nach wie vor allein.

"Hallo...?"

'Hallo...?' hallte das Echo zurück. Kato starrte in die Dunkelheit

"Ist da jemand?"

'Ist da jemand?' die höhnische Stimme, die von den Steinwänden zurückgeworfen wurde, war der einzige Begleiter des Sklaven als er langsam ein paar Schritte vorwärts tat.

Hier zu bleiben, würde nichts bringen. Natürlich könnte er (wieder mal) warten bis der Teufel auftauchte, um ihn zu holen, aber das hätte dann nur zur Folge, dass der umso wütender sein würde.

Also nahm das kleine blonde Haustier all seinen Mut zusammen und setzte seinen Weg in unbekannte Gefilde fort.
 

~~~~~
 

Warum zum Teufel mussten diese verdammten Gänge auch die Angewohnheit haben, dass je länger man sich in ihnen befand, sie immer dunkler und unheimlicher wurden!?

Kato schauderte und warf noch mal einen misstrauischen Blick über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass er auch wirklich alleine war.

Er war nun schon seit geraumer Zeit demselben Weg gefolgt und nichts hatte sich getan. Der Gang war einfach immer geradeaus weiter gegangen. Bis in die Unendlichkeit.
 

Ok, was konnte man gegen düstere Stimmung tun? Man stimmte ein kleines Lied an. Und das möglichst schräg, um so auch noch die letzten unentdeckten Zuhörer zu vertreiben.

Der blonde Kiffer hatte sich nie als sehr musikalisch angesehen. Die einzigen Gelegenheiten, wo er so etwas, wie nicht vorhandene gesangliche Begabung an den Tag gelegt hatte, waren Saufabende, bei denen Unmengen von Bier, ihre Trinker zu einer überaus unschönen Artikulierung ihres Rausches getrieben hatten. Auch Kato hatte seiner Freude immer gern mit so genanntem Gesang Luft gemacht.
 

"Che sera, seraaaaaaaaaaaaa....." es kratzte etwas in Hals des Sklaven. Ohne Alkohol waren diese musikalischen Auswüchse wirklich viel schwerer als er erwartet hatte.

"Che sera, sera.... Whatever will be, will be~...." außerdem schien sein Repertoire an Liedern etwas eintönig zu sein, denn es beschränkte sich, genau wie seine Singkunst im Allgemeinen, auf Songs, die er ebenfalls an besagten Saufabenden aufgeschnappt hatte.

"Che sera, sera... whatever will be, will be... the future's not ours to seeeeeee..." und weiter? Er hielt mitten in seinem Geträller inne und schüttelte den Kopf. Es war wirklich schlimm mit seinem Kiffergedächtnis.
 

Der Blonde hustete etwas vor sich hin, entschied dann aber es noch mal zu versuchen. In der Hoffung der entsprechende Text würde ihm während des Singens selbst einfallen, holte er tief Luft und setzte noch mal an: " Che sera, sera.... whatever will be, will be... the future's not ours to see....." und weiter kam er schon wieder nicht .... Doch dieses Mal sollte Abhilfe geschaffen werden, denn eine sehr schöne Stimme irgendwo aus dem Dunkeln half den Sklaven aus und ergänzte Doris Days Hymne zum finalen Schluss.

"The future's not ours to see.... che sera, sera~"
 

Der Besitzer der Stimme trat aus dem Schatten und baute sich vor Luzifers Haustier auf. Dieses trat rein gewohnheitsmäßig einen Schritt zurück. Schließlich konnte man nie wissen, was für Freaks man hier so antraf.

"Du singst grauenhaft... " meinte der Unbekannte, "...schlimmer als zehn rollige Kater, die zu Tode gefoltert werden!"

Kato schaute die Figur entsetzt an. Langsam dämmerte es ihm, wer da vor ihm stand und auch die Stimme hatte so was wie ein "déjà-entendu-Gefühl [1]bei ihm geweckt.
 

"Hutmacher..." stammelte er.

"Wer denn sonst?!" Belials weiß-geschminktes Gesicht löste sich langsam aus der Dunkelheit.

"Du kannst froh sein, dass dein jämmerliches Gejaule nicht irgendwelche anderen Dämonen angelockt hat... die nicht so nett sind wie ich..." Sie klang ein wenig vorwurfsvoll. Doch Kato zog es vor, die unausgesprochene Warnung zu übergehen und in seinem Hinterkopf lieber darüber zu debattieren, wie der verrückte Hutmacher auf die total verrückte Idee kam, sie könnte auf irgendwen "nett" wirken.
 

Während er so darüber nachdachte, kam ihn eine Idee, die wie eine Glühbirne in der Finsternis sein vernebeltes Gehirn erleuchtete.

"Sag mal, wenn du schon so nett bist, könntest du mir dann nicht sagen, wie ich von hier aus zum Festsaal komme?" der Blonde setzte seinen besten Hundeblick auf.

Belial musterte ihn bloß abschätzig und zog ihre kunstvoll geschwungene Augenbraue kraus. "Glaub bloß nicht, dass ich auf den billigen Trick reinfalle. Schließlich bist du hier in der Hölle..."

Das liebevolle Lächeln in Katos Gesicht erstarb und er seufzte entnervt auf.

"Aber du musst mir wirklich helfen, ich hab mich echt verlaufen..."

"Es wundert mich sowieso, dass du überhaupt noch laufen kannst, nachdem was du angestellt hast..." sie warf dem Haustier einen Das-geschieht-dir-recht-Blick zu.

"Jaja..." meinte der Sklave und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. "...die Falle war ja auch so fair!"

Nun schlich sich doch ein kleines Lächeln auf das Gesicht des Erzdämons.

"Ja vielleicht hast du recht....." sie trat wieder einen Schritt näher auf den Sklaven zu. "...wer hätte bei einer derart verführerischen Fallen schon widerstehen können..." Belial wuschelte ihm durch die Haare. Was bei dem Sklaven lediglich ein überaus energisches "Fass mich nicht an, Schlampe!" auslöste.

"Na na, nur nicht gleich unhöflich werden...." sie richtete ihren Hut und ein überaus charmantes Lächeln zierte wieder ihre roten Lippen. "...wo sagtest du, wolltest du hin?"

Kato beäugte sie misstrauisch.

"Zum Festsaal... Warum willst du mir jetzt trotzdem helfen?"
 

Der Hutmacher seufzte theatralisch. "Kann ich nicht einfach mal nett sein?"

"Nein, du nicht... und vor allem nicht, wo du doch vorhin noch was ganz anderes gesagt hast!" der Sklave stütze die Arme in die Hüften.

"Ach, du bist immer so pessimistisch, Kato-kun!" sie wollte dem Blonden schon wieder durch die Haare wuscheln. Dieses Mal aber reagierte dieser schnell genug und nahm einen Satz rückwärts.

Er bedachte den Satan der Hochmut mit einem vorwurfvollen Blick.
 

Der Dämon stand bewegungslos einen Meter vor dem Sklaven. "Es ist bewundernswert, welch großes Maß an Naivität du schon verloren zu haben scheinst...."

Die Augen des Hutmachers waren durch die Kante des großen schwarzen Hutes auf ihrem Kopf verdeckt, als sie diese Worte sprach. Dafür konnte Kato aber den Mund, dessen Ecken sich in einer überaus grausamen Weisen nach oben kringelten umso besser erkennen.

Er schauderte.

"Also gut... Ich bringe dich zum Festsaal, aber ich will eine kleine Gegenleistung..."

Aus irgendeinem Grund entspannte sich der Blonde innerlich ob dieser Aussage. Denn die Bestätigung dafür, dass hier unten nichts aus Nettigkeit oder gar Nächstenliebe getan wurde, war wieder mal gegeben und Katos Weltbild erhalten geblieben. Jetzt war nur noch die Frage, was für eine unmenschliche, grauenhafte, Gänsehaut erregende Gegenleistung Belial fordern würde.

"Was willst du?" der Sklave gab sich wirklich alle Mühe möglichst unberührt zu klingen
 

Der Hutmacher trat einen Schritt auf den Blonden zu und rieb sich die Hände. Eine Geste, die doch ein gewisses Unbehagen in Kato auslöste.

"Ich will, dass du mir die Narben zeigst...."

Es dauerte einen Moment bis das Gehirn des Kiffers, das Gehörte verarbeitet hatte, dann jedoch schrillten sämtliche Alarmglocken in seinem Kopf auf.

"Was!!!! Spinnst du?!"

Belial löste sich wieder etwas von dem Blonden. Ein nichtzudeutender Ausdruck zierte ihr Gesicht.

"Nun gut, wenn du nicht bereit bist, mir ein wenig entgegenzukommen, kann ich dir auch nicht helfen." Sie drehte sich zur Seite und wollte schon den ersten Schritt in die entgegengesetzte Richtung tun.

"Halt warte!" Kato sprang ihr regelrecht hinterher und packte den Ärmel ihres Mantels.

"Geh bitte nicht weg...." sein Blick war auf den Boden gerichtet, was von dem gefallenen Engel mit allergrößter Befriedigung registriert wurde.

"Wenn ich sie dir zeige, versprichst du dann, mich in den Festsaal zu bringen?"

"Ja, ich verspreche es...."
 

~~~~
 

Langsam drehte sich der Sklave um und begann die Knöpfe an dem schwarzen Hemd zu öffnen.

"Wag es bloß nicht, mich anzufassen!"

"Nein nein...." entgegnete der Hutmacher abwesend. Seine Blicke glitten bereits voller Erwartung über den Rücken des Blonden.

Der schwarze Seidenstoff rutschte zur Seite und entblößte erstmal eine weiße Schulter. Der Ansatz einer verblassenden Strieme war bereits sichtbar. Wie hypnotisiert hielt dieses Beweisstück von Gewaltausübung die gierigen Augen Belial gefangen. Sie wollten sich regelrecht in das Fleisch bohren.

Das Hemd glitt weiter nach unten und stellte so immer mehr des vernarbten Rückens zur Schau.
 

Dem Hutmacher entwich ein unfreiwilliges Keuchen. Wie in Trance hatte sie schon ihre Hand nach der verunstalteten Haut ausgestreckt, hielt aber im letzten Moment inne. Ihre Blicke glitten unaufhörlich auf und ab, wanderten den roten Striemen entlang.

"Hat es wehgetan?"

"Was ist denn das für eine Frage?! Natürlich hat es wehgetan!"

Kato schüttelte den Kopf über so viel Unwissenheit.

Das Stück Stoff war nun bis zu seinem Hosenbund heruntergerutscht und hing lose an seinen Armbeugen. Eigentlich war das ja gar nicht so schlimm. Sollte der verrückte Hutmacher seine perversen Fantasien halt an seinem Rücken befriedigen, darauf kam's nun auch nicht mehr an....

Solange dieses dumme Weib ihn nicht anfasste, war dieser kleine Semistrip Mittel zum Zweck.
 

Doch dann geschah genau das, was der Sklave nicht gewollt hatte: Belial umfasse ihn von hinten und zog ihn dicht zu sich heran.

"Halt! Stopp! Nimm deine dreckigen Finger von mir!"

Die Rufe des Haustiers blieben ungehört, denn die zwei Gestalten lösten sich in einem schwarzen Nebel im Nichts auf....
 

TBC
 

[1] Für alle, die des Französischs nicht mächtig sind: "déja-vu" heisst ja "schon gesehen" also hab ich das ganze einfach auf "schon gehört" ungedreht und so ist dann "déjà-entendu" entstanden.

Kapitel 23

"Autsch!"

Kato war recht unsanft auf dem Boden gelandet und rieb sich mit saurem Gesichtsausdruck den Hintern. Belial grinste amüsiert auf ihn herab und richtet ihren Hut, der während der Teleportation leicht aus seiner perfekt abgestimmten Position verrutscht war.

"Wenn du nicht so gezappelt hättest, wäre das auch nicht passiert." meinte sie belehrend und streckte dem Haustier ihre Hand hin.

Der Blonde bedachte die behandschuhten, dargebotenen Finger des Satans mit einem missgünstigen Blick.

"Hättest du mich nicht erschreckt, hätte ich auch nicht so gezappelt..."

Er ergriff ihre Hand und der Hutmacher zog ihn mit einer fließenden Bewegung auf die Füße.
 

Kato wandte den Kopf um und schaute an sich selbst herunter, um sicherzugehen, dass seine kleine Bruchlandung das schöne Kleidungsstück nicht verunreinigt hatte. Doch zu seinem Missfallen musste er feststellen, dass sein flacher Hintern nun von einem wunderbaren weißen Staubfleck geziert wurde.

Belial beobachtete die Szene mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.

"Ich wusste gar nicht, dass du so eitel bist. " kommentierte sie spöttisch.

Der Sklave warf ihr einen bösen Blick zu. "Ach, halt die Klappe, daran bist sowieso nur du schuld!"

Er klopfte sich selbst mit den Händen auf den Hintern, um den lästigen Dreck loszuwerden. Das führte allerdings lediglich dazu, dass sich eine nette kleine Staubwolke um den Blonden herum bildete und diesen zum Husten brachte.

"So ne Scheiße..." prustend und keuchend wedelte er vor seinem Gesicht herum, um sich etwas Frischluft zu verschaffen.

Der Hutmacher hingegen konnte sich nun wirklich nicht mehr halten. Kichernd näherte sie sich dem Sklaven von hinten.

"Du bist wirklich unglaublich... Ohne Ausnahme trittst du auch wirklich in jedes Fettnäpfchen, das deinen Weg kreuzt, suhlst dich regelrecht darin und schaffst es mit einer an Genialität grenzenden Wahrscheinlichkeit alles noch schlimmer zu machen als es war." Sie packte Kato von hinten und drehte ihn um, so dass er sie anschauen musste. "Du bist wirklich der allergrößte Trottel, den ich je gesehen habe!"
 

Der Blonde wollte sie schon anfahren, was ihr einfiele, ihn so dumm anzumachen, doch als er das Lächeln auf dem Gesicht des gefallenen Engels sah, blieben ihm die Worte im Halse stecken.

Belial stand vor ihm mit dem aufrichtigsten und echtesten Lachen, das er je an ihr gesehen hatte. Es erreichte ihre Augen und die blauen Saphire strahlten ihn regelrecht an. Kato musste schlucken und zum ersten Mal seit er die Bekanntschaft des verrückten Hutmachers gemacht hatte, fragte er sich, was sich wohl unter dieser weißen Schminke verbarg. War diese Frau so schön wie ihr Lächeln, das man so selten sah?
 

Der verstörte Ausdruck auf dem Gesicht des Haustieres und das Ausblieben jeglicher Reaktion seinerseits, ließ das Lächeln auf den roten Lippen Belials ersterben. Schnell ließ sie von ihm ab.

"Was ist mit dir, willst du mich nicht ankeifen?" in ihrer Stimme lag wieder ein spöttischer Ton. Nicht, dass dieser nicht vorher schon da gewesen wäre, aber Kato hatte gerade mit eigenen Augen mitverfolgen können, wie sich die Miene des Hutmachers verändert hatte: von ehrlich freudig zu der nichts sagenden Maske, die sie immer trug. Auch die Augen hatten aufgehört zu leuchten und waren wieder so kalt wie eh und je.

Der Moment der Hoffnung war so schnell wieder verflogen, wie er gekommen war.

"Ach lassen wir das...." erwiderte der Blonde schwach und wandte seinen Blick von dem gefallenen Engel ab.
 

"...Danke, dass du mich hierher gebracht hast." Kato löste sich vom Hutmacher und trat ein paar Schritte von ihr weg.

Belial musterte ihn für einen Moment, schüttelte dann aber nur resignierend den Kopf. Das war schon ein seltsames Haustier. Nicht mal angekeift, hatte er sie. So war das doch nicht witzig.

Für einen Moment zog sie es in Erwägung, den kleinen Blonden noch mal ein wenig anzustacheln. Sie empfand einfach eine riesige Freude daran, ihn auf die Palme zu bringen.

"Was willst du denn eigentlich hier?" Klar konnte sie sich denken, was er hier wollte, auch wenn er nichts gesagt hatte. Schließlich kehrte ein Verbrecher nicht ganz umsonst an den Ort des Geschehens zurück.

Kato hatte schon den Mund offen gehabt, um etwas zu erwidern, als ihm eine kalte Stimme das Wort abschnitt. "Er ist hier, weil ICH es befohlen habe..."

Der Sklave zuckte zusammen und auch in der Haltung Belials veränderte sich sofort etwas.
 

"Verzeiht, Herr..." Ihr Blick war auf den Boden gerichtet.

Luzifer betrat mit rauschendem Mantel den Raum und bedachte sowohl den Hutmacher als auf sein Haustier mit einem kalten Blick.

"Du darfst jetzt gehen, Mad Hatter..." ohne den Erzdämon auch nur anzuschauen, ging der Teufel schnurstracks auf seinen blonden Sklaven zu, dessen Unbehangen man nun schon sehr deutlich auf seinem Gesicht lesen konnte.

"Wie ihr befehlt, mein Herr!" Belial verbeugt sich noch einmal, ohne doch auch nur ein kleines bisschen gewürdigt zu werden und trat dann schlussendlich den Rückzug an.
 

~~~~
 

Luzifer fixierte den Blonden mit seinen undurchschaubaren Augen. "Bist du bereit für deine Bestrafung?"

Kato musste schlucken. Am liebsten hätte er sich vor dem Teufel auf die Knie geworfen und ihn um Gnade angefleht. Doch da mittlerweile sogar der kleine Kiffer eingesehen hatte, dass ein Wort wie 'Gnade' nicht wirklich Bedeutung in Luzifers Vokabular fand, hieß es nun das ganze mit soviel Fassung wie möglich zu tragen, denn schließlich hatte er sich das ja selbst eingebrockt.

Er nickte und ein heiseres "Ja" kam über seine Lippen.

"Gut...." ein kleines Lächeln erschien auf dem Gesicht Luzifers und er streckte seine Hand aus, um sie durch das strähnige Haar seines Haustieres gleiten zu lassen.

"....dann wird es dir sicher nichts ausmachen, wenn ich die Bestrafung nicht selbst ausführe, sondern dem Marquis überlasse, schließlich war er derjenige, der wirklich von deinem Vergehen betroffen war...." der Teufel wandte sich um und sein Blick war auf dem Eingang gerichtet. Kato, der noch einen Moment brauchte, um das soeben Gehörte in logische Information umzuwandeln, folgte der Geste des Teufels.

Als er an der Tür eine Person in einem dunklen Samtumhang erspäht, hinter der sich furchtsam ein grünes Haarbüschel versteckte, dämmerte es auch langsam bei dem Sklaven.
 

Luzifer wollte ihn nicht selbst bestrafen. Luzifer wollte Nuri die Bestrafung überlassen! Gott, er war ja so tot!

Mehr aus Reflex duckte sich das Haustier hinter seinen Herrn. Dieser beobachtete das verschreckte Verhalten des Blonden mit einem amüsierten Lächeln.

"Na na, Kato, du wirst doch jetzt nicht einen Rückzieher machen wollen?" mit gespielt strenger Miene sah er den Blonden an.

"Kato senkte beschämt den Blick. "Ich hatte nicht erwartet, dass er ..." er deutet in die Richtung der zwei Ankömmlinge. "...das tun würde."

"Nun..." der Teufel ergriff das Kinn seines Sklaven. "...das ist ja das Schlimme an einer Bestrafung: Man kann sie sich im Allgemeinen nicht selbst aussuchen!" und mit diesen Worten zog er den Blonden wieder vor sich und hielt dessen Arme auf dem Rücken fest.
 

Luzifer drängte das wehrlose Haustier in Richtung des Eingangs den zwei Gestalten entgegen. Kato sah mit Entsetzen, wie das grinsende Gesicht des Satans Asmodeus immer näher kam. Hinter ihm lugte Nuri mit einem gleichzeitig interessierten aber auch ein wenig verängstigten Gesichtsausdruck hervor. Er klammerte sich an die Robe seines Herrn und hielt sich fest an diesen gedrückt, als wolle er den Schutz dessen beanspruchen, denn trotz der Entfernung konnte Luzifers Sklave leichte dunklere Verfärbungen an dem weißen Hals des Lustknaben ausmachen und auch sonst sah nur nicht wirklich erfreut darüber aus, dass er dem bösen Kato schon wieder bewegenen musste.

Für eine Millisekunde schlich sich so was wie ein triumphales Grinsen auf das Gesicht des Blonden. Doch es verpuffte so schnell wieder, wie es gekommen war, als der Teufel sein Spielzeug mit einer überaus großzügigen Geste in die Arme des Satans der Wollust beförderte.
 

Der Sklave keuchte kurz erschrocken auf und wollte sich rein gewohnheitsmäßig aus der Umarmung winden. Doch Asmodeus hatte ja bereits Bekanntschaft mit Katos Widerstandgeist gemacht und hielt ihn deshalb umso fester gefangen.

Verzweifelt schaute dieser auf und suchte im Gesicht des Erzdämons nach so etwas wie menschlichem Mitgefühl. Doch Fehlanzeige! Der Satan betrachtete Kato lediglich mit einem überaus lüsternen Blick und leckte sich gekonnt über die Lippen.

"Hallo, mein Süßer. Wir kennen uns ja schon..... Ich hoffe, wir werden dieses mal etwas mehr Spaß miteinander haben...."

Erschrocken wandte sich der Sklave ab und suchten den Blick seines Herrn und hoffte bei dem wenigstens noch so etwas wie Gnade zu finden, dass er ihn nicht einfach Asmodeus zum Fraß vorwerfen würde. Doch Luzifers Ausdruck blieb wie immer undeutbar. Mit einer einladenden Geste, winke er den Satan der Wollust heran, auf einem vorbereiteten Stuhl Platz zu nehmen.
 

"Ihr seit wirklich zu großzügig, Exzellenz..." mit einem Lächeln trat der Marquis auf den Stuhl zu und setzte sich darauf. Kato hatte er mit unnachgiebiger Härte hinter sich hergezogen und den Sklaven dann einfach auf seinem Schoss platziert, wo er ihn engumschlungen festhielt. Diesem jedoch schien die intime Pose alles andere als zuzusagen, da er versuchte sich mit wildem Gestrampel, Kratz- und Beißattacken aus dem Griff zu befreien.

Auch der grünhaarige Lustknabe war brav seinem Herrn hinterhergelaufen. Im Vergleich zu Kato allerdings freiwillig. Er hatte jedoch die ganze Zeit seinen Blick schamhaft gesenkt gehalten und sich ohne etwas zu sagen, neben Asmodeus Stuhl auf dem Boden niedergelassen.
 

~~~~
 

Luzifer war schnell vor den wehrsamen Sklaven getreten und hielt dessen Handgelenke fest.

Sein kalter Blick hielt Katos Augen gefangen. "Sei brav, Haustier! Schließlich hast du dich selbst in diese Situation gebracht..." die Stimme des Teufels war ruhig, so als würde es ihn nicht wirklich berühren, dass sein Eigentum drauf und dran war, von einem anderen als ihm selbst berührt zu werden.

"Aber.... aber..." stammelte der Blonde, "....bitte nicht ER..."

Der Teufel strich dem mitleidig dreinschauenden Haustier über die Wange.

"Trag es mit Fassung...." meinte er lediglich mit neutraler Stimme und trat dann einen Schritt zurück. Sein Blick glitt dann kurz zu Asmodeus, der die Szene mit glänzenden Augen verfolgte hatte. Der Satan der Wollust konnte es wohl kaum mehr erwarten, endlich mit der Bestrafung von Luzifers ungezogenem Haustier zu beginnen.
 

"Marquis..." die emotionslose Stimme des Teufels schien auch den Erzdämon wieder etwas aus seinem Delirium zurückzuholen, "....vergiss nicht, was wir besprochen hatten, ansonsten...."

Der warnende Blick des Höllenfürsten war genug, um Asmodeus die möglichen Konsequenzen vor Augen zu führen. Er musste schlucken, "Aber natürlich, mein Herr.... Es wird alles so ablaufen, wie abgemacht..."
 

Luzifer nickte ihm mit einem strengen Blick zu, trat dann aber zurück, um sich gegen die Tischkante gelehnt niederzulassen. Seine Aufmerksamkeit war nun voll und ganz auf das sitzende Paar gerichtet.

Asmodeus strich dem zitternden Bündel auf seinem Schoss beruhigend über den Rücken.

"Passt...." die Finger des Marquis schlichen unauffällig zu Katos Kinn und drehten es zur Seite, so dass der Sklave seinen Peiniger ansehen musste.

"Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dir nicht wehtun..." säuselte er neben seinem Ohr. Wäre der Kiffer nicht so verschüchtert gewesen, hätte er sicher so was wie 'Ja klar, und die Erde ist der Mittelpunkt des Universums von sich gegeben...' doch selbst Kato hatte mit einem mikroskopisch kleinen Verstand eingesehen, dass es jetzt in diesem Moment wahrscheinlich besser war, die Klappe zu halten und diesen gefallenen Engel nicht noch mehr zu provozieren.
 

Doch der Herr der Wollust schien die Skepsis seines Opfers zu bemerken. Er runzelte leicht die Stirn, "Du glaubst mir nicht..."

Der Sklave schüttelte resignierend den Kopf. Es war sowieso alles sinnlos.

"Nein, nicht so wirklich...“ meinte er leise.

"Hmmm...." Asmodeus betrachtete den Blonden nachdenklich, "...na, wenigstens bist du ehrlich... Dann will ich auch ehrlich mit dir sein: Ich habe gelogen.... Es wird dir wehtun!"

Mit diesen Worten stellte er Kato wieder auf die Füße, so dass er seitlich von ihm war. Dann zog er den Oberköper des Haustieres nach unten bis er über seinen Knien zu liegen kam.

"Hey, halt mal! Was sollt das?!!!!" Leichte Hysterie war aus der Stimme des Sklaven herauszuhören.

Doch bevor Kato dazukam, sich zusammenzureimen, was der böse Satan mit ihm vorhatte, hatte dieser ihm auch schon die schwarze Hose runtergezogen....

Der weiße nackte Hintern lag nun vollkommen ausgebreitete, schutzlos und unglaublich einladend über den Knien des Marquis. Natürlich konnte Kato das nicht einfach so mit sich geschehen lassen. Nach Leibenskräften versuchte er sich zu wehren. Doch der Dämon hielt seine Hände auf dem Rücken gefangen und jeglicher Widerstand schien zwecklos.

Das Haustier zappelte noch etwas vor sich hin, bis es plötzlich ein Hand auf seinem Allerwertesten spürte, die es augenblicklich zum verstummen brachte.

Sachte kreisten die Finger über das verwundbare Fleisch, als leichte Vorahnung darauf, was noch alles bevorstand.

"Sklave.... Ich glaube, du verstehst langsam was deine Bestrafung für dein überaus inadäquates Verhalten gegenüber meinem treuergebenen Nuri sein wird. Ich werde dir den Hintern versohlen... Und das solange, bis du schreist und dir das Ausmaß deiner Tat voll und ganz in Form von Schmerz bewusst wird!"

Es dauerte einen kurzen Augenblick bis das Gehirn des Kiffers den Ausdruck "Hintern versohlen" erfasst und ihn in brauchbare Information für Kato umgewandelt hatte

"Hey halt mal.... So was macht man mit Kindern, nicht mit...." weiter kam er nicht, denn die Worte wurden von seinem eigenen Schrei unterbrochen. "Ahhhhhh!"

Die Hand des Satans war mit voller Wucht auf den entblößten Hintern des Blonden herniedergefahren.
 

"Schweig, Sklave!"
 

Kato wimmerte leicht vor sich hin. Der Schlag hatte ihn wirklich ziemlich unvorbereitet getroffen.

Sein Kopf hing schlaff nach unten und wieder einmal geisterte ihm die Frage durch den Kopf, wie er sich bloß wieder mal in eine derart absichtslose, perverse Situation hatte bringen können.

Als ob es nicht ausreichte, dass ihm der Hintern versohlt wurde, hörte er auf neben sich ein leises Stoffrascheln. Der gepeinigte Sklave linste unauffällig in die Richtung des Geräusches und musste zu seinem Verdruss feststellen, dass der Urherber desselbigen niemand geringeres als seine verräterische grünhaarige Schönheit war. Nuri war ein wenig auf ihn zugekrochen, hielt aber dennoch einen gewissen "ausser-jeglicher-Reichweite“-Sicherheitsabstand ein. Der Lustknabe schien Katos kleinen Racheakt noch zu gut im Gedächtnis zu haben, außerdem zeugten noch einige dunklere Flecken an Nuris Hals und Gesicht von dem kleinen gewalttätigen Überfall.
 

Kato funkelte ihn böse an, doch seine Aufmerksamkeit wurde schnell wieder von etwas anderem in Beschlag genommen, nämliche der Hand, die wieder leichte Kreise über das nun leichte gerötete Fleisch seines Hinterns zog.

Der Sklave sog scharf Luft ein. Für einen Moment hatte er sich durch Nuri doch tatsächlich von der Tatsache ablenken lassen, dass er hier halbnackt und entblößt auf dem Schoss des Satans der Wollust lag.

Resignierend ließ der Blonden seinen Kopf wieder fallen. Die Situation war aussichtslos... Außerdem bekam er Nackenstarre davon, wenn er die ganze Zeit zu diesem dummen violettäugigen Schönling aufschauen musste.

Sollte er halt zusehen, wenn er (wieder mal) bis auf seine Knochen blamiert wurde. Alle bösen Blicke seinerseits würden sowieso keinen Eindruck machen, wenn etwas weiter oben, sein nackter Hintern in die Luft ragte.
 

Nuri schlich wieder etwas näher. Die offensichtliche Resignation Katos hatte ihn ermutigt. Es jagte dem Lustknabe wohlige Schauer über den Rücken seinen alten Beischläfer, der sich unerwarteterweise als doch recht temperamentvoll herausgestellt hatte, in einer derart diffamierenden Situation zu sehen. Er befand sich jetzt innerhalb der Reichweite von Luzifers Haustier.

Dennoch regte sich plötzlich so etwas wie Zögern in ihm; und wie zur Bestätigung seiner Skepsis, schien sich für einen kurzen Moment seine gesamte Körperpräsenz auf seinen Hinterkopf zu konzentrieren und dort vor sich hin zu pochen. Oh ja, die Kopfschmerzen nach dem Erwachen waren echt grausam gewesen....

Unbewusste fasste sich der Grünhaarige für einen Moment an die betreffende Stelle. Vielleicht sollte er Luzifers Sklave wirklich nicht noch mehr provozieren. Es hatte sich einmal als schlecht herausgestellt und normalerweise gehörte Nuri eigentlich zu den Leuten, die keinen Fehler zweimal begingen; ganz im Gegensatz zu Kato....

Andererseits war der Anblick des Blonden, der ausgeliefert und verzweifelt auf dem Schoss seines Herrn lag, doch ein großartiger Anblick.

Seine Haare waren ihm ins Gesicht gefallen und deshalb konnte der Lustknabe nicht erkennen, was für ein Ausdruck darin lag... aber die Neugier war groß. Er wollte Kato leiden sehen!
 

~~~~
 

Was Nuri nicht bemerkt hatte, war, dass die ganz Zeit die Aufmerksamkeit seines Herrn auf ihm lag. Dieser hat den inneren Konflikt seines Lieblings mit großer Faszination verfolgt und es erfüllte ihn mit immenser Freude, dass dieser sich doch noch dazu entschlossen hatte, dieser kleinen Bestrafungssession etwas abgewinnen zu können. Denn schließlich war Asmodeus speziell wegen ihm auf das Angebot des Teufels eingegangen.

Normalerweise war er eigentlich allen Geschäften mit dem Herrn der Hölle gegenüber sehr skeptisch. Er hatte im Laufe der Zeit gelernt, dass jener nie etwas aus Selbstlosigkeit, geschweige denn aus Nettigkeit tat. Warum also sollte dieser ihm jetzt erlauben, das Haustier zu bestrafen, wo er doch das letzte Mal so gar nicht erfreut darüber gewesen war, dass der Marquis sich "gewisse Freiheiten" gegenüber dem Kiffer erlaubt hatte.

Und nun durfte er ihm sogar noch den Hintern versohlen.... Das war eigentlich schon zuviel des Guten!

Irgendwo musste der Hacken sein, hatte er sich gedacht und das Angebot Luzifers schon ablehnen wollen, als er den überaus bittenden Gesichtsausdruck Nuris gesehen hatte.

Da war es um ihn geschehen gewesen... Was hätte er schon gegen diese glitzernden Augen, die ihn mit solcher Leidenschaft angesehen hatte, tun sollen?

Er war schwach..... und wenn sein Liebling den dummen Sklaven leiden sehen wollte, bitte schön... Dann sollte er leiden!
 

Der Satan ließ seine Finger weiter kreisen und genoss die kleine Röte, die sich auf Katos Hintern gebildet hatte. Eigentlich war das eine Art der Bestrafung, die er persönlich überaus genoss. Sie war bei weitem nicht so gewalttätig wie die Peitsche und hinterließ auch keine Wunden. Trotzdem war sie überaus effektiv, um dem ungezogenen Haustier Manieren beizubringen. Denn was dem "spanking" an Gewalt fehlte, machte es durch die Scham, die der Betroffene währenddessen empfand wieder weg. Denn wer wollte schon gern, wie ein kleines Kind übers Knie genommen werden?
 

Asmodeus lächelte leicht vor sich hin. Ja, er liebte diese Praktik wirklich..... Und er hatte sie in letzter Zeit wirklich viel zu wenig angewendet. Hoffentlich war er nicht aus der Form geraten.

Seine Hand hob sich ein wenig über das Fleisch und fiel dann mit leichtem Schwung nach unten. Und obwohl er nicht wirklich fest zugeschlagen hatte, keuchte das Haustier unter ihm auf.

Der Marquis war sehr zufrieden. Erneut hob er die Hand, dieses Mal etwas höher. Für einen kurzen Moment ging ihm der Gedanke durch den Kopf, als er seine eigenen Finger betrachtete, dass er vielleicht einen Handschuh hätte anziehen sollen.

Aber was soll's...? Jetzt war es sowieso zu spät und er würde die Bestrafung sicher nicht wegen einer solchen Lappalie unterbrechen. Die Hand krachte wieder nach unten..... und dieses Mal kam ein erstickter Schrei über Katos Lippen.
 

Er hatte den Kopf noch immer gesenkt. Nur wenn ihn wieder einer von Asmodeus Schlägen traf, hob er ihn kurz, um keuchend nach Luft zu schnappen.
 

Nuri hockte immer noch vor dem Blonden. Er beobachtete ihn und ein triumphales Lächeln zierte seine Lippen. Ja, es gefiel ihm, den anderen leiden zu sehen. Aber was ihm auch sehr gefiel, war, dass sein Herr der Ursprung dieses Leidens war. Der Grünhaarige bewunderte die kalte Eleganz, die in den Bewegungen des Herrn der Wollust lag. Wie er immer wieder seine Hand hob und dem kleinen Kiffer Schmerzen zufügte.

Für einen Moment drängte sich die Erinnerung daran in das Gedächtnis des Lustknaben, dass sein Herr ja zunächst gar nicht vorgehabt hatte, das Angebot des Teufels zur Bestrafung des Sklaven anzunehmen. Damals war er geschockt gewesen. Wie konnte es sein Herr ausschlagen? Ein einmaliges Angebot zur Rache und Wiedergutmachung der Schmach, die ER, Nuri, hatte erleiden müssen..... Und sein Herr war skeptisch, ob er es annehmen sollte!

Nun gut, in seinem Hinterkopf meldete sich die kleine Stimme, die ihn mahnend daran erinnerte, dass er möglicherweise, nach dem kleinen Zwischenfall bei der Fastvergewaltigung Katos auch skeptisch gewesen wäre.... Aber trotzdem!

Er war doch der unumstrittene Liebling! Er musste gerächt werden! Und er hatte seine Rache auch bekommen... oder noch besser, er kriegte sie jetzt gerade in diesem Moment, als die Hand seines Herrn wieder auf den blanken Hintern des Sklaven herniedersauste und diesen endgültig zur Artikulierung seiner Pein in Form sehr gut hörbaren Schreis nötigte.
 

Nuri lächelte. Ja, genau so hatte er sich das vorgestellt. Bestärkt durch Katos Qualen rutschte er nun endgültig an Luzifers Haustier heran und hob dessen Kopf ein wenig an. Er strich ein paar der blonden Strähnen zur Seite, so dass er die blauen Augen sehen konnte.

Irgendwie war es beinahe schon schade, dass er ihn nicht selbst bestrafen konnte. Gut, er war sich voll und ganz bewusst, dass er selbst nicht über die physische Kraft verfügte, um dem Kiffer wirklich wehzutun, aber vielleicht ... Wenn Asmodeus ihm einen Stock oder vielleicht auch eine Peitsche gegeben hätte, hätte er das sehr gut selbst machen können.

Ein leichter Seufzer entwich seinen Lippen und mit einem wehmütigen Lächeln betrachtete er Kato, welcher hingegen mit allergrößter Anstrengung versuchte, dem Blick des Lustknaben auszuweichen.
 

Er fuhr leicht der Wange des Blonden entlang...
 

Dessen Körper wurde schon wieder von einem Schwall kalten Schmerzes durchzogen und er bäumte sich unter Asmodeus hartem Schlag auf. Kato schniefte und ein paar vereinzelte Tränen suchten sich ihren Weg nach unten über die blassen Wangen
 

Mit großer Faszination beobachtete Nuri das Schauspiel. Seine Hand immer noch ausgestreckt haltend, tauchte er einen einzelnen Finger in die salzige Flüssigkeit, sammelte sie auf der Fingerspitze und führte diese dann zu seinem Mund.

Voller Genuss schloss der Lustknabe seine Augen als die Tränen seine Zunge berührten. Ach, wie süß war doch die Rache.....
 

Das Haustier hingegen hatte durch die kontinuierlichen Schläge sein stilles Tränenvergießen in ein hörbares und durchaus leicht kindisch anmutendes Heulen abgewandelt. Die salzigen Trauerbezeugnisse flossen nun in Strömen die Wangen des langsam sehr mitgenommen wirkenden Haustieres hinab.
 

~~~~
 

Asmodeus beendete nun langsam seine Bestrafung und legt leicht seine Hand auf den mittlerweile hummerroten und ziemlich erhitzten Hintern des Sklaven. Das Gefühl das davon ausging, war wirklich großartig.

Aber er musste zugeben, dass er nun doch selbst auch etwas geschlaucht war. Ihm war heiß und kleine Schweißtropfen zierten nicht nur die Stirn des Opfers, sondern auch die seinige. Er atmete tief ein. Ja, vielleicht war er wirklich etwas eingerostet gewesen oder es lag am Alter....

Ein Seufzer entwich seinen Lippen und der Herr der Wollust ließ den Blick nun zu seinem Werk des Schmerzes wandern.
 

Ja, er war zufrieden. Die rötliche Tönung und die ausgehende Hitze waren wirklich ein gutes Zeichen, außerdem schienen sich noch vereinzelte Schwellungen abzuzeichnen. Er nickte.

Ja, eine durch und durch gelungene Bestrafung. Was wollte man mehr?!
 

Die Hand auf Katos Hintern fing wieder an sanft, nur mit den Fingerspitzen, Kreise zu ziehen und wanderte etwas tiefer. Sie folgten weiter der Linie, die sich zwischen den zwei erhobenen Pobacken hindurchzog.

Das Haustier konnte sich neben Zittern, Schaudern und Heulen nicht so wirklich dazu entscheiden, Einspruch gegen diese doch sehr eindeutige Handlung einzulegen.

Die Finger schoben sich zwischen die enge Kluft und suchten unaufhörlich nach Katos weichem Eingang. Sanft, aber dennoch bestimmt drückten sie dagegen.
 

Nun entwich der Kehle des Sklaven aber doch ein reichlich unwillig klingendes Geräusch. Ein Wimmern oder Schluchzen, schwer zu definieren, zwischen all den anderen Geräuschen.

Doch eigentlich waren die Einwände des Blonden gar nicht von Nöten; was sie eigentlich nie waren, denn im Allgemeinen hörte so ziemlich niemand hier unten auf ihn.
 

Luzifer stand wie aus dem Nichts plötzlich vor den beiden. Asmodeus zuckte zusammen und seine leicht auf Abwege geratene Hand, war ziemlich schnell wieder aus dem Sperrgebiet verschwunden.

"Ich denke, du bist fertig, Marquis!" meinte der Teufel nur mit kalter Stimme. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtete seinen Untergebenen mit undeutbarem Blick.

Asmodeus nickte gehorsam und beeilte sich zu antworten: "Ja natürlich, mein Herr."

Innerlich tadelte er sich dafür, dass er sich wieder von dem wunderbar roten, geschunden Hintern dieses Sklaven derart hatte hinreißen lassen können.

hach, er wurde halt wirklich langsam alt... Und immer all diese schönen jungen Leute um ihn herum, wer würde da nicht den Verstand verlieren. Für einen kurzen Moment glitt sein Blick zu Nuri, der noch immer am Boden saß. Sein Gesicht hatte einen leicht enttäuschten Ausdruck angenommen. Der Lustknabe hätte sich wohl gewünscht, Katos Bestrafung würde noch etwas andauern.

Asmodeus seufzte. Diesen Wunsch konnte leider nicht einmal er erfüllen. Denn der Höllenfürst hatte gesagt, dass es fertig war, also war es auch fertig.

Er löste seinen Griff etwas, der während der ganzen Zeit über die Arme des Sklaven auf seinem Rücken gefangen gehalten hatte.
 

Doch Kato rührte sich nicht. Der Satan schob also vorsorglich seinen Arm unter dessen Oberkörper, um den Jungen etwas anzuheben.

"Los steh auf, es ist vorbei!" eigentlich hatten die Worte aus seinem Munde streng klingen sollen, doch beim Anblick der zerzausten blonden Haare, der verweinten Augen und dem total geschockten Blick in ihnen, brachte das nicht einmal mehr ein hartgesottener Rebell wie er fertig: Das Bild war einfach zu göttlich....

Wahrscheinlich war das einer der Gründe, warum es ihm nie auch nur ansatzweise gelungen war, die Macht in der Hölle zu übernehmen. Er hatte ganz einfach zu sehr eine Schwäche für bemitleidenswerte Kreaturen, die mit ihren schreckgeweiteten Augen und angstvoll zitternden Lippen nur so danach schrieen gevögelt zu werden...
 

Er stellte den Sklaven auf seine Füße, welcher sofort und mit immer noch heruntergelassener Hose einen Satz von dem Dämon weg nahm, als wolle er einen möglichst großen Abstand zwischen sich und seinen Peiniger bringen.

Doch der Versuch schlug - wie so oft in letzter Zeit - fehl und Kato landet wieder Mal auf seinem Allerwertesten, weil er sich voraussehbarerweise in den Hosenbeinen verheddert hatte.

Das Haustier heulte auf und die Tränen standen ihm schon wieder in den Augen.
 

Asmodeus schüttelte nur den Kopf und erhob sich nun seinerseits. Gekonnte strich er seinen Mantel glatt und gab sich dabei absolut keine Mühe die offensichtlich Beule in seiner Hose zu verstecken. Das wäre sowieso sinnlos gewesen. Der Herr der Hölle durchschaute alles....

Er streckte seinem Lustknaben die Hand hin, welcher sie auch sofort ergriff und sich erhob.
 

"Wenn ihr erlaubt, mein Herr, werde ich mich dann in mein eigenes Reich zurückziehen..."

Luzifer nickte nur leicht. Der Satan verbeugte sich gehorsam und wandte sich dann mit Nuri zum Gehen.
 

~~~~
 

Erst als die Zwei verwunden waren, war wieder ein leichtes Wimmern und Stöhnen zu vernehmen, gepaart mit einigen unschönen Flüchen und Verwünschungen.

"Dieses Arschloch...." und Satzfetzen wie: "...das hat scheiß wehgetan...." waren immer wieder zu vernehmen.
 

Luzifer wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Haustier zu. Dieses versuchte gerade zwischen Jammern und Beleidigungen, die dem Herrn der Wollust galten, seine Hose auf möglichst schmerzfreie Weise, wieder an ihren ursprünglich zugedachten Platz zu bringen. Kato saß dabei natürlich immer noch auf dem Boden, was die ganze Aktion ziemlich erschwerte.

Der Teufel lächelte leicht, ob so viel Unfähigkeit und schnappte sich den Stuhl, auf dem vorher noch der Marquis gesessen hatte. Er platzierte ihn vor seinem Sklaven, was natürlichen dessen Interesse wieder auf ihn lenkte.

"Das war gemein!" meinte er weinerlich. Luzifer musterte den Blonden mit einem zufriedenen Lächeln. Die Augen seines Spielzeugs waren gerötet und sein ganzes Gesicht leicht verquollen vom Weinen.

"So, war es das?" Der Teufel führte seine Hand unter Katos Kinn. "Meinst du nicht, dass du es vielleicht verdient haben könntest und du es dir deshalb selbst zuzuschreiben hast, was passiert ist." In der Stimme des Höllenfürsten schwang mal ausnahmsweise keine Kälte mit, sondern sie klang beinahe schon ein wenig amüsiert.

Kato schaute schmollend zur Seite und erwiderte zwischen zusammengebissen Zähnen so was wie: "nicht von ihm..."

"Wie war das? Schau mich an, wenn du mit mir redest!" mit einer etwas groben Bewegung hatte Luzifer das Gesicht seines Sklave wieder zu sich gedreht.

Der Blonde schaute ihn trotzig an, wiederholte dann aber in sehr deutlich artikulierten Worten: "NICHT VON IHM!"

Der Griff um Katos Kinn liess etwas nach und auf dem schönen Gesicht des Teufels erschien wieder ein kleines Lächeln.

"So,..." meinte er mit gespielt skeptisch hochgezogener Braue, "... wäre es dir dann also lieber gewesen, wenn ICH das getan hätte...?"
 

Für einen Moment herrschte Stille und das Haustier schien ernsthaft über die Frage nachzudenken. Dann senkte es seinen Blick und antwortete leise: "Ja..."

Luzifer löste seine Hand von Katos Kinn und ließ sie etwas aufwärts gleiten. Die Finger strichen leicht über die geröteten Lippen, dann über die weiche Haut der blassen Wangen.

"braver Junge..."
 

TBC

Kapitel 24

Verwirrt schlug er die Augen auf. Oh Gott, großer Fehler. Schnell kniff er seine Lieder wieder zusammen und drehte sich stöhnend zur Seite.

"...zu hell....." murmelte die Gestalt und vergrub ihren Kopf wieder in den Kissen.
 

"Bist du endlich wach, du Murmeltier...." Erschrocken schaute Kato auf und versuchte, aus zu Schlitzen verengten Augen, den Sprecher auszumachen.

"Was?... Wer?" sein Blick glitt durch den Raum, doch er konnte niemanden erkennen.

Irgendwie hatte er den verrückten Hutmacher erwartet, der – wie sonst auch – gekommen war, um ihn zu wecken. 'Und dir nebenbei auf die Nerven zu gehen' ergänzte dir kleine böse Stimme in Katos Hinterkopf.
 

"Hier, du zurückgebliebener Idiot...."

"Was???" Der Blonde hatte sich nun doch in seinem Bett aufsetzen müssen, um sich einen etwas besseren Überblick über den Raum verschaffen zu können. Ihm gegenüber war die Fensterfront, davor die roten Polstermöbel. Er war wieder in dem Schlafzimmer, in dem er gewohnheitsmäßig immer dann aufwachte, nachdem irgendwas passiert war. Kato wagte es mittlerweile sogar schon soweit zu gehen, zu behaupten, dass das wahrscheinlich "sein Zimmer" war.

Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er den Ursprung dieser penetranten Stimme, die die Frechheit besessen hatte, ihn zu wecken, immer noch nicht hatte lokalisieren können.
 

"Hinter dir, du Made mit dem IQ eines Stücks Weißbrot...."

Kato fühlte sich doch langsam etwas angepisst. Mit einer schnellen Bewegung, schneller als es gut war für jemanden, der gerade erst aufgestanden war, drehte er sich um, damit der Sprecher dieses Mal auch bloß keine Chance hatte, sich ihm zu entziehen.

Aber da war wieder niemand. Kato atmete entnervt aus und fasste sich an den leicht schwindligen Kopf.

"Wo bist du, du Arsch?"

"Na hier, direkt vor deiner Nase..."

Kato starrte vor sich hin. Ein leichter saurer Ausdruck zierte sein Gesicht. "Also, solange du nicht aus Luft bestehst, ist hier nichts."

"Ich bin hier, direkt vor dir. Auf dem Nachttisch, du hirnverbrannter Idiot."

Kato senkte seinen Blick und nahm den besagten Nachttisch ins Visier. Doch auf dem lagen lediglich ein paar Blatt Papier..... und ein Totenschädel.

Halt mal. Grinste der Totenkopf etwa?

"Yeah, that's me, Baby..."

Kato nahm sofort einen Satz rückwärts und starrte das Gebein entsetzt an.

"Schön, du hast es auch endlich begriffen. Man hatte mir ja bereits gesagt, dass du nicht unbedingt der Schnellste bist, aber dass du so blöd bist, hätte ich nicht erwartet...."

Die Lippen des Schädels bewegten sich nicht. Ach Quatsch, ein Schädel hatte ja gar keine Lippen. Dann also der Kiefer ...... Ja, der Kiefer bewegte sich nicht, trotzdem hörte Kato diese kratzige nervige Stimme, die es sich wohl oder übel zur Lebensaufgabe gemacht hatte, ihn mit jedem Satz, den sie äußerte, zu beleidigen.

"Du.... Du sprichst?" der Blonde starrte immer noch voller Unglauben und Entsetzen auf den Totenkopf, der ihn aus leeren schwarzen Augenhöhlen anzufunkeln schien.

"Ja, ich spreche… und wie es scheint, spreche ich wesentlich besser als DU!"
 

"Hey..." es hatte in Katos Schockzustand etwas gedauert bis er begriffen hatte, dass der Knochen ihn schon wieder beleidigt hatte, "...pass bloß auf, du... du... Totenschädel... sonst knall ich dich an die nächste Wand, so dass du in tausend Stücke zersplitterst!"

"Uh, ich zittere vor Angst... Siehst du es?" erwiderte der Schädel reichlich unbeeindruckt und versuchte ich seiner Fleischlosigkeit wohl so was wie ein Zittern nachzuahmen

Kato warf ihm einen mürrischen Blick zu und verschränkte die Arme vor der Brust, was den Schädel jedoch nur zu einem schadenfrohen Lachen anregte.

"Du bist echt ein Idiot....."
 

"Hey! Jetzt halt aber mal die Luft an!" erzürnt war der Blonde auf das Gebein zugetreten und hatte es mit einer Hand hochgehoben.

"Hey, spinnst du! Nicht so wackeln, da wird einem ja schlecht!"

Kato hielt den Schädel direkt vor seine Nase, damit er ihm von Auge zu Augenhöhle gegenüberstand.

"Wer ist jetzt der Trottel?" ein triumphales Grinsen hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet.

"Sei bloß nicht so siegesgewiss, Blondie... nur weil ich keinen Körper hab, heißt das noch lange nicht, dass du gewonnen hast!" zischte er als Antwort.

"Ha, das werden wir ja sehen...." der Sklave holte aus und war nur einen Nanomoment davor den Knochen davonsegeln und mit der nächsten Wand kollidieren zu lassen, als er das schwache und leicht verzweifelt angehauchte "Ok ok, du hast gewonnenen" vernahm.

Zufrieden ließ er den Arm wieder sinken, behielt den Schädel aber in der Hand, als deutliche Vorwarnung darauf, was passieren würde, sollte er es nochmals wagen frech zu werden.
 

"Also..." der Sklave war gemütlich zum Bett zurückgeschlendert und setzte sich hin, "...was gibt es, dass du Knochenhaufen es wagst, mich aus meinem wohlverdienten Schlaf zu wecken? Ich hatte gestern nämlich einen wirklich anstrengenden Tag und wenn ich etwas brauche dann ist das eine Mütze Schlaf, um mich erstens erholen und zweitens all den Freaks, die hier unten rumlaufen, aus dem Weg gehen zu können!"

Der Schädel kicherte wieder leicht.

"Was soll daran bitte komisch sein!" erbost hatte Kato ihn wieder auf Augenhöhe hochgehoben, was den Totenkopf augenblicklich zum verstummen brachte.

"Oh, mittlerweile weiß wirklich jeder hier in She'Ol weshalb du müde bist und welchen 'Freaks' du aus dem Weg gehen willst..."

"WAS?!"

"Ja, die Nachricht, dass Lord Asmodeus die den Hintern grün und blau geschlagen hat, weil du es gewagt hast, dich an seinem Liebling zu vergreifen, hat mittlerweile auch schon die hintersten Ecken der Hölle erreicht."
 

Es entstand eine kurze Pause, dann erwiderte der Sklave mit einem überaus bissigen Unterton:

"Hey, was soll hier 'vergreifen' heißen...." er schlang beide Hände um den bleichen Knochen und starrte ihn wütend an, "...außerdem hatte er es verdient!"

"Oh, das bestreitet niemand...." Der Schädel beschloss lieber einzulenken und das Haustier nicht weiter zu reizen, da er die Gefahr, die von dessen wütenden Händen ausging, durchaus noch spüren konnte, "...aber willst du jetzt nicht hören, warum ich hier bin und dich geweckt habe?"

Mit etwas griesgrämigem Blick setzte Kato den Schädel neben sich auf der Bettdecke ab, "Also, schieß los, Hamlet"[1]

"Nun gut...." der Knochen schien doch unendlich beruhigter durch die Tatsache nun nicht mehr in derart gefährlichem Gebiet zu verweilen und räusperte sich. "...Lord Luzifer hat mir den Auftrag gegeben, dich zu unterrichten, dass du.... Ich zitiere: 'verdammt noch mal sofort deinen Arsch in Bewegung setzten und die rote Akte wiederbeschaffen sollst, die du vor zwei Tagen verloren hast'..."

Der Sklave schluckte. Oh ja, die rote Akte..... Hä hä, die hatte er irgendwie vergessen..... Oder zumindest hatte er sie bis jetzt ziemlich erfolgreich aus seinem Gedächtnis verdrängt gehabt.

"...und du sollst dich beeilen, sie so schnell wie möglich zum Herrn der Fliegen zu bringen!" ergänzte der Knochen, sehr zufrieden über die Reaktion des Haustiers, das in seiner Haltung immer mehr zusammengeschrumpft war.

Der Blonde wischte sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. In seinem Geist ging er schon alle Möglichkeiten durch, wo diese verdammte Akte sein könnte, bzw. wo er sie vergessen haben könnte.

Ok, er war von Luzifers Büro aus gestartet und dann durch irgendwelche Gänge gelaufen, von denen es hier unten in der Hölle ja nur ein paar Millionen zu geben schien...

"Ähh... Was mach ich, wenn ich sie nicht finden sollte?" gab Kato kleinlaut zurück und schielte vorsichtig den Schädel an.

Dieser zuckte mit den Schultern, die er nicht hatte, und antwortete desinteressiert: "Keine Ahnung, ist auch nicht mein Problem, Bimbo... Ich bin schließlich nur ein Totenschädel, der dir diese Nachricht überbringt, und kein verdammter Hellseher!"

Der Sklave beschloss, ob der eher negativen Nachricht, darüber hinwegzusehen, dass der Knochen wohl wieder zu seinem alten Machtrip zurückgekehrt war und ihn trotz seiner ausführlichen Warnung, wieder angepöbelt hatte.

"Und was soll ich dann deiner Meinung nach tun, oh Knochen-der-kein-Hellseher ist?"

"Was weiß ich, geh noch mal da lang, wo du sie das letzte Mal gesehen hast ...." hätte der Schädel einen Körper gehabt, wäre das wahrscheinlich der Moment gewesen, wo er empört über die Dummheit und Naivität des Haustiers doch tatsächlich IHN um Rat zu fragen, den Kopf geschüttelt hätte.
 

"Hast du vielleicht schon mal daran gedacht, dass ich null Peilung habe, wo das ist!" herrschte der Blonde den auf dem Bett liegenden Totenkopf an.

"Hey, was machst du mich an?! Ich kann nichts dafür, dass du dümmer bist als ein Sack Bohnenstroh... Wenn du sie nicht findest, ist das dein Problem und das kannst du deinem Herrn dann auch persönlich beibringen. Ich bin schließlich nur hier, um dir zu sagen, was du zu tun hast!"
 

Kato lag ein leichtes Knurren auf den Lippen und er war wirklich kurz davor, sich den Schädel noch mal zu krallen und auf die besagte Drohung von vorher zurückzukommen.

Doch leider verhinderte die Vernunft - sie trat zwar recht selten zu Tage bei dem blonden Kiffer, trotzdem sollte man erwähnen, dass sie rein theoretisch vorhanden war - dass Hamlets Liebster die Wand küsste. Denn leise, aber dennoch recht penetrant machte sie den Sklaven darauf aufmerksam, dass wenn er denn Totenkopf an der Wand zerdepperte, er sich auch noch der letzte Informationsquelle beraubte, die ihm hätte sagen können, wo er Luzifer fand und wie er am besten zu ihm kam ohne sich schon wieder in der Hölle zu verlaufen.
 

"Und warum sagt er mir das nicht selber?"

"Hä? Was?" der Schädel schaute das Haustier aus fragenden leeren Augenhöhlen an und konnte dem Gedankensprung seitens Kato natürlich nicht folgen.

"Luzifer.."

"Ahh... von dem redest du...." der Knochenkopf seufzte, "Du bist schon ein echt seltsames Balg... Aber um deine Frage zu beantworten, er hat, so viel ich weiß, eine wichtige Konferenz mit den Erzdämonen..."

"Aha" Der Blonde wirkte irgendwie ein wenig abwesend, denn in Gedanken versuchte er sich gerade die Szenerie vorzustellen, wenn er seinem Herrn beichtete, dass er die Akte nicht finden konnte... und die Aussicht darauf war wirklich alles andere als schön.

Kato schluckte und entschied sich dafür, dass es schlussendlich nicht schaden konnte, wenn er wenigstens zuerst VERSUCHTE sie zu finden. Nicht, dass er sich wirklich eine Aussicht auf Erfolg einbildetet... Aber es war besser als direkt zum Teufel zu gehen, in seine Besprechung reinzuplatzen, ihm zu sagen, dass man nicht fähig war seine Befehl auszuführen, zusätzlich einen mörderischen Blick Belials einstecken und dann schlussendlich eine sogar noch halbwegs gerechtfertigte Strafe in Empfang nehmen zu müssen.

Der Sklave knetete leicht nervös seine Finger und warf einen prüfenden Blick zum Schädel, der ihn ebenso prüfend zurück ansah. Für das Gebein war es ersichtlich, dass es im Gehirn des Sklaven arbeitete, aber es war schon erstaunlich wie sehr ihn diese geistige Arbeit anzustrengen schien, wenn man die Schweißtropfen auf seiner Stirn betrachtete.
 

Kato erhob sich und begann geistesabwesend im Zimmer auf und ab zu gehen.

Ja, warum sollte er nicht wenigstens zuerst VERSUCHEN die beschissene Akte zu finden.... Es zögerte wenigstens die unvermeidbaren Konsequenzen noch etwas hinaus. Aber andererseits hieß das, sich jetzt wieder auf einen Trip durch die sprichwörtliche Hölle zu begeben, ohne die geringste Ahnung zu haben, wo sich das Ziel befand. Gut, normalerweise hatte er auch keine Peilung, wo er war, aber wenigstens wusste er dann wo er hin wollte… aber dieses Mal war nicht mal dieser Faktor gegeben. Nein, er war einfach nur orientierungslos.

Aber hey, viel schlimmer als beim letzten Mal konnte es nicht kommen.... Und es war, wie gesagt, besser, als sich direkt wieder eine Strafe beim Teufel abzuholen.
 

~~~~
 

Ok, es war schon wieder passiert! Kaum hatte er den Raum verlassen, taten sich vor ihm immergleiche graue Steingänge auf, die nur so zu schreien schienen "Komm Kato, verlauf dich!".

Der Sklave seufzte und drehte sich um. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm. Er hatte das Zimmer kaum verlassen, trotzdem konnte er die Tür zu diesem jetzt schon nirgends mehr ausmachen. Es war einfach wie verhext!

Scheiß Türen, die immer zu verschwanden und scheiß unheimliche Gänge, in denen man immer allein herumirrte!

Kato schaute wieder nach vorne. Da war nichts. Oh, was für eine Überraschung....
 

Irgendwo zwischen Hasstiraden auf den Teufel, diese verfluchte rote Akte und am allermeisten auf diesen vermaledeiten Totenschädel, der es auch noch gewagt hatte, ihm so was wie "Halt die Ohren steif, Blondie" nachzuschreien, als er aus dem Raum getreten war; kam ihm der Gedanke, dass es eigentlich recht seltsam war, dass nie jemand anders auf diesen düsteren, verlassenen Gängen anzureffen war. Ok, mal von dummen Schattenfeen und dem verrückten Hutmacher abgesehen.

Nicht, dass es ihn störte. Nein, Kato war eigentlich nicht scharf darauf noch unnötige weitere Bekanntschaften mit den Bewohnern der Hölle zu machen... Aber etwas seltsam fand er es schon.
 

Er seufzte erneut und lenkte seine Schritte zur rechten Seite des Ganges. Vorsichtig ließ er seine Fingerspitzen über den kalten Stein gleiten. Vielleicht gab es hier ja Geheimgänge, die er noch nicht entdeckt hatte. Denn schließlich mussten sich die Anderen auch irgendwie von Ort zu Ort bewegen. Gut, die Erzdämon hatten die Fähigkeit, sich teleportieren zu können oder wie man das auch immer nannte. Aber es gab hier unten doch auch Menschen, die mussten schließlich auch irgendwie dorthin kommen, wo sie hinwollten ohne sich andauernd zu verirren.

"Auuu!" erschrocken zog der Sklave seine Hand von der Wand weg. Er hatte sich gerade eben an einem scharfen Stein geschnitten. "Scheiße, ich blute!" Voller Panik streckte er den Finger zuerst weit weg von sich, als wäre das bisschen Blut derart schwer zu ertragen, dass man beim bloßen Anblick ohnmächtig werden könnte.

Als dann jedoch der erwarte kreislaufliche Kollaps ausblieb, steckte er den blutenden Finger in den Mund, um wie ein kleines Kind daran zu nuckeln.

Böse betrachtete der Blonde den scharfkantigen Stein, der für sein Unglück verantwortlich war, mit einem Blick der sagte: "Wärst du nicht so scharf, würde ich dich jetzt zu Staub zermalmen!"
 

Schmollend ging der Sklave weiter, seinen Finger natürlich immer noch im Mund. Irgendwie hatte es keinen Sinn hier ratlos durch die Gegend zu laufen. Also versuchte es Kato mal mit etwas, das ihm normalerweise nicht so besonders lag: Nachdenken.

Die rote Akte... Wo könnte sie sein? Also, er war von Luzifers Büro aus gestartet, von dem er zwar nebenbei bemerkt nicht die geringste Ahnung hatte wo es lag... Aber das war jetzt erst mal nebensächlich. Dann war er, soweit er sich erinnerte, nach links gegangen und einem - ach, wie innovativ - dunklen Gang gefolgt.

War an dem was besonders gewesen? Irgendwas, das ihn von all den anderen dunklen, spärlich beleuchteten Gängen hätte unterscheiden können?

Kato Hirn arbeitete auf Hochtouren. Langsam, ganz langsam kam die Erinnerung zurück...

Ein Bild formte sich vor dem geistigen Auge des Sklaven. Ja, der Gang war recht kühl gewesen und und.... violettes Licht. Ja genau! Da waren violette Fackeln an den Wänden gewesen.
 

Ein Gang mit violetten Fackeln! Ha, das war die Lösung! War er nicht genial?!
 

Katos Euphorie wurde recht schnell wieder gebremst, denn die Erkenntnis, dass er sich jetzt zwar wieder erinnerte, wo er durchmusste, trug rein gar nicht dazu bei, dass er nicht wusste, wie er zu diesem Ort gelangen sollte.
 

Mit hängenden Schultern trabte das Haustier weiter orientierungslos durch die Gänge. Irgendwie, wenn er so darüber nachdachte, sahen seine Möglichkeiten recht beschränkt aus: Die Option um Hilfe zu rufen, hatte er in Anbetracht der Tatsache , dass der dumme Knochenkopf in seinem Schlafzimmer gesagt hatte, dass Luzifer mit den Erzdämonen in einer Besprechung war und ergo die Möglichkeit, dass einer von denen hier auftauchte, um ihn zu "retten" relativ gering war, aufgegeben. Dann wäre da natürlich die Möglichkeit wieder was zu singen, aber selbst Kato, der ja von Kultur und Anstand nicht sehr viel hielt, sah ein, dass das einfach zu peinlich war... selbst für ihn.

Tja, da blieb ihm eigentlich nur noch eins übrig: Das zu tun, was er hier schon die ganze Zeit über tat, wie ein blindes Schaf durch die Gänge laufen, in der Hoffnung, dass ein Wunder geschah...
 

~~~~
 

"Gang mit violetten Fackeln... Gang mit violetten Fackeln...." Wie ein Mantra murmelte der Sklave diese Worte immer wieder vor sich hin. Er hatte sich im Laufe seiner kleinen aussichtlosen Wanderung dazu hinreißen lassen, einer gewissen Verzweiflung zu verfallen. Schließlich war es dann sogar soweit gekommen, dass Kato darauf bestand, dass es möglich sein musste, wie bei den Kleiderschränken, die aus dem Nichts auftauchten, einen Weg heraufzubeschwören, indem man es sich einfach fest genug wünschte.

"Gang mit violetten Fackeln... Gang mit violetten Fackeln..." Kato hatte die Augen fest zusammenkniffen und trabte jetzt endgültig blind durch die Gänge.

"Gang mit violetten Fackeln...." er hoffte trotz aller Hoffnungslosigkeit drauf, dass wenn er seine Glubscherchen wieder aufmachte, er sich in dem Gang mit den violetten Fackeln befinden würde.
 

"Autsch!" schon wieder war er in eine Wand gelaufen. Kato rieb sich den schmerzenden Kopf, musste sich aber trotz allen Unwollens eingestehen, dass es vielleicht langsam an der Zeit wäre, die Augen wieder aufzumachen und sich der harten Realität zu stellen.
 

Langsam hoben sich seine Lieder und schwaches, schummriges Licht drang in seine Pupille ein. Der Sinneseindruck wurde aufgenommen und von kleinen elektrischen Impulsen zu Katos Zentralhirn weitergeleitet. Dort wurde die Information dann in Erkenntnis umgewandelt, dass das Licht, welches den dunklen schummrigen Gang erleuchtete doch tatsächlich VIOLETT war.

Der Sklave musste zuerst seine Augen noch mal schließen, nur um sich zu vergewissern, dass er sich nicht täuschte.

Nein, es war Realität. Er hatte den Gang mit den violetten Fackeln gefunden!

Der Kiffer konnte es kaum glauben und war vor lauter Freude schon kurz davor in einen wilden körperbetonten Tanz zu verfallen.

Aber halt! Er war in dem Gang mit den violetten Fackeln. Nur um sich noch mal zu vergewissern, drehte sich der Sklave um und erkannte auch in der anderen Hälfe das gleiche Bild wieder, welches sich vor ihm schon zuvor dargeboten hatte.

Das hieß dann also, dass seine absolut bescheuerte Taktik von "sich-einfach-ganz-doll-wünschen-an-den-besagten-Ort-zu-kommen", tatsächlich funktioniert hatte.
 

WOW!
 

Kato schwebte gerade auf der Wolke seiner eigenen Genialität, als ihm der Gedanke kam, dass das vielleicht auch die Lösung für sein Problem sein könnte: Wenn er sich jetzt einfach ganz fest vorstellte die rote Akte zu finden, dann fand er sie vielleicht wirklich....

Ja, das würde er versuchen!

Voller Euphorie schloss der Sklave seine Augen wieder und setzte sich in Bewegung. Es schien ja offensichtlich keine Rolle zu spielen in welche Richtung er ging, wenn es schlussendlich nur darauf ankam, dass er es sich vorstellen konnte, wo er hinwollte.
 

~~~~
 

"Ich will zur roten Akte... Ich will zur roten Akte...." der Blonde hielt sich recht strikt an das Beispiel des violett beleuchteten Ganges, denn immerhin hatte es sich ja bereits einmal als erfolgreich herausgestellt. Warum also davon abweichen?

"Ich will zur roten Akte... Ich will zur roten Akte...." Kato lief einfach immer noch mit geschlossenen Augen geradeaus weiter... bis....
 

"Autsch!" Er war schon wieder mit etwas kollidiert. Nur schien dieses Etwas eine gewisse Gegenkraft auf ihn ausgeübt zu haben, so dass Katos Hintern geradewegs den harten Steinboden geküsst hatte.

Etwas verärgert über die Störung seines "Ich-wünsch-mir-nen-Weg", rieb sich Kato das Hinterteil und wollte sich schon erheben, als er feststellen musste, dass er nicht mit Etwas, sondern mit Jemandem zusammengeprallt war. Vor ihm saß ein - so konnte man das wirklich am besten beschreiben - Bunny, das sich mit ähnlich verärgertem Gesichtausdruck ebenfalls den schmerzenden Hintern rieb.

"Kannst du nicht ein bisschen besser aufpassen?!" meinte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen und wollte sich erheben.

Doch der Blonde, mal ausnahmsweise ganz der Gentleman, bot ihr seine Hand an, um dem seltsamen Mädchen im Hasenkostüm aufzuhelfen. "Sorry, ich hab dich nicht gesehen..." meinte er mit etwas betretenem Gesichtsausdruck und schaute zu Boden.

"Ja, das hab ich bemerkt!" entgegnete sie sarkastisch, "Was läufst du auch mit geschlossenen Augen hier unten rum? Geht's dir noch gut?!" die Hasenohren auf ihrem Kopf wippten energisch auf und ab.
 

"Ähh... Ist ne lange Geschichte..." der Sklave war irgendwie nicht so scharf darauf dem Bunny zu erzählen, was er da gerade gemacht hatte und außerdem waren diese Hasenohren wirklich recht...... ablenkend.

"Aha..." Ihre Augen wanderten nun im Gegenzug über Katos Körper und sie schien den Übeltäter genau unter die Lupe zu nehmen, bis ihr Blick schließlich an dem schwarzen Halsband hängen blieb.

"Kann es sein, dass du Kato bist?" sie schaute dem Blonden nun direkt in die Augen und ihr Gesicht hatte einen fragend kindlichen Ausdruck angenommen.

Etwas überrascht und auch zugleich erschrocken, wich der Sklave erst mal einen Schritt zurück.

"Ja..." entgegnete er misstrauisch. "...woher weißt du das?"

"Oh, mein Herr erzählt viel von dir. Er sagt, du bist witzig,..." Nun strahlte das Bunny über das ganze Gesicht. Ein weiterer Grund für Kato einen Schritt zurückzuweichen.

"Sag bloß, dein Herr ist Asmodeus?!"

Das Strahlen im Gesicht des Bunnys verschwand für einen Moment, kehrte dann jedoch augenblicklich wieder zurück, als sie antwortete: "Oh nein, natürlich nicht. Ich komme aus dem Wunderland."

"Wunderland?" Nun war Kato endgültig verwirrt.

"Ja, das Reich des verrückten Hutmachers.... Ich bin übrigens der Märzhase." Voller Enthusiasmus streckte sie ihm ihre Hand entgegen.

"Aha..." der Sklave ergriff sie etwas zaghaft und begann nun seinerseits diesen Märzhasen genauer zu mustern.

Das Mädchen trug mal ausnahmsweise kein schwarz, sondern ein ziemlich verspieltes weiss-rosa Korsett mit vielen Rüschen dran. Ein paar Strapse spannten sich über ihre Hüften, um die weißen Overknee-Strümpfe zu halten. An ihren Füssen trug sie ein Paar, ebenfalls weiße, Pumps, die ein Band um das Fußgelenk hatten und so hohe Absätze, dass dem Sklaven beinahe schwindlig wurde. Kein Wunder hatte sie sich wehgetan, als sie hingefallen war!

Sein Blick glitt nun wieder weiter nach oben und blieb an dem breiten Grinsen des Bunnys hängen.

"Und wie findest du mich?"

Kato verzog das Gesicht zu einer Fratze und brachte es irgendwie nicht so recht fertig, etwas darauf zu antworten.

"Ach komm schon, so schlimm bin ich nicht..." Sie verzog den Mund zu einem Schmollen und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.

"Nein..." stammelte Kato und versuchte sich zusammenzunehmen, "... a-aber die Ohren..." etwas verstört zeigte er auf die häsischen Hörorgane.

"Oh, gefallen sie dir…" voller Freude griff sich das Bunny an die Löffel, die auf ihren dunkeln Locken thronten, "...wenn du willst kann ich dir auch meinen Schwanz zeigen!"
 

Schwanz?!?!? Der Sklave starrte sie panisch an und war schon kurz davor wieder mal die Flucht ergreifen zu wollen, als sich der Hase umdrehte und lasziv mit dem Hintern wackelte.
 

Schwanz! Kato gingen gerade ein paar Lichter auf. Voller Erleichterung und Freude betrachtete er den süßen kleinen weißen Stummelschwanz des Häschens.

Oh ja, so gefielen ihm Schwänze. Der Blonde lächelte blöd vor sich hin und beobachte noch eine Weile das Auf- und Abwippten des Puschels.
 

"Und? Was meinst du jetzt?" Der Märzhase hatte sich wieder zu Kato umgedreht und betrachtete ihn abwartend.

"Doch, find ich toll." erwiderte dieser grinsend. Ach, konnte die Hölle doch schön sein.
 

~~~~
 

"So, und nun musst du erzählen, was du hier unten tust.... Bist du schon wieder weggelaufen?"

Das Bunny schien im höchsten Masse erfreut darüber eine so "berühmte" Persönlichkeit wie Kato zu treffen.

Dieser zog nun leicht verwirrt die Augenbraue nach oben. "Nein, wieso sollte ich weggelaufen sein..."

"Ach, nur so....." sie klang irgendwie ein wenig enttäuscht.

Das verwirrte den Sklaven nur umso mehr. Warum sollte sich jemand wünschen, dass er weggelaufen war? Wollte sie etwa, dass er schon wieder vom Teufel ausgepeitscht wurde?!

Er musterte das Mädchen misstrauisch von der Seite. Konnte es sein, dass sie genau so pervers und verdreht war, wie alle anderen hier unten?

"Aber dann sag, was tust du denn sonst hier?" mit diesem erneut so kindlichen Ausdruck hatte sie sich ihm wieder zugewandt.

"Ähhhm... Also... Ich weiß nicht so recht, ob ich dir das überhaupt erzählen darf...." Kato war gerade unglaublich stolz auf sich, dass er eine erneute Bloßstellung seiner Person derart geschickt vermieden hatte.

Ja, war er nicht genial. Er würde einfach behaupten, er sei in geheimer Mission unterwegs!
 

"Och schade..." Irgendwie kam es dem Blonden so vor, als würden die Ohren auf dem Kopf des Bunnys gerade etwas mehr nach unten hängen.

"Weißt du, wenn du mir gesagt hättest wo du hin willst, hätte ich dir vielleicht helfen können. Denn du machst irgendwie den Eindruck als hättest du dich verlaufen..."
 

Woher zum Teufel wusste die Schlampe das?! War er wirklich so durchschaubar?! Der Sklave musterte das Mädchen aus zu Schlitzen verengten Augen, wie es ihn immer noch mit diesem kindlichen Ausdruck ansah. "Ist was?"

"Nein..." Kato musste erst mal tief durchatmen. "Wie kommst denn auf die Idee, dass ich mich verlaufen haben könnte?" fragte er mit einem möglichst unschuldig wirkenden Tonfall in der Stimme; dass er dabei aber mehr klang wie eine verrostete Motorsäge, soll hier außer Acht gelassen werden.

"Nun..." das Bunny sah ihn mit großen Augen an. "...eigentlich treibt sich niemand auf den Gängen rum, der sich nicht verirrt hat...."

Kato musste mit allergrößtem Kraftaufwand ein "Ich habe es doch gewusst!" unterdrücken und antwortete dann zwischen zusammengebissenen Zähnen: "Ach, was du nicht sagst..."
 

"Und? Willst du nun mit zu mir kommen?"

"Mit zu dir? Was bitte soll ich bei dir?" fragt der Blonde alarmiert. Irgendwie erinnerte ihn das zu fest an eine Einladung zum Sex.... Und mit denen hatte er ja bekanntlicherweise bereits schlechte Erfahrungen gemacht.

"Na, dort ist es viel gemütlicher als hier..." sie zwinkerte ihm zu.

Kato starrte sie ihm Gegenzug mit schreckgeweiteten Augen an und nahm seinerseits einen riesen Satz rückwärts.

"Ach komm schon...." Der Märzhase schaute ihn mit einem "Du-wirst-doch-nicht-wirklich- Angst-vor-mir-haben“-Blick an und wie zur Unterstützung wackelten die Hasenohren auf ihrem Kopf zustimmend.

Kato musterte das Mädchen für einen Moment. "Pahh, vergiss es! Ich bin doch nicht lebensmüde!" Energisch drehte er sich um und wollte in die andere Richtung davon gehen, als sie ihn am Ärmel packte. "Hey, du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Ich werde dich nicht vergewaltigen oder dergleichen...." Der Blonde linste aus den Augenwinkeln zu ihr zurück.

"....und ich verspreche dir hiermit hoch und heilig, dass ich dich ins Reich des verrückten Hutmachers bringe. Den kennst du ja.... Du kannst mir also vertrauen!"

"DIR VERTRAUEN?!" Kato war wie eine Furie herum gewirbelt. "Weißt du, was mir das letzte Mal passiert ist, als ich jemandem vertraut habe?! Ich wurde zur Strafe ausgepeitscht vom Teufel hächstpersönlich! Und das nur, weil ich diesem verdammten Biest vertraut habe!"

Der Sklave stand schwer atmend und mit rotangelaufenem Kopf vor dem Bunny, welches schützend die Hände vors Gesicht gehoben hatte.
 

"Ähhh... ja... hähä... davon hab ich gehört... Du redest von Nuri, nicht wahr?" entgegnete sie kleinlaut.

Kato starrte das Mädchen an, als wolle er sie jetzt dann jeden Moment anfallen. Der Märzhase schien die drohende Gefahr nun doch zu spüren und wich seinerseits ein wenig zurück. "Hey, nicht böse sein... Das erzählt man sich bloß so..."

"Wer erzählt das?" fuhr er sie an und hatte sich direkt vor dem verängstigten Bunny aufgebaut.

"Wuäähhhh....i-ich weiss doch nicht m-ehr wer..." dessen Augen hatten nun schon einen verdächtigen Glanz angenommen und sie schaute ihn an, als würde sie jeden Moment in eine regelrechte Sintflut ausbrechen.

Selbst Kato, der nicht sehr feinfühlig für zwischenmenschliche Beziehungen war, musste an diesem Punkt erkennen, dass er vielleicht etwas zu weit gegangen war. Betreten schaute er zu Boden und murmelte ein leises "Sorry.... wollte dir nicht zu nahe treten..."
 

"Ach, schon gut..." sie klopfte ihm kumpelhaft auf die Schulter. Der Blonde schaute auf und musste zu seinem Erstaunen feststellen, dass von jeglicher Traurigkeit seitens des Bunnys nicht mehr die geringste Spur zu bemerken war. Im Gegenteil: Der Märzhase grinste wieder fröhlich wie eh und je vor sich hin.

"Sag mal, kann es sein, dass du mich verarscht hast?" Der leicht bissige Unterton war nicht zu überhören. Das Mädchen schaute für einen Moment unschuldig in die Luft und legte ihren Finger ans Kinn, so als müsste sie scharf darüber nachdenken.

"Also, na ja, verarschen würd' ich jetzt nicht sagen, aber ich habe dafür gesorgt, dass du mir nicht wehtust...." Sie strahlte den Blonden erneut an und entblößte dabei eine Reihe schneeweißer Zähne.

"Wenn du so weiter machst, bist du auf dem besten Weg, dass ich dir erst noch richtig wehtun werden...." grummelte dieser und funkelte das Mädchen böse an.

Und wie auf Befehl fing die rot geschminkte Unterlippe des Bunnys schon wieder verdächtig an zu zittern und ihre braunen Augen füllten sich mit Wasser.

"Lass das!" schrie Kato und wollte sich schon auf sie stürzen. Doch natürlich war der Märzhase schneller und wich der Attacke des Sklaven gekonnt aus, bevor dieser auch nur die Gelegenheit gehabt hätte sein Ziel zu erreichen.
 

Sie hatte sich kichernd hinter dem wütenden Blonden aufgebaut und umfasste dessen Oberkörper von hinten. "Du bist genau so, wie mein Herr gesagt hat..." Sacht strich sie ihm eine Haarsträhne hinters Ohr und schmiegte sich an seinen Rücken.

"Und DU bist genauso wie der verrückte Hutmacher.... Eine Plage!" entgegnete Kato, musste aber einsehen, das es wieder mal geschlagen worden war.

"Ganz so schlimm wie er bin ich nicht, aber ich gebe mir grosse Mühe so zu werden." entgegnete sie leise und kuschelte ihr Gesicht in den blonden Haarschopf ihres Gegenübers.

"Mmm, du riechst interessant..."

"Hey, lass diese Scheiße...." Der Sklave löste sich aus der unfreiwilligen Umarmung des Bunnys und stellte sich ihr gegenüber.

Der Märzhase hingegen stand immer noch in der gleichen Position wie zuvor, ihre Augen waren geschlossen und ihr Gesicht wurde von einem verträumten Ausdruck geziert.
 

"Können wir jetzt endlich gehen?!" leicht genervt beobachtete Kato die Szene.

"Was?" die Augen des Bunnys schnappten sofort auf. "Du kommst also mit?!"

"Bleibt mir was anderes übrig?" hätte Kato Hosentaschen gehabt, wäre das jetzt der Moment gewesen, wo er resignierend seine Hände in ihnen vergraben hätte.

"Oh wow, das ist toll!" voller Freude tanzte der Hase um ihn herum und klatschte dabei in die Hände.

Kato seufzte entnervt.
 

"Also komm, lass uns gehen!" energisch griff sich nach seiner Hand und zog den Sklaven hinter sich her.

Dieser hatte gar nicht groß die Gelegenheit darüber nachzudenken, wie ihm geschah, als der Hase auch schon begann sein Tempo zu beschleunigen und ihn einfach so hinter sich her zog.

Kato versuchte zunächst noch mit ihr Schritt zu halten, doch das einzige Resultat daraus war, dass er schon nach kürzester Zeit keuchte und japste. Diese Raucherlunge war schon ein Elend.
 

"Warum rennst du so?" versuchte er zwischen zwei verzweifelten Versuchen Luft in seinen Lunge zu pressen, das Bunny, welches ihn immer noch gnadenlos hinter sich her zog, zu fragen.

"So geht es besser..." Die Nebengeräusche der vorbeiziehenden Luft waren wirklich recht störend, wenn man verstehen wollte, was sie sagte.

"Was geht so besser?" schrie Kato zurück.
 

Die Frage sollte sich jedoch relativ schnell selbst beantworten, als der Blonde in vollem Tempo mit einer Tür zusammenstieß, die - hätte man ihn gefragt - einfach so aus dem Nichts aufgetaucht war.

"AUUUUUUU!!!!!" heulend ging er zu Boden und hielt sich dabei die Nase.

Der Märzhase schaute mitleidig auf ihn herab. "Du musst schon etwas besser aufpassen, wo du langgehst...."

" aas eissst ier, esser aufassen?!?!" Kato waren die Tränen in die Augen gestiegen und durch das zusätzliche Verbarrikadieren seiner Nase und Mund durch seine fest darauf gepresste Hand, war es reichlich schwer zu verstehen, was er eigentlich sagen wollte.

Das Bunny zog vorsorglich ein seidenes, weißes Taschentuch aus ihren Dekoltée hervor und reichte es dem Blonden. Dieser wischte sich damit erst mal das Blut von der Nase und danach die Tränen aus den Augen.
 

"Wo zum Teufel kommt die Tür her?!?!" Es flossen immer noch kleine Blutgerinnsel aus dem Riechorgan des Sklaven, als er voller Empörung auf die schwere Holztür direkt vor ihnen zeigte.

"Na, das ist der Eingang zum Reich des verrückten Hutmachers..." Sie musterte ihn für einen Moment eingehend. "Du peilst es wirklich nicht, oder?"

"Was?" Eigentlich wusste er schon wovon sie redete, es hatte schließlich irgendwann soweit kommen müssen, aber trotzdem musste er sich jetzt noch ein bisschen blöd stellen, um das Unvermeidliche hinauszuzögern.

"Wie wir hierher gekommen sind..."

Kato seufzte und beschloss nun endgültig über die Schmerzgrenze zu treten und zuzugeben, dass er ein Idiot war.

"Nein"

"Dacht ich mir schon..." Für einen Moment blickte sie nachdenklich zu Boden. "Soll ich es dir erklären?"

Nun wurde der Kiffer hellhörig. Das war endlich mal das, was er gewollt hatte.

"Ja, gerne"

"Also gut, dann setz dich!" Der Märzhase ließ sich vor der Tür nach unten gleiten und platzierte sich einfach auf dem Boden. Kato schaute sie fragend an. "Wäre es nicht besser, wenn wir rein gingen?" Er deutete auf die schwere Tür, die mit einem lachenden und einem weinenden Gesicht verziert wurde.

"Nein, nachher dann..."

"Ok, wie du meinst..." Er setzte sich ergeben. Ihm war wirklich nicht danach, sich jetzt noch mit diesem durchgeknallten Bunny zu streiten; außerdem war ihm ein wenig schwindlig. War zwar eigentlich auch kein Wunder, wenn man bedachte, dass er volle Kanne in eine Holztür gerannt war.
 

"Weißt du, die Gänge die du hier siehst, sind eigentlich nicht wirklich existent... oder zumindest nicht materiell existent...."

"Aha..." Kato verstand Bahnhof.

"Sei still und hör zu! Sie sind lediglich astrale Projektionen der Verbindungen zwischen den einzelnen Reichen der verschiedenen Satane. Deshalb haben sie auch nicht wirklich eine Ausdehnung und sind mehr Mittel zum Zweck..." Kato verstand immer noch nicht viel mehr.

"Wenn du also einen Raum verlässt und auf einen Gang trittst, denn verlässt du die materielle Welt und kommst in eine astrale Zwischenebene..." Also jetzt war er verwirrter als jemals zuvor.

"Das heißt, es spielt keine Rolle, in welche Richtung du gehst... die Gänge werden dich immer ins Nichts führen, wenn du dein Ziel nicht vor Augen hast...."

"Ich muss mein Ziel vor Augen haben? Wie das denn?" unterbrach er den Märzhasen. Der Sklave sah sich nun doch genötigt in diese, für ihn leicht abstrakte, Rede einzugreifen.

"Ja. Dein Unterbewusstsein muss das Ziel kennen, damit es die Gänge sozusagen in die richtige Richtung biegen kann..." Kato runzelte die Stirn. Wie bitte sollte sein Unterbewusstsein Gänge verbiegen können.

Das Bunny bemerkte natürlich die Skepsis des Blonden und seufzte leicht entnervt auf. "Hör auf dich so blöd anzustellen! Es geht nur darum, dass du dir bewusst bist, wo du hin willst. Du kannst nicht einfach eine Sightseeing-Tour durch die Hölle veranstalten. Die Gänge würde dich ins Nirgendwo führen, wenn du kein bestimmtes Ziel hast!"

"Ach nein..." Das erklärte natürlich einiges. " ...und warum zum Teufel sagt man mir das erst jetzt!"

"Hey, du musst dich nicht bei mir beschweren. Ich hab dich schließlich erst gerade vorher kennengelernt." Sie hob abwehrend die Hände.

Kato grummelte irgendwas vor sich hin und stützte müde den Kopf auf.
 

"Ach komm, sei nicht traurig." Die frühere Ernsthaftigkeit des Bunnys, mit der sie den Sklaven so neutral über die Funktion der Höllenwege aufgeklärt hatte, schien wieder wie weggeblasen und mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht streckte sie Kato ihre Hand entgegen.

"Lass uns ins Wunderland gehen!"
 

TBC
 

A/N: Vielleicht haben es einige von euch bemerkt, das Bunny kommt nicht zum ersten Mal vor. Es wurde ähnlich wie der Totenschädel auch schon mal von mir erwähnt, zwar nur in einem Satz, aber das ist nebensächlich^^
 

[1] ICH weiß, dass der Schädel nicht Hamlet ist, aber das weiß KATO doch nicht*g*

Kapitel 25

Kaum war Kato durch die Tür getreten, schlug ihm eine Flutwelle hellen Tageslichtes entgegen. Geblendet legte er eine Hand vor seine Augen, versuchte aber dennoch etwas zu erkennen.

Das Bild begann sich langsam zu klären und vor sich erkannte er einen grünen Garten. Nicht verwildert wie Eden, sondern gepflegt. Man hätte ihn als typisch englisch bezeichnen können, aber Kato verstand ja bekanntlich nicht sehr viel von solchen Dingen.....

Der Sklave blinzelte also ein paar Mal und musste sich geistig zur Ordnung rufen, nicht all zu erstaunt über das Gesehene zu sein.
 

"Willkommen im Wunderland! Gefällt es dir?" das Bunny war lächelnd neben ihn getreten.

Kato musterte sie noch mal eingehend und musste feststellen, dass sie bei richtiger Beleuchtung noch süßer war. Vor allem war es jetzt um einiges schwerer, sich nicht von gewissen Körperpartien dieses Hasen ablenken zu lassen. Bei Tageslicht bemerkte man erst richtig, wie tief dieser Ausschnitt wirklich war...

Etwas nervös wandte der Blonde seinen Blick ab und versuchte Interesse an seinen Füssen vorzutäuschen. "Ja, überaus nett..." murmelte er verlegen.

Mit einem wissenden Gesichtsausdruck betrachtet der Märzhase den leicht erröteten Sklaven von der Seite.

"Findest du mich attraktiv?"

"Was?" wie vom Blitz getroffen wandte Kato sich um.

Das Bunny warf theatralisch ihr Haar zurück und grinste den Sklaven an. "Bist du in mich verliebt?"

"WAS?!?! geht's dir noch gut, ich kenn dich gerade mal ein paar Minuten?!" er starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an.

"Oh, gibt es in dem Fall jemanden anders... Los, erzähl mir wer's ist!"

"Was?!" Kato ging das irgendwie alles zu schnell. Der Märzhase war währenddessen näher auf ihn zugetreten und hatte ihre Arme um den Hals des Blonden geschlungen.

"Hey! Jetzt lass mal diese Scheiße, ich hab null Peilung wovon du eigentlich redest!" Energisch löste er sich aus ihrer Umarmung und trat einen Schritt zurück.

Der Bunny sah ihn etwas schmollend an. "Ach komm schon... Ich hab doch gemerkt, wie du mich angeschaut hast..."

Für einen Moment kam sich der Sklave ertappt vor, dann jedoch beschloss er zum Gegenangriff überzugehen. "Das liegt auch bloß daran, dass du hier halbnackt durch die Gegend rennst."

Der Märzhase zog eine Schnute und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. "Behaupte bloß nicht, dass es dir nicht gefallen würde..."

"Das tu ich auch gar nicht. Es gefällt mir, aber du musst dich nicht wundern, wenn dich die Leute in dem Aufzug anstarren...." versuchte mal der Sklave völlig rational und logisch sein Handeln zu rechtfertigen.

"Also liebst du mich doch!" Sie wollte sich schon wieder auf den Blonden stürzen, musste aber zu ihrem eigen Missfallen feststellen, dass sie nur Luft umarmte. Denn das Objekt ihrer Begierde hatte bereits stampfenden Schrittes das Weite gesucht.

"Hey warte! Wo willst du hin? Du wirst dich ohne mich verlaufen...."
 

~~~~
 

"Hey, nicht so schnell. Du weißt doch, ich mach nur Spaß..." Sie streckte ihm ihre Zunge raus, während sie neben ihm herhopste und versuchte mit Katos weit ausholenden Schritten mitzuhalten.

"Hätte ich gewusst, dass du so ne Psycho-Tante bist, wär' ich nie mit dir mitgegangen!"

Kato schaute stur geradeaus und versuchte den hüpfenden Hasen neben sich so wenig Beachtung wie möglich zu schenken.

"Ach komm schon.... Ich sagte doch, dass es nur Spaß war. Du bist einfach zu süß, wenn du dich aufregst..."

"SÜSS?!" Abrupt war er stehen geblieben und bedachte das Bunny mit einem seiner Mörderblicke.

"Ja, süß... sehr süß sogar, um genau zu sein." entgegnete sie mit einem ihrer strahlenden Lächeln.

Kato grummelte etwas vor sich hin, setze sich jedoch wieder in Bewegung.
 

"Äh, wohin willst du eigentlich gehen?" Sie war hinter ihm stehen geblieben.

"Keine Ahnung, du kennst dich doch hier aus, oder nicht?"

"Ja, schon. Deshalb frage ich ja, wenn du nämlich in diese Richtung weitergehst, wirst du früher oder später ins Reich der Herzkönigin kommen und sie mag Fremde nicht besonders...“

"Herzkönigin, klingt sexy..." Kato drehte sich um und grinste dümmlich vor sich hin. Doch musste er zu seinem Erstaunen feststellen, dass sich auf dem Gesicht des Bunnys eine gewisse Nervosität abzeichnete.

"Als sexy würd' ich sie ja nicht unbedingt bezeichnen, eher ein wenig aggressiv..."

Sie griff nach der Hand des Blonden und zog ihn wieder in die entgegengesetzte Richtung,

"...wenn es dir recht ist, würde ich dich eigentlich lieber zur verrückten Teeparty bringen. Dort sind wir geschützt und ungestört..."
 

In erster Linie hatten zwei Wörter Katos Aufmerksamkeit erregt: "geschützt" und "ungestört". Warum zum Teufel musste er beschützt werden? Hatte dieses Bunny nicht gesagt, dass ihm in Reich des verrückten Hutmachers keine Gefahr drohen würde? Und die zweite, aber noch wichtigere Frage: Warum wollte sie mit ihm ungestört sein?!

Beim Sklaven läuteten wieder einmal alle Alarmglocken. Denn dieses Bunny war mindestens genauso seltsam wie der Rest der Höllenbewohner und mit ihren Stimmungsschwankungen wurde sie ihm immer unheimlicher.
 

Unablässig zerrte sie den Sklaven an seiner Hand hinter sich her.

"Halt mal! Warum muss ich geschützt werden? Hast du nicht gesagt, ich wäre hier sicher?" Er hatte sich entschlossen zuerst mit der einfacheren Frage anzufangen.

Ohne sich umzudrehen oder anzuhalten, antwortete sie: "Ach, mach dir keine Gedanken über mein dummes Gerede. Du bist hier sicher..." nach einer kleinen Pause ergänzte sie: "Nur wär's sicherer, wenn wir zur verrückten Teeparty zurückgehen würden...."

Kato starrte dem Bunny mit einem mehr als kritischem Blick auf den Hinterkopf. Und als würde sie es spüren, hielt sie inne und drehte sich nun endlich zu dem Blonden um.

Sie seufzte. "Die Teeparty ist das Herz des Wunderlandes und meine direkte Domäne. Niemand dort würde es wagen auf dumme Gedanken zu kommen...

Wenn du dich aber bis ins Reich der Herzkönigin verirren würdest, wärst du in ihrer Anspruchsdomäne und ich könnte dich nicht mehr beschützen...“

"Aha..." Kato war wieder einmal sehr einfallsreich was seine Antworten betraf. Einen kurzen Moment herrschte Stille und beide Seiten schienen wohl darauf zu warten, dass das Gegenüber etwas erwiderte. Schlussendlich siegte doch Katos Neugier und das Unverständnis gegenüber der Erklärung des Mädchens. "...wäre es denn unbedingt nötig, mich zu beschützen, wenn ich in ihre 'Domäne' käme? Schließlich dachte ich, dass das hier das Reich des verrückten Hutmachers sei, dann sollte sie doch hier das Sagen haben?"

"ER ist die oberste Instanz! Aber solange ER nicht hier ist, solltest du das Schicksal lieber nicht unnötig herausfordern. Das hier ist das Wunderland und wir alle hier spielen unsere Rollen. Ich bin der Märzhase und sie ist die Herzkönigin. Wenn sie also schlechter Laune ist, wird sie deinen Kopf rollen sehen wollen, egal ob du Luzifers Haustier bist oder nicht."

Das Bunny setzte sich wieder in Bewegung und ließ den armen verwirrten Sklaven hinter sich stehen.

"Hey warte... warum will sie meinen Kopf rollen sehen?!" erstaunlich wie schnell sich das Blatt wenden konnte, denn nun schien Kato derjenige zu seinen, der seinem Gegenüber hinterher rennen musste.
 

~~~~
 

"Was für Tee magst du?"

Sie waren mittlerweile bei besagter Teeparty angekommen, doch um das Ganze etwas genauer auf den Punkt zu bringen, handelte es sich eigentlich um nichts anderes als einen langgezogenen Tisch, bedeckt von unzähligen Porzellantassen und Teekannen, der mitten im Grünen unter einem Baum stand.

"Keine Ahnung... bin normalerweise nicht so der Teetrinker..." murmelte Kato etwas geistesabwesend.

Der Grund für seine Verwirrung war etwa 1,60m groß, lag mitten auf dem Tisch zwischen dem Geschirr und schlief.

Der Märzhase kramte währenddessen unbekümmert zwischen ein paar Tassen und antwortete schließlich als wäre es die normalste Sache der Welt: "Das ist die Schlafmaus, am besten du beachtest sie gar nicht...."

Der Blonde brachte seinerseits wieder mal nur eines seiner berühmten "Aha"s zustande.

Er musterte das Mädchen, welches einen ähnlichen Aufzug wie das Bunny trug, nur mit dem Unterschied, dass alles farblich ein wenig dunkler gehalten war. Auf ihrem Kopf prangten auch keine Schlappohren, sondern zwei kleine runde Mäuseöhrchen ....und Kato war sicher, wenn er jetzt auf die andere Seite des Tisches gegangen wäre und sich das Mädel von hinten angesehen hätte, wäre dort sicher auch ein netter Schwanz gewesen. Ein Mäuseschwanz, wohlgemerkt, nur damit keine Missverständnisse entstanden...
 

Der Märzhase schien unterdessen endlich gefunden zu haben, wonach sie gesucht hatte.

"Magst du English bitter Lemon[1]?"

Verdutzt schaute der Sklave auf, er war schließlich ganz in seine Mäusestudien vertieft gewesen. "English... was?"

"Tee, du Trottel..." sie schüttelte empört den Kopf, "...Zitronentee um genau zu sein. Hast du denn von gar nichts ne Ahnung?!"

Kato errötete leicht und konzentrierte seinen Blick irgendwo auf das Astwerk des Baumes über ihm.

Währenddessen der Märzhase neben ihm also besagten Tee zubereitete, ließ der Sklave seine Gedanken wandern. Er dachte daran, dass dieser Ort hier eigentlich gar nicht in die Hölle passte, er war viel zu schön und zu gemütlich. Die Blätter rauschten leise im Wind und machten ihn schläfrig.

Seltsam, dass es so was überhaupt geben konnte bei einem rachsüchtigen Herrscher wie Luzifer.....
 

Luzifer.....
 

LUZIFER....
 

Scheiße die rote Akte!!!!!
 

Er Blonde sprang auf und schaute sich panisch um. Auch das Bunny erschrak dermaßen über Katos Anfall, dass sie prompt den heißen Tee über ihre eigene Hand verschüttete.

"Autsch! Spinnst du?! Was musst mich so erschrecken!" fuhr sie Kato an und hielt sich die schmerzende Hand.

Von dem ganzen Tumult und Geschrei schien auch das schlafende Bündel auf dem Tisch erwacht zu sein. Es regte sich etwas, gähnte einmal herzhaft, dreht sich auf die andere Seite und schlief seelenruhig weiter.

"Siehst du was du getan hast...." der Märzhase zeigte leicht hysterisch auf die schlafende Schlafmaus

"... du hättest sie beinahe geweckt!"

Kato schaute etwas betreten zu Boden und murmelte leise. "'tschuldige..."

Er war selbst mittlerweile an einem Punkt angelangt, wo er sich eingestehen musste, dass er vielleicht ein gewisses Talent dafür hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und dann auch noch total falsch darauf zu reagieren. Resignierend setzte er sich wieder hin und stützte den Kopf auf seine Hände.

"Tut mir wirklich sehr Leid..."
 

Das Bunny atmete einmal tief ein und betrachtet den Sklaven. Dann langsam schlich sich wieder ansatzweise ein Lächeln auf ihr Gesicht. "Ach, ist nicht so schlimm..."

Erstaunt schaute Kato auf.

"Ich vergebe dir, weil es dir wirklich Leid zu tun scheint, aber ich verlange eine kleine Gegenleistung dafür..." Die Miene des Märzhasen war mittlerweile wieder so fröhlich wie eh und je und genau das machte den Blonden irgendwie skeptisch.

"Tut es denn nicht mehr weh?"

"Geht so, aber du weißt ja, wenn man tot ist, sind körperliche Schmerzen nicht mehr wirklich relevant..." sie zuckte mit den Schultern, "... aber du sollst nicht ablenken! Ich hab gesagt, dass ich ne Gegenleistung will..." wieder dieses strahlende Lächeln, das Kato immer nervöser machte.

"Ja, das hab ich auch gehört, aber ich wollte schließlich nur höflich sein... " grummelte er.

"Was willst du?"

Sie kam langsam auf Kato zu und beugte sich zu ihm runter. "Ich möchte, dass du mir erzählst, was du vorhin in den Gängen getrieben hast. Wo wolltest du hin?"

Der Sklave musste schlucken. Eigentlich hatte er ja mit allem gerechnet, dass sie ihn wieder nur verarschen würde oder dass sie ihn fragen würde, wie Luzifer im Bett war. Alles schien ihm plausibler als das...

"Äh.... Das hab ich doch schon gesagt, ich hab mich verlaufen...." er gab sich wirklich große Mühe ihrem Blick auszuweichen.

"Nein, das hatte ICH gesagt..... Aber eigentlich ist das keine Antwort auf meine Frage. Ich wollte wissen, was der Grund dafür war, dass du dich verlaufen hast...." Der Märzhase war mittlerweile so nahe an ihn herangerückt, dass sie ihm diese Worte direkt ins Ohr hauchte.

Kato lief ein Schauer über den Rücken, irgendwie erinnerte ihn dieses Getue verdammt an den verrückten Hutmacher.

"I-ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen darf..."

"Das ist ja genau der Punkt. Ich will, dass du es mir erzählst, egal ob du darfst oder nicht!"

Die Starre die den Blonden befallen hatte seit ihm das Bunny so nahe auf den Pelz gerückt war, löste sich so schnell wieder wie sie gekommen war. Er wirbelte herum und funkelte sie an. "Dir ist schon klar, dass ich derjenige von uns zwei sein werde, der bestraft wird...."

Die Augen des Häschens weiteten sich und mit dieser unglaublich unschuldigen Miene meinte sie: "Bitte........"

Kato starrte sie für einen Moment einfach nur an und wusste nicht mehr was er sagen sollte. Dann seufzte er entnervt auf. "Ok ok, ich erzähl's dir, aber schraub diesen 'Ich-brech-gleich-in-Tränen-aus'-Gesichtsausdruck ab..."

Sofort verschwand die herzerweichende Miene und das Bunny grinste wieder vor sich hin.

"Ich bin ganz Ohr...."
 

Kato fasste sich innerlich an den Kopf und machte sich eine geistige Notiz; nie mehr auf irgendein Weibsbild hier unten in der Hölle reinzufallen.
 

"Also gut, ich erzähl's dir, aber hör gut zu, denn ich werde mich sicher nicht wiederholen..."

"Keine Angst, ich bin nicht so schwer von Begriff wie du...." entgegnete sie lächelnd.

Kato warf ihr einen bösen Blick zu, fuhr aber fort.

"Ich war eigentlich auf der Suche nach einer Akte... Eine Akte, die ich eigentlich schon vor ein paar Tagen hätte ausliefern sollen, die mir aber irgendwie, na sagen wir, abhanden gekommen ist..."

"Eine Akte, klingt spannend... Was stand denn drin?" Der Märzhase hatte sich neben dem Blonden Sklaven platziert und interessiert das Kinn auf ihre Hand gestützt.

"Woher soll ich das wissen?! Luzifer hat mir verboten sie zu öffnen."

"Ok, in seiner Position hätt' ich dir wahrscheinlich auch verboten sie zu öffnen..."

"Hey!" Kato wollte schon ausholen um dem Bunny einen Klaps zu verpassen, doch sie hob abwehrend die Hände. "Sorry, ich meinte eigentlich eher, dass es mich erstaunt, dass du dich tatsächlich daran gehalten hast."

Mit dieser Antwort schien der Sklave wieder versöhnt. "Na ja, ich wollte ja reinschauen, nur leider hatte ich nicht mehr die Gelegenheit dazu...."

"Was ist passiert?"

"Nun, ich hatte ein relativ überflüssiges Zusammentreffen mit einer Schattenfee."

"Uh, die sind lästig." Der Märzhase verzog das Gesicht.

"Jep, das musste ich auch feststellen...." für einen Moment zog Kato es in Erwägung, ihr noch von dem weiteren Verlauf seiner kleinen Reise zu erzählen, entschied sich dann aber dafür den Teil mit Nuri und dem Lustschloss des Satans Asmodeus auszulassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

"... auf jeden Fall hat sie mich in ihr Reich entführt und die Akte blieb auf dem Gang liegen."

"Auf dem Gang? Das ist schlecht..."

"Wieso?"

"Ich hab dir doch das mit den Gängen erklärt, dass sie nicht wirklich existieren, sondern nur astrale Projektionen sind..."

"Ja, erzählt hast du es schon, aber so wirklich geschnallt hab ich es nicht."

"Na ja, das heißt im Klartext, dass die Akte jetzt in einer Zwischenebene verschwunden ist und dort hast du null Chance sie wieder zu finden... "

Kato starrte sie leicht panisch an. Er fragte sich, ob er noch mal einen schwachen hoffnungslosen Versuch unternehmen sollte das Bunny zu fragen, warum er sie nicht einfach von dieser Zwischenebene zurückholen konnte. "Und könnte ich nicht eventuell..."

Sie schien seinen Gedanken zu erraten, "Nein! Jeder Gang ist eine unikate, geistige Projektion desjenigen, der ihn gerade benötigt und deswegen nicht rekonstruierbar. Nur sehr starke Dämonen besitzen die Fähigkeit auf das zwischendimensionale Kontinuum zuzugreifen...."
 

Hä?
 

"...du kannst also nicht zweimal den genau gleichen Gang heraufbeschwören, das geht einfach nicht."

"Doch geht das!" Kato hatte zwar nur den letzten Teil der Ausführung des Bunnys verstanden, trotzdem sah er sich genötigt einzugreifen und seinen Senf dazuzugeben. "Ich hab's vorher immerhin auch geschafft, wieder in den Gang zu kommen, wo ich die scheiß Akte verloren hatte...."

Der Märzhase schüttelte resignierend den Kopf, "Du peilst es einfach nicht, oder? Es kann gar nicht derselbe Gang gewesen sein, da es ja nur ein Bild deiner Psyche war. Du wolltest in diesen Gang und weil du ihn so in Erinnerung hattest, ist er dir so erschienen, wie du ihn wolltest."
 

Der Sklave schien mittlerweile wirklich ein wenig verzweifelt. Seine blonden Strähnen hingen ihm wieder mal ins Gesicht und er schien durch und durch überanstrengt vom vielen Denken.

Etwas mitleidig klopfte ihm das Bunny auf die Schulter. "Ach, mach dir nichts draus... Du könntest ja versuchen dem Adressat der Akte mitzuteilen, dass du sie verloren hast. Vielleicht war sie ja nicht so wichtig und du wirst nicht bestraft... Oder du wirst weniger fest bestraft, weil du schlau genug warst, dich bei dem Adressaten zu entschuldigen." Irgendetwas in der Stimme des Märzhasen ließ heraushören, das sie selbst nicht so wirklich überzeugt von ihren eigenen Worten war.
 

"Sorry Kato..." sie drückte seine Hand, während der Blonde leicht apathisch vor sich hinstarrte.

"Ich weiß, ich bin keine so große Hilfe, aber wenn ich fragen darf, an wen sollte denn die Akte gehen?"

"An den Herrn der Fliegen." murmelte das Haustier leise. Mittlerweile war es ihm auch egal, wenn er etwas verriet, das er eigentlich nicht sollte. Seine Chancen standen sowieso mehr als schlecht und eine gewisse Resignation hatte von ihm Besitz ergriffen.

"Hey!" Der Märzhase war aufgesprungen und klatsche voller Enthusiasmus in die Hände.

"... zu dem ist es nicht weit von hier."

Kato schaute sie etwas müde an. "Es ist ja lieb von dir, dass du mich trösten willst, aber ich denke, es ist besser, wenn ich einfach wieder zurückgehe, Luzifer sage, dass ich das scheiß Teil verloren hab und meine Bestrafung entgegennehme. In gewisser Weise bin ich ja beinahe schon daran gewöhnt." Er grinste etwas schief vor sich hin.

"Nein! Ich meine das ernst! Es ist wirklich nicht weit von hier zum Herrn der Fliegen, du könntest sogar durch das Labyrinth gehen, dann bist du schneller. Und wenn du ihm sagst, dass du die Akte verloren hast, mildert der Fürst der Finsternis vielleicht deine Strafe..."

Er Sklave bedachte sie mit einem 'Das-glaubst-du-doch-selbst-nicht'-Blick.
 

Durchschaut und etwas hilflos erwiderte sie: "Du könntest es doch wenigstens versuchen.... Immerhin ist der verrückt Hutmacher noch nicht zurückgekehrt, das heißt die Besprechung der Erzdämonen dauert immer noch an. Du hättest also noch etwas Zeit..."

"Drei Dinge sprechen dagegen..." Der Blonde betrachtete das aufgewühlte Bunny mit einem für ihn recht untypischen Blick. "....erstens weißt auch du nicht, wie lange sie noch weg sein werden, also könnten sie genauso gut in zehn Minuten wieder auftauchen, zweitens hab ich das Talent, wenn ich versuche mich aus Schwierigkeit rauszuhalten, nur noch in tiefere reinzugeraten und drittens trau ich dir nicht!"

"Du traust mir nicht?! Aber wieso? Hab ich nicht bis jetzt immer auf dich aufgepasst? Hab ich irgendwas getan um dein Misstrauen zu verdienen?" theatralisch legte sie sich die Hand an die Stirn.

Das ganze schien Kato relativ kalt zu lassen und gelassen erwiderte er: "Ich hab bis jetzt hier in der Hölle noch nie jemanden getroffen, der irgendetwas aus Selbstlosigkeit oder Nettigkeit getan hat. Warum also solltest du die Ausnahme sein? Ich weiß nicht, wer du bist, was du tust und wie du hier gelandet bist, aber da das hier immer noch die Hölle ist, trau ich dir nicht über den Weg."

Der Märzhase schaute ihn mit einem verletzten Gesichtsausdruck an. "Ich hab's doch nur gut gemeint..." erwiderte sie leise.
 

"Ah ja und als du mich in vollem Tempo gegen die Tür zum Wunderland hast rennen lassen, hast du's auch nur gut gemeint..." der Sarkasmus, den der Kiffer an den Tag legte, war wirklich erstaunlich.

Nun schien der Märzhase wirklich nicht mehr zu wissen, was sie entgegnen sollte. Ihr Mund klappte auf, dann wieder zu und schlussendlich verschränkte sie mit einem beleidigten Gesichtsausdruck die Arme vor der Brust.

"Dann mach halt was du willst, Idiot! Geh zurück zu deinem Herrn und lass dich von ihm auspeitschen! Es scheint dir ja allem Anschein nach zu gefallen!" Sie drehte sich um und schaute demonstrativ in die andere Richtung.

Nun war es an dem Sklaven sich etwas angegriffen zu fühlen, denn die Bemerkung, dass er Luzifers Strafen auch noch genießen würde, hatte doch einen Nerv getroffen. Erbost erhob er sich von der Bank und stellte sich neben das Bunny.

"Ich glaube nicht, dass du auch nur ansatzweise eine Ahnung davon hast, wie es ist, solchen Schmerz zu erleiden. Du lebst hier in deinem wunderschönen Wunderland und musst dich mit nichts anderem auseinandersetzen als den seltsamen Launen des verrückten Hutmachers. Also wag es nicht über Dinge zu urteilen, von denen du nichts verstehst!"

Irgendwie war Kato über sich selbst erstaunt, dass er diesem Mädchen hier gerade derart harsche Worte an den Kopf schmiss. Er war grundsätzlich nie ein Mensch der Worte gewesen und jetzt plötzlich benutzte er sie so gezielt, als hätte er nie etwas anderes getan... Es war seltsam...

Aber andererseits war der Sklave gerade zu aufgewühlt, um sich ernsthafte Gedanken über diesen ungewöhnlichen Wandel in sich selbst zu machen. Er drehte sich um und steuerte die Richtung an, in der seiner Meinung nach, der Ausgang lag.
 

"DU BIST DERJENIGE DER KEINE AHNUNG HAT!"

Der Blonde seufzte. Er hätte wissen müssen, dass er nicht so leicht davon kommen würde.

Ohne sich umzudrehen, blieb er stehen.

"Du... Du bildest dir ein, zu wissen was Schmerz ist, aber du hast ja keine Ahnung. Du bist gerade mal ein paar Höllentage hier und schon nimmst du den Mund so voll. Nur weil du Luzifers Sklave bist, denkst du, du kannst dir erlauben so mit mir zu reden, aber warte nur.... Irgendwann wirst auch du erkennen, was hier abgeht und wie die Hölle wirklich ist. Wenn sie endlich aufhören dich zu beschützen, dann wirst du die wahre Hölle als den Ort, der sie wirklich ist, erkennen und erleben ... Und du wirst verstehen was es heißt wirklich zu leiden!"
 

Kato hatte den ganzen Monolog des Märzhasen schweigend entgegengenommen. Was hätte er auch dazu sagen sollen? Wahrscheinlich stimmte es sogar, wenn sie sagte, dass er noch nicht mal ansatzweise mit der gesamten Grausamkeit der Hölle Bekanntschaft gemacht hatte... Aber auch er hatte leiden müssen. Vielleicht nicht so fest auf physische Weise, wie andere... aber war es denn nicht grausam genug, wenn der Mensch, in dem man einst seinen besten Freund gesehen hatte, plötzlich zum Feind wird?
 

Allerdings war es nicht die Anklage des Bunnys, dass er wahren Schmerz nicht kannte, die ihn stutzig gemacht hatte, sondern eher der Ausspruch 'wenn sie endlich aufhören dich zu beschützen'. Was sollte das heißen? Wer beschützte ihn?
 

Der Sklave drehte sich wieder zum Märzhasen um und musste zu seinem Erstaunen feststellen, dass die dunklen Augen des Mädchens glänzten. Dieses Mal jedoch in einer vollkommen anderen Weise als dieses gespielte Getue, mit dem sie ihn immer wieder um den Finger gewickelt hatte. Diese Tränen waren echt und der verbissene Ausdruck in ihrem Gesicht untermauerten Katos Feststellung nur noch.

"Sorry... aber ich geh jetzt." murmelte er leise.

"Ja, hau doch ab und lass dich von deinem Meister durchvögeln! Ich hab's bloß gut gemeint und wollte dir helfen, aber du Trottel kannst ja Gut und Böse sowieso nicht unterscheiden!"
 

Kato blieb erneut stehen und ballte seine Hand zur Faust. Langsam ging dieses Bunny echt zu weit. Er hatte für seine Verhältnisse schon ein enorm großes Maß an Geduld bewiesen, aber dieser Hase schien einfach nicht zu erkennen, wo die Grenzen lagen.

Früher hätte er jedem, der es gewagt hätte ihn derart zu beleidigen, eine reingeknallt, egal ob Mann oder Frau... Doch irgendwie hatte er sich verändert in dieser Zeit seit er gestorben war; mal von seinem kleinen Rückfall betreffend Nuri abgesehen...

Kato biss die Zähne zusammen und erwiderte schließlich: "Du verstehst das nicht..... Ich hab schon zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Es ist jetzt einfach besser, wenn ich zurückgehe."

Der Sklave hatte sich wirklich enorm große Mühe gegeben, entgegen seiner Natur und entgegen der Tatsache, dass dieses Bunny ihn vorher aufs Grausamste beleidigt hatte, höflich zu sein.
 

Er hatte ihr schon wieder den Rücken zugedreht, als er ziemlich deutlich ein Wort vernahm. Ein Wort, das für den Blonden die ganze Situation änderte.
 

"Feigling!"
 

Feigling? Kato vertrug viel und er war auch schon mit einigen schlimmeren Schimpfwörtern tituliert worden. Die Palette reichte von räudiger Straßenköter bis hin zu Hurensohn und Motherfucker, aber wenn es etwas gab das Yue Kato absolut nicht vertrug, dann war es als Feigling bezeichnet zu werden.

Der Grund für diese spezifische Empfindsamkeit reichte weit zurück in seine frühen Teenagerjahre und hatte mit seinen ersten Erfahrungen betreffend Drogen zu tun.

Wie von der Tarantel gestochen fuhr der Blonde herum. "Wie nennst du mich?!"

"Ich nenne dich einen elenden Feigling, der es nicht wagt, sich seinem Herrn zu widersetzten und lieber freiwillig eine Strafe entgegen nimmt als es auch nur ansatzweise zu versuchen, irgendwie anders eine Lösung für das Problem zu finden!"

Kato legte den Kopf leicht schief. "Übersetzt in die Sprache der Idioten willst du mir wohl damit sagen, dass ich gar nicht wirklich versuche, mich aus dieser scheiß Lage zu befreien..."

Auf dem Gesicht des Märzhasen zeichnete sich wieder langsam ein Grinsen ab. "Genau das will ich!"

Der Sklave trat wieder einen Schritt näher auf das weiß gekleidete Häschen zu. "Unterstellst du mir, dass ich mich zu wenig anstrenge?"

Für einen Moment schien sie nachzudenken, dann antwortete sie: "Nein, eigentlich mehr dass du zu schnell aufgibst! Noch hast du die Gelegenheit einer Strafe zu entgehen oder wenigstens eine Strafmilderung zu erreichen. Wenn du dich aber einfach in dein Schicksal fügst, musst du annehmen was dein Herr dir auferlegt, doch wenn du kämpfst oder mindestens versuchst dein Bestes zu tun, kann es nur besser werden..."
 

Kato wandte seinen Blick von dem Hasen ab, der mittlerweile wieder etwas freundlicher gestimmt zu sein schien und richtete ihn irgendwo in die Ferne. "Das glaubst du..."

"Ja, natürlich glaube ich das! Ein Versuch kann nie schaden! Denn wenn du es nämlich nicht versuchst, wirst du es im Nachhinein bereuen!" Sie nickte bestimmt.

Ihre alte Fröhlichkeit war wieder gänzlich zurückgekehrt und die Tatsache, dass sie und Luzifers Haustier sich vor noch nicht allzu langer Zeit gegenseitig mit Gemeinheiten beworfen hatten, schein wie weggeblasen.

"Ich bin mir da nicht so sicher..." erwiderte der Blonde leise.

"Papperlapapp..." das Bunny griff nach Katos Hand, "... ich bringe dich zum Labyrinth und begleite dich dann bis an die Grenze zum Reich des Herrn der Fliegen. Du kannst echt von Glück reden, dass ich so großzügig bin und mit dir komme, du musst nämlich praktisch durch das ganze Labyrinth durch und wenn du den Weg ganz alleine finden müsstest, wärst du echt aufgeschmissen, denn Fremde neigen immer mal wieder dazu, sich im Labyrinth zu verirren...."

Das Hirn des Blonden war hatte schon nach halber Stecke des Monologs auf Durchzug geschaltet. Er hörte nur ein paar mal "Labyrinth" und "verirren". Also wieder mal zwei Wörter, die ihn beunruhigten. Kato fragte sich gerade innerlich, wie es soweit hatte kommen können, dass ihn dieser Märzhasen schon wieder hinter sich herschleifte, vor allem in Anbetracht der Tatsche, dass sie sich vorher gerade noch gestritten hatten. Irgendwas machte er im Umgang mit Frauen falsch....
 

TBC
 

[1] Der "English bitter Lemon Tea" ist natürlich eine Erfindung von mir. Ich bin ebenfalls nicht unbedingt der Teetrinker und kenne mich deshalb auf diesem Gebiet nicht so aus, aber eigentlich wollte ich mit diesem Name auch mehr meinen Lesern ein kleines Grinsen aufs Gesicht zaubern.... Lemon...

Kapitel 26

LABYRINTH
 

...stand es in großen eisernen Gusslettern über dem Eingang zum den grünen Heckgebilde geschrieben.

Kato fragte sich, warum jemand es für nötig hielt ein Labyrinth als solches anzuschreiben, denn mindestens für ihn war es eigentlich ziemlich ersichtlich was dieses Ganggewirr darstellen sollte; und schließlich war er derjenige von dem die Leute behaupteten, er sei dumm.

Kato seufzte und sein Blick wanderte zum Bunny, das direkt unter dem Eingang stand und ihn mit ihrem gewohnten Lächeln anschaute.

Sie hatte, seit sie von der verrückten Teeparty aufgebrochen waren, kein Wort mehr betreffend ihrer kleinen Auseinandersetzung verloren und den Sklaven kontinuierlich über das Labyrinth, dessen Funktion, Inhalt und Ausgänge zugetextet. Nicht, dass Kato auch nur die Hälfte davon mitbekommen hätte... Er war geistig viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich zu fragen, ob es wirklich eine gute Idee war, hier wieder mal was auf eigene Faust zu unternehmen, anstatt zu Luzifer zurückzugehen.

Eigentlich zweifelte er daran.... Aber mittlerweile war es auch schon zu spät, um noch Kehrt zu machen, vor allem wo der Märzhase irgendwie eine seltsame Freude daran zu haben schien, ihm zu helfen.

Kato traute ihr deswegen immer noch nicht.
 

“Los, komm schon!” Sie streckte ihm wieder mal ihre Hand entgegen, “Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Ich kenn mich hier aus, wir werden uns also sicher nicht verirren...”

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund beruhigte das den Blonden nicht besonders. Bisher hatte alles, was als wasserdichte Gelegenheit erschienen war, irgendeinen Hacken gehabt. Es konnte bei diesem scheiß Labyrinth nicht anders sein.

“Wenn wir dann also auf der anderen Seite rauskommen, bin ich im Reich des Herrn der Fliegen?” fragte er zaghaft.

“Nein, noch nicht gleich. Aber die Grenze ist dort ganz in der Nähe. Sozusagen nur noch ein Katzensprung. Ich kann dich allerdings nur bis dort begleiten, denn ich darf das Reich des Herrn der Fliegen nicht betreten, schließlich gehöre ich hierher...”

Wieder ein Punkt, der den Sklave stutzig machte. Sie wollte nicht mitkommen.... Zuerst überredete sie ihn und dann ließ sie ihn allein! Das konnte nur schlecht rauskommen!
 

Und wieder war ein Seufzen von Seiten des Sklaven zu hören, dennoch griff er endlich nach der dargebotenen Hand des Märzhasen.

“Ach, tu doch nicht so, als würde ich dich ins Verderben lotsen...” Unglaublich wie treffend diese Worte Kato doch erschienen...
 

Sie betraten also das Labyrinth.
 

~~~~~
 

Zuerst war es lange nichts anderes als grüne Hecke gewesen, die sie von beiden Seiten umgab, doch als sie an die erste Weggabelung gerieten, verfiel Kato augenblicklich einer leichten Form der Panik. Welche Seite sollte man wählen? Links oder rechts?

Doch während der Kiffer noch innerliche Konflikte aufbaute, hatte der Hase ihn schon in den linken Gang gezogen und Kato konnte nicht anders als einmal verwundert hinter sich zu schauen. Das war ihm jetzt etwas zu schnell gegangen. Warum hatte dieses Bunny keinen Moment darüber nachdenken müssen, welchen Weg sie einschlug. Kannte sie sich etwa echt hier aus?!

Kato beschloss bis zur nächsten Gabelung abzuwarten, bevor sich ein endgültiges Urteil über den Orientierungssinn dieses Bunnys erlaubte.

Die nächste ließ auch nicht lange auf sich warten und sollte noch eine etwas größere Herausforderung darstellen, es handelte sich nämlich um eine Dreierverzweigung. Doch auch dieses Mal zögerte das Häschen kein bisschen und wählte den mittleren Weg zu Fortsetzung ihrer Reise.
 

Kato staunte wirklich nicht schlecht. Also entweder lotse ihn dieser Hase mit einem ungeheuren Selbstbewusstsein ins Nirgendwo oder sie kannte den Weg tatsächlich.

Sein Vertrauen war auf jedem Fall mindestens im Bezug auf Wegführung wieder etwas hergestellt und der Sklave beschloss, anstatt sich Sorgen über den Weg zu machen, sich lieber etwas umzusehen.

Er hatte natürlich nicht vor, sich von dem Märzhasen zu entfernen, sogar ihm war klar, dass das wirklich der Gipfel an Dummheit gewesen wäre, aber er wollte die direkte Umgebung etwas genauer unter die Lupe nehmen. Denn ihm war schon seit geraumer Zeit aufgefallen, dass ein etwas ungewöhnlicher Geruch in der Luft lag....

Ein Geruch, der Kato zwar eigentlich sehr vertraut war, dennoch erschien es ihm seltsam, ihn an diesem Ort wahrzunehmen. Denn es war der recht eigene Duft von Pfeifentabak...

Wie gesagt, dem Kiffer war er nur zu vertraut.... Neugierig hab er sein Näschen in die Höhe und versuchte den Ursprung des Geruches irgendwie lokalisieren zu können. Was natürlich reichlich schwer war, wenn man gerade damit beschäftigt war hinter einem Hasen herzurennen.

Zu Katos Glück schien sich der Geruch jedoch nur noch mehr verstärken, je länger er dem Bunny folgte. Es vermittelte ihm regelrecht ein Hochgefühl wieder mal den langentbehrten Duft von Tabak einatmen zu können. Wie lange war es eigentlich her, seit er seinen letzten Joint geraucht hatte?

Na Gott sei Dank, hatte er dadurch dass er tot war wenigstens keine Entzugserscheinungen.

Aber er war halt ein Gewohnheitskiffer und deshalb sog er gerade voller Wonne den Duft ein.
 

“Übertreib’s nur mal nicht” der Märzhase hatte Katos kleinen Schnupperexzess natürlich mitverfolgt und grinste ihn nun schräg von der Seite an.

“Hey, wir haben alle unsere Süchte... Du trinkst Tee, ich schnuppere Tabak...”

“Wenn du ihn bloß schnuppern würdest, wär’s ja noch halb so schlimm.”

Der Sklave hielt inne und senkte sein Riechorgan wieder in eine horizontale Lage. “Willst du mir damit unterstellen, dass ich ein Junkie wäre...”

“Ja”

“Ok...” Kato zuckte mit den Schultern. “... man hat mir wirklich schon schlimmeres gesagt. Wenn du mich nur als Junkie bezeichnest, ist das noch harmlos... Und wahrscheinlich hast damit du sogar recht.”
 

Der Märzhase schien nun doch etwas erstaunt über soviel Teilnahmslosigkeit. “Und hast du es nie in Betracht gezogen, etwas an deinem mickrigen Dasein verändern zu wollen?”

“Hey ich bin der Sklave des Teufels. Ich hab wirklich andere Probleme... Also lass mir doch meine Freude, mich an etwas Tabak in der Luft zu erfreuen...”

Sie zog kritisch die Augenbraue in die Höhe. Irgendwo musste sie dem Sklaven vielleicht Recht geben, wahrscheinlich hatte er tatsächlich ernsthaftere Probleme als das...
 

Allerdings hatte sie gewisse Befürchtungen betreffend einem bevorstehendem Zusammentreffen zwischen diesem Tabakjunkie und dem Ursprung des Tabakgeruches in der Luft.

“Ähh Kato-kun, ich sollte dir vielleicht noch sagen, dass wir jetzt dann bald mal auf eine Lichtung kommen werden. Auf dieser Lichtung ist ein Pilz, auf dem eine Raupe sitzt....”

Der Blonde starrte das Bunny mit einem Blick an, der in etwa fragte: “Was hast du denn geraucht?”

Aber sie sollte nicht dazu kommen, weitere Ausführungen zum Thema Pilz und Raupe zu machen, denn die zwei waren bereits auf besagter Lichtung angekommen und der Blick das Sklaven fiel ziemlich schnell auf ein Objekt in der Mitte des freistehenden Platzes.

Es war ein etwa manngroßer Pilz auf dem eine ebenso große Raupe saß.

Katos blaue Augen drohten einen Moment aus ihrer Fassung zu fallen, als er voller Unglauben auf das Geschöpf zeigte. “R-r-r-ra-a-au-u-p-e?”

“Ja Kato, das ist eine Raupe, die auf einem Pilz sitz und eine Wasserpfeife in der Hand hält...”

Unglaublich wie schnell der Mund des Blonden wieder zuklappe und mit was für einer analytischen Präzision seine Augen sich wieder fokussierten und auf die Suchen nach jenem besagten Objekt, der Wasserpfeife, gingen.
 

Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Das Bunny hingegen seufzte nur. Das war genau, was sie befürchtet hatte. Resignierend erwiderte sie: “Kannst ja fragen, ob er dir nen Zug abgibt.”

“Was echt?! Meinst du echt, er würde mich mal ziehen lassen?” Katos Augen waren groß geworden und machten jedem Hundewelpen Konkurrenz.

Der Märzhase murmelte zwischen zusammengebissenen Zähnen etwas, das sich verdammt nach “Junkie” anhörte. Allerdings sollte das die Ohren des Blonden nicht mehr erreichen, denn er wandelte bereits wie in Trance auf den Pilz zu.
 

Kato und die Raupe sahen sich für einen Moment schweigend an; dann endlich nahm die Raupe die Pfeife aus dem Mund und sprach mit müder, schleppender Stimme: “Wer bist denn du” [1]

“Ich bin Kato und möchte gern auch mal ziehen.” er deutete mit glänzenden Augen auf das Pfeifchen in der grünen Hand der Raupe.

Diese schien nun doch recht perplex, ob einer solch inadäquaten Antwort und drehte dem rüpelhaften Blonden erst mal demonstrativ den Rücken zu.
 

“Hey, ich hab doch ganz anständig gefragt...”

“Kato, lass den Schwachsinn und lass uns endlich weitergehen!” Der Märzhase hatte sich wieder eingeschaltet und zerrte den, immer noch wie verhext auf die Wasserpfeife starrenden, Sklaven mit sich.

“Aber ich will doch auch mal....” Kato schaute traurig der sich immer weiter entfernenden Gelegenheit auf einen Nikotinschub nach.

“Benimm dich gefälligst wieder etwas mehr wie ein Erwachsener und nicht wie ein dreijähriges Kind, dem man sein Spielzeug weggenommen hat. Immerhin hast du eine Aufgabe! Du musst eine Entschuldigung auftreiben, warum du die Akte verloren hast.”

Das Wort “Akte” schien wirklich ungeahnte Wirkung auf den Blonden zu haben. Augenblicklich richtete er seinen Blick wieder nach vorne und er schien die letzte Hoffnung auf eine Befriedigung seiner Sucht aufzugeben.

“Ja natürlich, bin ganz Ohr...”
 

~~~~
 

“Sind wir bald da? Wir laufen jetzt schon ne halbe Ewigkeit durch dieses scheiß Labyrinth, langsam wird’s langweilig. Außerdem hattest du nicht mal gesagt, es wär’ ne Abkürzung...”

Kato trotte immer noch hinter dem Märzhasen her. Ihre kleine Reise war seit dem Zwischenfall bei der Raupe relativ ereignislos verlaufen, außer dass sie einmal eine Truppe von weiß gekleideten Männern gekreuzt hatten, die rote Farbe mit sich herumschleppten und die ganze Zeit nervös irgendwelche Dinge wie “Wir malen die Rosen rot, aber erzählt’s keinem...” vor sich hin gemurmelt hatten.

Kato hatte natürlich Bahnhof verstanden. Er hatte dann aber in Anbetracht der Tatsache, dass das Bunny relativ desinteressiert einfach an ihnen vorbei gegangen war, beschlossen sie ebenfalls zu ignorieren. War wahrscheinlich besser so und sorgte für weniger Kopfschmerzen...
 

“Es ist ne Abkürzung.... Jeder andere sichere Weg wäre dreimal so lang...”

“Aber es gäbe nen anderen Weg?”

“Ja, es gäbe nen anderen Weg...” das Bunny seufzte, “...aber glaub mir, den willst du nicht gehen.”

“Ach nein?”

“Nein!” Langsam schien es ihr doch etwas zu bunt zu werden. Energisch hatte sie sich zu dem Kiffer umgedreht und funkelte ihn aus bösen Augen an.

Kato schluckte. Er war etwas überrascht, dass dieses Häschen tatsächlich so furchteinflössend schauen konnte.

“Ok.... Aber könnten wir vielleicht mal ne Pause einlegen?”

“Wieso? Ich dachte, du hättest es eilig...”

“Na ja, so lange wie wir jetzt schon unterwegs sind, bin ich eh schon zu spät... Also spielt es auch keine Rolle mehr, wenn wir ne kleine Pause machen.” Er sah das Bunny bittend an, welches darauf hin die Augen verdrehte.

“Du bist wirklich unverbesserlich. Aber meinetwegen, machen wir ne Pause. Bald kommt wieder ne Lichtung, dort ist es gemütlicher um sich auszuruhen.”

“Gibt es dort auch Raupen?” fragte Kato hoffnungsvoll.

“Nein, nur den Spiegel, der alles sieht....”
 

~~~~
 

Kato musterte den Spiegel kritisch.

Er und der Märzhase hatten besagte Lichtung erreicht und zur Enttäuschung des Sklaven hatte nichts anderes als ein einsamer Steinsockel in der Mitte gestanden.

Das Bunny hatte sich entspannt dagegen gelehnt und Kato seine kleine Erkundungstour machen lassen.

Auf der flachen Oberfläche des Sockels hatte dann der ovale Spiegel gelegen, der nun die ganze Aufmerksamkeit des Blonden für sich beanspruchte. Allerdings konnte er nichts anderes als sein eigens Spiegelbild darin erkennen.

“Das Teil ist kaputt.” meinte er enttäuscht.

“Nein ist es nicht. Du musst ihm schon zuerst sagen, was du sehen willst. Denn wenn er dir alles auf einmal zeigen würde, wäre dein erbärmliches menschliches Gehirn von der Informationsflut derart überlastet, dass es explodieren würde....”

Kato schaute sie ungläubig an. “Meinst du nicht, dass du vielleicht etwas übertreibst...”

“Na, vielleicht ein bisschen....” Das Bunny grinste.

Er warf ihr einen bösen Blick zu und hob den Spiegel aus seiner liegenden Position.

“Und er zeigt mir wirklich alles, was ich sehen will?”

“Ja, tut er. Soll ich es dir demonstrieren?”

Kato nickte, reichte den Spiegel dem Märzhasen und setzen sich neben sie auf den Boden.

“Also, schau genau zu....” sie hielt den Spiegel auf Gesichtshöhe und sprach: “Zeig mir die Konferenz der Erzdämonen!”[2]

Die Reflektion des Gesichtes des Märzhasen begann zu verschwimmen und verlor sich in einem grauen Wirbel. Dann plötzlich wurde das Bild wieder klarer und der Spiegel zeigte einen geschlossenen Raum mit einer langen Tafel in der Mitte. Sieben Leute saßen darum und schienen in ihre Diskussion vertieft, den heimlichen Beobachtern nicht bewusst.

Das Bild zoomte etwas näher, so dass die Gesichter erkennbar wurden. Es handelte sich tatsächlich um die sechs Erzdämonen und Luzifer, der zuoberst am Tisch saß.

Der Mann mit den hässlichen Haaren, der Kato schon beim Fest aufgefallen war, gestikulierte gerade wild und schien die ziemlich gelangweilt dreinschauenden Satane von irgendetwas überzeugen zu wollen.
 

‘..as ..ellt ..n ech.. ...olem ....’
 

“Was wir haben sogar Ton?!” Kato starrte den Märzhasen überrascht an.

“Ja, und jetzt halt gefälligst die Klappe! Ich will hören was sie sagen.”
 

‘..ie Bedr..ung der Neph.. darf.. n... ei..fach so über... werden’
 

“Scheiß Empfang!” Das Bunny haute gegen das Glas, worauf das Bild für einen Moment schwankte.

“Hey, du machst es noch kaputt!”

“Mach’s doch selber, wenn du’s besser kannst!” keifte sie den Kiffer an.

“Los, gib her!” Noch bevor der Märzhase dazu kam, zu widersprechen, hatte sich Kato den Spiegel auch schon aus ihren Händen geschnappt und stellte ihn wieder auf seine ursprüngliche Position auf dem Steinsockel zurück. Augenblicklich schienen die Stimmen klarer und verständlicher zu werden.

‘Diese Bedrohung darf nicht weiter ignoriert werden...’

Kato bedachte das Bunny mit einem triumphalen Blick, worauf diese nur wieder die Augen verdrehte.

“Bild dir bloß nichts ein, nur weil du nen Spiegel zum laufen gebracht hast...”

“Psst! Ich will hören was sie sagen!” imitierte er ihren Ton, den sie gerade vorher noch bei ihm benutzt hatte.

Der Hase zog eine Schnute, gesellte sich aber dennoch neben Kato, um in den Spiegel zu sehen.
 

‘Ich denke, ihr übertreibt ein wenig, Mammon. Die Nephilim habe sich seit Jahrhunderten ruhig verhalten, warum also sollten sie uns gerade jetzt Schwierigkeiten machen.’ Belial sprach ziemlich unbeeindruckt und schien im Endeffekt ihren Fingernägeln mehr Beachtung zu schenken, als dem eigentlichen Thema.

‘Ihr...’ der Typ mit den hässlichen Haaren schien etwas erzürnt über das offensichtliches Desinteresse Belial,. ‘..Hutmacher, solltet es als Letzter wagen, Euch Urteile zu erlauben. Denn es ist nicht euer Reich das direkt an die Domäne der Nephilim grenzt...’

Die Herrin der Hochmut zog gespielt theatralisch eine ihrer Augenbrachen hoch. ‘So? Und was veranlasst Euch dazu, eine derartige Vermutung zu äußern?’

Sie stütze ihr Kinn auf der Handfläche ab und betrachtete den aufgebrachten Herrn des Goldes mit einem ihrer undurchschaubaren Lächeln.

Auf diesen schien das jedoch die genau gegenteilige Wirkung zu haben und er schlug erzürnt die Handflächen auf den Tisch.

‘Erlaubt es Euch nicht, mich zu verspotten, Belial! Ihr werdet noch früh genug erkennen, dass ich Recht habe. Ihr mögt in eurer Traumwelt die Unruhe vielleicht nicht spüren, doch ich.... Ich vernehme sie in jedem einzelnen Atemzug, wie sie immer näher kommt. Es braut sich etwas zusammen und wir dürfen es nicht weiter ignorieren!’
 

Als ob Mammon auf Zustimmung hoffte, glitt sein Blick ans obere Tischende zu Luzifer. Dieser hatte sich in seinem Thron etwas zurückgelehnt und hatte schweigend dem Streitgespräch seiner zwei Erzdämonen gelauscht. Es war an seinem, wie üblich, kalten Gesichtsausdruck nicht anzulesen, wie viel Gewicht er der Warnung seines Finanzministers nun tatsächlich zumaß....

Dann plötzlich schaute der Höllenfürst auf und sein Blick ging an den Satanen, welche sich immer noch eine Antwort erhofften, vorbei und fixierte genau sein Haustier und den Märzhasen, die immer noch als stille Beobachter vor dem Spiegel standen.

“Er kann uns sehen!” wie vom Blitz getroffen wichen die zwei zurück.

Das Bild im Spiegel verschwamm und schlussendlich war wieder nichts mehr anderes als die Reflektion des blauen Himmels über ihnen darin zu erkennen.

“Scheiße! Dafür krieg ich bestimmt wieder Ärger!” Verzweifelt raufte sich Kato die Haare. Daneben stand das Bunny mit einem nicht minder wehleidigen Gesichtsausdruck. “Ich auch...”

“Ja, aber sicher nicht so schlimm wie ich....”

“Du unterschätzt den Hutmacher... Wenn er wütend ist, kann er wirklich sehr sehr unangenehm werden....”

“Ach ja?” Der Sklave betrachtet den Märzhasen mit einem etwas ungläubigen Gesichtsausdruck.

“JA!”
 

Kato hob abwehrend die Hände. “Lass uns nicht schon wieder streiten, das führt sowieso zu nichts....” Er legte resignierend seine Stirn auf die kalte Oberfläche des Steinsockels.

“Hast recht....” sie setzte sich neben ihn auf den Boden, dort wo sie zuvor schon mal gesessen hatte.
 

“Zeigt dieser Spiegel wirklich alles, was ich sehen möchte?” der Kopf des Sklaven verhaarte immer noch in gleicher Position.

“Hast du ja gesehen....” entgegnete sie etwas gelangweilt.

Nun schaute Kato auf. “Ja, aber ich meinte mehr, ob er auch die Erde zeigen würde.....”

“Ja schon... aber was willst du auf der Erde sehen?” Das Interesse des Bunnys schien wieder etwas angestachelt und sie schaute neugierig zu dem Sklaven auf.

“Siehst du dann....” Kato beugte sich etwas vor, so dass sein Gesicht direkt über dem liegenden Spiegel war. “Spiegel.... Zeig mir meine Schwester! Sae Kato!”
 

Das Spiegelbild verschwamm wieder und erneut erschien der graue Wirbel. Das klärte sich das Bild und eine junge dunkelhaarige Frau war zu sehen.

“Ist sie das? Nicht besonders hübsch....” der Märzhase war neben Kato erscheinen.

“Halt die Klappe!”
 

Die junge Frau im Spiegel ging in einem Zimmer auf und ab. Bei näherer Betrachtung erkannte man, dass sie ein Baby in ihren Armen hielt.

“Sie hat ein Kind?” der Blonde starrte etwas ungläubig auf das Bild.

“Scheint so....”

Plötzlich begann das kleine Bündel in den Armen der Frau Geräusche von sich zu geben. Es quengelte und zog mit seinen kleinen Händchen an den langen dunklen Haaren seiner Mutter.

“Also, die Verwandtschaft mit dir ist offensichtlich... So klein und jetzt schon ne Nervensäge!”

Kato verpasste dem grinsenden Bunny einen Stoss in die Rippen, entschied aber ansonsten über die Bemerkung hinwegzugehen.
 

Die Frau im Spiegel ging mit ihrem Kind auf einen Stuhl zu und setzte sich hin. Leicht wiegte sie es hin und her. ‘Yue, soll ich etwas für dich singen?’ sie lächelte das Baby an.

In Katos Herz breitete sich gerade eine nie gekannte Wärme aus. Yue..... seine Schwester hatte ihr Kind tatsächlich nach ihm benannt...

Die sanfte Stimme der jungen Frau stimmte ein Lied an...
 

Weißt du wieviel Sternlein stehen

An dem blauen Himmelszelt?

Weißt du wieviel Wolken gehen

Weithin über alle Welt?

Gott der Herr hat sie gezählet,

Daß ihm auch nicht eines fehlet

An der ganzen großen Zahl.....
 

Das Kleine in ihren Armen wurde ruhiger und auch Kato war von dem Gesang so sehr berührt, dass es ihm schwer fiel die Tränen zurückzuhalten.

Voller Liebe starrte er auf seine Schwester, wie sie in dem Stuhl saß und das Baby in ihren Armen wiegte. Er hatte noch nie ein derart starkes Gefühl für sie gehegt, aber in diesem einen Moment bedeutet sie ihm mehr als jemals zuvor.

„Danke... Dass du mich nicht vergessen hast, Sae...“ er führt zwei Finger zu seinen Lippen, küsste sie und drückte sie dann dem Abbild der jungen Frau in dem Spiegel auf.
 

~~~~
 

„Ähh, ich störe deine Rührseligkeit ja nur ungern... Aber bist du nicht der Meinung, dass wir vielleicht langsam weiter sollten...“

Der Sklave schniefte einmal herzhaft, dann wandte er sich wieder dem Märzhasen zu.

Seine Augen glänzten feucht. „Ja doch, du hast wahrscheinlich Recht, wir sollten weiter.....“
 

Leicht benommen trottete er wieder auf das andere Ende der Lichtung zu und wandte sich nach links.

„Äh Kato-kun, das ist die falsche Richtung.....“

Dieser schaute verwundert auf, musterte zuerst das Bunny dann den Weg den er eingeschlagen hatte.

„Nein, dieses Mal kannst du mich nicht verscheißern. Ich bin mir sicher, das ist der Weg von dem wir gekommen sind.“ Die Wandlung vom noch leicht auf einer Wolke schwebenden Junkie zurück zur blonden Zicke, wie man es von Kato gewohnt war, vollzog sich unglaublich schnell.

„Jaaaaaaaaa Kato, da hast du Recht, das ist schon der Weg von dem wir gekommen sind.... Aber warum sollten wir wieder diesen Weg zurückgehen wollen, wo unser Ziel doch nicht der Eingang des Labyrinthes, sondern der Ausgang ist....“ der Märzhase sprach sehr langsam, so wie ein Lehrer, der zum millionsten Mal versucht einem dumme Schüler zu erklären, warum es so ist und nicht anders.

„Nein, glaube wir reden etwas aneinander vorbei.... aber Angesichts der Tatsache, dass wir vorher dabei entdeckt wurden, wie wir eine, wahrscheinlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmte, Konferenz der höllischen Elite belauschet haben und du wohlgemerkt selbst gesagt hast, dass auch du mit einer Bestrafung vom verrückten Hutmacher rechnest, war es für mich eigentlich klar, DASS WIR VERDAMMT NOCHMAL UMDREHEN UND ZURÜCKGEHEN!“

Das Bunny wich, getroffen von der Wucht dieses unvorhergesehenen Wutanfalls, einen Schritt zurück.

„Reg dich doch nicht gleich so auf....“

„ICH SOLL MICH NICHT AUFREGEN?!“ bei jedem Wort war der Blonde etwas näher an das Häschen herangetreten, das ihrerseits immer mehr in sich zusammenzuschrumpfen schien.

„Ich weiß nicht, ob dir das klar ist, aber jetzt werde ich nicht nur Ärger kriegen, weil ich diese scheiß rote Akte verschlampt hab, sondern auch noch weil ich mich mit einem durchgeknallten Bunny im Wunderland rumtreibe und den Herrn der Hölle dabei bespanne, wie er wahrscheinlich gerade ziemlich geheime Konferenzen mit seinem Erzdämonen abhält!!!

Er hat also jetzt nicht nur einen Grund mir den Arsch aufzureißen, sondern DREI!!!!!!!

Und mich stört vor allem die Tatsache, dass ich einmal in meiner ganzen verkackten Existenz soviel Vernunft aufbringen konnte, zurückgehen zu wollen als ich noch die Gelegenheit dazu hatte und das ganze noch nicht so schlimm war UND ICH ES DANN NICHT GETAN HABE WEGEN DIR!!!!“

Der Märzhase war mittlerweile so klein geworden, dass sie zusammengekauert am Boden hockte und nur noch schützend die Arme über ihren Kopf hielt, um sich etwas gegen das Geschrei des Sklaven abzuschirmen.

Kato stand schwer atmend über dem weißen Hasenbündel und war schon leicht rötlich angelaufen.

Unter ihm schielte zaghaft ein braunes Auge herauf. „Sieh‘s doch mal so Kato, wenn du jetzt schnell die Sache mit dem Herrn der Fliegen in Ordnung bringst, fällt deine Strafe vielleicht etwas milder aus. Außerdem ist es von hier aus näher zu der Grenze als wieder den ganzen Weg zurück...“

Langsam nahm das Bunny die Arme wieder runter und bedachte den Blonden mit einem ihrer „schlimmer kann‘s nicht werden“- Lächeln.
 

„Du erzählst immer den genau gleichen Mist. Ist dir das schon aufgefallen?!“ Kato stand resignierend mit hängenden Schultern daneben.

Aber vielleicht hatte sie ja recht... Wenn er jetzt zum Herrn der Fliegen ginge, hätte er Luzifer wenigstens seinen guten Willen damit gezeigt. Nicht, dass er ernsthaft annahm, dass dieser sich auch nur ansatzweise darum scheren würde... Aber na ja, vielleicht ja doch. Er hatte es wenigstens dann probiert und musste sich nicht von einem dummen Hasen vorwerfen lassen, er sei ein Feigling.
 

Katos Entschlusskraft kehrte langsam zurück und er ballte die Fäuste. Ja, er würde alles versuchen, um zu demonstrieren, dass es Luzifers Befehle wirklich ausführen WOLLTE.

Er entfernte sich wieder etwas von dem Bunny, welches daraufhin ein beinahe schon erleichtertes Ausatmen verlauten ließ.

„Also, gehen wir weiter!“
 

~~~~
 

„Äh Kato-kun...“

„Hmpf“ der Blonde lief, so wie man das bereits gewohnt war, relativ missmutig hinter dem Bunny her.

‚Von hier aus ist es kürzer zum Ausgang als zum Eingang zurück... Ja klar!‘ Wie lange waren sie jetzt schon wieder seit der Spiegelmisere unterwegs? Kato kam es mindestens genau so lang vor, wie sie davor bis zum dem scheiß Spiegel gebraucht hatten.

„Vielleicht sollte ich dich warnen....“

„Was? Schon wieder?“

Der Märzhase ließ sich zu Kato zurückfallen und gesellte sich neben ihn.

„Weißt du, wir nähern uns jetzt langsam dem Ende des Labyrinths...“

„Echt?“ Irgendwie konnte es der Sklave nicht so recht glauben. In seinem Kopf konnte er sich mittlerweile schon beinahe nichts mehr andres als grüne Hecken, die ihn bis in alle Ewigkeit umgaben, vorstellen.

„Ja... allerdings müssen wir zuerst noch an den Wächtern vorbei, die den Nordausgang bewachen...“

„Wächter....“ Kato bedachte sie mit einem kritischen Blick. „...lass mich raten: Riesige Monster mit Tentakeln, die mich fressen wollen....“

Ein Grinsen schlich wieder auf das Gesicht des Hasen. „Nein, riesig sind sie eigentlich nicht und Tentakeln haben sie eigentlich auch keine. Aber es gibt schon Leute, die sie als Monster bezeichnen würden....“

„Aha... Und wie schlimm sind sie?“

„Nun, für dich wahrscheinlich einiges schlimmer als für mich....“

Kato blieb stehen. „Was bitte soll denn das jetzt schon wieder heißen?“

„Na ja, sie interessieren sich eigentlich grundsätzlich mehr für Männer als für Frauen....“

„Hä? Was ist denn das für ein seltsames Monster?“

Der Märzhase griff nach der Hand des Blonden, damit dieser sich wieder in Bewegung setzte.

„Man kann sie nicht so ganz in Worte fassen. Du wirst es dann schon sehen... Außerdem dauert es noch etwas, bis wir sie erreichen. Ich wollte dich bloß schon mal vorgewarnt haben.“

Kato schaute dem Bunny misstrauisch nach, während sie wieder ihre alte Position etwas vor ihm einnahm. Irgendwie war es seltsam, dass sie ihn so früh vor irgendwelchen ‚Wächtern‘ vorgewarnt hatte. Was konnte es bloß mit denen auf sich haben?
 

~~~~
 

‚Schau schau, da kommen Neue...‘

‚Ist das nicht der Märzhase?‘

‚Der war schon lange nicht mehr hier.‘

‚Was kann der Märzhase bloß hier wollen?‘
 

Kato schaute sich leicht panisch um. Woher kamen die kleinen feinen Stimmchen?

Er war nach wie vor mit dem Bunny allein unterwegs. Das einzige, das sich verändert hatte, war dass der Weg nun von beiden Seiten von Blumenbeeten gesäumt wurde.
 

‚Wer ist der andere?‘

‚Ich hab ihn noch nie gesehen‘

‚Mir gefällt er nicht‘

‚Er sieht aus wie Unkraut‘
 

Unkraut? Jetzt macht mal halblang. Die Blonde drehte seinen Kopf immer noch in alle Richtungen um die Sprecher ausfindig zu machen. Doch noch immer konnte er niemanden sehen.

Etwas nervös schloss es zu dem Märzhasen auf. „Sind das die Wächter?“ fragte er leise.

„Was?...“ Sie schaute ihn für einen Moment an, als würde sie nicht richtig verstehen, wovon er sprach.

Dann plötzlich klärte sich ihre Miene und sie grinste. „Oh nein, das sind bestimmt noch nicht die Wächter. Das sind die Blumen....“ Sie deutete auf die Blumenbeete zu ihrer rechten Seite.

Kato folgte ihrer Geste mit den Augen und musste zu seinem Erschrecken tatsächlich feststellen, dass die Blumen ihn auf ihre eigene abstrakte Weise mindestens genauso misstrauisch beobachteten wie er sie.

„Blumen?“

„Ja, Blumen.“ Der Märzhase lief unbeschwert weiter, als wäre es das Normalste der Welt.

„Aber ... aber sie sind doch nicht gefährlich, oder?“

Nun drehte sich das Bunny wieder um und schenkte dem Blonden einen etwas vorwurfsvollen Blick.

„Kato, es sind Blumen. Was bitte sollten sie dir tun können?“

„Ich weiß nicht... eine hat mich vorher Unkraut genannt...“

Der Hase trat wieder einen Schritt näher auf Kato zu und legte ihm gespielt mitleidig die Hand an die Wange. „Armes Baby... Wenn sie nicht kuschen wollen, reißt du sie halt einfach aus oder trittst auf sie drauf.“

Demonstrativ zertrat das Bunny ein armes kleines unschuldiges Veilchen am Wegrand. Worauf im Meer der Blumen entsetztes Geschrei ausbrach:

‚Mörder!‘

‚Sie war doch noch ein Kind!‘

‚Was würdest du sagen, wenn wir dich einfach zertreten würden?!‘
 

Kato betrachtete den zerquetschten blauen Überrest der Blume nachdenklich. „Ich glaube, du hast ihr wehgetan...“

Der Märzhase schnaubte verächtlich. „Es sind bloß Blumen, Kato. Vielleicht etwas großmäulig... Aber im Endeffekt nichts anderes als läppisches Grünzeug!“

„Aber...“

„Nichts aber! Und jetzt lass uns weiter gehen!“

Das Bunny schien etwas aufgebracht zu sein und stampfte an dem Sklaven vorbei wieder in die eingeschlagene Richtung. Kato seufzte, setze sich am dennoch in Bewegung um ihr zu folgen.

Hinter ihnen ertönten Rufe wie:

‚Irgendwann wird jemand Vergeltung für dieses Verbrechen üben....‘

‚Solch grausamer Mord bleibt nicht ungestraft!‘
 

~~~~
 

Während Kato in seinem Kopf immer noch die verschiedenen Rachemethoden der Blumen durchspielte, sie variierten von metergroßen fleischfressenden Pflanzen bis hin zu mutierten Mörderrosen, die Ihre Dornen als Projektilgeschosse benutzen, bogen die zwei um eine Ecke.

Die Blutrache von irgendwelchem Grünzeug verlor unglaublich schnell an Bedeutung, wenn man das Bild betrachtete, das sich den Blonden gerade darbot.

Er und seine häsische Begleiterin hatten die Heckenwelt verlassen und standen nun auf einer weitläufigen freien Wiese.

„Sind wir jetzt etwa draußen?“

„Nein, jetzt sind wir bei den Wächtern...“

„Wächter?“ Kato spähte alarmiert über das Feld, konnte jedoch nirgendwo ein abscheuliches Tentakelmonster entdecken.

„Wenn wir Glück haben, bemerken sie uns nicht und wir können an ihnen vorbeischleichen....“

In etwas gebückter Haltung hielt sich das Bunny nach rechts und schlich langsam vorwärts. Kato versuchte es ihr nachzutun, fragte sich aber innerlich immer noch wer oder was denn nun diese Wächter waren.

„Hase?“

„Pssst! Sei verdammt noch mal leise, dann hören sie uns vielleicht nicht!“

„Äh `tschuldige...“ flüsterte der Blonde, „...aber was sind denn nun diese Wächter genau?“

„Sei lieber froh, wenn du das nicht herausfinden musst....“
 

Irgendwie befriedigte diese Antwort den Sklaven so gar nicht. Er fragte sich echt, was derart grauenhaft sein konnte, dass sich jemand wie der Märzhase solche Sorgen machte....

„Aber...“

„PSSST!“ Das Bunny schlug dem ziemlich überraschten Kato ihre Hand vor den Mund und deutete mit panischem Gesichtsausdruck vor sich.

Kritisch mustere er zuerst den Hasen, dann jedoch lehnte er sich nach vorne um endlich eine Antwort auf seine ungestellte Frage zu kriegen.

Ein paar hundert Meter von Kato und dem Märzhasen entfernt, stand neben einem Baum ein Tisch mitten auf der grünen Wiese. Der Kiffer musste seine armen Äuglein verdammt anstrengen, um noch mehr auf die Distanz erkennen zu können.

Es schien als säßen an dem Tisch zwei Personen, die mit irgendetwas beschäftigt waren.

Ohne es bewusst wahrzunehmen, ging Kato ein paar Schritte näher an das Geschehen heran, was beim Märzhasen ganze Stürme der Verzweiflung auslöste. „Komm sofort zurück! Wenn sie uns noch nicht bemerkt haben, sollten wir machen, dass wir so schnell wie möglich fortkommen!“

Kato hingegen winkte ab und schenkte dem leicht hysterischen Bunny kaum Beachtung. Er war immer noch voll auf die Wächter konzentriert.

Waren das zwei Computer dort auf dem Tisch? Der Blonde kniff leicht verwirrt die Augen zusammen. Er hatte während seinem ganzen Aufenthalt in der Hölle bis jetzt noch nie so etwas Modernes wie einen Computer gesehen.....

Tatsächlich! Es schienen Computer zu sein. Und die zwei Personen am Tisch schienen vollauf damit beschäftigt, wie wild auf der Tastatur herumzuhämmern.

Kato schlich noch etwas näher. Bei näherer Betrachtung konkretisierte sich das Wort ‚Person‘ auch etwas mehr. Denn der Sklave konnte jetzt erkennen, dass es sich um zwei Frauen handelte. Um noch etwas genauer zu sein: zwei Frauen mit langen dunklen Haaren und dunklen Klamotten.

Automatisch entspannte Kato sich und schaute mit einem leicht vorwurfvollen Blick zurück zum Bunny. Er deutet mit einer stummen Geste auf die zwei am Tisch und sein Gesichtsausdruck sagte etwas soviel wie: „...und davor soll ich Angst haben?!“

Das Bunny schüttelte nun ihrerseits leicht panisch den Kopf um stürmte auf den Blonden zu. Recht energisch schlang sie ihm ihre Arme um den Hals und zog den Kiffer wieder in eine gebücktere Position.

„AH SPINNST DU?! Das hat wehgetan!“ Kato rieb sich das strapazierte Kreuz.

„Nein, DU SPINNST! So nah an sie heranzugehen, wo sie uns doch nicht bemerkt hatten!“ Sie verpasste dem Sklaven eine Kopfnuss, welcher sie daraufhin mit noch mehr Unverständnis ansah. „Was bitte soll an den zweien gefährlich sein?“ Er deute auf die zwei Frauen, die immer noch total gefangen von der Welt ihres Computers zu sein schienen.

„Wer sind die zwei Tussen überhaupt?!“

„Pssssssssssst!“ Der Blick des Märzhasen der irgendwo zwischen Verzweiflung und Betteln angesiedelt war, brachte den Blonden schlussendlich doch noch dazu die Klappe zu halten, dennoch stand ihm die Frage unübersehbar ins Gesicht geschrieben.

„Das sind die Yaoi-Fanfiction-Autoren“

„Bitte was?!“

„PSSST! Sie wurden dazu verurteilt bis in alle Ewigkeit Fanfics zu schreiben.“

Kato betrachtete den Hasen mit einem überaus verwirrten Gesichtsausdruck. „Was sind denn Fanfics?“

„Glaub mir, das willst du nicht wissen...“ das Bunny seufzte. „...aber komm, lass uns jetzt endlich wieder verschwinden!“

„Nein, ich will jetzt wissen, was sie hier tun!“ er schaute sie trotzig an.

„Na, sie schreiben... Das sieht man doch.“ Der Märzhase griff nach dem Handgelenk des Blonden und versuchte diesen mitzuziehen.

„NEIN!“ Kato hatte sich schnell wieder aus ihrem Griff befreit. „Ich will jetzt verdammt noch mal wissen, was sie schreiben!“

Das Bunny schenkte dem Sklaven einen resignierenden Blick. „Sag aber später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt...“ sie holte tief Luft. „Also... Yaoi-Fanfiction-Autoren schreiben Geschichten über homo....“ weiter kam sie nicht, denn Katos Aufmerksamkeit war wieder nach hinten zu den zwei anderen Frauen gewandert, von denen nun endlich eine den Kopf gehoben hatte.

„Sag mal Nasi, was würdest du davon halten, wenn unser Lieblingshaustier Luzi nen blow-job verpasst?“

Die andere schaute nun auch auf, grinste dreckig und antwortete dann: „Was fragst du mich so was, du weisst doch genau, dass ich für blow-jobs immer zu haben bin.“
 

Katos Augen weiteten sich. „W-was reden die zwei Tussen da für ne Scheiße?“

Das Bunny klopfte ihm mitleidig auf die Schulter, war aber insgeheim froh darüber, dass sie keine Aufklärungsstunde mit dem blonden Kiffer hatte abhalten müssen und die Yaoi-Fanfiction-Autoren sich sozusagen selbst erklärt hatten. „Ich hatte dir ja gesagt, dass du es nicht wissen willst. Aber du wolltest ja nicht auf mich hören....“ sie schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.
 

Der Sklave hingegen starrte immer noch voller Entsetzen auf den Tisch, wo das Gespräch weiterging.

„Aber meinst du nicht, es wäre mal an der Zeit die Peitsche wieder ins Spiel zu bringen?“

Kato verspürte unweigerlich den Drang einen Schritt zurückzugehen.
 

„Na, ich weiß nicht. Mir persönlich hat ja die Gerte besser gefallen.“

Noch einen Schritt zurück.
 

„Du könntest ja vielleicht sie anstatt der Peitsche bringen...“

Kato hatte das Bedürfnis wegzurennen.
 

„Ja, das wäre natürlich eine Möglichkeit...“

Mehr vom Gespräch bekam der Sklave nicht mehr mit, denn er hatte sich das Bunny gekrallt und hatte mit ihr fluchtartig das Weite gesucht.
 

„Esi-Schätzchen, ich bin etwas erstaunt darüber, dass du ihn einfach so hast laufen lassen...“

Die Angesprochene lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und starrte mit etwas sehnsüchtigem Blick auf die Stelle, wo Kato und das Bunny zuvor noch gestanden hatten.

„Ja, ich weiß....“ Sie strich sich nachdenklich ein paar lange Haarsträhnen hinters Ohr. „Sicher wäre es witzig gewesen, ihn jetzt ein wenig zu quälen, aber du weißt ja.... ich muss die Story vorantreiben...“

„Ja, da wäre ich auch dafür..“ ihre Gesprächspartnerin erhob sich und ging um den Tisch herum.

„...wenn es nach mir ginge, sollte es endlich mal etwas Luzi x Kato Action geben!... Willst du lieber ne Cola mit rotem oder mit schwarzen Deckel?“

„rot... Es wird schon noch Luzi x Kato Action geben, was auch immer du darunter verstehst...“

Ihr Gegenüber grinste und reichte ihr die Cola.
 

~~~~
 

Keuchend kamen Kato und das Bunny um die Ecke gerannt. Dieses Mal war ausnahmsweise Kato die Person, die führte.

„Warum...“ er musste zuerst etwas verschnaufen. „...hast du...“ Kato stütze die Hände auf die Oberschenkel ab und versuchte zu Atem zu kommen. „...mir.... nicht gesagt..... dass das.... so.... perverse Weiber sind.“

„Das hab ich ja die ganze Zeit versucht...“ Auch der Märzhase musste sich an die Wand lehnen.

„... aber du hast dich von ihrem harmlosen Äußeren täuschen lassen.“

Der Blonde antwortete nichts, sondern starrte zu Boden.

„Aber weißt du.... eigentlich sind wir recht gut weg gekommen.... Schließlich haben sie nur geredet... und nicht irgendwelche komischen Experimente mit dir gemacht.“

„Experimente?“ Wie ein verschreckter Welpe schaute Kato auf.

„Ja Experimente, aber ich denke, mittlerweile wirst du es akzeptieren, wenn ich dir sage, dass du das gar nicht genauer wissen willst.“

Er nickte. „Will ich wirklich nicht genauer wissen....“
 

Der Märzhase hatte sich endlich wieder etwas erholt und stieß sich von der Wand ab. „Dort unten endet das Wunderland und das Reich des Herrn der Fliegen beginnt.“ Sie zeigte in die Finsternis.
 

Erst jetzt realisierte Kato, wo er war. Er befand sich wirklich nicht mehr im Labyrinth, sondern am Eingang einer halbdunklen Höhle. Irgendwie hatte er nicht so recht mitgekriegt, wie sich die Umgebung um ihn herum verändert hatte. Er war einfach zu fest mit der Flucht vor den Yaoi-Fanfiction-Autoren beschäftigt gewesen, als dass er einer solchen Kleinigkeit Beachtung hätte schenken können.
 

Kato richtete sich langsam wieder auf und schaute der Finsternis entgegen. Irgendwie war ihm gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass er dorthin gehen sollte.

„Ich muss mich hier von dir verabschieden, denn ich darf das Reich des Herrn der Fliegen nicht betreten.“ Sie schaute den Blonden nicht an, sondern stocherte mit ihrem Fuß etwas betreten in der Erde rum, „..aber ich wünsche dir viel Glück. Hoffentlich mildert es wirklich deine Strafe...“

Ja, das hoffte Kato auch. Denn wenn dieser den schummrig unheimlichen Gang so betrachtete und ihn mit dem fröhlich sonnigen Wunderland verglich, wirkte es trotz seiner etwas seltsamen Bewohner wesentlich einladender als diese feuchte Gruft.
 

Dennoch straffte sich Kato etwas und richtete seine Kleidung. Er würde konsequent bleiben, schließlich hatte er sich vorgenommen zum Herrn der Fliegen zu gehen, also würde er das auch tun. Viel schlimmer als das, was er sonst schon so von der Hölle kannte, konnte es nicht werden.

„Also, dann ist es wohl an der Zeit hier ‚auf Wiedersehen‘ zu sagen....“ er streckte dem Märzhasen seine Hand entgegen.

Diese schaute zuerst etwas misstrauisch darauf, dann plötzlich strahlte sie über das ganze Gesicht und sprang dem Blonden an den Hals. „Oh Kato-kun, du bist ja sooo lieb. Ich mag dich... auch wenn du manchmal ein ziemlicher Idiot bist! Hoffentlich sehen wir uns mal wieder...“

Sie schmiegte sich an den ziemlich überraschten Sklaven. „...aber die Ewigkeit ist ja lang.“

Kato drückte den Hasen etwas von sich und schenkte ihr ein halbherziges Lächeln.

„Ja, ist sie.“ Insgeheim hoffte er eigentlich nicht all zu früh wieder eine Begegnung mit diesem launischen Bunny zu haben. Einmal in hundert Jahren auf ihre Hilfe angewiesen zu sein, reichte ihm völlig.

„Also, ich mach mich dann mal auf den Weg.“ Er atmete tief ein und begann dann seine Reise in die unbekannten Weiten der düsteren Höhle.

Der Märzhase blieb am Eingang stehen und sah dem Sklaven nach, bis er endgültig in der Finsternis verschwunden war.
 

~~~~
 

Ihr Blick blieb lange auf die Finsternis gerichtet, bis sie sich endlich losreißen konnte. Mit einem Seufzen ging sie wieder auf die Höhlenwand zu und ließ sich daran heruntergleiten.

„Kato, du bist einfach viel zu nett....“

Ein kleiner Wirbel erschien über der Hand des Bunnys und plötzlich materialisierte sich eine rote Akte in ihr.

„...einfach viel zu nett....“
 

TBC
 

A/N: Die Yaoi-Fanfiction-Autoren - Ein blödes und nicht ganz ernstzunehmendes self-insert am Ende*lol* Um es ganz zu verstehen, muss man wissen, dass die andere Person meine Beta ist. Aber das Kapitel ist schon alt, es stammt aus dem Jahr 2005. Mittlerweile würd' ich das wohl auch nicht mehr so hinzufügen... aber naja, ich kann mit dem Blödsinn, den ich geschrieben habe, leben^^
 

[1] Dieser Abschnitt ist praktisch wortwörtlich aus dem Original “Alice im Wunderland” übernommen.

Ich hab mir das Buch extra aus der Bibliothek ausgeliehen, damit ich ein paar Sachen nachlesen konnte... Was ich nicht alles für diese FF mache*drop* Um auch später die Reaktion der Raupe gänzlich zu verstehen, müsste man vielleicht das Original kennen... Aber egal...

[2] Ok ok, ich weiß, dass der Spiegel eigentlich nicht ins Wunderland gehört, sondern zu Grimm. Aber was soll’s... So ist’s witziger*g*

Kapitel 27

Kato tastete vorsichtig der Wand entlang. Es war stockfinster in der Höhle und er konnte nicht mal die eigene Hand vor Augen erkennen. Zudem nahm der Sklave seit einiger Zeit einen recht "eigenen" Geruch wahr. Er konnte nicht genau klassifizieren wonach es denn nun wirklich roch, aber eines konnte er mit Sicherheit sagen: Es war kein sehr angenehmer Geruch; Gestank hätte es eigentlich schon viel eher getroffen.

Kato verzog sein kleines Näschen, tastete aber trotzdem weiter im Dunklen. Mittlerweile hätte er wahrscheinlich sowieso nicht mehr umkehren können, denn er hatte irgendwie das Gefühl, dass er in dieser Finsternis nicht mehr zurückfinden würde... Also immer geradeaus weiter ins Verderben!
 

Er fragte sich, wie es wohl mittlerweile mit der Konferenz der Erzdämonen stand. Denn wenn sie noch nicht fertig wären, wäre logischerweise auch der Herr der Fliegen gar nicht zugegen und dann konnte der Kiffer sich seine Entschuldigung an den Hut stecken.

Wenn sie aber fertig wären, wäre zwar der Herr der Fliegen dort wo Kato ihn haben wollte, aber das hieß ergo auch dass Luzifer nichts mehr zu tun hatte.

Ok, eigentlich bildete sich der Sklave nicht ein, dass der Höllenfürst ernsthaft seine ganze Freizeit damit zubrachte, ihn zu quälen, aber die kleine Tatsache, dass er ihn und den Märzhasen dabei erwischt hatte, wie sie spioniert hatten, bereitete ihm dennoch Kopfzerbrechen.

Die Frage war also, wie viel Gewicht Luzifer diesem Zwischenfall beimessen würde. Allerdings war es bis jetzt ein gutes Zeichen, dass sich der Teufel nicht sofort aus dem Nichts materialisiert hatte, um ihnen die Leviten zu lesen, nachdem er sie auf frischer Tat ertappt hatte.

Der Zwischenfall war dementsprechend nicht wichtig genug, um die Konferenz zu unterbrechen. Aber nun war die andere Frage, ob er auch nicht wichtig genug war, um sich nach der Konferenz darum zu kümmern.
 

Irgendwie ärgerte das Kato. Falls er sich den ganzen Aufwand gemacht hatte durch dieses scheiß Labyrinth zu laufen, nur um dann kurz vor dem Ziel von seinem Meister abgeholt zu werden...

Entnervt schlug er mit der Faust gegen die harte Steinwand.

Der Schmerz kam schnell und beinah so schnell folgte auch die Erkenntnis. Das Haustier taumelte johlend rückwärts und fiel zu Boden. Nachdem die ersten Wellen des Schmerzes wieder abgeebbt waren, meldete sich verschlafen das kleine Stimmchen des Verstandes, das durch diese ganze Aktion ziemlich unsanft geweckt worden war und ermahnte Kato, dass es wahrscheinlich wenig Sinn hatte darüber zu debattieren, ob Luzifer nun kommen würde um ihn zu holen oder nicht. Denn das würde schlussendlich nur der Höhlenfürst allein entscheiden und alles was das kleine Haustier tun konnte, war Abwarten und Tee trinken.... Oh nein, von Tee hatte er wirklich genug! Also Abwarten und in der stockfinsteren Höhle hocken.

Da das aber auch nicht eine wirklich überzeugende Option war, war es wahrscheinlich immer noch die gescheiteste Lösung bei dem ursprünglichen Vorhaben zu bleiben, einfach weiterzugehen und versuchen den Herrn der Fliegen zu finden....
 

Ok, nun war Kato so halbwegs überzeugt. Schlimmer konnte es nicht mehr werden... Nur noch besser.... Obwohl er ja eigentlich nicht so recht daran glaubte, dass Luzifer ihm echt eine Strafmilderung gewähren würde, nur weil er das hier abgezogen hatte.

’Argh, nicht daran denken, sondern einfach weitergehen! Konzentrier dich auf das Wesentliche, Yue!’

Kato raffte sich auf und musste zu seinem Leidwesen feststellen, dass seine linke Hand ziemlich vor sich hin pochte. Wie konnte man auch so dumm sein im Dunklen gegen ne Höhlenwand zu schlagen?!
 

Er tastete sich also weiter voran, was mit seiner ramponierten Hand nicht unbedingt leichter war als zuvor und versuchte sich, wie mit seinem Verstand ausgemacht, auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Der Herr der Fliegen... Der Herr der Fliegen.... Ja, was war denn mit dem Herrn der Fliegen?

Für einen Moment huschte dem Sklaven der wirklich kombinatorisch hochstehende Gedanke durch den Kopf, dass der Herr der Fliegen ja auch einer der Erzdämonen war. Folglich war er auch an der Konferenz gewesen. Aber welcher war es gewesen?

Es wäre schon von Vorteil mal ausnahmsweise zu wissen, wie der Kerl aussah, nach dem man schon die ganze Zeit suchte. Der Blonde hatte echt das Bedürfnis sich zu schlagen. Warum hatte er nur nicht darauf geachtet, als er schon mal die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Oder er hätte sogar das Bunny fragen können, die hätte das sicher gewusst.

Der Drang nun auch noch seinen Kopf gegen die Felswand zu hauen, wurde immer größer.
 

Kato widerstand der Versuchung und probierte stattdessen lieber rational vorzugehen. Er rief sich die Szene, die er im Spiegel gesehen hatte noch mal in Erinnerung.

Also, das war der lange Tisch gewesen. Zuoberst Luzifer. Der Hutmacher und der Kerl mit den hässlichen Haaren. Konnte es sein, dass er der Herr der Fliegen war? Nein, das verrückte Weib hatte ihn doch anders genannt..... Uh, Kato war sich einfach nicht mehr sicher. Sein Hirn war aber auch ein Löchersieb!

Er beschloss, die zwei erst mal zu übergehen. Wer war dann noch da gewesen? Er erinnerte sich vage daran Asmodeus noch irgendwo gesehen zu haben. Der hatte ziemlich gelangweilt dreingeschaut.

Ok, das hatten zwar eigentlich alle...

Ah Scheiße! Er hatte den anderen einfach keiner Beachtung geschenkt. Er war zu sehr auf den Hutmacher und dessen Streitpartner bedacht gewesen. Was mussten die zwei Idioten auch allen andern die Show stehlen!
 

Etwas gestresst vom vielen Denken rieb sich Kato die Schläfen, das war wirklich zum verrückt werden.

Wer war sonst noch dort gewesen? Wer war sonst noch dort gewesen? Wer war sonst noch dort gewesen?
 

Scheiße Scheiße SCHEISSE! Er wusste es einfach nicht mehr! Die dummen Erzdämonen hatten ja auch alle gleichermaßen wie Freaks ausgesehen. Wie sollte man da bitte den einen vom anderen unterscheiden können....
 

Halt! Man konnte das Problem natürlich auch von einer andren Seite angehen. Die Erzdämonen waren natürlich auch an dem dummen Fest gewesen. Dort hatte er sie noch besser erkennen können als im Spiegel. Allerdings lag das aber noch weiter zurück und stellte somit eine noch größere Herausforderung für das total überanstrengte Hirn des blonden Kiffers dar.

Kato taumelte weiter blind in der Finsternis herum. Bewegung sollte ja bekanntlich die Durchblutung des Gehirns anregen und somit auch die Denkfähigkeit...

Also... Wer war ihm am Fest aufgefallen? Luzifer natürlich. Ok, er hatte sowieso die größte Zeit damit zugebracht sich vor dem zu fürchten, war also kein Wunder, dass er allem anderen keine Beachtung geschenkt hatte.

Den Hutmacher hatte er gesehen... und das Bunny...

Wow, Kato war richtig stolz auf sich eins und eins zusammenzählen zu können und dann zum Schluss zu kommen, dass er das Bunny ja schon vorher mal gesehen hatte.

Dann noch Asmodeus... Nein, der war nicht dort gewesen. Der war erst nachher zusammen mit Nuri zu seiner Bestrafung aufgetaucht. Kato dachte mit allergrößtem Unwollen an den Vorfall mit dem Herrn der Wollust und dessen bescheuertem verräterischen Lustknaben zurück.

Er tapste weiter durch die Dunkelheit.

Nein, er sollte sich jetzt wirklich nicht von dem grünhaarigen Biest ablenken lassen. Also das Fest.... Er musste sich auf das Fest konzentrieren. Wer war noch dort geweeeeeeee..................
 

"Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhh!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!"
 

Der Blonde kam nicht mehr dazu sich weiter Gedanken darüber zu machen, denn das Loch im Boden hatte ihm die Antwort vorweg genommen.

Der Sturz dauert nicht lange, dafür war der Aufprall umso schmerzhafter.

Kato landete in einer seichten Lache einer seltsamen bräunlichen Flüssigkeit, die einen überaus penetranten Duft verströmte.

Er hatte wirklich das Bedürfnis sich so schnell wie möglich daraus zu erheben und dem schrecklichen Gestank zu entfliehen. Nur unglücklicherweise ließ der Schmerz im Rücken des Sklaven nicht zu, dass er sich bewegte. Gezwungenmassen blieb er also liegen und fragte sich, wie er das alles bloß verdient hatte.

Doch neben Selbstmitleid eröffnete sich Kato auch die Tatsache, dass er jetzt nicht mehr von allesverschlingender Dunkelheit umgeben war, sondern dass er sich an einem doch etwas besser beleuchteten Ort befand. Ok, man sollte einfach mal übersehen, dass es hier auch einiges mehr stank als in dem dunklen Gang.

Mühsam drehte er sich zur Seite, immer noch durchzog ein stechender Schmerz seinen Körper. Die braune Flüssigkeit stand nur ein paar Zenitmeter hoch, dennoch, waren Katos Klamotten jetzt schon völlig durchweicht davon.

Großartig, jetzt hatte schon wieder welche ruiniert. Luzifer würde sich bestimmt freuen, denn jetzt hatte er noch einen Punkt mehr um ihn fertig zu machen....
 

Was dachte er da schon wieder für ne Scheiße?! Er wollte Luzifer doch für ne Weile ignorieren!
 

Kato kroch schwerfällig aus der Pfütze und legte sich am Rand auf den trockenen Untergrund. Für einen Moment beobachtete er seine Umgebung.

Das hier war ein Ort, wie man sich die Hölle schon eher vorstellte. Alles schien in ein rötliches Licht getaucht, widrige, kantige Felswände die in die Höhe ragten... Über sich konnte er sogar das schwarze Loch erkennen, durch das er gefallen war. Und dann war da noch dieser grauenhafte Geruch, der alles übertünchte und den Kato nicht zuordnen konnte.

Ungelenk versuchte er sich des feuchten Hemdes zu entledigen, das immer noch an seinen Schultern klebte. Dennoch hatte er das Gefühl den Gestank an sich selbst nicht wirklich losgeworden zu sein. Er hatte sich bereits so fest an ihm manifestiert, dass der Sklave dachte, alles würde danach riechen. Seine Kleidung, seine Haare, ja sogar von seiner Haut schien der schreckliche Geruch auszugehen.

Ihm war irgendwie schwindlig und er hatte das Gefühl sich jeden Moment übergeben zu müssen, wenn er nicht bald etwas Frischluft kriegte.

Benommen blieb er liegen und starrte vor sich hin. Eine fette schwarze Fliege zog ihre Bahnen direkt vor Katos Blickfeld und setzte sich dann schlussendlich ganz frech auf seine Nase.
 

Eine Fliege... Im Reich des Herrn der Fliegen... Wie einfallsreich....
 

Der Sklave musste tief seufzten, was das Insekt vertrieb. Langsam setzte er sich auf. Ihm war immer noch etwas schwindlig und der Gestank was kein bisschen besser geworden. Doch wie hieß dieses beschissene Sprichwort so schön: "Der Körper konnte sich einfach an alles gewöhnen...". Vielleicht stimmte das ja tatsächlich oder Katos Geruchssinn war einfach mittlerweile schon so verätzt, dass er den Gestank nicht mehr so fest wahrnahm, wie zu Beginn.

Mühselig stützte er sich auf und kam auf die wackeligen Beine. Er torkelte ein paar Schritte vorwärts, musste sich dann aber schon an der nächsten Wand abstützen. Ihm war schwarz vor Augen.... Und was tat man in so einem Fall am besten: Man atmete ruhig ein und aus um den Kreislauf etwas zu beruhigen. Doch wenn man die Luft nicht atmen konnte, weil sie so grausam faulig und stinkend roch, was bitte sollte man dann tun?

Der Blonde zog die Luft in kurzen Abständen durch den Mund ein und versuchte den Gedanken daran zu unterdrücken, wie scheußlich sie eigentlich roch.
 

Nur mit der Ruhe, Kato... Nur mit der Ruhe. Mit geschlossenen Augen stand er immer noch gegen die leicht warm-feuchte Felswand gelehnt. Er hatte die Arme um seinen Körper geschlungen und fragte sich, ob es eigentlich noch schlimmer kommen konnte. Es wäre wirklich besser gewesen, wäre er im Wunderland beim Bunny geblieben. Sie war vielleicht ne Nervensäge, aber wenigstens konnte man dort atmen ohne Gefahr zu laufen schwerwiegende Folgen davontragen zu müssen.
 

"Hey du da!" Sofort schnappten Katos Augen wieder auf. Nicht weit von ihm entfernt, stand ein riesiger Koloss, auf den die Beschreibung "Monster" doch recht gut gepasst hätte.

Er.... Korrektur: Es schien nicht wirklich aus Fleisch zu bestehen, sondern machte zumindest optisch den Eindruck als wäre es nichts anderes als ein riesiger Lehmklotz, der fünf Ausstülpungen hatte, die ansatzweise mit Beinen, Armen und einem Kopf gleichgesetzt werden konnten.

Farblich war er kaum von der Umgebung zu unterscheiden. Der leichte rot-orange Ton des Lehmkörpers hob sich kaum vom Hintergrund ab.

Kato sah voller Panik wie der Koloss ein monströses schwarzes Loch öffnete, aus dem dann grollende Laute, auch bekannt als Wörter, drangen.

"Hey Winzling! Ich rede mit dir!"

Kato zuckte zusammen und konnte immer noch nichts erwidern, außer das Wesen mit tellergroßen Augen anstarren. Er tapste ein paar Schritte rückwärts und wollte sich in seiner Panik schon zur Flucht umwenden, als er noch mal die dröhnende Stimme des Monsters vernahm: "Bleib sofort stehen! Wag es bloß nicht wegzurennen!"

Natürlich hatten diese Worte die genau gegenteilige Wirkung auf den blonden Sklaven. Er sah sich in der Vermutung, dass seine Existenz ernsthaft gefährdet war, nur noch bestätigt und setzte jetzt endgültig zum rettenden Fluchtsprint an.

Kato rannte also so schnell ihn seine dünnen Beine trugen. Er wusste nicht wirklich wohin. Klar war bloß, weg von dort, wo er jetzt war.

Hinter sich hörte er die schweren Schritte des Kolosses, die die Erde unter ihm schon beinahe zum Erzittern brachten.

"Bleib sofort stehen, du Wicht! Sonst mach ich dich platt!"
 

Der Sklave dachte ja nicht im Traum daran dieser Aufforderung nachzukommen. Dieses Monster hatte doch nicht ernsthaft das Gefühl, dass Kato sich freiwillig einem schmerzhaften Tod aussetzen würde.

Er wich also ein paar Felsblöcken aus und versuchte dabei nicht zu stolpern. Er wusste genau, würde er hinfallen, wär's das wahrscheinlich gewesen. Denn trotz seiner Größe und dem Gewicht, das das Monster haben musste, war es erstaunlich schnell.

Seine Schritte krachten immer wieder unaufhaltsam auf den Boden und erinnerten den gehetzten Sklaven irgendwie an ein Gewitter im Sommer, wenn man den Donner schon kilometerweit hören konnte.
 

Kato wandte seinen Kopf für einen Augenblick um, um zu sehen wie weit sein Verderben denn noch von ihm entfernt war. Doch genau diese Tat sollte sich als verhängnisvoll herausstellen, denn er konnte sich nicht schnell genug wieder auf den Weg konzentrieren und stolperte natürlich prompt über einen am Boden liegenden Stein.

Schreiend ging der Blonde zu Boden und blieb dort liegen. Das Monster war mittlerweile schon an den Sklaven herangetreten und hatte sich direkt neben ihm positioniert. Hätte Kato es nicht besser gewusst, hätte er behauptet, das schwarze Lehmloch an der Ausstülpung, die als Kopf zu bezeichnen war, verzog sich gerade zu einem Grinsen.

"Hasta la vista…"
 

Der Arm des Kolosses holte aus und Kato sah schon seinen Schädel plus Inhalt zu einem wunderbaren Brei zermantscht als plötzlich...
 

"Lass das, Golem..."[1]
 

Der Sklave macht zaghaft ein Auge auf und sah keine zehn Zentimeter vor seinem Gesicht die massive Lehmfaust des Monsters prangen.
 

"...du willst doch nicht, dass Luzifer dich an die Sonne stellt, weil du sein Spielzeug kaputt gemacht hast."
 

Langsam trat der Golem wieder einen Schritt zurück und entfernte sich etwas von dem Wasser und Blut schwitzenden Blonden. Kato ließ erleichtert seinen Kopf zurück auf den harten Untergrund fallen. Das war jetzt echt knapp gewesen...

Er atmete zuerst einmal tief ein, schenkte seine Aufmerksamkeit dann aber der Stimme, die ihn ganz offensichtlich gerettet hatte.

Es schien nicht Luzifer zu sein. Den hätte er erstens sofort erkannt und zweitens hätte sich Luzifer wahrscheinlich nicht die Mühe gemacht, das Biest zuerst vorzuwarnen, sondern es gleich weggepustet.
 

Jenes stand übrigens immer noch in der Sichtlinie zwischen Kato und dessen vermeintlichem Retter.

Der Blonde beugte sich also etwas zur Seite, um an dem Koloss vorbeilinsen zu können.

Doch was er auf der anderen Seite entdeckte, sollte sich auch nicht unbedingt als allzu aufschlussreich herausstellen; denn die Gestalt, die dort stand, war von Kopf bis Fuß in einen dunkeln Mantel gehüllt.

Kato konnte wirklich rein gar nichts von ihrem Körper erkennen. Höchstens vielleicht, dass Größe und Form auf einen Mensch schließen lassen konnten... Obwohl Größe und Form waren auch nicht immer alles und konnten täuschen.

Er kroch also vorsichtig etwas vorwärts und beäugte zwischendurch immer mal wieder den Golem, ob der es sich vielleicht nicht doch noch anders überlegt und den armen Kato trotz aller Warnungen plätten wollte.
 

Nun richtete sich auch die Aufmerksamkeit der verhüllten Gestalt auf den Sklaven am Boden. Sie schaute ihn direkt an und Kato konnte unter der langen Kapuze nichts weiter als zwei rotglühende Augen erkennen. Es schauderte ihn und vorsichtshalber beschloss er lieber wieder den Rückzug anzutreten. Wer war der Kerl bloß? Der sah ja noch unheimlicher aus, als dieser Lehmkoloss...

Doch der Fremde gönnte Kato keine Verschnaufpause. Er schritt an dem Golem vorbei und stellte sich direkt vor dem Blonden in Position.

"Was willst du hier?" Die Stimme der dunklen Gestalt klang ruhig, gelassen, normal, verhältnismäßig sogar menschlich, wenn man es mit den Augen und dem Rest der Erscheinung verglich. Ok, Kato hatte noch nicht allzu viel von "dem Rest der Erscheinung" gesehen, aber die Augen hatten für seine Ansprüche vollkommen ausgereicht.

"I-ich..." Der Rücken des Sklaven berührte bereits die dahinterliegende Steinwand und Kato sah sich unweigerlich damit konfrontiert, dass er wieder mal in einer aussichtslosen Situation gefangen war.

"Ja?" Irgendwie schien die Stimme der verhüllten Gestalt seltsam amüsiert, über die offenkundige Angst des Blonden. Ihre Augen glitten über die zusammengekauerte Gestalt Katos, blieben einen Moment an dem nackten Oberkörper hängen, nur um dann wieder den Blickkontakt mit dem blauäugigen Sklaven aufzunehmen

"I-ich s-suche den Herrn der Fliegen." Er hatte es tatsächlich geschafft. Aber es war auch verdammt schwer einen vernünftigen Satz zu Stande zu bringen, wenn einem zwei übermenschliche, rote Augen gerade von oben bis unten auseinander nahmen.

"Ist das so..." Die Gestalt richtet sich wieder etwas auf. "...und was willst du vom Herrn der Fliegen?"

"Ich muss ihm etwas erzählen..." Kato schien es doch besser, nicht gleich zu erwähnen, dass er eigentlich hier war, um vom Verlust der Akte zu berichten. Vor allem musste er das nicht jedem dahergelaufenem, rotäugigen, unheimlichen Kerl erzählen, der ihn angestarrt hatte als wäre er ein Gute-Nacht-Häppchen.

"Aha… Und ich nehme an, mir willst du das nicht erzählen, oder?"

Der Blonde runzelte die Stirn. Wieso hatte der Typ ihn so schnell durchschaut.

"Nein" erwiderte er leise und wandte den Blick ab. Die Gestalt schien unter ihrer dunkeln Kapuze zu nicken und wandte sich an den Lehmkoloss: "Es ist gut Golem, du kannst jetzt gehen. Der hier..." er deutete auf Kato, "...ist keine Bedrohung."

Der Sklave schnaubt verächtlich, war aber insgeheim froh darüber, dass das Monster abzog.

Er beobachtete noch einen Moment wie sich die tonnenschwere Körpermasse des Kolosses langsam entfernte, dann kehrt seine Aufmerksamkeit wieder zu der Figur im dunklen Umhang zurück. Diese musterte ihn immer noch mit eindringlichem Blick.

"Was ist?"

"Oh nichts... Ich habe mich nur gerade gefragt, wieso der Herr der Hölle so töricht ist, ein derart schwaches und angreifbares Wesen wie dich hierher zu schicken." Der Unbekannte wandte sich von Kato ab und machte sich daran zu Gehen.

"Hey! Wo gehst du hin? Und woher willst du wissen, dass Luzifer mich hierher geschickt hat?" Schnell war der Blonde auf seine Füße gesprungen.

Ohne sich umzudrehen erwiderte die Gestalt: "Na, ich bringe dich zum Herrn der Fliegen. Außerdem wäre es mir schleierhaft, dass Luzifers persönliches Haustier sich hierher verirrt, wenn es nicht ein Befehl seines Herrn ist... Und jetzt komm schon, ich hab wirklich nicht den ganzen Tag Zeit!"
 

Mit etwas mulmigem Gefühl im Magen trotte Kato neben dem vermummten Fremden her. Sie hatten nichts mehr gesprochen, aber der Sklave war sowieso viel zu fest damit beschäftigt gewesen seine Umgebung unter die Lupe zu nehmen. Das hier war wirklich schon eher die Hölle, wie in den klassischen Vorstellungen. Ok, dass es hier so bestialisch stank war zwar nirgends erwähnt worden, aber der steinige Untergrund, die rötlichen Felswände und die stickige Luft sorgen wirklich für eine sehr angemessene Atmosphäre. Alles in allem, wirklich ein sehr heimeliger Ort.
 

Doch Kato sollte nicht mehr die Gelegenheit dazu kriegen, sich weiter über die klischeehafte Vorstellung der Hölle Gedanken zu machen, denn sein Interesse wurde schon bald auf einen Palast gelenkt. Obwohl Palast vielleicht nicht so wirklich das richtige Wort dafür war: In die senkrecht aufragende Felswand geschlagener Tempel, der von riesigen massigen Säulen getragen wurde, hätte es vielleicht schon etwas genauer beschrieben, aber der blonde Sklave war zu sehr damit beschäftigt, zu verhindern, dass ihm seine Augen aus den Höhlen fielen, um sich solch detailreiche Beschreibungen auszudenken. Er beschränkte sich also wohlweißlich darauf die Kinnlade nach unten klappen zu lassen.[2]
 

Kato und sein unheimlicher Führer näherten sich dem Gebäude und passierten schließlich das von den Säulen gebildete Portal. Der blonde Sklave schauderte etwas beim Anblick und fragte sich insgeheim, ob er mit zwei Armen fähig wäre, die ganze Dicke eines solchen Pfeilers zu umfassen. Doch seine Gedanken wurden schon bald wieder von einer enorm intensiven Welle Gestanks unterbrochen, die ihm aus dem Inneren des Tempelpalastes entgegengeschlagen kam. Es schien beinahe so, als würde sich der üble Geruch in dem geschlossenen Raum noch verstärken.

"Wir sind da." meinte die verhüllte Gestalt, als sie einen vollkommen leeren Raum betraten. Der Blonde schaute sich etwas verwirrt um. Er versuchte, in der Hoffnung sich vielleicht getäuscht zu haben, doch noch ein Möbelstück auszumachen, wurde jedoch enttäuscht. Der Raum war gänzlich in der rötlich-braunen Farbe gehalten, die schon draußen überall anzutreffen war und vermittelte dem Sklaven in der gesteigerten Form eines geschlossenen Raumes noch viel mehr das Bedürfnis nach Flucht.

Kato schluckte und wandte seinen Blick wieder der vermummten Gestalt zu. "H-Hier ist doch niemand."

"Bin ich etwa niemand?" entgegnete sein Gegenüber sarkastisch.

"Äh... Na ja, nein.. Aber ich wollte doch eigentlich zum Herrn der Fliegen." Kato brachte vorsichtshalber mal einen zusätzlichen Meter Abstand zwischen sich und die düstere Gestalt.

"Hast du dich vorher nicht gefragt, warum ein riesiger, tonnenschwerer Lehm-Golem meine Befehle befolgt?"

Im Kopf des Sklaven formte sich langsam ein Verdacht, nur gefiel ihm dieser irgendwie so gar nicht.

"Weil du ein hohes Tier bist?" entgegnete er deshalb zögerlich.

Die Augen der Gestalt schienen für einen Moment aufzublitzen. "Dann ist wohl die Frage wie hoch...." Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde hatte die dunkle Figur, die Distanz zwischen sich und Kato überbrückt und packte den perplexen Sklaven am Hals. Dessen reflexartige Gegenreaktion bestand natürlich darin, die bedrängenden Hände um seinen Hals lösen zu wollen, indem er an ihnen zerrte. Was wiederum zum genau gegenteiligen Resultat führte, denn der Druck auf Katos Luftröhre wurde von seinem düsteren Gegenüber nur noch verstärkt. Nach Luft japsend wurde Kato etwas hochgehoben, so dass seine Zehen den Boden knapp nicht mehr berührten.

"So, und nun sag mir: Wer bin ich?" Die Stimme grollte gefährlich und die roten Augen wirkten in ihrem Funkeln noch unmenschlicher und gefährlicher als zuvor.

Der Sklave wand panisch den Kopf hin und her, zerrte vergebens an dem klauenartigen Griff, der ihm die Luft abschnürte. Mit einem herablassenden Schnaufen katapultierte der Unbekannte den leichten Körper an die gegenüberliegende Wand. Kato blieb ob des harten Aufschlages und dem vornehmlich erst mal primären Bedürfnis nach Luft schnappend am Boden liegen. Für einen Moment schoss ihn der Gedanke durch den Kopf, dass das ja eigentlich nicht wirklich eine überraschende Wendung gewesen war. Schließlich war bis jetzt einfach alles zu einfach verlaufen, der Punkt an dem sich die "netten" Höllenbewohner doch noch als das entpuppten, was sie waren, hatte unweigerlich kommen müssen. Die Sache mit dem Wunderland und dem doch noch halbwegs hilfsbereiten Bunny, war wohl doch die Ausnahme gewesen.

Schweratmend stützte er sich auf und suchte mit verschwommenem Blick nach seinem Gegner. Irgendwie tanzten seltsame schwarze Punkte vor seinen Augen, was es nicht unbedingt einfacher machte, selbigen ausfindig zu machen.

Das leise Rascheln von Stoff war zu vernehmen und dann plötzlich wie aus dem Nichts, spürte Kato, wie er erneut in die Höhe gerissen wurde. Nur mit dem Unterschied, dass der harte Griff dieses Mal unter seinen Achseln angesiedelt war, ihn jedoch nicht minder schmerzhaft als zuvor gegen die Lehmwand presste.

"Ich frage dich noch einmal: Wer bin ich?"

Mühsam versuchte Kato den Kopf zu heben, um die Gestalt anzusehen. Doch erneut stach ihm dieser grausame, alles durchdringende, rote Blick entgegen. Der Sklave musste schlucken und versuchte sich abzuwenden, indem er das Gesicht zur Seite drehte.

"Schau mich an, wenn ich mit dir rede!" Die grollende Stimme schien gerade um noch ein paar Grad kälter geworden zu sein und eine harte Ohrfeige folgte. Wenn Kato nicht in dem stählernen Griff gefangen gewesen wäre, wäre er sicher erneut zur Seite geschleudert worden. Doch so war das Blut, das sich langsam seinen Weg aus der Nase des blonden Sklaven nach unten suchte, die einzige Reaktion.

"Ich frage dich jetzt zum allerletzten Mal: Wer bin ich?"

"D-d-der H-Herr....." Katos Stimme war nichts weiter als ein leises Krächzen. Sein Kopf hing lose nach unten und er hatte Mühe sich auf etwas zu konzentrieren, weil sich alles um ihn herum drehte.

"Ja? Sprich weiter!" Die dunkle Stimme schien aufmerksam, aber auch irgendwie belustigt.

"Der... Herr... der..." lange Pausen zwischen den einzelnen Wörtern, so als würde es den Blonden unendlich viel Kraft erfordern, diese letzte Erkenntnis auszusprechen. "...Fliegen."

"Guter Junge. Du bist ja doch nicht so dumm, wie alle sagen." Ein grausames Lachen erklang, aber der der Druck auf Katos Körper ließ nach und er sank langsam zu Boden.

"So, da du nun weißt mit wem du es zu tun hast, wäre es vielleicht angebracht, dass du dich auch vorstellst und mir sagst, was du hier willst." Die Gestalt hatte sich wieder etwas entfernt und betrachtete den zusammengesunkenen Körper an der Wand.

Es kostete Kato wirklich viel Überwindung sich auf die gesprochen Worte zu konzentrieren und nicht einfach dem Schmerz nachzugeben, der seinen ganzen Leib durchzog.

"Akte..." krächzte er deshalb nur.

"Ein Akte? Die Figur schien interessiert, wenn auch eine gewisse Verwirrung aus ihrer Stimme herauszuhören war.

"Ja, erzähl. Was für eine Akte?" Sie war wieder etwas an den reglosen Sklaven herangetreten und ging vor ihm in die Hocke.

"R-rote Akte..." Katos Blick war auf einen unbestimmten Punkt am Boden gerichtet, denn er wagte es nicht noch mal in diese roten Augen zu blicken, die so voller unbestimmtem Hass waren. Sie waren ganz anders als die von Luzifer. Dessen mochten kalt wie Eis sein und zeigten überhaupt keine Regung. Diese hingegen sprühten regelrecht von Feindseligkeit. Warum nur? Eine Akte zu verlieren war doch kein Grund jemanden derart zu hassen...

Eine Hand, kalt und etwas feucht, griff nach dem Kinn des Blonden und zwang dessen Blick wieder zu sich. "Aha.... Und wegen einer roten Akte bist zu hierher gekommen." Die Stimme voller Hohn unterstrich das Bild der Augen noch, mit denen sich Kato schon wieder konfrontiert sah. Von dem Rest des Gesichtes war unter der Kapuze, selbst bei dieser Nähe, nicht mehr als Schwärze zu erkennen. Doch der Sklave war sich ehrlich gesagt nicht mehr so sicher, ob er überhaupt wissen wollte, wie der Rest vom Besitzer dieser Stimme und dieser Augen aussah.

"..verloren..." stotterte er atemlos.
 

Die Gestalt ließ wieder von dem verängstigten Blonden ab und trat etwas zurück. "Aus deinem jämmerlichen Gewinsel interpretiere ich mal, dass du mir eine rote Akte bringen solltest, die du dann aber verloren hast."

Kato nickte und wagte es zum ersten Mal sich wieder etwas zu bewegen, indem er sich den schmerzenden Hals rieb. Sobald diese Figur etwas auf Abstand war, fühlte er sich besser.

"Und was stand in jener roten Akte?"

Kato riss die Augen auf. "I-ich weises nicht... Lu- äh - Meister Luzifer-sama hat mir verboten sie zu öffnen."

"So, hat Meister Luzifer-sama dir das verboten..." Die Gestalt kam wieder auf ihn zu und dieses Mal vermittelte sie dem Blonden das Gefühl als würde sie noch bedrohlicher und noch höhnischer als zuvor wirken, wenn das denn möglich war.

"... Und da kommst du extra her, um mir zu erzählen, dass du eine Akte deren Inhalt du nicht kennst, verloren hast. Meinst du nicht, dass es für mich ziemliche Zeitverschwendung ist, mich mit so einer nichtigen Kleinigkeit auseinander zu setzen, wenn du sie nicht wieder auftreiben konntest." Bei jedem Wort war der sowieso schon zusammengekauerte Sklave noch etwas kleiner geworden. Eine innere Stimme schrie, dass er doch eigentlich von Anfang an gewusst hatte, dass es vollkommen sinnlos war hierher zu kommen. Aber jetzt war dieser Herr der Fliegen auch noch wütend und die Stimme erinnerte ihn auch noch daran, dass er ganz offensichtlich in verdammten Schwierigkeiten war.
 

"Ich muss mein Urteil von vorhin ganz offensichtlich revidieren. Du scheinst doch ziemlich dumm zu sein..." Die vermummte Gestalt beugte sich hinunter. "...freiwillig hierher zu kommen und dich auf feindliches Territorium zu begeben... dumm dumm..."

Irgendwie war diese penetrante Stimme in Katos Unterbewusstsein vorgedrungen und immer wieder hallten die Worte ,dumm dumm' in seinem Kopf nach. Verzweifelt schlug er die Hände vor seine Ohren und zog die Knie an.

"Du bist wirklich eine mickrige Gestalt. Ich frage mich, was der Fürst der Finsternis an dir findet." Voller Hohn redete der Unbekannte weiter und die Hände, die Katos Gehörgänge vor dem Eindringen solch böser Parolen schützen sollten, schienen rein gar nichts zu nützen.

"Denkst du, dass er kommen wird um dich zu retten, so wie er es bei Asmodeus getan hat?" Für einen Moment siegten Erstaunen und Neugier über die Vorsicht und der blonde Sklave ließ seine Schutzwälle fallen indem er aufsah.

"Oh ja, ich weiß davon. Das tut eigentlich jeder. Schließlich passiert so etwas nicht oft, dass der Teufel höchstpersönlich einen seiner Satane zur Verantwortung zieht, weil er sich an einem lächerlichen kleinen Sklaven wie dir vergreifen wollte... Du scheinst ihm aus irgendeinem unerfindlichen Grund wichtig zu sein..." die letzten Worte waren nur noch gehaucht gewesen.

"...und das ist der Grund, warum ich dir wehtun werde!"
 

TBC
 

[1] Für alle dies nicht wissen: ein Golem ist ein Wesen, das aus Lehm besteht und durch einen heiligen Spruch zum Leben erweckt werden kann. Es hat keinen eigenen Willen und kann von demjenigen, der es zum Leben erweckt hat, kontrolliert werden.

[2] Kennt ihr Petra, die Felsenstadt in Jordanien (kommt auch im dritten Indiana jJnes vor;P) ? So wie die Paläste dort hab ich mir in etwa den Palast des Herrn der Fliegen vorgestellt^^

Kapitel 28

Kato lief ein kalter Schauer über den Rücken. Der Kerl wollte ihm wehtun? Aber warum denn? Irgendwie konnte er das alles nicht so wirklich begreifen.

Ein haltloses Zittern ergriff von dem kleinen blonden Sklaven Besitz und er unternahm den sinnlosen Versuch mit der Wand zu verschmelzen, wenn er sich noch näher an sie presste.

Das Leben war einfach ungerecht.... Ach was, das Leben! Die Hölle! Verdammt noch mal... Sie wurde ihrem Ruf schon wieder gerecht.

Die roten Iriden funkeln Kato weiter an und schienen mit ihrem unmenschlichen Schein bis auf den Grund seiner verängstigten Seele blicken zu können. Er verspürte schon wieder den unweigerlichen Drang den Blick abzuwenden, um ihnen wenigstens vordergründig entgehen zu können. Doch die Augen ließen ihn einfach nicht los und schienen mit ihrer Grausamkeit direkt nach Katos Herz zu greifen.

„Ich werde dich so lange foltern und quälen bis Luzifer nicht mehr im Stande ist, dich wieder zu erkennen.“

Kato stand immer noch wie gelähmt an die Wand gepresst und lauschte den so neutral geäußerten Worten. „...doch zuerst werde ich dich schänden, weil ihn das am allermeisten stören wird.“

Eine behandschuhte Hand glitt über die nackte Brust des Blonden. Instinktiv zuckte dieser zusammen und versuchte der Berührung auszuweichen. „So, kommt wieder etwas Leben in das verstörte Haustier.“
 

„Fass mich nicht an...“ die Worte waren nur gehaucht gewesen und Kato vermied es noch immer seinen Opponenten direkt anzusehen, dennoch war hatte das gebotene Paroli zu einem regelrechten Stillstand im Raum geführt. Die kleinen Staubpartikel in der Luft waren das Einzige, was sich noch zu bewegen wagte und nur der leicht raschelnde Atem des Sklaven war in regelmäßigen Abständen zu vernehmen.

„Du wagst es also auch noch zu widersprechen...“ die Stimme der verhüllten Gestalt war vollkommen ruhig geblieben, dennoch fröstelte es Kato bei dem, unter dem Gefrierpunkt angesiedelten, Ton, der in ihr lag. „...Es wird Zeit, dass ich dir ein paar Manieren beibringe.“
 

Die Gestalt trat wider Erwarten von dem Sklaven zurück, fixierte ihm aber mit ihren roten, alles versengenden Augen. Im Bruchteil einer Sekunde hatte sie ihren Arm gehoben, nach der dunklen Kapuze gegriffen, die bisher so gewissenhaft ihr Antlitz verhüllt hatte, und zog in einer fließenden Bewegung den gesamten Umhang von ihrem Körper.

Kato konnte zunächst rein gar nichts erkennen, denn der Schwarm Fliegen, der ihm wie eine schwarze Wolke entgegenstürzten, trug seinen Teil dazu bei, dem Sklaven einen ersten Schreckensschrei zu entlocken. Hinter den wild surrenden, schwarz beflügelten Leibern vernahm der Blonde noch gedämpft das Geräusch eines verrückt anmutenden Lachens und ihm lief erneut ein Schauer über den Rücken.

Verzweifelt schlug er um sich und versuchte die Abertausenden von Fliegen zu vertreiben, die so vollkommen unbeeindruckt von dem ziellosen Gefuchtel des Sklaven, im Raum herumschwirrten. Für einen Moment war Kato von dem absolut beängstigenden Gedanken erfüllt, dass er ersticken würde, weil diese grauenhaften Viecher jeglichen Sauerstoff in dem plötzlich so klein anmutenden Raum für sich beanspruchten. Und wenn er erst mal eines von ihnen verschluckt hätte, wäre es sowieso um den blonden Sklaven geschehen.

Panisch schlug er die Hand vor den Mund und versuchte so ein unbefugtes Eindringen seitens der kleinen schwarzen Flugbiester zu vermeiden. Er kauerte sich weiter in seine Ecke, versuchte möglichst ruhig und gelassen durch seine provisorische Gasmaske zu atmen und zwischendurch mal wieder einen verschwommenen Blick auf die Gestalt hinter dem Fliegenschwarm zu erhaschen, die sich in dem unkoordinierten Geschwirr nur sehr verschwommen und unklar anzeichnete. Nichtsdestotrotz vernahm Kato noch immer das Lachen, das selbst das so penetrante Flügelschlagen der unzähligen Insekten übertönte. Es drang ihn strichwörtlich bis ins Mark. Wo war er hier nur gelandet? Was sollte noch alles auf ihn zukommen? Und wo war Luzifer...?
 

All diese Gedanken jagten in rasend schnellem Tempo durch den verwirrten Verstand des Blonden. Dennoch blieb die Erkenntnis, dass sich die Anzahl der Fliegenmonster langsam reduzierte, nicht ganz unbemerkt. Hie und da konnte Kato sogar schon wieder die gegenüberliegende Wand erblicken. Eine gewisse Hoffnung regte sich in ihm und zaghaft wagte er es seinen Kopf wieder aus den darübergeschlagenen Armen zu lösen und sogar seinen Mundschutz abzulegen. Vorsichtig glitt sein Blick zu dem sich langsam auflösenden letzten Schwarm von Insekten bis schließlich nur noch ein paar einzelne Fliegen übrig blieben, die einsam ihre Kreise durch den nun so ruhigen Raum zogen.
 

Es war ein absolut erschreckendes Gefühl, diese Ruhe NACH dem Sturm. Doch was würde nun kommen... Oder war der Sturm noch gar nicht vorbei?

Der entsetzte Blick des Sklaven haftete nun an dem, was die Fliegen zurückgelassen hatten. Mitten im Raum stand eine dünne, ja beinahe schon skelettartig anmutende Gestalt mit dem Rücken zu Kato. Sie hatte ihre Arme leicht von sich gestreckt, so dass die unnatürliche Dünne noch mehr zu Tage trat.

Aber es waren nicht diese grauenhaften Proportionen, die den Blonden in erster Linie schockten, sondern viel mehr die Haut dieses Wesens... So fern man das überhaupt als „Haut“ bezeichnen konnte. Denn die Gestalt war über und über von einer bräunlich-schwarzen Schleimschicht überzogen. Vereinzelt lugten nur ein paar abgerissene Haut- und Haarfetzen hervor.

Doch der absolute Höhepunkt dieser Erscheinung war der Geruch, der von ihr ausging. Es schien als hätte sich sämtlicher Gestank, den der Sklave zuvor schon an diesem Ort wahrgenommen hatte, mit dem Lichten des Mantels verzehnfacht. Es war nicht dieser Ort der stank, es war diese abscheuliche, halb verfaulte Kreatur, die hier alles verpestete!
 

Kato starrte mit vor Schrecken geweiteten Augen auf den deformierten Rücken des Monsters. Die Tatsache, dass er schon seit geraumer Zeit vergessen hatte Luft zu holen, wäre völlig belanglos an ihm vorübergezogen, hätte ihn nicht das zielgerichtete Stechen in seiner Brust dazu genötigt, dennoch erneut mit dem luftverschmutzenden Geruch in diesem Raum konfrontiert zu werden.

Er atmete tief ein... und wurde auch sogleich von einem heftigen Hustenanfall ergriffen. Scheiße! Er konnte nicht atmen! Zu wenig Luft! Zu wenig Sauerstoff! Die Luft war verseucht...

Japsend und röchelnd fiel der Sklave zur Seite. Tränen waren ihm in die Augen gestiegen und für einen Moment dachte er ernsthaft daran nun den Erstickungstod sterben zu müssen.

Doch trotz sämtlicher Panik nahm er aus seinen wässrigen Augenwinkeln noch so etwas wie eine Bewegung wahr. Ein dunkler Schatten bewegte sich langsam auf ihn zu und Kato schwante schon, was ihm dort entgegenkam: Der Herr der Fliegen, in voller Lebensgröße!

Nun konnte er sogar das Gesicht der grauenhaften Figur erblicken, auch wenn er sich insgeheim wünschte, das wäre ihm erspart geblieben. Denn selbiges schien nicht viel mehr als ein von fauliger, bräunlicher Haut umspannter Totenschädel zu sein. Das einzig lebendig wirkende daran waren die feurigen, roten Augen, die nun mit so viel Hass und Verachtung auf den blonden Sklaven herabschauten, dass diesem nicht mehr eindeutig klar war, was denn nun erschreckender war: diese Augen oder die restliche Erscheinung des Herrn der Fliegen...
 

„Und? Gefällt dir was du siehst?“ Der Spott triefte nur so aus dem dunklen Maul dieser abscheulichen Kreatur. Kato war wieder mal an dem Punkt, wo er absolut nicht wusste, was er tun sollte. Denn das war eigentlich einer der Moment, wo normalerweise Luzifer auftauchte und ihn „rettete“.

Er starrte auf den zu einem grausamen Lächeln verzogenen Mund. Obwohl Mund wahrscheinlich bei Weitem das falsche Wort dafür war. Schwarzer, seelenverschlingender Rachen hätte es wahrscheinlich viel eher getroffen.

Erneut schlug Kato eine Welle fauligen Atems entgegen. Reflexartig schlug er sich die Hand vor Nase und Mund und versuchte sich vor dem schrecklichen Gestank abzuschirmen. Gleich musste er kotzen!
 

"Du scheinst ja wahrhaft sehr angetan von mir zu sein..." Hätte Kato es nicht besser gewusst, hätte er behauptet, dass ein leichter Ton der Resignation in der Stimme des Monsters mitschwang.

"Aber an all dem ist nur dein Herr Schuld!"

Falls jener Ton jemals wirklich vorhanden gewesen und nicht nur ein Gebilde von Katos unterbelüftetem Gehirn, war er spätestens jetzt wieder gänzlich verschwunden. Denn die Hand, die den Blonden grob dazu nötigte seinen eigenen Mund- und Nasenschutz zu senken und so mit der hässlichen Wirklichkeit konfrontiert zu sein, war alles andere als resignierend. "Soll ich dir eine Geschichte erzählen, kleiner Sklave?"

Obwohl die Frage wahrscheinlich sowieso rein rhetorischer Natur gewesen war, sah sich Kato dazu genötigt, entsetzt die Augen aufzureißen. Der Kerl wollte ihm tatsächlich Geschichten erzählen?! Zuerst wollte er ihn schänden und foltern und jetzt plötzlich Märchen?!
 

Der Herr der Fliegen ließ von dem Blonden ab und trat einen Schritt zurück. Kato sank augenblicklich in sich zusammen.

"Ich werde es dir erzählen. Damit du weißt, warum du leiden musst... und damit du Luzifer danach genauso hassen kannst wie ich. Denn niemand anderes als er ist für all das hier verantwortlich." Demonstrativ präsentierte die skelettöse Gestalt ihren ausgemergelten Körper. Kato schauderte erneut bei dem Anblick.
 

"Vor langer Zeit einmal war ich schön!"

Das zusammengekauerte blonde Häufchen Elend war irgendwo weit hinten in seiner alten Kiffer-Manier versucht ein verächtliches Schnauben loszulassen, doch der Mangel an Sauerstoff und die Angst vor dieser grauenhaften Gestalt ließen Katos einzigen Kommentar ein ersticktes Ächzen sein.
 

"Du glaubst mir nicht... ich weiß... das würde ich an deiner Stelle wahrscheinlich auch nicht tun..." schon wieder schwang dieser seltsam resignierte Ton, von dem Kato nicht ganz sicher war, ob er wirklich existierte, in der sonst so spöttisch bösartigen Stimme mit.

"Es ist lange her... Es war zu einer Zeit als die Engel noch friedlich im Himmel zusammenlebten und Gott noch keine Pläne zur Erschaffung der Menschheit hatte. Damals gab es unter all den Engeln einen, der etwas ganz Besonders war. Er war stärker, klüger und vor allem schöner als alle anderen. Man nannte ihn den Morgenstern, Gottes Liebling. Luzifer."
 

Luzifer war einst Gottes Liebling gewesen? Kato lag seitlich leicht röchelnd am Boden. Er hatte ja nie behauptet eine Ahnung von Religion zu haben. Aber war der Teufel echt einst der Liebling des Herrn gewesen?

Seine Gedanken zogen irgendwie wirre Kreise über dieses Thema und von weit her vernahm er erneut die bitterböse Stimme des Herrn der Fliegen.
 

"Bis hierhin ist die Geschichte eigentlich allgemein bekannt...

Doch was hingegen die wenigsten wissen, ist dass die Position des Morgensterns um die Gunst Gottes nicht ganz so unangefochten war, wie gerne behauptet wird. Luzifer hatte Konkurrenz...

Es gab tatsächlich jemanden der in Stärke, Charme und Schönheit an ihn heranreichte...

Dieser jemand war ich..."
 

Irgendwie kam Kato während er so am Boden lag und der monotonen Erzählung lauschte, der Gedanke, dass das alles einer billigen göttlichen Seifenoper glich, denn wenn er das jetzt richtig gepeilt hatte, ging es hier doch um nichts anderes als Eifersucht!

Und als hätte der Dämon seine Gedanken vernommen, verpasste er dem Sklaven einen brutalen Tritt in die Magengrube.

„Hör gefälligst aufmerksam zu, wenn ich mir schon die Mühe mache, dir das alles zu erzählen, du undankbare Kröte!"

Kato hustete ein paar Mal. Der metallische Geschmack von Blut lag ihm auf der Zunge und die schwarzen Punkte tanzten schon wieder vor seinen Augen, nur mit dem Unterschied dass es dieses Mal keine Fliegen waren...
 

„Als der Morgenstern dann diese Revolution gegen Gott anzetteln musste, hat die allgemeine Entrüstung über sein Handeln dazu geführt, dass sich die öffentliche Meinung gegen ihn kehrte. Nur wenige waren bereit ihm und seinen Idealen zu folgen, die meisten anderen zogen es vor ihren beschrittenen Weg weiter zu gehen. Sie erkannten, wie töricht es war, sich gegen Gott zu stellen. Dementsprechend enttäuscht waren sie von ihrem so hochgelobten und vielgefeierten Morgenstern, als der Kampf sich zuspitze. Die Massen brauchten einen neuen Helden. Jemanden zu dem sie aufsehen konnten und der eine ähnliche Leitfigur für sie darstellte wie es Luzifer einst getan hatte. Es sollte jemand sein, der über ähnliches Charisma und Stärke verfügte wie er...
 

Sie erwählten MICH zu ihrem neuen Führer!“
 

Der Herr der Fliegen hatte eine Pause eingelegt und schien selbst in seiner eigenen Erzählung gefangen zu sein. Kato hingegen hatte die größte Mühe sich irgendwie auf das Gesagte zu konzentrieren. Das machte doch alles keinen Sinn. Dieser Kerl laberte doch nur Scheisse...
 

„Doch wie du dir gewiss denken kannst, kleiner Sklave...“ die Gestalt beugte sich zu dem liegenden Blonden nach unten und ergriff sein Kinn. „...hat das deinem Herrn gar nicht gefallen.“

Mit einem missbilligenden Blick ließ er Kato wieder los.

„Luzifer konnte es nicht wahrhaben, dass selbst er ersetzbar war. Der Himmel hatte sich sehr schnell wieder von seinem Verrat erholt und einfach jemanden anders, nämlich mich, an seinen Platz gesetzt.

Das hat den wunderschönen Morgenstern regelrecht zur Weißglut getrieben. Zuerst konnte er den Krieg nicht gewinnen und hat dadurch alles verloren und dann waren seine Gegner durch das alles noch viel weniger betroffen als er selbst... Was für eine grausame Ironie des Schicksals...

Also hat er alles dafür getan, um auch mich zu Fall zu bringen. Er hat eine Intrige gegen mich geschmiedet, damit es für die Himmelsbewohner so aussah, als würde auch ich hinterrücks mit ihm kooperieren und so seine Regentschaft im Himmel fortsetzen. Natürlich haben sie mich ausgestoßen und ich bin hier gelandet.“ Er machte eine ausladende Geste und deutete auf seine Umgebung. „Das erste, woran ich mich erinnere, als ich nach dem Sturz zu mir kam, ist, dass Luzifer über mir thronte und das Wort an mich richtete:
 

‚Ich dulde keine Konkurrenz. Weder im Himmel noch in der Hölle’.“
 

Der Herr der Fliegen hatte sich erneut von seinem Opfer abgewandt und stand nun unbeweglich, als wäre es selbst ein Gebilde aus Lehm, im Raum. Langsam streckte er seine Hand über den feucht-kalten Boden. Er schien beinahe als würde er selbst noch im Land seiner Erzählung verweilen, denn der rote Blick war weit in die Ferne auf einen imaginären Punkt gerichtet.

Plötzlich spürte der Sklave, wie der Boden unter ihm zu zittern begann. Leicht panisch versuchte Kato sich aufzurichten, doch sofort spürte er einen stechenden Schmerz in seiner Seite, dort wo zuvor der Tritt des Erzdämons so gut gesessen hatte. Mühselig versuchte Kato sich dennoch hochzuziehen. Was allerdings ein ziemlich schweres Unterfangen war, wenn man nur einen Arm zur Verfügung hatte, weil der andere um die schmerzende Seite geschlungen war.
 

Unter der ausgestreckten Hand des Satans schien der Boden in reger Bewegung. Er wölbte sich der Handfläche entgegen, als sei er nicht anderes als von der Decke tropfendes Wasser. Derart biegsam türmte sich der Lehm auf, der Hand entgegen.

Die schwarze Mundhöhle des Herrn der Fliegen verzog sich erneut zu einen grausamen Lächeln während er sein eigenes Werk betrachtete.

Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Kato zu. Dieser hing immer noch auf halber Höhe seines Aufrichtungsversuches fest und war fasziniert und abgeschreckt von Schauspiel des beweglichen Bodens mittendrin hängen geblieben.
 

„Es ist wirklich überaus zuvorkommen von dir, dass du dich selbst ausliefern willst, kleiner Sklave. So wird es auf jeden Fall weniger schmerzhaft für dich.“

Die Gestalt grinste Kato mit unverhohlener Freude entgegen, während sich der Lehm unter ihrer Hand langsam zu einem Gebilde formte. Ein Tisch, oder vielleicht auch eher Alter, schien es zu werden.

Der Blonde musste schlucke. Dieser Kerl hatte doch nicht ernsthaft vor ihn da drauf...
 

„Komm her!“ Mit einer unglaublich schnellen Bewegung hatte der Dämon seinen knochigen Arm nach dem Sklaven ausgestreckt, ihn gepackt und auf die flache Oberfläche des Lehmaltars befördert.

Der Blonde spürte lediglich wie ihm sämtliche Luft aus den Lungen zu weichen schien, während er der Länge nach aufschlug. Benommen blieb er liegen und stellte sich für einen Moment die perfide Frage, warum bloß all diese kranken Dämonen eine solche Schwäche dafür hatten einem auf Altären zu vergewaltigen.

„Weißt du, es ist nicht so, dass du unbedingt mein Typ wärst…“ der Dämon stützte seine Arme links und rechts neben Katos Kopf ab, so dass er direkt über ihm war. „…Und ich persönlich hege auch überhaupt keinen Groll gegen dich, kleiner Sklave. Aber du hast nun mal das Pech zwischen die Fronten geraten zu sein.“ Langsam näherte sich der zahnlose schwarze Mund des Herrn der Fliegen. Immer näher beugte er sich herab und Kato wurde von der absolut grauenhaften Idee überfallen dass dieses Monster doch nicht ernsthaft beabsichtigte ihn zu küssen. Panisch fing er an zu zappeln und versuchte sich unter dem Satan hervor zu winden.

Doch dieser stellte ihn mit einem einzigen brutalen Griff um den Hals ruhig.

„Na na, kleiner Sklave, jetzt warst du doch vorhin so schön brav. Du willst doch nicht anfangen Faxen zu machen, damit ich böse werden muss…und glaub mir, du wirst es gar nicht mögen, wenn ich böse werde.“ Er strich Kato eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Für einen Moment war der Blonde versucht unter der Berührung der feuchten Hand panisch aufzuschreien und diesem Monster klarzumachen, dass diese Geste sowieso nur Luzifer vorbehalten war. Niemand außer Luzifer durfte ihm seine zerzausten Haare aus dem Gesicht streichen. Niemand!

Kato atmete hastig ein und aus. Hyperventilieren hätte es vielleicht auch eher beschrieben. Seine Brust hob und senkte sich in rasantem Tempo und jedes Mal wenn sie wieder ihren Höhepunk erreicht hatte, fürchtete der Sklave für einen Moment sie könnte eine Verbindung zwischen ihm und der ekelhaft bräunlichen Haut des Herrn der Fliegen herstellen.
 

Dieser schien den verachtenden Blick des Sklaven durchaus bemerkt zu haben. Mit einem sarkastischen Lächeln entgegnete er: „Eigentlich traurig, dass sich selbst eine so niedere Kreatur wie du, vor mir ekelt. Ihr Menschen seit ja eigentlich etwas vom Verabscheuungswürdigsten überhaupt, trotzdem sehe ich selbst in deinen Augen diesen Blick, der mehr als tausend Worte spricht.“ Langsam ließ er seine knochigen Fingerspitzen Katos Wange entlang gleiten. Dieser versuchte mit verbissenem Gesichtsausdruck der Berührung standzuhalten und nicht von einem kalten Schauer überfallen den Kopf wegzudrehen.

„Ja, es kostet dich Überwindung... jede Berührung von mir kostet dich unglaublich viel Überwindung. Aber das ist gut so! Denn so wird meine Rache perfekt sein… du kannst dir nichts Schlimmeres vorstellen, als von einer abscheulichen Kreatur wie mir genommen zu werden und deshalb wird dein Schmerz danach riesig sein….“

Die forsche Hand des Erzdämons hatte sich in Katos blondem Schopf vergraben.

„…Das wird ihn treffen wie nie etwas zuvor. Dass ich etwas ‚beschmutze’, das ihm gehört.“
 

Kato hatte das Gefühl sich jeden Moment übergeben zu müssen. Ob es nun diesem ‚Annäherungsversuch’ oder eher vom omnipräsenten Gestank des Herrn der Fliegen, den Kato zu Gunsten des Schmerzes wohlweislich verdängt hatte, herrührte, konnte er nicht genau sagen. Vielleicht war es auch beides…

Aber er musste irgendetwas unternehmen. Er konnte nicht einfach nur hier liegen und sich vergewaltigen lassen. Nicht schon wieder…

Bei Luzifer war es irgendwie auch etwas anderes gewesen. Kato konnte nicht genau in Worte fassen was, aber die Situation war anders gewesen... Dort war es um ihn gegangen. Luzifer hatte es getan, um ihn zu bestrafen, aber dieser Kerl hier wollte es tun, um Luzifer zu bestrafen.

Das konnte Kato nicht einfach so hinnehmen! Er war doch kein Spielzeug, mit dem man einfach machen konnte, was man wollte!
 

Selbst wenn sich alles in dem blonden Sklaven dagegen sträubte, wandte er sich langsam wieder dem Herrn der Fliegen zu und blickte ihm mit unglaublicher Entschlossenheit entgegen.

„Nein!“ Ein einzelnes Wort, so kalt und präzise ausgesprochen, dass es den Erzdämon in seinem Tun innehalten ließ. „Nein?“ Der Gesichtausdruck des Herrn der Fliegen war irgendwo zwischen Belustigung und Erstaunen angesiedelt. „Was willst du mit ‚Nein’ sagen?“

„Nein dazu, dass du dich gewaltsam meiner bemächtigen willst. Nein, dass du mich als Druckmittel gegen Luzifer einsetzen willst. Nein dazu, dass du denkst, das würde ihn auch nur irgendwie berühren. Nein dazu, dass es irgendwas verändern wird...“

Für einen Moment herrschte Ruhe und der Dämon schien sein Opfer mit einem abwiegenden Blick zu mustern, zu prüfen wie ernst der Sklave seine eigenen Worte nahm.

„Wenn du deinen Frust an mir auslässt, wird das nur dazu führen, dass Luzifer dir die Hölle heißmacht, weil du, wie du so schön gesagt hast ‚etwas beschmutzt hast, das ihm gehört’. Er wird dich also auf rein repräsentativer Ebene dafür bestrafen. Aber auf emotionaler Ebene wirst du damit gar nichts erreichen, denn der Herr der Hölle ist unberührbar. Nichts erreicht sein Herz...“
 

Kato war selbst etwas erstaunt über seine Worte. Er hatte diese Erkenntnis betreffend Luzifer in dem Moment gehabt, in dem er sie ausgesprochen hatte. Vorher hatte er sich noch nie darüber Gedanken gemacht, ob der Teufel nun so etwas wie ein Herz besaß oder nicht.

Dennoch hatte er dem Herrn der Fliegen nun mit einer selten gekannten Selbstsicherheit entgegen geblickt und ihn an seiner bescheidenen Meinung teilhaben lassen. Kato war nie jemand gewesen, der gut mit Worten umgehen konnte. Aber in diesem Moment jetzt, waren Worte das einzige gewesen, was ihm noch zu seiner Verteidigung geblieben war.
 

Der Dämon hatte seine Hand aus den blonden Haaren gelöst und sich aufgereichtet. Aus kritisch zu Schlitzen verengten Augen betrachtete er den Sklaven, welcher immer noch in derselben Position auf dem Altar verhaarte.
 

„So wird sich nie etwas ändern…“ flüsterte Kato leise.
 

Plötzlich schien sich wieder etwas im Herrn der Fliegen zu regen, denn sein Arm schoss nach vorne und umschloss ein weiteres Mal den dünnen Hals des Liegenden.

„Ach, es wird sich also nichts ändern, wenn ich dich vergewaltige. Dann sag mir, kleiner Sklave, was soll ich sonst tun?!“ Die Stimme des Dämons triefte nur so vor Spott, trotzdem hatte Kato das Gefühl auch so etwas wie eine unterschwellige Verzweiflung heraus zu hören.
 

Kato hustete und versuchte den strengen Griff um seinen Hals etwas zu lockern, um seiner Lunge mehr von dem benötigten Sauerstoff zuzuführen. „Das weiß ich auch nicht, aber…“ begann er röchelnd. Der Herr der Fliegen ließ in dem Druck auf Katos Luftröhre etwas nach.

„…es ist klar, dass du so nie etwas erreichen wirst. Du willst, dass sich etwas ändert. Du willst wahrscheinlich deine alte Gestalt zurück, die dir aber nur Luzifer geben kann.“ Kato hatte hier einen Schuss ins Blaue gewagt. Der Ex- Engel hatte schließlich nicht direkt gesagt, dass es Luzifer gewesen war, der ihn so verunstaltet hatte, aber wahrscheinlich lief die kleine, unvollendete Anekdote darauf hinaus, dass das der Grund für den maßlosen Hass auf den Herrn der Hölle war. „Aber wenn du ihn provozierst und herausforderst, wirst du nie etwas erreichen. Denn er wird immer der Stärkere sein, egal auf welche Weise du nun versuchst ihm zu schaden. Vielleicht solltest du zur Abwechslung mal versuchen ihm zu gehorchen und sein Wohlwollen zu gewinnen, anstatt ihn immer übertrumpfen zu wollen...“
 

Der Dämon betrachtete Kato für einen Moment misstrauisch, dann brach er in schallendes Gelächter aus. „Mein Gott, kleiner Sklave... Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass du deinem Meister schon so hörig bist...“

Er schien sich zuerst wieder etwas beruhigen zu müssen, doch dann richtete sich seinen Blick erneut aber umso nüchterner auf Kato „...doch deine wunderbare Propaganda wird nichts bewirken. Ich hasse ihn trotzdem und ich will mich für das, was er mir angetan hat, rächen!“

Kato war versucht mit den Schultern zu zucken, doch das Gewicht des Herrn der Fliegen, der nach wie vor auf ihm weilte, verhinderte das.

„Wenn du dich rächen willst, wirst du immer nur seinen Unmut auf dich ziehen und niemals das kriegen, was du willst. Du wirst bis in alle Ewigkeit diesen Körper behalten müssen und von deiner Umgebung nichts als Abscheu erfahren...“
 

Eine unerwartete Stille breitete zwischen dem Herrn der Fliegen und seinem Opfer aus, während sie sich unentwegt anstarrten. Die roten Iriden leuchteten bedrohlich... und dennoch schien es, Kato als würde er hinter der vordergründigen Maske des Zorns noch so etwas Anderes erkennen. Kato konnte nicht genau sagen was es war, dennoch vermittelte ihm dieses kleine unbekannte Schimmern in den Augen seines Gegenübers ein seltsames Gefühl der Hoffnung. Vielleicht...

Vielleicht zog der Dämon die Worte des Sklaven ernsthaft in Erwägung....
 

Die anhaltende Stille sprach immerhin für die Theorie des Blonden.
 

Dann plötzlich blitzen die roten Augen, in der ganzen Reglosigkeit der restlichen Form des Herrn der Fliegen, erneut auf. Ein ganzes Wechselspiel an Expression war zu beobachten und Kato war spätestens jetzt endgültig davon überzeugt, dass er doch tatsächlich irgendetwas ausgelöst haben musste. Es war sowieso erstaunlich, wie viel nun in diesen vorher so kalten und spöttischen Augen zu erkennen war. Allerdings blieb die Frage, ob dies ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, immer noch bestehen.
 

Mit einer schwungvollen Bewegung entfernte sich der Erzdämon von dem Blonden und gab ihn somit frei.
 

„Geh!“
 

Er sollte gehen? Das war zwar etwas schnell gegangen, dennoch richtete sich der Sklave vorsichtig auf. Mit einem etwas schummrigen Gefühl im Magen stellte er sich auf seine Füße und nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie der Herr der Fliegen seinen schwarzen Mantel aufhob und seinen skelettösen Körper wieder im ihm verhüllte.

„Ich werde ihm sagen, dass du mir nichts getan hast...“ bemerkte Kato leise, während es auf zittrigen Beinen vor dem Altar stand und seinen eigenen Oberkörper umschlungen hielt.

Lediglich ein böses Zischen war die Antwort: „Wie großzügig von dir, kleiner Bettwärmer Luzifers. Aber ich würde dir jetzt dringlichst raten zu verschwinden, bevor ich es mir anders überlege... “

Das war deutlich genug, um den Blonden dazu zu bewegen im Laufschritt auf den Ausgang zuzueilen und das Weite zu suchen.
 

~~~~
 

Alles in Katos Kopf drehte sich, während er aus dem Lehmpalast hechtete und sich insgeheim die Frage stellte, ob das nun wirklich passiert war oder ob es bloß eine Einbildung, die von zuviel schlechter Luft herrührte, gewesen war. Hatte er es ernsthaft geschafft diesen Herrn der Fliegen davon zu überzeugen ihn laufen zu lassen, nur indem er mit ihm geredet hatte?!
 

Doch bei Weitem noch erstaunlicher war die Tatsache, dass er das, was er da eben geredet hatte doch tatsächlich selbst glaubte. Er glaubte daran, dass es besser war, wenn man sich Luzifer fügte und seinen Befehlen gehorchte. Aber wann bitte war er zu einem derart hörigen Haustier geworden? Der verrückte Hutmacher hätte sich sicher großartig amüsiert, wenn er diese kleine Showeinlage vorher gesehen hätte.

Der Blonde schüttelte energisch seinen Kopf und wich immer noch im Sprint einem größren Felsbrocken aus. Er musste zu Luzifer und weg von all diesen seltsamen Kreaturen. Selbst wenn dieser in hundertprozentig bestrafen würde, weil er wieder mal versagt hatte. Aber besser Luzifer als irgendein anderer!
 

TBC

Kapitel 29

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 30

Kato tat jeder Knochen im Leib weh. Anders konnte man das wirklich nicht ausdrücken.

Er lag sicher schon seit einer halben Stunde wach und wälzte sich von der einen Seite auf die andere. Denn diese eine Seite, auch bekannt als sein Arsch, schmerzte höllisch und machte es unmöglich, dass er einfach nur brav und vollkommen unkonventionell auf seinem Rücken gelegen hätte. Der Bauch fiel als einfache Alternative, aus – wie Luzifer es nannte – pädagogisch erzieherischen Gründen, ebenfalls weg. Oder schlicht und einfach, er sollte sich keinen runterholen.

Der Teufel hatte ihn letzte Nacht unzählige Male kurz vor die Stelle, wo normalerweise der erlösende Orgasmus über einen hereinbrach, getrieben und dann einfach aufgehört.

Nach dem fünften Mal hatte Kato aufgehört zu zählen...

Und das Gemeine bei der Sache war, dass Luzifer dafür gesorgt hatte, dass er es sich auch nicht selbst besorgen konnte, obwohl er geil war wie noch nie zuvor in seinem Leben. Denn sobald er auch nur auf den Gedanken kam, seine Hand in eine bestimmte Richtig südwärts wandern zu lassen, schnürte sich das schwarze Halsband zusammen und drohte ihn zu ersticken. Das ganze war so was von verdammt pervers: sexuelle Frustration gegen den Erstickungstod abzuwiegen. Kato konnte es gar nicht wirklich in Worte fassen...

Die andere, zwar weitaus primitivere, Möglichkeit sich Erleichterung zu verschaffen, indem man sich irgendwo dran rieb, fiel aus der genau gleichen, Luftmangel erzeugenden, Argumentation ebenfalls weg.

Kato verfluchte Luzifer und seine verdammte sadistische Existenz.

Im Moment machte er sich zwar keine Vorwürfe wegen gestern, sondern er war einfach nur damit beschäftigt, geil zu sein. Deswegen war das auch das nächste und naheliegenste Problem, um das es sich zu kümmern galt…

Er unternahm noch einmal den verzweifelten Versuch seine Hand um das pulsierende Glied zu schliessen. Doch bevor er das heisse Fleisch auch nur mit den Fingerspitzen hätte berühren können, zog sich das schwarze Leder um seinen Hals derart zusammen, dass Kato nur noch japsend die Hand zurückziehen konnte als hätte er sich verbrannt.

Oh, wie hasste er Luzifer doch in diesem Moment!
 

„Ich würde dir empfehlen lieber eine kalte Dusche zu nehmen, anstatt dich selbst umzubringen..“
 

Kato schreckte auf und drehte sich sofort zur Quelle der Stimme um. Auf Luzifer Schreibtisch saß mit einem bösartigen Lächeln, wallenden roten Haaren und wie immer völlig nackt… Lilith.
 

„W-woher zum Teufel kommst du?!“

„Ich?“ sie setzte eine Unschuldsmiene auf. „Ich war die ganze Zeit hier auf dem Schreibtisch...“ Sie deutete hinter sich zur Vogelstange. Kato erbleichte. Das war genau was befürchtet hatte. „D-dann...?“

Sie nickte. „Ja“

Oh Gott........ Der Sklave schlug die Hände vors Gesicht. Für einen Moment zog er kurz in Erwägung seine Masturbation von vorher fortzusetzen, um so seiner mickrigen Existenz doch noch ein Ende zu setzen.

„Hey, mach dir nichts draus. Die Show war echt heiss...“ Mit einer schwungvollen Bewegung stiess sie sich von der Tischplatte ab und ging gelassen auf Kato zu. Dieser verfolgte ihr Näherkommen durch seine gespreizten Finger, die immer noch auf seinem Gesicht lagen.

„Du hast wirklich toll gestöhnt… Kompliment“ Das sadistische Grinsen auf ihren Lippen war wirklich kaum zu übersehen.

„Ach, halt doch die Klappe..“ Mies gelaunt drehte Kato sich auf die andere Seite und versuchte dabei zu verhindern, dass sein Gesicht sich vor Schmerzen verzog.

„Hey, du kannst meine Komplimente ruhig ernst nehmen. Denn Luzifer war heute Morgen wirklich ausserordentlich guter Laune.“

Nun horchte der Sklave doch auf und drehte den Kopf wieder in Liliths Richtung. „ Er war gut gelaunt?“

Sie war am Bett angelangt und beugte sich nun wie eine Raubkatze nach unten. „Ja, schien so… auch wenn sich das bei ihm nie so ganz sagen lässt…“ Auf allen Vieren schlich sie näher auf den Sklaven zu.

Kato beäugte sie misstrauisch. „Hat er etwas gesagt?“

„Nein… warum sollte er denn etwas gesagt haben?“ Sie hatte wieder diese Art von Blick in den Augen, die Kato irgendwie beunruhigte.

„Keine Ahnung…Vielleicht was ich als nächstes tuuuuuuuuu……“ weiter kam er nicht. Die Schlangenfrau hatte sich mit einem Sprung auf ihn gestürzt und war zu einer wilden Kitzelattacke übergegangen.

„Uh.. nein! Pass doch auf… mein Arsch… Scheisse!... das tut weh….Lilith!“

Vergeblich versuchte er der Schlangenfrau zu entkommen.
 

Nachdem Kato einige Schmerzes- und Lachtränen vergossen hatte, hielt sie dann doch endlich inne. Der Sklave lag immer noch prustend unter ihr und versucht zu Atmen zu kommen

„I-ich…h-hasse… dich“

„Schon in Ordnung.“ Sie klopfte ihm kumpelhaft auf die Schulter. „Aber weißt du, eigentlich solltest du mir dankbar sein, jetzt bist du viel entspannter…“ Sie warf einen vielsagenden Blick zu gewissen Körperpartien des Blonden.

Leicht beschämt bedeckte Kato schnell seine Blösse „Äh gut… willst du dann sonst noch was?“

Die Schlangenfrau brachte etwas Abstand zwischen sich und den Sklaven und räuspere sich dann: „Also… um den Inhalt etwa sinngemäss wiederzugeben, soll ich dir ausrichten, dass du deinen Sklavenarsch zum Festsaal bewegen sollst…“ Sie machte eine kurze Pause, dann fügte sie hinzu: „Aber auf jeden Fall frisch geduscht, der Herr erwartet Besuch...“

„Besuch?“

„Ja, angeblich soll seine Frau vorbeikommen, aber ich weiss auch nichts Genaues….“

„Seine Frau?“

„Ja, seine Frau…Du stehst heute etwas aufem Schlauch, was? Ist aber auch nicht weiter verwunderlich, dass du deinen Verstand nach gestern Nacht noch nicht so wirklich zusammengesammelt hast.“ Lilith bedachte Kato mit einem schelmischen Lächeln und strich sich ihr langes, leicht in Unordnung geratenes, Haar hinter die Schulter.
 

„Haha, sehr komisch…“ Obwohl es eigentlich sarkastisch klingen sollte, misslanges dem Sklaven gründlich. Irgendwie war dieser Gedanke, dass Luzifer tatsächlich verheiratet war, ein mittelmässiger Schock für ihn. Nuri hatte zwar damals bei ihrem Techtelmechtel auf dem Fest auch was in die Richtung gelabert, aber Kato hatte es, nachdem sich alles als böse Finte herausgestellt hatte, als Unsinn abgetan.

Wie mochte sie wohl sein? Des Teufels Braut…

„Hey Kleiner, lass dich doch davon nicht gleich so runterziehen…“ Lilith, alarmiert von Katos Stille, hatte sich wieder eingeschaltet. „Soviel ich gehört habe, haben die Zwei nicht gerade ein gutes Verhältnis zueinander…. und ganz wagemutige Quellen behaupten sogar, dass sie heute gekommen sei, um eine offizielle Trennung zu vernehmlassen.“

„Und warum sollte mich das interessieren?“ Kato versuchte desinteressiert tun. War ihm doch egal, wenn der Teufel verheiratet war.

Lilith lächelte bloss wissend. „Ich denke schon, dass dich das interessieren sollte, denn du wirst sie nachher höchstwahrscheinlich bedienen.“

„Was?!“

„Kato-Schatz, hast du mir eigentlich zugehört? Davon reden wir doch die ganze Zeit schon…“ Sie lehnte sich nach vorne zu dem Blonden hin und flüstere ihm leise in Ohr: „Scheint als wäre dein Hirn wohl wirklich irgendwo auf der Strecke geblieben gestern Nacht….“

„Ach halt doch die Klappe, Schlampe…“ Kato erhob sich grummelnd und versuchte dabei sein Hinterteil so wenig wie möglich zu belasten. Lilith lachte nur daneben und beobachtete den Sklaven, wie er wankenden Schrittes das Bad ansteuerte.
 

~~~~
 

Kato stand im Türrahmen und rubbelte sich mit einem Handtuch die feuchten Haare trocken. Die Dusche hatte ihm wirklich gut getan. Sie war zwar nicht ganz kalt gewesen, wie Lilith empfohlen hatte, aber dennoch nur etwa lauwarm. Seine verspannten Muskeln waren jetzt wieder etwas lockerer und er fühlte sich auch gesamthaft etwas frischer. Der kontinuierlich pochende Schmerz in einer gewissen Region seines Körpers war zwar nicht ganz gewichen, hatte sich aber auf ein erträgliches Mass reduziert.

Lilith wanderte währenddessen im Raum umher und trug ein paar schwarze Sachen auf dem Arm.
 

„Wie ist sie so?“

Leicht erschrocken, als hätte sie nicht mit der plötzlichen Frage des Sklaven gerechnet, dreht sie sch um. „Was?!“

„Na die Königin, Luzifers Frau, oder wie auch immer sie sich nennt.“

„Keine Ahnung…“ Lilith zuckte mit den Schultern und setze ihre Wanderung durchs Zimmer fort. „…ich hab sie nie getroffen.“

Der leicht kritische Blick des Blonden liess sie dann seufzend fortfahren. „Weißt du, bei 999 verschiedenen Bräuten ist es auf Dauer recht schwierig den Überblick zu behalten.“

Nun starrte sie der Sklave recht geschockt an. „Er hat 999 Frauen?!“

„Nein, du Trottel! 998 davon sind tote Exfrauen, nur die 999ste ist seine jetzige.“

„Aha ok, dann kann ich verstehen, warum sie sich von ihm trennen will.“

Kato schlenderte wieder langsam aufs Bett zu und liess das Handtuch zu Boden gleiten.

„Und Luzifer lässt das einfach so zu?“

„Was?“ Lilith schien schon wieder bei was auch immer sie gerade tun mochte, unterbrochen worden zu sein.

„Die Trennung, meine ich. Schadet das nicht seinem Ruf, oder so?“ Kato hatte sich mit leicht nachdenklichem Gesichtsausdruck aufs Bett gesetzt.

„Naja, ich nehme an, dass sie genau deswegen hier ist, um das mit ihm auszuhandeln.“

Lilith kam wieder zum Bett und knallte neben dem Blonden ein Bündel schwarzer Kleidung auf die Matratze. „Zieh das an!“
 

Kato beäugte de Kleiderhaufen misstrauisch. Zuoberst lag eine schwarze Hotpants, die in dem Blonden allergrösstes Unbehagen auslöste. Dann folgte ein dafür recht harmlos aussehendes schwarzes Herrenunterhemd aus schlichter Baumwolle und zuunterst lagen noch zwei ebenfalls schwarze Manschetten.

„Muss ich das wirklich anziehen?“ Der Sklave warf der Rothaarigen einen hoffnungsvollen Hundeblick zu.

„Glaubst du ernsthaft, du könntest mich mit diesem lächerlichen Versuch weichkochen?!“

Mit einem leicht verachtenden Augenaufschlag schmiss sie ihm die Klamotten entgegen „Also zier dich nicht. Du provozierst es bloss wieder ‚bestraft’ zu werden, wenn du dich weigerst… und ich wage zu bezweifeln, dass dein Arsch jetzt schon eine zweite Runde verkraften würde…. Ausserdem solltest du Luzifers gute Laune wirklich nicht verspielen… “ Sie zwinkerte ihm zweideutig zu. „Vielleicht ist er heute ja grosszügiger…“

Kato knurrte etwas vor ich hin, schnappte sich aber die Hotpants. Seine „gemeine Sadisten, die ich verabscheue“-Liste hatte soeben wieder Zuwachs bekommen.
 

TBC

Kapitel 31

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 32

Gedämpfte Stimmen drangen vom Festsaal her in die Küche.

Kato konnte nicht verstehen was sie sprachen und eigentlich wollte er das auch nicht. Er war viel zu verwirrt, um sich jetzt noch mit dem Inhalt des Gesprächs zu beschäftigen. Außerdem focht er gerade einen ziemlich aussichtlosen Kampf mit dem Korken einer uralt anmutenden Weinflasche.

Luzifer hatte Wein geordert und der Sklave hatte einfach die oberste Flasche aus dem Regal genommen... Dass allerdings eine zwei Zentimeter dicke Staubschicht drauf lag, hatte er in seinem deliriumähnlichen Zustand geflissentlich übersehen…
 

Kato schraubte und drehte an der Falsche herum, als er plötzlich die vertraute, aber leicht verärgert klingende Stimme seins Herrn vernahm: „Sklave, wo bleibt der Wein?!“

Kato schluckte und versuchte seinen Triumph über die Weinflasche etwas voranzutreiben, was aber ziemlich aussichtslos schien. Das Ding wollte einfach nicht aufgehen und seine zittrigen Hände trugen auch nicht unbedingt dazu bei, das Unterfangen leichter zu gestalten. Er war sogar schon versucht den alten Strassentrick, die Flasche einfach über die nächstbeste Bordsteinkante zu schlagen damit der Hals abbrach, anzuwenden… aber irgendein Gefühl sagte ihm, dass es wahrscheinlich besser war, Luzifer keine verstümmelte Version eines uralten und vermutlich auch sauteuren Jahrgangsweins unter die Nase zu halten.
 

Mit einem dumpfen Knall stellte er die Flasche vor sich auf dem Tisch ab und starrte sie trotzig an. Warum konnte das Ding nicht einfach das machen, was man von ihm wollte?!

Aus zu Schlitzen verengten Augen musterte er das grünlich braune Glasgebilde… Dann plötzlich, wie eine Katze, die aus dem Hinterhalt angriff, stürzte er sich darauf und riss erneut an dem dünnen Flaschenhals herum. „Geh auf! Geh auf! GEH AUF!“

Doch nichts passierte und Kato fühlte sich langsam erschöpft. Er sah verzweifelt auf die Flasche in seiner Hand runter und meinte dann mit weinerlicher Stimme: „Bitteeeeee….“
 

Ein kurzes ‚Plop’ folgte und schon war der Korken wie von Geisterhand verschwunden. Der Sklave starrte mit tellergrossen Augen auf die nun offene Weinflasche und wusste nicht ob er lachen oder lieber weinen sollte…. Er war doch wirklich zum Verrücktwerden. Führte denn hier unten in der Hölle alles ein Eigenleben?!
 

Tief einatmend, beschloss er lieber nicht länger darüber nachzudenken, sondern den georderten Wein endlich zu Luzifer zu bringen. Der würde wahrscheinlich sowieso schon genervt genug sein, weil er so lange gebraucht hatte…
 

~~~~
 

Hätte Kato sich umgedreht, hätte er vielleicht die Gestalt gesehen, die lässig an das hohe Weinregal lehnte und nun langsam ihre ausgestreckte Hand sinken ließ. Eine schwarze Kapuze verhüllte den Grossteil ihres Gesichts, doch die vollen, rosa geschminkten Lippen kräuselten sich ganz eindeutig in ein Grinsen und formten das Wort ‚Trottel’ während der Sklave in die andere Richtung davoneilte.
 

~~~~
 

Luzifers Finger trommelten genervt auf der Tischplatte während Kato, sich möglich unsichtbar machend, wieder in den Raum schlich.

Zur linken des Teufels saß nun eine Person, deren Gesicht der Sklave nicht erkennen konnte, weil sie mit dem Rücken zu ihm saß.

Langsam ging er etwas näher auf die beiden zu und erhaschte dabei einen Blick auf einen Schwall grauen Haars, das aber sofort wieder hinter der hohen Rückenlehne des Stuhls verschwand. Doch es war genug gewesen, um dafür zu sorgen, dass sich Katos Herzschlag unweigerlich beschleunigt hatte.
 

Trotzdem versuchte er seinen Weg unverzagt fortzusetzen und blieb schlussendlich vor Luzifers Thron stehen. Dieser bedachte ihn mit einem todbringenden Blick, was den Sklaven sofort wieder etwas zurückschrecken ließ. Die kalten Augen des Teufels funkelten warnend und schienen Kato daran erinnern zu wollen, dass er auf jeden Fall die Klappe halten sollte. Dann endlich brach der Blickkontakt ab und Luzifer begutachtete die Weinflasche, die Kato in seinen zittrigen Händen hielt. Er nickte leicht und wandte sich an seinen Gast: „Prinzessin, wünscht Ihr ebenfalls etwas Wein?“
 

Und nun zum ersten Mal konnte Kato die Person mit den grauen Haaren richtig sehen. Er hätte vor Schreck beinahe die Weinflasche fallenlassen, konnte sich aber gerade noch zusammenreißen. Das war nicht Kurai! Oder zumindest nicht so, wie er sie in Erinnerung hatte….

Vor ihm saß eine junge Frau, die ziemlich wenig mit der Rotzgöre gemeinsam hatte, die er einst gekannt hatte. Wenn er sie in Menschenjahren schätzen müsste, hätte er gesagt, dass sie vielleicht 18 oder 19 war. Das lange graue, in einem Pferdeschwanz zusammengebundene Haar, machte es schwierig, sie genauer zu klassifizieren. Aber sie war auf jeden Fall älter als er sie in Erinnerung gehabt hatte…. älter und irgendwie attraktiver?

Außerdem trug sie ein Kleid! Ok, es war schwarz und mit viel Tüll-Stoff ausgestattet, also für die Hölle nichts wirklich Ungewöhnliches…. Aber das war Kurai!
 

Wahrscheinlich stand Katos Mund gerade sperrangelweit offen, doch das war ihm so was von egal. Die Prinzessin betrachtete ihn einen Moment lang, mit einem unleserlichem Gesichtsausdruck und wandte sich dann an Luzifer: “Was ist das für eine impertinente Kreatur?“

Wäre Kato nicht schon vorher sprachlos gewesen, hätte ihm das sicher den Rest gegeben.

Luzifer lächelte leicht und machte eine abschätzige Geste. „Nur ein Sklave, Prinzessin, nur ein Sklave….“ Dann glitt sein Blick kurz zu Kato. „Beachtetet ihn nicht weiter, er ist noch nicht besonders gut erzogen.“ Die Betonung auf ‚erzogen’ klang in Katos Ohren irgendwie unheilverheissend und ließ ihn leicht zusammenzucken. Trotzdem versuchte er sogleich seine Haltung wieder etwas zu straffen und wandte seinen Blick von der Prinzessin ab.
 

~~~~
 

„Wein?“

„Liebend gern“

Irgendetwas stimmte hier nicht. Warum erkannte sie ihn nicht?! Oder warum ignorierte sie ihn?! Wie im Traum stolperte Kato näher auf den Tisch zu und schenkte der Prinzessin ein. Sie schien ihn nicht zu beachten und das war es, was ihn so schrecklich nervös machte. Als er ihren Namen gehört hatte, war für ihn irgendwie eine Tür aufgegangen. Eine Tür, die ihm Rettung zu verheißen schien… und jetzt war sie direkt vor seiner Nase wieder zugeknallt worden.

Sein Blick glitt zu Luzifer. Der Teufel hielt sein eigenes Weinglas in Händen und beobachtete Kato aus den Augenwinkeln. Ein Lächeln umspielte seine Lippen… ein wirklich böses Lächeln.
 

Für einen Moment flammt Wut in Kato auf. Dieser Bastard! Er hatte es gewusst! Er hatte mit ihm gespielt…

Doch so schnell wie sie Wut gekommen war, verblasst sie wieder und wurde von dem dumpfen Gefühl der Resignation ersetzt. Er war verloren….

„Du kannst dich jetzt entfernen, Sklave.“ Luzifers Stimme war sanft und dunkel. Sie hatte beinahe etwas Tröstendes.
 

Kato torkelte langsam wieder zurück in Richtung Küche, während seine Gedanken immer um dieselbe Frage kreisten: Warum erkannte sie ihn nicht?!

Luzifer hatte da ganz sicher seine Finger im Spiel, soviel war klar. Aber was hatte er getan, dass die nervige, aber trotzdem gutmütige Prinzessin der Oger plötzlich zu so einer arroganten Schlange mutiert war?! Kato konnte es nicht verstehen. Das ging einfach alles über seinen Horizont.

Vollkommen fertig lehnte er sich an die Küchenwand. Für einen kurzen Moment hatte er wirklich Hoffnung verspürt. Er ließ sich zu Boden gleiten und stützte den Kopf in die Hände. Irgendwie war ihm übel…
 

Draußen ging währenddessen das Gespräch weiter. Kato hörte nicht wirklich zu, trotzdem drangen die Stimmen des Teufels und der Prinzessin wie durch einen Nebel zu ihm…

„Ihr solltet Euch im Klaren darüber sein, meine Teuerste, dass eine Loslösung auch eine militärische Trennung zur Folge hätte…“

Kato hatte nicht den blassesten Schimmer worum es ging, aber es war auffällig, dass Luzifers Tonfall ungewöhnlich ‚freundlich’ war, sofern das Wort überhaupt im Vokabular des Teufels vorhanden war.

„Es ist nicht so, dass She'Ol jemals etwas für Gehenna getan hätte. Wir kommen auch alleine ganz gut zurecht…“ Eine Pause folgte, “…schließlich sollten die Engel nun keine Bedrohung mehr darstellen.“

„Die Engel vielleicht nicht….“ In Katos Kopf drehte sich immer noch alles, trotzdem manifestierte sich vor seinem inneren Auge das Bild, wie Luzifer der Prinzessin gerade diesen eindeutigen Blick zuwarf.

„Droht Ihr mir?“

„Mitnichten, Prinzessin. Ich versuche lediglich Euch zu helfen. Schließlich seid Ihr nach wie vor die Königin der Hölle…“ In Katos Vorstellung prostete der Teufel ihr gerade mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen zu.

„Was wollt Ihr damit andeuten?!“ Es klang misstrauisch, vielleicht sogar etwas giftig.

„Lediglich, dass Ihr eine Trennung möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt bereuen könntet. Aber ich überlasse die Wahl gänzlich Euch….“ Kato kämpfte sich wieder in eine aufrechte Position. Seine Neugier war jetzt doch geweckt worden und er wäre zu gern zurück in den Festsaal gegangen um dem Gespräch besser folgen zu können, aber abgesehen von der Tatsache, dass ihm immer noch schwindlig war, hatte Luzifer auch eindeutig verlauten lassen ‚sich zu entfernen’ und nicht drinnen rumzulungern. Deswegen begnügte Kato sich vorerst damit mit gespitzten Öhrchen hinter der Küchentüre zu lauschen.
 

„Was für eine Bedrohung könnte denn heutzutage - nach dem Fall Gottes - noch so groß sein, dass wir auf Euren Schutz angewiesen wären….“ Es klang etwas spöttisch. „…Oder wollt Ihr andeuten, dass die Gerüchte stimmen und Ihr die Nephilim tatsächlich nicht mehr unter Kontrolle habt.“

Eine längere Pause folgte. Kato schloss aus Luzifers langem Zögern, dass die Prinzessin wohl tatsächlich einen Treffer gelandet haben musste, denn anders konnte er sich die momentane Stille nicht erklären. Dann erklang ein tiefes Seufzen.

„Ich bin überrascht, dass Ihr das ansprecht, Prinzessin. Denn gerade von Euch, die ihr doch von königlichem Geblüt seid, hätte ich etwas mehr Urteilsvermögen erwartet…“ Irgendetwas am Tonfall des Teufels klang enorm belehrend. „…Ihr solltet solch banalem Geschwätz wirklich kein Gewicht beimessen. Die Nephilim sind dort wo sie immer waren und werden sich auch in Zukunft nicht von dort fortbewegen. Sie planen keine Revolution und haben auch nicht vor die Herrschaft über die Hölle an sich zu reißen.“ Bei letzten Satz, hatte der Ton zu spöttisch umgeschwenkt, so als wäre der Gedanke allein absolut lächerlich.
 

„Und woher wisst Ihr das so genau?“ Kurais Erwiderung war schnell gekommen.

Luzifer lachte leise. „Meine Teuerste, Ihr scheint die Tatsache zu vernachlässigen, dass die Nephilim im Endeffekt Halbblüter sind. Mögen auch manche von ihnen relativ stark sein, so sind sie doch vor allem eines: Missgeburten! Sie werden nie auch nur ansatzweise an die Macht eines richtigen ‚Engels’ heranreichen können. Deswegen sind und werden sie nie eine Bedrohung für die Hölle sein.“

„Nun gut…“ Die Prinzessin sprach langsam, so als würde sie sehr genau darüber nachdenken, welche Worte sie wählte. „..wenn die Nephilim also keine ernstzunehmende Bedrohung sind, warum besteht Ihr dann darauf, die Verbindung zwischen Gehenna und She'Ol weiterhin zu erhalten? Wovor müssen wir beschützt werden?“ Eine erneute Stille folgte.

Dann jedoch ertönte die Stimme des Teufels tief und ziemlich leise: „Möchtet Ihr wirklich noch mal erleben wie Eure gesamte Familie ausgelöscht wird? Oder man Euer Volk dahinmetzelt und Euer eigenes Leben bedroht wird? Alexiel ist nun nicht mehr da um Euch zu retten, Prinzessin. Sie ist zu fest mit der Wasserelfe beschäftigt, deswegen wird sie Euch nicht mehr zu Hilfe eilen…. Und auch sonst niemand wird das tun. Ihr seid ganz alleine…außer ihr verlasst euch auf She'Ol…“
 

Ein kurzes höhnisches Auflachen erklang. „Ja natürlich, ich verlasse mich auf eine Truppe psychopathischer, sadistischer Verrückter, die das natürlich aus reiner Nächstenliebe tun und für die rein gar nichts bei der Sache rausspringt.“

„Dafür dass Ihr die Prinzessin der Oger seid, seid ihr ganz schön selbstgerecht…“ Luzifers Ton klang gelassen, sogar ein bisschen amüsiert. „Aber Ihr habt natürlich recht, wenn Ihr unseren Ruf in Frage stellt.“

Wieder folgte ein Moment der Stille. Doch dann ertönte die Stimme der Prinzessin, nur war sie diesmal leise und nachdenklich. „Es ist nicht Euer Ruf, der mich zu der Entscheidung kommen ließ, mich von Euch trennen zu wollen, sondern eher die Tatsache, dass mein letzter lebender Verwandter wegen Euch gestorben ist… Ihr habt vorher von den Engeln und Alexiel gesprochen… Viele mögen ihretwegen dahingegangen sein, doch er nicht. Er starb schlicht und einfach wegen Euch... Und das will ich Euch nicht verzeihen.“[1]
 

„Ich verstehe. Dann k….“ Kato hörte den Rest nicht, weil hinter ihm gerade irgendwas lautstark zu Boden gekracht war. Erschrocken drehte er sich um und erblickte das Bunny, welches verlegen neben dem Weinregal stand und zu dessen Füssen eine zerbrochene Falsche lag. „Uuups“

„Was zum Teufel machst du hier?!“ In Kato hatte sich bei ihrem Anblick sofort wieder das altbekannte Gefühl irgendwo zwischen Panik und Hysterie breit gemacht.

„Ich?“ Sie setzte in ihrer typischen Girlie-Manier wieder diesen Unschuldsblick auf. „Ich führe bloß meine Befehle aus… Außerdem solltest du nicht lauschen, dann wirst du nur wieder bestraft.“

Kato deutete ihr mit einer gefuchtelten Armgeste an, dass sie gefälligst leiser sein sollte, denn ihm war erst in diesem Moment bewusst geworden, dass man den Krach ganz bestimmt auch im Festsaal gehört haben musste… und das Gespräch war doch gerade so interessant gewesen.
 

Auf Zehenspitzen schlich das Bunny zu Kato an die Tür. „Worum geht es?“

„Klappe! Ich will hören, was sie sagen!“

„Du sollst doch nicht lauschen, das wird nicht gut rauskommen.“ Sie schien relativ unbeeindruckt von Katos Mandat still zu sein. Dieser wandte sich nun genervt, weil er sowieso nichts mehr verstehen konnte, zu ihr um. „Warum fragst du mich dann worum es geht?!“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hab ja nicht gelauscht, dementsprechend werde ich auch keine Schwierigkeiten kriegen….was aber nicht heißt, dass es mich nicht interessiert.“

Sie grinste bis über beide Hasenohren, was in Kato nur wieder mal das Bedürfnis auslöste sich selbst an den Kopf zu fassen. Dieser Märzhase war einfach eine Plage auf zwei Beinen.

„Wo wir gerade dabei sind, wie war's eigentlich bei Herrn der Fliegen?“

Kato seufzte resignierend. „Ach, du weißt das noch nicht…. Trotz deins ausgeklügelten Gerüchteküchenetzwerks“

„Neeeein,…“ Es schien dem Bunny tatsächlich etwas unangenehm, dass der Sklave diesen offensichtlichen Rückstand wenn es um die neusten News ging, durchschaut hatte, denn sie trat von einem Fuß auf den anderen „…aber dafür hab ich gehört, dass Luzifer dich ziemlich hart durchgenommen hat als du zurückgekommen bist und dass du heute Morgen nur noch durch die Gänge gehumpelt bist…“

Kato spürte wie ihm die Röte ins Gesicht stieg und gepresst erwiderte er: „Wer erzählt denn so was?!“ Die Stirn des Märzhasen legte sich in Falten. „Gute Frage. Ich bin mir nämlich nicht mehr sicher, ob es der Türwächter oder eine dieser dummen Schattenfeen war. Obwohl ich eher auf die Schattenfeen tippen würde, denn normalerweise ist es recht schwer etwas aus dem Türwächter rauszukriegen, das über ‚wer kommt rein und wer geht raus’ hinausgeht…“
 

Katos Hirn hatte auf Durchzug geschaltet. Warum war er überhaupt so blöd gewesen zu fragen… Er wollte eigentlich viel lieber hören, was drinnen im Festsaal vor sich ging, stattdessen sah er wie der pink geschminkte Mund des Märzhasen in einem Heidentempo auf- und zuging, aber keines der Worte, die rauskamen, für ihn auch nur ansatzweise einen Sinn ergab. Er hätte es wirklich besser wissen müssen, schließlich hatte ihm schon die Erfahrung als er sie nach den Höllenwegen gefragt hatte, gezeigt, dass er nur die Hälfte von dem, was sie erzählte, verstand und dass ihn noch weniger davon interessierte.
 

Kato nahm am Rande wahr, dass sie gerade angefangen hatte über Luzifer und Prinzessin Kurai zu lamentieren, als ihm ein Gedanke kam. „Hey Bunny… ähh Märzhase… du weißt du ziemlich viel darüber, was hier unten so vor sich geht…“ Sie betrachtete ihn neugierig und nickte enthusiastisch. „…Warum erkennt sie mich nicht?“

„Sie?“ Das Bunny schien verwirrt.

„Ja, sie…“Kato deutete hilflos zum Festsaal. „…die Prinzessin“

Der Blick des Märzhasen folgte Katos Indikation mit leicht kritischem Ausdruck. „Sollte sie dich denn kennen?“

„Ja natürlich sollte sie das!“ Der Sklave schien beinahe etwas entrüstet, dass seine Bekanntschaft mit der Prinzessin angezweifelt wurde. „Schließlich haben wir zusammen gekämpft.“

Der spöttische Blick des Bunnys sagte eigentlich genug darüber aus wie viel Glauben sie Katos Worten schenkte. „Könnte es nicht sein, dass sie es schlicht und einfach vorzieht dich nicht zu erkennen?“

„SICHER NICHT!“ Kato hatte energisch aufgestampft und wütend die Hände zu Fäusten geballt. Innerlich hatte er diese Möglichkeit natürlich auch schon in Erwägung gezogen, aber er weigerte sich schlichtweg so etwas zu akzeptieren…. Kurai musste ihn einfach erkennen, schließlich hatten sie sowas wie eine gemeinsame Vergangenheit!

„Okeee~“ Der Märzhase hatte beschwörend die Hände gehoben und war sicherheitshalber einen Schritt zurückgetreten. Sie hatte ja schon mal Bekanntschaft mit den Wutausbrüchen des Sklaven gemacht.

„…dann gehst du also davon aus, dass es irgendeinen anderen Grund dafür geben muss, dass sie dich nicht erkennt.“

„Ja genau.“ Kato atmete tief ein und nickte.

„Und der wäre?“

„Deswegen hab ich dich gefragt! Du weißt schließlich sonst auch immer alles!“ Irgendwie fühlte sich der Sklave wieder mal schrecklich verarscht. Warum musste dieses verrückte Bunny einem nur jedes Wort im Munde umdrehen.

„Hmmm, schwierig zu sagen….“ Sie legten ihren Finger in einer Geste größten Nachdenkens an die Wange. „…benimmt sie sich denn auch sonst anders als du sie kennst?“

„Ja! Sie hat sich vorhin wie ne arrogante Schlampe aufgeführt, dabei ist sie sonst gar nicht so!“

„Naja, vielleicht solltest du aber in Betracht ziehen, dass sie die Braut des Teufels ist, da wäre ne Attitüde als ‚arrogante Schlampe’ gar nicht so weit hergeholt. Außerdem muss es ja auch schon ein Weilchen her sein seit du sie das letzte Mal getroffen ha…“

Kato winkte genervt ab. „Darum geht es doch gar nicht! Ich will nur wissen, warum sie mich nicht mehr erkennt!“ Dann etwas leiser fügte der Sklave hinzu: „Ich glaube Luzifer manipuliert sie….wäre das möglich?“

Das Bunny zuckte mit den Schultern. „Klar wäre das möglich. Es wäre wahrscheinlich sogar ziemlich einfach für den Herrn der Hölle jemanden innerhalb seines Reiches so zu manipulieren, dass er nur das sieht was er will… aber ich sehe keinen Grund warum er das tun sollte.“

„NA DAS IST JA WOHL OFFENSICHTLICH!“ Kato schlug sich selbst die Hand vor den Mund. Er hatte nicht so laut ausrufen wollen, aber die Bestätigung seiner Theorie hatte wieder mal seine Gefühle mit ihm durchgehen lassen.

„Ist es das?“ Erneut war ein offensichtlicher Ausdruck der Skepsis auf dem Gesicht des Märzhasen zu lesen.

„Natürlich, denn sie könnte mich retten.“ Kato lächelte siegessicher, doch das Bunny schien ihrerseits nur noch verwirrter als zuvor.

„Verstehst du denn nicht?! Wenn sie sieht, dass ich hier in der Hölle bin, wird sie sicher dafür sorgen, dass irgendjemand kommt um mich zu retten.

„Aha… und du glaubst, dass Luzifer deshalb einen Zauber auf sie gelegt hat, damit sie dich nicht erkennt und auch nicht auf die Idee kommt, dich aus der Hölle zu erretten?“

„Genau!“ Kato nickte hastig, froh darüber, dass sie endlich verstanden hatte wovon er sprach.

Was er jedoch beim besten Willen nicht erwartet hätte, war das schallendes Gelächter in welches das Bunny nach seiner Erklärung ausbrach. „Hihihi… d-hu..g-glaubst… hahaha….“

Eine einzelne Lachträne lief ihr über die Wange und sie hielt sich den Bauch.

„Was bitte ist daran so komisch?!“ fauchte der Sklave.

„Hihi…du glaubst wirklich, d-ass du Luzifer so wichtig wärst, dass er wegen dir die Prinzessin manipulieren würde….“

Sie wischte sich die Träne weg. „Bei allen Dämonen, ich hab noch nie jemanden getroffen, der so selbstverliebt war…haha….n-nicht mal Asmodeus durchgeknallter Lustknabe würde soweit gehen, zu behaupten der Fürst der Finsternis stehe auf ihn…“ Sie klopfte Kato auf die Schulter. Dieser betrachtete sie mit sauerem Gesichtsausdruck. „So hab ich das auch gar nicht gemeint!“

„Oh doch…“ Sie hatte sich mittlerweile wieder aufgerichtet, gluckste aber immer noch etwas. „…du hast gemeint, dass du wichtig genug für den Teufel wärest, dass dieser deine Flucht verhindern will…also wirklich.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab selten so was Witziges gehört.“

Kato grummelte daneben etwas Unverständliches. Er hasste das Bunny gerade mal wieder.

„Nein, aber mal im Ernst: Falls deine Prinzessin wirklich manipuliert wurde, ist jeder andere als Luzifer wahrscheinlicher. Ich sehe zwar immer noch keinen Grund, warum jemand das tun sollte, aber…“

„Halt einfach die Klappe!“ Mies gelaunt hatte sich der Sklave an der Wand nach unten gleiten lassen und schmollend die Arme vor der Brust verschränkt. „Was tust du eigentlich noch hier?!“

Der Märzhase hob abwehrend die Hände. „Hey, du brauchst deinen Frust nicht an mir auszulassen. Ich führ schließlich auch nur meine Befehle aus.“

„Und die wären?“

„Ich warte auf die Prinzessin. Mein Herr hat mir aufgetragen sie nach der Besprechung zurück ins Wunderland zu bringen.“

Nun stutzig geworden, schaute Kato auf. „Warum ‚zurück ins Wunderland’?“

Das neuerwachte Interesse des Sklaven schien den Märzhasen schon wieder in seine Erzähllaune gestürzt zu haben und sie plapperte frischfröhlich, als hätte Kato sie niemals angekeift, darauf los: „Mein Herr hält hier unten in She'Ol eine schützende Hand über die Prinzessin, andernfalls wäre sie den Dämonen praktisch hilflos ausgeliefert. Deswegen hat er sie auch zuerst in die sichere Gefilde des Wunderlandes gebracht und dann hierher begleitet.“

„Aha“ Kato beäugte das Bunny misstrauisch, welches wieder ihr allseits bekanntes Zahncremegrinsen aufgesetzt hatte. „Und der Hutmacher hat n…“
 

„SKLAVE!“ vollkommen unerwartet, zumindest aus Katos Sicht, wurde er am Genick gepackt und mit dem Gesicht voran hart gegen die nächste Wand gepresst.

„Warum gehorchst du nicht wenn man dich ruft?! Oder muss ich dir erst wieder beibringen zu gehorchen?!“ Luzifer schien mehr als nur verärgert, denn der Ton in seiner Stimme hätte wieder mal Wasser zu Eis gefrieren lassen können.

„Es tut mir Leid, Herr. Ich habe nichts gehört.“ Stammelte der Sklave atemlos.

„Ah, dann bist du also plötzlich auch noch taub oder…“ Er beäugt den Märzhasen mit abschätzigem Blick, welcher sich sofort tief verneigte. „…planst du schon wieder kleine feuchtfröhliche Abenteuer mit anderem Gesindel?“ Es klag enorm höhnisch.

„Nein… nein, s-sie ist bloß hier um die Prinzessin abzuholen u-und wir habe ge-redet.“ Irgendwie fühlte Kato Panik in sich aufsteigen. Er hatte nur zu gut in Erinnerung was das letzte Mal passiert war, als er und Nuri…. Er wollte um jeden Preis vermeiden, dass Luzifer einen falschen Eindruck von dem kriegte, was zwischen ihm und dem Bunny lief.

„Geredet also…“ Er ließ Kato los, welcher sofort in sich zusammensank, und fixierte direkt den Märzhasen. „Du! Los verschwinde und kümmere dich um die Prinzessin.“
 

Während das Bunny geschwinde davoneilte, beugte sich der Teufel wieder zu seinem verschreckten Haustier hinunter. „Du hast mich wirklich enttäuscht. Dabei hatte der Tag doch so gut für dich angefangen.“ Sanft berührten seine Fingerspitzen Katos Wange. Doch so liebevoll die Geste zu Beginn auch gewesen war, so schnell wandelte sie sich in einen eisernen Griff, der sich im blonden Haarschopf des Sklaven vergrub. „Los steh auf, du Nichtsnutz!“

Brutal wurde er wieder in die Vertikale gezerrt und ein harter Stoss beförderte ihn durch die Tür in den Festsaal. Kato strauchelte beinahe und sah am anderen Ende des großen Raumes gerade noch wie die Prinzessin vom Märzhasen hinausgeleitet wurde.

Irgendwie verstand er nicht so recht, was er schon wieder falsch gemacht hatte. Ok, er hatte gelauscht, sich dann lautstark mit dem Bunny gestritten und zu guter Letzt anscheinend auch noch einen Befehl überhört, aber das war doch kein Grund…
 

„Oh doch…“ Eine starke Hand hatte ihn am Oberarm gepackt. „…dafür sollte ich dich den Nephilim zum Fraß vorwerfen. Kato schluckte hart und starrte seinen Herrn mit tellergrossen Augen an.

„Bitte nicht…“ wimmerte er.

Ein erneuter Stoss ließ ihn mit dem Tisch kollidieren. Mühsam konnte er sich gerade noch abfangen und verhindern dass er zu Boden ging.

„Hier ist ein neuer Befehl für dich…. Und versuch ihn diesmal richtig auszuführen, ansonsten verbringst du wirklich die Nacht in der Folterkammer.“

Kato nickte eifrig.

„Geh in den Garten Eden und such den Graf der Schrecken. Er hat nicht auf die Einberufung zur Konferenz reagiert und wird sich deshalb den Konsequenzen dafür stellen müssen.“
 

An und für sich klang das ja eher nach einer einfachen Aufgaben, aber die Bezeichnung ‚Herr/Graf/Fürst von irgendwas’ ließ bei Kato gerade wieder sämtliche Alarmglocken schrillen. „Ist das ein ähnlicher Graf, wie der Herr der Fliegen?“

Nun zuckten die Mundwinkel des Teufels doch wieder ganz leicht nach oben. „Oh, sein Geruch ist nicht ganz so penetrant, aber ansonsten hat er ähnliche Interessen…“
 

~~~~
 

„Luzifer scheint wütend zu sein. Ist wohl nicht besonders gut gelaufen mit der Prinzessin der Oger.“

„Sie hat auch weiterhin auf eine Trennung bestanden. Das tut seinem momentan sowieso schon etwas angeschlagenen Ruf nicht besonders gut.“

Die Gestalt eines großen grauen Wolfes löste sich aus dem Schatten und trat neben die Figur im Umhang, die lässig an einer hohen Steinsäule lehnte.

„Und der Hutmacher?“

„Hat genauso reagiert, wie wir es vorausgesehen hatten…. Es ist wirklich traurig wie besessen diesen Weib ist.“ Die pinken Lippen der Person im Umhang verzogen sich zu einem abschätzigen Lächeln.

„Der Gegenzauber?“ Der Wolf saß nun zu Füssen der anderen Person und ließ sich das Fell hinter den Ohren kraulen.

„Du bist heute aber neugierig, mein Liebster. Vertraust du mir denn nicht mehr?“

„Ro, du weißt ich würde dir blind folgen, aber das hier ist kein Spiel mehr! Es ist von fataler Wichtigkeit, dass alles hundertprozentig nach Plan läuft.“

Die Gestalt im Umhang seufzte und ließ von ihrem haarigen Gefährten ab. „Ich weiß es nicht sicher, sie hat sich nichts anmerken lassen. Aber im Endeffekt ist der Gegenzauber auch nur die Generalprobe. Wichtig ist, dass der Hutmacher immer noch nicht die leiseste Ahnung hat und unserem Plan somit nichts mehr im Wege steht.“ Der Wolf knurrte etwas widerwillig und wandte sich um zum Gehen.

„Habe keine Zweifel, Dante. Sie können uns jetzt nicht mehr aufhalten.“
 

TBC
 

[1] Sie spricht natürlich von Arakune. Es erscheint vielleicht seltsam, dass sie ihn hier als Mann tituliert, aber Kurai selbst ist ja im Verlauf von AS auch eher zur Frau mutiert, obwohl sie zu Beginn wie ein Junge rumrennt. Ich will natürlich nicht unterstellen, dass Arakune sich zum Mann entwickelt hätte…bloß nicht! Er ist schließlich ne heiße Transe und steht auf Kira^^ Es schien mir bloß irgendwie passender…

Kapitel 33

Scheiss Pflanzen, scheiss Gestrüpp, scheiss Grünzeug!

Kato hackte total genervt einen nichts ahnenden Busch nieder, der es gewagt hatte ihm den Weg zu versperren. Nicht dass der Kiffer in ihm etwas gegen das Grünzeug gehabt hätte, aber netterweise hatte ihn Luzifer genau an einer Stelle aus dem Festsaal geschmissen, wo sich ihm praktisch ein ganzer Urwald entgegengestellt hatte. Jetzt durfte er sich durch all das Gestrüpp kämpfen, das natürlich zu Katos Freude auch noch massenhaft Dornen aufwies.

Warum hatte er bloss das Gefühl dass Luzifer genau gewusst hatte, was er tat…
 

Mit total zerkratzten Armen und Beinen stieg der Sklave über einen umgekippten Baumstamm. Vom Festsaal aus hatte Eden wirklich nicht so jungelartig ausgesehen. Wie sollte er hier bitteschön diesen ominösen Graf der Schrecken finden?! Ausserdem war sich Kato alles andere als sicher, dass er ihn überhaupt finden wollte. Schliesslich war die Erfahrung mit dem Herrn der Fliegen schon einprägsam genug gewesen und dessen Namen klang vergleichsweise harmlos. Was musste man tun, um so nen Titel zu kriegen?!
 

Kato schüttelte sich. Er wollte diesen Kerl nicht treffen! Viel lieber wäre er im Festsaal geblieben und hätte darüber lamentiert, was in Prinzessin Kurai gefahren war, doch stattdessen war er hier…

Genervt wurde ein weiterer Ast aus Katos Blickfeld gefegt. Und hier gab es doch ganz bestimmt auch irgendwelche gefährlichen Viecher. Wie auf Befehl, als hätte der Gedanke sie angelockt, erschien eine fette Hummel direkt vor Kato und schwirrte um dessen Nase.

Der Sklave wollte sie verscheuchen und fuchtelte wild (aber genauso planlos) vor seinem Gesicht herum. Die Hummel ihrerseits liess sich davon relativ wenig beeindrucken und beschleunigte ihr Gebrumme nur noch etwas.

„Ahh, verschwinde…. Dummes Vieh!“ Katos zweite Hand wurde zu Hilfe geholt und nachdem er ein paar Schritte mehr oder weniger blind und sich um die eigene Achse drehend durchs Unterholz gestolpert war, wurde die Hummel schlussendlich doch fatal getroffen.

Mit einem kontinuierlich leiser werdenden Brummen ging sie zu Boden und blieb dort liegen. Kato seinerseits schaute sich verwirrt um. Hatte er tatsächlich gesiegt?

Ein triumphierendes Grinsen breitete sich schliesslich auf seinen Gesicht aus als er den reglosen Körper seiner Feindin erspähte.
 

„Du solltest nicht so respektlos gegenüber Gottes Schöpfung sein….“
 

Wie vom Blitz getroffen wirbelte der Sklave herum und erblickte zwischen dem Gestrüpp, ein paar Meter von ihm entfernt eine Kreatur, die ihn aufmerksam musterte. Sie hatte zwei gebogene Hörner auf dem Kopf und ihr Gesicht war übersät von rotem Haar. Doch das war noch nicht das Beängstigenste an ihrer Erscheinung, sondern eher die goldenen Augen, welche Kato mit einem mehr als hungrigen Ausdruck betrachteten.

Der Sklave wich erschrocken ein paar Schritte zurück, konnte jedoch den Blick nicht von der seltsamen Erscheinung abwenden. Die Gestalt stieg nun ihrerseits aus dem Unterholz, welches den Grossteil ihres Körpers zuvor bedeckt gehalten hatte, und präsentierte dabei zwei stramme Bockbeine.

„W-was willst du?“ Kato brachte nicht viel mehr als ein erschrockenes Gestammel zustande.

Die Kreatur stand nun an der Stelle, an der Kato zuvor die Hummel erledigt hatte und bückte sich nach dem noch immer leicht mit den Flügeln schlagenden Brummer.

„Wenn du etwas tötest, sollest du es mit Genuss tun…“ Er hob die Hummel auf, so dass sie in seiner riesigen klauenartigen Hand zu liegen kam. Mit dem Zeigefinger der anderen strich er sanft über den geschunden Körper des kleinen Tieres. Kato beobachtete die Szene voller Misstrauen, bis ihn die Kreatur wieder mit ihren goldenen Augen fixierte und ein grauenerregendes Grinsen voller gelber, riesiger Reisszähne entblösste. Dann packten die Finger, welche die Hummel vorher noch so liebevoll gestreichelt hatten, einen ihrer Flügel und rissen ihn mit einer einzigen Bewegung aus!
 

Kato schrie entsetzt auf, doch das schein das seltsame Bockwesen relativ wenig zu interessieren. Die Hummel ihrerseits wand sich nun verzweifelt auf der Handfläche seines Peinigers und schlug wild mit dem einen verbleibenden Flügel, was in Kato ganze Stürme des Mitleids auslöste.

„Warum tust du das?! Warum quälst du sie unnötig?!“ Etwas mutiger war der Sklave nun wieder näher zu der Kreatur hingetreten.

„Quälen?“ Die goldenen Augen lagen wieder bedeutungsschwer auf Kato. „Du hast ihr doch den Schlag verpasst, der sie zu Boden gehen liess… Ich führe nur zu Ende was du begonnen hast.“

„Aber ich hätte ihr nicht die Flügel ausgerissen!“

Die Kreatur legte den Kopf schief und betrachtete den Sklaven. Ihre riesigen Reisszähne waren entblösst und auf ihrer flachen Hand wand sich noch immer die arme, sterbende Hummel.

„Du musst Gottes Schöpfung respektieren. Wenn du etwas tötest, solltest du es mit allem tun, was du hast, und nicht bloss halbherzig…“ Die langen klauenartigen Finger legten sich nun an den verbleibenden Flügel der Hummel. „…geniesse, was sowieso unumgänglich ist.“ Mit diesen Worten riss er dem kleinen Tierchen auch noch den zweiten Flügel aus.
 

Kato beobachtete das Ganze mit weit aufgerissenen Augen. Er hatte gerade solche Schuldgefühle wegen der Hummel. Er hatte ihr doch nicht wehtun wollen, sie war ihm lediglich auf den Geist gegangen.

„Lass das!“ Mit zu Fäusten geballten Händen trat er noch einen Schritt näher auf den Bock zu.

Dieser blitzte den Sklaven nur aus seinen goldenen Augen an und verzog seinen riesigen Mund zu einem grausamen Lächeln. „Aber wenn ich jetzt aufhöre, wird es noch länger dauern bis sie stirbt. Sie wird nur noch länger leiden…“ Die klauenartige Hand, auf welcher die nun bewegungsunfähige Hummel lag, schloss sich langsam. Kato fühlte wie sich ein Knoten in seinem Magen bildete. Natürlich hatte Kreatur Recht, die Hummel würde nur noch mehr leiden, wenn man sie jetzt nicht tötete, aber trotzdem….
 

Eine Hitzewelle schien über den Sklaven hereinzubrechen, als sich die Hand des Monsters endgültig schloss und dem kleinen Brummer ein Ende bereitete, indem sie den wehrlosen Körper zerquetschte. Kato konnte fühlen, wie seine Augen langsam feucht wurden. Das hatte er nicht gewollt. Es war doch nur ein hilfloses Tier gewesen…. Auch wenn es schwachsinnig war, wegen ner Hummel Tränen zu vergiessen!

Mit einer wütenden Geste wischte er sich über die Augen. Was war bloss mit ihm los?! Warum kümmerte es ihn, was mit sonem dummen Vieh geschah, er sollte sich lieber Gedanken um sein eigenes Schicksal machen. Das sadistische Bockwesen hatte es womöglich noch als nächstes auf ihn abgesehen und er wusste nichts Besseres als Gewissensbisse wegen einer übergrossen Biene zu haben!
 

Mit trotzigem Blick schaute er zu der rothaarigen Kreatur auf. „Bist du der Graf der Schrecken?“ Der Bock schienen für einen Moment etwas erstaunt über die Frage, schüttelte dann aber den Kopf und entblösste erneut seine riesigen, furchteinflössenden Zähne. „Nein, ich bin bloss ein Faun…[1]“ Mit einer leicht abfälligen Geste wischte er die tote Hummel von seiner Handfläche. „…und das hier ist mein Jagdgebiet.“

Kato schluckte. „Jagdgebiet?“

„Ja, ich muss schliesslich fressen… Und Hummeln sind nicht besonders sättigend….“

Die Kreatur war wieder einen Schritt näher auf Kato zugekommen.

Dieser hingegen wollte sich nicht schon wieder so leicht einschüchtern lassen und bot dem Ziegenmensch die Stirn indem er nicht gleich zurückwich. „Und wo kann ich ihn dann finden?“

„Oh, wahrscheinlich bei Baum der Erkenntnis. Aber ich würde dort nicht hingehen, wenn ich du wäre, denn der Graf ist verrückt…. total ballaballa ….“ Der Faun leckte sich mit einer anrüchigen Geste über die Zähne und zwinkerte dem Sklaven zu. „Er versucht schon seit Monaten den halbverroteten Leib einer Schlange wiederzubeleben, aber es klappt einfach nicht…. und das macht ihn wahnsinnig…“ die Kreatur kam noch etwas näher auf Kato zu und fügt dann etwas leiser hinzu: „…noch wahnsinniger als er vorher schon war.“
 

Ok, das war jetzt ganz eindeutig das Zeichen die Kurve zu kratzen. Der Bock rückte ihm zu fest auf die Pelle, ausserdem wirkten seine Zähne so… riesig!

„Also, ich gehe dann mal. Danke für die Auskunft…“ Kato wollte schon auf dem Absatz Kehrt machen, als die Kreatur ihn grob an am Oberarm packte und herumwirbelte.

„Nicht so schnell, Kleiner. Wer das Reich eines Fauns betritt, muss auch den Preis dafür zahlen…“ Das Biest fletschte ziemlich unmissverständlich mit den Beisserchen und liess keine Zweifel daran, dass es nun gedachte den Sklaven als Dessert zu verspeisen.

Dieser gab erst nur einen erschrocken Laut von sich, besann sich dann aber eines Besseren und verpasste dem Monster einen Kick gegen das Schienbein. Der Faun seinerseits schien wohl nicht mit soviel Gegenwehr gerechnet zu haben und liess in einem Moment der Überraschung von dem Blonden ab, der auch gleich diese Gelegenheit zu Flucht nutzte.
 

Kato setze zu einem wilden Sprint durch das Unterholz an. Äste und Zweigen schlugen ihm entgegen und hinterliessen zahlreiche Kratzer auf seinen Armen und Beinen. Doch momentan verspürte der Sklave sowieso keinen Schmerz, er hörte wie die Kreatur hinter ihm die Verfolgung aufgenommen hatte und ihm dicht auf den Fersen war. Zugegeben, es war ja mal etwas neues, dass man ihn Fressen und nicht Vergewaltigen wollte, trotzdem schien ihm auch diese Alternative nicht gerade erstrebenswert… Was hatte Luzifer sich nur wieder dabei gedacht, ihn genau hier auszusetzen?!
 

Schweratmend sprang er über einen kantigen, mittelgrossen Stein, der ihm den Weg versperrte. Bald war er am Ende seiner Kräfte. Der Faun hinter ihm schien hingegen noch keine Anzeichen der Erschöpfung zu zeigen, im Gegenteil: Er holte auf!

Vor seinem inneren Auge sah Kato bereits wie ihm dieses Vieh Arme und Beine einzeln ausreissen und dann über einem netten kleinen Feuerchen braten würde. Er schüttelte sich. Scheisse, so etwas durfte er sich echt nicht vorstellen!

Die letzten Kraftreserven wurden mobilisiert und Kato schaffte es tatsächlich das Tempo noch mal etwas zu beschleunigen. Er drang durch das dichte Gestrüpp, schlug alles beiseite, was ihm in den Weg kam und fand sich zu seiner grossen Überraschung plötzlich auf einer Lichtung wieder…

Vor ihm war alles offen und am er konnte den blauen Himmel über sich sehen. Am anderen Ende der Lichtung war auch kein Wald mehr, sondern ein Abhang von dem Wasserrauschen ertönte…
 

„Haha, hab ich dich!“ Der Faun trat direkt hinter dem Sklaven aus dem Dickicht.

„Von hier aus gibt es kein Entkommen!“
 

Zuerst verstand der Sklave nicht ganz worauf der Faun anspielte, bis er den Ursprung des Wasserrauschens erspähte. Etwa dreissig Meter unter ihm floss ein blutroter Fluss mit reissender Geschwindigkeit dahin. Kato war sich sicher, dass er einen Sprung niemals überstehen würde, ausserdem war die rote Färbung des Gewässers alles andere als vertrauenerregend.

„Der Gihon [2]wird dein Untergang sein, so wie er es schon für so manchen war. Aber sei unbesorgt kleiner Mensch, ich schätze deinen Beitrag zu meinem Abendessen durchaus, denn ich hatte schon lange nichts mehr so Junges und Leckeres wie dich…“

Der Faun kam auf äusserst bedrohliche Weise näher und Kato fühlte sich mehr und mehr in die Ecke, oder um es situationsgemäss auszudrücken, an den Abgrund, gedrängt. Das Rauschen des blutroten Flusses war nun ganz deutlich zu vernehmen und trieb dem Sklaven Perlen des Angstschweisses auf die Stirn. Sollte er springen? Sterben konnte er zwar nicht mehr, trotzdem konnte er nicht ahnen, was die Konsequenzen seines Handelns sein würden.

Oder sollte er sich dem Monster stellen? Um ehrlich zu sein, berechnete er seine Siegeschancen in diesem Fall als ziemlich gering, denn der Faun war einiges grösser als der Blonde und die Bockbeine sowie die Hörner auf seinem Kopf trugen das Übrige dazu bei, die Lage eher pessimistisch einzuschätzen.
 

Verstohlen linste der Sklave hinter sich. Scheisse war das hoch! Er würde sich bestimmt alle Knochen brechen, wenn er sprang… aber er wollte nicht als Abendessen enden!

Kato atmete noch einmal tief durch, dann nahm er all seinen Mut zusammen und sprang mit einem gellenden Schrei über die Klippe, bevor der Faun ihn zu fassen bekam. Dieser schaute der immer kleiner werdenden Figur des blonden Sklaven knurrend hinterher. „Was für ein dummer Mensch“ Dann wandte er sich kopfschüttelnd um und ging wieder in Richtung Wald.
 

~~~
 

Irgendetwas stupste ihn an. Kato konnte sich allerdings nicht dazu durchringen die Augen zu öffnen um nachzuschauen was es war.

Lediglich ein atemloses Stöhnen entkam seinen Lippen. Er hatte ja solche Schmerzen. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er behauptet, er stürbe gerade.
 

„Au.. de.. Weg… blockier…Proz..sion...“
 

Kato nahm die Worte nur sehr gedämpft wahr. Trotzdem war ihm bewusst, dass da wohl irgendjemand neben ihm stehen musste und überwand sich deswegen mühsam dazu seine verquollenen Äuglein wenigstens einen Spalt breit zu öffnen, was er aber sogleich wieder bereute. Das grelle Sonnenlicht blendet ihn furchtbar und ein erneutes, noch viel gepeinigter klingendes, Stöhnen kam über seine Lippen.

Er legt sich schwerfällig die Hand auf die Augen, um sie vor der Sonne abzuschirmen.

„Wer… bist du?“ Seine Stimme klang heiser.
 

Ein Schatten fiel auf das Gesicht des Sklaven und dieser nahm nun vorsichtig seine Hand wieder runter. Verschwommen konnte er den Umriss eines grossen unförmigen Etwas erkennen.

Das Bild klärte sich langsam vor seinen Augen und aus dem unförmigen Schatten wurde ein grosser Kerl mit unglaublich langen, roten Haaren, die seinen Körper wie einen wirren, halbdurchsichtigen Vorhang umgaben und beinahe bis zum Boden reichten. Kato blinzelte.

Der seltsame Fremde schien allem Anschein nach unter der Haarpracht vollkommen nackt zu sein, denn Kato konnte ganz eindeutig Schnitte und Schrammen auf dessen weisser Haut erkennen…

Diese Erkenntnis triggerte beim Sklaven allerdings auch sogleich die Erinnerung an die eigenen schmerzhaften Erfahrung und rein aus Reflex wollte er hochschiessen um nachzusehen, wie es um seinen eigenen körperlichen Zustand bestellt war…. doch nichts geschah… Er konnte sich nicht rühren….
 

Panik stieg in dem Sklaven hoch….
 

Sein Gegenüber zeigte sich jedoch vom verzerrten Gesichtsausdruck des am Boden liegenden Blonden gänzlich unberührt und musterte ihn mit unleserlicher Miene.

In Katos Kopf spielten sich währenddessen ganze Horrorszenarien ab, wie der Fremde ihn gefesselt oder mit einem magischen Fluch belegt haben musste, nur um sich dann, während er vollkommen bewegungsunfähig war, an ihm zu vergehen.

Doch wieder geschah nichts all von dem was Kato erwartet oder gewollt hätte…
 

Der rothaarige Fremde gab bloss so etwas wie ein genervt klingendes Seufzen von sich und stieg dann über denn reglosen Körper des Sklaven hinweg. Kato seinerseits starrte ihm verdattert hinterher und musste zu seiner eigenen grossen Überraschung feststellen, dass sich seine Bewegungsunfähigkeit wohl nur auf seinen Unterkörper beschränkte. Die Arme hatte er durchaus noch unter Kontrolle und er benutzte sie gerade dazu, sich in mühsamster Weise aufzustützen, um sich ein genaueres Bild von der Situation machen zu können.

Er lag direkt am Ufer des blutroten Flusses, dessen Wasser seine gesamte Haut mit einem rötlichen Film überzogen hatte. Angeekelt schaute er an sich herunter und entdeckte dabei die leicht verdrehten Haltung seiner eigenen Beine. Sie wirkten wie die Stelzen eine leblosen Marionette auf ihn und was noch schlimmer war, er konnte sie nicht spüren! Er konnte seine eigenen Beine nicht mehr spüren!
 

Ein erneuter Schwall von Panik überfiel ihn. Er musste sich beim Sprung von der Klippe den Rücken gebrochen haben… oder zumindest etwas in der Richtung. Das wäre eine plausible Erklärung für das was wie eine Lähmung erschien…
 

Doch dann traf ihn eine andere Erkenntnis: Er war bereits tot! Er würde nicht für den Rest seines Lebens gelähmt sein. Das konnte er gar nicht, denn er war ja hier in der Hölle.

Und zum ersten Mal seit er hier gelandet war, war er Luzifer dankbar…
 

Dankbar, dass Wunden schnell heilten und dass dieser Zustand wahrscheinlich nicht permanent sein würde… zumindest hoffe er das…
 

Kato wurde jäh aus seinen Gedankengängen aufgeschreckt, als er neben sich leises Gemurmel vernahm.

„Aus Eins mach Zehn…“

Vergebendes versuchte der Sklave seinen Körper so zu drehen, dass er den seltsamen Dämon wieder im Blickfeld hatte.

„Und Zwei lass gehen…“

Der Fremde konnte nicht weit weg sein.

„Und Drei mach gleich, So bist du reich.“

Schwerfällig klammerte sich Kato an einem Büschel Gras fest und hievte sich so in eine etwas andere Ausrichtung.

„Verlier die Vier!“

Der Rothaarige kniete vor einem grossen knorrigen Baum und hatte die Hände in gefalteter Form gegen seine eigene Stirn gepresst. Auf Kato wirkte das Ganze mehr als befremdend, denn erstens hatte er noch nie einen Dämon in einer so gebetsähnlichen Pose gesehen und zweites war das Gemurmel absolut sinnfrei. Nun gut, er hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass er weniger als die Hälfte von dem was diese verrückten Höllenbewohner so von sich gaben, tatsächlich verstand, aber dieser seltsame Reim schien nun wirklich nicht mehr als das zusammenhangslose Geblubber eines Verrückten zu sein.

„Aus Fünf und Sechs, So sagt die Hex…“ gehetzt stand der Rothaarige wieder auf, rannte einmal um den Baum – Katos Präsenz wohlweisslich ignorierend, denn er stieg einfach erneut über dessen Körper hinweg – und liess sich an der gleichen Stelle wie zuvor wieder auf den Knien nieder.

„Mach Sieben und Acht, So ist’s vollbracht…“

Das Ganze wurde immer abstruser. Jetzt stand der Kerl auf, nur um sich im gleichen Moment wieder herniedersinken zu lassen. Ausserdem schienen seine Bewegungen und sein Gemurmel immer schneller und heftiger zu werden.

„Und Neun ist Eins, Und Zehn ist keins.“

Kato konnte nicht anders als das ganze Schauspiel mit offenem Mund zu beobachten. Was ging hier bloss vor?! War das der Graf der Schrecken? Verrückt schien er auf jeden Fall zu sein…
 

Schliesslich sank der Fremde vornüber. Sein Stirn berührte die Erde direkt vor dem Baum und erschöpft flüsterte er: „Das ist das Hexen-Einmal-Eins.“[3]

Dann herrschte Ruhe. Kato vernahm nur das schwere Atmen des noch immer in derselben Position verhaarenden Rothaarigen. Irgendwie traute er sich nicht, die Stille zu durchbrechen.
 

Die Zeit tickte langsam dahin und noch immer geschah nichts. Gerade als sich der Sklave doch endlich dazu durchringen wollte, so etwas wie ein Räuspern von sich zu geben, sprang der Fremde wie von der Tarantel gestochen auf und streckte seine Arme gen Himmel.

„Nimm dieses Opfer an und gib mir Leben!“ Dann rammte er sich die eigenen Fingernägel in die Unterarme, so dass heftig Blut hervorquoll und streckte sie erneut empor.

Der rote Lebenssaft lief nun langsam nach unten, bis er schliesslich in dem fast genauso roten Haar versickerte. Die Gestalt verharrte erneut in ihrer Position, beinahe so als wäre sie eine Statue.
 

Kato beobachtete das ganze sprachlos und mit tellergrossen Augen. Er wagte es noch immer nicht, sich bemerkbar zu machen.

Schliesslich löste sich der Fremde aus seiner Erstarrung und wischte sich mit einer beinahe andächtigen Bewegung das lange Haar hinter die Schultern. Erst jetzt hatte der Sklave freie Sicht auf den weissen, wohl einst makellos schönen Körper des Dämons.

Die Haut war wirklich über und über mit Schnittwunden und Schrammen verziert. Ausserdem zeichneten sich jetzt auch noch die Schlieren des Blutes, welches vorhin aus den frischen Wunden am Arm geflossen war, ab. Wahrscheinlich tat er das nicht zum ersten Mal…
 

Der Rothaarigen tastete nun langsam seinem eigenen Hals entlang. Kato konnte sehen, dass der Dämon noch so etwas wie eine weisse Kette zu tragen schien, die er vorsichtig befühlte.

Dann plötzlich senkte sich des Haupt des Fremden und seine Arme fielen schlaff herunter.

Kato konnte das Gesicht nicht mehr erkennen, doch irgendetwas an der Haltung sagte ihm, dass was auch immer der Dämon da versucht hatte, wohl ein Misserfolg gewesen war…
 

„Oh Schwester, warum tust du mir das an. Ergötzt du dich so sehr an meinem Leiden?!“

Der Fremde hob seinen Kopf wieder gen Himmel und der Sklave konnte zwei Tränen erkennen, die sich ihren Weg über die blassen Wagen bahnten. Ausserdem wurde es jetzt ersichtlich, dass das was er zuvor für eine weisse Kette gehalten hatte, tatsächlich so etwas wie Knochen waren…oder besser noch ein Skelett…. das Skelett einer Schlange!
 

Kato schluckte schwer. Er hatte noch nie einen Dämon gesehen, der so offensichtlich Schwäche gezeigt, geschweige denn den Tränen freien Lauf gelassen hatte. Das war so total anders als das was er bisher hier in der Hölle erlebt hatte. Ok, Verrückte mit seltsamen Gebeten und Ritualen kamen schon mal vor, aber Trauer und Tränen?

Vorsichtig robbte er auf seinen Unterarmen etwas näher an den knorrigen Baum und somit auch an den rothaarigen Dämon heran. Er konnte seine Beine noch immer nicht bewegen, aber ein leichtes Prickeln war zurückgekehrt, was Kato vorerst mal als gutes Zeichen deutete und seine These von wegen Wundheilung bestätigt sah.
 

Der Dämon hatte sich noch immer nicht gerührt. Mit hängendem Kopf stand er in der gleichen Haltung wie zuvor da und machte keine Anstalten irgendwie auf Katos Anwesenheit zu reagieren. Also beschloss der Sklave den ersten Schritt zu tun, schliesslich musste er herausfinden, ob dieser Kerl tatsächlich der Graf der Schrecken war. Die Zeichen dafür standen zwar nicht schlecht, denn verrückt war er ganz offensichtlich, aber „Schrecken“ hatte Kato bis jetzt noch keinen allzu grossen ausmachen können… oder zumindest nichts was schrecklicher gewesen wäre, als das was er hier sonst schon so erlebt hatte…

Er gab also erstmal ein zaghaftes Räuspern von sich und hoffte auf Antwort…
 

Als keine Reaktion kam, robbte Kato noch etwas näher an die Gestalt heran.

„Entschuldige?“ Immer noch nichts.

„Bist du der Graf der Schrecken?“

Das einzige Geräusch, welches zu vernehmen war, war das sanfte Rascheln des Grases, was aber von Katos eigenem unruhigen Hin- und Hergewälze herrührte. Er wusste nicht, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, dass dieser Kerl ihn ignorierte. Grundsätzlich war er ja froh darüber, mal einem Dämon zu begegnen, der ihn weder vergewaltigen noch fressen wollte und noch dazu über wirkliche Gefühle zu verfügen schien, aber trotzdem konnte er nicht zu Luzifer zurückkehren ohne vorher seinen Auftrag ausgeführt zu haben. Der Herr der Hölle würde es sofort durchschauen falls er sich gedrückt hätte und ihn dementsprechend bestrafen….
 

„Hallooo~ Ich rede mit dir!“
 

Kato hätte wohl gerade so gut mit dem Baum reden können, selbst bei dem hätte die Chance auf eine Antwort besser gestanden.

Schwerfällig rollte sich der Sklave auf den Rücken und beobachtete sein Gegenüber aus zusammengekniffenen Augen. Der Rotthaarige strich immer noch mit abwesendem Blick über die dünnen Knöchelchen des Schlangenskelettes und schien Katos Existenz wirklich nicht wahrzunehmen.
 

Der Sklave beschloss also schwerere Geschütze aufzufahren. Wahrscheinlich würde das in einer Kamikaze- Aktion enden, aber er wusste wirklich nicht was er sonst noch tun sollte, um aus dem seltsamen Kerl etwas rauszukriegen.

„He verbuddel doch die dummen Knochen, dieser Steinzeitlook ist wirklich absolut nicht mehr anges………“

Noch bevor er den Satz zu Ende bringen konnte, hatte der Dämon ihn mit vor Zorn funkelnden Augen am Hals gepackt. Kato wusste nicht, ob er sich zu seiner Strategie die Aufmerksamkeit des Dämons zu erregen, gratulieren oder selbst ohrfeigen sollte.

„Wag es noch einmal meine Schwester zu beleidigen und du wirst es bis in alle Ewigkeit bereuen…“ Mit einer Kraft, die der Sklave sonst nur bei Luzifer erlebt hatte, wurde er hochgehoben und ein paar Meter weit wegkatapultiert.

Der Aufprall trieb ihm sämtliche Luft aus den Lungen und war für den Genesungsprozess seines sowieso schon angeschlagenen Köpers sicherlich alles andere als förderlich. Keuchend rollte sich Kato zur Seite. Das Prickeln in seinen Beinen war wieder verschwunden, was wohl bedeutete, dass er sich soeben eine erneute Fraktur des Rückens zugezogen hatte. Grossartig!
 

Trotzdem wollte er sich nicht so leicht geschlagen geben. Er hatte mit der Erwähnung des Skelettes offensichtlich einen wunden Punkt getroffen. Also war er auf dem richtigen Weg…. auch wenn es ihm schon etwas seltsam erschien, dass der Kerl die tote Schlange für seine Schwester hielt.
 

Kato seufzte. Neben der offensichtlichen geistigen Verwirrung seines Gegenübers machte ihm auch sein eigener körperlicher Zustand gewisse Sorgen, trotzdem konnte er jetzt nicht einfach so nachlassen.
 

„Es war nicht meine Absicht deine Schwester zu beleidigen…“ Eine Entschuldigung zu Beginn konnte sicher nicht schaden.

Doch der Dämon schien schon wieder in seine eigene Welt abgedriftet zu sein, denn er kniete nun vor dem Baum und hatte erneut diese gebetsähnliche Haltung eingenommen. Kato seinerseits wollte sich aber davon nicht schon wieder beirren lassen.

„Aber sie scheint mir sowieso recht tot zu sein…“ Nur Augenblicke später zeigten die Worte ihre Wirkung und der Sklave fand sich erneut von dem Rothaarigen zu Boden gedrückt.

Dessen wutverzerrtes Gesicht thront über ihm und die goldenen Augen funkelten ihn mordlustig an. „Meine Schwester wird leben und du…“

Ein Moment der Stille folgte und Kato konnte spüren, wie das Gewicht, welches ihn am Boden gehalten hatte wieder nachliess. „…bist unwichtig.“

Der Dämon sah sich mit einem beinahe schon zerstreut wirkenden Gesichtausdruck Richtung Baum um und liess von dem Sklaven ab. Kato seinerseits verwirrte die Reaktion nicht minder. Eigentlich hätte er ja so was à la ‚und du wirst als Opfergabe für ihre Auferstehung dienen’ erwartet, damit wäre wenigstens sein Weltbild, welches er sich von den Dämonen gemacht hatte, nicht auf den Kopf gestellt worden.
 

Der Rothaarige ging wankenden Schrittes wieder zum Baum zurück und schien den noch immer am Boden liegenden Sklaven nicht weiter Beachtung schenken zu wollen. Kato hingegen sah dies als die letzte Gelegenheit noch mal einen Versuch der Kommunikation zu starten bevor der Dämon wieder in seine apathische Haltung verfallen würde.

„Luzifer schickt mich! Ich soll dir ausrichten, dass du zu der Besprechung erscheinen sollst!“

Ganz entgegen Katos Erwartung wandte der Dämon sein rotes Haupt tatsächlich um, betrachtete den Sklaven einen Augenblick lang mit abwiegendem Blick und murmelte dann etwas, dass sich sehr nach „kein Interesse“ anhörte.
 

Kato klappte seinerseits die Kinnlade runter. Kein Interesse? Wie konnte der Kerl sagen, dass er kein Interesse hatte?! Luzifer würde einen Wutanfall kriegen, wenn er das vernahm und dieser Dämon musste doch wissen, dass man sich mit einem wütenden Herrn der Hölle besser nicht anlegte. „A-Aber du kannst doch nicht einfach Nein sagen….“
 

Doch die Aufmerksamkeitsspane des Dämons schien aber schon wieder vorbei zu sein, denn Kato kriegte ausser dem unverständlichen Gebetsgemurmel keine Antwort, aus der er schlau geworden wäre.

Mühsam krallte er sich also wieder an einem Grasbüschel fest und versuchte sich so zu drehen dass er den Rothaarigen besser im Visier hatte. Dieser kniete an derselben Stelle wie zuvor, hatte sich das lange Haar erneut hinter die Schultern gewischt, so dass das weisse Schlangenskelett gut sichtbar war. Ausserdem hatte er die Arme wieder gen Himmel gestreckt und neue, rote Rinnsale aus Blut bahnten sich ihren Weg über die weisse Haut.

Kato versuchte die offensichtliche Selbstverstümmlung so gut es ging zu ignorieren und rief einfach frech dazwischen: „Aber Luzifer hat gesagt, dass du kommen musst!“

Der Dämon reagierte natürlich nicht und betete stattdessen nur etwas lauter. Kato seufzte, entschied sich aber trotzdem noch mal einen Behelligungsversuch zu wagen und robbte wieder etwas näher an sein Gegenüber heran. Dieses war gerade damit beschäftigt das frische Blut auf seinen Fingerspitzen zu verteilen und zeichnet damit etwas auf die furchige Rinde des Baumes. Kato konnte aus seiner jetzigen Position nicht erkennen was es war, allerdings waren nun die geflüsterten Worte besser verständlich.
 

„Oh, Baum der Erkenntnis, Baum des Lebens, ich rufe dich an!“
 

Baum der Erkenntnis? Das hässliche, knorrige Ding sollte der Baum der Erkenntnis sein?!

Na ja egal, auf jeden Fall schien das der letzte Beweis, dass dieser Verrückte tatsächlich der Graf der Schrecken war, denn der Faun hatte ja gesagt, dass er sich hier aufhalten würde. Schwerfällig kroch Kato noch etwas näher heran, bis er freie Sicht auf die blutige Zeichnung auf dem Baumstamm hatte. Es war ein sichel- oder halbmondförmiges Irgendwas von dem noch immer etwas Blut zu Boden tropfte. Kato schauderte bei dem Anblick irgendwie, obwohl er nicht genau sagen konnte, was an diesem simplen Zeichen so angsteinflössend sein sollte.
 

„Baum der Erkenntnis, Baum des Lebens, ich rufe dich an! Gib mir Leben!“

Der Dämon sprang auf und streckte, wie Kato es zuvor schon gesehen hatte, seine Arme in die Höhe….und wieder passierte nichts…
 

Man konnte in der herrschenden Stille die Blätter sanft rauschen und das Gras rascheln hören.

Kato atmete tief ein. Selbst er hatte mittlerweile erkannt, dass diese Rituale wohl nicht das gewünschte Resultat mit sich bringen würden, allein der entstellte Körper des Dämons war Beweis genug dafür, wie oft er schon erfolglos versucht haben musste, doch dieser schien anderer Meinung zu sein. Er kniete sich nun wieder hin und nahm abermals die Gebetshaltung ein.

Kato wurde es seinerseits langsam zu bunt. Da aber mittlerweile auch das Gefühl in seine Beine zurückkehrte und er dieses mit einem schmerzhaften Flug durch die Luft nicht schon so früh wieder beenden wollte, beschloss er diesmal etwas weniger aggressiv vorzugehen; sprich betreffende tote Schlangenschwester mal vorerst nicht nochmals zu erwähnen.
 

„Weißt du, ich hab vorher einen Faun getroffen. Er wollte mich fressen…“ Smalltalk, sicher nicht unbedingt die beste Möglichkeit mit nem Dämon ins Gespräch zu kommen, aber ihm fiel gerade nichts anderes ein. Ausserdem reagierte dieser momentan sowieso (noch) nicht…

„Er hat mich überrascht, als ich hier im Garten auf der Suche nach dir war. Luzifers Angaben sind drum immer so ungenau, da muss man immer erst ne Ewigkeit suchen, bevor man die betreffenden Leute auch wirklich findet….“

Irgendwie hatte Kato das Gefühl, dass der Dämon ihm nicht mehr zuhörte als zuvor. Ok, er redete ja auch einen Stuss zusammen. Das bemerkte er ausnahmsweise sogar selbst.

„Und dann hat der Faun einfach sone arme Biene gequält. Er hat ihr einfach die Flügel ausgerissen, bevor er sie dann wirklich zerquetscht hat…. Nur weil sie schwächer war und sich nicht wehren konnte…“
 

„Nein…“ Die Antwort kam leise und verhalten und eigentlich hatte Kato auch mit gar keiner gerechnet, weil er selbst nicht wirklich wusste, warum er dem durchgeknallten Dämon die Geschichte von der Hummel erzählte.
 

„…er hat sie geliebt…“
 

„Wie bitte?! Was soll Liebe denn damit zu tun haben?!“ Der Sklave starrte den Dämon fassungslos an, dessen Gesicht blieb aber unter den langen Haarsträhnen verborgen und machte es Kato unmöglich festzustellen, ob diese Worte nur eine Folge von Verrücktheit oder ob sie tatsächlich in vollem Ernst geäussert worden waren.
 

„Manchmal ist das die einzige Möglichkeit um Zuneigung zu zeigen. Ich und meine Schwester…“ der Dämon hielt inne und drehte seinen Kopf in die andere Richtung.

Obwohl Kato diese unerwartete Wendung eigentlich gar nicht bewusst herbeigeführt hatte, schien es ihm plötzlich als müsste er unbedingt erfahren, was der Rothaarige mit diesem in der Luft hängenden Satz hatte sagen wollen.

„Du und deine Schwester?“ versuchte er es zaghaft.

Der Dämon wandte sich ihm wieder zu und etwas unglaublich Schmerzhaftes schien nun auf seinem Gesicht lesbar zu sein. „Ich und meine Schwester waren genauso. Ich habe sie gequält, weil ich sie für mein eigenes Leiden verantwortlich gemacht habe und erst als sie tot war, wurde mir bewusst, was sie mir eigentlich bedeutet…“

Kato starrte sein Gegenüber verwirrt an. Einerseits weil er zum ersten Mal so was wie eine richtige Antwort von ihm gekriegt hatte und andererseits weil er diese nicht verstand.
 

Mühsam zog er sich an dem Baumstamm in die Vertikale. Seine Beine trugen ihn zwar jetzt wieder, trotzdem war sein Stand noch etwas wacklig.

„Und weil du jetzt erkannt hast, dass du die liebst, versuchst du sie wiederzuerwecken?“

Eigentlich war sich der Sklave nicht sicher, ob es eine gute Idee war das Schlangenthema jetzt wieder aufzunehmen, aber irgendwie konnte er es nicht lassen…

„Nein, ich habe nicht erkannt, dass ich sie liebe, sondern dass ich sie immer schon geliebt und deswegen gequält habe...“

„Aha“ Für Kato machte das keinen Sinn. Man quälte doch nicht jemanden, weil man ihn liebte… auch wenn man sich dessen nicht bewusst war! Ausserdem wurde der Gedanke noch abstrakter wenn er dabei an Luzifer dachte. Der quälte ihn wohl kaum, weil er sich nicht eingestehen konnte, dass er tief in seinem kalten Herzen irgendwo noch Gefühle für sein Sexspielzeug hegte. Nein, Luzifer war schlicht und einfach ein Sadist und dieser rothaarige Kerl total verrückt!
 

„Und weswegen versuchst du nun deine tote Schlangeschwester wiederzuerwecken?“ Eigentlich war er sich bewusst, dass er sich mit diesem Tonfall auf dünnes Eis wagte, aber diese ganze Diskussion hatte Kato schrecklich durcheinander gebracht und sein gefestigtes Bild von der Hölle erschüttert….Weinende Dämonen und Sadisten, die plötzlich ein Herz hatten… Nein, das ging nicht!

„Ich will sie wiedererwecken, weil sie die zweite Hälfte meiner Selbst ist und ich ohne sie nicht sein kann…“

„Aha“ Er hätte nicht fragen sollen…
 

Kato beschloss das Thema zu wechseln, wo der Typ sich doch plötzlich so gesprächig gezeigt hatte. Über alles andere dachte er lieber mal vorerst nicht weiter nach…

„Kommst du dann also zu Luzifers Sitzung? Ich kann ihm schlecht sagen, dass du ‚kein Interesse’ hast.“
 

Der Dämon musterte Kato mit abschätzigem Blick, drehte sich dann um und fing wieder an seine Runden um den Baum zu gehen. Der Sklave hingegen gratulierte sich innerlich zu seiner misslungenen Aktion den Rothaarigen bei Laune zu halten und wollte schon aufspringen um ihm hinterher zugehen, als eine schreckliche Erschütterung den Boden unter seinen Füssen zum Erzittern brachte. Beide, Kato und der rothaarige Dämon, wurden auf die Erde geschleudert und ein ohrenbetäubender Knall ertönte…
 

„Scheisse, was war das?!“ Erschrocken schaute sich der Sklave um, konnte aber nicht entdecken, was die Ursache für dieses Minierdbeben gewesen sein könnte. Auch der Dämon hatte sich aufgerappelt und schaute mit unleserlicher Miene in den Himmel. „Es scheint, als wäre es für die Sitzung nun sowieso zu spät“ murmelte er leise.

Bevor Kato allerdings nachfragen konnte, was er damit meinte, wurde er von jemandem recht unsanft am Oberarm gepackt und herumgewirbelt. Erstaunt blickte er in das verärgerte Gesicht Mad Hatters. Doch auch dieser nahm sich nicht die Zeit irgendetwas zu erklären, sondern zerrte den verwirrten und sich lauthals beschwerenden Sklaven einfach hinter sich her….
 

TBC
 

[1] Der Faun: Flöte spielender, gehörnter Waldgeist, ein Mischwesen, halb Mensch, halb Ziege, meist dargestellt mit menschlichem Oberkörper und Bocksfüßen und Schwanz. Faune sollen über Getreidefelder wachen und deren Wachstum begünstigen (Definition von Wikipedia).

[2] „Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. […] Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch.“ (aus der Bibel)

[3] Falls das jemandem bekannt vorkam, kommts nicht von jeher^^' Ich hab nämlich bei Goethe geklaut. Das Hexen-Einmal-Eins stammt aus Faust.

Kapitel 34

„Du bleibst hier und hältst die Stellung!“ Luzifer verliess wallenden Mantels den Raum und liess einen verwirrten Kato sowie eine total entrüstete Belial zurück.
 

„Ich kann nicht glauben, dass ich hierbleiben und Babysitter für dich spielen soll!“

Der verrückte Hutmacher warf einen angeekelten Seitenblick zu Kato als sei er irgendein übergrosses Insekt.

Dieser hingegen verstand so ziemlich gar nichts. Nachdem Belial ihn vom Graf der Schrecken weggeholt hatte, waren sie erst zum Festsaal zurückgekehrt, nur um dort ein heilloses Chaos voller aufgebrachter Dämonen vorzufinden. Kato hatte sogar ein paar Gesichter, die ihm noch vom Fest bekannt vorkamen, ausmachen können und hatte daraus geschlossen, dass es sich wohl hauptsächlich um hochrangige Dämonen handeln musste. Allerdings hatten sie nicht lange im Festsaal verweilt, sondern Belial hatte sie hier in diesen Raum, der Kato am allerersten Tag in der Hölle zugewiesen worden war und den er mal als „sein Zimmer“ tituliert hatte, teleportiert. Luzifer hatte schon gewartet, sich aber noch wortkarger als der verrückte Hutmacher gegeben und war nach ein paar kurzen Anweisung und der totalen Nichtbeachtung von Katos Person auch gleich wieder verschwunden. Was ihn an die Stelle brachte, wo er jetzt war: In „seinem Zimmer“ ohne den Hauch einer Ahnung.
 

„Was ist eigentlich los?!“ Der Sklave hatte sich zum Hutmacher umgewandt und versuchte möglichst genervt zu klingen. Dieser hingegen verdrehte nur die Augen. „Nach was sieht es denn aus?“

Kato war von der Gegenfrage irgendwie kalt erwischt worden und gab stotternd zurück: „Naja, nach Chaos…Aufstand…Krieg…“

„Das trifft es eigentlich schon recht gut.“ Seufzend liess sich Belial in den nächsten Sessel fallen.

„Was?!“ Plötzlich war Kato ganz Ohr. Einerseits weil die Situation natürlich etwas Beunruhigendes hatte und andererseits – eigentlich der wichtigere Grund – weil er mal auf Anhieb richtig gelegen hatte. „Wie Krieg?“

Belial schlug wichtigtuerisch die Beine übereinander und faltete die Hände. „Nun Aufstand wäre treffender, aber Chaos und Krieg sind natürlich auch nicht so weit davon entfernt.“

„I-Ich verstehe nicht so ganz… Es gibt also einen Aufstand?“

„Ja, du imbeziler Einfaltspinsel …“ Sie musterte Kato mit genervtem Blick. „…und anstatt an der Seite meines Meisters zu sein und ihm dabei zu helfen den Aufstand niederzuschlagen, bin ich hier und darf auf dich aufpassen.“
 

Kato überhörte den Vorwurf geflissentlich. „Aber warum gibt es einen Aufstand? Und vor allem wer hat ihn angezettelt?“

Belial nahm ihren Hut ab und strich sich seufzend ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Zuerst schien sie mit sich zu hadern Kato tatsächlich die Information zukommen zu lassen, entschied sich dann aber in Anbetracht der Tatsache, dass er ihr wahrscheinlich sowieso solange in den Ohren liegen würde bis sie es ihm erzählte, doch dafür… ausserdem erzählte sie eigentlich ganz gerne Geschichten.
 

„Die Nephilim attackieren Mammons Reich.“
 

„Die Nephilim?“ Kato hatte ehrlich gesagt keine Ahnung wer oder was diese Nephilim waren.

Ok, er hatte jetzt schon ein paar Mal von ihnen gehört und Luzifer hatte gedroht ihn ihnen zum Frass vorzuwerfen, aber sonst…
 

„Keine Angst, ich gehe nicht davon aus, dass du weißt, wer sie sind…“ Sie lächelte ihn spöttisch an. „…hätte mich auch sehr überrascht.“

Kato erwiderte die Geste mit einem gehässigen Lachen und wartete darauf, dass der Hutmacher endlich mit seiner Erklärung fortfuhr. Dieser hingegen schienen seinen Triumph noch etwas auskosten zu wollen und untersuchte gespielt abwesend seine Fingernägel.

Schliesslich wurde es dem Sklaven zu bunt und er baute sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor dem Sessel des Hutmachers auf. „Und? Rück' endlich raus mit der Sprache! Wer sind nun diese Nephilim?!“

„Na na, spiel dich hier bloss nicht so auf…“ Belial wedelte mahnend mit dem Zeigefinger vor Katos Gesicht rum. „… Ausserdem fällt mir gerade ein, dass der Herr ja noch gesagt hat, ich solle dafür sorgen, dass DU keine Dummheiten machst.“

„Wann bitte hat er das ges…“ wollte er aufbrausend argumentieren, doch als er das sadistische Lächeln auf dem Gesicht des Hutmachers bemerkte, blieben ihm die Worte ihm Halse stecken. Als sich dann auch noch plötzlich eine schwere Eisenkette auf dessen Schoss materialisiert, sah Kato die Frage nach dessen plötzlichem Amüsement beantwortet.
 

Erschrocken wich er einen Schritt zurück. „Du hast doch nicht ernsthaft vor, mir das anzulegen?“

Belials Grinsen wurde noch etwas breiter. „Das ist nur zu deinem eigenen Schutz.“

Wie in Zeitlupe erhob sie sich aus dem Sessel und liess das eine Ende der Kette zu Boden fallen.
 

Kato musste schlucken. „A-aber ich verstehe nicht, wie mich das schützen soll…“

Belial lachte leise und fixierte den Sklaven mit ihren saphirblauen Augen. Was in diesem das Gefühl hervorrief, dass er dringlichst die Flucht ergreifen sollte, denn dieser Blick verhiess nichts Gutes.
 

Ohne zu sehen wo er hinlief, stolperte Kato noch ein paar Schritte rückwärts, bis ihm schliesslich ein wadenhoher Schemel zum Verhängnis wurde und er geradewegs auf seinem Allerwertesten landete.

Der Hutmacher setzte nun seinerseits zur Verfolgung an und bewegte sich mit katzenhafter Grazie auf sein am Boden liegendes Opfer zu.
 

Bevor Kato wusste wie ihm geschah, hatte Belial ihn schon am Halsband gepackt und das eine Ende der Kette vorne bei der Schnalle eingehackt.

Zufrieden betrachtete sie ihr Werk und wischte sich den imaginären Staub von den Händen.

“War doch gar nicht so schlimm.“

„Für dich vielleicht nicht…“ Kato sass schmollend und mit angewinkelten Beinen am Boden.

Auf das spielerische Ziehen an der Kette, mit welchem Belial ihn zum Aufstehen bewegen wollte, reagierte er lediglich mit einem bösen Knurren.
 

„Ach komm schon, du machst dich lächerlich“
 

Als Kato dann noch immer keinen Versuch sich endlich zu erheben startete, griff der Hutmacher kurzerhand zu drastischeren Massnahmen und riss den Sklaven mit einer unerwartet heftigen Bewegung auf die Füsse. Den Würgeeffekt, welcher das Halsband dabei auf das widerwillige Haustier ausübte und sich in einem heftigen Husten seitens Kato äusserte, überging Belial mit einem zufriedenen Grinsen.

„Warum nicht gleich so? Schliesslich solltest mittlerweile lange genug hier sein, um erkannt zu haben, dass du nur ein wehrloses Insekt im Netz der Spinne bist und absolut keine Chance hast dich zu wehren, geschweige denn zu Entkommen….“ Der Hutmacher hatte diese Worte im allerliebsten Tonfall gesäuselt und den sich immer noch den Hals reibenden Sklaven zurück zum Sessel geführt.

„Ja ja, hab’s verstanden, bin nur ein schwacher Wurm, der sich zu Füssen von euch Dämonen windet… aber könntest du mir jetzt bitte mal erklären, wie mich diese scheiss Kette schützen soll?!“ Kato hatte sich trotzig vor Belial aufgebaut, die sich währenddessen schon wieder auf ihrem Sessel niedergelassen hatte. Themawechsel war immer eine gute Devise, wenn man überspielen wollte, dass man schon wieder bei Machtspielchen mit dem Hutmacher den Kürzeren gezogen hatte.
 

„Nun ‚schützen’ war vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Diese Kette kann lediglich verhindern, dass dich jemand von hier, wo du jetzt bist, mitnimmt. Aber wenn jemand dir HIER etwas antun will, bist du genauso schwach und wehrlos wie eh und je.“ Sie lächelte den Sklaven mit einem breiten Grinsen an. Dieser hingegen murmelte angepisst etwas, dass sich sehr nach „Hättest du wohl gern“ anhörte und musste erkennen, dass der Hutmacher seinerseits wohl noch nicht genug von den Machtspielchen zu haben schien und noch Salz in seine zahlreichen Wunden streuen wollte.
 

„Wie war das?!“ Ein erneuter unerwarteter Ruck liess den Sklaven nach vorne kippen, so dass er direkt vor dem Hutmacher am Boden kniete.

Mit einem mehr als sauren Gesichtsausdruck schaute er auf und erwiderte: “Nichts, euer Boshaftigkeit…“

Belial lachte leise. „Du bist wirklich witzig… allerdings bezweifle ich, dass du diese Meinung teilst. Aber nun wird es doch langsam Zeit für deine Sicherheit zu sorgen…“

„Wie?! Ist dieses Scheissding denn noch nicht genug?!“

„Doch, aber was für einen Sinn macht eine Kette, wenn sie nirgends festgemacht ist…“

Langsam liess sie das Ende, welches sie bisher die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte, zu Boden sinken. Und dann geschah etwas, dass Kato für einen Moment zur Überzeugung kommen liess, dass er verglichen mit Belial vielleicht tatsächlich nur ein Insekt war…

Der Untergrund verflüssigte sich an der Stelle, an der die Kette ihn berührt hatte und schmolz sie gewissermassen mit sich ein. Nur Augenblicke später war der Boden jedoch wieder genauso steinhart wie zuvor, nur mit dem kleinen Unterschied, dass seine Eisenkette jetzt aus ihm rauszuwachsen schien…

Toll! Von dort würde er sich in hundert Jahren nicht losreissen können… zumindest nicht allein. Blieb nur zu hoffen übrig, dass Luzifer schnell wieder auftauchte und er nicht zu lange mit diesem verrückten Weib allein war…
 

„Du schätzt meine Gesellschaft nicht besonders…“

„Was? W-Wie kommst du denn darauf?“ Der Sklave rang sich ein gezwungenes Lächeln ab und kam sich ertappt vor. Wie zum Teufel konnte sie das wissen?! Bisher war er schliesslich immer davon ausgegangen, dass nur Luzifer Gedanken lesen konnte.

„Man muss keine Gedanken lesen können, um dir das anzusehen…“ Sie wischte sich gelassen über den Ärmel ihres Jacketts. „…Du bist recht einfach zu durchschauen.“

„Na und?!“ Kato wusste nicht was er sonst hätte erwidern sollen, also drehte er dem Hutmacher demonstrativ den Rücken zu.

„Nichts ‚na und?’ Es ist gefährlich, wenn dir jeder deine Gefühle so offensichtlich ansehen kann. Hier unten in der Hölle sind Mächte am Werk, die du nicht verstehen magst, welche aber alles dafür tun würden einen kleine schwaches Ding wie dich in die Finger zu kriegen… und wenn du dann nicht mal fähig bist wenigstens deine Maske unter Kontrolle zu halten, wirst du nicht nur dich selbst, sondern auch unserem Meister in Gefahr bringen!“

„Pah! Was bitte interessiert mich das… Schliesslich bin ich hier angekettet. Deine Mächte können mich also nicht von hier wegholen… Und ausserdem wurdest du, wenn ich mich recht erinnere, damit beauftragt auf mich aufzupassen…“ Nun wandte sich der Sklave um und blickte den Hutmacher frech entgegen „…also muss ich mir doch keine Sorgen machen.“
 

Für einen Moment herrscht Stille, dann faltete Belial demonstrativ die Hände. „Bilde dir ja nicht ein, dass ich auch nur den kleinen Finger für dich krumm machen würde, wenn ich eine Wahl hätte.“

Ein erneuter Moment des Schweigens folgte, dann aber blickte Kato auf und ein erstaunlich schadenfrohes Grinsen zierte sein Gesicht. „Aber du hast keine. Du musst genauso Luzifers Befehlen gehorchen wie ich… also bist du eigentlich auch nur ein Sklave und kein bisschen besser als ich.“
 

Trotz der skeptisch hochgezogenen Augenbraue umspielte ein leichtes Lächeln die roten Lippen des Hutmachers. „Du bist ganz schön vorlaut, SKLAVE…“
 

Dann packte sie Kato genau dort an der Kette, wo diese mit dem Halsband verbunden war und zog den sich leicht sträubenden Blonden näher zu sich heran, nur um ihm dann leise und im zuckersüssesten Tonfall zuzusäuseln: „Du magst damit recht haben, dass auch ich Luzifers Befehlen Folge zu leisten habe, doch es gibt immer noch einen entscheidenden Unterschied zwischen uns beiden, Sklave…“ Kato schaute ihr trotzig entgegen und versuchte damit zu überspielen, dass ihn diese plötzliche Attacke doch etwas erschreckt hatte. „Und der wäre?“ entgegnete er deswegen möglichst gleichgültig.
 

„Ich kann das hier tun!“ Mit einer Kraft, die man Belials zierlicher Form niemals zugetraut hätte, hob sie den nun doch recht alarmiert dreinblickenden Sklaven hoch und warf ihn soweit durch den Raum wie es Länge der Kette es zuliess. Kato schlug schwer auf und glaubte für einen Moment sein Rücken sei schon wieder gebrochen. Zu seiner Erleichterung war es aber wohl nur eine Rippe, die gerade für seine schreckliche Atemnot verantwortlich war und ihn dazu brachte sich die Lunge aus dem Leib zu husten.

Zu allem Übel musste er auch noch aus den Augenwinkeln wahrnehmen, wie sich die Herrin der Hochmut mit einem furchteinflössenden Stechschritt näherte. Kato versuchte irgendwie auszuweichen, doch natürlich war sie schneller bei ihm, als dass ihn dieser pathetische Fluchtversuch aus ihrer Reichweite hätte bringen können. Erneut packte sie ihn am Halsband und zog ihn auf ihre Augenhöhe hoch.

„Das ist der Unterschied zwischen dir und mir, du Made! Ich mag vielleicht in der Hierarchie unter Luzifer stehen, aber dafür immer noch über dir… und über sehr vielen anderen.“

Kato gab ein ersticktes Husten von sich, nickte aber trotzdem zum Zeichen dass er verstanden hatte. Sie war stark und er war schwach… Alles klar!
 

„Gut, dass wir das geklärt haben.“

Als wäre nichts gewesen, liess sie Kato zu Boden plumpsen und bewegte sich zurück zu ihrem Sessel. Der Sklave rieb sich währenddessen seine vielen malträtierten Körperteile und röchelte leicht vor sich hin. Ausserdem hatte er sich den geistigen Vermerk gemacht, dass man sich mit dem Hutmacher, wenn dieser angepisst war, was zwar meistens nicht wirklich offensichtlich erkennbar war, besser nicht anlegte…
 

„So…“ Belial sass wieder gemütlich in ihren Sessel, hatte die Beine überkreuzt und die Hände gefaltet. „… wolltest du vorher nicht etwas über die Nephilim wissen?“ Sie lächelte dem Sklaven auffordernd entgegen.

Dieser hingegen war sich gerade nicht mehr sicher, ob er noch im richtigen Film war.

Erst verprügelte sie ihn und dann verwandelte sie sich plötzlich in die nette Märchentante?!

Irgendwas lief hier schief…

Kato atmete einmal tief ein, ignorierte dabei einerseits seinen eigenen röchelnden Atem und versuchte andererseits zu verdrängen, dass das alles absolut keinen Sinn ergab und dass die Dämonen der Hölle sowieso alle ein Rad ab hatten.

„Ja… doch…“ Es war eine mehr als zögerliche Antwort.
 

„Also, es war so…“ Der Hutmacher lehnte sich im Sessel noch etwas mehr zurück, schien aber mit den Gedanken schon irgendwo ganz weit weg zu sein.

„…vor sehr langer Zeit, als Gott die Menschen gerade erst aus dem Paradies verbannt hatte, stiegen Engel vom Himmel herab um den verlorenen Kindern Rechtschaffenheit zu lehren und sie so auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.

Diese Mission verlief auch einige Jahrhunderte lang gut, bis die Engel von Verlangen für die begehrenswerten Menschenfrauen ergriffen wurden…“ Belial legte eine kurze Pause ein und zwinkerte Kato auf sehr anrüchige Weise zu. „…Mit anderen Worten: Sie fielen über sie her, in den meisten Fällen alles andere als im gegenseitigen Einvernehmen…“

Kato verdrehte die Augen, konnte aber insgeheim nicht leugnen, dass ihm Belial, trotz der Perversitäten, so wesentlich besser gefiel als vorher und rutschte wieder etwas näher zu ihr hin.
 

Mit einem zweideutigen Lächeln auf den Lippen fuhr sie fort: “Viele dieser Frauen wurden auch tatsächlich schwanger und schenkten neun Monate später schrecklichen Missgeburten das Leben. Diese Mischlingskinder waren grauenhaft verunstaltete, monströse Wesen, die weder mit Mensch noch mit Engel Ähnlichkeit besassen. Zudem schienen sie von erschreckend böser Natur zu sein, denn hatte nicht schon ihre Geburt das Leben ihrer Mutter gefordert, so trieben sie die schwachen Menschenfrauen mit ihrem blossen Anblick in den Wahnsinn.“

Kato wollte den Mund aufmachen und nachfragen, was genau das denn nun mit den Nephilim zu tun hatte, doch der Hutmacher bedeutete ihm mit einem Blick still zu sein.
 

„Bald schon hatte auch die Kraft dieser Halbblüter immense Ausmasse erreicht. Ihr Hunger war so unersättlich, dass sie nicht nur sämtliche Nahrungsmittelressourcen verschlangen, sondern auch anfingen Menschen zu verzehren. Sie wurden zu despotischen Herrschern und brachten nur Zerstörung, Leid und Tod über die Welt. Schliesslich beschloss Gott, dem allem ein Ende zu setzen und schickte eine verheerende Sintflut, die diesen Missgeburten vernichten sollte….“[2]
 

Kato starrte Belial erwartend an. „Und weiter? Das kann’s doch nicht gewesen sein?!“

Diese grinste ihrerseits nur zufrieden. „Nein natürlich nicht. Die Sintflut konnte zwar alles sterbliche Leben auf der Erde auslöschen, doch um diesen Kreaturen beizukommen war sie nicht genug. Es schien, als hätten die Halbblüter die Unsterblichkeit ihrer Väter geerbt und konnten deshalb mit normalen Mitteln nicht ausgelöscht werden. Gott beschloss also, jene Methode anzuwenden, derer er sich schon immer bedient hat, wenn er etwas Ärgerliches nicht auf konventionelle Weise loswerden konnte: Sie wurden in die Hölle verbannt!“
 

Mit geweiteten Augen starrte Kato den Hutmacher an. Langsam war ihm ein Licht aufgegangen. „Du willst damit doch nicht etwa andeuten, dass diese Nicht-Mensch-nicht-Engel-Dinger die Nephilim sind?“

Belial zwackte ihm spielerisch in die Wange. „Du bist ja doch gar nicht so zurückgeblieben, wie ich immer dachte. Aber ja… diese Missgeburten erhielten den Namen ‚Nephilim’, die Gewaltigen.“

Kato verzog leicht angewidert das Gesicht. Ob das allerdings von Belials Kneifer oder von der Bedeutung des Namens der Nephilim herrührte, blieb unklar.

„Aber die Geschichte geht noch weiter, nicht?“

„Ja. Die Nephilim wollten natürlich den Siegeszug, den sie auf der Erde begonnen hatten, hier in der Hölle fortsetzen. Allerdings stellte die Tatsache nun richtigen Engeln – wenn auch gefallenen – gegenüber zu stehen, doch eine ziemliche Herausforderung für sie dar. Sie mochten mächtig sein und über enorme Astralkräfte verfügen, dennoch konnten sie es nicht mit den dämonischen Heerscharen aufnehmen.

Allerdings machte es ihre Unsterblichkeit auch uns unmöglich, sie gänzlich auszulöschen. Also griff unser erhabener Herrscher Luzifer zu einer – zugegeben – recht unorthodoxe Methode. Er sprach ebenfalls einen Bannfluch über die Nephilim, der sie zwar nicht aus der Hölle vertrieb, aber sie immerhin an einem Ort gefangen hielt, den sie nie wieder würden verlassen können…“

Stille folgte. Kato wartete eigentlich darauf, dass der Hutmacher fortfahren und ihm diese ‚unorthodoxe’ Methode erläutern würde, doch nichts geschah.

Schliesslich drehte er sich um und entdeckte, wie der Blick der Erzdämonin schon wieder irgendwo in die Ferne geschweift war.

„Und weiter?!“ Katos reichlich undezente Artikulierung schien sie sofort wieder aus ihren Gedanken zu reissen. „Wo war ich stehen geblieben?“

„Bei Luzifer unorthodoxen Methoden“ entgegnete der Sklave relativ genervt. Warum konnte dieses Weib nicht mal bei ihrer eigenen Geschichte aufmerksam dabeibleiben? Was war los?
 

Belial räusperte sich und setzte ihr berüchtigtes, leicht verächtliches Lächeln auf.

„Luzifer hat die Nephilim in das zwischendimensionale Kontinuum verbannt… Was zwar soweit praktisch ist, dass dort nichts und niemand raus kann, doch sie sterben dort auch nicht und leben einfach in ihrer eigenen kleinen, abgeschotteten Welt.“
 

Irgendwas an dieser Aussage gefiel dem Sklaven ganz und gar nicht… und zwar war es die Tatsache, dass es den kompliziertesten Begriff von all denen, die genannt worden waren, schon mal gehört hatte…

„D-Das hat doch nichts mit den Gängen zu tun?“
 

Das Lächeln auf Belials Gesicht erstarb augenblicklich, stattdessen wurde es von einem fachmännisch abwägendem Blick und einer kritisch hochgezogenen Augenbraue ersetzt.

„Ich muss zugeben, dass du meine Erwartungen heute schon zum zweiten Mal übertriffst. Ich hätte dir wahrlich nicht zugetraut, dass du durchschaust, dass sich die Gänge, als mentale Projektionen des Betrachters, aus dem zwischendimensionalen Kontinuum aufbauen…“
 

Hatte er auch nicht. Er hatte sich bloss daran erinnert, dass das Bunny dieses böse Wort mit den vielen Silben im Zusammenhang mit den Gängen erwähnt hatte… ob er es überhaupt aussprechen konnte, war jedoch die andere Frage.
 

Kato verzog das Gesicht zu einem gepeinigten Grinsen, erwiderte aber ansonsten nichts.

Belial ihrerseits seufzte nur und fuhr mit ihren Erläuterungen fort:

„Du begibst also jedes Mal, wenn du die Domäne eines Erzdämons verlässt und einen Gang betrittst, in das Reich der Nephilim. Auf Grund von Luzifers Bannspruch befinden sie sich zwar auf einer anderen astralen Ebene und können dir deswegen nichts anhaben, wahrnehmen tun sich dich aber trotzdem. Das heisst, sie wissen, wann und wo du gerade einen Gang passierst.“
 

Katos Augen wurden bei dieser Aussage tellergross. Diese gefährlichen Nephilim Dinger waren immer in den Gängen?! Und dort hatte er sich schon verirrt?!
 

„Bis jetzt war das kein Problem, weil sie sich nicht auf einer physischen Ebene materialisieren konnten, aber es scheint als hätten sie jetzt irgendein Schlupfloch gefunden…“ Belial seufzte tief.
 

Wieder herrschte einen Moment Stille, dann konnte man den Sklaven sehr leise erwidern hören: „Und das ist bei Mammon, oder wie?“

Ohne Kato dabei anzusehen nickte die Dämonin. „Ja, bei Mammons Reich waren die astralen Grenzwälle schon immer etwas instabil. Deswegen ist das auch der Ort, wo man am leichtesten ausbrechen kann, wenn man es bewerkstelligt könnte denn Bannfluch zu überwinden… Was mir wiederum absolut schleierhaft ist, wie dies gelingen konnte, denn eigentlich kann der Fluch nur gebrochen werden, wenn er von ausserhalb gesprochen wird.“
 

„Dann hat ihnen also jemand geholfen…?“
 

Belial musterte den mit angewinkelten Beinen am Boden sitzenden Sklaven wortlos und nickte schliesslich erneut. „Ja, das wäre die einzig plausible Erklärung…aber es bedeutet auch, dass es einen Verräter aus dem inneren Kreis gibt.“
 

Kato schaute sie fragend an. Ein leichter Anflug von Unsicherheit war in seinen Augen zu lesen.
 

„Nur jemand der selbst dabei gewesen ist oder Luzifer nahe genug steht, um an seine Aufzeichnung zu kommen, wäre in der Lage den Bannfluch zu rezitieren…“
 

~~~~
 

Schweigend sass der Sklave da und dachte einfach für einen Moment über das, was Belial ihm erzählt hatte, nach. Eine Revolution war im Gange und es gab einen Verräter… irgendwie war hier unten in der Hölle wesentlich mehr los, als er bisher wahrgenommen hatte. Irgendwie hatte er immer gedacht, dass jetzt, wo Gott nicht mehr war, die Dämonen ‚eine ruhige Kugel schieben’ konnten, weil sie ja eigentlich niemanden mehr zum bekämpfen hatten… schien als hätte er sich getäuscht.

Seine Gedanken drifteten ab zu der Frage, wer wohl der Verräter sein konnte… Luzifer würde diesem jemand gewiss den Arsch aufreissen. Etwas schadenfroh grinste der Sklave vor sich hin.

Also es war jemand, der entweder selbst dabei gewesen war oder Zugang zu den Aufzeichnungen hatte…
 

Aufzeichnungen?
 

Akten?.........
 

Akte!
 

Wie von der Tarantel gestochen sprang Kato auf! Sein Herz klopfte wie wild.

Aber es konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht sein!

Immerhin wusste Luzifer, dass er die Akte verloren hatte und wenn etwas wirklich Wichtiges dringestanden hätte, hätte ihn der Höllenfürst erstens mal gar nicht damit beauftragen sollen und zweitens hätte er ihn sicher härter dafür bestraft, dass er sie verloren hatte.
 

Belial beobachtete Kato seltsames Verhalten und dessen panischen Gesichtsausdruck mit leichtem Amüsement. „Was ist denn los, kleiner Schafskopf? Hast du gerade festgestellt, dass morgen Weihnachten ist und du kein Geschenk für deine Mama gekauft hast?“
 

Der Blonde seinerseits war gerade zu hysterisch, um auf die Provokation einzugehen.

Nervös blickte er in Belials Richtung und beschloss erstmal einen kleinen Vorstoss, mit der Hoffnung auf Entwarnung, zu wagen. „Äh- hä… was würde passieren, wenn, sagen wir, du etwas auf den Gängen ‚verlieren’ würdest?“

Belial Augenbraue wanderte wieder nach oben und sie musterte den Sklaven mit leicht misstrauischem Blick. „Wie verloren?“

„Na ja, liegen gelassen, vergessen, nicht mitgenommen…“ Kato gestikulierte wild und ziemlich planlos rum. Das Amüsement des Hutmachers war auch wieder verflogen und eine gewisse Vorahnung hatte sie beschlichen. „Wenn es etwas ohne einen eigenen Willen ist und es demnach kein Ziel vor Augen hat, wo die Gänge es hinbringen sollen, wird es in den ewigen Weiten des Kontinuums verloren gehen…“

„Ja Ja, das weiss ich auch schon… aber können die Nephilim dann auch auf es zugreifen?“

Der Sklave tapste von einem Fuss auf den anderen.

„Nun, es…“ Weiter kam der Hutmacher nicht, denn die Tür wurde mit einem lauten Knall aufgestossen und das Bunny kam hereingestürzt.

„H…Herr…“ Sie atmete äusserst schwer und musste erst nach vorne gebeugt, die Hände auf den Oberschenkeln abstützen.

„Die…La..ge… steht momentan…“ Ihre Hasenohren hingen schlaff runter und ihr Gesicht war gerötet, als sie zwischen ein paar wirren, dunklen Strähnen, die ihr ins Gesicht hingen, zum Hutmacher aufschaute. „…nicht … gut.“

Sofort war dieser neben dem Bunny und packte es relativ unsanft am Oberarm. „Was ist passiert?! Los! Rede schon!“ Belials Miene wirkte plötzlich mehr als angespannt. Die schlechten Nachrichten von der Front hatten der sowieso schon etwas angeschlagenen Maske des Hutmachers wohl den Rest gegeben.
 

Das Bunny atmete einmal tief durch und versuchte sich dann wieder etwas gerader aufzurichten. „Sie waren viele. Wir wurden überrascht… momentan sind wir in der … Defensive“ Beinahe schon etwas beschämt, wandte sie dem Blick ab.

Belials Gesichtsausdruck, welcher irgendwo zwischen absolutem Unglauben, Hysterie und eiskalt aufrecht erhaltener Kontrolle angesiedelt war, trug sein Übriges dazu bei, dem Sklaven den Ernst der Lage klarzumachen. Als sie dann auch noch ihre Hand nach dem Sessel ausstreckte und plötzlich der Hut, welcher immer noch auf dem kleinen Tischchen davor gelegen hatte, angeflogen kam, war es auch mit Katos Ruhe aus. Leicht panisch beobachtete er, wie Belial die Melone mit einer sehr energischen Geste aufsetzte, sich dann noch einmal an das Bunny wandte und ihr irgendeinen Befehl entgegenbrüllte, den Kato aber in seiner Konfusion nicht wirklich verstand, und sich dann im wahrsten Sinne des Wortes in Nichts auflöste… Und dann waren sie allein.
 

Der Sklave starrte immer noch verwirrt und auch leicht hysterisch zwischen der Stelle, wo der Hutmacher gestanden hatte und dem noch immer ziemlich geschlaucht wirkenden Bunny hin und her.

„W-Was ist eigentlich passiert?“

Das Bunny zuckte mit den Schultern und schlurfte dann erschöpft auf den Sessel zu, in dem vorher Belial gesessen hatte.

„Der Nephilim-Angriff war wesentlich stärker als erwartet. Sie brauchen Hilfe…“

„Ja, das hab ich auch schon aus deinen gekeuchten Aussagen geschlossen, aber was ist mit dem Hutmacher?!“ Kato war das leichte Gefühl von Panik immer noch nicht losgeworden, in Gegenteil, es hatte sich noch wesentlich verstärkt.

„Na ja, ich denke, er wird sich jetzt aufgemacht haben die anderen an der Front zu unterstützen.“

„Aber Luzifer hat befohlen, sie müsse hierbleiben und auf mich…“ Kato räusperte sich. „… hier die Stellung halten.“

Das Bunny grinste leicht ob Katos Versprecher, zuckte dann aber erneut ratlos mit den Schultern.

„Ich bin ja jetzt hier… und wir sind relativ weit weg von den Kämpfen, es würde lange dauern bis die Nephilim bis hier vorgedrungen wären.“

Wie viel der Sklave von den Kampfkünsten des Bunnys und ihren Beschwichtigungen hielt, wurde mit dem verächtlichen Blick, den er ihr zuwarf, mehr als deutlich. Trotzdem erwiderte er nichts weiter.
 

Stille kehrte zwischen den beiden ein und jeder schien etwas seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, bis Kato urplötzlich wieder aufsprang. „Bunny! Du verstehst doch auch was von den Höllenwegen!“

Der Märzhase seinerseits war recht erschrocken über den jähen und für sie vollkommen zusammenhangslosen Ausbruch des Sklaven.

„Ja, du hast mir doch erklärt wie sie funktionieren, du weißt doch sicher was mit der Akte passiert, wenn ich sie im Gang liegengelassen habe.“

Leicht verdattert erwiderte sie: „Das habe ich dir doch schon gesagt, es ist ver…“

Kato winkte ab. „JAAAA, zum Teufel! Das weiss ich, aber können die Nephilim dann auf diesen verlorenen Gegenstand zugreifen? … Da fällt mir ein, warum hast du nie gesagt, dass die Nephilim auf den Gängen leben?!“

„Sie leben nicht AUF den Gängen!“ Irgendwie schien das Bunny leicht brüskiert.

„Und wenn ich dir das mit den Nephilim erzählt hätte, hättest du’s sowieso nicht verstanden! Du hast ja noch nicht mal gewusst, was es mit den Gängen auf sich hat, da hätte es doch keinen Sinn gemacht noch das mit den Nephilim zu erwähnen und dich ev. damit endgültig zu vergraulen.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wandte den Blick ab.

Kato hatte schon den Mund aufgemacht und die Hand gehoben, um etwas zu erwidern, stoppte dann aber mittendrin. „Mich vergraulen?“

„Jaaaaaa…“ es klang leicht trotzig. „…wenn ich dir gesagt hätte, dass schreckliche Monster in der Dimension, auf der die Gänge sich materialisieren, hausen, wärst du nie mit mir ins Wunderland gekommen.“

Auch der zweite Anlauf etwas zu erwidern, scheiterte an der plötzlichen Erkenntnis, dass ihn die Bemerkung des Bunnys irgendwie rührte… und nervte!

Schliesslich entgegnete er zaghaft: „Wäre vielleicht auch besser gewesen... Deine Wunderlandexkursion hat mir ja nicht wirklich was gebracht…“

Blitzschnell wirbelte der Märzhase wieder herum und funkelte den Sklaven mit leicht feucht glänzenden Augen an. „Ach dann bin ich dir wohl völlig egal?! Und hast du nicht dank mir den Zugang zum Reich des Herrn der Fliegen gefunden?! Du ..Du undankbares Rindviech, du!“

Kato fuchtelte abwehrend mit den Händen und wollte das aufgebrachte Bunny wieder beruhigen, beglückwünschte sie aber innerlich zu ihrer Wahl an Beleidigungen, weil die mal wirklich etwas Neues war.

„Nein, so habe ich das doch gar nicht gemeint! Du hast mir immer versucht zu helfen… irgendwie… auf teils recht missglückte Art und Weise.“

Sie musterte ihn kritisch und mit leicht abschätzigem Blick.
 

Nein, ich bin wirklich froh dich getroffen zu haben…… ehrlich“

Und irgendwie meinte Kato es tatsächlich so wie er es sagte. Der Märzhase schaffte es zwar immer wieder ihn in unmögliche Situationen zu bringen und hatte einen abstrakten Sinn für Humor, aber trotzdem mochte er sie irgendwie…
 

Er lächelte verzeihungssuchend … und kriegte dann nur noch mit, wie sie ihm um den Hals fiel. „Also gut, ich verzeihe dir, mein kleiner Doofman…“ Sie strubelte ihm durch die Haare.

Kato seufzte und schalt sich innerlich einen Narren. Er hätte damit rechnen müssen…
 

Ohne etwas zu erwidern, löste er sich aus der Umarmung des Bunnys und brachte etwas Abstand zwischen sie beide.

„Was ist nun mit der Akte und den Nephilim?“ Kato versuchte so sachlich wie möglich zu klingen und das Haargestrubel so gut es ging zu ignorieren.

Der Märzhase seinerseits grinste nur freudig, stieg dann aber gespielt auf die Seriosität ein und legte ganz nachdenklich manieriert den Finger ans Kinn.

„Also, du wolltest wissen, ob die Nephilim Zugriff auf die Sachen haben, die auf den Gängen verloren gehen?“

Kato nickte ungeduldig und wartete auf eine Antwort. Das Bunny legte daraufhin abwägend den Kopf mal auf die eine dann wieder auf die andere Seite schief. Schliesslich hielt sie inne und erwiderte knapp: „Wahrscheinlich.“
 

„Wie 'wahrscheinlich'?! Hast du nicht ne ausgefeiltere Antwort als das zu bieten? Du weißt doch sonst immer alles!“ Die Panik, welche Kato während seiner Konversation mit dem Bunny weitgehend wieder vergessen bzw. verdrängt gehabt hatte, war in voller Grösse zurückgekehrt.

Sie musterte ihn abwägend. „Nein, habe ich nicht. Es ist noch nie etwas, was auf den Gängen verloren ging wieder aufgetaucht und genauso wenig hat je jemand das Reich der Nephilim besucht, um davon berichten zu können… Aber ich denke, dass es durchaus wahrscheinlich ist, dass sie auf so etwas wie eine verlorene Akte zugreifen könnten“
 

Kato atmete tief ein… und wieder aus … und wieder ein.

Er war einer Panik nahe. Was wenn in der Akte wirklich was Wichtiges gestanden hatte?! Aber Luzifer hätte dann doch anders reagiert, oder nicht? Aber vielleicht wollte er sich auch nur nicht die Blösse geben vor dem Feind und geheim halten was für wichtige Unterlagen dort abhanden gekommen waren… Tausende verschiedene Möglichkeiten kamen dem Sklaven in den Sinn und brachten ihn dazu, sich verzweifelt die Haare zu raufen.

Aber wenn die Akte wirklich wichtig gewesen war, dann hätte Luzifer sie ihm doch gar nicht erst anvertrauen sollen, schliesslich musste der leibhaftige Teufel doch in der Lage sein zu erkennen, wie unfähig der Junkie eigentlich war!
 

Unbewusst fing Kato an an seinen Fingernägeln rumzukauen. Das Bunny beobachtete das Ganze leicht beunruhigt und packte den Sklaven schliesslich an seiner Kauhand.

„Was ist denn los? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du für den Ausbruch der Nephilim verantwortlich bist? Oder…“ Sie grinste ihn mit ihrem Zahncremlächeln an und brachte ihn schliesslich dazu sich hinzusetzen. „… machst du dir etwa Sorgen um Luzifer?“

Kato schaute sie erst etwas verwirrt an, als ihm dann aber die Bedeutung der Worte klar wurde, errötete er leicht. „Püh, wieso sollte ich mir Sorgen um den machen? Der ist doch voll die Kampfmaschine…“

„Na na…“ Sie wedelte tadelnd mit dem Finger. „… an deiner Stelle wäre ich da nicht so arglos. Die Situation ist wirklich ernst und die Nephilim sind nicht zu unterschätzen.“

Für einen Moment betrachtete der Sklave sie abwägend, dann aber schlich sich ein erstaunlich ernsthafter Ausdruck auf sein Gesicht.

„Ist es wirklich so schlimm? Ich meine, könnte Luzifer verlieren?“

Das Bunny zuckte mit den Schultern und wandte dann ihren Blick beinahe schon etwas gedankenverloren zur Fensterfront. „Es ist auf jeden Fall ernst, aber jetzt wo der Hutmacher noch da ist, stehen die Chancen nicht schlecht. Ausserdem haben sie sozusagen Heimvorteil…“ Ein etwas wehmütiges Lächeln zeichnete sich auf den Lippen des Bunnys ab.

„Aber sind denn diese Nephilim wirklich soooo stark? Alle reden immer nur davon, dass sie schreckliche Monster wären, aber wie sehen sie denn nun wirklich aus? Und was können sie?“

Der Märzhase wandte sich dem Sklaven wieder zu und betrachtete ihn mit einem Stirnrunzeln. „Du bist heute aber neugierig? Oder machst du dir etwa wirklich Sorgen um deinen Meister… Wie süss!“ Kato grummelte etwas, enthielt sich ansonsten aber jeglichen Kommentars.
 

„Also mit den Nephilim ist es eben so, dass sie keine einheitliche Form haben und man sie deswegen so schlecht einschätzen kann. Auch sind ihre Kräfte sehr unterschiedlich, was ihnen natürlich einen enormen Vorteil gegenüber ihren Feinden verschafft, wenn diese nicht wissen, was sie eigentlich erwartet.“

Nun war es an Kato die Stirn zu runzeln. Warum konnte dieses Bunny, die Dinge nicht einfach so erklären, dass man sie gleich auf Anhieb verstand. Sie musste doch mittlerweile gepeilt habe, dass er nicht gerade der grosse Denker war. Oder machte sie das wieder nur um ihn zu ärgern?!
 

Die ausbleibende Antwort war wohl für den Märzhasen genug, um ihre Ausführung noch etwas zu erläutern. „Also, das heisst im Klartext, dass man die Nephilim erscheinungstechnisch nicht einfach in eine Kategorie einordnen kann, wie z.B Engel, die ja alle Flügel haben.

Sie sehen alle total unterschiedlich aus und haben auch alle sehr verschiedene Fähigkeiten.

Es soll angeblich solche geben, die so gross wie Häuser sind und Drachen gar nicht so unähnlich sehen. Ein paar Tentakelmonster sollen es auch darunter haben. Echsenähnliche Wesen, Wolfsungeheuer, Riesenschlangen… Alles was dich normalerweise nur in deinen finstersten Alpträumen heimsucht.“

Das Bunny grinste ob ihrer eigenen Ausführungen, doch der Sklave erwiderte noch immer nichts und starrte stattdessen nur nachdenklich vor sich hin.
 

„Aber ich kann dich beruhigen…“ fuhr sie fort. „…es sollen angeblich auch ein paar sehr menschenähnliche existieren, die dann einfach über enorme Astralkräfte verfügen…“ Kato war mittlerweile recht weiss im Gesicht. „…Die können dann Feuer- oder Energiebälle schleudern…“

Irgendwie fand der Sklave den Gedanken, dass Luzifer momentan da draussen gerade gegen solche Gegner kämpfte immer beunruhigender.

„Ach ja, und mir hat mal jemand erzählt, dass es noch solche geben soll, die ihre Erscheinungsform zusätzlich auch noch beeinflussen können. Stell dir das mal vor, da passen die sowieso schon mal in kein Raster und dann können sie sich auch noch verändern… “

Kato wollte sich das lieber nicht vorstellen. Wenn die ihr Escheinungsbild tatsächlich verändern konnten, wäre es doch gut möglich, dass… „Aber könnte sich dann nicht jemand hier einschleichen?!“

„Wie?“ Das Bunny, gerade in ihrem Monolog unterbrochen, blickte Kato leicht überrumpelt an.

„Äh nein… es gibt nur eine Gemeinsamkeit, die alle Nephilim haben und die können sie dann auch nicht verändern. Daran erkennst du sie immer…“

Kato schaute das Bunny abwartend an. „Und die wäre?“

„Sie haben keine Augen.“
 

Leicht angeekelt verzog der Sklave das Gesicht. „Wie keine Augen? Sind sie blind?“

„Neeeeein, du Trottel!“ Sie seufzte. „Normale Augen, also bei Menschen und Engeln, zeichnen sich ja eigentlich dadurch aus, dass sie Augenweiss, farbige Iris und eine schwarze Pupille haben.

Aber bei den Nephilim gibt es diese Abstufung nicht. Ihr ganzes Auge ist eine einzige riesige Pupille, sprich ganz schwarz, nichts Weisses!“

Katos Mund verzog sich noch etwas mehr. „Klingt ja unheimlich.“

Sie zuckte wieder mit den Schultern und wandte ihren Blick erneut zur Fensterfront.

„Man gewöhnt sich dran…“

„Wie 'man gewöhnt sich dran'?“

Diesmal drehte sie sich nicht wieder zu ihm um, sondern erwiderte bloss leicht abwesend. „Ach, nichts…“
 

~~~
 

Kato beschloss nicht weiter auf das seltsame Verhalten des Märzhasen einzugehen, der war ja sowieso nicht ganz dicht, sondern legte sich stattdessen auf den Rücken.

„Weißt du, irgendwie war mir gar nicht bewusst, dass hier unten so die Krise herrscht. Ich dachte immer, die Hölle sei der Ort der ewigen Qualen…“

„Ach, leidest du zu wenig?“ Obwohl sich das Bunny ausserhalb seines Sichtfeldes befand, hört er wie sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte.

„Nein, natürlich nicht. Aber irgendwie hab ich mit ‚ewig’ eher so was wie ‚monoton’ in Verbindung gebracht.“ Kato war gerade in einer seltsam nachdenklichen Laune

„Alle Achtung, du kennst die Bedeutung des Wortes ‚monoton’…“ Das Lachen des Märzhasen hallte durch den Raum. „… aber ich nehme mal an, dass das so was wie ein verkapptes Kompliment war, dass hier immer die Post abgeht.“

„Nein, ein Kompliment war’s sicher nicht. Ich verzichte gern auf all die Schläge und die Psychospielchen für etwas weniger Action.“ Kato wollte sich aufrichten. „Aber ich muss zugeben, dass mit dir tatsächlich immer die Post abgeht und ich dich, verglichen mit all den anderen, irgendwie ganz angenehm finde. Bei dir weiss man wenigstens immer woran man i…“

Die Worte blieben ihm im Halse stecken, als er den Märzhasen sah, der ihn nun direkt anblickte.
 

Schwarze Augen, kein Weiss…
 

„Dann danke ich für das Kompliment, aber ich nehme an, dass du deine Meinung soeben geändert hast.“

Kato nickte wortlos. „Hast du nicht gesagt, die schwarzen Augen könnten die Nephilim nicht verstecken?“

Sie lächelte leicht. „Manchmal lüge ich….“
 

TBC
 

Tja, Das Bunny als Bösewicht. Aber wir wussten ja schon ne Weile, dass mit ihr etwas nicht stimmt… Kam die Erkenntnis jetzt trotzdem überraschend oder habt ihr damit gerechnet?

Eure Meinung sonst zum Chap?
 


 

[1] Im Manga in Band 3 gibt es eine Anspielung auf diese ganze Nephilim-Geschichte.

Katan erzählt Kirie seine Lebensgeschichte und dass er mal ein Grigori war. Laut Kaori Yuki sind Grigori jene Engel, die eben mit den Menschen die Nephilim gezeugt haben und dafür zur ewigen Körperlosigkeit verdammt wurden.

[2] Bis hierher ist alles ziemlich genau es der echten christlichen Mythologie übernommen… danach hab ich allerdings selbst etwas dazuerfunden^^

Kapitel 35 - Intermezzo I

A/N: Dieses Kapitel ist nur ein Intermezzo, was etwa soviel heissen will, dass es eher kurz ist und dass ein Kapitel ist, welches nicht Katos POV folgt, sondern Belials. Ich weiss, es ist eher ungewöhnlich so etwas einzubauen, aber ich liebe den Chara des verrückten Hutmachers nun mal einfach und ich wollte dieses Intermezzo so schreiben *allmächtiges Autorenlachen*
 

~~~
 

Schmerz.
 

Sie hatte schon lange nicht mehr so grossen Schmerz gefühlt.

Er war nicht nur physischer Natur, sondern auch psychischer…
 

Man hatte sie verraten! Gerade sie, den verrückten Hutmacher! Den korruptesten unter allen Dämonen…

War nicht normalerweise sie dafür bekannt alles und jeden zu hintergehen, nachdem es seinen Dienst erfüllt hatte…
 

Es fiel ihr schwer zu atmen. Sie konnte sich nicht mal mehr bewegen.
 

Luzifers Zorn war unermesslich gewesen, nachdem sie zurückgekehrt und das Haustier nicht vorgefunden hatten. Die Kette, welche sie noch selbst angebracht hatte, war einfach aus dem Boden gerissen worden…

Für einen Moment hatte sie einen Anflug von Besorgnis empfunden. Wenn etwas derart Mächtiges hier eingedrungen war, dass es ihren magischen Spruch so leicht hatte brechen können, war es dem Märzhasen nicht gut ergangen…
 

Der Gedanke liess wieder Zorn in ihr aufsteigen. Man hatte sie hintergangen. In die Falle gelockt… und sie war tatsächlich darauf hereingefallen!
 

Das einmal gefaltete und so unschuldig wirkende Blatt Papier hatte auf dem Sessel gelegen, in dem sie selbst zuvor noch gesessen hatte. Der Inhalt war an sie gerichtet und in der kunstvoll geschwungenen Schrift des Märzhasen verfasst.
 

„Verehrter Hutmacher,
 

Ihr habt gewiss schon meine und die Abwesenheit des Sklaven bemerkt. Doch macht Euch keine Gedanken deswegen, ich werde mir persönlich die Mühe machen, ihn den Nephilim zu übereignen. Wenn Ihr Euch jetzt fragt, woher mein plötzlicher Sinneswandel kommt, so kann ich euch mit besten Gewissen mitteilen, dass es nie einen Unbestand in der Ausrichtung meiner Denkart gab, sondern dass sie seit jeher dieselbe ist…“
 

Eine Gänsehaut hatte sie überfallen, als Luzifer ihr den Brief aus den Händen genommen hatte. Er hatte ihn nicht mal lesen müssen, um zu wissen was drin stand…
 

Was danach geschehen war, daran erinnerte sie sich nur noch dunkel. Luzifer war wütend geworden… obwohl das Wort „wütend“ nicht mal annähernd an das Ausmass des teuflischen Zornes heranreichte, der ihr in diesem Moment entgegen geschlagen hatte.

Sie hatte ihn wirklich noch nie so ausser sich erlebt. Luzifer war normalerweise eine kühle, kalkulierende Persönlichkeit, doch das was dann geschehen war, hatte all ihre Erwartungen übertroffen. Denn er hatte etwas getan, was sie sich einerseits seit Jahrhunderten erhofft und andererseits genauso gefürchtet hatte…
 

„Ich habe euch betrogen, Belial … und das tausend Jahre lang, ohne dass Euer schlauer Geist, den ihr dem meinen doch stets als so überlegen betrachtetet habt, es bemerkt hätte.

Nun müsst Ihr die Konsequenzen Eures bornierten Handelns tragen.

Ich bin überzeugt, Euer angebeteter Meister wird alles andere als amüsiert sein, denn schliesslich gilt dieses ganze Unterfangen ihm und nicht Euch, hochmütige Herrin. Wobei mir einfällt, dass man diesbezüglich den Christen tatsächlich ein Zugeständnis machen muss ‚Hochmut kommt vor dem Fall’. Dies hier ist der eure, Belial!“
 

Die Schmerzen während die Schläge und Tritte auf sie hernieder hagelten hatte sie kaum wahrgenommen, eher war ihr ein anderer Gedanke nicht mehr aus dem Kopf gegangen.

‚Es geht hier gar nicht um mich…’
 

Luzifer tat das nicht mit Hintergedanken, sondern schlicht weil sie versagt hatte. Und dabei hatte sie sich doch geschworen, ihn niemals zu enttäuschen, zumindest nicht auf politischer Ebene. Sie war wirklich loyal, sie sah ihn wirklich als den absoluten Herrscher über die Hölle an…. Und nun hatte sie seine Autorität untergraben, ohne es wirklich zu wollen!
 

Das war nicht geplant gewesen, das hatte sie nie gewollt!
 

Mochte er sie für ihre sexuellen Eskapaden verachten und als wertlos ansehen, doch politisch war sie seine rechte Hand und wollte es auch bis in alle Ewigkeit bleiben… doch nun war ihr ein Fehler unterlaufen, ein Fehler den weder Luzifer noch sie selbst sich je verzeihen würde.
 

„Ich kehre nun voll Freude und Erwartung zu meinesgleichen zurück, um meinen Sieg über Euch zu zelebrieren. Dabei werde ich den Sklaven natürlich nicht aussen vor lassen. Er ist zwar, wie ich bereits anmerkte, nicht wirklich Gegenstand dieser Auseinandersetzung, trotzdem wird er wohl mehr als jeder andere ihre Auswirkungen zu spüren bekommen…“
 

Viele verschiedene Gefühle stürmten auf sie ein. Nicht nur weil der Teufel sie gerade gegen eine Wand geschmettert hatte, sondern weil sie sich verraten fühlte… weil sie sich zum ersten Mal in ihrer gesamten Existenz verraten fühlte.

Sie hatte es nicht kommen sehen. Für einmal war nicht sie der Manipulator gewesen, sondern der Manipulierte. Es war ein grauenhaftes Gefühl der Machtlosigkeit!
 

Zudem hatte ihr Mangel an Weitsicht nun auch noch Auswirkungen auf das einzige Wesen im ganzen Universum, das sie liebte. Es war nicht fair!

Und sie fühlte sich, als würde sie diese Strafe verdienen. Luzifer tat richtig daran, sie zu bestrafen, denn sie fühlte sich schuldig. Sie hatte versagt…
 

„Nun gehabt Euch wohl und vergesst meinen Namen nicht, denn er wird Euch bis ans Ende der Ewigkeit heimsuchen…
 

Roderis, Euer Märzhase“[1]
 

Neben der Signatur war ein rosa Kussmund. Es war das Letzte, was Belial vor ihrem inneren Auge sah, bevor ein harter Schlag auf den Kopf sie endgültig ins Reich der Träume abgleiten liess.
 

~~~
 

„Aufwachen, mein Schmetterling“
 

Die Stimme drang wie durch einen dichten Nebel zu ihr. Belial gab ein unterdrücktes Stöhnen von sich und versuchte mühsam die Augen zu öffnen.

Der verschwommene Umriss einer Person beugte sich über sie und strich sanft über ihr Gesicht. Sie versuchte die Hand loszuwerden, musste aber feststellen, dass sich das schwieriger gestaltete als erwartet. Ihr Körper reagierte schlicht und ergreifend nicht auf den Wunsch ihres Geistes, verweigerte den Dienst.
 

Belial presste die Lippen auf einander, um nicht einen verzweifelten Laut von sich zu geben. Was war los?! Sie sah kaum etwas und bewegen konnte sie sich auch nicht!

Und dann brach die Erinnerung plötzlich über sie herein… Der Märzhase ein Verräter, das entführte Haustier und Luzifers unermesslicher Zorn.
 

Sie konnte nicht mehr verhindern dass ein unterdrücktes Seufzen ihren Lippen entkam.

Oh, wie hatte das bloss passieren können?! Ein Gefühl von unglaublicher Bedrücktheit und Kummer legte sich auf ihr Herz. Es schloss sich darum wie eine eiskalte Klaue. Noch nie in ihrer ganzen Existenz hatte sie sich derart wertlos gefühlt. Noch nie war ihr ihr Name so treffend erschienen.

Ein Kloss hatte sich in ihrem Hals gebildet. Sie fühlte, er wollte losbrechen. Und schliesslich löste er sich in einem Schluchzen aus ihrer Kehle.
 

Die Hand strich nun ganz ungeniert über ihre Wange als wolle sie sie trösten.

„Nicht weinen, Schmetterling… wenn du weinst, bringst du all meine Pläne durcheinander.“
 

Belial nahm die Stimme nun deutlicher wahr als zuvor. Doch eigentlich war ihr schon vorher klar gewesen, dass es eigentlich nur Einen gab, der es sich herausnehmen würde, sie auf eine solche Weise zu berühren.

Sie brachte ein mühsames „Ver-schwinde“ über die Lippen, doch die Hand hörte nicht auf über ihr Haar und Gesicht zu streichen.

„Luzifer muss wirklich sehr wütend gewesen sein, wenn er dich wegen dieses wertlosen Haustieres so zurichtet.“
 

Ihre Sicht hatte sich noch immer nicht geklärt, aber Belial nahm mittlerweile auch nicht mehr an, dass sich das so schnell legen würde. Es musste wohl der Schlag auf den Kopf gewesen sein, der für diese momentane Blindheit verantwortlich war.

„Da-rum geht es d-och gar ni-cht.“ Sie hörte ihre eigenen Worte in ihren Ohren widerhallen und fand, dass ihre Stimme grauenhaft klang. So weinerlich, so schwach…

Trotzdem musste sie es klarstellen. „I-ch ha-be ver-sagt!“
 

Die Hand hielt nun plötzlich inne und entfernte sich. Sie hörte Stoff rauschen und dann lange Zeit nichts mehr. Dann jedoch meldete sich die Stimme erneut zu Wort und klang diesmal selbst etwas belegt. „Warum tust du das? Warum liebst du ihn so dermaßen? Er gibt dir rein gar nichts… und schau in was für eine Lage er dich wieder gebracht hat, wenn jemand anderes als ich gekommen wäre, würdest du jetzt in nicht auszumalender Gefahr schweben.“
 

Belial antwortete vorerst nichts. Die meisten Leute verstanden es sowieso nicht, wenn sie versuchte es in Worte zu fassen.
 

„Vielleicht gerade deswegen…“ entgegnete sie schließlich.
 

Der Besitzer der Hand seufzte. „Dann macht es dem großen Hutmacher, Herr über alle Intrigen und Puppenspieler der Verdammten, rein gar nichts aus, hier so absolut wehrlos auf dem dreckigen Fußboden zu liegen und der Gnade eines jeden ausgeliefert zu sein, der den Raum betritt, nur weil dein Angebeteter entschieden hat dir sämtlich Sinne aus dem Leib zu prügeln?
 

Sie schwieg, doch ihr Gegenüber schien von der Stille nur noch mehr in Erregung versetzt zu werden. „Warum antwortest du nicht?! Ist deine Sünde nicht der Hochmut? Warum beschämt es dich nicht, wenn er so etwas tut?!“
 

Resignation ließ sie tief einatmen. Nein, er verstand es nicht. Er verstand es nicht, obwohl er Lust seine Leidenschaft und Trieb sein Spezialgebiet nannte.

Sie schloss die Augen. „Hochmut war mein Fall… Damals wie heute. Ich hätte erkennen müssen…“ Der Satz blieb offen und erneut kehrte Stille ein.
 

Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. Belial konnte es zwar nicht sehen, aber das wiederholte Stoffrascheln war ein eindeutiges Zeichen dafür. „Soll ich dich zurück in dein Reich bringen? Oder willst du hier lieber noch etwas herumliegen?“

Anstatt zu antworten, unternahm sie einen erfolglosen Versuch sich aufzurichten. Die Person seufzte. „Warte, ich trage dich…“ Und bevor Belial etwas dagegen einwenden konnte, hatten sich ein paar starke Arme unter ihren Körper geschoben und sie hochgehoben.
 

„Warum tust du das?“

Sie waren erst ein paar Schritte gegangen, doch die Frage ließ die andere Person innehalten. Wahrscheinlich schaute sie sie jetzt an, aber Belial konnte sowieso nichts sehen.

„Das weißt du doch…“

„Nein, tu ich nicht. Sag es mir!“

Ein erneutes Seufzen war zu vernehmen. „Weil ich dich liebe. Ich tue es, weil ich dich liebe.“
 

Belial gab ein abschätziges Geräusch von sich. „Wenn du mich wirklich lieben würdest, hättest du mich damals sterben lassen[2].“

Nun klang die andere Person belustigt. „Trägst du mir das immer noch nach? Glaub ja nicht, dass ich einfach so aufgeben werde…“

„Aufgeben? Würde das nicht voraussetzen, dass du mal gekämpft hast? Ich hab nie etwas davon bemerkt…“ Ihr Tonfall war irgendwo zwischen herablassend und gelangweilt angesiedelt.

„Spar dir deinen Spott, meine Liebe. Immerhin bin ich es, der dich gerade rettet.“

„Ich verzichte liebend gern auf diese Rettung, Asmodeus. Immerhin habe ich nie darum gebeten!“ Ihre Antwort war blitzschnell gekommen.
 

„So? Würde es denn eher deinen Präferenzen entsprechen, wenn ich dich hier liegenlasse?“

Erst antwortete sie nichts, dann jedoch kam die knappe Entgegnung: „Ja“
 

Der Marquis starrte sie entgeistert an. Belial konnte es nicht sehen, aber sie fühlte das Brennen seiner Blicke auf ihrer Haut. Dann plötzlich ließ er von ihr ab und ihr bewegungsunfähiger Körper knallte fast ungebremst auf den Boden.
 

„Ich verstehe dich einfach nicht, Schmetterling.“ In seiner Stimme schwang nun ganz klar Enttäuschung mit. „Ich bin nett zu dir, beschütze und rette dich, trotzdem verschmähst du mich, bist meiner Gegenwart sogar zuwider… Und er? Was tut er?! Tritt und bestraft dich für Vergehen, für die du nichts kannst. Behandelt sich wie Dreck, ignoriert deine Schönheit und Grazie!“ Asmodeus klang nun ganz eindeutig sehr aufgebracht.
 

„Ich will niemandem etwas schuldig sein. Ganz besonders nicht dir.“ Die Antwort war sehr leise gewesen, trotzdem hatte der Marquis sie vernommen.

„Du willst mir nichts schuldig sein?! Du schuldest mir schon dein Leben, süßer Schmetterling…“ Irgendetwas Bedrohliches lag in dieser Aussage. Belial befand, dass sie vielleicht schon wieder einen Fehler gemacht hatte den Gutwillen Asmodeus nicht für sich auszunutzen und sich ins Wunderland zurückbringen zu lassen. Sie seufzte und schloss die Augen.
 

Ein erneuter Fehler, der bestraft werden musste…
 

„Vielleicht sollte ich es so machen wie er. Dich mit Gewalt nehmen, dann würdest du mich vielleicht endlich bemerken.“ Auch wenn die Stimme giftig klang, so war die Aussage rhetorischer Natur. Belial wusste, dass Asmodeus es nie wagen würde, sich mit Gewalt ihrer zu bemächtigen. Dafür liebte er sie zu sehr…

Ein bitteres Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Was für eine Ironie.
 

„Du solltest es wirklich tun…“
 

Absolute Stille kehrte zwischen den beiden ein. Sie wusste, dass sie gerade geschafft hatte, den Marquis zu schockieren.
 

Dann erklang ein heiseres Lachen. „Du bist wirklich verrückt, total von Sinnen!“

Sie konnte fühlen, wie er sich zu ihr herunter beugte und die Hände neben ihrem Kopf abstützte. „Ich werde es tun, Weib! Glaub ja nicht, dass ich mich noch weiter von deinen Spielchen hinters Licht führen lasse! Diesmal hast du es zu weit getrieben… ich wollte dir helfen… „ Die Stimme hatte nun eindeutig etwas Verzweifeltes.
 

Doch Belial nickte nur leicht. „Tu es!“
 

Die Hände glitten zitternd ihrem Hals entlang nach unten und öffneten den ersten Knopf.

„Ich liebe dich, Schmetterling“ Die Stimme klang mindestens genauso erschüttert wie sich die Finger anfühlten.
 

‚Und ich verachte dich!’ Sie sprach es nicht aus, sie wollte ihn ja nicht verscheuchen.
 


 

TBC
 

A/N: Tja, das war das Intermezzo, ein kurzer Einblick in Belis Schicksal
 


 

[1] Ich muss zugeben, dass ich bei der Namensgebung nicht wirklich kreativ war, denn ich hab wieder mal nur geklaut. „Roderis“ ist nämlich der Name eines Weilers, welcher zu einem Kaff gehört, das ganz bei mir ganz in der Nähe (sprich am Ende der Welt) liegt. Wenn also jemand aus Roderis, diese FF liest (oder alternativ weiss, wo es liegt) dann soll sich die Person bei mir melden, ich lad sie dann mal auf nen Kaffee ein*lach*

[2] Im Manga wollte Beli sich doch für Luzi opfern, doch Asmo hat sie gegen ihren Willen gerettet.

Kapitel 36

Er fühlte sich scheisse. Sein Kopf dröhnte und ihm war übel. Ausserdem war es hier scheiss kalt! Er spürte seinen eigenen Körper zittern und wusste nicht warum.

Was war eigentlich passiert? Wo war er hier überhaupt?

Kato erinnerte sich nicht mehr so richtig. Da war irgendetwas mit dem Märzhasen gewesen, aber er wusste nicht mehr was.
 

Mit einem Stöhnen wollte er sich aufrichten, musste aber sogleich feststellen, dass ihn ein schrecklicher Schwindel überfallen hatte.
 

Scheisse!
 

Das Wort war ja so passend! Kato war hin und her gerissen, ob er sich nun den duseligen Kopf oder eher die frierenden Arme halten sollte. Als er dann das Klappern seiner eigenen Zähne wahrnahm, entschied er sich für Zweiteres. Scheiss egal, dass sich alles in seinem Kopf drehte, wenn er die Augen geschlossen hielt, spielte das sowieso keine Rolle. Aber der Kälte konnte er nicht entfliehen…
 

Er wusste noch immer nicht, wo er hier schon wieder gelandet war, aber langsam kehrte die Erinnerung zurück. Der Märzhase war ein Verräter. Sie musste ihn hierher gebracht haben. Nur wo war „hier“?

Kato beschloss, dass er, um das herauszufinden, wohl oder übel doch die Augen öffnen musste.

Erst nahm er alles nur verschwommen wahr und das Gefühl sich jeden Moment übergeben zu müssen, hatte stärker denn je von ihm Besitz ergriffen. Trotzdem klärte sich der graue Schleier langsam und Kato musste zu seinem grossen Unbehagen feststellen, dass er sich wohl in einer Art Zelle befand. Die Wände waren nichts weiter als grob behauener Stein und sie umgaben ihn zu vier Seiten.
 

Verwirrte schaute sich der Sklave um, auf der Suche nach einer Tür oder Ausgang. Doch er konnte nichts entdeckten.

Er drehte seinen Kopf in die andere Richtig, was sofort wieder eine Welle der Übelkeit in ihm auslöste, nur um festzustellen, dass es auch dort nichts Vergleichbares gab. Es schien eine, im wahrsten Sinne des Wortes, auswegslose Situation sein.
 

In Gedanken gratulierte Kato sich zu dem überflüssigen Wortspiel und begann die Möglichkeiten durchzugehen, wie er hier herein gekommen sein könnte. Er liess seinen Blick prüfend über den rauen Stein gleiten, in der Hoffnung zuvor etwas übersehen zu haben oder vielleicht doch noch einen Hinweis auf einen geheimen Fluchtweg zu entdecken. Während er seinen Kopf also in alle physikalisch möglichen und unmöglichen Richtungen verrenkte, registrierte sein Unterbewusstsein, wie Katos Atem in weissen Wölkchen aus seinem Mund austrat…

Gerade als er zu der Konklusion, dass hier wohl Magie im Spiel sein musste, kommen wollte, wurde die Kondensierung seines eigenen Atmens an den bewussten Teil von Katos Wahrnehmung weitergeleitet. Erstaunt betrachtete er die austretenden Wölkchen. War es hier wirklich so scheiss kalt? Er war hatte ja mittlerweile auch verstanden, dass die Hölle nicht der feurige Ort war, wie er so gern dargestellt wurde. Aber ein Eisgefängnis?!
 

Mit einem resignierenden Seufzen liess er den Kopf in den Nacken fallen… und entdeckte mit einem Mal den Ausgang, den er vorher so verzweifelt gesucht hatte: Sein Gefängnis hatte kein Dach!
 

Der Himmel über ihm war grau und kleine weisse Schneeflocken fielen von oben herein, die Kato erst jetzt wirklich registrierte. Es schneite herein!

Für einen Moment fühlte sich der Sklave ziemlich verarscht, weil er erst jetzt bemerkt hatte, was es mit der Kälte und dem Licht – welches ihm eigentlich auch schon früher hätte auffallen müssen – auf sich hatte. Andererseits fand er die Idee des Märzhasen, oder wer auch immer schlussendlich dafür verantwortlich war, ihn gerade hier gefangen zu halten, ziemlich… beschissen!
 

Kato rieb sich noch mal über die Arme, musste aber feststellen, das es so ziemlich gar nichts brachte. Eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte, dass er echt froh wäre, wenn Luzifer bald auftauchen und ihn zu retten würde… Doch Kato selbst hätte sich so etwas natürlich nie eingestanden!
 

Mit Zähneklappern schaute er sich noch einmal um und musste feststellen, dass der einzige Ausgang wohl wirklich der Weg nach oben war. Aber um den zu nützen, müsste man fliegen können…
 

~~~
 

Nachdem er ein paar Mal in seinem Gefängnis hin und her getigert war und sich immer noch nichts getan hatte, beschloss der Sklave es mit etwas drastischeres Massnahmen zu versuchen: Schreien!
 

Kato war sich zwar insgeheim der Lächerlichkeit einer solchen Aktion bewusst, trotzdem fiel ihm schlicht nichts Besseres ein, das er hätte tun können. Wenn er sich einfach hinsetzte und wartete, dass etwas geschah, bzw. jemand kam um nach ihm zu sehen, wäre er wahrscheinlich innert kürzester Zeit erfroren. Und wenn er weiterhin von einem Ende zum anderen trabte, was wohl gemerkt gerade mal drei Schritte ausmachte, würde er wahnsinnig werden!

Warum war das bloss wieder passiert?! Ok, zu seiner Verteidigung musste man vielleicht anmerken, dass er mal ausnahmsweise nicht selbst für diese Misere verantwortlich war, sondern er wohl einfach zwischen die Fronten geraten war… was ihm aber auch nichts half!

Er wurde hier als Geisel festgehalten!

Kato stampfte wütend mit dem Fuss auf. Scheisse! Das war ja so unfair!

Da tat man alles um Luzifer zu gefallen und trotzdem landete man in solchen Situationen. Es brachte rein gar nichts beim Höllenfürsten zu schleimen!

Wütend verschränkte er die Arme vor der Brust, konnte aber die kleine Stimme seiner Vernunft, welche sich heute wieder einmal vehement weigerte die Klappe zu halten, nicht ganz ignorieren. Mahnend flüsterte sie, dass es nicht gut war, Luzifer die Schuld an seiner momentanen Lage zu geben, wenn er von ihm gerettet werden wollte. Der Teufel war sicher auch nicht gerade erfreut über seine Entführung… Immerhin war er sehr besitzergreifend, bzw. mochte er es bestimmt nicht, wenn sich jemand an seinem Besitz vergriff.
 

Kato schüttelte erschrocken den Kopf. Was für ein Schwachsinn! Sah er sich wirklich selbst schon als Luzifers Besitz?!

Der Sklave seufzte tief und richtete seinen resignierenden Blick nach oben. Kleine Schneeflocken fielen immer noch beinahe schwerelos aus dem grauen Himmel und belegten sein Gemüt mit einer gleichsam schwermütigen Decke wie den Boden.

Es war nicht gut, wenn er zu lange alleine war. Er neigte dann dazu, sich zu viele Gedanken zu machen.
 

Luzifer sollte kommen und ihn retten!
 

Den Gedanken von vorhin verdrängte Kato wohlweisslich wieder. Es war egal, als was er sich selbst sah, Hauptsache er kam hier raus!

Wenn die Nephilim wirklich so schlimm waren, wie sie beschrieben wurden, wollte er ihnen lieber nicht begegnen. Ein erneutes Frösteln überfiel den Sklaven. Nur schien es diesmal mehr von innen als von aussen zu kommen. Die Nephilim…

Kato hatte den bewussten Gedanken daran, dass sie seine Entführer waren und dass diese Monster ausserhalb seiner Zelle lauerten bisher genauso unterdrückt, wie den an seinen eigenen Status. Vielleicht wollte er doch lieber hier erfrieren…
 

~~~
 

Gedankenverloren glitt sein Blick über die Steinwände. Jegliche Rationalität, über die Kato verfügte, bezweifelte, dass man daran hoch klettern und fliehen könnte, aber da der Sklave seiner Rationalität meist eher wenig Beachtung schenkte, musste er es trotzdem ausprobieren.

Prüfend legte er seine schon leicht steif gefrorenen Finger an den noch kälteren Stein und wäre im ersten Moment auch beinahe gleich wieder zurückgezuckt. Mit einem tiefen Durchatmen überwand er sich und griff nach einer etwas mehr herausragenden Kante über seinem Kopf. Er konnte sich erstaunlich gut daran festhalten und setzte auch sogleich zur Unterstützung seinen Fuss auf eine tiefer gelegene, grössere Steinspitze.

Zu seiner eigenen Überraschung konnte er sich auf diese Weise tatsächlich etwa einen halben Meter noch oben hieven, bevor ihn die Kraft in seinen dünnen Ärmchen und eiskalten Fingern verliess und er mit einem schmerzhaften Plumpsen auf dem Allerwertesten landete.
 

Mit einem Grummeln rieb er sich das ramponierte Hinterteil, akzeptierte die Niederlage gegenüber der Wand aber ansonsten kommentarlos. Er war nie gut in solchen Sachen gewesen, aber er hatte es wenigstens versucht!

Seufzend erhob er sich wieder. Der Boden war mittlerweile von einer dünnen Schneeschicht bedeckt und wirkte dementsprechend uneinladend, um weiter darauf zu verweilen.

Kato fror auch nach wie vor erbärmlich, aber die kleine Kletteraktion hatte ihn wenigstens etwas davon abgelenkt.
 

Es war einfach nicht fair. Warum passierte so Zeug immer ihm?

Er liess seinen Blick erneut gedankenverloren umherstreifen. Die groben Steinwände wirkten nun abweisend und schienen Kato mit ihren Schatten werfenden Kanten davor warnen zu wollen, noch mal einen Fluchtversuch zu wagen.
 

Resignierend verschränkte der Sklave die Arme vor der Brust und starrte den blanken Felsen an. Es gab hier sowieso nicht anderes zu sehen, aber trotzdem kam es ihm so vor, als würde die Wand, immer wenn er wieder hinschaute, etwas anders aussehen.

Kato kam schon der Gedanken, dass sie vielleicht auch lebte, wie so vieles hier unten in der Hölle und musste grinsen. Er könnte ja versuchen die Wand zu überreden, ihn gehen zu lassen. Ok, realistisch betrachtet lag die Wahrscheinlichkeit, dass ihm so etwas gelang unterhalb des Gefrierpunktes. Denn selbst Kato musste sich eingestehen, dass sein Verhandlungsgeschick nicht gerade von ausgeprägter Natur war… Nicht vorhanden wäre wahrscheinlich treffender gewesen, aber zu schlecht darstellen, wollte sich der Sklave nun auch wieder nicht.
 

Kato seufzte erneut laut hörbar auf. Wenn die Wand leben würde, hätte er wenigstens etwas Unterhaltung. Er hasste es zu warten!

Er hasste es, nicht zu wissen, was ihn erwartete.

Er konnte nichts weiter tun, als hier in der Eiseskälte sitzen und darauf zu warten, dass jemand kam… oder dass er erfror. Was, wenn es so weiter ging, durchaus eine Option war.
 

Bisher hatte Kato sein eigenes Zähneklappern so gut es ging ignoriert, aber da die Wand keinen Versuch unternahm in Interaktion mit ihm zu treten, war es ihm gerade in höchst unangenehmer Weise wieder aufgefallen.

Der Sklave beschloss darüber hinwegzusehen und stattdessen wieder die Wand anzustarren.

Hmmm, irgendwie hatte er jetzt aber wirklich den Eindruck, dass sie anders aussah als vorher. Mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue trat an die Stelle, wo er vorher versucht hatte hinaufzuklettern. Die beiden herausstehenden Kanten waren noch an derselben Stelle. Was also war anders?
 

Kato trat einen Schritt zurück und taxierte die Wand misstrauisch. Er konnte nicht genau sagen was es war, aber irgendetwas war ganz eindeutig anders…
 

Und dann sprang es ihm ins Auge! Es waren die Schatten, welche die Steinkanten warfen!

Kato wollte schon ein triumphierendes „HA“ von sich geben, als ihm der Gedanke kam, dass lebende Schatten eigentlich noch um einiges unheimlicher waren als lebende Wände, v.a. wenn er da an seine eigenen Erfahrungen zurückdachte.

Mit einem Kloss im Hals beobachtete er, wie die dunklen Flecken tatsächlich immer länger und länger wurden. Es war ja nicht so, dass Schatten sich nicht von Natur aus verändern konnten, das wusste selbst Kato. Aber keine Sonne konnte so schnell wandern, wie die hier unter den herausragenden Felsen wuchsen!
 

Mit einer gleichsam immer grösser werdenden Panik wollte sich der Sklave an die gegenüberliegende Wand drücken, musste aber zu seinem Entsetzen feststellen, dass diese genauso ihre Schatten warf, wie jene die er soeben beobachtet hatte. Ein unterdrückter Schrei entwich seinem Mund, als er sich ungestüm abstiess und schliesslich mit panischem Gesichtsausdruck in der Mitte seines Gefängnisses stand. Mit angstvoll geweiteten Augen verfolgte er das Geschehen um sich herum und wusste nicht ob er lieber vor oder hinter sich blicken sollte!
 

Es war wahrlich zum Verrücktwerden. Die Schatten bewegten sich ganz eindeutig!

Sie schienen Kato zu verhöhnen und es zu geniessen ihm Angst zu machen. Zumindest war das der Eindruck des Sklaven. Er war kurz davor einfach die Hände vors Gesicht zu schlagen und sich zu einem kleinen Ball zusammenzukauern, als sich plötzlich am gegenüberliegenden Ende seiner Zelle eine schwarze Masse von der Wand ablöste und wie Öl zu Boden floss.

Kato starrte die mittelgrosse Pfütze entsetzt an, erinnerte sich aber auch vage daran, dass ihm das verdammt bekannt vorkam…
 

Und tatsächlich!

Aus der schwarzen Pfütze wuchs eine Gestalt mit fast menschlichen Umrissen.
 

„Scha-Schattenfee?“ Der Sklave starrte verdutzte auf die Silhouette, welche sich nun zu ihrer vollen Grösse aufgerichtet hatte.

„Genau.“ Der Schatten schien zu nicken und streckte Kato seine schwarze Hand entgegen. „Ich bin Ombre.“[1]
 

Kato musterte die ihm dargebotene Klaue misstrauisch. Seine Panik hatte sich wieder etwas gelegt, aber er erinnerte sich noch sehr gut daran, was das letzte Mal als er eine Schattenfee berührt hatte, passiert war. Ausserdem sah der schwarze, etwas dickflüssige Nebel, aus dem die Hand zu bestehen schien, alles andere als einladend aus.

Als Kato nicht reagierte, zog der Schatten seine Hand kommentarlos zurück und wandte sich mit etwas, vom dem der Sklave versucht war, es als beleidigtes Schulterzucken zu interpretieren, um.
 

Eigentlich war es Kato ziemlich egal, wenn die Schattenfee jetzt eingeschnappt war. Solange es für ihn keine Konsequenzen hatte, spielte er durchaus gerne das ungehobelte Arschloch. Ausserdem zog er es vor, hier in seinem eisigen Gefängnis allein zu sein und auf die Gesellschaft von unheimlichen Schattenwesen zu verzichten, wenn er die Wahl hatte.

Deswegen unternahm er auch nichts als der Schatten langsam in sich zusammensank und drohte wieder mit dem Boden zu verschmelzen aus dem er erwachsen war.

„Du wirst hier niemals wieder rauskommen. Dafür sorge ich persönlich!“
 

Nun wurde der Sklave doch hellhörig. Hatte er es sich gerade wieder mit der falschen Person verscherzt?!

Mehr aus Reflex, setzte er dem Schatten nach und konnte ihn gerade noch erreichen, bevor dieser gänzlich verschwunden war.

“HEY! Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht beleidigen… ich hab bloss…“ Kato hielt in der Mitte des Satzes inne. Trotzdem schien seine Reaktion die gewünschte Wirkung erzielt zu haben, denn die Schattenfee hatte in ihrem Verschmelzungsprozess ebenfalls inne gehalten.
 

„Bist du mein Wächter?“ Als keine Antwort kam, beschloss der Sklave, dass es wohl gut wäre etwas Eigeninitiative zu zeigen und stellte sich demonstrativ vor jene Seite, die seiner Meinung nach, das Gesicht der Schattenfee darstellen sollte.

„I-Ich bin Kato.“
 

„Ich weiss.“

Kato schalt sich innerlich einen Narren. Klar wusste der Schatten wer er war. Das schien hier unten sowieso jeder zu wissen. Aber wenigstens hatte er eine Antwort gekriegt…
 

„Also Ombra, bist du je…“

„MEIN NAME IST NICHT OMBRAAAA!“
 

Kato zuckte erschrocken zurück und wusste erst gar nicht, was er wieder falsch gemacht hatte. Trotzdem hob er abwehrend die Hände. „Hey, reg dich doch nicht gleich so auf…“ Es sollte beschwichtigend klingen. „…schliesslich kann ich nichts dafür, dass ihr alle gleich ausseht.“
 

Wenn er es sich nicht schon vorher mit seinem Gesprächspartner verdorben gehabt hatte, war das nun endgültig der Moment. Ombre wuchs plötzlich zu einer drohenden Schwärze an, die Kato um etwa das Doppelte überragte. Wie ein unförmiges Ungetüm aus Kinderalpträumen schaute die Schattenfee auf den nun doch ziemlich eingeschüchterten Sklaven herunter und gab einen grollenden Laut von sich.

Kato gratulierte sich innerlich, dass er es wieder einmal geschafft hatte, jemanden gegen sich aufzubringen und wünschte sich mehr denn je, dass nun endlich Luzifer auftauchen und ihn retten würde.
 

Als der Monsterschatten dann auch noch einen Schritt auf ihn zu tat, war es um die mühsam aufrecht erhaltene Selbstbeherrschung des Sklaven geschehen. Mit einem ziemlich hohen, absolut unmännlichen, Schrei überbrückte er die drei Schritte bis zum anderen Ende seines Gefängnisses und presste sich dort ängstlich an den eiskalten Stein.
 

„Bitte tu mir nichts, ich wollte wirklich nicht…“ Kato hatte in einer abwehrenden Geste die Hände vor seinem Gesicht verschränkt. Doch die Dramatik der Situation wurde urplötzlich von einem glockenhellen Lachen unterbrochen, was die riesenhafte Schattenfee und ihr winselndes Opfer dazu veranlassten sich umzuwenden…
 

~~~
 

Lässig an die gegenüberliegende Wand gelehnt, stand eine in einen Umhang gehüllte Gestalt.

Ihr Gesicht wurde halb von einer Kapuze verdeckt, zeigte aber ganz eindeutig menschliche Züge, was Kato ungemein beruhigte.

Die Person stiess sich mit einer eleganten Bewegung ab und trat eine Schritt näher auf den Gefangenen und seinen Wächter zu.

„Es ist wirklich unglaublich, wie schnell du es schaffst, dir Feinde zu machen, kleines Haustier. Eigentlich müsste man ja meinen, du seist nun lange genug in der Hölle, um ein paar grundlegende Regeln verstanden zu haben…“ Der Klang der Stimme und der darin mitschwingende Spott klang in Katos Ohren nur allzu vertraut, trotzdem war er sich nicht ganz sicher, ob das wirklich die Person war, für die er sie hielt. Doch seine Zweifel sollten bald zerstreut werden, denn die Gestalt lichtete ihren Umhang und gab den Blick auf die ziemlich veränderte Erscheinung des Märzhasen frei.
 

Kato starrte sie erst etwas verwundert an. Ein Teil in ihm war froh, dass sie es war, die gekommen war. Immerhin kannte er sie… Oder auch nicht.

Die Erinnerung an ihren Verrat war wieder vor seinem inneren Auge aufgetaucht und überzog die erste Freude über ihr Erscheinen mit einem bitteren Nachgeschmack. Sie war nicht seine Freundin, sie war ein Feind. Er musste sich das gut einprägen! Sie war dafür verantwortlich, dass er hier gelandet war!
 

Doch der Sklave schien nicht der einzige zu sein, der sich nicht besonders über das Auftauchen des ehemaligen Märzhasen freute. Auch die Schattenfee war beim Lichten der Kapuze augenblicklich auf ihre ursprüngliche Grösse zusammengeschrumpft und hatte sich demütigst verneigt. „Lady Roderis, ich hatte Euch nicht so früh zurückerwartet.“

Doch die Frau winkte nur mit einer fast schon gelangweilten Geste ab. „Du kannst gehen, Ombre. Ich habe noch ein paar Dinge mit dem Haustierchen unseres ‚Fürsten’ unter vier Augen zu besprechen.“

Der Schatten verneigte sich wortlos und verschmolz dann augenblicklich mit dem Boden.
 

Stille kehrte zwischen den beiden Kontrahenten ein, während sie sich mit Blicken massen.
 

Kato fand, dass „das Bunny“ – er betonte die Bezeichnung innerlich besonders - wirklich ziemlich anders aussah, als er es von ihr gewohnt war. Anstatt der sonst praktisch vollständig weissen Aufmachung, war ihre Kleidung jetzt schwarz. Ein hautenger Lederdress umspannte ihren Körper und liess ihre Erscheinung wesentlich kämpferischer aussehen als zuvor.

Doch das war es nicht, was den Sklaven am meisten störte. Nein, er war der Kopf und das Gesicht, welche so gar nichts mehr mit „seinem Bunny“ gemein hatten. Die Hasenohren, für welche er mittlerweile sogar schon so etwas wie ne Schwäche entwickelt hatte, waren spurlos verschwunden und die wilden Locken waren in einem strengen Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Das einzige, was noch ansatzweise gleich aussah, waren die geschminkten Lippen. Doch leider war das zarte Rosa nun einem bösen Blutrot gewichen, das Kato leicht schaudern liess. In seinem Kopf geisterte irgendwo noch die Assoziation „weiblicher Rambo“ herum, doch er enthielt sich jeglichen Kommentars dazu.
 

„Wie ich sehe, bist du noch nicht erfroren. Das ist gut.“ Sie stütze die Arme in ihrer Bunny-Manier in die Hüften und lächelte den Sklaven mit ihrem Zahncreme-Grinsen an.

Kato reagierte nicht darauf. Selbst er erkannte die Farce, die dahinter steckte. Das Bunny gab es nicht mehr, hatte es nie gegeben. Stattdessen erwiderte er nur: „Wie ich sehe, hast du Hasenohren und Puschel gegen Kampfmontur getauscht. Das andere stand dir besser…“

Gespielt schmollend legte sie den Zeigefinger an ihr Kinn. „Ach Kato-kun, sei doch nicht so streng mit mir.“
 

Nun reichte es aber! „Lass das scheiss Getue! Wir beide wissen, dass du ein Nephilim bist. Du hast mich schliesslich hierher gebracht. Was zum Teufel wollt ihr von mir?!“ Kato war laut geworden, doch die Gesten und einfach alles an ihr erinnerte ihn so sehr dran, dass er dem Märzhasen vertraut hatte. Dass er ihn eigentlich sogar gemocht hatte…

Er wollte nicht daran erinnert werden. Nein, er wollte sich eigentlich lieber in eine Ecke verkriechen und dort still auf den Tod durch Erfrieren warten. Stattdessen musste er ihrem Spott ausgeliefert sein…
 

„Ich hasse dich.“
 

Sein Gegenüber liess die Hände fallen und betrachtete den Sklaven nun mit einem undeutbarem Blick. „Nimm das hier nicht zu persönlich. Es geht nicht um dich.“
 

„Es geht nicht um mich?! Ja toll, und deswegen sitze ich in einer eiskalten Freiluft-Zelle fest und wäre fast von einer Schattenfee gefressen worden.“ Es klang vielleicht eine Spur hysterischer als der Sklave beabsichtigt hatte. Aber bei ihm war gerade eine Sicherung durchgeknallt. Was bitte hatte er davon, wenn es gar nicht um ihn ging, er aber trotzdem die Geisel war?!

Doch entgegen seiner Erwartung begann das Ex- Bunny plötzlich sehr girliehaft zu kichern.

„Kato, du bist einfach ein Unikat.“ Als wäre es vollkommen selbstverständlich, hob sie die Hand und wuschelte dem Sklaven durch die Haare. Kato seinerseits erstarrte unter der Berührung. Mit einer stürmischen Bewegung schlug er die Hand des Bunnys weg.

„Fass mich nicht an!“

Sie hingegen schüttelte nur leicht resignierend den Kopf, hatte aber immer noch ein Lächeln auf den Lippen. „Ach Kato-kun…“
 

Unterstütz von einem erbosten Gesichtsausdruck verschränkte der Sklave demonstrativ die Arme vor der Brust. “Nichts ‚ach Kato-kun’! Was soll das hier überhaupt alles? Und wo zum Teufel bin ich eigentlich?!“

„Du bist ein Gefangener im Reich der Nephilim. Aber ich denke, das hast du mittlerweile selbst erkannt.“ Der ehemalige Märzhase lächelte nach wie vor, dennoch lag in ihren dunklen Augen ein Ausdruck der nicht ganz mit dem Rest ihres Gesichtes übereinstimmte.

Kato registrierte neben der Richtigkeit ihrer Aussage, dass es genau jene Augen waren, an denen etwas nicht passte. Hatte das Bunny nicht als Letztes, bevor sie ihn entführt hatte, gesagt, dass alle Nephilim gänzlich schwarze Augen hätten? Das jetzt waren aber wieder jene, die er von „seinem“ Märzhasen kannte, zwar nicht ganz so spöttisch-freundlich wie früher, aber immerhin braun und menschlich!
 

Das ganze verwirrte Kato. Also gab er nur ein schlechtgelauntes „Hmpf“ von sich und zog es ansonsten vor, seinen Blick in die andere Richtung zu wenden.

„Spiel hier nicht die beleidigte Leberwurst. Es ist nicht mein Fehler, wenn du die falschen Fragen stellst…“

„Die falschen Fragen?! Es geht doch nicht um die Fragen, sondern darum dass du mich verraten hast! Du hast mich in diese Situation gebracht!“

Hätte der Sklave sich umgewendet, hätte er vielleicht das leichte Nicken seines Gegenübers bemerkt. „Ja, ich bin dafür verantwortlich, dass du nun hier bist. Aber ich habe dich nie verraten, denn dazu hätte ich dir vorher die Treue schwören müssen und das habe ich nicht. Es war deine eigene persönliche Entscheidung mir zu vertrauen. Ich hatte dich nie darum gebeten…“
 

Kato wirbelte wütend herum und wollte das Bunny anfahren, was ihr einfalle so etwas Dreistes zu behaupten, doch die Worte blieben ihm bei ihrem Anblick im Halse stecken…
 

Gedankenverloren war ihr Blick zum Himmel gerichtet und in ihrem dunklen Haar hatten sich ein paar weisse Schneeflocken verfangen. Es war ein schönes Bild und liess den Sklaven für einen Moment vergessen, dass er eigentlich wütend war.
 

„Du hättest besser daran getan, mir nicht zu vertrauen…“ entgegnete sie leise ohne ihn dabei anzusehen.
 

Kato schluckte einen Kloss in seinem Hals herunter. Die Empörung von vorhin war weitgehend verpufft und hatte einer schwermütigen, fatalistischen Neugier Platz gemacht.

„Warum passiert das hier alles?
 

„Es ist Krieg…“
 

„Das hast du schon mal gesagt, aber ich will wissen weswegen!“

Diese Melancholie bekam ihm überhaupt nicht. Feinde, Verräter, hatten gemein und höhnisch zu sein, nicht nachdenklich! Das passte nicht in Katos Auffassung von Gut und Böse, geschweige denn in sein Höllenbild. Ausserdem wäre es ihm leichter fallen, sie zu hassen und den Märzhasen von früher abzuschreiben, wenn sie sich auch wie ein richtiger Bösewicht verhalten hätte.
 

Als hätte sie seine Gedanken vernommen, wandte sich das ehemalige Bunny ihm wieder zu.

Sie mustere ihn nachdenklich. Obwohl ihre Lippen von einem kleinen Lächeln umspielt wurden, wirkten ihre Augen traurig. „Weil wir hier die Bösen sind und unser einziger Lebenszweck Tod und Zerstörung ist…“

Kato zog die Stirn kraus und starrte sein Gegenüber wortlos an. Das war genau das, was der Hutmacher ihm erzählt hatte. Die Nephilim waren böse… ohne Begründung. Einfach so, einfach nur böse… von Geburt an und unabänderlich.
 

Kato nickte. Es galt mehr sich selbst als seinem Gegenüber.
 

„Das war jetzt die schlechteste Begründung aller Zeit.“
 

Das Bunny lachte verhalten auf. „Ja, da hast du vielleicht recht, Haustierchen. Aber das, was uns in den Augen der anderen böse macht, ist mehr die Tatsache, dass wir ‚anders’ sind als sie...“ Sie machte eine Pause und schaute dem Sklaven direkt in die Augen. „Aber so Unrecht haben sie vielleicht gar nicht, denn wir sind tatsächlich nicht wie unsere Väter, die Engel. Auch nicht wie unsere Mütter, die Menschenfrauen. Und schon gar nicht wie die Dämonen hier in der Hölle…. Wir sind tatsächlich anders als alle von Gott erschaffenen Kreaturen. Wir sind die Nephilim.“
 

Kato musterte sie schweigend. Er verstand was sie sagen wollte und verstand es auch wieder nicht…

Die ganze Diskussion verwirrte ihn zutiefst und schürte aber gleichzeitig in seinem inneren einen Funken Wut, den er längst erloschen geglaubt hatte. Es war jener, der früher immer aufgeglüht hatte, wenn er an seine verkorkste Kindheit und Familie zurückdachte. Als er noch klein gewesen war, hatte er nicht verstanden, warum Vater ihn hasste und Mutter ihn mied. Er hatte bloss ihre Liebe und Zuneigung gewollt, so wie jedes Kind…
 

Er verdrängte den Gedanken wieder. Das war nicht gut, für seinen momentan sowieso schon viel zu aufgewühlten Gemütszustand.
 

„Dann wollt ihr also die Hölle erobern?“ Themawechsel. War immer gut, um unangenehme Eigenassoziationen loszuwerden und schliesslich konnte es nicht schaden für Luzifer ein paar Infos zu sammeln… Zumindest konnte er sich das einreden.
 

Das Bunny grinste ob Katos undezentem Versuch ihr Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, stieg aber so enthusiastisch darauf ein als sässen sie beim Kaffeekränzchen: „Nicht nur die Hölle, mein Guter. Nein, wir werden auch Assiah einnehmen und wenn wir das geschafft haben…“ Sie hob den Finger, wie jemand der von einer grossen Vision sprach. „…werden wir den Himmel unterwerfen. Jetzt wo Gott tot ist, sollte das ein durchaus erreichbares Ziel sein!“

Kato nickte und hätte sich im selben Augenblick ohrfeigen können. Warum hatte es bloss wieder so einen Mist gefragt, war ja klar, dass sie ihn verarschen würde… oder hatte sie das etwa doch ernst gemeint?! Er warf ihr einen skeptischen Blick aus den Augenwinkeln zu. Wäre sie die Person, für die er sie einst gehalten hatte, so hätte er es als Spass abgetan, aber da sie bereits bewiesen hatte, dass sie alles andere als der nette Hase aus dem Wunderland war, war er sich plötzlich nicht mehr so sicher.

„U-und was wird dann aus all den Bewohnern, wenn ihr die Hölle, die Erde und den Himmel erobert habt?“

Wenn sie jetzt anfangen würde zu lachen und ihm mit einem spöttischen Gesichtausdruck durch die Haare wuscheln oder ihm wahlweise auch vorhalten würde, wie einfältig und naiv er doch war, dann hatte sie Spass gemacht. Wenn nicht…

Kato atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Sie sollte bitte Spass gemacht haben, bitte! Als er die Augen wieder öffnete, sah er sich einer Frau mit neutralem Gesichtsausdruck gegenüber und er wusste, bevor sie etwas erwiderte, dass es ihr todernst gewesen war. „Es gibt Opfer, die muss man einfach in Kauf nehmen, wenn man ein Ziel hat… So läuft das im Krieg.“
 

Nun war es an Kato den Blick nachdenklich gen Himmel zu wenden. „Dann bin ich so ein Opfer, das man in Kauf nehmen muss?“

Für einen Moment schien sein Gegenüber zu zögern, doch dann ertönte ein leises „Ja….“
 

Kato seufzte tief. Die Antwort überraschte ihn nicht. Trotzdem war es etwas anders, es bewusst gesagt zu kriegen, als es nur zu ahnen.

„Was wird jetzt mit mir geschehen?“
 

„Vorläufig noch nicht viel…“ Der ehemalige Märzhase war neben ihn getreten und schaute nun zusammen mit den Sklaven in den trüb-grauen Himmel. „…Wenn du dich zusammenreisst und nicht wieder die Schattenfeen provozierst, solltest du bis zur Rückkehr der ersten Streitmacht nichts zu befürchten haben.“

Eine Hand hatte sich in einer schon beinahe tröstenden Geste auf seine Schulter gelegt. Kato war es egal…

„Und was wird passieren, wenn sie zurückkommen?“ Eigentlich glaubte er die Antwort auf diese Frage auch schon zu kennen. Doch der Masochist in ihm konnte es nicht lassen, sie trotzdem zu stellen.

Sie seufzte und zog ihre Hand wieder weg. „Du hast doch sicher schon davon gehört, wie sich lagernde Soldaten und Krieger aufführen, oder?“
 

Kato gab keine Antwort.
 

TBC
 

[1] Falls ihr euch noch an die erste Schattenfee in Kapitel 6 erinnert, deren Name war Ombra (ital. Schatten). Hier begegnen wir hingegen einer Ombre (franz. Schatten). Heisst natürlich dasselbe^^ aber da es ja Französisch sein sollte, wird es mehr /ombr/ gesprochen.

Kapitel 37

Irgendwie hatte Kato den Eindruck, dass sich der Schneefall verstärkt hatte. Auf jeden Fall war er wieder von einem schrecklichen Frösteln heimgesucht worden. Während des Gespräches hatte er diese, um den Gefrierpunkt angesiedelten Temperaturen wunderbar verdrängen können, doch nun war die Verzweiflung gepaart mit der Kälte ohne jegliche Vorwarnung und mit aller Macht wieder über ihn hereingebrochen.
 

Die Schneeflocken fielen unablässig vom Himmel. Doch Kato konnte nicht mehr fühlen, wie sie auf seiner Haut schmolzen, dafür war sein Körper mittlerweile schon viel zu taub. Nur, dass er inzwischen gänzlich durchnässt war, registrierte sein fast genauso tauber Geist noch vage.

Sein Haar, das in feuchten, kalten Strähnen sein Blickfeld einengte und das Klappern seiner eigenen Zähne drängten sich ebenfalls wieder in seine Wahrnehmung. „Ist es hier eigentlich immer so scheiß kalt?“

„Ja, es ist immer Winter. Niemand weiß genau wieso, aber man gewöhnt sich daran, wenn man hier tausende von Jahren rumhängt.“ Obwohl das Bunny es so leichthin gesagt hatte, schwang ein zynischer Unterton mit.
 

Kato entwich ein freudloses Lachen. Toll, wirklich toll! Hoffentlich brachte ihn vorher jemand zur Strecke, er wollte sich nicht das nächste Millennium in dieser Eiszelle ausmalen.

Erledigt ließ er sich an der rauen Felswand nach unten gleiten. Seine Finger waren derweil stellenweise blau geworden und sorgten dafür, dass sich der Sklave instinktiv an die Lippen fasste. Doch mit seinen tauben Gliedern konnte er nicht wirklich etwas fühlen und liess die Hand resignierend wieder sinken.

Er stellte sich gerade ernsthaft die Frage, wie seine Aussichten standen hier zu erfrieren. Klar, er war schon tot, mit Sterben war also nichts. Aber vielleicht konnte er darauf hoffen, dass er zu einem starren, bläulichen Eisklotz gefroren war, bevor diese Monster-Streitmacht hier eintraf. Dummerweise schlich sich mit dem Gedanken eine weitere höchst unangenehme Assoziation in sein Köpfchen. Was machte man mit gefrorenen Sachen? Man taute sie auf – am besten über dem Feuer! Kato sah vor seinem inneren Auge schon das Bild von sich selbst, aufgespießt wie ein Spanferkel über einem netten kleinen Lagerfeuerchen brutzelnd.

Entsetzt schüttelte er sich. Nein, er durfte sich solchen Schwachsinn gar nicht erst ausmalen!
 

„Was ist denn?“ Das Ex-Bunny hatte Katos inneren Gedankengang mit Stirnrunzeln beobachtet. Sie konnte sich zwar in etwa vorstellen, was gerade in den verknoteten Gehirnwindungen des Sklaven vor sich gehen musste, trotzdem hatte sie der enorm schockierte Gesichtsausdruck zu einer Nachfrage genötigt.

Dieser schaute nun beinahe überrascht zu ihr auf. Für einen Moment hatte er vergessen gehabt, dass sie noch da war. Leicht gereizt entgegnete er: „Du kannst jetzt verschwinden.“
 

Mit amüsiert-ungläubiger Miene musterte Roderis den zusammengekauert dasitzenden Blonden. „Weißt du, es ist eher unüblich, dass die Geisel dem Geiselnehmer sagt, wann er gehen darf.“

Sie trat einen Schritt zu ihm hin. „Deswegen werde ich diese Bemerkung auch auf deinen halberforenen Zustand zurückführen und des Weiteren ignorieren.“ Sie grinste leicht, doch Kato gab bloß ein genuscheltes „Mach doch was du willst“ zurück und schlang die Arme um seine angezogenen Beine.
 

„Wieso schmollst du jetzt plötzlich wieder?“ Es klang ein wenig wie jemand, der mit einem Kind redet, das gerade nicht kriegte, was es wollte.

„Warum sollte ich nicht schmollen. Immerhin ist das alles hier deine Schuld!“ Kato warf ihr einen unerwartet giftigen Blick zu.

„Das hatten wir doch schon. Ich dachte wir hätten uns auf stille, verachtende Resignation diesbezüglich geeinigt?“

Kato verdrehte die Augen. „Das heißt aber nicht, dass ich es dir nicht übel nehme, was du hier abziehst.“
 

Darauf erwiderte das Bunny erstmal nichts mehr, sondern betrachtete den Sklaven eingehend. Dann plötzlich, als hätte sie ein Gedanke überkommen, drehte sie sich um und ging zum gegenüberliegenden Ende von Katos kleiner Zelle und griff nach dem mittlerweile leicht schneebedeckten Mantel, den sie zu Beginn noch selbst getragen hatte und einfach unachtsam auf dem Boden liegengelassen hatte. Sie klopfte das gute Stück etwas aus und warf es dann mit einem Grinsen im Gesicht zu dem überraschten Sklaven hinüber. „Hier!“

Kato konnte gar nicht so schnell reagieren, wie der übergroße Stofffetzen angeflogen kam und wurde erwartungsgemäß beinahe davon erschlagen. Schließlich drehte er den Mantel verständnislos in seinen Händen hin und her.
 

„Los! Zieh ihn an!“
 

Kato betrachtete das Stück für einen Moment kritisch, streifte es dann aber doch über. Es half nicht besonders viel, denn der Stoff selbst war schon recht feucht und bot nicht wirklich die Wärme, die er auf den ersten Blick versprochen hatte. Trotzdem war der Sklave insgeheim irgendwie froh darum. Er fühlte sich jetzt nicht mehr ganz so schutzlos und ausgeliefert wie vorher.

Aber es verstand sich von selbst, dass es ihm im Traum nie eingefallen wäre, sich dafür zu bedanken. Immerhin war sie es, die Schuld an dem ganzen Schlamassel hatte, da würde er doch sicher keine Dankbarkeit für so einen feucht-kalten Fetzen zeigen!
 

Gerade als er den Mund aufmachen und seinem Unmut erneut Luft machen wollte, erschien – oder vielmehr erwuchs – hinter dem Märzhasen wieder die dunkle Form einer Schattenfee.

Kato behielt es sich vorsorglich vor, zu behaupten, dass es Ombre oder Ombra oder überhaupt eine gewesen wäre, die er kannte.
 

„Lady Roderis?“

Das Bunny wandte sich um. „Ist die erste Streitmacht schon zurückgekehrt?“,

„Nein Milady, sie lagern noch auf der Anhöhe der nichtvorhandenen Hoffnung, aber Lord Dante ist auf dem Weg hierher und wird bald eintreffen.“

Sie nickte kurz, was wohl der Schattenfee Erwiderung genug war, um sich mit einer leicht angedeuteten Verbeugung wieder zurückzuziehen.

Kato hingegen hatte mit gespitzten Öhrchen zugehört und sich unbewusst etwas aufgerichtet. Die erste Streitmacht lagerte noch. Das war gut für ihn, oder?
 

Als sich die Schattenfee schließlich vollends aufgelöst hatte, erhob er sich. „Sag mal, was habt ihr eigentlich mit diesen Schattenfeen am Hut?“

Kato war diese Ungereimtheit irgendwie erst jetzt aufgefallen. Aber wahrscheinlich hatte das daran gelegen, dass ihm diese seltsamen Schattenwesen sowieso schon immer unsympathisch gewesen waren und es ihm somit nicht schwer gefallen war, zu glauben, dass sie mit den „Bösewichten“ unter einer Decke steckten; zumindest war das seine Erklärung dafür.
 

„… Immerhin sind sie doch keine Nephilim, oder?“
 

Der Märzhase bedachte Kato erst mit einem unleserlichen Gesichtsausdruck, lächelte dann aber plötzlich schelmisch.

"Da hast du allerdings Recht, Kato-kun. Es scheint als hätte deine Denkfähigkeit in letzter Zeit wirklich zugenommen." Sie zwinkerte ihm zu.
 

"Glaub ja nicht, dass ich darauf noch hereinfalle! Ich weiß, dass du mich bloß provozieren willst, damit ich nicht weiter nachfrage." Es sollte energisch klingen, funktionierte mit den blau angelaufenen Lippen aber nur so halbwegs.

Trotzdem ging das Bunny darauf ein und schlug theatralisch die Hände vor die Brust. "Du hast mich durchschaut."

Kato war allerdings gar nicht in der Stimmung für ihre Spielchen. "Was habt ihr nun mit den Schattenfeen zu tun? Sag schon!" Es klang gereizt.
 

Doch das Grinsen im Gesicht des ehemaligen Märzhasen verschwand nicht. "Du führst dich wirklich so auf, als säßest DU hier am längeren Hebel und ich müsste dir Rede und Antwort stehen...."

"Du lenkst schon wieder ab!",

"Nein, tue ich nicht. Ich bin dir keine Antwort schuldig. Dass ich dir überhaupt etwas erzähle, verdankst du nur meiner guten Laune und Großzügigkeit!" Sie hatte belehrend den Finger gehoben und fuchtelte damit wieder mal vor Katos Gesicht herum, grinste aber nach wie vor höchst selbstzufrieden.

Kato seinerseits gab bloß ein beleidigtes "Hmpf" von sich und ließ im Schneidersitz wieder auf dem Boden nieder.
 

"Es erstaunt mich, dass du diese einfachen Machstrukturen noch nicht begriffen hast. Immerhin würdest du Luzifer ja auch nicht so löchern." Es klang harmlos, trotzdem glaubte der Sklave darin so etwas wie eine Ermahnung mitschwingen zu hören.

Deswegen erwiderte er auch nur: "Du bist aber nicht Luzifer..." nach einer kurzen Pause fügte er hinzu, "... und nur weil du jetzt nicht mehr mit Hasenohren auf dem Kopf herumrennst, musst du trotzdem nicht erwarten, dass ich dich respektiere!"

Das Bunny zog einen Schmollmund. "Für jemanden der meinen Mantel trägt, bist du aber ganz schön frech."

"Du kannst das scheiß Teil zurück haben!!!" Aufgebracht war Kato wieder auf die Füße gesprungen und war schon dabei sich hektisch aus dem schwarzen Stoff zu schälen, als der Märzhase einhaltgebietend die Hand hob. "Lass ihn lieber an. Du wirst ihn noch brauchen..."

Doch Kato wollte nicht hören und schmiss den Fetzten stattdessen wütend auf den schneebedeckten Untergrund zwischen sich und dem Bunny.
 

Es dauerte keine zehn Sekunden bis er seinen Entschluss bereute. Denn obwohl der Mantel durchnässt gewesen war, hatte er einen Teil der Kälte abhalten können, die nun wieder ganz ungedämpft an die nackte Haut des Sklaven vordrang. Er versuchte das Schlottern, welches ihn erneut überfallen hatte, so gut es ging zu verbergen, doch sein Gegenüber registrierte es mit einem einzigen wissenden Blick.

“Keine Angst, ich lass ihn hier. Du kannst ihn wieder anziehen, sobald ich gegangen bin" entgegnete sie mit einem kleinen, aber triumphierenden Lächeln auf den Lippen.
 

Kato warf ihr einen bösen Blick zu, doch das Bunny überging ihn geflissentlich. „Also, du wolltest wissen, warum die Schattenfeen in unseren Kampf involviert sind…“
 

Nun war der Sklave überrascht. Dass sie von sich aus noch mal auf das Thema zu sprechen kommen würde, hatte er nicht erwartet.
 

„Wie du so schön gesagt hast, sind sie keine Nephilim… aber sie leben auf den Gängen.“
 

Kato wartete… und wartete, dass der Märzhase seine Erklärung noch etwas vertiefen würde. Doch nichts folgte. Er zog die Augenbrauen hoch. Ja, und jetzt? Sie lebten auf den Gängen, das war ja nichts Neues… Warum tat er sich bloß die beschissenen Erklärungen dieses verlog… HALT MAL!
 

Hatte ihm nicht der Hutmacher erklärt, dass diese seltsame Dimension, in der die Nephilim hausten – und er sich jetzt unglücklicherweise befand – etwas mit den Gängen zu tun hatte?

In Katos Köpfchen fing es auf einmal an zu ticken. Wie war das mit den Schattenfeen? Sie hatten keinen Körper… und wenn sie dann auf den Gängen herumlungerten, kamen sie in Kontakt mit den Nephilim? Er runzelte sie Stirn. Also so ganz überzeugt war er von seiner eigenen Theorie nicht, aber sie ging wahrscheinlich in die richtige Richtung, wenn der falsche Hase schon solche Andeutungen machte.
 

Kato schüttelte den Kopf und beschloss, diesen Gedanken erstmal hinten anzustellen. Stattdessen fixierte er das Bunny wieder. „Das erklärt aber immer noch nicht, warum sie euch helfen würden.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Da musst du sie schon selbst fragen.“

„Klar, werd ich machen, wenn mich das nächste Mal eine fressen will.“ Der Sklave konnte sich seinen plötzlichen Anfall von Zynik auch nicht so ganz erklären, aber irgendwie nervte ihn der Märzhase gerade wieder. Erst macht er Andeutungen, dann führte er sie nicht aus. Dann half er ihm, nur um wieder alles zurück zunehmen… und schlussendlich stellte sich heraus, dass sowieso alles nur erstunken und erlogen war. Er sollte wirklich aufhören überhaupt mit ihr Konversation zu führen…
 

„Ach, hau doch endlich ab…“ Beleidigt wandte er ihr den Rücken zu.
 

Das Bunny ihrerseits lächelte leicht. Mit behutsamem Schritt ging sie in die Mitte der Zelle und hob den Mantel auf. Sie klopfte ihn erneut etwas aus und schlich sich dann langsam an den schmollenden Sklaven heran.
 

Kato versuchte zwar noch über seine eigene Schulter zu linsen, weil ihm die plötzliche Ruhe verdächtig vorgekommen war, doch die Attacke des ehemaligen Märzhasen kam zu schnell.

Der Mantel kam ihm erneut entgegen geflogen und bereitete sich wie ein riesiger dunkler Sack über ihm aus. In seinem Schreck fiel dem Sklaven nichts Besseres ein als das schwere Stück Stoff mit ein paar ungezielten Faustschlägen zu begrüßen und wie wild um sich zu treten.

Als es ihm endlich gelang sich aus dem schwarzen Gewühl zu befreien, sah er sich einem heftig kichernden Bunny gegenüber, aus dessen so streng zurück gebundener Haarpracht sich ein paar Strähnen gelöst hatten, die nun in das leicht gerötete, aber sehr fröhliche Gesicht hingen. Der Anblick ließ den Sklaven innehalten, denn er sah sich erneut hin und her gerissen zwischen der Wirklichkeit und der Erinnerung an … eine Freundin.
 

„Tut es dir denn gar kein bisschen Leid?“ Die Worte waren nur sehr leise über seine Lippen gekommen. Er wusste nicht, was ihn antrieb eine solche Frage zu stellen, denn eigentlich hatte ihn seine Erfahrung gelehrt, dass die Antworten darauf meist zu schmerzhaft waren, um damit konfrontiert werden zu wollen. Trotzdem hatte er sich irgendwie nicht zurückhalten können… nicht bei dem Anblick.
 

Das Bunny schaute auf. Ein paar Lachtränen funkelten in ihren Augen.

Sie hatte sich soweit wieder beruhigt, trotzdem war ihr Gesichtsausdruck immer noch überaus fröhlich. Lange sah sie den Sklaven einfach nur an, dann erwiderte sie schließlich: „Es spielt keine Rolle, ob es mir Leid tut oder nicht, denn…“
 

„DENN ES TUT NICHTS ZUR SACHE!“
 

Kato fuhr erschrocken zusammen und auch der Märzhase schien für einen Moment überrascht über die tiefe Stimme, welche sie so jäh unterbrochen hatte. Beide schauten sich erstaunt nach deren Ursprung um, doch während der Blick des Sklaven noch verwirrt und misstrauisch in der Zelle umherhastete und dort nach eventuell unentdeckten Schattenfeen suchte, wanderte jener von Roderis nach oben. Sie hatte den Neuankömmling bereits ausgemacht, der mit im Wind wehenden Mantel auf der oberen Felskante von Katos rundem Gefängnis stand.

Ihr Gesicht hellte sich augenblicklich auf, als sie ihn erkannte. „Da bist du ja endlich!“
 

Auch Kato hatte den Fremden endlich entdeckt und beobachtete nun voller Entsetzen wie dessen Form sich in etwas anderes zu verwandeln schien. Der Sklave sah seine Nephilim-Monster-Albtraum-Visionen von vorhin schon bestätigt, als das seltsame Etwas mit unerwarteter Agilität zum Sprung ansetze, aber nicht gleich die volle Höhe der Zelle hinter sich brachte, sondern sich in etwa der Hälfte auf der gegenüberliegenden Seite der Felswand noch mal abstieß und dann schließlich neben dem Bunny aufsetzte.
 

Kato stand der Mund offen. Nicht nur weil das Bunny sich dem Ding voller Freude an den Hals geschmissen hatte, sondern und vor allem weil sich jenes als grauer Wolf herausstellte. Ein Wolf mit ziemlich langen, spitzen Zähnen und er fixierte gerade Kato mit seinen unheimlichen, gänzlich schwarzen Augen…
 

Dem Sklaven lief es kalt den Rücken runter…

Er hatte all diese hundeähnlichen Biester schon immer gehasst! Die rochen nämlich wenn man Schiss vor ihnen hatte und gingen dann erst recht auf einen los.

Und das da war nichts anderes - Ein Monsterhund mit Monsterzähnen! Instinktiv torkelte Kato rückwärts und presste sich gegen die kalte Wand. Es war nicht fair! Es war ja so was von nicht fair! Er wollte nicht gefressen werden… nicht von Schattenfeen und nicht von Wölfen!
 

Das Bunny hatte wieder von dem großen Tier abgelassen du schaute freudig grinsend zu Kato. Sie kraulte den Wolf hinter den Ohren, während sie mit einem beinahe schon etwas schadenfreudigen Unterton zu ihm meinte: „Schau mal Dante, das kleine Haustierchen hat Angst vor dir…“

Für einen Moment schien es dem Sklaven als würde der Wolf auf die Bemerkung hin ebenfalls grinsen, doch er bekam nicht die Möglichkeit sich weiter Gedanken darüber zu machen, denn das Tier begann sich erneut zu verändern. Es wuchs und wuchs, seine Gestalt wurde höher und dünner, bis sie schließlich wieder menschlich war und Kato den Fremden im Mantel vor sich stehen sah, der vorher auf der Oberkante seines Gefängnisses erschienen war.
 

Obwohl der Mantel praktisch die ganze Gestalt seines Gegenübers verhüllte, fiel Kato auf, dass er eine überraschend „helle“ Erscheinung war. Der Mantel war nicht schwarz, wie er erst angenommen hatte, sondern grau. Dieselbe Farbe, die das Fell des Wolfes gehabt hatte.

Auch hingen ein paar silber-graue Haarsträhnen unter der Kapuze hervor, die sich auf dem Untergrund des Stoffes abhoben. Vom Gesicht konnte er nicht besonders viel erkennen, trotzdem hatte die Tatsache, dass der Fremde so etwas ähnliches wie ein Mensch zu sein schien, ihn soweit beruhigt, dass er sich wieder etwas von seiner Wand löste.
 

Er betrachtete den Fremden, welcher sich nun von ihm abgewandt und stattdessen das Bunny am Oberarm ergriffen hatte, eingehend. Halblaut redete er auf den nun erstaunlich konsterniert dreinblickenden Märzhasen ein, der immer mal wieder ein bestätigendes Nicken von sich gab.

Kato mutete die ganze Szene etwas seltsam an, vor allem als der Unbekannte plötzlich die Hand hob und dem Hasen in einer zärtlichen Geste ein paar der losen Haarsträhnen hinters Ohr strich.
 

Wären Katos erfrorene Gesichtszüge noch zu irgendeiner Mimik fähig gewesen, hätten sie nun absolutes Entsetzen gezeigt. Denn das Bunny hatte jene Hand des Fremden ergriffen und einen zarten Kuss auf die Innenfläche gehaucht.
 

Was ging da ab?! Waren die ein Liebespaar, oder so?
 

Unglücklicherweise wurde dieser Verdacht bestätigt, als das Bunny ihre Arme um den Hals ihres Gegenübers schlang und ihn zu einem kurzen Kuss zu sich herunterzog.

Kato verzog das Gesicht. Äh hallo? Ging’s noch? War er hier eigentlich in irgendeinem Kitschfilm gelandet? Sämtlicher Austausch von Liebeleien, Zärtlichkeiten oder auch Körperflüssigkeiten war ihm aus Prinzip zuwider.
 

„Ich bin froh, dass du unversehrt aus dem Kampf zurückgekehrt bist.“ Diesmal konnte er die leise gehauchten Worte sogar verstehen... obwohl der Sklave ganz gerne darauf verzichtet hätte.

Das Bunny hatte ihre Stirn an jene ihres Geliebten gelegt und verharrte für einen Moment einfach so. Kato hingegen verspürte den Drang irgendwelche scharfen Gegenstände nach den beiden zu werfen. Er hasste solche Zurschaustellung von… Zuneigung. Deswegen hasste er auch den Frühling, wenn all die dummen verliebten Pärchen das Gefühl hatten, die Welt wolle Anteil an ihrem Glück haben. Wollte sie nicht!
 

„Hey! Wenn ihrs so dringend nötig habt, dann nehmt euch ein Zimmer und lasst mich hier in Ruhe leiden!“
 

Das war jetzt nicht gerade die dezente Art gewesen, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, aber es hatte gewirkt. Die beiden drehten sich zu ihm um und Kato konnte endlich das Gesicht des Unbekannten erkennen. Er hatte sehr helle Haut, eine relativ markante Nase und ein schmales, verschnörkeltes Kreuz-Tattoo auf der Stirn. Seine Augen waren wie vorher in seiner Wolfsgestalt gänzlich schwarz, was dem Sklaven erneut einen Schauer über den Rücken jagte. Was die ganze Erscheinung aber noch unheimlicher wirken ließ, war das böse Grinsen welches sich nun auf den Lippen dieses „weißen Mannes“ – Kato war auf die Schnelle keine passendere Bezeichnung eingefallen – schlich.
 

„Das ist also Luzifers Haustier.“
 

Nun grinste das Bunny ebenfalls und löste sich aus der Umarmung. „Ja, das ist Kato. Wie du bereits feststellen durftest, nicht gerade der Klügste, macht die mangelnde Intelligenz aber durch seine große Klappe wett…“ Dann warf sie dem reichlich zerknirscht dreinschauenden Sklaven noch einen wahrhaft teuflischen Blick zu, bevor sie in zuckersüßem Tonfall hinzufügte: „Aber Gerüchten zufolge soll er eine Granate im Bett sein.“
 

„Hey!!!“
 

Der Einwand seitens Katos wurde von dem Weißen lediglich mit einem gelangweilten Blick auf seine eingeschneite Gestalt und einen legeren Schulterzucken abgetan. „Dumm fickt doch angeblich gut…“
 

„HEY!!! Ich bin anwesend, falls ihr das vergessen haben solltet!“

Kato hatte sich aufgerafft, was mit seinen halb steifgefrorenen Gliedern nicht gerade einfach gewesen war, und sich mit möglichst empörtem Gesichtsausdruck vor den beiden aufgebaut. Leider verfehlte das ganze etwas seine Wirkung, wenn man sich die blauen Lippen und mittlerweile eiszapfenähnlichen Haarsträhnen des Sklaven so ansah.
 

Das Grinsen des Bunnys war währenddessen noch breiter geworden. Kato weiterhin ignorierend meinte sie zu ihrem größeren Gegenüber: „Ja, das wird es wohl wirklich sein.“
 

Nun reichte es aber! Kato war es ja gewohnt, dass man sich über ihn lustig machte, aber das ging jetzt langsam zu weit.

Er wollte dem Bunny einen kleinen harmlosen Boxer an die Schulter verpassen, um ihr zu zeigen, dass sie nun wirklich Schluss machen sollten, doch er war absolut nicht vorbereitet gewesen, auf das was dann folgte…
 

Die Hand des Weißhaarigen schnellte in einem Tempo hervor, das er sonst nur von den Erzdämonen kannte und dem er auch in einem nicht-tiefgekühlten Zustand niemals hätte ausweichen können. Noch bevor er den Märzhasen nur ansatzweise hätte berühren können, hatte ihn die Hand ergriffen, herumgerissen und hochgehoben, so dass seine Füße den Untergrund nicht mehr berührten. Kato stieß einen überraschten Schrei aus und befand sich dann plötzlich auf Augenhöhe mit dem Weißen.
 

„Denk nicht einmal daran.“ Sämtlicher Schalk war verfolgen und der Sklave sah sich wieder diesem Paar abgrundtief schwarzer Augen gegenüber, nur dass diese ihn nun drohend anfunkelten.

Er versuchte eine Erklärung hervorzupressen, doch der Schock und der Schmerz, die ihn überfallen hatten, waren mächtiger und ließen Katos Worte in einem zusammenhangslosen Gestammel untergehen.
 

„Ach, lass ihn runter Dante. Er ist harmlos.“ Der Märzhase war dazu getreten und hatte beschwichtigend eine Hand auf den Oberarm ihres Partners gelegt. Er schaute kurz zu ihr rüber, ließ dann aber von Kato ab, so dass dieser ungebremst auf den Boden knallte.
 

„Einst unterlief uns der Fehler die Schwachen zu unterschätzen, das soll uns nicht erneut passieren.“ Dann sah er auf die zusammengesunkene Gestalt des blonden Sklaven herunter. „Aber du hast Recht, er ist wohl wirklich nur ein gezähmtes Haustier, das weder Krallen noch Zähne besitzt.“

Mit diesen Worten wandte er sich um, nahm wieder seine Wolfsgestalt an und verschwand. Das Bunny schaute sich noch einmal zu Kato um, bevor sie mit beinahe entschuldigendem Unterton meinte: „Es wird Zeit, dass ich dich alleine lasse. Es ist noch viel zu tun“. Dann entschwand auch sie.

Kapitel 38 - Intermezzo II

A/N: Dieses Kapitel ist auch wieder so was wie ein Intermezzo. Intermezzo bedeutet bei mir etwa soviel, wie ein Kapitel, welches nicht aus Katos Perspektive geschrieben ist… kennt ihr ja schon von dem Beli Intermezzo bei Kap 35.

In diesem Chap treten allerdings auch nur Nephilim auf, wenn sie euch also nicht so interessieren, überlest es am besten. Allerdings stehen auch ein paar Dinge drin, die für den weiteren Verlauf, doch ziemlich wichtig wären^^'
 

~~~
 

„Du bist so still.“ Die beiden Figuren wandelten gemächlich über die schneebedeckte Hügellandschaft, während kleine Flocken aus dem grauen Himmel fielen und ihre Silhouetten umspielten. „Luzifers Haustier beschäftigt dich.“
 

„Vielleicht…“ Roderis wandte ihren Blick zurück zu dem Steinhügel, wo sie wusste, dass sich das Gefängnis des Sklaven befand. „Er trägt keine Schuld an dem was passiert ist.“

„Mag sein, aber das wusstest du von Anfang an…“ Ihr Begleiter ergriff ihre Hand und leitete sie mit sanftem Nachdruck in eine andere Richtung. „…Du wusstest es auch schon, als du ihn entführt hast.“

“Ja“ Sie seufzte tief, löste dann aber ihre Aufmerksamkeit wieder von dem Steinhaufen und blickte stattdessen in die schwarzen Augen von Dante. „Doch ist das der einzige Weg?“
 

Für einen Moment erwiderte ihr Gegenüber nichts, dann schlich sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen. „Es scheint, als wärest du über all die Jahre hinweg weich geworden, Liebste. Früher war es deine Ruchlosigkeit, die selbst gestandenen Männern wie Ragaz das Fürchten lehrte und nun plagt dich das Gewissen wegen eines einzelnen Sklaven.“ Er atmete tief durch. „Wenn es einen anderen Weg gäbe, wären wir ihn längst gegangen. Das solltest du vor allen anderen wissen. Wir müssen nun mal die Gelegenheiten nutzen, die sich uns bieten. Luzifer zeigt Schwäche, der Himmel ist im Umbruch und alles verändert sich…. Einen besseren Zeitpunkt wird es in den nächsten tausend Jahren nicht geben, wenn überhaupt jemals wieder...“

Nun war es an ihr zu lächeln. „Du musst mich nicht überzeugen, Dante.“ Sie hob ihre rechte Hand und legte sie ans Gesicht ihres Gegenübers. „Ich werde weder zögern noch Schwäche zeigen, wenn es soweit ist…“ Sie ließ die Hand wieder sinken und drehte sich noch einmal in die Richtung um, von der sie gekommen waren. „Die Ruchlosigkeit, die du mir vorher unterstellst hast, ist nach wie vor vorhanden. Unser Ziel steht über allem anderen; doch das heißt nicht, dass es mir in mir nicht auch Gefühle gäbe… manchmal.“
 

„So?“ Mit einem kleinen Schritt war der Weißhaarige zu ihr hin getreten und hatte seine Arme um ihre Taille geschlungen. „Es wäre mir aber lieber, wenn du dir jegliche Art von Gefühlen für mich aufheben würdest. Du weißt, ich hasse es zu teilen.“ Ein schelmischer Unterton schwang in diesen Worten mit. Roderis wandte sich um und blickte ihren Gefährten mit einem spitzbübischen Funkeln in den Augen an. „Ahhh, sind wir etwa eifersüchtig? Was wäre, wenn ich dir erzählen würde, dass ich während meiner Zeit als Spion beim Hutmacher viele Affären hatte…“

Doch ihr Gegenüber stieg nicht auf die Provokation ein, sondern strich bloss sachte mit dem Daumen über ihre Lippen. „Mir ist egal, wem du deinen Körper gibst… Ich will bloß dein Herz.“

Der neckische Ausdruck auf ihrem Gesicht verflog so schnell wieder wie er gekommen war. „Für immer?“

„Für immer.“

Als wäre es diese Bestätigung gewesen, auf die sie gewartet hatte, zog sie Dante noch einmal zu sich herunter, um in einem – diesmal doch wesentlich längeren – Kuss zu verschmelzen. [1]
 

~~~
 

„Schau an! Die Turteltäubchen sind wieder vereint…“ Eine tiefe, überaus raue Stimme unterbrach die traute Zweisamkeit und liess das Paar sind trennen.
 

„General Bulluk, General Krishnae, so früh hatte ich Sie nicht hier erwartet…“ Dante deutete eine vage Verbeugung an, wohingegen Roderis bloss mit den Augen rollte.

„Und den kleinen Schleimer haben sie gleich auch noch mitgebracht.“ Obwohl sie es eindeutig zu ihrem weisshaarigen Partner sagte, war es für jeden gut hörbar gewesen. Der ‚kleine Schleimer’ bezeichnete Vilmer, die dritte Person, die hinter den beiden Generälen hergetrottet kam und neben der langen, dürren Gestalt Krishnaes und der breiten, kräftigen Bulluks wie ein unterentwickelter Zwerg wirkte.
 

Bulluk lachte auf die Bemerkung der Frau hin dreckig und klopfte dem stoisch dreinschauenden Kleinen, mit seiner riesigen Pranke von Hand auf den krummen Rücken. Es schien ihn noch mehr zu belustigen, dass dieser dann unter der Wucht des Schlages beinahe zu Boden ging und sich schliesslich mit einem Stöhnen hinter der Form General Krishnaes in Sicherheit brachte.

Jener hatte der Szene absolut keine Beachtung geschenkt, sondern seine Aufmerksamkeit war gänzlich auf das Paar vor sich gerichtet; oder zumindest auf den einen Teil davon…

„Lady Roderis, Ihr seid zurückgekehrt…“ Mit einer eleganten Geste hatte er ihre Hand ergriffen und war schon im Begriff einen Kuss darauf zu hauchen, als Roderis sie ihm schnell wieder entzog. „Ja, ich bin zurück…“

Sie bedachte ihr Gegenüber mit einem leicht angeekelten Blick „…und an meiner Einstellung hat sich absolut nichts verändert.“ Womit sie einen Schritt mehr zu Dante hin tat.

Krishnae erwiderte die Reaktion bloß mit einem nonchalanten Lächeln auf den Lippen. „Wie schade.“
 

Der General war durch und durch eine seltsame Erscheinung. Mit seiner langen, dünnen Form überragte er selbst Dante noch um einen Kopf, doch seinen ausgemergelten Gliedern schien kein Funken Kraft innewohnen zu können, so dürr waren sie.

Dennoch trog der Schein, denn wegen nichts wurde niemand zu einem General der Nephilim ernannt. Die Macht Krishnaes offenbarte sich erst dann, wenn man in sein nicht minder ausgezehrtes Gesicht blickte. Dort begegnete man nicht wie erwartet den abgrundtief schwarzen Augen der monströsen Halbblüter, sondern sah sich mit einer abgenutzten und vergilbten Binde konfrontiert.

Krishnae war ein Seher. Oder nein, eigentlich viel eher ein Telepath, denn seine Fähigkeit bestand vor allem darin, in den Kopf anderer eindringen, ihre Gedanken lesen und sie manipulieren zu können. Doch seine Augen waren tatsächlich blind, weswegen er seine Umgebung auch vor allem durch die Leute um ihn herum wahrnahm. Seine Hauptquelle hierfür war sein kleiner, missgestalteter Assistent Vilmer, welcher ihm praktisch auf Schritt und Tritt folgte.

Obwohl er seine Fähigkeiten über die Jahrhunderte hinweg perfektioniert hatte und sich strengstens davor hütete in der Öffentlichkeit irgendeine Form von Schwäche an den Tag zu legen, hatte auch er seine kleinen Geheimnisse. Zu seinem eigenen Missfallen war er leider immer noch nicht in der Lage, jeden, der ihm begegnete, auf Anhieb lesen zu können. Er musste sich immer erst auf die jeweilige Person einstellen, die Codes knacken, welche den Zugang zu den Gedanken des Betreffenden versperrten. Ausserdem gab es Persönlichkeiten – besonders solche mit hoher Astralkraft – bei denen er trotz vieler Versuche immer wieder gescheitert war. Die wunderschöne Lady Roderis gehörte in diese Kategorie und leider auch der überflüssige, aber sehr mächtige Schamane, welcher sich ihr Geliebter schimpfte.
 

Und dann gab es auch Leute, die er schlichtweg nicht lesen wollte. Zu denen zählte Bulluk…
 

Bulluk war so ziemlich das genaue Gegenteil von Krishnae. Seine Arme waren so dick wie Baumstämme, er hatte einen Hals wie ein Gorilla und auch sonst wirkte er restlos wie jemand, dessen Stärke gänzlich auf seiner Körperkraft beruhte. Außerdem war er ein aggressiver, und jähzorniger Charakter, der nicht nur von seinen Untergebenen, sondern auch von jedem, der das Pech hatte sich im betreffendem Moment in einem Umkreis von zehn Metern Entfernung zu Bulluk zu befinden, für seine Wutausbrüche gefürchtet wurde.

Zudem war er nicht gerade der Hellste. Dumm hätte es eigentlich schon viel eher beschrieben, aber das war ein weiterer Punkt mit dem man eine solch verheerende Explosion des Generals provozieren konnte.

Krishnae verachtete ihn. Er verachtete ihn für genau jene Dummheit und den Mangel an Kontrolle, den Bulluk mit diesen Ausbrüchen an den Tag legte. Außerdem las er ihn überhaupt nicht gern, auch wenn es bei ihm theoretisch sehr einfach gewesen wäre. Bulluks abstruse Gedanken drehten sich den liebenlangen Tag um nichts anderes als Gewalt, Zerstörung und Blut. Ah ja, und natürlich noch um Sex… Sex meist in Zusammenhang mit den oben Genannten. Krishnae konnte bei solch niederen Trieben nur den Mund verziehen.
 

„Wo ist der Gefangene?“ Bulluk hatte sich mit so etwas wie einem gierigen Glitzern in den Augen an Roderis gewandt. Diese musterte den General für einen Moment höchst abschätzig, bis sie dann schließlich antwortete: „Ich habe ihn in die Steinhöhle gebracht. Die Schattenfeen passen auf ihn auf.“

„Und? Wurde er schon befragt?“

„Nein, aber ich denke auch nicht, dass das nötig sein wird. Er ist bloß ein Sklave… Wer wäre schon so töricht, ihm irgendwelche wichtigen Informationen anzuvertrauen?“

„Man kann nie wissen…“ Er winkte ab und wirkte plötzlich enorm zufrieden. „… ich werde mich trotzdem mal seiner annehmen. Jegliche Art von Information kann uns nützlich sein.“

Roderis bedachte ihn erneut mit einem verächtlichen Blick. Seine Absichten waren ja so was von durchschaubar. Trotzdem konnte sie nicht wirklich etwas tun, um den General von seinem Vorhaben Kato einen Besuch abstatten zu wollen, abzubringen. Sie seufzte innerlich und linste kurz zu Dante. Dieser schien genau zu erkennen, was gerade in ihr vorging.
 

„Wie steht es um General Ragaz?“ lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung.

Die beiden Angesprochenen tauschten einen Blick miteinander, bis Bulluk schließlich antwortete: „Er ist bei den Truppen auf der Anhöhe der nichtvorhandenen Hoffnung zurückgeblieben. Er überwacht dort die Vorbereitung des Schlundes, damit dann mit der Tarnung alles klappt.“

„Verstehe“ Dante nickte knapp.
 

„Und was ist mit Ihnen beiden? Es würde sicher nicht schaden, wenn alle drei Generäle bei den Vorbereitungen anwesend wären. Immerhin handelt es sich dabei um einen essentiellen Teil unseres Plans.“ Der Ton, welcher in Roderis Stimme mitschwang, war derart missbilligend, dass selbst Bulluk der Seitenhieb nicht entgangen sein konnte.

Entsprechend seiner aufbrausenden Natur hatte er schon die Hände zu Fäusten geballt, doch Krishnae kam ihm zuvor mit seiner Antwort. „Macht Euch keine Gedanken diesbetreffend, Lady Roderis. General Ragaz ist äusserst kompetent und durchaus fähig die Truppen bis zu Eurem Eintreffen alleine unter Kontrolle zu halten.“ Er hatte wieder dieses selbstgefällige Lächeln aufgelegt, doch Roderis musste ihm unglücklicherweise im Stillen Recht geben, dass ihre Anwesenheit, oder wohl eher Dantes, mehr gebraucht wurden als jene dieser zwei unflätigen Generäle.

Sie erwiderte nichts darauf, sondern schenkte Krishnae nur einen kalten Blick.
 

„Außerdem ziehe ich in Erwägung General Bulluk bei der Befragung des Gefangenen zu unterstützen. Mit meinen Fähigkeiten sollte es kein Problem darstellen, schnell herauszufinden, ob er wirklich so ahnungslos ist wie es den Anschein haben mag.“ Erneut dieses schleimige Lächeln.

Diesmal war es an Roderis sich zurücknehmen zu müssen. Es war eine Provokation! Dieser Gedankenpfuscher wollte bloß zu Kato, um ihr zu zeigen, dass sie keine Befehlsgewalt über ihn hatte. Oh wie sie dieses ganze Politnetzwerk doch manchmal verabscheute.

Sie erwiderte sein Lächeln auf höchst gekünstelte Weise und wandte sich dann an Dante. „Ich denke, wir sollten uns zu den Truppen begeben. Man erwartet uns sicher schon.“

Der Angesprochene nickte bloß. Wieder lag dieser Ausdruck in seinen Augen, der Roderis verriet, dass er genau wusste, was sie dachte.
 

~~~
 

„Ich weiß nicht, welchen der beiden ich mehr verabscheue…“ Roderis hatte die beiden Generäle praktisch stehen lassen, wohingegen Dante wenigstens noch ein paar formale Abschiedsworte mit ihnen gewechselt hatte, bevor auch er seiner Partnerin gefolgt war.

Nun waren sie auf dem Weg zum Lager der Truppen auf der Anhöhe der nichtvorhandenen Hoffnung.
 

“Bulluk ist ein Primat mit der Kraft eines Elefanten und dem Temperament eines Geysirs. Und Krishnae… für Krishnae finde ich kaum Worte!“ Sie war aufgebracht, das wilde Herumgefuchtel verriet es ganz eindeutig. „Obwohl er sich sophistischer als Bulluk gibt, ist er tief drinnen keinen Deut besser! Ich mag gar nicht daran denken, was…“ Abrupt hielt sie inne. Doch Dante hatte bereits erfasst, was ihr auf der Zunge gelegen hatte. „Du magst gar nicht daran denken, was diese beiden alles mit dem kleinen wehrlosen Sklaven anstellen werden.“ Sie nickte wortlos.
 

„Eigentlich wiederhole ich mich diesbezüglich nur sehr ungern, aber…“

Es folgte nichts mehr, was Roderis dazu nötigte sich verwundert umzudrehen und nach Dante zu sehen, der bisher etwa einen Schritt hinter ihr gegangen war. „Was is…“
 

Eine schallende Ohrfeige unterbrach ihre Frage und ließ sie nur noch mit offenem Mund dastehen.

„Reiß dich gefälligst zusammen, Ro! Dieses weinerliche Getue passt absolut nicht zu dir!“ Dante schaute mit strengem Blick auf sie herunter. „Ich sage es dir noch ein letztes Mal: Du wusstest auf was du dich einlässt und was es für Konsequenzen für dich UND den Sklaven haben würde, wenn du ihn hierher bringst. Lamentier nicht über die Ungerechtigkeit des Schicksals oder was für unausstehliche Charaktere Bulluk und Krishnae sind. Manchmal muss man Opfer bringen und Missstände hinnehmen, um ein Ziel zu erreichen. Du weißt das!“
 

Für einen Moment starrte sie ihr Gegenüber einfach nur wortlos an, dann schloss sie die Augen und nickte schliesslich. „Ja du hast Recht, ich habe den Kopf verloren…. Das war unangebracht. Ich bin bloß nervös, was den bevorstehenden Kampf angeht....“
 

Dante beugte sich vor, um einen tröstenden Kuss auf die Wange zu hauchen, die vorher den Schlag abgekriegt hatte, dann flüsterte er: „Hab Vertrauen. Es wird alles gut gehen und danach… danach werden wir endlich wieder frei sein!“
 

~~~
 

Die beiden stiegen weiter die schneebedeckten Hügel hinauf. In der unendlichen Weite der weißen Landschaft wirkten sie wie zwei kleine unbedeutende, dunklere Punkte. Dantes Mantel flatterte im Wind, der ihnen wie wild entgegen schlug; und Roderis, die ihren großmütigen Entschluss den ihren Kato zu überlassen mittlerweile doch bereute, versteckte sich so gut es ging hinter ihm. Sie war die Kälte gewohnt und normalerweise machte es ihr nicht besonders viel aus, doch dieser Sturmwind war auch für eine abgebrühte Nephilim durchaus eine Herausforderung.

„Wir sind bald da!“ Dante musste schreien, damit man ihn über das Getöse hinweg verstehen konnte. Sie nickte.
 

Nachdem sie auch die letzte Anhöhe hinter sich gelassen hatten, erreichten sie eine weite, offene Ebene, durch deren Mitte sich wie ein schwarzer Riss in der Landschaft eine Schlucht zog, bevor sich auf der gegenüberliegenden Seite wieder eine Hügellandschaft erhob. Hier war der Wind wieder etwas ruhiger und ermöglichte ein Gespräch auf normaler Lautstärke.

„Wo lagern sie?“

Dante streckte den Arm aus und deutete über die Schlucht hinweg zu den weißen Erhebungen. Auf den ersten Blick bot sich einem auch dort nichts weiter als das bereits vertraute Bild der Schneelandschaft, doch wer mit den Gebräuchen und Taktiken der Nephilim vertraut war, erkannte gewisse Unebenheiten in der sonst so regelmäßigen, weißen Fläche.

„Ah, ich kann sie sehen...“ Sie hatte die Hand über die Augen gehoben. „Es ist gut, dass Ragaz dort ist, trotzdem sollten wir uns beeilen. Immerhin wollten wir ja an der Nordflanke Stellung beziehen.“

„Nun, dann…“ Mit einem verschwörerischen Lächeln auf den Lippen ergriff er ihre erhobene Hand. „… wird es Zeit etwas zu zaubern...“

Gemeinsam gingen sie bis an den Rand der Schlucht.
 

„Ist es bloß eine Einbildung, oder ist der Schlund breiter geworden?“ Roderis blickte skeptisch nach unten. Auf der gegenüberliegenden Seite war mittlerweile eine vermummte Gestalt aus den schneebedeckten Hügeln aufgetaucht und winkte herüber. Dante erwiderte die Geste, bevor er dem Unbekannten andeutete er solle zurücktreten und sich wieder Roderis zuwandte. „Nein, es ist keine Einbildung. Er klafft tatsächlich immer weiter auseinander…“

„Na, dann ist es wohl wirklich an der Zeit, dass wir von hier wegkommen.“ Sie ging ein paar Schritte und betrachtete den Schlund nachdenklich. Er hatte den Namen nicht ganz umsonst erhalten... Auf den ersten Blick schien er nichts weiter als eine gewöhnliche Naturerscheinung zu sein, doch wer genauer hinschaute, erkannte dass er im wortwörtlichen Sinne ein Loch ohne Boden war. Man konnte den Grund nicht erspähen, sondern ab einem gewissen Punkt schlug einem nur noch eine fluoreszierende, melassenartige Schwärze entgegen.

Es gab Leute, die behaupteten, dass es sich bei der Schlucht eigentlich um einen Dimensionsriss handelte, doch sicher war sich niemand…

Fest stand nur eines: Niemals war jemand oder etwas, das in den Schlund gefallen war, wieder zurückgekehrt!
 

„Und du denkst, es funktioniert?“

Sie war wieder neben Dante getreten, der beinahe etwas abwesend mit den Schultern zuckte. „Das werden wir jetzt gleich sehen…“

Schwungvoll schälte er sich aus seinem weiten Mantel und zog zugleich einen langen Holzstab hervor. Der Stab war ein knorriges Gebilde, das so alt zu sein schien, dass die Zeit es dunkel verfärbt hatte. An seinem oberen Ende hingen neben drei unschuldigen goldenen Glöckchen auch ein paar kleine Knochen, rostige Münzen und Haare.
 

Dante fasste den Stab mit beiden Händen und platzierte ihn erstmal ruhig vor sich. Dann schloss er die Augen und begann leise vor sich hin zu murmeln.

Roderis schaute gespannt zu. Es war lange her, seit sie das letzte Mal einer von Dantes Beschwörungen beigewohnt hatte. Aber sie war jetzt auch lange weg gewesen…

Dann plötzlich begann eines der Glöckchen zu Läuten. Doch es war kein gewöhnliches Geräusch… nein, es drang bis tief ins Innere eines jeden Wesens vor.

Als sich dann auch noch ein zweites Glöckchen dazu gesellte, bildete sich ein zufriedenes Lächeln auf Roderis Gesicht. Es würde funktionieren, davon war sie überzeugt.

Schließlich erklang noch das dritte und letzte Glöckchen am Stab und erfüllte die Landschaft mit seinem überirdischen Schall.

Dante öffnete seine Augen wieder und schlug den Stab kraftvoll auf den Boden.
 

Für einen Moment herrschte absolute Stille, dann begann der Untergrund zu beben und eine Eisschicht breitete sich über die gesamte Schlucht vor ihnen aus. Sie wuchs so lange, bis sie den gegenüberliegenden Rand erreicht hatte und nicht mehr zu erkennen war, was sich eigentlich darunter verbarg.
 

Roderis strahlte. „Es hat funktioniert!“ Freudig ergriff sie Dantes Arm und drückte sich an ihn. „Und seit wann klingeln eigentlich alle drei Glöckchen?! Bevor ich gegangen bin, waren’s nur zwei…“

Es klang aufgeregt und übermütig, doch ihr Gegenüber lächelte bloß besonnen. „Du warst eine ganze Weile weg, meine Liebe, und auch ich kann mich noch steigern.“

„Ja, aber dann sollten diese Gnome vor dir kriechen, anstatt sich so aufzuspielen…“

„Vergiss Krishnae und Bulluk endlich. Wollen wir nicht lieber ausprobieren, ob sie uns trägt?“ Ein Funkeln lag in Dantes Augen, als er ihre Hände ergriff und sie langsam auf die Eisschicht führte.

Roderis warf einen Blick nach unten, doch man konnte wahrhaft nicht erkennen, wie dünn der Boden, auf dem sie gerade gingen, eigentlich war.

„Wie viele wird es tragen?

„Uns… und wahrscheinlich noch ein paar mehr. Aber ganz bestimmt nicht eine Armee!“

„Gut.“ Ein böses Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. „Dann sollen die höllischen Heerscharen kommen.“
 

TBC
 

[1] Bitte verzeiht mir den Hetero Schnulz, aber es erschien trotz meiner Vorliebe für yaoi und shonen-ai irgendwo unglaubwürdig, das absolut jeder schwul sein soll ;P
 

A/N: Ich hoffe, das Kapitel hat euch nicht abgeschreckt. Mir ist bewusst, dass es neben Hetero nur original Charas enthält, aber es erschien mir nötig die ganze Nephilim Gesellschaft etwas einzuführen und zu beleuchten. Ausserdem sind einige Dinge auch für den weiteren Verlauf der Geschichte sehr wichtig.

Kapitel 39

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 40

Ihm war übel. Das seltsame Gefühl nicht genügend Luft zu kriegen, liess ihn erschrocken die Augen aufreissen. Er fühlte einen Druck auf seiner Lunge und der Innenseite seines Schädels, der kaum auszuhalten war.

Kato wusste nicht was passiert war. Er sass zitternd in seiner Zelle und fühlte sich mieser als jemals zuvor. Sein Körper schien die Kälte kaum mehr wahrzunehmen, trotzdem war da etwas in ihm, ein Gefühl, das wollte, dass er in Tränen ausbrach. Er fühlte sich so unendlich traurig und verloren, und er wusste nicht wieso. Das letzte, woran er sich erinnerte, war das Gespräch mit dem Bunny und ihren seltsamen Wolfs-Lover; danach war da nur noch Leere und dieses kalte, nagende Gefühl in seiner Brust. Schuld und Zweifel, die ihn zu erdrücken schienen und je mehr er versuchte ihre Ursache zu ergründen desto mehr schien das Bild in seinem Geiste in weite Ferne zu rücken.
 

Das Geräusch scharrender Füsse liess ihn schliesslich aus seinem Sumpf des Selbstmitleides aufschrecken. Auf der gegenüberliegenden Seite seiner Zelle stand ein missgestalteter kleiner Zwerg, der Kato aus wässrigen, geröteten Augen musterte.

Der Sklave wischte sich einmal schnell übers Gesicht, um seinen miserablen Zustand zu verstecken, fühlte sich ansonsten aber zu kraftlos den seltsamen Gnom nach dem Grund seines Hierseins zu fragen.

Etwas in ihm schrie, dass er misstrauisch sein sollte, dass etwas nicht stimmte, doch er fühlte sich einfach nicht in der Lage sich aufzuraffen. Die Niedergeschlagenheit lag wie ein bleiernes Tuch über ihm und erstickte sämtliche Motivation.

Also schlang er bloss die Arme um die Knie und wandte seinen Blick in eine andere Richtung. Sollte der kleine Krüppel doch tun was er wollte… es war ihm egal. Ihm war alles egal.
 

Diesem schein es ähnlich zu ergehen, wie dem blonden Sklaven, denn Vilmer tat nichts um sich die Aufmerksamkeit Katos zurückzuholen, sondern starrte ihn einfach weiterhin aus einiger Entfernung an. Etwas Abwiegendes, ja beinahe schon Neugieriges, lag in seinem Blick. Er schien zu erahnen, was in Katos Kopf verging, unternahm aber nichts um dessen Verwirrung und Verzweiflung zu lindern.

Seine stoische Faszination wurde erst durchbrochen, als von weit her das Geräusch eines Hornes erklang. Es liess den Assistenten stutzend seinen Blick gen Himmel richten. Das Horn erklang ein zweites Mal und wurde dann von einem tiefen Grollen abgelöst. Es wurde immer lauter und schien schliesslich die Erde selbst zum Erzittern zu bringen. Vilmers schmale Lippen wurden von einem zufriedenen Lächeln umspielt und selbst Kato, der bisher immer noch vorgetäuscht hatte, dass ihm alles um ihn herum egal sei, hob nun überrascht den Kopf. Was ging da draussen vor? Sollte es ihn interessieren? Die Wände der runden Zelle bebten für einen Moment, bis dann schliesslich wieder allumfassende Stille einkehrte und sich lauter als alles andere über die Szenerie legte.

Kato beobachtete ein paar aufgewirbelte Schneeflocken in der Luft. Interessierte es ihn was draussen vorging? Interessierte es ihn, was mit ihm geschah?

In dem Moment, in dem die Erde unter seinen Füssen und die steinernen Wände um ihn herum so in Aufruhr geraten waren, hatte er jenen in seinem Innern vergessen und sich erinnert, warum er hier war. Er war eine Geisel, deren Zweck es war Luzifer zu erpressen.

Doch mit der zurückgekehrten äusseren Ruhe gab es nichts mehr, das ihn davon hätte ablenken können, dass es in ihm ganz anders aussah. Und deswegen entschwand der Gedanke an Luzifer und sein eigenes Schicksal so schnell wieder wie er gekommen war.
 

Vilmer trat auf den zusammengekauerten Sklaven zu und ergriff ihn am Oberarm. Dieser zeigte zwar erst noch vage Anzeichen von Widerstand, liess sich dann aber doch auf die Füsse ziehen. „K-kommm“
 

~~~
 

Man hatte ihn gefesselt. Gewisse Lebensgeister waren ob dieses Umstandes wieder in den Blonden zurückgekehrt und hatten dafür gesorgt, dass er sich nun seine Umgebung etwas genauer anschaute. Er war an einen mannshohen Marterpfahl gebunden, seine Hände oberhalb seines Kopfes festgemacht. Ihm gegenüber stand ein zweiter solcher Holzpfahl, allerdings ohne Geisel, dessen geschnitzte Gesichter ihn warnend anzustarren schienen.

Kato musste schlucken, wandte aber trotzdem den Blick zu den Wachen, derer vier sich um ihn herum aufgestellt hatten. Sie alle wandten Kato den Rücken zu und standen ausserhalb einer Linie von Steinen, die einen mystischen Kreis um die zwei Holzpfeiler bildete.

Der missgestaltete Zwerg, der Kato aus seiner Zelle hierher gebracht hatte, war verschwunden nachdem er den Wachen ein paar gestotterte, schwerverständliche Befehle gegeben hatte.

Seither sah sich der Blonde mit den Rücken der schweigenden, grauen Wächter konfrontiert, von welchen keiner Anstalten machte, sich zu erbarmen, den Sklaven über sein Schicksal aufzuklären.

Trotzdem ging es Kato in diesem Moment gerade besser als vorher in der Zelle. Endlich raus zu kommen und etwas anderes zu sehen, als die abweisenden Steinwände hatte einen positiven Effekt auf sein Gemüt gehabt. Ausserdem war der Anblick der weissen, schneebedeckten Hügel ziemlich schön… wäre da nicht das Wissen um die banale Tatsache, dass er ja eigentlich nicht freiwillig hier war, gewesen.

Kato hatte vorher sogar versucht eine der Wachen anzusprechen. Natürlich hatte es nichts gebracht, also hatte er sich darauf verlegt, sich selbst ein Bild der Situation zu machen. Sein Materpfahl befand sich auf einer kleinen Anhöhe, von welcher er freien Blick auf einige grössere Hügel hatte. Rechts vorne erblickte er in einiger Entfernung sogar eine grosse weisse Ebene, wo sich etwas zu tun schien. Kato konnte auf die Distanz nicht wirklich erkennen was es war, aber er hatte das vage Gefühl, dass sich dort Menschen befanden. Vielleicht kämpften sie, er wusste es nicht.
 

„Ist dann soweit alles vorbereitet?“ Der Wind trug den Klang einer tiefen Stimme an Katos Ohr. Vom Fusse des Hügels näherte sich eine Gruppe von Leuten.

„Ja, wir werden die erste Hälfte des Kraftrituals jetzt initiieren.“ antwortete eine zweite, ebenfalls männliche Stimme.

Die Gruppe bestand aus drei Leuten und je näher sie kamen desto mehr bekam der Sklave den Eindruck, dass er zwei davon kannte. Rechts aussen ging das Bunny und grinste den verwirrten Blonden an, schien ansonsten aber der Konversation der anderen zwei zu lauschen. Namentlich waren das ihr Lover, der die Gruppe links flankierte, und ein grosser, imposanter Kerl in Uniform in der Mitte. Kato wurde das Gefühl nicht los, dass er Gegenstand dieses Gespräches war, denn immer wieder glitten vereinzelte Blicke zu ihm.

Schliesslich hielten die drei ausserhalb des Steinkreises an. Der Uniformierte musterte ihn kritisch, schien des Weiteren aber nicht gewillt irgendwie mit ihm zu interagieren. Auch das Bunny, obwohl sie Kato zur Begrüssung freudig zugezwinkert hatte, zeigte keine Anzeichen sich ihm nähern zu wollen.
 

Während sich Kato also mit ungutem Gefühl in der Bauchgegend fragte was das alles sollte, verschwand Dante aus seinem Blickfeld, um hinter dem Marterpfahl etwas zu rumoren.

Beunruhigt versuchte der Sklave den Kopf zu drehen und zu sehen was da geschah, aber in seiner momentanen Position war das natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.
 

„Kein Grund zur Sorge, Kato-kun. Noch wird dir nichts passieren.“ Das Bunny grinste leicht, während der Blick des Uniformierten an dem blonden Sklaven vorbei ging. Kato wollte etwas erwidern, sie zusammenstauchen, doch bevor er die Gelegenheit dazu kriegte, ertönte ein riesiger Knall, der den gesamten Untergrund zum Erzittern brachte!

Die Gruppe wandte erschrocken die Häupter in Richtung des Lärmes und Kato sah wie der General leise die Worte murmelte: „Sie sind da…“
 

„Dann wird es Zeit vorwärts zu machen!“ Der Lover des Bunnys war wieder ins Blickfeld getreten. Er ging von einem Stein zu nächsten, berührte ihn kurz, formte tonlos ein paar Worte und wedelte schliesslich mit seinen Händen darüber herum.

Kato fand das ganze irgendwie lächerlich, konnte sich aber dennoch nicht dagegen erwähren eine gewisse Furcht zu verspüren, als sich der Kerl schliesslich direkt vor ihm in Position stellte und ihn mit seinen unheimlichen schwarzen Augen geradezu zu verschlingen schien.

Der Blick war derart beklemmend, dass der Sklave unangenehm berührt den Kopf wegdrehen musste und deswegen nur noch so halb mitkriegte, wie sein Gegenüber in einer abrupten Geste einen langen Holzstock erscheinen liess und ihn mit voller Kraft auf den Stein direkt vor sich knallte.
 

Kato schrie erschrocken auf und musste zu seinem Leidwesen feststellen, dass der Lärm allein wohl bei Weitem noch nicht genug des Übels gewesen war, denn die Steine, die den Kreis bildeten, begannen nun blau zu glühen. Der Sklave beobachtete den ganzen Vorgang panisch.

Ein Knistern erhob sich über das blaue Licht und kleine Blitze zuckten vom einen Stein zum nächsten.

Ausserhalb des Kreises schien die Gruppe überaus zufrieden. Das Bunny fokussierte den Blonden und meinte dann nach wie vor lächelnd: „Ich sagte doch, dass du dir keine Sorgen machen musst.“ Dann streckte sie ihre flache Hand aus und ihr weisshaariger Partner legte einen silbernen Dolch hinein. Kato beobachtete das ganze mit schreckgeweiteten Augen.

„Du hast doch nicht etwa vor…“
 

Bevor der Blonde seinen Schrecken hätte in Worte fassen können, durchschritt Roderis den blauen Blitzzaun und kam mit gezückter Waffe auf ihn zu.

„Mach dir keine Sorgen. Es wird ein bisschen wehtun, aber…“
 

Alles ging so schnell, dass Kato sich selbst schon schreien hörte, bevor sein Verstand wirklich realisierte, dass sie den Dolch überhaupt aufgezogen hatte. Der Schmerz kam erst danach.

Die Klinge hatte dünne, rote Wunden auf seinen gefesselten Oberarmen hinterlassen. Blutige Rinnsale bahnten sich ihren Weg nach unten, doch das Bunny grinste bloss schelmisch. „…es wird dich nicht umbringen.“ Mit diesen Worten trat sie einen Schritt zurück, als wolle sie die Aussenstehenden ihr Werk begutachten lassen.

Der Wolfstyp nickte auch tatsächlich und zückte dann eine flache, bronzene Schale, die er dem Bunny in den Kreis reichte, ohne dabei aber die Blitzschranke zu durchbrechen.

Sie nahm sie entgegen und kniete sich damit vor Kato hin.
 

„Was?... Warum?“ Er war nicht mehr fähig seiner Verwirrung und seinen mehr als durcheinander geratenen Gefühlen besser Ausdruck zu verleihen. Doch Roderis verstand ihn auch so. „Psssst, du musst keine Angst mehr haben, das Schlimmste ist vorbei.“

Sie legte die Schale vor Katos Füsse in eine Einbuchtung im Boden. Diesen fiel erst jetzt auf, dass das auch die einzige Stelle zu sein schien, die nicht schneebedeckt war.

„A-aber…?“

Mit geradezu liebevollem Gesichtsausdruck richtete sie sich wieder auf und legte die Hand and Katos Wange. „Der Traum von Tod ist der letzte den du träumen musst, denn damit verblasst alles.“

„Aber… ich verstehe nicht…“
 

„LADY RODERIS, LORD DANTE, GENERAL RAGAZ!!!“
 

Sie lächelte Kato noch einmal an, bevor sie ihr Haupt dem Boten zudrehte, der den Berg hinaufeilte. Er war ein kleiner, zierlicher rothaariger Junge, der vollkommen ausser Atem vor den beiden Männern ausserhalb des Kreises stehen geblieben war und ihnen zwischen den Versuchen Luft zu holen, berichtete, was gerade vorgefallen war.

Der General und Dante nickten und richteten schliesslich ihre Aufmerksamkeit zu dem Bunny im Kreis. „Es ist Zeit…“

Sie nickte, „Ich weiss.“
 

Während der General sich abwandte und daran machte zu gehen, blieb der Blickkontakt zwischen den beiden Liebenden erhalten.

„Sieg oder Tod?“

„Nichts anderes.“

Er lächelte, dann drehte auch er sich um, um Ragaz zu folgen.
 

Das Bunny ihrerseits schaute den beiden noch eine Weile nach und seufzte schliesslich schwer. Dann plötzlich war ein leises Räuspern zu vernehmen und die Aufmerksamkeit der Nephilim, wie auch Katos, wurde wieder auf den kleinen Boten gelenkt. Er stand immer noch unsicher ausserhalb des Kreises und schaute zwischen Roderis und den vier verbleibenden Wachen hin und her. „Werdet Ihr ihnen nicht folgen?“
 

Das Bunny schien für einen Moment beinahe etwas empört über die inadäquate Weise, wie man sie angesprochen hatte, trotzdem wandelte sich ihr Gesichtsausdruck schnell wieder zum allseits bekannten Lächeln. „Oh nein, natürlich nicht. Jemand muss schliesslich das Ritual überwachen.“ Sie deutete zu der Schale an Boden, in welcher sich bereits eine kleine Menge von Katos rotem Lebenssaft gesammelt hatte.

Jener war ob dieser Erkenntnis selbst reichlich schockiert, denn er hatte die Wunden an seinen Oberarmen ziemlich schnell wieder vergessen gehabt, weil sie sich nach der ersten Welle des Schmerzes kaum mehr bemerkbar gemacht hatten. Es erstaunte ihn deswegen umso mehr, diesen kleinen See aus seinem eigenen Blut in der Schale zu sehen, obwohl er selbst nicht mal gemerkt hatte, wie sich die roten Rinnsale ihren Weg seiner Haut entlang nach unten und schliesslich in das Gefäss gesucht hatten.
 

Auch der Bote zog ob dieser Erkenntnis kritisch die Augenbraue hoch. Seine roten Haare hingen ihm ins Gesicht, was es unmöglich machte, mehr Mimik hinter diesem Vorhang zu erkennen. Kato musterte den Knaben und fand, dass er irgendwie seltsam aussah. Irgendwas an ihm war anders, aber er konnte nicht genau benennen was es war.

Schliesslich trat er sogar einen Schritt näher an die Blitzschranke heran. Er betrachtete sie aufmerksam, fast so als würde er darüber nachdenken, ob er sie wohl durchbrechen konnte.

Kato fand den Kerl suspekt, ein Nephilim musste doch wissen was hier abging.

Das Bunny schien seine Meinung diesbezüglich zu teilen, denn sie stellte sich innerhalb des blauen Walles genau vor den Rothaarigen und beäugte ihn kritisch.

„Du weißt doch, wer nicht Teil des Rituals ist, kann den heiligen Kreis nicht betreten…“ Es klang lauernd. „…oder weißt du es etwa nicht?“

Doch der Bote reagierte nicht auf das offensichtliche Misstrauen, sondern betrachtete bloss weiterhin aufmerksam die Barriere, wie sie ihre tödlichen, blauen Blitze aufflackern liess.

„Muss mir wohl entfallen sein.“ Entgegnete er schliesslich leichthin und lächelte das Bunny an. Dieses lächelte zurück und durchwanderte dann seelenruhig die energiegeladene Schranke.

„Kann ja mal passieren.“
 

Kato seinerseits peilte gerade gar nichts mehr. Eigentlich war er ja der Überzeugung gewesen, dass die seltsame Reaktion des Boten so etwas wie eine Kampfansage gewesen war. Ein Teil von ihm hatte es nämlich gewagt, seit der Krawall am Horizont ausgebrochen war, wieder auf Rettung zu hoffen. Trotzdem sprach diese Szene hier gerade vom genauen Gegenteil. Seit wann warf man sich Nettigkeiten an den Kopf, bevor man einander platt machte?!
 

Doch die Zweifel des Sklaven wurden zerstreut, als das Bunny vor dem Boten eine vage Verbeugung andeutete. „Ich hatte Euch nicht so früh erwartet.“

Dieser lächelte nach wie vor und machte eine ausladende Geste. „Man darf doch das Publikum nicht warten lassen.“ Dann plötzlich wurde ein Hut auf dem roten Haupt platziert und Kato erkannte nun plötzlich warum ihm dieser Bote so seltsam vorgekommen war…
 

Der Hutmacher stand in seinem Standart-Tenü vor ihnen. Das Lächeln war jenes des Botens, nur dass die Lippen rot geschminkt waren und sich auf der einen Seite bösartig nach oben kräuselten. „Es wird mir ein Vergnügen sein, Euch zu eliminieren, Roderis.“ Sie betonte den Namen besonders.

Der ehemalige Märzhase nickte und entgegnete dann: „Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Belial.“ Gleichzeitig deutete sie den nun doch etwas in Aufruhr geratenen Wachen mit einer legeren Handbewegung an, sich zurückzuhalten. „Das hier ist eine Privatsache! Was auch passiert, mischt euch nicht ein!“ Mit einem Blick über die Schulter liess sie sie stehen, um sich zusammen mit der Erzdämonin in fast schon schlendernder Gangart etwas vom Kreis wegzubewegen.
 

Währenddessen war Katos Herz wie wild am klopfen. Der Hutmacher war hier! Der Hutmacher war hier! Dann würde er gerettet werden!

Einerseits fühlte er sich unglaublich erleichtert über diese Erkenntnis und andererseits… er wusste es nicht. Da war wieder dieses nagende Gefühl der Ungewissheit, das er heute schon gespürt hatte, als er aufgewacht war. Es hatte sich in seiner Brust manifestiert und schien ihn warnen zu wollen. Er wusste nicht wovor, nur dass er sich vielleicht lieber nicht zu früh freuen sollte… dass noch etwas passieren konnte, etwas Schlimmes…

Es war beim Anblick des Hutmachers über ihn hereingebrochen. Eine seltsame undefinierte Trauer und er wusste nicht woher sie rührte. Das war eigentlich auch der Grund warum er sich bisher zurückgehalten hatte, Mad Hatter anzufeuern oder sich sonst irgendwie ihr gegenüber bemerkbar zu machen….
 

Die beiden Frauen hatten angefangen einander zu umkreisen und mit warnenden Blicken abzumessen. Das höfliche Gerede, das so gar nicht mit ihren Taten übereinstimmten, war nichtsdestotrotz weitergegangen. „Habt ihr einen neuen Hut, Belial? Ich muss sagen, er sieht wirklich ausserordentlich chic aus.“

„Gefällt er Euch? Ich habe ihn extra für den Anlass angezogen.“
 

Kato mutete das ganze mehr als seltsam an. Sollte die zwei verrückten Weiber nicht endlich mal dazu übergehen zu kämpfen? Er verstand diese Laber-Taktik absolut nicht.

Schliesslich zog der Hutmacher einen dünnen, schwarzen Spazierstock hervor und hielt in seiner Zirkelbewegung inne.
 

„En Garde!“

Schneller als Katos Augen es erfassen konnten, war aus dem Stock ein schlanker Degen zu Tage gefördert worden, mit dem Belial das Bunny nun attackierte. Dieses war natürlich ausgewichen und hatte sich in ein paar Metern Entfernung ihrer Widersacherin gegenüber aufgestellt.

„Also wirklich, Teuerste…“ ihr Tonfall klang spöttisch, „…ich hatte eigentlich doch erwartet, das hier auf eine etwas weniger klassische Art zu behandeln.“

Belial holte erneut aus und erwiderte dann noch während sich das Bunny unter ihrem Angriff hinweg duckte: „Ach, habt Ihr Vorschläge?“
 

Die Nephilim schaute aus ihrer zusammengekauerten Verteidigungshaltung mit einem verschwörerischen Lächeln zum Hutmacher auf. „Ja, ich hätte mir eher so was hier vorgestellt!“

Mit diesen Worten riss sie ihren Arm hoch, worauf sich auch sofort ein eiskalter Sturmwind bildete und der Erzdämonin mit unerbittlicher Härte entgegen schlug. Diese hob zur Verteidigung den Degen vor sich in aufrechte Position, der die Bö wie einen Keil zerteilte und an ihr vorbeileitete, und erwiderte dann: „Das habe ich nicht nötig, um mich Eurer zu entledigen, Roderis.“ Sie schenkte dem falschen Hasen erneut ein affektiertes Lächeln. „Aber es beweist nur, dass ihr absolut keine Manieren habt…. Wie alle dahergelaufenen Nephilim.“

Sie setzte zum Sprung an, nur um den Märzhasen mit ihren Hieb um Millimeter zu verfehlen, weil dieser in einem Moment grosser geistiger Gegenwart mit einer Rolle nach hinten ausgewichen war. Belial starrte für einen Moment auf die leere Stelle, richtete sich dann aber gelassen wieder auf.

„Eigentlich müsste man ja meinen, dass Euer langer Aufenthalt im Wunderland durchaus den einen oder anderen positiv Effekt auf Euer sittenloses Betragen gehabt haben sollte… aber das scheint nicht der Fall zu sein.“

Das Bunny stand in einiger Entfernung auf einem Stein und grinste den Hutmacher frech an.

„Wisst Ihr, verehrte Belial, ich war unglücklicherweise viel zu sehr damit beschäftigt Euch auszuspionieren….“ Ganz im Stil des ehemaligen Märzhasen legte sie verspielt den Kopf schief, „…. als dass ich auch noch die Lektionen der Höflichkeit hätte verinnerlichen können.“ Sie lächelte immer noch, doch hinter dem Bunny begannen sich in erschreckendem Tempo Eispfeile in der Luft zu bilden.

Die Geschosse zischten an ihrer Schöpferin vorbei direkt auf die nun doch etwas überraschte Belial zu. Diese konnte zwar ausweichen, trotzdem war dieser Angriff nun eindeutig Zeichen dafür, dass das Spiel vorbei war und der Kampf begonnen hatte.

In schneller Abfolge teilte sie ein paar gut gezielte Hiebe aus, welche das Bunny aber immer mit einem Angriff ihrer Astralkraft parierte.
 

Kato beobachtete das ganze immer noch von seinem Marterpfahl aus – nicht dass er überhaupt eine andere Möglichkeit gehabt hätte. Der Kampf hatte inzwischen reichlich an Tempo gewonnen und der Sklave zuckte jedes Mal entsetzt zusammen, wenn sich der Hutmacher wieder mit einer erneuten Attacke seiner ehemaligen Vasallin konfrontiert sah. Es war nun ziemlich offensichtlich, dass das Bunny nicht zu unterschätzen war. Zwar unterschieden sich ihre Angriffe total von jenen, die er bisher bei allen anderen Dämonen gesehen hatte, trotzdem waren sie, was die Stärke betraf, nicht ohne.

Kato war sich nicht sicher, aber er glaubte dass ihre Fähigkeit irgendwie darin zu bestehen schien, ihre Umgebung zu manipulieren. Ihre Angriffe hatten bisher immer etwas das bereits existierte verstärkt… Wind, Eis, Kälte… Sie nutzte das, was sie direkt um sich herum fand; in diesem Fall die Winterlandschaft.
 

Gegenüber dem hochmütigen Hutmacher, der zu Katos Unverständnis immer noch nichts weiter als den Degen einsetzte, war diese Technik also durchaus effektiv. Belial war zwar flink, wich gekonnt aus und war dann schneller als das menschliche Auge es erfassen konnte, wieder beim ehemaligen Märzhasen um diesen zu attackieren, trotzdem schien es ihren Angriffen an Schlagkraft zu fehlen; das erkannte selbst der Sklave. Er verstand nicht, warum sie ihre Astralkraft nicht auch einsetzte, schliesslich hatte er selbst schon erfahren müssen, wie stark sie war. Hatte der verrückte Hutmacher etwa Skrupel nur weil es das Bunny war? Nein, das glaubte er nicht… aber was war es dann? Er verstand es nicht.
 

Einmal hatte er es gewagt dazwischen zu rufen und Belial auf diesen offensichtlichen Misstand aufmerksam zu machen versucht. Doch diese hatte, zumindest glaubte Kato das auf Distanz zu erkennen, bloss mit den Augen gerollt und den Blonden des Weiteren ignoriert

.

„Ich bin enttäuscht, Belial. Etwas mehr könntet Ihr mir ja schon entgegen halten…“ Das Bunny schien Katos Meinung zumindest ansatzweise zu teilen, doch der Hutmacher stieg auch hier nicht auf die Provokation ein. Mit beinahe schon stoischer Gelassenheit parierte sie weiterhin die Angriffe und setzte dann ihrerseits zum Gegenschlag an.
 

„Seid Ihr dermassen überzeugt von Euch selbst? Habt ihr denn aus meinem Verrat keine Lehren gezogen?“ Sie ahmte den Tonfall des Hutmachers nach, als dieser ihr vorgeworfen hatte, keine Manieren zu besitzen.

„Oder ist genau das der Grund dafür und Ihr wolltet euch selbst beweisen, dass Ihr stärker seid als ich?“ Eine besonders heftige Energiewelle schlug der Erzdämonin entgegen, die es auch tatsächlich schaffte, sie von den Füssen zu reissen.

„Was für ein fataler Irrtum…“ Das Bunny stand neben dem zu Boden gegangenen Hutmacher.

„Das Erlebnis mit Prinzession Kurai hätte Euch schon Warnung genug sein sollen…“

Eine mit Zacken gespickte Eiskugel bildete sich in ihrer Hand und schlug direkt neben Belials Kopf ein, welche es gerade noch im letzten Augenblick geschafft hatte zur Seite zu rollen.

Aus zu Schlitzen verengten Augen beobachtete sie ihre Kontrahentin kritisch. Doch es war nicht der Angriff an sich gewesen, der für den momentan so konsternierten Gesichtsausausdruck des Hutmachers verantwortlich war, sondern vielmehr die Aussage betreffend der Oger-Prinzessin.„Wie meint Ihr das?“

Roderis lächelte verschmitzt und brachte sich mit einem mysteriösen Schulterzucken wieder in Position. „Ohhh, habt Ihr es etwa nicht bemerkt?“ Sie legte verspielt die Hand an die Lippen, „Ich musste den Illusionsspruch brechen, den ihr auf die holde Ex-Frau Eures verehrten Herren gelegt habt.“
 

Für einen Moment spiegelte sich in den blauen Augen des Hutmachers nur purer Unglaube wieder, dieser wurde jedoch schnell von einer vorwurfsvollen Wut angelöst, die sich auch in einem harten Zug um den rotgeschminkten Mund bemerkbar machte.

„Ihr habt den Spruch gebrochen?“[1]

„Ja“ das Bunny lächelte unschuldig, „Wisst Ihr, es war so etwas wie eine Hauptprobe. Ich musste schliesslich ausprobieren, ob ich tatsächlich in der Lage bin Euer magisches Level zu übertreffen, um dann auch das Haustier mitnehmen zu können.“ Sie deutete mit einer legeren Bewegung zu Kato.

Dieser, überrascht davon, dass er plötzlich Objekt dieses seltsamen Gespräches war, nutzte die Gelegenheit, um ein weiteres Mal den Hutmacher anzufeuern; oder – um es in Katos Augen akkurater auszudrücken – ihm Feuer unter dem Hinter zu machen!

„Los! Tu doch endlich was und steh nicht nur rum! Mach sie platt, schleuder’ sie gegen den nächsten Eisberg, BEGRAB SIE UNTER EINER LAWINE!“
 

Dieser doch reichlich undezente Ausruf des Sklaven sorgte dafür, dass das Bunny theatralisch die Hand an die Brust legte. „Kato-kun, ich kann einfach nicht glauben, dass du so etwas Gemeines sagen kannst…“ Sie wischte sich gespielt eine Träne weg.

„Dabei war ich doch immer so nett zu dir und schau…“ sie zeigte auf den Sklaven, „…wessen Mantel du immer noch trägst!“

Kato bemerkte tatsächliche erst jetzt, dass sie Recht hatte. Er trug immer noch den schwarzen Mantel, den sie ihm gegeben hatte, während er in der komischen runden Steinhöhle gesessen hatte. ABER das war noch lange kein Grund ihr zu vergeben! Er wollte von hier weg! Weg vom ewigen Schnee und Eis und diesem seltsamen Gefühl, das sich in seiner Brust breit gemacht hatte. Er wollte lieber zurück nach She’Ol, zurück zu – so ungern er es sich auch eingestand – Luzifer.
 

Von einer seltsamen Entschlossenheit gepackt, schaute er wieder auf und musterte die beiden Frauen, die wieder begonnen hatten einander zu umzirkeln. „LOS! Mach sie platt und hol mich hier raus!“

Als wäre es das gewesen, worauf der Hutmacher gewartet hätte, attackierte er den Märzhasen erneut. Dieses Mal jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: der Degen glühte!

Er durchschnitt die Luft mit einem pfeifenden Geräusch und hinterliess auf seiner Route schwirrende, gleissende Partikel als Beweis der astralen Kräfte mit denen er gerade geladen worden war.

Das Bunny wich aus, trotzdem erwischte die Waffe sie an der Wange und hinterliess einen kleinen Schnitt, aus dem langsam rote Tröpfchen zu quellen begannen.

„Endlich zeigt Ihr was Ihr könnt.“ Sie hob mit einem zufriedenen Gesichtausdruck die Hand zur Wange und wischte das Blut weg.

„War es tatsächlich der Zuspruch unseres dümmlichen Lieblingshaustiers, der Euch dazu bewogen hat, oder doch eher die Erkenntnis, dass Ihr mich mit Hochmut nicht würdet besiegen können?“
 

Belial hob den funkensprühenden Degen erneut senkrecht vor sich Position. „Weder das eine noch das andere. Mein Auftrag ist es, den Sklaven zu retten und auf schnellstmöglichem Weg nach She’Ol zu überführen.“ Sie hieb aus und verfehlte den Hasen erneut nur knapp.

„Ahhh, also doch der Stolz. Aber wisst ihr, verehrte Belial, ER wird Euch trotzdem nicht so schnell vergeben.“

Eine weitere Angriffswelle folgte, der das Bunny geschickt auswich, bis schliesslich eine der Attacken sie am Oberschenkel erwischte und auch hier einen blutigen Schnitt hinterliess. Sie ging mit einem unterdrücken Zischen auf den Lippen zu Boden und jagte dem Hutmacher als Revanche auch gleich eine ganze Front klitzekleiner Eissplitter entgegen.

Auch diese hinterliessen ihre Spuren, indem sie unzählige kleine Kratzer in die Oberarme und Beine der Erzdämonin rissen. Trotzdem stand Belial gelassen und mit erhobenem Haupt da und schaute auf die zusammengekauerte Form des Märzhasen herab.

„Mehr habt Ihr nicht zu bieten? Es scheint, als hättet Ihr Eure ganze Munition schon verschossen…“ Ein bösartiges Lächeln bildete sich auf ihren roten Lippen und gleichzeitig begann sich um den aufgerichteten Degen eine Spirale aus Licht zu formen. „Geduld ist eine Tugend, ein wahrer Meister lässt sich lieber unterschätzen, um dann zum vernichtenden finalen Schlag auszuholen…“

Die Lichtspirale sauste auf das Bunny zu und riss dieses mit unerwarteter Wucht von den Füssen.
 

Für einen Moment geschah nichts und die getroffene Nephilim blieb einfach nur liegen. Kato konnte nicht verhindern, dass ihm der Atem stockte, dann jedoch richtete sich das Bunny hustend und mittlerweile doch recht zerzaust dreinschauend wieder auf. Grinsend entgegnete sie: „Damit habe ich gerechnet. Wisst ihr Belial, ihr kenne Euch besser als Euch lieb sein mag. Ich kenne Eure Kräfte, weiss wozu ihr fähig seid…doch am wichtigsten ist, dass ich weiss warum Ihr das alles tut!“ Sie lächelte und versuchte gelassen ihre Haare wieder etwas in Ordnung zu bringen.

„Ihr tut es für IHN! Das war auch der Grund, warum ihr die Prinzessin manipuliert habt, denn ihr fürchtetet, dass sie den Sklaven sonst aus der Reichweite Eures geliebten Herrn entfernen wollen würde… Und schliesslich wollt Ihr doch nur das Beste für ihn, wollt dass er glücklich ist und dass er alles kriegt was er begehrt; selbst wenn das nicht Ihr seid.“

Die Worte klangen mehr als verachtend und hatten in dem verrückten Hutmacher wohl gerade da Bedürfnis ausgelöst, der verräterischen unverschämten Hasen auf doch recht brachiale Weise massregeln zu wollen, denn eine ganze Reihe von Energieblitzen krachte hernieder und hüllte die beiden Kämpfenden in eine grau-weisse Wolke aus Schnee und Staub.
 

Kato konnte nichts mehr erkennen, doch selbst wenn er es gewollt hätte, kreisten seine Gedanken momentan um eine ganz andere Frage: Nicht Luzifer hatte Prinzessin Kurai manipuliert, sondern der Hutmacher?! Er hatte die Andeutung erst jetzt verstanden, trotzdem machte das keinen Sinn für ihn… oder ja, doch, irgendwie machte es schon Sinn. Der Hutmacher wollte Luzifer dienen und hatte deswegen verhindern wollen, dass die Prinzessin Katos Dasein als Sklave des Teufels entdeckte. Aber das war ja auch noch nicht der Punkt, der ihn am meisten verwirrte, sondern viel eher die Tatsache, dass der Märzhase gesagt hatte, er habe den Illusionsspruch gebrochen. Das bezog sich dann doch auf Kurai, oder nicht? Das hiess dann aber, dass Kurai ihn doch erkannt haben musste, dass sie wusste, dass er ihn der Hölle gelandet war….

Alles in Katos Kopf schwirrte. Durfte er sich Hoffnungen machen? Aber nein, das wagte er nicht! Er hatte zu grosse Angst davor, dass sie wieder enttäuscht wurden. Ausserdem, selbst wenn sie ihn erkannt hatte, warum hatte sie ihm kein Zeichen gegeben, warum hatte sie ihm nicht einen winzigen Funken Hoffnung zurückgelassen?

Kato atmete schwer. Das war einfach alles zuviel! Vorher hatte er sich noch gewünscht, dass Belial ihn rettete und zu Luzifer zurück brachte, aber jetzt? Er war sich nicht mehr sicher, was er wollte… Belial log und betrog, manipulierte und misshandelte genauso wie alle anderen. Warum sollte er sie dem Märzhasen gegenüber vorziehen? Er vertraute ihr nicht mehr, er wollte ihr nicht mehr vertrauen, er wollte niemandem mehr vertrauen! Alle logen sie, alle betrogen sie ihn zu ihrem eigenen Vorteil! Er wollte hier weg, ganz weit weg!
 

Die Wolke legte sich langsam und die Umrisse von zwei Gestalten zeichneten sich ab. Die eine lag am Boden und die andere thronte stehend über ihr. Je deutlicher das Bild wurde desto klarer wurde auch für Kato, dass die liegende Figur von der stehenden mit einem Degen bedroht wurde.

„Ihr liegt falsch, Roderis, wenn Ihr annehmt, Ihr würdet mich kennen. So schnell lässt sich der verrückte Hutmacher doch nicht ergründen.“ Belial legte charmant lächelnd den Kopf schief, „Und nun, mein lieber Märzhase, ist es Zeit gute Nacht zu sagen.“

Sie zog den glühenden Degen auf, der direkt auf das Herz der Nephilim zielte, um ihr den letzten, tödlichen Stoss zu versetzen…
 

… als etwas von hinten mit voller Wucht den Körper des Hutmachers durchschlug und ihn mit einem überraschten Gesichtsausdruck und einem stummen Schrei auf den Lippen getroffen zu Boden gehen liess.
 

Der Schrei, der schliesslich die Stille durchbrach und über die weissen Hügel hallte, war jener Katos, als er den seltsam verrenken Körper Belials auf dem weissen Untergrund aufschlagen sah. Auch das Bunny zuckte zusammen, denn sie hatte wohl genauso wenig wie Kato mit dieser plötzlichen Wendung gerechnet und schon mit ihrem Leben abgeschlossen gehabt.
 

Der Sklave starrte immer noch auf den zusammengesunkenen Leib Belials und hoffte wohl noch auf eine kleine Regung ihrerseits, so dass er die dritte Gestalt, die nun hinzu trat erst reichlich spät bemerkte. Sie hatte sich neben Roderis gestellt und ein paar leise Worte mit ihr gewechselt, dass Kato, selbst wenn er ein seinem schockartigen Zustand noch den Willen dazu besessen hätte, sie nicht verstehen konnte.

Dann wandte die Figur sich um und schaute unter der dunklen Kapuze musternd zu dem Sklaven herüber. Kato gefror das Blut in den Adern, als er realisierte, dass das Augenpaar, das ihn dort aus der Dunkelheit heraus anstarrte, rot glühte.
 

TBC
 


 

[1] Damit ist Kapitel 32 gemeint. Kato wundert sich darüber, dass Prinzessin Kurai ihn nicht zu erkennen scheint und verdächtigt Luzifer sie manipuliert zu haben.

Kapitel 41

„So früh hatte ich Euch nicht erwartet… habt ihr es mitgebracht?“
 

~~~
 

Kato starrte auf den Leib der leblosen Belial. Der Schnee auf ihrer Brusthöhe hatte sich blutrot verfärbt…
 

Ein Zittern überfiel den Sklaven und ein Bild blitze vor seinem inneren Auge auf. Auch hier lag der Hutmacher tot im Schnee, doch der Hauptunterschied bestand darin, dass dessen Bezwingerin lachend über dem Leichnam thronte und Kato mit unverhohlener Schadenfreude aus den Augenwinkeln musterte.
 

Das Bunny hob die reglose Form hoch und schleppte sie reichlich schwerfällig zum zweiten Marterpfahl herüber. Kato beobachtete das ganze mit schreckgeweiteten Augen. Sein Verstand war nicht mehr sicher, was gerade passiert war. Hatte tatsächlich das Bunny den Hutmacher derart kaltblütig erledigt, so wie er es sich für einen Moment eingebildet hatte?
 

Es war, als würden Albtraum und Realität überlappen, als er sah, wie der Leichnam hochgehievt und in derselben Position wie der seinigen an dem Holzpfahl festgebunden wurde. Aus einer grossen Brustwunde floss unaufhörlich Blut und färbte auch den Schnee zu Füssen des Hutmachers rot.
 

Kato brachte kein Wort heraus. Der Anblick dieser Szene, die Farbe des Blutes, hatte eine neue Assoziation in seinem Kopf geweckt. Er sah sich selbst auf blutrotem Schnee wandeln, der übersäht war von Toten…

Die Erinnerung an seinen Traum brach mit unbändiger Wucht über in herein, die Emotionen und Bilder kamen alle mit einem Mal zurück. Ein verzweifelter Schrei kam über seine Lippen und liess das Bunny sich erstaunt zu ihm umdrehen.
 

Warum passierte das? Warum war es wahr geworden? Es war bloss ein Traum! Der Hutmacher konnte nicht tot sein, er durfte nicht tot sein! Es war der Hutmacher!

Diese und unzählige weitere Gedanken stürmten auf Katos sowieso schon so labilen Verstand ein. Das Kartenhaus seiner Ängste brach über ihm zusammen und reduzierte ihn zum dem Bündel an Verzweiflung, das er auf Luzifers Schreibtisch gewesen war…

Wie konnte es sein, dass es wahr geworden war?

Doch das war noch nicht die Frage, die den Kern von Katos Panik bildete, sondern viel eher eine die er sich selbst noch nicht zu stellen wagte. Sie schwebte wie ein dunkeler Schatten über seinem Geist und stellte den Höhepunkt in diesem mentalen Fall ins Bodenlose dar…
 

…wenn der Tot des Hutmachers eingetreten war, würde dann auch alles andere, was er in seinem Traum gesehen hatte, Wirklichkeit werden?
 

Erneut blitzte das Bild der von Leichen übersäten, roten Ebene in seinem Geiste auf. Die Toten starrten ihn aus leeren Augen an und darüber erhoben sich ihre flüsternden, anklagenden Stimmen.
 

„Es ist deine Schuld“
 

Und dieses Mal ergab sich Kato der Anklage, denn er wusste, dass es tatsächlich seine Schuld war. Er war Schuld am Tod des Hutmachers, denn dieser war gekommen um ihn zu retten und dann deswegen gestorben. Es war seine Schuld. ALLES war seine Schuld…

Kato liess kraftlos den Kopf sinken. Er mochte nicht mehr, er wollte dass alles endete…
 

~~~
 

„Was ist denn mit dem los?“

Das Bunny zuckte zwar belanglos mit den Schultern, trotzdem lag etwas beinahe schon Besorgtes in dem Blick, mit dem sie Kato musterte.

„Wahrscheinlich hat der Anblick des Hutmachers ihm den Rest gegeben…“

Dann vollkommen unerwartet legte sie wieder ihr perfektioniertes Grinsen auf, „…aber da wir für das Ritual ja nur sein frisches Blut brauchen, muss er weder wach noch zwangsläufig lebendig sein.“

Die Gestalt im Umhang schien zustimmend zu nicken, entgegnete ansonsten aber nichts.
 

„Ich bin ja wirklich froh, dass Ihr Euch - trotz Eurer Wut auf den Herrn der Hölle - so gut unter Kontrolle hattet, nichts wirklich Unangebrachtes zu tun, als ich ihn zum ersten Mal zu Euch schickte.“ Der Satz war vollkommen beiläufig geäussert worden und das Bunny lächelte nach wie vor, trotzdem wurde der Vorwurf, der in dieser Aussage mitschwang, mehr als deutlich.

Der Herr der Fliegen trat einen Schritt zurück, als wolle er damit seinen Unmut gegenüber dieser Frechheit kundtun. Seine roten Augen musterten den unschuldig lächelnden Märzhasen warnend. „Er ist hier und lebt auch noch, somit steht der Durchführung des Planes nichts mehr im Wege.“

„Ja, er ist hier und der Hutmacher ebenfalls. Trotzdem kann ich nicht leugnen, ein gewisses Unbehagen darüber empfunden zu haben, als mir zu Ohren kam, wie ihr Luzifers Haustier bei seinem Besuch bei Euch behandelt habt. Schliesslich hatten wir uns doch – zugunsten des Planes- darauf geeinigt, dass ihr lediglich herausfinden solltet, ob er sich auch wirklich als Kandidat eignet… Von Foltern und Schänden war nie die Rede gewesen.“ Sie lächelte immer noch als würde sie über etwas vollkommen Belangloses reden.

Doch die Augen des Herrn der Fliegen sprühten wütend auf. „Pass auf, Weib, was du von dir gibst! Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt. Alles andere geht euch Nephilim-Pack nichts an.“
 

Als hätte es die Beleidigung nie gegeben, trat sie neben den Erzdämon. „Wenn Ihr sie erfüllt habt, dann ist es jetzt an der Zeit ihn mir zu geben…“ Der gespielt joviale Tonfall war einem fordernden gewichen, der die Bedeutung der Geste, mit welcher sie ihm gerade die blosse Handfläche hingestreckte, nur noch unterstrich.

Der Herr der Fliegen gab einen unwilligen Laut von sich, begann aber trotzdem etwas unter dem Stoff seines Mantels hervor zu kramen.
 

„..as i… eine Frechheit! Was erlaubt sich dieses Pa…“ Eine zeternde Stimme hallte über die weissen Hügel. Der ehemalige Märzhase und Lord Beelzebub starrten den gerade zu Tage geförderten Knochen an. In der Miene des Erzdämons lag ein gewisser Stolz, doch auf den Lippen der Nephilim zeichnete sich lediglich ein amüsiertes Grinsen ab.

„Ich verlange eine Antwort! Das ist Kidnapping… ach von wegen, SKULLnapping! Meister Luzifer-sama wird diesen Frevel nicht dulden!“ Die nicht enden wollende Tirade des Totenschädels fand doch eine jähe Unterbrechung als das Bunny den Stofffetzen löste, der über die leeren Augenhöhlen des Knochens gebunden war. Dieser hielt für einen Moment überrascht inne und schien sich ein Bild der Situation zu machen.

„Fräulein Märzhase, Sie hätte ich hier ja nun gar nicht erwartet… obwohl mir die Nachricht Ihres Verrates schon zu Ohren gekommen ist…“ Das Bunny zog ein unschuldiges Gesicht, während die Aufmerksamkeit des Schädels zum Herrn der Fliegen wanderte.

„Lord Beelzebub, wie können Sie nur? Ich war mir ja im Klaren darüber, dass das Verhältnis zwischen Ihnen und Meister Luzifer-sama nicht gerade zum Besten steht, trotzdem sollte Ihnen bewusst sein, dass ein Verrat nur noch schlimmere Konsequenzen nach sich ziehen wird. Ich hätte wirklich meeeehhh…“ Das Bunny hatte dem Schädel wieder die Hand über die nicht vorhandenen Augen geschlagen, denn offensichtlich schien Blindheit das einzige zu sein, womit man seinen Redeschwall stoppen konnte.

„Herr Sekretär…“ Sie äffte ganz genau den Tonfall des Schädels nach, „… wissen Sie warum Sie hier sind?“

Dieser schwieg für einen Moment und schien tatsächlich über die Frage nachzudenken.

„Nun, ich nehme an, dass Ihr Informationen erpressen wollt. Doch seid versichert, ICH würde meinen Herren niemals verraten, ich werde standhaft bleiben und… UÄÄÄÄHHHH!“
 

Der Herr der Fliegen betrachtete kritisch den Zahn, den er soeben aus dem fleischlosen Mund des Schädels herausgebrochen hatte. „Nein, Schädel… lass mich dir versichern, dass wir Mittel und Wege kennen, um dich zum Reden zu bringen. Wir werden dich ganz langsam, Stück für Stück in deine Einzelteile zerlegen bis nichts mehr von dir übrig ist. Na, wie wäre das?“ Es schien beinahe so, als würden die roten Augen des Erzdämons für einen Moment noch bedrohlicher glühen als sonst. Hätte der Schädel gekonnt, wäre ihm wohl jetzt ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen.
 

~~~
 

Kato starrte den Leichnam an. Die Schminke in Belials Gesicht war verlaufen, auf der linken Seite fast gar nicht mehr vorhanden. Ihr Körper hing schlaff in den Fesseln und übte eine grauenhafte Faszination auf den Sklaven aus. Einerseits löste der Anblick in ihm das Bedürfnis aus, laut loszuschreien, andererseits konnte er einfach nicht wegsehen. Das war die leibhaftige Verkörperung seiner Albträume.

Er selbst merkt schon gar nicht mehr wie fest er zitterte. Seine Gedanken hingen an dem Bild fest, das sich ihm bot, das seine Schuld und seine Ängste verkörperte… und schliesslich brach ein Schluchzen über seine Lippen. Er konnte es einfach nicht mehr zurückhalten, nicht verhindern, dass die erste heisse Träne über seine Wangen rollte…

Warum musste das alles passieren? Warum musste das alles IHM passieren? Er wollte nicht leiden… es sollte endlich aufhören! Es sollte alles aufhören… der Schmerz in seiner Brust, die Schuldgefühle, einfach alles sollte vergehen. Er wollte sterben…
 

Sein verschwommener Blick fiel auf das Blutgerinnsel zu Füssen des Hutmachers. Eigentlich hatte diese Assoziation in seiner schmerzerfüllten Weltsicht keinen Platz, trotzdem kam ihm für einen kurzen Moment der Gedanke, dass sich das Blut Belials immer mehr den Weg zur Bronzeschale bahnte, in der auch sein eigenes aufgefangen worden war. Wenn es so weiter ging, würde sich ihr beider Blut vermischen…

Kato wusste nicht warum, aber er fand diese Erkenntnis irgendwie tröstlich. Es war, als würde er dann nicht mehr ganz so allein sein… In seinem seltsamen, schmerzumnebelten Verstand machte das Sinn. Wenn sein und das Blut des Hutmachers eins würden in der Schale, dann würden auch sie eins werden… zumindest redet sich Kato das gerade ein. Er musste sich an einen Strohhalm klammern, er musste etwas haben, das ihm Halt gab… auch wenn es nur der Tod war.

Der dunkelrote Lebenssaft schwappte endlich über den Rand der Schale und bahnte sich dann vollkommen lautlos und – nach Katos Ansicht – quälend langsam seinen Weg nach unten.

Auch die zwei Personen ausserhalb des Kreises beobachteten das Geschehen aufmerksam. Es war, als würden auch sie darauf warten, dass sich das Blut ihrer zwei Gefangenen vermischte…
 

Und dann berührte der kleine rote Fluss den wartenden See von Katos Blut und…
 

Gleissendes Licht explodierte über der Szene, riss das Bunny und den Herrn der Fliegen von den Füssen, die blauen Blitze, welche den magischen Kreis formten, erloschen wie die Flamme einer Kerze im Wind.

Katos schaute bloss fasziniert zu. Das Licht hatte ihn umhüllt und es fühlte sich angenehm warm an. Erstaunlicherweise verspürte er in diesem Moment keine Angst, immerhin hatte er gewusst, dass das passieren würde, dass sie eins werden würden…

Ein etwas belämmertes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Hoffentlich war es das Ende…
 

Ausserhalb des erloschenen Kreises rappelten sich die zwei Zuschauer wieder auf.

„Das war ja heftiger als ich erwartet hatte … mit einer Engelsmutter scheint das Resultat wirklich besser zu werden.“ Sie betrachtete die Gefesselten und strich sich die mittlerweile wirklich wieder ganz offenen Haare hinter die Schulter. Dann ging sie auf Kato zu und löste seine Hände. „Herzliche Gratulation, Dummbeutel, du bist Papi geworden!“

Doch dieser reagierte nicht und starrte mit seltsam weggetretenem Blick in die Ferne. Das Bunny seufzte einmal, begann dann aber reichlich unsanft an den Schultern des Sklaven zu rütteln. „Los, reiss dich zusammen! Wir haben keinen Zeit für apathisches Getue!“

Als Kato dann immer noch keine Reaktion zeigte, trat der Herr der Fliegen von hinten an ihn heran. Er umfasst den Hals des Sklaven und presste ihn so ganz fest an seinen eigenen Körper. „Muss man dir erst Beine machen?!“

Das tiefe, bedrohliche Grollen der Stimme schien nun doch endlich den Geist Katos zu erreichen und liess seine Arme in einer plötzlichen Schutzreaktion nach oben schnellen und sich an seinen eigenen Hals legen. Doch der Herr der Fliegen gab bloss an abschätziges Geräusch von sich und stiess den Blonden wieder zum Bunny rüber.

Diese hatte ihn der Zwischenzeit auch die reglose Form des Hutmachers von Materpfahl gelöst und legte sie dem nun doch reichlich verwirrten Sklaven in die Hände.

„Trag sie!“
 

„Wie?... Was?...“ Kato war das alles irgendwie zu schnell gegangen. Er sah sich wieder in die Gegenwart gerissen, sein wunderbarer Traum von Vergehen zerstört. Rein aus Reflex hatte er den Leichnam sofort wieder losgelassen, sah sich aber mit der Erkenntnis konfrontiert, dass wenn er Belial nicht halten, ihr Körper auf dem Boden aufschlagen würde. Und das wollte er nicht, das wollte er auf keinen Fall! Also griff er sofort wieder nach und fing den fallenden Leib wieder auf.

Das Bunny nickte anerkennend.
 

Die vier stummen Wachen, die der ganzen Zeremonie wie Steingargoyles beigewohnt hatte, bauten sich nun um sie beide auf.

Kato nahm ihre plötzlich wiedergekehrte Präsenz allerdings kaum wahr, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, den heiligen Leib Belials irgendwie so hochzuhieven, dass er sie tragen konnte. Sie war grösser als er, was es dem Sklaven reichlich schwer machte, sie einfach ganz normal zu tragen. Also musste er sie in einem komplizierten Manöver auf den seinen Rücken bugsieren, damit er sie Huckepack nehmen konnte; das ganze natürlich ohne dass auch nur ein Zeh der Herrin der Hochmut den Boden berührte hätte…
 

~~~
 

Er trug sie. Weisse Hügel taten sich vor ihnen auf und die Sonne schien. Die Geräusche einer Schlacht drangen an Katos Ohr, doch es interessierte ihn nicht. Er war irgendwie weit weg mit den Gedanken.

Die vier Wächter gingen starr und stumm neben ihnen her, während das Bunny und der Herr der Fliegen die Spitze des Zuges bildeten.
 

Kato fragte sich, was das alles sollte. Wo führte das hin? Was würde aus ihm werden? Eigentlich wollte er nicht mehr weitermachen...

‚Reiss dich gefälligst etwas zusammen, du Emo...’
 

Was?! Wer hatte das gesagt?! Erstaunt hob er den Kopf und schaute sich um. Bisher hatte er nur wenig von dem was um ihn herum vorging mitgekriegt, doch diese Worte hatte er ganz deutlich vernommen.

‚Deine depressiven Gedanken sind wirklich eine Qual.’
 

Kato blieb verwirrt stehen. Wer zum Teufel redete da mit ihm? Das war nicht das Bunny, aber die Stimme klang trotzdem ziemlich weiblich.

„Was ist los?“ Das wirkliche Bunny hatte sich umgedreht und schaut den Sklaven mit leicht konsterniertem Gesichtsausdruck an.

‚Ah, du Trottel! Kannst du nicht mal Unbeteiligkeit vortäuschen. Du musst so tun, als würdest du nichts hören!’

Kato riss für einen Moment erschrocken die Augen auf, schüttelte dann aber verwirrt den Kopf und wandte den Blick vom Märzhasen ab. Das schien diesem als traumatisierte Reaktion wohl auch soweit zu genügen, dass sie sich wieder in Bewegung setzte. Auch Kato begann wieder zu marschieren, trotzdem konnte er es nicht verhindern ein paar nervöse Blicke hinter und neben sich zu werfen.
 

‚So, und jetzt hör einfach nur zu und tu sonst nichts! Ich bin nicht tot... und bevor du in deiner Konfusion auf die dumme Idee kommst, irgendwie laut auszurufen, versuch in GEDANKEN zu antworten, verstanden?’
 

In Katos Kopf hallten irgendwie die Worte in Gedanken und nicht tot nach und er verstand einfach nicht was damit gemeint war. Zögerlich erwiderte er: ‚WER bist du?’

‚Wer ich bin?!’ Die Stimme klang erbost, ‚Dich scheint’s wohl schlimmer erwischt zu haben, als ich bisher angenommen habe.’ Ein belehrendes ‚Tztz’ war zu vernehmen.
 

Kato war verwirrt... und dann plötzlich ging ihm ein Licht auf! Sein gesamter Körper spannte sich an, er wollte aufschreien und den reglosen Leib Belials von sich werfen, doch die Stimme kam ihm zuvor: ‚Tu jetzt nichts Dummes! Lass dir nicht anmerken, dass du mich hören kannst, denn wenn sie herausfinden, dass ich noch lebe, ist es endgültig um uns beide geschehen.’
 

Der Sklave musste einen dicken Kloss im Hals herunterschlucken, setzte aber seinen Weg ohne weitere Unterbrechung fort.

‚Hutmacher?’

‚Ja?’

‚Warum bist du nicht tot?’

Ein Seufzen war in Katos Geist zu vernehmen. ‚Also so schnell kann man uns Erzdämonen nun auch wieder nicht ausschalten. Es braucht schon ein bissen mehr, damit wir ganz verschwinden.’

‚Sollten sie...’ Kato starrte auf die Rücken der beiden Führer, ‚...das nicht auch erkennen?’

Für einen Moment erwiderte Belial nichts, doch dann kam die zögerliche Antwort: ‚Doch, eigentlich wissen sie das.’

‚Aber dann musst du etwas unternehmen!’

‚Nein, noch nicht. Ich bin noch nicht genügend regeneriert, um schon wieder kämpfen zu können. Es ist besser, wenn sie mich noch ein Weilchen für bewusstlos, oder wahlweise auch für tot halten.’

‚Aber...’

‚Nichts aber! Schweig und trag mich!’
 

Und Kato schwieg ausnahmsweise tatsächlich. Er starrte auf den schneebedeckten Weg zu seinen Füssen und fragte sich, was er gerade fühlte. War er froh darüber, dass der Hutmacher nicht tot war? Ja, irgendwie schon, aber trotzdem lag noch immer eine Bedrücktheit auf seinem Herzen, die nicht weichen wollte. Alles kam ihn ein wenig so vor, wie in einem wirren Traum. Er war nicht mehr ganz sicher, was real war und was nicht.

Da war dieser schreckliche Alptraum gewesen, den er in der Zelle gehabt hatte... und dann war ein Teil dieses Alptraumes wahr geworden. Deswegen war er nicht mehr sicher, ob vielleicht das Wiedererwachen Belials nicht auch ein Traum war und es nicht sein konnte, dass er jetzt dann jeden Moment wieder in die Realität gerissen wurde, nur um festzustellen, dass er sich wieder mal irgendwelchem Wunschdenken hingegeben hatte. Er hatte Angst, dass wenn er die Hoffnung in sein Herz liesse, er wieder enttäuscht wurde.
 

‚Ach, hör doch endlich mit dem Gewinsel auf. Das ist ja nicht auszuhalten...’
 

‚Wie bitte? D-Du bist noch da?’

‚Sicher bin ich noch da. Wir haben eine telepatische Verbindung.’

Kato musste nicht mal andeuten, das er keine Ahnung hatte, was das bedeute, denn Belial fuhr auch sogleich mit einem Seufzen in der Stimme fort: ‚Das heisst, ich kann deine Gedanken lesen.’

‚M-Meine Gedanken lesen?! Aber ich dachte, das kann nur Luzifer?!’

Das Bild des rot geschminkten Mundes des Hutmachers, der sich amüsiert nach oben kräuselte, erschien vor dem inneren Auge des Sklaven.

‚Oh, verglichen mit ihm bin ich natürlich ein untalentierter Wurm. Er kann die Gedanken einer jeden Seele in She’Ol lesen, egal wie ausgereift und talentiert deren Verstand auch ist oder wo sie sich gerade befindet. Ich hingegen muss sehr nahe beim Objekt meines Interesses sein und direkten Körperkontakt zu ihm haben. Wie zum Beispiel jetzt gerade, wo mein wunderschöner Kopf direkt neben deinem leeren liegt.’
 

Kato überging die Beleidigung. ‚ Dann weißt du…’

Wieder blitzte das Bild der leichenübersäten Schneehöhe auf, schwenkte dann zum besiegten Hutmacher und endete schliesslich beim Herrn der Hölle am Kreuz.

Belial erwidert erst nichts, gab dann aber mit einem tiefen Seufzen zurück: ‚Kato, das ist nicht echt. Die haben dich manipuliert, um deinen Geist zu brechen. Ich habe dir doch immer gesagt, du musst lernen, deine Gedanken und Gefühle besser nach aussen abzuschirmen.’

‚Aber?’ Das Bild des toten Hutmachers im Schnee schien sich fest im Geiste des Sklaven manifestiert zu haben.

‚Es war ein Zufall… ausserdem hatte ich sie schon besiegt, es war dieser elende Verräter Beelzebub, der mich von hinten zu Fall gebracht hat.’ Eine Welle der Wut durchflutete Katos Geist und dieser wusste instinktiv, dass diese Emotion nicht von ihm kam. Trotzdem konnte sie nicht übertünchen, dass da immer noch dieser graue Schleier der Depression über seinem Gemüt lag, der sich einfach nicht lichten wollte.
 

‚Du lässt sie gewinnen, indem du sie deine Gefühle beherrschen lässt…’ Der angeschlagene Tonfall klang plötzlich um einiges ernster.

‚Wie?...’

‚Es spielt keine Rolle, ob diesem Traum irgendetwas Prophetisches zu Grunde liegt, oder nicht. Wichtig ist bloss, dass er dir nicht deinen Willen zu kämpfen, etwas zu verändern oder eben die Prophezeiung nicht wahr werden zu lassen, raubt.’

‚Aber was kann ich schon tun? Ich bin doch bloss ein Sklave, eine Geisel. Ich bin absolut machtlos…’ Kato starrte stoisch auf seine Füsse, während sie regelmässigen vorwärts stampften.

‚Dann ist dein Schicksal wohl Luzifers Schreibtisch… auf dass du dort in ewigem Schmerz vergehst…’ Dann kam nichts mehr und Kato war sich sicher, dass sich der Hutmacher wohl wieder aus seinem Geist ausgeklinkt hatte. Trotzdem rangen ihre Worte nach…
 

…auf dass du dort in ewigem Schmerz vergehst…
 

War es nicht das, was er gewollt hatte? Vergehen… Aufhören zu sein… Vergessen… Nicht mehr fühlen? Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt. Die Frage war irgendwie wichtig, das wusste er. Was wollte er eigentlich?
 

Luzifer hatte ihm zwar eingebläut alles zu akzeptieren, was man ihm auferlegte, aber wenn er alles akzeptierte, würde das in der Aufgabe seiner Selbst bedeuten.

Er wollte nicht dass der Traum wahr wurde. Er wollte nicht auf Luzifers Schreibtisch enden.

Er wollte nicht…
 

TBC

Kapitel 42

„So, wir sind daaa~“ flötete das Bunny und drehte sich mit einem übertrieben freudigem Lächeln auf den Lippen zu Kato um. Dieser sah sich aus seinen düsteren Überlegungen gerissen und erblickte hinter dem, geradezu in einer präsentierenden Pose dastehenden, Märzhasen ein Zeltlager.

Zwischen den erstaunlich flachen, sich farblich kaum von der Landschaft abhebenden Zelten, eilten immer wieder vereinzelt Leute hindurch, die den Neuankömmlingen aber kaum Beachtung schenkten. Kato kam kurz der Gedanke, dass die alle reichlich menschlich aussahen und die Monstergeschichten über die Nephilim wohl wirklich nicht stimmten. Irgendwie empfand er das als… erleichternd.
 

Das Bunny führte sie etwas in das Lager hinein und deutete dann auf ein etwas grösseres Zelt, vor dem sich bereits zwei der grauen Wachen positioniert hatten. „Bring sie da rein und mach’s dir dann selbst gemütlich. Das sind unsere Logenplätze.“

Kato überging die Bemerkung stumm und tat überraschend widerstandslos wie ihm geheissen wurde. Behutsam liess er den reglosen Köper des Hutmachers auf den mit Fellen bedeckten Boden gleiten, während das Bunny hinter ihm im Eingang stehen blieb und die Szene aufmerksam beobachtete.
 

„Bist du immer noch traurig?“ Die Frage kam unerwartet. Kato wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Die Tatsache, dass Belial noch lebte, sorgte sicher dafür dass es ihm wieder etwas besser ging; andererseits war es wohl auch besser für ihn, wenn der Märzhase das nicht wusste.

Also wandte er den Blick in eine andere Richtung. Wenn er versuchte sie anzulügen, würde sie es sicher durchschauen – aus irgendeinem Grund durchschaute sie es immer.
 

Ein Seufzen war zu vernehmen. „Du solltest solche Gefühle nicht an sie verschwenden. Ihr ist eigentlich völlig egal was mit dir passiert. Der einzige Grund, warum sie gekommen ist, um dich zu retten, war, weil sie ihren Stand beim Höllenfürsten wieder etwas aufpolieren wollte… es geht ihr gar nicht um dich.“ Im gleichen Zug streckte sie ihren Zeigefinger gen Hutmacher aus, woraufhin dessen Arme in einer geradezu brutalen Geste nach hinten schnappten und dort in einer Position festgehalten wurden, als wären sie durch unsichtbare Fesseln gebunden.
 

Kato schreckte zusammen. Er war sich nicht sicher, ob es mehr die Tatsache war, dass das Bunny dem Hutmacher also durchaus zutraute, wieder zu sich zu kommen, oder eher ihre Worte…

Mit einem verdrossenen Gesichtsausdruck blickte er sie an. „Ach, und dir geht es um mich? Hast du mir nicht vorhin in der Zelle noch gesagt, dass in einem Krieg halt manchmal Opfer gebracht werden müssen? Du tust zwar so, als würde ich dir etwas bedeuten, trotzdem unternimmst du nichts um mir zu helfen!“
 

Schweigen folgte. Kato konnte das Gesicht des Bunnys gegen das Licht, das sie von hinten beschien und so nur ihre Silhouette sichtbar machte, nicht erkennen. Dann kam die ruhige Antwort: „Ja, ich bin eine Heuchlerin, nicht wahr? Aber weißt du, Kato-kun…“ Sie trat nun endgültig in das Zelt hinein und ging auf die gegenüberliegende Seite, wo sie mit einer legeren Bewegung eine Lederabdeckung zur Seite schlug, so dass die Sicht nach draussen auf die weisse Schneelandschaft frei wurde. „… ich mag dich.“

Dann wandte sie sich wieder zu ihm um und diesmal konnte der Sklave erkennten, dass sie lächelte. Es war ein warmes Lächeln, dass sie sehr mit dem kalten Licht brach, das ihre Züge beschien.
 

Kato musste schlucken. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Aber er bekam auch nicht die Gelegenheit sich weiter Gedanken darüber zu machen, denn sie nahm sogleich den Faden wieder auf, indem sie auf das Fenster deutete. „Wie ich bereits sagte, kriegst du den Logenplatz. Geniess die Aussicht, denn es werden sich monumentale Dinge ereignen.“

„W-Was?!“

Doch sie schritt schon wieder Richtung Ausgang. Halb draussen erwiderte sie aber noch, Kato den Rücken zugewandt: „Aber ich verspreche dir, ich werde es schnell tun…“
 

Kato starrte auf das Tuch, das sich hinter dem Bunny über den Ausgang gelegt hatte und verstand gar nichts mehr. Was hatte sie gemeint mit ‚sie würde es schnell tun’ und was sollten diese ‚monumentalen Dinge’ sein?

Sein Blick wanderte zum Fenster. Ein langes, weisses Tal, das von beiden Seiten von flachen Hügeln gesäumt wurde, bot sich ihm dar. Sein weiss-kaltes Licht schien in das ansonsten dunkle Zelt wie eine göttliche Warnung. Doch Kato sah es nicht wirklich, er war viel zu sehr in seinen eigenen Gedanken gefangen.
 

Neben ihm erklang ein leises Rascheln, das seine Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkte. Belial lag da, gefangen in dieser verkrüppelten Pose, doch ihre Augen waren offen und sie durchbohrten Kato mit einem Blick, der ihn automatisch zusammenfahren liess.

Ja natürlich, wie hatte er den Hutmacher vergessen können?! Schliesslich konnte dieser die Telepathie ja nur dann anwenden, wenn er direkten Körperkontakt hatte!

Kato robbte näher, streckte seine Hand nach ihrem Oberarm aus und hielt dann aber im letzten Moment inne. Er war kein Fan von Berührungen…vor allem nicht beim Hutmacher.

Er wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte es ihm jedes Mal, wenn er und die Erzdämonin sich so nahe gewesen waren, einen kalten Schauer über den Rücken gejagt. Es war ein Gefühl, als betrete man eine Sperrzone.

Kato schüttelte unwillig den Kopf und begegnete gleichzeitig den saphirblauen Augen des Hutmachers, die ihm in zusammengekniffenem Zustand zu symbolisieren schienen, dass er endlich vorwärts machen sollte. Also schluckte er den Kloss in seinem Hals herunter und legte seine Hand auf den Oberarm der Gefesselten…

‚Du bist wirklich eine schreckliche Mimose… dass Luzifer-sama noch nicht die Geduld mit dir ausgegangen ist, grenzt geradezu an ein Wunder.’

‚Dir scheint’s ja wieder gut zu gehen…’

‚Sehe ich aus als würd’s mir gut gehen?’ Sie hob demonstrativ ihre auf dem Rücken zusammengehaltenen Arme etwas an, und Kato musste zugeben, dass der Hutmacher tatsächlich schon ein besseres Bild abgegeben hatte: Der berühmt-berüchtigte Hut war nämlich gar nicht mehr vorhanden, das rote Haar hing wirr und verklebt in ihr Gesicht und die Schminke war derart verwischt, dass an vielen Stellen die rosige Haut hervorbrach.

Kato kam bei dem Anblick der Gedanke, dass er sich einst die Frage gestellt hatte, wie Belial wohl ohne das Clowns-Make-up aussehen würde. Doch mittlerweile war er sich nicht mehr so sicher ob er darauf eine Antwort wollte, denn das was sich abzeichnete, war auch bloss Schwäche… sie war schwach… sie hatte weder ihn noch sich selbst retten können…
 

Ein harter Zug bildete sich um ihren Mund, während sie den, in seine eigenen Gedanken abgedrifteten, Sklaven so musterte.

‚Wag es bloss nicht, mich und dich auf dieselbe Stufe zu stellen!’

Kato wurde von diesen harschen Worten wieder in die Realität gerissen und sah sich mit dem eiskalten Blick Belials konfrontiert.

‚Es ist noch lange nicht vorbei… Du lässt deine Ängste und Verzweiflung Oberhand nehmen, weil du dich schwach und verraten fühlst. Doch man darf nicht einfach so hinnehmen, was einem auferlegt wird. Man muss kämpfen, sich wehren… jene bestrafen, die einem Schmerzen zugefügt haben und ihre Existenz auslöschen!’
 

Kato erwiderte nichts. Die Worte hallten in seinem Kopf nach und hinterliessen trotzdem nur Leere. Dann, nach unendlich langer Zeit, so erschien es ihm, antwortete er: ‚Aber ich will sie nicht bestrafen… ich will ihr nicht wehtun.’
 

‚Wie kannst du so etwas nur sagen…’ Für einen Moment hatte der Sklave den Eindruck, dass in diesen Worten auch etwas Melancholisches mitschwang. ‚…schliesslich hat sie dein Vertrauen ausgenutzt, um dich zu entführen und dann an diesen Ort bringen zu können. Sie hat dir deine Alpträume, Ängste und Schmerzen nicht erspart, obwohl sie es gekonnt hätte. Also, lass dich von ihren süssen Worten nicht einlullen…von wegen, die mag dich… sie will dich bloss gefügig machen!’
 

Katos Blick war wieder auf das Fenster gerichtet. Er wusste, dass der Hutmacher Recht hatte und fühlte trotzdem, dass die Worte nicht gerechtfertigt waren. Leise erwiderte er: ‚Und was ist mit dir? Fühlst du dich nicht von ihr verraten... Immerhin war sie deine Untergebene? Ausserdem, wenn du schon Gedanken lesen kannst, warum wusstest du dann nicht, dass sie – das Wort wollte ihm nicht über die Lippen – böse ist?’

Ein erneutes Rascheln erklang. Belial schien sich in ihrer unvorteilhaften Position etwas mehr in Katos Richtung zu drehen. ‚Ich kann Gedanken lesen, ja. Aber wie du selbst feststellen durftest, nur bei direktem Körperkontakt…und mal abgesehen davon, dass die Gedanken der meisten Leute nicht besonders interessant sind, ist genau das der Punkt, der mir zuwider ist…’

‚Du fasst nicht gern Leute an?’ Sein Blick hing immer noch an der weissen Landschaft ausserhalb des Zeltes.

‚Nein, ich lasse mich nicht gern von ihnen anfassen.’

Nun wandte sich Kato ihr wieder zu und murmelte: ‚Mag ich auch nicht.’
 

Stille kehrte ein zwischen den beiden. Ihre Gedanken waren verbunden und trotzdem schien es nichts mehr zu geben, dass sie momentan miteinander teilen wollten.

Dann - beinahe schon plötzlich – meinte Kato: ‚Du hast meine Frage gar nicht beantwortet… wie du dich fühlst, meine ich… weil sie auch dich verraten hat…’

Ein tiefes Seufzen war zu vernehmen. ‚Dass es dir aufgefallen ist…’

‚Bitte?’

‚Ach nichts… Eigentlich tut es nichts zur Sache, was ich fühle. Ich habe für meine Fehler gebüsst und nun ist es an ihr, für die ihrigen die Konsequenzen zu tragen…’

‚Dann wirst du sie nicht davonkommen lassen?’

‚Ganz bestimmt nicht.’
 

Kato nickte stumm. Eigentlich hatte er keine andere Antwort erwartet. Sein Blick glitt wieder zum Fenster. Das Bunny hatte gesagt, das hier seien die Logenplätze, würde also dort in diesem Tal etwas geschehen?

Bisher war eigentlich alles ziemlich ruhig gewesen. Der Schnee lag wie ein dämpfendes Tuch über allem und liess auch keine Geräusche mehr an das Ohr des Sklaven dringen. Kato fragte sich, wie es wohl gerade um die Schlacht bestellt war. Waren sie am Gewinnen? Am Verlieren? Und wie ging es… Luzifer?

Eigentlich mochte Kato den Gedanken an ihn nicht. Er machte sich keine Sorgen um den Höllenfürsten, nein, ganz bestimmt nicht. Er war lediglich darum besorgt, dass wenn Luzifer verlor, er wohl endgültig alle Hoffnung hier wieder lebendig herauszukommen begraben konnte – zumindest versuchte sich das der rationale Teil von Katos Gehirn einzureden.
 

‚Wenn du willst, dass wir gewinnen, dann solltest du deinen Teil dazu beitragen.’

Kato schreckte auf. Die Bemerkung des Hutmachers war für ihn unerwartet gekommen. Er hatte schon ganz vergessen gehabt, dass seine Hand immer noch auf ihrem Arm lag und sie folglich jeden seiner Gedankengänge hatte mitverfolgen können.

Mit einer hastigen Geste zog er sie weg und musste gleichzeitig feststellen, dass er Belial so ja nicht mehr zur Schnecke machen konnte, ohne dass man sie draussen hörte.

Also platzierte er seine Hand fast genauso schnell wie er sie weggezogen hatte, wieder an derselben Stelle wie zuvor.

‚Weißt du, gerade vorhin wollte ich dir ein Kompliment machen, dass du doch mehr denkst, als ich bisher angenommen hatte. Aber damit hast du gerade das Bisschen, das ich an guter Meinung über deinen Intellekt aufgebaut hatte, wieder zunichte gemacht.’

Kato verdrehte die Augen. ‚Könntest du bitte einmal ohne lange Umschweife zur Sache kommen… Wie bitte soll ich meinen Teil dazu beitragen? Ich dachte, es wäre uns beiden klar, dass ich zu schwach bin, um etwas gegen die Nephilim ausrichten zu können.’

‚Und ich dachte, du hättest den Entschluss gefasst, nicht wie ein schwächliches, ergebenes Häufchen Elend in der Verzweiflung enden zu wollen…’
 

Kato atmete tief ein, und wieder aus, und wieder ein. Ja, sie hatte Recht. Er hatte sich gesagt, nicht im ewigen Nichts seiner gepeinigten Seele untergehen zu wollen… aber wie, wie bitteschön sollte er ihnen helfen können? Er sah keine Antwort auf diese Frage, denn egal wie er es drehte und wendete, bei einer Konfrontation würde er immer den Kürzeren ziehen.

‚Eigentlich hatte ich gedacht, dass du Konfrontationen vermeiden und stattdessen unauffällig fliehen solltest…’ Ein Grinsen hatte sich auf das Gesicht des Hutmachers geschlichen und ihren Augen funkelten gefährlich.

Der Sklave beäugte sie misstrauisch. Dieser Gesichtsausdruck verhiess normalerweise nichts Gutes. ‚Fliehen? Wie denn?’

‚Nun, mein Plan sah in etwas so aus, dass ich etwas Krawall veranstalte und damit die Wachen ablenke, so dass du durch dieses wunderbare Fenster fliehen kannst…’

‚Aber das wird doch sofort auffliegen?!’ Katos kritisch hochgezogener Augenbraue war anzusehen, was er von dem Vorschlag hielt.

‚Nein, wird es nicht, weil du nicht weg sein wirst – zumindest nicht in den Augen der Wächter.’

‚Hä? Ich verstehe nicht so ganz worauf du hinaus willst…’

Belial gab ein abschätziges Geräusch von sich, fuhr dann aber fort: ‚Ich kann Illusionen erzeugen. Der Bote, den du auf dem Hügel mit den Marterpfählen gesehen hast, war auch eine davon. Dass ich diese Fähigkeit besitze, ist den meisten Dämonen zwar durchaus bekannt, aber solange der Märzhase hier nicht persönlich auftaucht, sollten diese Wachen eigentlich nicht durchschauen, dass du gar nicht mehr hier bist.’

‚Aha…’ es klang immer noch mehr als kritisch.

‚Hör auf so misstrauisch dreinzuschauen! Mein Verstand ist dem deinen in so vielen Aspekten überlegen, so dass du einfach nur tun musst, was ich dir sage!’

‚Und spielt die Tatsache, dass ich deinen Plan für nicht gerade wasserdicht halte denn gar keine Rolle? Es gibt nämlich bis jetzt drei entscheidende Punkte, die mich irritieren...’ Er warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, ‚… Erstens: Wo gehe ich hin, wenn ich geflohen bin? Zweitens und eigentlich wichtiger: Was mache ich, wenn ich gar nicht so weit komme und vorher von nem Nephilim zur Rede gestellt werde? Und drittens: WARUM ZUM TEUFEL KANNST DU DAS NICHT SELBER MACHEN?!’
 

Es war nicht zu übersehen, dass der Sklave sich deutlich in die Sache reingesteigert hatte und nun doch ziemlich aufgewühlt war. Umso nonchalanter erwiderte die Herrin der Hochmut deswegen: ‚Also ich kann es offensichtlich nicht tun, weil ich immer noch verletzt bin und aufgrund deiner mangelnden Astralkräfte wir kein Ablenkungsmanöver hätten. Folglich würde ich viel schneller entdeckt werden und eine Konfrontation wäre praktisch unvermeidbar, die ich in meinem jetzigen Zustand wohl nicht gewinnen könnte.’ Es war alles in einem derart leichten Ton runtergeleiert, dass Kato wieder nur mit den Augen rollen konnte. Manchmal hasst er den Hutmacher und seine Besserwisserei einfach…

‚Das ist keine Besserwisserei, ich weiss es einfach schlichtweg besser als du… was aber keine besonders bemerkenswerte Leistung ist, bei deinem mickrigen Verstand als einzigem Vergleichspunkt…’ Sie lächelte böse und Kato mochte irgendwie nichts mehr erwidern.
 

‚Was genau soll ich also tun?’

‚Nun, du hast doch diesen Mantel vom Märzhasen gekriegt…’

Etwas überrascht vergrub der Sklave seine Hände in dem schwarzen Stoff und nickte vorsichtig. Er hatte, seit er ihn in der Zelle vom Bunny gekriegt hatte, keinen Gedanken mehr an diesen Mantel verschwendet, obwohl er ihn seither immer so halbwegs warm gehalten hatte.

‚Ist dir nicht aufgefallen, dass alle Nephilim mehr oder weniger denselben tragen?’

Kato verzog das Gesicht und sparte sich eine Antwort. Es war ihm nicht aufgefallen…

Der Hutmacher seufzte theatralisch, fuhr aber trotzdem fort: ‚Ich werde für etwas Krawall sorgen und dann deine Gestalt annehmen, so dass, wenn dann die Wachen hereingestürmt kommen, sie nicht merken, dass du gar nicht mehr da bist. Du wirst währenddessen, durch das Fenster aussteigen, dich tief in deinen Mantel hüllen und versuchen so unauffällig wie möglich dieses Lager zu verlassen und Luzifer zu finden.’
 

An sich hörte sich der Plan in Katos Ohren gar nicht mehr sooo schlecht an. Aber es gab da trotzdem noch einige Punkte, die ihm zu schaffen machen. Er konnte sie zwar nicht genau benennen, trotzdem war ihm einfach nicht wohl bei der Sache…

Skeptisch kaute er auf seiner Unterlippe rum. Der Hutmacher schaute ihm dabei abwartend zu.

‚Was ist?’

‚Ich weiss nicht… Irgendwie klingt das alles zu einfach… Und UND…’ Kato fing wie wild an mit seinem Finger zu wedeln. Ihm war gerade ein grosser Fehler aufgefallen!

‚…was ist mit den Wachen?! Wenn die reinkommen und nur noch eine Person hier ist, werden die doch trotzdem misstrauisch… auch wenn das ich bin.’
 

Belial betrachtete ihn mit einem vernichtenden Blick. Er schien zu sagen du bist so ein riesen Idiot!

‚Denkst du ernsthaft, dass ich mir dessen nicht bewusst bin? Wie ich vorher schon betont habe, bin ich viel intelligenter als du… warum überlässt du das Denken dann nicht einfach mir?’
 

Kato schaute sie irritiert an. Er fand seinen Einwand durchaus berechtigt. Doch der Hutmacher rollte bloss genervt mit den Augen. ‚Hörst du mir eigentlich zu? Ich hab doch gesagt, dass ich Illusionen erschaffen kann. Ich werde mich in dich – was ich übrigens als riesengrosse Diffamierung meiner Person betrachte, also sei dankbar, dass ich mich zu so etwas herablasse – verwandeln und eines dieser netten, flauschigen Felle, die hier so wunderbar den Boden schmücken, in mich. Da die Idioten draussen immer noch denken, ich sei bewusstlos, spielt es folglich keine Rolle, wenn es sich nicht bewegen kann.
 

Kato hatte den Finger immer noch in der Luft und liess das Gehörte noch mal in seinem Geiste Revue passieren. Ok, es klang vernünftig… so halbwegs. ABER….!

Er wusste nicht, ob er sich traute diesen Einwand auch noch vorzubringen, immerhin taxierte ihn der Hutmacher schon wieder so gefährlich.

‚Was ist mit deinen Fesseln?’ es klang reichlich kleinlaut.

‚Oh, die…’ Der Gesichtausdruck der Erzdämonin entspannt sich augenblicklich wieder und sie richte sich mit einer gelassenen Bewegung in eine sitzende Position auf. Einen Augenblick später zog sie ihre vorher gefesselten Hände nach vorne und begann sich die Gelenke zu reiben. ‚Der Märzhase ist nicht schwach… aber auch nicht ausserordentlich stark. Wie ich bereits sagte, im Normalfall hätte ich sie besiegt.’
 

Kato beobachtete den ganzen Vorgang mit grossen Augen und kam sich irgendwie wieder mal reichlich verarscht vor. Warum machte er sich überhaupt Sorgen um den dummen Hutmacher?!

Dann plötzlich fiel dein Blick auf die immer noch leicht blutende Brustwunde und den roten Fleck, den sie auf dem Boden hinterlassen hatte. Zögerlich erwiderte er: ‚Bist du sicher, dass es dir gut genug geht?’
 

Doch Belial entgegnete nichts und beugte sich stattdessen nur vor, so dass sie dicht neben dem Ohr des Sklaven war. Und zum ersten Mal seit dem Kampf auf dem Hügel hört er wieder ihre Stimme in seinen Ohren und nicht in seinem Geist. Es war ein leises, aber dafür umso unheilvoller gehauchtes „Ja“.
 

TBC

Kapitel 43

Ok, er war selbst überrascht, wie gut es gelaufen war. Es hatte zwar erst noch ein kürzeres Hin und Her betreffend der Frage, wie er Luzifer denn überhaupt finden sollte, wenn er erstmal draussen war, gegeben. Doch Belial hatte bloss berechnend geantwortet, dass die höllischen Heerscharen bei einem Punkt nördlich von hier in das zwischendimensionale Kontinuum eingedrungen waren und dass er folglich einfach nach Norden gehen sollte.

Kato hatte zwar überhaupt keinen Plan wo Norden lag, dafür hatte er aber den Hutmacher in jenem Moment ein wenig bewundert, dass der, obwohl er sich die ganze Zeit während ihrer Wanderung bewusstlos gestellt hatte, immer noch wusste aus welcher Richtung sie gekommen waren… nicht dass Kato das je zugegeben hätte.
 

Also hatten sie, wie abgesprochen, etwas Krach veranstaltet und während die Wachen vorne reinstürmten, war Kato durch das Fenster abgehauen. Tief in seinen Nephilimmantel gehüllt, wanderte er seither zwischen den Zelten umher. Ein paar Mal hatte er in der Ferne einzelne Nephilim ausmachen können und jedes Mal wäre er vor Nervosität beinahe gestorben. Doch bisher hatte keiner Anstalten gemacht, sich ihm zu nähern oder ihn gar anzusprechen. Die Nephilim schienen alle irgendwie geschäftig und nicht wirklich gewillt, sich mit dieser verhüllten Gestalt auseinanderzusetzen.

Kato hatte sowieso den Eindruck, dass es jetzt weniger waren als zum Zeitpunkt ihrer Ankunft.

Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass er es vermied direkt auf Gruppen zuzusteuern und sich auch eher dem Rand des Zeltlagers entlang schlich.
 

Er seufzte und strich sich die lange Kapuze etwas nach hinten. Er durfte sie nicht abnehmen, war wahrscheinlich nicht gut, wenn man sein blondes Haar sehen konnte, aber trotzdem nervte sie ihn, wenn sie ihm die Sicht blockierte. Ungeschickt wurstelte er mit dem Stoff herum, doch plötzlich hielt er inne…
 

Ein Horn war zu vernehmen. Sein Ruf klang über die kargen Schneehügel und blitzartig kam Leben in das vorher so stille Lager. Aus den Zelten stürmten Nephilim heraus. Nur ein paar Schritte vor Katos derzeitiger Position wurde ebenfalls energisch die Lederabdeckung zur Seite geschlagen und heraus kam im Laufschritt ein schwarzbemantelter Kerl!

Dem Sklaven gefror das Blut in den Adern. Er sah sich schon entdeckt und versuchte aus den Augenwinkeln die beste Fluchtmöglichkeit auszumachen, als der Nephilim doch tatsächlich vor ihm stehen blieb.

„Du da! Worauf wartest du?! Das war das Zeichen für die Verstärkung nachzurücken! Also trödle hier nicht rum!“

Kato konnte nichts antworten. Wie angewachsen starrte er zu dem grossen Kerl hinauf, dessen Gesicht von vielen Narben geziert wurde. Seine Erscheinung trug das Übrige dazu bei, dass Kato orientierungslos einen Schritt rückwärts stolperte. Der Nephilim verengte misstrauisch die Augen. „Dich hab ich hier noch nie gesehen. Gehörst du wirklich zum Verstärkungstrupp?“

„Ähhh…“ Das war nun endgültig der Punkt, wo er Panik kriegte. „…doch.“

Seine Augen glitten hastig von der einen zur anderen Seite, verzweifelnd nach Irgendetwas, das ihn vielleicht retten konnte, suchend.

„Ich wollte nur… nur noch…“ Er tapste noch einen weiteren Schritt rückwärts…und dann stach es ihm ins Auge. Seine Rettung!

„…meine Axt holen!“ Kato griff nach einer rostigen, alten Axt, die untätig an einer Zeltwand lehnte und nur darauf zu warten schien, vom Sklaven als Ausrede missbraucht zu werden. Der Nephilim musterte den immer noch reichlich nervös wirkenden Kleineren kritisch, wandte sich dann aber um. „Also, dann komm. Jetzt wird jeder Mann gebraucht.“ Kato nickte und machte sich daran dem Anderen zu folgen.
 

In seinem Kopf tobte es gerade. Scheisse Scheisse SCHEISSE!!!

Was war da gerade eben wieder passiert?! Wo hatte er sich da bloss wieder reingeritten. Er hätte abhauen sollen, solange er noch konnte. Keine Sau würde ihm abkaufen, dass er ein Nephilim war. Nicht mit dieser uralten Axt, die beinahe auseinander fiel und ausserdem…
 

Kato blickt auf. Ihm war gerade eine erschreckende Erkenntnis gekommen. Eigentlich hatte er sich geistig vorwerfen wollen, dass die Type doch an seinen Augen erkennen musste, dass er kein echter Nephilim war… aber er hatte ihm schon in die Augen gesehen und nicht mit der Wimper gezuckt. Ausserdem - und das war der verwirrendere Teil - waren die Augen von dem Kerl auch nicht schwarz gewesen, sondern hatten ganz normal ausgesehen, mit einer blauen Iris!

Das wurde immer bizarrer… Als ob seine momentane Situation nicht schon schlimm genug war, wollte ihn dieser Gedanke nicht mehr loslassen. Er musste – nein, er wollte - unbedingt wissen, was es mit diesen Augen auf sich hatte… Irgendwie hatte er das seltsame Gefühl, dass das wichtig war…
 

Er hastete seinem seltsamen Führer hinterher, der ein ziemliches Tempo angeschlagen hatte, und seine arme Lunge schon ziemlich zu strapazieren begann. Kato spielte mit dem Gedanken, dass der Kerl vielleicht gar kein richtiger Nephilim war und sich hier ebenfalls nur eingeschlichen hatte… Aber nein, das machte keinen Sinn, wenn man den Fakt bedachte, dass er hier ja ziemlich unverhüllt, seine seltsamen Augen offen zur Schau stellend, ohne Kapuze herumrannte.

In seinen Überlegungen gefangen, wäre der Sklave beinahe in seinen Vordermann gekracht, als dieser abrupt stehen blieb. Keuchend hielt auch Kato inne und sah sich plötzlich mit einer ziemlich grossen Gruppe von Nephilim konfrontiert, die sich hier am Ausgang des Zeltlagers eingefunden hatte. Etwas vor ihnen stand ein einzelner Typ auf einem Podest und redete heftig gestikulierend mit der Masse.

Kato atmete tief durch und versuchte seinen rasselnden Atem wieder etwas unter Kontrolle zu bringen. Konnte doch nicht sein, dass ihn das bisschen Gerenne gleich so überforderte. Ausserdem durfte er verdammt noch mal nicht auffallen! Also richtete er seine Aufmerksamkeit ebenfalls auf den Redner. Er konnte zwar nicht wirklich verstehen, was gesagt wurde, weil er zu weit weg und das Gemurmel unter den Zuhörern zu laut war, aber als dann plötzlich alle mit einem reichlich undezenten Schrei ihre Arme hoch rissen, war auch für Kato klar, dass es jetzt losging!
 

Die Masse begann sich in Bewegung zu setzen und er konnte gar nicht anders als mitlaufen. Es war als ob er von einer Welle mitgerissen wurde und jede Bewegung in die andere Richtung seinen sicheren Untergang bedeutet hätte.

Seinen vernarbten Führer von vorhin hatte er im Gewühle auch wieder verloren, aber Kato war alles andere als unglücklich darüber. Wenn der Kerl ihn aus den Augen gelassen hatte, hiess das wohl, dass er ihn tatsächlich für einen Nephilim hielt…

Erfreut über diesen kleinen Triumph, umklammerte er seine Axt etwas fester. Der Verstärkungstrupp bewegte sich den Hügel hinauf, an dessen Hang das Zeltlager aufgebaut war. Die beige-weissen Stoffburgen wurden in der Entfernung immer undeutlicher und Kato wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Immerhin hatte der Hutmacher gesagt, er solle nach Norden gehen, und da der Kiffer nicht wusste, wo Norden lag, war die Anweisung mit einem ‚den Hügel rauf’ noch spezifiziert worden. Genau das tat er jetzt, nur war weder in seiner Planung und wahrscheinlich auch nicht in jener des Hutmachers eine Horde wilder Nephilim eingeschlossen gewesen.
 

Er musste irgendwie raus aus dieser Truppe, und zwar unauffällig. Nur wie?

Kato versuchte unbemerkt zur Seite zu linsen, doch wieder mal kam ihm die zu lange Kapuze und die Tatsache, dass er neben den vielen anderen bemantelten Nephilim nicht zu kampfesunlustig erscheinen wollte, in die Quere. Sie stiegen immer noch im Laufschritt den Hang hoch und Kato hatte den Eindruck, dass wenn er hier wie ein Tourist in der Gegend rumglotzte, würde das unter Umständen nicht so gut aufgenommen werden.

Und dann geschah es! Als er gerade wieder versucht hatte, einen Blick auf das zu erhaschen, was sich hinter der bewegenden Wand von Nephilim verbarg, stolperte er über den Saum seines Mantels und….
 

…wäre gefallen, hätte ihn nicht von hinten etwas umfasst.

Kato schaute verwirrt an sich herunter und erkannt einen muskulösen, beharrten Arm, der sich um seine Taille geschlungen hatte. Mit verzogenem Gesichtsausdruck blickte er über seine Schulter und sah sich geradewegs mit dem grinsenden Antlitz eines weiteren, schlecht rasierten, Kerls konfrontiert.

„Pass auf, Kleiner. Wär’ scheisse, wenn du dir so kurz vorm Ziel das Genick brichst.“
 

Während die Worte bei Kato noch am Einsickern waren, wurde er auch schon wieder auf die Füsse gestellt und mit einem kleinen Schubs angetrieben. Der Kerl positioniert sich vor ihm und deutete mit einer Kopfbewegung an, dass er vorwärts machen sollte.

„Ich hab dich hier noch nie gesehen. Bist du von den westlichen Gefilden?“

„Ähhh…“ Kato hatte absolut keine Ahnung – schon wieder nicht. Eigentlich war er überzeugt davon gewesen, dass es ihn diesmal ganz sicher erwischt hatte.

„…Ja“ erwiderte er mit einem gequälten Lächeln und erwartete, dass der Nephilim ihm an die Gurgel springen und seiner mickrigen Existenz endlich ein Ende bereiten würde.

„Dacht ich mir schon. Du siehst nicht aus, als hättest du was mit diesem verlogenen Inner Circle am Hut.“ Der Kerl lächelte zurück und Kato wusste nicht mehr wo oben und unten stand. Der glaubte ihm? IHM?!

Der Sklave war sich insgeheim selbst immer bewusst gewesen, dass er nicht gerade ein begnadeter Lügner war… Und das vorhin hatte er eigentlich schon als Geständnis gewertet. Warum also benahm sich der Kerl, als sei es absolut einleuchtend, dass Kato ein Nephilim aus irgendwelche westlichen Gefilden war?! Er verstand gar nichts mehr….
 

„Hey wie heisst du eigentlich, Kleiner?“

Äh was?! Jetzt wurde er auch noch nach seinem Namen gefragt! Langsam schob er wirklich Panik. Der Kerl hielt ihn doch wirklich und wahrhaftig für einen Nephilim!

Kato hatte schon den Mund geöffnet, um irgendeine unkluge Antwort zu geben, als die Gruppe erneut anhielt. Diesmal stand er ganz hinten, trotzdem konnte er sehen, dass sich wieder derselbe Redner wie vorhin hervorgetan hatte und sie anzuspornen schien. Kato konnte auch diesmal nicht besonders viel verstehen. Lediglich der letzte Schlachtruf „SIEG ODER TOD“ erreichte sein Ohr, bevor plötzlich alle davon stürmten…
 

Und dann geschah etwas, womit der Sklave nicht gerechnet hatte: Er überblickte die gesamte Ebene.

Dadurch, dass sich der Schwarm des Verstärkungstrupps so schnell in alle Windesrichtungen zerstreut hatte, hatte er nun freie Sicht auf das Schlachtfeld, das am Fuss der anderen Hügelseite lag. Kato konnte die Kämpfenden wie herumschwirrende Punkte auf dem weissen Untergrund ausmachen. Sie schrieen und tobten, Schwerter krachten aufeinander und zum ersten Mal bekam das Wort Krieg für Kato eine visuelle Bedeutung…
 

Er starrte das Bild an, das sich ihm bot. Es war Chaos, anders konnte man es nicht beschreiben. Überall kämpften sie. Die unterschiedlichsten Waffen wurden gebraucht, mal flogen Funken, dann klirrte wieder Metall, es war ein ungeordneter Haufen, der in Kato Assoziationen hervorrief, die er lieber verdrängt hätte. Ein Schauer überfiel ihn, denn die schwarzen Punkte auf weissem Grund, wurden von einer weiteren Farbe durchzogen: Rot…
 

Rotes Blut versickerte im Schnee und färbte ihn dunkel. Kato konnte nicht verhindern, dass sein Atem sich wieder etwas beschleunigte. Das Bild vom Meer aus Toten flackerte wieder vor seinem inneren Auge auf und er schüttelte unwillig den Kopf, um es wieder loszuwerden. Daran durfte er jetzt nicht denken, immerhin hatte er eine Mission! Er durfte sich davon nicht runterziehen und ablenken lassen! Nein nein, er musste Luzifer finden, das – und nur das – war wichtig!
 

Eine schwere Hand landete unvermittelt auf seiner Schulter. Kato zuckte erschrocken zusammen und blickte erneut in das Gesicht des haarigen Typen.

„Angst?“

Er schüttelte hastig den Kopf. Warum war er den bloss nicht so leicht losgeworden wie den letzten?!

„Gut, denn Angst können wir uns nicht leisten. Wir werden uns diesen Engeln stellen und sie besiegen!“ dabei hob er demonstrativ ein langes, gezacktes Schwert in die Luft. Kato musste sich zusammenreissen, nicht das Gesicht zu verziehen und stellte sich einmal mehr die Frage, wie das bloss alles wieder hatte passieren können.

Dann drehte sich der Kerl noch mal zu ihm um. „Und falls du doch Angst haben solltest, ist es auch nicht so schlimm.“ Er schaute ihm direkt in die Augen und fügte flüsternd hinzu: „ Wir alle haben Angst. Sie darf dich bloss nicht davon abhalten, deine Ziele zu erreichen.“
 

Der Schauer, der Kato nun überfiel, war ganz anderer Natur als der letzte. Irgendwie kam er sich gerade wieder so ertappt vor. Ausserdem hatte ihn das Zwinkern irritiert, als der Kerl sich dann doch endlich umgedreht und ebenfalls losgestürmt war.
 

„Wo bleibst du, Kleiner?“ tönte es von der immer kleiner werdenden Gestalt. Kato seufzte und machte sich daran ihm hinterher zu rennen, den Hang hinab, direkt ins Getümmel.
 

~~~
 

Kurz bevor sie wirklich den Saum der Kämpfenden durchbrachen, hielt der seltsame Kerl noch mal inne.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet, Kleiner.“
 

Kato runzelte die Stirn. Welche Frage denn?

Der Nephilim schien das Problem zu erkennen und fügte grinsend an: „Wie du heisst…“
 

Ach sooo. Kato war irgendwie erleichtert, dass es bloss das war. Er hatte schon befürchtet, etwas verpasst zu haben und der Kerl hatte doch durchschaut, wer er wirklich war.
 

„Ich heisse Ka….“ Ihm blieb das Wort im Halse stecken. War es klug seinen Namen auszuplaudern? Nein, höchstwahrscheinlich nicht. Immerhin schien ihn schon die halbe Hölle zu kennen, dann war es durchaus möglich, dass dieser Typ auch schon von Kato gehört hatte.

„Ka…?“ fragte sein Gegenüber abwartend nach.
 

„Ka…r…a…“ Kato fiel nichts ein. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren eine Ausrede zu produzieren, die nicht ganz so durchschaubar war wie die letzte.

„Kara….m…bol![1]“ So etwas Seltendämliches! Wäre es nicht zu auffällig gewesen, hätte sich der Sklave echt gern an den Kopf gefasst. Warum war er bloss so unfähig?!
 

„Karambol? Seltsamer Name.“ Erstaunlicherweise lächelte der Nephilim bloss und streckte seine Hand in Katos Richtung aus.

„Ich bin Gem. Also eigentlich Gem-Duin, aber meine Freunde nennen mich Gem.“

Kato runzelte die Stirn und starrte skeptisch auf die ihm dargebotene Hand. Irgendwie konnte er nicht glauben, dass sein Gegenüber trotz all dem Quatsch, den er schon geboten hatte, immer noch nicht misstrauisch geworden war. Da war etwas faul, ganz sicher!
 

„Ach komm schon, ich werd dich schon nicht beissen.“ Erwiderte Gem auf Katos Zögern hin.

Dieser überwand schliesslich seine Skrupel und legte seine Hand doch noch in jene des Nephilim. Sofort wurde kräftig geschüttelt und der Grössere zog Kato mit einem unerwarteten Ruck näher zu sich heran. „Darf ich dich Kara nennen?“

Kato hatte sich unmerklich versteift und sah nun mit einem Gesichtsaudruck gepaart aus Unverständnis und leichter Panik zu ihm auf. Wie bitte?

„Wenn das hier vorbei ist und wir beide überlebt haben, würde ich gern etwas mit dir unternehmen, Kara.“

Kato wusste echt nicht mehr wie ihm gerade geschah. Flirtete der Typ da gerade mit ihm?!

„Du spinnst wohl!“ Energisch stiess er sich von Gem ab und brachte wieder den erwünschten Sicherheitsabstand zwischen sie beide.

Doch der Nephilim schien von Katos plötzlichem Gezicke nicht sonderlich beeindruckt, sondern grinste weiterhin zufrieden vor sich hin. „Endlich sagst du mal was.“

Er tat wieder einen Schritt auf den Sklaven zu, woraufhin dieser sofort einen rückwärts machte. Gem schmunzelte amüsiert. „Weißt du, unsere Chancen stehen gar nicht so schlecht. Durch das Ritual sind wir im Vorteil und wenn es so weitergeht, könnten wir tatsächlich gewinnen. Ich male mir eine schöne Zukunft aus, und ich möchte heute anfangen sie zu leben.“
 

Kato war irritiert. Wobei es nicht der missglückte Heiratsantrag war, der den grössten Teil seins Unbehagens auslöste, sondern viel eher die Aussage, die Nephilim seien im Vorteil wegen dem Ritual.
 

Das Ritual…
 

Sein Blick glitt erneut zu der kämpfenden Masse nur ein paar Schritte von ihm entfernt. Er sah Dämonen sich auf Nephilim stürzen, welche wiederum von deren Brüdern von hinten erdolcht wurden, wenn sie gerade dabei waren ihre Krallen auszufahren. Hexen mit wehenden Haaren und verrücktem Lachen fanden genauso ein schnelles Ende, wie es die Halbblüter taten, hinter denen sie eigentlich her waren. Ghoule und Golems kämpften auf der Seite der Hölle und schienen sich vor allem durch ihre Uneinheitlichkeit auszuzeichnen; wohingegen die Nephilim in ihren langen wehenden Mänteln zumindest optisch ganz deutlich von den Heerscharen zu unterscheiden waren.

Es war Geschrei und Lärm. Kato kam es so surreal vor, das alles zu sehen. Er wusste nicht mehr, was er fühlte. Vorher war es eindeutig Angst gewesen, aber jetzt….?

Es war, als könne er gar nicht wirklich fassen, was eigentlich vor sich ging. Und er war sich nicht mehr ganz sicher, welche der beiden Gruppen, in diesem blutigem Getümmel, er eigentlich unterstützte. Wenn er sich den dreckigen Schnee und die vereinzelt, reglosen Körper, die auf ihm gebettet lagen, so besah, dann war es keine der beiden.

Die höllischen Heerscharen würden die Nephilim ausrotten, falls sie gewinnen würden, genauso wie jene nicht zögern würden, die Hölle und ihre gesamten Ordnung über den Haufen zu werfen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Er fand beide … schrecklich.

Denn beide endeten nur in Tod und Zerstörung.
 

Ganz unauffällig und sacht schlich sich ein Arm um Katos Taille. „Wenn du bei mir bleibst, verspreche ich, dich zu beschützen.“

Kato schälte sich schnell wieder aus der Berührung, obwohl sein Blick an dem Schlachtfeld kleben blieb. „Ich brauche keinen Schutz.“ Ein Teil von ihm hatte sich gerade daran erinnert, dass er ja eigentlich immer noch vorgab ein Nephilim zu sein.

„Das glaube ich dir gern, schliesslich seid ihr Schamanen doch mit allen Wassern gewaschen. Aber lass mir doch die Illusion, meine Prinzessin erretten zu können.“
 

Na jetzt reichte es dann mal langsam. Kato rollte mit den Augen und wollte den frechen Kerl schon anfahren, ob ihm nichts besseres einfielen, als ihn hier – wo die Köpfe nur so flogen und das Blut spritze – anzubaggern, doch dann bemerkt er es….

Er blickte in das Gesicht, des immer noch grinsenden Nephilim, dessen Augen schelmisch glitzerten. Doch das war es nicht, dass ihn so schockierte…Es war ihre Farbe.
 

Sie waren blau!
 

Er hatte blaue Augen. Genau gleich wie der Narbennephilim, den er zuvor getroffen hatte.

Wieso hatten die bloss alle plötzlich blaue Augen? Irgendwas stimmt da doch nicht!
 

„Ähhh, klar bleibe ich bei dir.“ Stotterte er verwirrt. Er musste dem auf den Grund gehen. Wenn plötzlich alle Nephilim blaue Augen hatte, musste er das Luzifer erzählen, das hatte ganz bestimmt eine Bedeutung.
 

„Oh, du bist ja plötzlich wieder so handzahm.“ Gem liess seine Hand erneut in Katos Kreuz gleiten, worauf der bloss ein erschrockenes Quietschen von sich gab und ihn vehement von sich stiess. „Bei dir piepst’s wohl. Siehst du nicht, dass das hier nicht gerade der richtige Zeitpunkt ist, um solchen Quatsch von sich zu geben!“ Kato deutete empört und wild gestikulierend auf die Schlacht, woraufhin der Nephilim bloss abwehrend die Hände hob. „Ok, dann eben erst nach der Hochzeit…“

Er schulterte sein Schwert, beugte sich dann aber noch einmal zu Kato runter und meinte zwinkernd: „Aber weißt du, es ist immer der richtige Zeitpunkt sich zu verlieben. Immerhin könnte ich sterben.... So, und jetzt auf ins Vergnügen!“
 

Kato starrte ihm für einen Moment entsetzt nach, realisierte dann aber, dass er ihm auf den Fersen bleiben musste, wenn er auch nur ansatzweise eine Chance haben wollte, bis zu Luzifer vorzudringen… und ein verliebter – er konnte beim Gedanken daran ein Schaudern nicht unterdrücken – Bodyguard war sicher nicht das Schlechteste, was ihm passieren konnte.
 

~~~
 

„Ich passe auf dich auf, dafür hältst du mir den Rücken frei. Klar, kleiner Schamane?“

Kato bekam nicht die Gelegenheit etwas darauf zu erwidern, denn er musste dem weit ausholenden Schwerthieb ausweichen, mit dem Gem einen hässlichen grünen Dämon niedermähte. So war das von dem Moment an gegangen seit sie das Schlachtfeld wirklich betreten hatten: Gem metzelte, Kato duckte sich.

Um ehrlich zu sein, hatte er mit den Dämonen nicht so viel Mitleid wie er erwartet hatte… Vielleicht lag es daran, dass sich nach den ersten drei Sekunden gleich ein schleimiges Exemplar, dessen Zähne ihn sehr an jene eines weissen Haies erinnert hatten, auf ihn hatte stürzten wollen. Gem hatte es in der gleichen Rambomanier kalt gemacht, wie alle darauf folgenden. Seitdem war Kato auch ein bisschen anhänglicher geworden….
 

„Du bist wohl kein besonders guter Schamane.“

„Klappe!“ fauchte Kato, doch der grosse Nephilim lachte bloss und wehrte weiterhin die Angriffe seiner Gegner an.
 

Kato konnte nicht leugnen, dass Gem ganz nützlich war. Ohne ihn wäre er wohl schon längst Dämonenfutter geworden. Es war schon ironisch, dass er vor ‚den eigenen Leuten’ mehr Angst haben musste als den Nephilim. Aber was ihm momentan fast genauso viel Kopfzerbrechen bereitete wie die gefrässigen Höllenmonster, war wie er Gem im Glauben lassen konnte, er sei ein Schamane. Bisher hatte er natürlich nichts seiner angeblich grossen Macht präsentieren können und sich entsprechend bloss den Spott des Nephilim eingefangen.

Bis jetzt ging das soweit noch ganz gut, weil der auf den schwachen, hilflosen Typ zu stehen schien – Kato musste wieder ein Schaudern unterdrücken – aber irgendwann würde Gem sicher was sehen wo…
 

„PASS AUF!!!“
 

Gem riss ihn zur Seite und Kato kriegt nur noch mit wie etwas haarscharf an seinem Ohr vorbeischnellte. Mit grossen Augen folgte er der Flugbahn des Objekts und nahm sich vor, ab jetzt noch etwas netter zu Gem zu sein.

„Wo warst du mit deinen Gedanken?! Das hätte ins Auge gehen können!“

Zu Katos Überraschung schaute dieser jedoch ziemlich verärgert auf ihn herunter. „Ich…“

„Reiss dich etwas zusammen! Wenn du wirklich solche Angst hast, dann bleib halt einfach hinter mir in Deckung und biete ihnen keine unnötige Angriffsfläche!“
 

Kato schaute etwas betreten zu Boden. Hatte er sich ernsthaft gerade eine Rüge von einem Nephilim eingefangen, weil er unvorsichtig gewesen war? Das war schon ironisch.

„Tut mir Leid“ murmelte er kleinlaut.

Gem schien ihn noch für einen Moment streng zu mustern, umfasste den Sklaven dann aber plötzlich und drückte ihn an sich. „Oh, du bist so süss, wenn du verlegen bist. Ich kann dir nicht böse sein.“
 

Kato hingegen, für den der Stimmungsumschwung mehr als unerwartet gekommen war, versuchte sich erfolglos und wild fuchtelnd wieder aus der Umarmung zu befreien. „Gem, spinnst du?! Lass mich los, wir sind auf einem Schlachtfeld. Bist du total durchgeknallt?!“

Doch der Nephilim schien nicht gewillt, so schnell von seinem Opfer abzulassen und nahm auch Katos verzweifelten Aufschrei „ ACHTUNG HINTER DIR KOMMT JEMAND!“ lediglich mit einem beinahe schon legeren Schwerthieb zur Kenntnis, der den Angreifer sofort niederstreckte.
 

Kato schaute schockiert zwischen dem halbierten Dämon und dem immer noch locker grinsenden Gem hin und her. Er hatte sich mittlerweile befreien können und war zu der eindeutigen Erkenntnis gelangt, dass alle Nephilim ein Rad ab hatten und das Bunny wohl absolut keine Ausnahme bildete.

„Liebe beflügelt mein Schwert und macht mich unbesiegbar… und jetzt komm!“ Er streckte seine Hand nach Kato aus. Dieser griff zu, rechnete gleichzeitig aber endgültig mit der Zurechnungsfähigkeit seines Gegenübers ab.
 

Der Teil der Ebene, wo sie sich befanden, leerte sich langsam. Kato ging brav hinter Gem her, warf aber immer wieder vorsichtige Blicke nach links und rechts. Es schien als wären jetzt auf dieser Seite wirklich beinahe nur noch Nephilim übrig. Vereinzelt hörte man immer mal wieder ein Aufbrüllen oder das Klirren von Schwertern, trotzdem schien dieser äussere Rand des Schlachtfeldes in die Hand der Halbblüter gefallen zu sein; und sie rückten nach…

Unaufhaltsam bewegten sich die wieder etwas mehr zusammengerückten Nephilim nach vorne, Kato mitten unter ihnen. Er fragte sich, warum sie sich nicht einfach mit dem, was sie schon erreichten hatten, zufrieden geben konnten und sich stattdessen gleich noch mal ins Getümmel stürzen mussten. Gem war genauso!

Kato warf einen zweifelnden Blick auf den Hinterkopf des Nephilim, der ihn immer noch an der Hand hielt und hinter sich her zog. Er hatte ihn zwar bisher beschützt, aber irgendwie hatte der Sklave das Gefühl, dass er wohl nicht so gut darauf reagieren würde, wenn er erführe, dass er KEIN Nephilim war. Kato musste schlucken. Scheisse!
 

Die Nephilim sammelten sich wieder zu einer Formation. Es waren nicht mehr so viele wie oben auf dem Hügel und auch diejenigen, die hier standen, schienen ihren Teil abgekriegt zu haben. Trotzdem waren sie diejenigen, die standen und nicht gefallen waren…

Kato liess seinen Blick über die Reihen schweifen. Zu seiner grossen Überraschung musste er Narbengesicht unter ihnen entdecken und gab ein kleines Knurren von sich. Irgendwie war ihm der Kerl unsympathisch. Er wusste nicht wieso, immerhin hatte er nicht mal zwei Sätze mit ihm gewechselt. Trotzdem war er ihm unsympathisch…

Auch der grosse Redner, der wohl so etwas wie der Anführer des Verstärkungstrupps sein musste, hatte sich wieder vor ihnen eingefunden. Dank der dezimierten Zahl der Krieger konnte Kato diesmal sogar verstehen, was er laberte…. Nur interessierte es ihn nicht.

Seine Aufmerksamkeit hing stattdessen an den Gesichtern der Nephilim in der ersten Reihe, deren Blicke wiederum auf den Redner gerichtet waren.

Erst jetzt, wo er ausnahmsweise nicht zuhinterst stand und viele der langen Kapuzen in Erschöpfung oder Hast nach hinten geschlagen worden waren, sah er es… die Augen.
 

Die hatten alle blaue Augen, genauso wie er vermutet hatte. Aber warum?

Sollten sie nicht schwarz sein? Immerhin hatte er bei diesem Dante-Typen gesehen, dass die Nephilim schwarze Augen hatten. Oder hatte das etwas mit dem Ritual zu tun?

Unmerklich tat Kato einen Schritt vorwärts und spürte auch sogleich wie ihn jemand hinten am Mantel zupfte und wieder etwas zurückzog.

„Warum denn plötzlich so eifrig?“ flüsterte ein wie immer grinsender Gem an seinem Ohr.

Kato verdrehte die Augen und wollte etwas erwidern, als plötzlich die Stimme des Redners sehr deutlich an ihn herandrang: „Ihr da werdet euch zur Südflanke aufmachen und der ersten Streitmacht bei der direkten Bekämpfungen der Erzdämonen beistehen. Ihr in der Mitte bleibt hier und haltet die Stellung. Und ihr…..“

Kato kriegte den Rest nicht mehr mit, aber das war auch egal. Er und Gem waren zur Südflanke – wo auch immer das war – abkommandiert worden. Zu den Erzdämonen!

Der Sklave sah sich ausnahmsweise das Glück in den Schoss fallen und wandte sich überschwänglich zu Gem um, der hingegen alles andere als erfreut dreinblickte.
 

„Was ist denn?“ fragte er vorsichtig, während sich die Schar der Versammelten langsam wieder auflöste und jeder sich in die ihn angewiesene Richtung begab.

Gem fuhr sich seufzend mit der Hand durch die Haare und schaute mit einem wehmütigen Gesichtausdruck auf Kato herunter.

„Ach weißt du, die Südflanke… ich hatte mir eigentlich wirklich erhofft zu überleben. Und die Südflanke der Anhöhe der nicht vorhandenen Hoffnung ist schon nicht ohne. Du weißt ja, der Schlund und so…Aber ich gebe meine Hoffnung auf eine Date mit dir noch nicht auf! Ich werde…“

Kato ignorierte den Rest. Was bitte war ‚der Schlund’? Und warum hatte sogar ein Nephilim Respekt davor? Fragen über Fragen, es war zum Haare ausreissen, und Kato musste auch noch den Wissenden mimen. Sein Blick glitt in die angezeigte Richtung. Eigentlich war das mehr oder weniger wieder dort wo das Lager gelegen hatte, nur dass sie dieses Mal wohl eher um den Hügel herum anstatt darüber gehen würde.

Kato schüttelte vehement den Kopf, er durfte sich nicht ablenken lassen! Wenn die Erzdämonen bei diesem Schlund waren und der so gefährlich war, dann musste er da hin gehen und sie warnen. Luzifer würde sicher auch dort sein.
 

Er packte Gem am Saum seines Mantels und begann ihn langsam aber bestimmt in Richtung der Südflanke zu ziehen.

„Hey hey…“ der Nephilim löste den Stoff aus Katos Händen und schloss stattdessen mit einem grossen Schritt zu ihm auf. „… du bist ja wirklich plötzlich so motiviert. Was ist los?“

„Ich…“ - Scheisse! – „Ich… möchte unbedingt mal diese Erzdämonen sehen!“ Kato lächelte gezwungen und gratulierte sich dafür, dass es zwar nicht mal gelogen, aber fast genauso beschränkt wie die restlichen Ausreden, die er Gem bereits aufgetischt hatte, war.
 

„Ach was, hübsch und auch noch sensationsgeil! Ich mag dich immer mehr.“ Gem machte eine Pause und zwinkerte Kato eindeutig zweideutig zu, „Bist du bei anderen Dingen auch so gierig?“ Kato hätte ihm am liebsten den Hals ungedreht. Also echt! Und da gab es Leute, die behaupteten, er hätte ein simples Gemüt.

„Aber ich hab gehört, sie seien ein ziemlich seltsames Pack… Nicht besonders schön oder so, die meisten sogar ziemlich hässlich…“ fuhr Gem fort, als hätte es den mörderischen Gesichtsausdruck des Sklaven gar nie gegeben. Trotzdem musste er ihm ausnahmsweise stumm zustimmen, die Erzdämonen waren wirklich ein ziemlich seltsames Pack. Er wollte gar nicht erst an Asmodeus schleimiges Gehabe, den haarsträubenden Geruch des Herrn der Fliegen – wobei der allerdings sehr wahrscheinlich bald nicht mehr den Titel eines Erzdämons innehaben würde – Astaroths Hang zur Selbstverletzung oder Belials Exzentrik denken… zum Glück war er den verbleibenden zwei noch nicht wirklich begegnet. Aber Kato kam gleichzeitig auch die unangenehme Assoziation, dass er diese Charaktere, so wie er sie kennengelernt hatte, eigentlich nicht als Führer von Streitmächten und Heerscharen sah. Ok, der Hutmacher konnte kämpfen, aber der lag bekanntlicherweise immer noch blutend im Zeltlager auf der anderen Seite des Hügels. Es war ein ungutes Gefühl und er gestand es sich auch gar nicht gerne ein, aber irgendwie stufte er die Chancen für die Höllenbelegschaft einen Sieg zu erringen momentan ziemlich schlecht ein.
 

„Wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken? Du bist ja wirklich anbetungswürdig süss, wenn dein Blick entrückt in die Ferne gleitet, aber du solltest dazu die Stirn nicht runzeln.“

Gems schwere Hand landete auf Katos Kopf und tätschelte ihn. Dieser sprang empört zur Seite und funkelte den Grösseren wütend an. „Hör endlich auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln!“

Doch Gem lächelt bloss gutmütig. „Werd ich sofort tun, wenn du mir beweist, dass du auf dich selbst aufpassen kannst.“

„Ich…“ Kato konnte nichts erwidern. Er wusste, dass er in Gems Augen nicht auf sich selbst aufpassen konnte; er konnte es ja noch nicht mal in seinen eigenen.

„…ich bin noch in der Ausbildung.“ murmelte er erstickt und verwünschte sich gleichzeitig dafür, dass er schon wieder etwas von sich gegeben hatte, von dem er keine Ahnung hatte.

„Ach so ist das. Dann machst du elementum[2] Zauber?“
 

Hä? Kato hätte sich die Zunge abbeissen können, nickte aber stattdessen nur wortlos.

„Cool. Aber warum stecken sie dich in den Verstärkungstrupp, wenn du noch nicht so stark bist?“

Wie ‚cool’? Glaubte der ihm immer noch so vollkommen vorbehaltlos? Wie naiv konnte man sein?! Gleichzeitig war sich der Sklave aber auch bewusst, dass die Bezeichnung naiv aus seinem Mund für jemanden anders schon ein Paradoxon war. Also zuckte er bloss unbeteiligt mit den Schultern. Er sollte aufhören, sich so viele Fragen zu Gems Motivationen zu stellen. Wenn der ihm einfach so glaubte, war das schliesslich zu seinem Vorteil.
 

„Naja, ich hab ja versprochen auf dich aufzupassen, also mach dir keine Sorgen deswegen.“ Er klopfte Kato erneut auf die Schulter und richtete seinen Blick geradeaus.
 

~~~
 

Sie hatten den Hügel nun etwa schon zur Hälfte umrundet, trotzdem war es unerwartet ruhig. Seit sie in die drei Gruppen aufgeteilt worden waren, hatten sie keinen Feind mehr gesichtet. Kato fragte sich, ob das gut oder schlecht war. Der Endkampf wartete ganz sicher dort hinter dieser Biegung auf ihn.

Er hatte es auch tunlichst vermieden, auf Gems Fragen zum Stand seiner Ausbildung einzugehen und dieser hatte es irgendwann aufgegeben weiter zu bohren, als Kato nicht mehr geantwortet hatte. Der Sklave fühlte sich nun irgendwie wieder sehr nervös. Es hatte weniger mit der Präsenz des Nephilims oder der unmittelbaren Lebensgefahr zu tun, sondern viel mehr mit einer schleichenden Ungewissheit. Er wusste nicht, was passieren würde, wenn sie auf der anderen Seite des Hügels tatsächlich auf die Erzdämonen trafen. Der Gedanke war ihm erst jetzt gekommen, dafür hatte er ihn umso unerwarteter getroffen… was würde mit Gem geschehen, wenn er zurück zu Luzifer ging?

Sollte er einfach davonlaufen, sobald er einen der Erzdämonen sichtete und Gem hinter sich – auf sich allein gestellt – zurücklassen? Der Nephilim hatte ihm das Leben gerettet und der Sklave konnte nicht verhindern, eine gewisse Verpflichtung ihm gegenüber zu verspüren. Ausserdem war Gem nicht böse, er war… naja, Kato konnte nicht sagen, dass er ihn mochte, aber er wünschte ihm sicher nichts Schlechtes. Er wünschte ihm sicher nicht den Tod.
 

Katos Hals fühlte sich trocken an. Dieses Dilemma lag ihm echt auf dem Magen…. Vielleicht sollte er versuchen den Nephilim davon zu überzeugen umzukehren und sich in Sicherheit zu bringen. Aber das würde er sicherlich nie tun. Gem war mutig und würde nicht davonlaufen… also durfte es Kato wohl auch nicht tun.
 

Der Schrei eines Vogels hallte über die weissen Hügel. Kato hörte ihn zwar, ignorierte ihn aber. Seine Gedanken nahmen gerade zu viel seiner Aufmerksamkeit für sich in Anspruch, da konnte er nicht auch noch auf seine Umgebung achten. Doch Gem packte ihn unerwartet hart am Oberarm und zog ihn näher zu sich hin. Kato erschrak und schaute verwirrt zu dem Nephilim auf, der mit konsterniertem Gesichtsausdruck in den Himmel schaute.

„Was is…“

„Pssst!“, flüsternd fügte er hinzu: „Hast du es nicht gehört?“

Kato hob fragend die Augenbrauen.

„Der Schrei… es gibt hier keine Vögel.“

Ohhhh. Katos Blick begann ebenfalls den Himmel abzusuchen. Jetzt wo Gem das sagte, machte es natürlich Sinn… im Winter gab es keine Vögel!
 

In weiter Ferne zeichneten sich ein paar schwarze Punkte am grauen Horizont ab. Auch der Rest ihrer Gruppe schien sie entdeckt zu haben und starrte ähnlich abwartend auf das, was da auf sie zugesteuert kam.

„Sollten wir nicht in Deckung gehen?“ fragte Kato kleinlaut.

„Das hätte keinen Sinn, sie haben uns sicherlich schon gesehen… ausserdem gehen wir vor niemandem in Deckung.“ Gem zwinkerte dem Sklaven zu, schob ihn aber gleichzeitig hinter sich und zog sein Schwert. Kato hingegen konnte nicht anders als mit den Augen zu rollen. Warum waren die bloss alle so?
 

Ein weiterer Schrei zerriss die angespannte Stille, die innerhalb der Gruppe eingekehrt war. Die schwarzen Punkte kamen näher. Die Erkenntnis hatte irgendetwas Beängstigendes. Kato spielte erneut mit dem Gedanken sich einfach abzuseilen und hier und jetzt das Weite zu suchen. Es wäre sicher nicht mehr weit, bis er auf die höllischen Heerscharen treffen würde – dass eine gewisse Gefahr bestand, dass diese ihn aber gar nicht erst zu Wort kommen lassen, sondern gleich abmetzeln würden, ignorierte er wohlweisslich.

Wieder ein Schrei, doch diesmal kehrte danach keine Stille mehr ein, sondern ein leises aber konstantes Flügelrauschen folgte. Kato lief ein kalter Schauer über den Rücken. Was konnte solche Flügel haben und so schreien, dass man es bis hier hin hörte?

Obwohl das erste, was ihn in den Sinn gekommen war, natürlich Engel waren, verwarf er diesen Gedanken schnell wieder. Engel schrieen nicht… zumindest nicht so.
 

Gem streckte suchend seine Hand hinter sich aus, ohne jedoch den Blick vom grauen Himmel abzuwenden. Kato ignorierte die Einladung, trat aber einen Schritt näher und berührte ihn kurz an der Schulter.

„Es sieht nicht so gut aus, ich möchte nicht sterben, ohne einen Kuss meiner grossen Liebe gekriegt zu haben.“ Mit diesen Worten packte er Kato und zog ihn in eine heftige Umarmung, was bei dem Sklaven natürlich die überaus vehemente Reaktion hervorrief sich keifend und wild gestikulierend loszureissen. „Spinnst du?! Du Perverser…. Du…“

Kato hatte einen Meter Sicherheitsabstand zwischen sie gebracht und fuchtelte aufgebracht herum.

Das ganze hatte ihnen natürlich ein paar amüsierte, aber teilweise auch konsternierte Blicke der Umstehenden eingebracht. „Das hier ist nicht der Moment für eure Liebeskabbeleien. Spart euch das für später!“ entgegnete ein älterer Nephilim mit grauen Haaren streng. Kato wollte schon entrüstet zurückgeben, dass er ja auch nicht wollte und alles Gems Schuld war, als sein Blick erneut auf den Horizont fiel…. Sie kamen näher, die grossen Vögel.
 

„HARPYIEN!“ schrie plötzlich einer der Nephilim und ein unerwartet heftiger Aufruhr ging durch die Gruppe. Kato verstand nicht was es bedeutete, sondern nahm bloss wahr, dass um ihn herum nun alle in Angriffsposition gegangen waren. Die Bogenschützen und Krieger mit Flugwaffen bildeten die erste Reihe, während der Rest mit gezückten Schwertern und Äxten dahinter stand und wartete. Auch Kato kam bei dem Anblick der Gedanke, dass er ja noch irgendwo seine rostige Axt hatte. Bisher hatte er sie bloss als unnötigen Ballast mit sich herum geschleppt, aber vielleicht war jetzt ja der Moment gekommen, um ihrem überflüssigen Dasein etwas mehr Sinn zu verleihen. Er umfasste sie fest mit beiden Händen und hob sie auf Brusthöhe. Gem warf einen kurzen Blick darauf und hob fragend die Augenbrauen. „Ich dachte, du kannst trotzdem ein bisschen zaubern?“ flüsterte er.

„Ich kann zaubern! Die ist bloss zur Sicherheit.“ Entgegnete Kato ebenfalls flüsternd, während sein Hals langsam trocken wurde, beim Anblick der immer grösser und bedrohlicher werdenden Vögel.

Gem verzog den Mund zu einem zweifelnden Lächeln. „Mach dir keine Sorgen. Ich hab dir ja schon versprochen, dass ich auf dich aufpasse. Aber ein Kuss, würde mich wirklich anspo….“
 

„ES GEHT LOSSSSS!!!!“
 

Gem wurde unterbrochen von den Bogenschützen, die anlegten. Er wandte sich nach vorne, sein Blick nun vollkommen ernst und auf den Feind fokussiert.

Die Pfeile flogen durch die Luft und…schienen zu treffen, trotzdem wurde die Vogelschar davon kein bisschen verlangsamt. Sie hielt weiterhin geradeaus auf ihre Gruppe zu und war mittlerweile so nah, dass sogar Kato verstehen konnte, was mit Harpyien gemeint gewesen war. Das waren nicht einfach nur übergrosse Vögel, nein! Das waren Frauen! Oder zumindest ihre Köpfe und Oberkörper schienen so etwas Ähnliches zu sein. Obwohl ihre Gesichtszüge seltsam verzerrt, ihre Nasen schnabelähnlich spitz und ihre Haare eher so etwas wie Federn zu sein schienen, erkannte der Sklave ganz eindeutig menschliche Züge darin und es schauderte ihn. Er hatte hier in der Hölle ja schon ein paar Monstern begegnen dürfen, aber die da gehörten ganz eindeutig zu den unheimlichsten. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass sie eben weder das eine noch das andere, weder Mensch noch Vogel, ganz zu sein schienen und in Kato irgendwo den Gedanke hervorrief, dass er sich eigentlich eher die Nehpilim so ähnlich vorgestellt hatte - wo man sie doch immer als Halbblüter bezeichnete.
 

Ein weiterer Schrei durchbrach die Szene, doch war er so unerträglich laut, dass Kato die Hände über die Ohren schlagen musste. Wind, verursacht von den immensen Flügeln der Vogelweiber, zog auf und riss an der Kleidung der Nephilimgruppe. Doch die Bogenschützen liessen sich nicht beirren und legten erneut an. Ihre Geschosse flogen durch die Luft und trafen auch tatsächlich die Körper und Flügel der Harpyien, trotzdem schien das wenig Effekt auf sie zu haben. Sie waren jetzt nah genug, um selbst zum Gegenangriff über zu gehen und stürzten sich mit gezückten Krallen und noch lauterem Geschrei auf die Nephilim.

Verzweifelt versuchten ein paar der Schützen noch ein letztes Mal anzulegen, doch sie wurden hinweggefegt, bevor sie ihre Pfeile fliegen lassen konnten. Die Nahkämpfer drängten sich hervor und griffen die Vögel nun mit ihren langen Schwertern an. Das zeigte etwas mehr Wirkung als die dünnen Pfeile zuvor, trotzdem hatte Kato das Gefühl, dass der Feind diesmal wirklich beängstigend stark, um nicht zu sagen, übermächtig, war.

Er stand etwas abseits und ihn hatte wieder diese seltsame Empfindung alles wie durch Glas zu sehen, heimgesucht. Er wusste nicht, ob es eine Art Schutzmechanismus seines Gehirnes war, schlimme oder gar traumatisierende Erlebnisse zu filtern, auf jeden Fall schien er immer in Situationen wie diesen zu kommen. Er fühlte sich, als würde das alles gar nicht passieren, als wäre er nicht Teil des Geschehens, sondern würde nur als unbeteiligter Beobachter daneben stehen. In gewisser Weise hatte er nicht einmal besonders viel Angst, während sich die furienhaften Harpyien auf die Nephilim nur ein paar Meter von ihm entfernt stürzten. Er sah wie einer von ihnen in die Luft gehoben wurde und seine Freunde noch an seinen Beinen zerrten, um ihm wieder aus dem Griff der Vogelfrau zu befreien. Doch es war sinnlos, die Harpyie schlug ihre Klauen nur fester in seinen Körper, stieg auf mit ihm in die Luft, nur um ihn dann aus beängstigender Höhe herabfallen zu lassen. Kato sah wie der Körper in einiger Entfernung aufschlug und fühlte nichts dabei. Er wusste, dass er eigentlich entsetzt sein, vor Angst und Grauen zittern sollte, doch es geschah nichts. Wieso war das? Es lag bestimmt nicht daran, dass er die Harpyien nicht als seine Feinde betrachtet hätte, nur weil sie den höllischen Heerscharen und somit Luzifer angehörten. Die hätten ihn sowieso nicht erkannt und dann genau gleich wie alle anderen hier in Stücke gerissen… warum also?
 

Kato wurde brutal herum gewirbelt. Irgendjemand hatte ihn am Oberarm gepackt…

Gem starrte ihn aus, für einmal, wirklich aufgebrachten Augen an. „Steh hier nicht nur rum. Tu was! Du wirst doch bestimmt irgendeinen, und sei es noch so kleinen, Feuerzauber hinkriegen, mit dem du ihnen etwas entgegen halten kannst. Das jetzt wäre wirklich der Moment, wo wir so etwas brauchen könnten…“ Gem rüttelte etwas an Katos Schultern, der den Mund bloss zu einem freudlosen Lachen verzogen hatte. Klar, er würde ihnen helfen…
 

Ihm wurde hier gerade wieder vor Augen geführt, wie schwach und hilflos er in Vergleich zu allen anderen doch war. Er konnte nicht mal diejenigen beschützen die er mochte, geschweige denn sich selbst.

Gem starrte ihn immer noch abwartend an, während Kato in seinem Meer des Selbstmitleides versunken war, deswegen sah er nicht, dass hinter ihn immer schneller und immer bedrohlicher ein Schatten auf sie beiden zugeschossen kam…

„Sag etwas!“ Der Tonfall des Nephilim klang nun beinahe schon etwas angegriffen, vielleicht schon an der Grenze zu verzweifelt. Er versuchte Katos Aufmerksamkeit zu erregen, indem er erneut seine Schultern drückte. Doch die einzige Reaktion war ein lethargisch langsames Aufschauen des Sklaven, das sich dann überraschend schnell in ein entsetztes Augenweiten wandelte. „GEM! HINTER DIR!“
 

Doch es war zu spät. Die scharfen Klauen der Harpyie schmetterten beide zu Boden.

Während Kato allerdings noch so viel Glück gehabt hatte, nur von Gems Köper mitgerissen aber nicht selbst getroffen worden zu sein, lag der Nephilim bewegungslos da.

„Gem?“ Nun war es der Sklave, der besorgte an dem Oberarm des anderen rüttelte.

“Gem? Sag doch was!“

Ein schwerfälliges Stöhnen war zu vernehmen, dann raffte sich der Grössere mühsam auf. Er rieb sich erst benommen übers Gesicht, dann aber ging seine Hand zu seinem Rücken, wo Blut hervortrat. Die Harpyie hatte eine lange klaffende Wunde hinterlassen, die sich in drei Streifen von Gems rechter Taillenseite bis zu seiner linken Schulter zog.

Kato besah sich das ganze mit Entsetzen und schien nun zum ersten Mal seit dem Auftauchen der Vögel wieder so etwas wie ganz deutliche Panik zu empfinden.

„Gem? Es tut mir Leid….“ Er versuchte den torkelnden Nephilim zu stützen, doch dieser wich seiner Berührung schwerfällig aus. Alles was Kato stattdessen kriegte, war ein müder Blick, der zwar nicht vorwurfsvoll war, aber dafür auch die liebevolle Offenheit von zuvor eingebüsst hatte.

Es tat weh als der Nephilim sich schliesslich wortlos von ihm löste und wieder Ausschau nach ihrer Angreiferin hielt. Doch der Sklave hatte auch so verstanden, dass wenn er schon nutzlos war, er wenigstens aus dem Weg gehen und den anderen nicht noch eine zusätzliche Last sein sollte.
 

Die Harpyie kreiste über ihnen. Sie schien mit ihren Opfer zu spielen, ihnen gerne Angst zu machen, indem sie ihre Flugbahn erst etwas tiefer ansetzte und dann wieder hoch zog.

Doch Gem liess sich davon nicht beirren. Er hielt sein Schwert fest in Händen und beobachtete jede noch so kleine Bewegung des Vogels.

Kato wiederum stand ein paar Meter davon entfernt und hatte versucht hinter einer Schneewehe etwas Schutz zu suchen, damit er der Harpyie wenigstens keine zusätzliche Angriffsfläche bot. Diese schien momentan auch tatsächlich eher auf Gem fixiert, denn sie stiess herab, ihre scharfen Klauen vorgestreckt, direkt auf den Oberkörper des Nephilims zielend. Kato schauderte bei dem Anblick, trotzdem hielt er sich weiterhin im Hintergrund, als endlich Gems Klinge den ersten Angriff der Vogelfrau parierte. Sie gab einen erzürnten Schrei von sich, wendete ihre Flugbahn und griff den Nephilim erneut an. Diesmal dauerte der Schlagabtausch länger, denn die Harpyie stürzte sich nun nicht mehr nur mit ihren Krallen auf Gem, sondern schien auch noch zusätzlich mit ihren riesigen, spitzen Schnabel buchstäblich auf ihn einzuhacken[3]. Immer mehr Blut versickerte im weissen Schnee, während der Nephilim zwar ebenfalls auf seinen Feind eindrosch, aber nicht das gleiche Mass an Zerstörung zu hinterlassen schien, wie dieser bei ihm.

Die Harpyie stieg erneut etwas höher in die Luft, wahrscheinlich um Anlauf für einen letzten vernichtenden Angriff zu holen. Kato hatte nun wieder freies Blickfeld auf den doch mittlerweile reichlich erschöpft wirkenden Gem. Er hatte überall Schrammen, an den Armen, den Schultern, dem Rücken, ja sogar auf seinen Oberschenkeln. Sein grauer Mantel war stellenweise tief rot eingefärbt und Kato konnte sehen, dass der Nephilim wohl tatsächlich Mühe hatte, sich noch auf den Beinen zu halten, denn er hatte sein Schwert gesenkt und stützte sich schweratmend darauf ab.

Unbewusst erhob sich Kato etwas. So konnte das doch nicht weitergehen… Gem würde sterben, diese Harpyie würde ihn in Stücke reissen. D-Das konnte er doch nicht zulassen!

Er wusste, dass er schwach war und nichts gegen sie ausrichten konnte, aber er konnte Leute, die sich für ihn eingesetzt hatten, die ihn beschützt hatten, doch nicht einfach so ihrem Schicksal überlassen…
 

Kato ballte die Hände zu Fäusten. Was hatte die doofe Belial gesagt? – Wenn er helfen wollte, musste er seinen Teil dazu beitragen. Er half hier, in ihren Augen, wahrscheinlich gerade der falschen Seite, aber Kato ging es im Moment auch nur um sich selber und seine eigene Entschlossenheit.

Er steuerte auf den verletzten Gem zu und stellte sich mit gezogener rostiger Axt vor ihn.

„Was t-tuhhhust…“ Gem musste mühsam ein Husten unterdrücken, „…hier? Geh in Deckung!“

„Ich werde dich beschützen.“ Katos Hände zitterten zwar, aber er hatte sich entschlossen sein Bestes zu geben und für einmal nicht wegzurennen.

„Bist du wahnsinnig?! Sie wird Kleinholz aus dir machen! Bring dich in Sicherheit, solange du noch kannst!“ Ein kleiner Stoss in Katos Rücken sollte ihn wohl dazu bewegen lieber das Weite zu suchen, doch der Sklave liess sich davon nicht beeindrucken und stellte sich nur wieder dichter zu dem Nephilim hin.

Die Harpyie an Himmel hingegen schien erfreut, gleich zwei zum Preis von einem zu kriegen und setzte erneut zum Sturzflug an. Während sie sich mit beängstigender Geschwindigkeit näherte, spürte Kato plötzlich eine warme Hand auf seiner angespannten Schulter

„Bitte geh weg…du wirst sterben…“

Kato schüttelte sie ab und drehte seinen Kopf halb zur Seite. Mit einem schmalen Lächeln meinte er: „Ich habe Angst, aber ich werde nicht weglaufen…dieses Mal nicht.“
 

Gem schien noch etwas erwidern zu wollen, doch der Schrei der Harpyie liess seine Worte untergehen. Sie kam immer näher, Kato konnte die Gefahr und den Tod, die von ihr ausgingen in jeder Faser seines Körpers spüren. Er wusste nicht, was er tun sollte. Seine mickrige Axt würde dem riesigen Vogel nichts anhaben können, wenn es schon Gems Schwert nicht gekonnt hatte. Trotzdem würde – nein, wollte – er nicht weichen.
 

Sie war in Reichweite, er konnte sogar ihre gelben Augen erkennen und dann… hob er seine Axt und schleuderte sie ihr mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, entgegen. Sie wirbelte durch Luft und traf die Harpyie am Kopf. Diese gab bloss einen schwachen Aufschrei von sich, hielt weiter auf ihre beiden Feinde zu, nur um dann direkt vor ihnen zu kollabieren…
 

Kato starrte verwirrt auf den sich immer noch leicht bewegenden Leib der Vogelfrau. Ihre Brust hob und senkte sich rasch und ihre Flügel zitterten ebenfalls noch. Der Sklave verstand nicht wirklich, was passiert war. Er hatte sie getroffen und jetzt lag sie am Boden. Doch im Gegensatz zu Kato schien Gem ganz genau zu wissen, was Sache war, denn er ging humpelnd, aber grinsend um die Gefallene herum und zog die Axt aus ihrem Schädel. Dort wo sie gesteckt hatte, blieb ein blutiges Loch zurück und liess die Harpyie noch einmal kläglich aufkrächzen. Kato erkannte jetzt auch, dass er sie am rechten Auge getroffen hatte und sah sich plötzlich von einer unerklärlichen Welle des Mitleides für diese erbärmliche, leidende Kreatur überrollt.

„Gut gemacht, Kara!“ Gem hatte die Axt neben sich in den Schnee gelegt und nun wieder sein eigenes Schwert ergriffen. „Woher wusstest du, dass es die Köpfe sind?“

„Wusste ich nicht…“ murmelte Kato kleinlaut, während der Nephilim ausholte und die Brust der Vogelfrau nun endgültig mit seinem langen gezackten Schwert durchbohrte. Kato konnte den Anblick nicht wirklich ertragen, also wand er sich ab, doch Gem schloss gleich schon wieder zu ihm auf und legte seinen Arm um die Schulter des Sklaven.

„Es tut mir leid. Ich habe dich falsch eingeschätzt… bitte vergib meine harschen Worte von vorhin.“ Kato ignorierte es und löste sich stattdessen bloss wortlos aus der Umarmung.

Doch Gem schien es wenig auszumachen und humpelte stattdessen in Richtung des spärlichen Restes ihrer Reisegruppe, die immer noch mit den Harpyien rangen, um ihnen über die blut- und leichenübersäte Schneeebene hinweg zuzurufen, dass sie auf die Köpfe zielen sollten.

Kato kriegte davon irgendwie nicht mehr so viel mit. Erst als Gem wieder neben ihm war und erneut seinen Arm um ihn legte, konnte er sich dazu durchringen, ihm einen genervten Blick zuzuwerfen. Doch der Nehpilim lächelte bloss und zog ihn nur noch näher zu sich hin.

„Vielen Dank, dass du mich gerettet hast, mein kleiner Schamane…“ Gem kuschelte sich regelrecht an Kato, der das ganze zwar nicht mochte, aber für einmal geschehen liess.

„… dafür lasse ich dich nach unserer Hochzeit dann auch mal…“ er flüsterte Kato etwas ins Ohr was diesen augenblicklich zum Erröten brachten und dafür sorgte, dass er den Nephilim vehement von sich stiess. „Red nicht so einen Unsinn!“ meinte er vorwurfsvoll, doch Gem schien dadurch nur umso amüsierter. „Ach, dann bist du also lieber unten.“[4]
 

Kato wollte Gem schon empört anfahren, doch der durchdringende Laut eines Hornes liess das bevorstehende Gezeter ersterben und die beiden ihre Köpfe in dessen Richtung wenden. Es kam von hinter der Biegung des Hügels und sorgte bei dem Nephilim dafür, dass er besorgt die Stirn in Falten legte. „Das ist wohl das Zeichen dafür, dass wir gebraucht werden. Wir sollten endlich zu den anderen aufschliessen, die am Schlund kämpfen.“

Gem raffte sich etwas mehr in die Vertikale, verzog aber gleichzeitig schmerzhaft das Gesicht und fügte dann, aus den Augenwinkeln auf Kato schielend, hinzu: „Ich nehme mal an heilen kannst du auch nicht, oder?“

„Nein!“ keifte dieser zurück, ihm immer noch die Bemerkung von vorhin nachtragend. Doch Gem grinste bloss wissend und kramte aus seinem Umhang einen kleinen Tiegel und ein paar Bandagen hervor. Er drückte beides dem Sklaven in die Hand und schälte sich dann schwungvoll aus seiner Kleidung, so dass er plötzlich oben ohne in der Winterlandschaft stand. Bei Kato löste das wiederum vor allem die Reaktion aus mit offenem Mund dazustehen und nicht genau zu wissen, was er tun sollte.
 

„Ähh, findest du es nicht etwas gefährlich hier so nackig rumzurennen, wenn da drüben noch die Vogelweiber lauern?“ Kato deutete zu der kleinen Truppe von Nephilim, die noch immer am kämpfen war, doch Gem zuckte bloss mit den Schultern. „Jeder muss auch mal an sich selber denken. Wir haben unseren Vogel erlegt, jetzt müssen sie mit den ihrigen zurecht kommen. Ausserdem könnte ich so…“ er drehte sich um und präsentierte dem Sklaven seinen blutigen Rücken, über den sich so deutlich die dreigratige Schramme zog, „…sowieso nicht mehr kämpfen.“

Kato musste schlucken. Ja, Gem hatte natürlich Recht. Er hatte ganz vergessen, wie schwer verletzt der Nephilim eigentlich war… aber wer konnte seinen Zustand schon ernst nehmen, wenn dieser die ganze Zeit über dumme Witzchen riss.

„Trag einfach die Salbe auf die Wunde auf und leg dann den Verband darüber. Es wird die Blutung stoppen und die Heilung beschleunigen.“ Kato tat wie ihm geheissen, konnte aber nicht leugnen, dass es ihn etwas unangenehm war, Gems nackten Oberkörper auf so eine intime Weise berühren zu müssen… war besser, wenn Luzifer das niemals erführe.
 

Seine Gedanken fanden ein jähes Ende, als Gem sich abrupt umdrehte und Kato auffordernd anlächelte. „Danke, jede deiner Berührungen ist wie Balsam auf meiner Seele…“ Kato rollte mit den Augen und drückte dem Nephilim das Zeug wieder in die Hand. „Den Rest kannst du selber machen.“ Doch Gem sollte nicht mehr dazu kommen seine restlichen Wunden zu versorgen, denn eine Erschütterung durchfuhr den schneebedeckten Untergrund und liess die beiden erneut erschrocken die Häupter wenden. Dort von hinter der Biegung drang plötzlich etwas hervor….
 

Ein Gewirr an Körpern und Schatten, das sich aber nicht einheitlich in ihre Richtung zu bewegen schien, sondern irgendwie unkoordiniert durcheinander stiess, mal vor- und dann wieder zurückdrängte. Rufe und Schreie hallten zu ihnen herüber… sie waren nicht zum Schlachtfeld gegangen, sondern dieses Mal war es zu ihnen gekommen.

Kato konnte nicht erkennen, wer hier wen gerade zurückdrängte oder wer die Oberhand zu haben schien. In dem mehrheitlich schwarzen Gewühl konnte immer mal wieder ein paar der grauen Nephilimmäntel ausmachen, trotzdem hatte er keine Ahnung wie es gerade stand… es war wieder das Chaos, das er schon einmal hatte beobachten dürfen, nur dass es dieses Mal viel schlimmer und dichter zu sein schien…
 

Und dann über all das erhob sich plötzlich ein Stern.... Ein Stern mit vier schwarzen Flügeln der majestätisch und zerstörerisch auf das herab blickte, was unter ihm geschah… und Kato wusste, dass er ihn gefunden hatte.
 

TBC
 


 

A/N: Gem, das Klischee des netten, kumpelhaften, beschützerischen seme;p Ich nenne ihn auch meinen „All American Hero“, nur dass ein richtiger All American Hero wahrscheinlich nicht den männlichen Kiffer-sklaven anbaggern würde*lol* aber naja, irgendwie mag ich ihn.

Mein Prob mit dem Kapitel war, dass ich eigentlich fand, es sei zu silly, aber das passiert mir irgendwie immer wenn Kato allein unterwegs ist, bzw. ist er einfach unfähig;p

Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen und ihr konntet euch mit Gems kurzem Auftritt anfreunden.
 

[1] Karambol ist eigentlich eine spezielle Art von Billard Regeln. Ich kenn mich damit nicht aus, aber vielleicht versteht Kato ja ausnahmsweise was davon;P

[2] elementum Zauber: Wie der Name schon sagt, geht es um die Manipulation von Feuer, Wasser, Erde und Luft.

[3] Ich weiss, dass ich erst sage, die Harpyien hätten normale Gesichter und nur „schnabelähnliche“ Nasen. Aber in gewisser Weise ist das ein Wahrnehmungsproblem von Kato... Ich selber stelle mir die Harpyien in etwa so vor, wie jemand der eine Vogel/Schnabelmaske über der Nase trägt;P

[4] *g* ich denke, die meisten werden sich denken können, was Gem Kato da angeboten hat *lol*

Kapitel 44

Es war Luzifer. Kato starrte seine unverkennbare Form an und dann…. legte sich in seinem Kopf irgendein Schalter um und sämtliche Rationalität wurde ausgeschaltet. Seine Beine fingen an sich von allein zu bewegen, näherten sich der Masse des kämpfenden Chaos und wurden in ihrer Bewegung immer schneller.

Bereits in einiger Entfernung hörte er Gem nach ihm rufen, doch Kato hatte alles um sich herum ausgeblendet. Er sah nur noch den gefallenen Morgenstern, der sich stolz über alles andere erhoben hatte und vernichtend herab blickte.

Er musste zu ihm, jetzt wo er ihn endlich gefunden hatte! Das wie spielte keine Rolle, er hatte sein Ziel erreicht. Für einmal war er nicht nutzlos, sondern erfolgreich gewesen!
 

Lärm drang plötzlich wieder an sein Bewusstsein, er war nun schon sehr dicht bei der Front der Kämpfenden.

Doch dann hielt er inne. Er hatte Luzifer aus dem Blickwinkel verloren! Ein Schwall der Panik brach über den Sklaven herein. Nein, das durfte nicht sein! Er musste ihn finden. Jetzt wo er doch schon zum Greifen nah gewesen war.

„Ka….ra…“ das Rufen Gems ging im Lärm der Meute beinahe unter, trotzdem liess es Kato sich noch einmal umdrehen. Er sah wie der Nephilim, obwohl verlangsamt durch seine Wunden, dabei war, wieder zu ihm aufzuschliessen. „Bist du wahnsinnig?! Renn nicht einfach so weg!“

Kato sah die Besorgnis auf Gems Gesicht und ein wehmütiges Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Gem würde ihm wohl nicht verzeihen, wenn er herausfände, wer er wirklich war. Also hob er seine Hand ein letztes Mal und deutet einen kurzen Abschiedsgruss an, bevor er sich endgültig umwandte und ins Getümmel stürzte…

„KARA! HAAAALT!“ der Schrei hallte nach, trotzdem verdrängte ihn Kato schnell wieder. Er hatte zwar durchaus so etwas wie ein schlechtes Gewissen was den anderen anging, aber es nahm momentan einen enorm kleinen Teil seines Denkens ein. Stattdessen schien sich alles nur darum zu drehen, wie nahe Luzifer war und wie nahe er dran war, zu ihm zu gelangen und ihm alles berichten zu können…. Danach würde er sich dann wieder mit Gem auseinandersetzten, aber momentan gab es nur eine Sache, die zählte, und das war Luzifer!
 

Ein Schwerthieb verfehlte ihn nur knapp. Kato konnte gerade noch zur Seite springen und gab ein erschrockenes Keuchen von sich. Er musste aufpassen, die Dämonen hier machten wirklich keinen Unterschied zwischen Freund und Feind, sondern schienen stattdessen einfach nur wahllos alles abzumetzeln, was irgendwie in ihr Jagdschema passte… und dass er mit seinem langen Mantel momentan gerade dessen Inbegriff bildete, wollte er lieber ignorieren.

Obwohl… er starrte kurz auf den Stoff zwischen seinen Findern. Die Mäntel waren das Markenzeichen der Nephilim. Ohne sie sahen sie wie Menschen aus…. Und sie hatten ja nicht mal mehr schwarze Augen…

Kato zögerte nicht lang und streifte das lange, schwere Stück Stoff von seinen Schultern. Sofort überfiel ihn ein Frösteln. Egal ob nass oder feucht, aber die Mäntel waren auf jeden Fall was wert bei diesem Wetter. Seufzend liess er ihn zu Boden gleiten und setzte wieder zum Sprint an. Er wich mehr oder weniger geschickt den wild um sich schlagenden Dämonen aus, duckte sich unter Schwerthieben hinweg und versucht den langen, spitzen Krallen irgendwelcher Monster zu entrinnen. Er hatte zwar nicht wirklich das Gefühl ohne den Mantel weniger angegriffen zu werden, aber er war auf jeden Fall agiler.
 

Katos Blick ging wieder zum Himmel. Wo war Luzifer hin? Er konnte nicht weit sein, trotzdem war er nirgendwo mehr auszumachen.
 

Ein geller Schrei neben ihm liess den Sklaven erschrocken zusammenzucken und erinnerte ihn sehr nachdrücklich daran, wo er eigentlich war. Er schlängelte sich zwischen den Kämpfenden hindurch, stiess sie aber auch mal grob zur Seite, wenn er keinen anderen Weg sah sich Durchlass zu verschaffen und erntete meistens dafür einen spitzen Gegenstand, der irgendwo dicht neben ihm einschlug.

Und obwohl das alles eigentlich schrecklich beängstigend gewesen wäre, war Kato für einmal wirklich entschlossen sein Bestes zu geben und sich nicht einschüchtern zu lassen. Er wusste, dass er sich in unmittelbarer Lebensgefahr befand und sie war dieses Mal sogar noch immanenter als der Harpyienangriff auf weitem Feld. Er war links und recht, vorne und hinten umgeben von Kreaturen, deren einziges Ziel ihr Überleben auf Kosten der andern war. Er wusste auch, dass er nach wie vor keine Chance hatte sich gegen irgendeine von ihnen zur Wehr zu setzen; immerhin war er noch nicht mal mehr bewaffnet. Aber darauf legte er es auch gar nicht an, sondern er hatte sich auf eine Taktik des unauffälligen Ausweichens und Wegrennens verlegt. Bisher klappte das soweit auch ganz gut, denn selbst wenn mal wieder eine Axt über seinen Kopf hinwegzischte, die auch tatsächlich seinem blonden Haupt gegolten hätte, machte sich keiner der Angreifer die Mühe Kato zu verfolgen, wenn er sich lauthals schreiend im Getümmel verdrückte.
 

Obwohl der Sklave sich mittlerweile schon ziemlich weit in die heterogene Masse der Kämpfenden vorgewagt hatte, konnte er den schwarzgeflügelten Teufel immer noch nicht wieder erspähen. Zudem war auch die weisse Ebene, bzw. der Punkt, wo er sich selbst ins Getümmel geworfen hatte, nicht mehr zu erkennen. Er war wirklich von allen Seiten umringt und gerade im Moment etwas panisch, dass er nicht mehr ganz sicher war, in welche Richtung er weiter vorzustossen versuchen sollte. Wie konnte es bloss sein, dass er sich sogar auf einem Schlachtfeld verirrte?!

Doch Kato wollte und konnte sich nicht länger Gedanken darüber machen. Das Gemetzel ging weiter und nahm keine Rücksicht auf seine Orientierungsschwierigkeiten. Das wurde noch betont, als er plötzlich einen stechenden Schmerz in seiner rechten Schulter verspürte. Er taumelte jaulend nach vorne und fiel auf seine Knie. Sofort schlug eine sichelförmige Metallklinge neben ihm ein und liess ihn sich erschrocken umdrehen. Ein riesiger trollartiger Kerl, mit leicht grüner Haut und einem Gesicht das an Hässlichkeit kaum mehr zu überbieten war, schaute drohend auf Kato herunter. Mit einem Ruck zog er die Sense wieder aus dem Untergrund und holte erneut aus um diesmal wirklich den dürren Körper des Sklaven in zwei Hälften zu teilen. Dieser sprang quietschend auf und suchte so schnell ihn seine Füsse trugen das Weite. Hinter sich konnte er noch den wütenden Aufschrei des Trolltypen vernehmen, doch auch er unterliess es, trotz seines offensichtlichen Missfallens, ihn weiter zu verfolgen.
 

Kato hielt sich die verletzte Schulter. Sie blutete ziemlich stark und tat scheiss weh. Er konnte nicht wirklich erkennen wie tief der Schnitt war, aber er nahm sich vor die Zähne zusammen zu beissen und ihn des weiteren zu ignorieren, immerhin hatte er gerade wichtigeres zu tun; namentlich überleben und Luzifer finden.
 

Der Lärm, der von Kampftreiben verursacht wurde, die Schreie und das Klirren von Metal drängten sich wieder in sein Bewusstsein. Er musste weiter. Er musste Luzifer finden. Egal wie…. Doch das Gewühl um ihn herum wollte nicht nachlassen. Alles war so unübersichtlich und Kato hatte nach wie vor keine Ahnung in welche Richtung er eigentlich ging. Das Zusammentreffen mit dem Troll hatte auch noch dafür gesorgt, dass er jetzt nicht mal mehr wusste, aus welcher er eigentlich gekommen war. Alles sah gleich aus, weil überall um ihn herum nur gekämpft wurde. Natürlich waren es immer andere Gegner, trotzdem wirkten sie auf den Sklaven alle gleich, weil sie alle das gleiche taten, nämlich einander die Köpfe einschlagen!

Eine Unruhe hatte von ihm Besitz ergriffen. Vorhin war er noch absolut überzeugt davon gewesen, dass es jetzt nur noch ein Katzensprung bis zu Luzifer war und dass er es schaffen konnte, wenn er es sich nur fest genug vornahm…aber gerade im Moment war er sich nicht mehr so sicher. Er blieb zwar immer in Bewegung, duckte sich weiterhin unter den willkürlichen Schwerthieben hinweg und hüpfte über Stock und Stein, aber er tat es nicht mehr mit der gleichen Zielsicherheit wie zuvor. Er fühlte sich gerade wieder etwas verloren…
 

ABER NEIN! So durfte er nicht denken! Kato ballte die Hände zu Fäusten, Luzifer war ganz in der Nähe und er würde ihn finden. Er konnte sich nicht jetzt, so kurz vor dem Ziel, entmutigen lassen. Schliesslich hatte er es schon vor Augen gehabt.

Er sprintete weiter. Meistens funktionierte seine Taktik des Ausweichens relativ gut, hin und wieder aber auch nicht… Er streifte ein grosses Irgendwas und blieb unerhofft an dessen Mantel hängen. Das Resultat war, dass beide, Kato und der undefinierbare Riese zu Boden gingen, was von diesem natürlich sofort als Angriff gewertet wurde und er sich seinerseits auf den Blonden stürzten wollte. Dieser schaffte es gerade noch sich rechtzeitig aufzurappeln, um ungeschickt das Weite suchen zu können.

Torkelnd machte er sich davon. Langsam ging ihm die Puste aus und hier in diesem Kampf war er wirklich immer auf Zack. Er war als würde man einen abstrusen Hindernislauf absolvieren, nur dass das hier wesentlich länger dauerte als all das was sie so in der Schule gemacht hatten. Er wischte sich eine verschwitze Haarsträhne aus der Stirn. Obwohl er vorher ohne seinen Mantel noch gefröstelt hatte, war ihm jetzt heiss. Er war echt nicht für so was geschaffen…

Ein unerwarteter Hieb in den Rücken liess ihn zu Boden stürzen. Sofort durchzog ihn eine heftige, von seiner Schulter ausgehende Welle des Schmerzes und liess für einen Moment die Welt vor seinen Augen schwarz werden. Scheisse! Er durfte nicht so unaufmerksam sein!

Mühsam versuchte er seine Wahrnehmung dazu zu zwingen, ihm wieder ein scharfes Bild zu liefern. Doch nur quälend langsam lichtete sich der Schleier wieder und konfrontierte den erschöpften Sklaven erstmal mit dem Anblick von vielen wild durcheinander trampelnden Füssen und Beinen. Es dauerte einen Moment bis er realisierte, dass er ja zu Boden gestossen worden war und dass er sich gefälligst wieder aufraffen musste.

Langsam konnte er wirklich nicht mehr, aber hier einfach so liegen zu bleiben ging auch nicht, weil das auf jeden Fall seinen sicheren Tod bedeutet hätte. Schwerfällig kämpfte er sich wieder auf die Füsse. Sein Sichtfeld war immer noch etwas eingeschränkt, trotzdem setzte er sich wackeligen Schrittes wieder in Bewegung. Er durfte nicht einfach so aufgeben. Nein, dieses Mal würde er es aus eigener Kraft schaffen!
 

Kato wankte durch das Gewühl, sich dabei immer die wieder blutende und überaus schmerzhafte Schulterwunde haltend. Es sah kaum noch was. Alles kam ihm irgendwie gedämpft und verlangsamt rein. Der vorher so penetrante Schlachtlärm war plötzlich ein weit entferntes Rauschen, das dafür aber direkt in Katos Kopf zu sitzen schien. Er kniff ein paar Mal die Augen zusammen in der Hoffnung, dass dadurch wenigstens seine Sicht besser werden würde, aber es half nur sehr kurzfristig. Wie in einem alten, schlecht restaurierten, rauschenden Film zog alles an ihm vorbei. Kato fühlte sich als würde er jeden Moment ohnmächtig werden.

Hatte er sich zuviel vorgenommen? Er atmete einmal tief ein und schleppte sich weiter.

Nein, er wollte nicht aufgeben. Dieses Mal nicht…. Nur dieses eine Mal nicht. Er wollte es beweisen… allen beweisen, dass er es konnte…. Und vor allem sich selber.

Er blinzelte wieder ein paar Mal. Mittlerweile hörte er praktisch gar nichts mehr. Dann plötzlich spürte er einen harten Schlag von der Seite und er wusste, dass er fiel. Er verspürte nicht wirklich irgendwelche Schmerzen, stattdessen wurde sein ganzer Körper von einem konstanten heissen Pochen durchzogen, das von seiner Schulter aufging.

Er lag am Boden… und die Augen offen zu halten fiel ihm immer schwerer. Nein, NEIN! Nicht ohnmächtig werden! Nur noch ein bisschen… Luzifer konnte nicht mehr weit sein…. Er wollte nicht…
 

Er fühlte den kühlen Schnee unter sich. Die Füsse trampelten immer noch wild durcheinander und schienen sich nicht mehr um den gefallenen Sklaven zu kümmern. Warum? Er war doch noch nicht tot….

Doch es war alles so weit weg... und wahrscheinlich war Kato für diejenigen, die kämpften, genauso weit weg, wenn er ausgeknockt am Boden lag. Der Sklave verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln. Seine Gedanken ergaben irgendwie keinen Sinn mehr. Hatte es ihn wirklich so schlimm erwischt? So krass konnte diese Schulterwunde doch gar nicht sein, immerhin hatte Gem ja auch noch verletzt weiterkämpfen können….
 

Ok, vielleicht sollte er sich Schwächling nicht mit einem erfahrenen Krieger wie Gem vergleichen. Er war so eine Niete.

Luzifer war so nah gewesen, doch nicht einmal das hatte er geschafft…

Vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte und Blut rauschte in seinen Ohren. Der Hintergrund wurde von einem blutroten Fleck eingenommen. Kato verstand nicht wirklich was er sah, aber es war ihm mittlerweile auch egal. Vielleicht sollte er sich wirklich damit abfinden, dass er nutzlos war und sich dem ewigen Leiden ergeben.

Der Fleck kam näher, schlug die umrissartigen Gestalten um sich herum nieder und verschlang sie.

Kato wusste nicht was ihn dazu bewegte… vielleicht war es sein letzter Versuch nicht aufzugeben, nicht wegzurennen und für einmal nicht einfach nur das Schicksal anzunehmen, denn er hob mit letzter Kraft den Kopf und schaute zu dem Fleck auf.

Und obwohl es ihm schwer fiel wirklich etwas zu erkennen, verstand er mit einem mal, dass der Fleck nicht einfach eine blutrote Masse an Farbe war, sondern ein karminroter Mantel, der jemandem gehörte, den er kannte….
 

„ASMODEUS!!!“
 

Kato schrie aus vollem Halse. Es war sein letzter Aufschrei, denn danach wurde die Welt um ihn herum tatsächlich schwarz. Er war sich nicht sicher, ob der Erzdämon ihn auch gehört hatte oder ob es überhaupt wirklich selbiger gewesen war. Aber er hatte einen dunkelhaarigen Kerl in einem roten Samtmantel gesehen und der Sklave war sich in jenem Moment sicher gewesen, dass es nur einer sein konnte….
 

~~~
 

Er hörte ein Pochen. Es klang gleichmässig und beruhigend.

Alles um ihm herum war rot… er wusste nicht warum, aber rot war wichtig. Sehr wichtig…

„Hey Junge…Los! Wach auf!“

Die Stimme zerrte irgendwie an seinem Bewusstsein, aber er wollte noch nicht. Er wollte lieber noch etwas in dem angenehmen Rot eingehüllt sein.

Dann fühlte er eine Berührung. Etwas strich über seine Brust und wanderte dann weiter nach unten. Es war nicht unangenehm, deswegen liess Kato es einfach so geschehen… es wäre sowieso zu anstrengend gewesen, sich weiter Gedanken darüber zu machen.

Dann liess die Berührung für einen Moment von ihm ab, nur um sich gleich darauf mit unerwarteter Forschheit in seinem Schritt zu manifestieren….
 

Kato kreischte auf und war augenblicklich wach!

Was? Wer?!

Er war hochgeschnellt und versuchte sich mit schützend über seine privaten Körperpartien geschlagenen Händen und verschwommenen Blick ein Bild der Situation zu machen.
 

Asmodeus stand schleimig und amüsiert grinsend über ihm. Er hatte den Kopf etwas schief gelegt und kommentierte die offensichtliche Panik des Sklaven lediglich mit einem „Ach, jetzt bist du doch schon wach…“ bevor er sich umwandte.

Kato gab ein Knurren von sich. Der Kerl hatte ihn wieder mal begrabscht, das war doch einfach die Höhe. Er würde…

Seine gerade beginnen wollende Schimpftirade auf den Satan der Wollust wurde unterbrochen, als Kato realisierte, dass er sich in einem Zelt befand. Es war höher und irgendwie geräumiger, als das der Nephilim, wo er mit Belial gefangen gehalten worden war. Ausserdem lag er auf etwas, das verdammt nach einer Krankenbahre aussah.

Automatisch sah er an sich herunter und musste feststellen, dass sich über seine Brust ein weisser Verband spannte. Ja natürlich, er war ja verletzt worden… seine Schulter. Und als wäre es diese Erkenntnis gewesen, auf die sein Bewusstsein gewartet hätte, setzte auch sogleich das konstante Pochen wieder ein, das er mittlerweile als Welle des Schmerzes identifiziert hatte.

Kato verzog das Gesicht. Grossartig, darauf hätte er echt verzichten können. Aber trotzdem war es erträglich. Seine Schulter tat weh, aber es war viel besser als vorhin noch auf dem Schlachtfeld. Er schaute sich erneut um.

„Wer hat mich verarztet?“

Asmodeus, der mittlerweile zum Eingang des Zeltes getreten war und nach draussen schaute, wandte sich wieder um. Er zog erst kritisch eine Augenbraue hoch, erwiderte dann aber jovial wie immer: „Ich natürlich.“

Kato glaubte ihm kein Wort, aber das war momentan auch nicht so wichtig, denn ihm war etwas anderes eingefallen…
 

„Wo ist Luzifer?“

Das Grinsen auf dem Gesicht des Erzdämons verschwand.

„Draussen bei den Truppen, wo er sein sollte.“ antworte er sachlich.

„Ich muss zu ihm.“ Kato versuchte zur Bestätigung seiner Worte auch gleich sich aufzuraffen und von der Bahre aufzustehen. Diese Aktion wurde natürlich mit einem sofortigen Schwindelanfall bestraft und zwang den Sklaven sich wieder hinzusetzen.
 

„Er hat jetzt wichtigeres zu tun, als mit dir zu plauschen, Haustierchen.“ Diese Aussage zusammen mit dem zwinkernden Blick des wollüstigen Alten klang wieder mal dermassen anrüchig und abschätzig, dass Kato das Bedürfnis ihm die Hände um den Hals legen zu wollen nicht unterdrücken konnte. Ja, es war wirklich alles fast wie immer…
 

„Ich will nicht mit ihm plauschen, ich muss ihm etwas Wichtiges erzählen… etwas über die Nephilim und das Ritual, das sie durchgeführt haben“

„Ritual? Davon weiss ich nichts….“ Asmodeus klang skeptisch.

„Natürlich nicht. Es ist ja auch geheim und hat sie stärker gemacht.“ Kato wiederum klang eher wie ein trotziges Kind, das einem unverständigen Erwachsenen etwas vollkommen Offensichtliches erklären musste. Doch der Satan schien immer noch nicht überzeugt, denn er runzelte lediglich kritisch die Stirn.

„Wo ist Belial?“
 

Hä? Oh äh Belial… ja, die hatte er vollkommen verdrängt gehabt.

„Es geht ihr nicht so schlecht…“ antwortete der Sklave erstmal ausweichend, „…sie hat zwar gegen das Bunny abgelost, aber es geht ihr schon besser. Du weißt ja, so schnell vergeht Unkraut wie sie nicht.“
 

„Wie sie hat ABGELOST?!“ Ganz wider Katos Erwarten, war der Satan plötzlich sehr schnell bei ihm und hatte ihn am Oberarm gepackt.

„Hey!“ er schälte sich in einer abrupten Bewegung aus der unerwünschten Berührung und rutschte erstmal wieder einen weit Meter weg. Doch obwohl Asmodeus ihn abrücken liess, sagte sein brennender Blick, dass er auf jeden Fall eine ausführliche Antwort erwartete.

„Ja ja, schon gut…“ Kato hob beschwichtigend die Hände, „sie hat nicht wirklich abgelost. Eigentlich hatte sie schon gewonnen, doch dann kam der Herr der Fliegen und hat sie von hinten überrascht.“

„Der Herr der Fliegen?“ In der Stimme des Erzdämons spiegelte sich ganz eindeutiger Unglaube wider.

„Ja, er ist ein Verräter…“ Kato sagte das ganze so leicht dahin, während das Hauptmerk seiner Aufmerksamkeit schon wieder zu dem Unterfangen sich von der Bahre aufzuraffen abgedriftet war, „…wusstet ihr das etwa noch nicht?“

Asmodeus gab lediglich ein Räuspern von sich, während Kato es endlich geschafft hatte wieder auf seinen eigenen zwei Beinen zu stehen.
 

„Kann ich jetzt endlich zu Luzifer?“

Der Erzdämon nickte wortlos und setzte sich in Bewegung. Er geleitete Kato aus dem Zelt und führte ihn durch die Masse am Boden sitzender Soldanten hindurch. Es schien als hätten diese gerade so was wie eine Waffenruhe, denn die meisten waren entweder damit beschäftigt ihre Schwerter zu wetzen oder sich ihre unzähligen Wunden zu verbinden. Kato konnte einen gewissen Anflug von Furcht nicht unterdrücken, wenn er sich die wilde Meute so besah, denn nach wie vor wurde die Mehrheit von ihnen von irgendwelchen nicht-menschlichen Monstern und Dämonen gebildet. Es war schon eine Ironie, dass die Armee auf deren Seite er stand, so hässlich war…
 

Sie durchquerten die lagernden Truppen bis sie schliesslich eine Gruppe von Leuten erreichten, die etwas abseits stand. Alle Beteiligten hatten ihnen den Rücken zugewandt, während sie über einer Karte etwas zu diskutieren schienen, aber Kato konnte auch so sofort erkennen, dass Luzifer derjenige in der Mitte war. Sein langes dunkles Haar fiel über den Umhang, den er auf dem Rücken trug, und wehte leicht im kalten Wind.

Er konnte nicht verhindern, dass sich sein Herzschlag bei dem Anblick beschleunigte. Endlich hatte er es geschafft! Endlich hatte er Luzifer gefunden! Er hatte es tatsächlich geschafft!
 

Für einen Moment fühlte Kato sich einfach nur unglaublich erleichtert. Er hatte es geschafft, obwohl er selbst nicht mehr damit gerechnet hatte. Er war ein bisschen stolz auf sich… nein falsch, er war seeehr stolz auf sich!

Unweigerlich schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht. Und Luzifer war auch da… er hatte ihn immerhin schon ziemlich lang nicht mehr gesehen.
 

Der Typ zu Luzifers Rechten drehte sich um und warf einen genervten Blick auf die Neuankömmlinge. Kato kannte ihn nicht, aber er wirkte irgendwie sehr militärisch.

Dann wandte sich auch noch der links zu ihnen um und musterte den Sklaven ganz unverhohlen und mit einer mehr als missbilligenden Attitüde.

Kato wartete darauf, dass auch Luzifer endlich reagieren würde, doch dieser blieb weiterhin über seine Karte gebeugt und schien nicht das geringste Interesse daran zu haben, sich jetzt mit seinem zerzausten Haustierchen auseinandersetzten zu müssen.

Irgendwie machte ihn das ungeduldig. Kato starrte auf den schwarze Rücken und das glänzende Haar. Warum drehte er sich nicht um? Er würde doch sicher hören wollen was er zu sagen hatte, oder nicht?

Und bevor Kato wirklich darüber nachdenken konnte, was er tat, hatte er einen Schritt nach vorn gemacht und den Teufel selber angesprochen. „Herr?“

Doch während ein sichtliches Luftholen durch die Reihen der Beobachter ging, machte dieser immer noch keine Anstalten seinem Sklaven die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die jener sich wünschte. Stattdessen richtete er sich gerade auf, Asmodeus und Kato immer noch den Rücken zugewandt. „Marquis…“

Sofort hatte dieser zu Kato aufgeschlossen und deutete eine Vergebung an „Ja, Exzellenz?“

„Hatte ich dir nicht aufgetragen, dafür zu sorgen, dass er das Versorgungszelt nicht verlässt?“

Asmodeus verzog das Gesicht. „Nun ja, ich wollte ihn ja davon abhalten, aber er meinte, er habe euch etwas Wichtiges zu berichten… von einem Ritual und dass der Herr der Fliegen ein Verräter sei.“
 

Nun endlich wandte sich der Höllenfürst zu ihnen um. Kato konnte nicht verhindern, dass ihn bei dem Anblick eine Gänsehaut überfiel. Luzifer trug diesen glänzenden schwarzen Kampfanzug, den er schon bei den Gefechten im Himmel zu Gesicht bekommen hatte und wirkte mit seinem kalten Blick, mit dem er Asmodeus direkt fokussiert hatte, wie der Inbegriff von Stärke, Überlegenheit und Kontrolle.

Kato schrumpfte an seinem Platz gleich etwas zusammen und befand für sich selber im Stillen, dass er vielleicht lieber doch nicht so ungeduldig hätte sein sollen. Obwohl der Teufel momentan eher mit dem Satan der Wollust beschäftigt zu sein schien, war seine Präsenz in Katos Wahrnehmung plötzlich so übermächtig geworden, dass sich automatisch seine Nackenhaare aufgestellt hatten.
 

„Ist das so?“ Luzifer schritt auf die beiden zu, schien aber immer noch nur mit Asmodeus zu reden.

„Und warum hat er dann nichts an?“ Er hatte innegehalten und war direkt vor ihnen stehen geblieben. Kato schaute erschrocken an sich herunter. Stimmte ja…. Ausser dem Verband trug er oben nichts. Nun gut, er hatte vorher schon nicht viel mehr angehabt, aber irgendwie war er zu fest darauf fixiert gewesen Luzifer zu finden, um zu bemerken, wie kalt es wirklich war. Ähnlich schien auch Asmodeus zu denken, denn er räusperte sich und erwiderte kleinlaut: „Er hatte es sehr eilig zu Euch zu gelangen, Exzellenz.“

Luzifer hob leicht amüsiert eine Augenbraue und schaute dann aber zum ersten Mal direkt zu seinem Sklaven, der sich gerade wünschte doch lieber nicht so überstürzt gehandelt zu haben.
 

„Gib ihm deinen Mantel und dann geh wieder auf deinen Posten, Marquis.“ Diese Anweisung schien das Ende des Gespräches zu markieren, denn der Teufel wandte sich um und kehrte mit gelassenem Schritt zum Tisch mit der Karte darauf zurück. Der Herr der Wollust schien dafür nur umso verblüffter, denn er starrte dem sich entfernenden Höllenfürsten für ein paar Sekunden erst ungläubig nach, bevor wieder Leben in seine Glieder kam und er sich widerwillig aus seinem roten Umhang schälte. Er hielt ihn Kato hin, was von diesem aber bloss ähnlich verwirrt zur Kenntnis genommen wurde.

„Los nimm ihn schon, i-…“ Asmodeus stockte und schüttelte resignierend den Kopf. Kato fragte sich zwar, was der Erzdämon noch hatte sagen wollen, nahm den Umhang dann aber trotzdem wortlos entgegen. Er ekelte sich zwar ehrlich gesagt ein bisschen etwas zu tragen, das diesem Perversen gehörte – wer wusste schon wobei er es alles schon getragen hatte -, aber es war Luzifers Befehl gewesen und dem hatten sie beide bekanntlicherweise nicht besonders viel entgegen zu setzten.
 

Der Marquis wandte sich zum Gehen, hielt dann aber noch ein letztes Mal inne und packte Kato, der gerade dabei war den Umhang überzustreifen, am Arm. Mit einem Augenzwinkern und zuckersüssem Tonfall meinte er: „Ich möchte ihn dann aber gerne wieder zurück haben.“
 

Kato schauderte, während er den Herrn der Wollust endgültig abziehen sah. Also echt! Der alte Sack änderte sich nie….
 

Er schaute Asmodeus lange nach, bevor er seinen Blick wieder auf Luzifer richtete. Es war bloss eine Massnahme um Zeit zu schinden, denn um ehrlich zu sein, hatte Kato absolut keine Ahnung wie er sich jetzt verhalten sollte. Er wusste, er musste Luzifer von den Dingen berichten, die er gesehen hatte, aber wie? Nach dieser Szene gerade eben konnte er nicht mehr einfach zu ihm hin gehen und darauf los plappern. Irgendwie hatte er sich ihr Wiedersehen etwas anders vorgestellt…. Er wusste auch nicht genau wie, aber sicher nicht so.
 

„Sklave!“

Katos Kopf schnellte hoch und er sah wie der Teufel ihm einen Blick über seine Schulter zuwarf. „Ich dachte, du hättest es ausserordentlich eilig mir von den Vorkommnissen bei den Nephilim zu berichten.“

Schluckend nickte er und machte sich daran schnell bis zu Luzifer an dem Tisch mit der Karte aufzuschliessen. Die zwei anderen Kerle waren mittlerweile auch abgezogen und sie waren dementsprechend allein.

Kato schaute nervös zu Luzifer hoch, dessen Blick allerdings aufmerksam über die Markierungen auf der Karte wanderte.

„Die Nephilim…“ er wusste nicht so recht wie er anfangen sollte, „….sie haben ein Ritual veranstaltet.“ Luzifer schien weiterhin nicht besonders interessiert.

„Aber davor hat der Hutmacher mit dem Bunny gekämpft und verloren….“ Ein skeptisches Stirnrunzeln erschien auf dem schönen Gesicht des Teufels, das Kato dazu veranlasste seine wirre Aussage etwas zu relativieren. „S-Sie hat nicht wirklich verloren! Der Herr der Fliegen hat sie von hinten überrascht, also war es zwei gegen einen. Und dann…“

Luzifer richtet sich auf und schaute nun zum ersten Mal wirklich interessiert auf Kato herunter. „Beelzebub hat also wirklich die Seite der Nephilim ergriffen?“

„Ja!“ Kato, bestärkt dadurch, dass er Luzifer endlich etwas erzählen konnte, das dessen Aufmerksamkeit zu erwecken schien, wollte hektisch fortfahren, doch dieser stoppte ihn mit einer simplen Handbewegung. „War sonst noch jemand da ausser ihr vier?“

Katos Mund stand offen, während ihn die überraschende Äusserung der Frage dazu brachte, sich die Szene ernsthaft noch mal vor Augen zu führen. „Ähh nein…. oder doch… DOCH! Die Wachen waren noch da, aber die haben nichts gemacht. Nichts gesagt und auch nicht eingegriffen als sie gekämpft haben… Die hätten den Hutmacher gewinnen lassen, obwohl sie doch eigentlich auf der Seite der Nephilim stehen.“ Die letzte Aussage überraschte selbst den Sklaven, denn diese Erkenntnis war ihm erst jetzt gekommen. Die Wachen hätten das Bunny wirklich nicht gerettet, wenn der Herr der Fliegen nicht eingegriffen hätte.

„So läuft das nun mal in einem Duell.“ entgegnete Luzifer leise, nicht wirklich an Kato gerichtet, dann etwas lauter fügte er hinzu: „Und was ist danach passiert, nachdem der Hutmacher geschlagen war?“

„Dann haben sie eben das Ritual durchgeführt.“ Die Aussage klang etwas unsicher und veranlasste den Teufel dazu Kato erneut einen skeptischen Blick zuzuwerfen. Dieser druckste nervös herum. „Ich hab von dem Ritual selber nicht so viel mitgekriegt, ich war irgendwie etwas weggetreten…“

Kato konnte sehen, dass Luzifer ob diesen betreten Geständnisses für einen Moment einen verärgerten Blick in die Weite warf, ihn dann aber erneut wortlos fokussierte.

„Aber-aber ich weiss, dass sie uns beide an Pfähle gefesselt haben und uns geschnitten haben, damit sich unser Blut vermischt….und dann gab es einen grossen Knall und…“

Luzifer hatte erneut seine Hand gehoben, um dem wild gestikulierenden Kato Einhalt zu gebieten. „Sie haben euer Blut vermischt?“

Obwohl Kato ein bestätigendes „Ja“ zur Antwort gab, war er fast sicher, dass der Teufel ihn schon nicht mehr gehört hatte. Dessen Blick war erneut in die Ferne gerichtet, nur schien sich für einmal ganz eindeutig Missfallen, um nicht zu sagen so etwas wie Besorgnis, darin abzuzeichnen.
 

„Es hat sie stärker gemacht“ fügte er kleinlaut hinzu und war sich nicht sicher, ob er dieses Mal gehört wurde. Doch entgegen seiner Erwartung entgegnete der Teufel nun mit wallendem Mantel um den Tisch herumgehend: „Das war auch der Sinn dieses Rituals.“

Kato stand verdattert da und sah wie Luzifer den Wachen in einiger Entfernung ein paar kurze Handzeichen geben, worauf auch sogleich wieder die zwei militärischen Typen von vorhin angerannt kamen. Der Teufel wechselte ein paar Worte mit ihnen, woraufhin sich ebenfalls ein gewisses Missfallen in deren Gesichtern abzuzeichnen schien. Trotzdem nickten sie und verschwanden, nachdem sie ergeben salutiert hatten, wieder aus Katos Blickfeld.

Dieser schaute ihnen verwirrt nach und schloss erneut zögerlich zu Luzifer auf. „Ich verstehe nicht was hier abgeht.“

Der Teufel schaute ihn nicht an, trotzdem erwiderte er ruhig: „Normalerweise würde ich es auch als besser erachten, wenn du es nicht verstehst. Doch dieses Mal war es eine Schwäche…“ Kato schaute fragend zu ihm auf.

„Die Nephilim haben sich mit eurem Blut komplettiert. Ein Engel und ein Mensch treffen aufeinander… so entstehen die Halbblüter. Dadurch dass sie ein zweites Mal dieses Aufeinandertreffen herbeigeführt haben, haben sie nun die Macht beider Rassen.“
 

Kato verstand es immer noch nicht wirklich. Die Worte schwirrten in seinem Kopf. Die Nephilim waren vorher halb gewesen und waren jetzt ganz, oder wie?

Er legte sich die Finger an die Schläfen. Irgendwie ging es ihm gerade nicht so gut.

Luzifer hob die Hand als wolle er ihm mit dieser so vertrauten Gesten die langen Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen, hielt dann aber im letzten Moment inne und liess sie mit strengem Gesichtsausdruck wieder sinken. „Es hat keinen Sinn, wenn du dir darüber weiter den Kopf zerbrichst. Sklaven sollten sowieso nicht über solche Dinge nachdenken.“

Die Aussage traf Kato unerwartet heftig. Er sah der Hand sehend nach, die ihn nicht berührt hatte und fragte sich, wann das hier endlich ein Ende haben würde und er wieder einmal wirklich allein mit dem Wesen, das sich als sein Meister bezeichnete, sein würde. Er wusste nicht woher dieser seltsame Gefühlsausbruch kam, aber er hätte sich in diesem Moment wirklich eine Berührung gewünscht; egal wie kurz oder grob, sie hätte dieses Wiedersehen irgendwie realer gemacht.
 

Luzifer, der die trüben Gedanken seines Haustierchens zu erahnen schien, wandte sich um. „Geh zurück ins Versorgungszelt und bleib da.“

„Aber…?“

„Widersprüche?“ Der scharfe Blick, welcher der Teufel ihm zuwarf, liess ihn alles, was ihm auf der Zunge gelegen hätte, herunterschlucken und stumm den Kopf schütteln. Das Gespräch war beendet, soviel war klar. Luzifer rauschte davon und Kato blieb mit gemischten Gefühlen zurück. Irgendwie hatte er sich ihre erste Begegnung nach so langer Zeit wirklich anders vorgestellt.
 

TBC

Kapitel 45

„LUZIFER MORGENSTERN“
 

Die Stimme hallte über die schneebedeckten Hügel. Magisch verstärkt liess sie jeden Schneekristall in der Luft vibrieren und brachte den Sklaven dazu, sich mit einem erschrockenen Satz nach allen Seiten umzuwenden. Er war gerade auf dem Weg zurück in sein Versorgungszelt gewesen, als die Stimme erschallt war und nicht nur ihn, sondern auch die Soldanten der höllischen Heerscharen, durch deren lagernde Massen er sich gerade seinen Weg gebahnt hatte, in Aufruhr versetzt hatte. Woher kam die Stimme? Wie konnte sie sich mit solcher Klarheit und Wucht über die kahlen Schneeebenen ausbreiten? Überall wandten sich Köpfe um und suchten nach ihrem Ursprung. Kato sah sich plötzlich umgeben von einem Gewühl von Körpern, das wild durcheinander wuselte. Der Weg zu seinem Zelt war somit versperrt und er wurde automatisch zurückgedrängt. Mit seinem Orientierungssinn war es ja sowieso nicht besonders weit her, aber er verlor hier zusehends die Übersicht.
 

„WIR HABEN ETWAS, DAS DIR GEHÖRT!“
 

Das Chaos der aufgebrachten Leute um ihn herum wurde schlimmer. Für einen Moment fühlte er sich wieder wie während der Schlacht, als er sich zwischen den Dämonen hatte durchkämpfen müssen. Dann plötzlich schien sich die Masse der wabernden Körper zu kanalisieren und Kato wurde in eine bestimmte Richtung geschoben. Er versuchte ihr entgegenzuhalten, weil das ganz bestimmt nicht war, was Luzifer gutgeheissen hätte.

Natürlich war er neugierig was abging – das schien hier gerade jeder zu sein – aber Luzifer hatte deutlich gesagt, er solle zurück ins Zelt. Wenn er wieder verloren ging, würde er sicher Ärger kriegen, und das wollte er um jeden Preis vermeiden.

Katos Anstrengungen sich gegen die schiebenden und trampelnden Dämonen zu wehren, waren offensichtlich mehr als erfolglos, denn er fand sich plötzlich am Rande einer Erhöhung wieder, von wo aus man geradewegs die flache Ebene bis hin zu den Hügeln auf der gegenüberliegenden Seite überblicken konnte. Kato war gefangen von dem Anblick und liess abgelenkt seine zum Widerstand erhobenen Arme sinken. Es war seltsam….
 

Die beiden Armeen standen sich frontal gegenüber. Die Nephilim aus den Hügeln kommend – Kato tippte insgeheim darauf, dass das der Ort war, wo er mit dem Hutmacher zusammen gefangen gehalten worden war – die höllischen Heerscharen von hier. Die vordersten Linien beider Fronten wurden von bis an die Zähne bewaffneten Kriegern gestellt, und obwohl er auf die Distanz keine Details erkennen konnte, war der Effekt furchteinflössend genug. Eine Spannung lag in der Luft, die selbst für den normalerweise reichlich unsensiblen Sklaven geradezu greifbar war. Eine Gänsehaut überfiel ihn.
 

„MÖCHTET IHR ES NICHT ZURÜCK HABEN?“ donnerte die Stimme erneut über das Land.
 

Kato wusste immer noch nicht wem sie gehörte. Er konnte auch nicht wirklich einordnen, ob sie männlich oder weiblich war; die enorme Lautstärke verzerrte sie total. Trotzdem war ihm mittlerweile klar, dass sie ihren Ursprung in den Reihen der Nephilim fand…

Wie auf Geheiss begannen nun genau jene sich zu teilen und einer kleinen Gruppe von Leuten Platz zu machen. Etwas vor der ersten Reihe der Krieger, auf offenem Feld, hielten sie schliesslich an und blickten abwartend zu ihnen hinauf.

Kato wusste nicht was das sollte, aber er hatte das ungute Gefühl, dass eine der Personen, die gerade da unten standen, das Bunny war. Er konnte zwar nicht wirklich viel erkennen, dafür waren sie einfach zu weit weg, aber das Kribbeln in seiner Bauchgegend konnte ihn in diesem Moment einfach nicht trügen.
 

Auch die Reihen der höllischen Heerscharen begannen sich zu teilen, um ihrem Fürsten Durchlass zu gewähren. Erhobenen Hauptes schritt Luzifer an ihnen vorbei und auf die Gruppe der Nephilim zu. Obwohl diese eine offensichtliche Mehrheit mit ihren fünf oder sechs Leuten – Kato konnte es wirklich nicht genau sagen – bildete, wirkte des Teufels schwarze Gestalt nicht im Mindesten klein oder unterlegen. Nein ganz im Gegenteil! Es war als würden die Nephilim wirklich die gesamte Gruppe an Vertretern benötigen, um ihm auch nur halbwegs etwas entgegenhalten zu können… Das war es wohl was man Erfurcht erzeugen nannte.
 

Kato legte für einen Moment die Stirn in Falten und seufzte. Er machte sich nicht wirklich Sorgen um Luzifer, aber….. naja… der Höllenfürst wusste immerhin genau so wenig was jetzt geschehen würde wie er selber.

Die Person in der Mitte der Nephilimgruppe löste sich heraus und ging dem Teufel ein paar Schritte entgegen. Sie trug einen langen Mantel und schien ähnlich gross wie Luzifer, vielleicht sogar grösser. Die beiden wechselten ein paar Worte, doch sie wurden nun nicht mehr magisch verstärkt und waren somit für Kato nicht mehr als verschwommenes Gestikulieren.

Irgendwie machte ihn das nervös! Er wollte wissen, was das abging! Immerhin glaubten die Nephilim wahrscheinlich immer noch, dass sie ihn und den Hutmacher als Geiseln hatten. Zumindest liess die Aussage von vorhin darauf schliessen. Für einen Moment schlich sich ein bitteres Lächeln auf das Gesicht des Sklaven. Ja, zumindest da hatten sie die Nephilim diesbezüglich überlisten können. Er war stolz gewesen, dass ihm die Flucht geglückt war und dass er allein zurück gefunden hatte, trotzdem machte sich jetzt ein ungutes Gefühl in seiner Brust breit. Er war beunruhigt. Die Nephilim hatten schliesslich noch dieses Ritual gehabt, das sie stärker gemacht hatte...

Die Überreste des Lächelns auf seinen Lippen erstarben endgültig, mit einer beinahe schon groben Geste schob er seinen Nebenmann zu Seite und drängte sich an ihm vorbei. Er musste wissen was abging! Luzifer hatte ihm zwar befohlen ins Zelt zu gehen und er war sich auch bewusst, dass er Ärger kriegen würde, weil er es nicht getan hatte, aber das hier war momentan einfach viel wichtiger! Ausserdem – er fügte es leise in Gedanken hinzu – wusste er jetzt sowieso nicht mehr in welcher Richtung das Krankenzelt überhaupt lag.
 

Er drängte sich durch die Reihen der Dämonen und folgte einem Pfad, der leicht abwärts führte und von dem Kato sich versprach, dass er ihn näher ans Geschehen bringen würde.

Die Soldaten machten ihm nur widerwillig Platz, hatten sie doch selber nicht besonders viel davon, während sich hier alles nach vorne drängte, um Zeuge dieses monumentalen Austausches zwischen den beiden gegnerischen Parteien zu werden. Kato konnte Luzifer jetzt

nicht mehr sehen, trotzdem lag die Spannung drückender als jemals zuvor in der Luft.

Es war auch relativ ruhig. Hin und wieder gab einer der Dämonen ein unwilliges Knurren von sich, wenn der Sklave sich an ihm vorbeischob, trotzdem schien die allgemeine Aufmerksamkeit auf dem Geschehen im Tal zu liegen und jeder darauf erpicht vielleicht ein Wort aufzuschnappen. Lediglich der Wind pfiff weiterhin gemächlich über die Ebene und durch die Hügel und schien sich von dem allem nicht beeindrucken lassen zu wollen.
 

Kato stiess einen Koloss reichlich rüpelhaft zur Seite, weil er einfach nicht auf sein dezentes Anstupsen reagiert hatte. Dementsprechend sorgte er aber auch dafür möglichst schnell wieder aus dessen Sichtfeld zu verschwinden, denn dieser schien alles andere als erfreut über die ungewollte Störung und schüttelte Kato drohend sein Faust hinterher.

Der Sklave war froh, als er schliesslich unbeschadet den flachen Talgrund erreichte und nahm sich erstmal einen Moment um durchzuatmen, bevor er seinen Blick wieder nach vorn richtete. Er stand jetzt hinter der strikt in Reih und Glied aufgestellten ersten Truppe, welche die vorderste Front gegen die Nephilim bildete. Sehen konnte er Luzifer auch von hier aus nicht, aber als plötzlich ein erschrockenes Luftholen durch die Reihen der Soldaten ging, war ihm klar, dass er gerade etwas Wichtiges verpasst haben musste. Scheisse!
 

Auf einmal begann die Luft zu knistern. Allerdings nicht nur im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich. Kleine Blitze zuckten über die Köpfe der Krieger hinweg und liess den einen oder anderen gar unheldenhaft zusammenzucken. Auch Kato erschrak, trotzdem hatte er sich aber noch soweit im Griff um die Gelegenheit zu nutzen und über die eingezogenen Köpfe hinweg wieder einen Blick auf Luzifer zu erhaschen. Dessen schwarzer Umhang wurde vom Wind heftig hin und her geweht, so dass Kato nicht wirklich sagen konnte, was da vorne gerade sonst noch so geschah. Dann plötzlich schloss sich die Reihe der Soldaten wieder und versperrte ihm die Sicht. Kato musste ein Fluchen unterdrücken, machte sich aber sogleich auf Zehenspitzen daran weiter nach vorne zu schleichen. Während er neben den so brav in starrer symmetrischer Form aufgestellten Soldaten vorbeihuschte, wurde ihm zwar immer mal wieder aus den Augenwinkeln ein irritierter Blick zugeworfen, trotzdem schien keiner von ihnen es als nötig zu erachten, den Sklaven zu vertreiben. Sie starrten weiterhin stur geradeaus und versuchten so ihre unzerbrechlichen Kampfgeist zu betonen – oder sie waren schlichtweg auch mehr an dem interessiert, was gerade da vorne abging. Kato war es egal, er ignorierte ihre starren Mienen genauso wie sie seine Präsenz zu ignorieren schienen. Langsam konnte er Stimmen vernehmen…
 

„…path- Schauspiel hier. Ich.... me- erwartet.“
 

Das war Luzifer gewesen. Aber scheisse, er konnte ihn immer noch nicht richtig verstehen.
 

„Eminenz, Ihr…“ Auch hier ging der Rest unter, trotzdem liess ihn das Gehörte dieses Mal regelrecht in seiner Bewegung erstarren.
 

Es war die Stimme einer Frau gewesen, es war… das Bunny!
 

Kato erwachte mit einem Schaudern wieder aus seiner versteinerten Haltung und konnte dieses Mal zwischen den dunklen Unrissen der Soldanten sogar jene dieses Gipfeltreffen ausmachen. Eine dritte Person hatte sich zum Höllenfürsten und seinem Nephilim Gegenpart gesellt, und Kato war sich ganz sicher, dass es das Bunny war.

Arg! Er ballte die Hände zu Fäusten. Warum zum Teufel musste sie sich immer so wichtig machen?! Es regte ihn irgendwie am meisten auf, sie jetzt da vorne zu sehen. Dieser dumme, elende Märzhase! Er konnte absolut verstehen, dass der Hutmacher so einen riesigen Groll gegen sie hegte…. Er grollte ihr nämlich auch gerade… ein bisschen zumindest.
 

„Ihr habt euch in der Tat eine seltene Kombination an Opfern für euer Blutritual ausgesucht.“

Dieser Satz war ganz klar zu ihm herübergeschallt. Und da Kato auch ausnahmsweise so halbwegs wusste, was Luzifer damit meinte, musste er ihm mit zusammengepressten Lippen recht geben. Er befand sich jetzt etwas hinter der Mitte der Soldatenformation. Die Nephilim von hier aus zu sehen gestaltete sich zwar nach wie vor schwierig, bzw. hing es davon ab, wie sie sich gerade bewegten, aber er konnte dafür relativ gut hören was gesprochen wurde.
 

„Oh, Ihr habt es durchschaut?“ Ein amüsiertes, mädchenhaftes Kichern folgte, „Dabei hatten wir doch gehofft Euch überraschen zu können. Aber vielleicht hat das hier wenigstens noch den gewünschten Effekt…“ wieder brach der Satz ab und Kato reckte verzweifelt den Kopf um wenigstens optisch zu erkennen, was passierte.

Das Bunny hatte ein Handzeichen gegeben, worauf sich die Front der Nephilim erneut teilte und eine Gruppe von grau gekleideten Gestalten hervor trat. Kato konnte sie mittlerweile als simple Wachen identifizieren, doch es war weniger ihre Präsenz, die ihn erstaunte, sondern viel mehr die Tatsache, dass jede von ihnen etwas trug….

Der vorderste hielt ein Tuch in den Händen, der zweite, der gleich danach hervor trat, trug jemanden, der offensichtlich bewusstlos war, und der dritte hielt einen zappelnden und wild um sich schlagenden, jungen Mann gefangen…
 

Kato musste schlucken. Scheisse…

Der Hutmacher hatte sich echt in ihn verwandelt?! Es war irgendwie unheimlich sich selbst in der Gewalt der etwa zwei Köpfe grösseren, grauen Nephilim-Wachen zu sehen. Ausserdem jagte Kato für einen Moment der Gedanke durch den Kopf, dass er Luzifer vielleicht auch von diesem tollen Plan hätte berichten sollen. Scheisse noch mal! Warum hatte er das bloss vergessen?! Das lag nur wieder daran, dass der Teufel so verdammt wortkarg und gemein hatte sein müssen. Wenn er wenigstens ein bisschen Freude darüber, dass er ihm gut ging, gezeigt hätte, wäre er sicher nicht so nervös gewesen und…
 

Vorne tat sich wieder etwas. Kato lenkte seinen Blick wieder auf die Nephilim. Verdammt, er musste jetzt aufmerksam sein und durfte sich nicht von solchen Gedanken ablenken lassen! Das, was da vorne abging, war wichtig!

Die drei Wachen hatten sich mit ihrer Fracht in einer Reihe positioniert. Luzifer liess sich offensichtlich nicht anmerken, dass ihn die Anwesenheit eines zweiten Katos in irgendeiner Form aus dem Konzept gebracht hätte, sondern stellte bloss weiterhin seine kühle Selbstbeherrschung zur Schau.

„Ich hoffe, Ihr ward nicht zu verärgert darüber, dass wir so frei waren uns ein paar Eurer Untergebenen auszuleihen. Den Engel und den Mensch brauchen wir jetzt nicht mehr, deswegen könntet Ihr Sie zurückhaben, wenn Ihr denn wollt….“
 

Kato sog scharf Luft ein. In der Stimme des Bunnys schwang so viel Stichelei mit, das konnte nicht gesund sein. Was dachte sie sich bloss dabei?!

Doch der Herr der Hölle schien im Gegensatz zu seinem Sklaven von der frechen Haltung kaum beeindruckt. Gelassen erwiderte er: „Ihr könnt sie behalten, ich habe keine Verwendung für Nutzlosigkeit…“
 

Die Worte hallten über die schneebedeckten Hügel. Doch am allermeisten hallten sie in Katos Kopf… Luzifer hatte keine Verwendung für diejenigen, die nutzlos waren… nutzlos…

Ein leichtes Zittern hatte von seinem Körper Besitz ergriffen.
 

…nutzlos…wertlos…überflüssig…
 

Es war wie in seinem Traum. Kato schlang die Arme um seinen Oberkörper.

Er war nutzlos gewesen, deswegen war er vergangen… aber er war nicht nutzlos, oder?

Nein NEIN! Kato schüttelte den Kopf. Er war nicht nutzlos! Er hatte immerhin bewiesen, dass er sich selbst retten konnte… UND er hatte Luzifer ein paar Sachen berichten können, die der tatsächlich noch nicht gewusst hatte. Also war er nützlich gewesen… auch wenn Luzifer nicht gerade zu überschwänglich mit Lob gewesen war. Aber er war nicht nutzlos!
 

Kato murmelte leicht vor sich hin, was ihm einen weiteren Blick eines der Soldaten neben ihm einbrachte. Doch währenddessen ging das Zwiegespräch zwischen den beiden Parteien weiter.

„Wie grausam von Euch, Eminenz…. Aber von dem grossen Fürsten der Finsternis darf man wohl auch nichts anderes erwarten.“ Es klang so schrecklich spöttisch, dass selbst Kato wieder aus seiner kurzzeitigen Depression aufgeschreckt wurde und alarmiert nach vorne blickte.

Das Bunny hatte wieder den silbernen Dolch gezückt und marschierte damit auf den falschen Kato zu, der mittlerweile verzagend den Kopf hatte hängen lassen. Sie legte ihn an die Kehle des Hochstaplers und zog ihn an den Haaren nach hinten, so dass sein Gesicht wieder sichtbar wurde. Kato konnte nicht leugnen, dass die Kopie echt perfekt war… aber würde Luzifer echt zulassen, dass das Bunny jetzt den Hutmacher in seiner Gestalt abmurkste? Konnte ja nicht sein…
 

„Da Ihr sowieso keine Verwendung mehr für sie habt, wird es sicher kein Problem darstellen, wenn ich mich an Eurer statt diesen nutzlosen Gesindels entledige.“

Kato zitterte. Das Bunny hatte echt den Dolch an seiner – äh des Hutmachers – Kehle und Luzifer liess sie einfach so machen?! Er könnte sie doch mir nichts dir nichts wegpusten…
 

Ihr Arm bewegte sich. Kato stockte der Atem!

Und dann bewegte sich auch der Kopf des Hutmachers… Es war nur ein kleines bisschen, aber es liess das Bunny hinsehen. Ihr Blick fixierte den falschen Sklaven und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Und dann ging alles ganz schnell…
 

Ein Schrei hallte durch die Menge, gefolgt von einem lauten Rufen „FALLLEEEEE!“

Das Bunny war mit einem Satz von dem falschen Kato weg, der mit einem supercoolen Karatemove – der echte Kato wünschte sich in jenem Moment so was auch drauf zu haben - die Wache hinter sich über seine Schulter beförderte.

Schnee stob auf, so dass nichts mehr zu erkennen war…. und dann erhob sich Luzifer über das Getümmel.
 

Ein weiterer, nur diesmal viel lauterer Schrei ertönte und Kato musste realisieren, dass das wohl der Kampfantrittsschrei der Einheit, zwischen deren Reihen er sich bis soeben versteckt gehalten hatte, gewesen war. Die Soldaten setzten zum Marschschritt an und bewegten sich ungehalten vorwärts. Der arme Sklave wurde dabei ohne Rücksicht auf Verluste über den Haufen gerannt. Das Chaos was wieder losgebrochen…
 

Die beiden Armeen stürzten erneut aufeinander los und Kato wurde nun umso deutlicher vor Augen geführt, warum der Teufel ihm befohlen hatte, sich ins Versorgungszelt zurückzuziehen. Scheisse!

Er sah Luzifer über dem Geschehen schweben, immer noch leicht umhüllt von einer weissen Wolke. Sein Schwert war gezückt und es symbolisierte damit der Truppe vorzurücken. Doch dann schoss plötzlich ein blauer Blitz aus dem aufgestobenen Schnee und traf den Höllenfürsten mitten in die Brust.

Kato blieb selber das Herz stehen, während er sah wie Luzifer für einen Moment in der Luft einfach nur erstarrt zu sein schien. Seine riesigen schwarzen Flügel schlugen nicht mehr und sein Körper wurde schon langsam von der Schwerkraft wieder zu Boden gezogen… doch dann erklang plötzlich ein mächtiges Rauschen und mit einer vehementen Bewegung schien die Wirkung des Treffers wieder von dem Höllenfürsten abzufallen. Er fixierte den Urheber dieses unverhofften Blitzes, der irgendwo in dem sich langsam legenden Schneegestöber zu lauern schien.

Kato stiess einen tiefen Seufzer aus. Solche Sachen waren echt nichts für ihn. Seine linke Hand hielt den roten Samtmantel auf der Höhe seines Herzens fest umklammert. Er hatte wohl während dieses Schockmomentes unbewusst zugegriffen und löste jetzt erst wieder zaghaft seine Finger daraus.

Genau in jenem kurzen Augenblick als der Sklave mehr mit sich selbst beschäftigt war, stiess Luzifer herab um seinen unbekannten Widersacher zu stellen. Kato verlor ihn aus dem Blickfeld und wurde natürlich sofort wieder von einer Flutwelle der Panik überrollt.

Während er also heftig den Kopf in alle Richtungen wendend nach vorne taumelte, um den schwarzgeflügelten Teufel wieder ausfindig zu machen, tauchten am anderen Ende der sich mittlerweile fast schon wieder gelichteten Wolke zwei weitere Gestalten auf, die nur miteinander beschäftigt zu sein schienen. Die eine hatte ein Tuch auf den Armen, das sie fast wie ein Baby umschlungen hielt, und rannte in einem Affenzahn den Hügelpfad hinauf, während die zweite ihr dicht auf den Fersen war. Genau jene zweite Gestalt war es auch, die den Sklaven besonders stutzig machte, denn sie sah wie eine Kopie von ihm selbst aus… allerdings mit roten Haaren.
 

Kato wusste echt nicht mehr in welche Richtung er seinen Kopf drehen sollte. Denn während der sich gerade zurückverwandelnde Hutmacher endgültig hinter einer Biegung und somit aus seinem Sichtfeld verschwand, erspähte er wieder Luzifer, der anscheinend seinen Angreifer gestellt hatte. Er war zurück auf dem schneebedeckten Grund und kämpfte mit seinem schwarzen Schwert gegen einen weisshaarigen Nephilim. Kato war sich fast sicher, dass es dieser Loverboy des Bunnys war, den er zweimal kurz zu Gesicht gekriegt hatte. Der einzige Unterschied war, dass der Kerl nun nicht mehr in seinen langen grauen Mantel gehüllt war, sondern mit nackten Armen und erstaunlich heller Kleidung einen derart krassen Kontrast zum Höllenfürsten bildete, dass es irgendwie schrecklich ironisch wirkte. Ausserdem schwang er auch kein Schwert, sondern drosch mit einem langen Stab auf seinen Gegner ein. Kato empfand das ganze als ziemlich befremdend, entschied aber im Anbetracht der Tatsache, dass auch schon der Kampf zwischen dem Bunny und dem Hutmacher äusserst ungleich gewesen war, dass er sich vielleicht lieber nicht den Kopf über solche Dinge zerbrechen sollte. Funken stoben in alle Richtungen, wenn Holz und Metall aufeinanderkrachten und gaben dem Sklaven Anlass genug, sich von diesem Aufeinandertreffen von schwarz und weiss lieber fernhalten zu wollen. Doch was sollte er sonst tun?

Er konnte nicht zurück zum Versorgungszelt, wie ihm ursprünglich aufgetragen worden war, weil der Weg versperrt war. Aber zu Luzifer konnte er auch nicht, weil der gerade anderweitig beschäftigt war und es relativ klar gemacht hatte, dass er ihn nicht in seiner Nähe haben wollte. Ausserdem herrschte um ihn herum immer noch ein ziemlicher Tumult. Die Frontlinie hatte sich zwar etwas von ihm weg verschoben, aber das hiess noch lange nicht, dass er nicht mehr in Gefahr gewesen wäre. Er musste etwas tun… Nur was?!
 

Sein Blick fiel erneut auf den Pfad, den er den fliehenden Märzhasen und den ihn verfolgenden Hutmacher hatte einschlagen sehen. Sollte er sich an die beiden halten? Die würden sich zwar ganz sicher auch noch mal die Köpfe einschlagen, aber irgendwie zog er ihre Show jener der brüllenden und sabbernden Dämonen doch ganz eindeutig vor. Also raffte Kato sich kurzerhand auf und setzte zu einem Sprint über die Ebene bis zum leichten Anstieg in die Hügel an. Als er schliesslich die Biegung erreichte, hinter der er die beiden aus den Augen verloren hatte, keuchte er schon. Er hatte die Distanz irgendwie unterschätzt….

Schwer atmend verlangsamte er sein Tempo und warf vorsichtig einen Blick nach links und nach rechts. Auch hier wurde gekämpft, aber die wilden Krieger schienen im Allgemeinen zu fest mit sich selbst oder ihrem momentanen Gegner beschäftigt, als dass sie dem möglichst unauffällig vorbei schleichenden Sklaven besonders viel Aufmerksamkeit gezollt hätten.

Kato folgte einem Pfand von Fussstapfen im Schnee. Er wusste nicht wohin er führte oder ob es überhaupt eine gute Idee war, sich noch weiter von dem Lager der höllischen Heerscharen zu entfernen. Aber er hatte sowieso nicht wirklich eine andere Option…
 

Dann plötzlich vernahm er von irgendwoher ein Stöhnen. Es wurde abgelöst von einem kurzen Schrei und dann folgte ein gefauchtes „Na warte Schlampe, dich bring ich um!“

Katos Augenbraue wanderte erstaunt nach oben. Er schien hier zwar richtig zu sein, trotzdem war das nicht wirklich das Vokabular, das er bisher von verrückten Hutmacher und seinem ehemaligen Märzhasen gewohnt war.

Er überwand eine letzte Biegung und erspähte daraufhin auch sogleich die zwei besagten Damen. Belial war oben und hatte ihre Hände um den Hals des Bunnys gelegt, welches sich wiederum mit aller Kraft gegen die grobe Behandlung zu wehren schien.

Kato besah sich die Szene mit grossen Augen. Der letzte Kampf zwischen den beiden hatte ja noch so etwas wie Eleganz und Klasse gehabt, aber das hier… erinnerte ihn irgendwie mehr an Schlammcatchen. Oder vielleicht war es auch nur die Tatsache, dass der Hutmacher zwar seine ursprüngliche Gestalt wieder hatte, aber immer noch in Katos Klamotten steckte. Ebenfalls war von der Schminke, die sonst immer ihr Gesicht zierte, so ziemlich gar nichts mehr vorhanden. Somit war das Bild eines wilden, rothaarigen Punks ziemlich perfekt, und Kato empfand es seinerseits als ziemlich verstörend.

Das Bunny röchelte und warf aus den Augenwinkeln einen mitleidigen Blick zu ihm. Oh nein, das konnte sie gleich vergessen. Er würde ihr bestimmt nicht helfen. Sie hatte schliesslich auch keinen Finger für ihn krumm gemacht. Demonstrativ verschränkte er die Arme vor der Brust. Belial stiess ein triumphierendes „Ha“ aus, während ihr Opfer langsam leicht bläulich anlief.
 

„Schnapp dir den Schädel, ich bin hier gleich fertig.“ Der Hutmacher hatte seinen Blick nicht von dem leidenden Märzhasen abgewendet, trotzdem war die Aufforderung ganz eindeutig an Kato gerichtet gewesen. Dieser drehte verwirrte den Kopf hin und her, konnte aber nirgendwo einen Schädel entdecken[1]. Lediglich das beige Leinentuch, mit welchem das Bunny die Flucht ergriffen hatte, lag ein paar Meter hinter den rangelnden Ladies auf dem Boden.

Belial gab ein entnervtes Seufzen von sich und deutete mit einem vehementen Nicken in dessen Richtung. „Das Tuch, du Trottel! Der Schädel ist darin eingewickelt!“
 

Ach so! Warum sagte sie das nicht gleich… Kato ging mit einem Augenrollen an den zwei vorbei und zog mit einer flinken Bewegung den mittlerweile etwas ramponiert aussehenden Totenkopf aus dem Stoff. Kato betrachtete ihn kritisch. Ein paar Risse durchzogen den Knochen seiner Schädelplatte, ausserdem schienen ihm einige Zähne zu fehlen. Seltsam…

Kato zog die Stirn kraus und klopfte sachte mit seinem Zeigefinger an die Stirn des Schädels.

Also nichts geschah, wandte er seinen Blick zu Belial. „Er reagiert nicht“ meinte er leicht kritisch.

„Dann haben sie ihn wahrscheinlich temporär zum Schweigen gebracht. I-…“ Der Hutmacher hatte bloss für einen winzigen Moment den Fehler gemacht, seine Aufmerksamkeit etwas zu fest auf den Sklaven zu fokussieren, denn sofort schnellte von unten eine Faust herauf, die ihn mit einer ziemlichen Wucht von seinem Opfer beförderte. Kato machte ebenfalls erschrocken einen Satz rückwärts, dabei immer noch den Schädel in Händen haltend.

Das Bunny raffte sich schweratmend auf die Füsse. Sie rieb sich den Hals, liess dabei aber den Hutmacher nie aus den Augen. „Schön, dass es dir gut geht, Kato-kun. Ihr habt euch da ja wirklich ein interessantes Spielchen ausgedacht.“ Der Abstand zwischen den beiden Kontrahentinnen begann sich wieder zu schliessen. Wie er es schon einmal hatte beobachten dürfen, begannen sie sich abwartend zu umkreisen, auf jedes noch so kleine Anzeichen von Schwäche bei der anderen bedacht.

Kato musste schlucken, besann sich dann aber eines Besseren und erwiderte etwas zerknirscht: „Was heisst hier Spielchen? Du kannst ja wohl nicht erwarten, dass ich mich einfach so vollkommen widerstandslos von dir zur Schlachtbank schleppen lasse!“

„Wer sagt denn dass ich dich wirklich getötet hätte. Ich hatte dir schliesslich versprochen, dass dir nichts Schlimmeres als beim Ritual widerfahren wird…“ Der Blick des Bunnys war immer noch gänzlich auf Belial fixiert, auf deren Gesicht sich wiederum ein herausforderndes Grinsen abzeichnete.

„Ach und dann war das kein Dolch, den du an meinen Hals gelegt hattest, um damit Luzifer zu erpressen“ Etwas Hysterisches hatte sich in Katos Stimme geschlichen, während er wild gestikulierend auf das Bunny zeigte.

Ein leichtes Lachen war die Antwort. „Es war ja schlussendlich gar nicht dein Hals…“

Das schien das Startsignal für das Bunny gewesen zu sein, um sich noch einmal auf den Hutmacher zu stürzen. Ein wildes Gerangel entstand und teilweise konnte der Sklave schon kaum mehr zuordnen wem denn nun welcher Arm und welches Bein gehörte.
 

Obwohl er wusste, dass das hier gerade nicht unbedingt der richtige Moment war, konnte er sich trotzdem nicht zurück halten ein beleidigtes „Das tut nichts zur Sache“ dazwischen zu werfen. Doch weder der Hutmacher noch das Bunny schienen ihn in diesem Moment wahrzunehmen. Sie rollten über den Boden und beide versuchten die jeweils andere unten zu halten. Es war irgendwie wirklich kein schöner Anblick.

Dann plötzlich nagelte das Bunny Belial fest. Kato sog erschrocken Luft ein und machte automatisch wieder einen Schritt zurück.

„Hab keine Angst, Kato-kun…“ der Blick der Nephilim war fest auf Belial gerichtet, deren Arme sie auf dem Boden festgepinnt hatte. „…ich mag vielleicht eine Verräterin und Lügnerin sein, aber du kannst mir glauben, dass mein Versprechen, dir würde kein weiteres Leid widerfahren, echt war. Ich hätte dich nicht getötet…“ zwischen ihren dunklen Haarsträhnen hindurch, die ihr lose vom Kopf hingen, warf sie einen kleinen Seitenblick zu Kato. Diese Gelegenheit wurde vom Hutmacher prompt genutzt, um sich auf ähnliche Weise befreien zu wollen, wie es das Bunny zuvor getan hatte, nur um dafür kläglich zu scheitern. Roderis drückte mit der einen Hand ihr Gesicht brutal in den kalten Schnee und hielt mit der anderen ihre beiden Handgelenke gefangen. Umso eleganter warf sie dafür ihren eigenen Kopf zurück, um so die Haare endlich aus dem Blickfeld zu haben und nahm dieses Mal Kato direkt ins Visier. „Ich hätte dich nicht getötet, ich hätte dich befreit.“
 

Die Worte schienen nachzuhallen und liessen Kato verwirrt schlucken.

„Be-befreit?“ stammelte er. Das Bunny nickte und schaute dem Sklaven unvermittelt in die Augen. „Ich wollte dir zeigen, dass du diesen elenden Engeln nicht vertrauen darfst. Sie denken nur an sich selbst… keiner von denen hätte dich gerettet… auch ER nicht.“

Kato wusste sofort, dass sie mit ER Luzifer meinte und irgendwie liess ihm der Gedanke einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Obwohl er ihr nur zu gern entgegen gehalten hätte, dass das nicht stimmte und Luzifer auf seiner Seite stand, konnte er es einfach nicht…. Weil er sich schlichtweg nicht sicher war. Hätte Luzifer ihn in so einem Fall wirklich gerettet? Kato wusste es nicht und irgendein Stimmchen in seinem Hinterkopf flüsterte, dass er sich eingestehen musste, dass der Höllenfürst sich niemals seinetwegen dermassen die Blösse geben würde. Er würde nicht seinen Stolz, seine Ehre und im Endeffekt das Schicksal der gesamten Hölle mit dem Leben seines Sklaven aufwiegen. Nein, das würde er niemals…
 

Das Bunny schien den inneren Tumult des Sklaven zu erkennen und fügte nun etwas leiser hinzu: „Ich hätte es so aussehen lassen, als hätten wir dich getötet, um dir zu zeigen, dass du auf sie …“ sie machte eine kurze Kopfbewegung in Belials Richtung, „…nicht bauen kannst und dich dann mitgenommen, wenn wir endlich die Hölle verlassen werden. Du wärst frei gewesen und hättest niemandes Sklave mehr zu sein brauchen. Du hättest tun und lassen können was du willst und vor allem…“ sie lächelte, „… hättest du wahre Freunde gehabt.“
 

Der Sklave stand regungslos da, immer noch den Schädel umklammernd. Sein Blick war auf die beiden Frauen gerichtet und ging doch durch sie hindurch. Die Worte des Bunnys hatten ihn getroffen. Sie hallten in seinem Kopf immer und immer wieder nach und er wusste einfach nicht, ob er ihnen Glauben schenken konnte. Er hatte den Märzhasen immer gemocht, deswegen hatte ihn ihr Verrat umso härter getroffen. Doch jetzt ihre Worte zu hören, dass sie eigentlich doch nur sein Bestes wollte, stellte für ihn die Situation wieder dermassen auf den Kopf, dass er nicht mehr wusste was er fühlen sollte.
 

Plötzlich ertönte ein tiefes Grollen. Es kam von Belial und drang warnend durch den Schleier von Katos wirren Gedanken.

„Bullshit!“ ertönte es, „Jeder weiss, dass der Herr ihn nicht gerettet hätte. Der Herr opfert nicht das gesamte System wegen eines einzelnen Sklaven. Das wäre mehr als widersinnig, selbst unser Spasti weiss das. Deswegen hat er es auch vorgezogen, sich selbst zu retten und so die Anerkennung Luzifers zu verdienen… denn der Herr respektiert diejenigen, die aus eigener Kraft leben können.“
 

Kato hob erstaunt den Kopf. Irgendwie…. hatte der Hutmacher recht. Er war so stolz auf sich selbst gewesen, als er endlich vor Luzifer gestanden hatte, weil er etwas aus eigener Kraft geschafft hatte. Wieso machte er sich jetzt etwas vor? Natürlich war es nicht gerade ein sehr angenehmer Gedanke, dass Luzifer ihn aufgegeben hätte, aber andererseits WOLLTE Kato ja stark und unabhängig sein. Er wollte Dinge allein bewältigen können und dafür anerkannt werden. Und das hatte der Höllenfürst getan… wenn auch auf eine etwas unfreundliche und einsilbige Weise, aber er hatte Katos Rückkehr als das akzeptiert was sie war. Selbst gewollt.
 

Sein Blick driftete in die Richtung, in der er Luzifer vermutete. Die dumpfen Geräusche der Schlacht drangen wieder über die Hügel zu ihnen. War das sein Schicksal?

War er frei zu entscheiden?

Vor ihm im Schnee wälzten sich der Märzhase und der Hutmacher wieder eine Runde herum, zweiter hatte es wohl gerade geschafft wieder die Oberhand zu gewinnen, aber in diesem Moment interessierte es den Sklaven wirklich absolut nicht. Er musste selbst entscheiden, ohne sich von einer der beiden Seiten beeinflussen zu lassen.
 

Dann fiel sein Blick wieder auf den Schädel in seinen Händen. Abwesend drehte er ihn etwas hin und her, bis er sich plötzlich wieder mit dessen leeren Augenhöhlen konfrontiert sah. Er war es ja gewohnt, dass sie irgendwie unheimlich wirkten, doch in diesem Moment wirkten sie einfach nur tot…
 

Ob der Schädel „tot“ war?
 

Kato schaute wieder zu den kämpfenden Frauen auf. Das Bunny war gerade wieder oben…

Dann blickte er wieder zum Schädel…
 

Seine Finger umschlossen den bleichen Knochen fester. Er hatte entschieden.

Egal ob es richtig oder falsch war, er hatte entschieden und er würde die Konsequenzen tragen.
 

Mit ein paar wenigen langen Schritten war er beim Märzhasen angelangt. Mit der linken Hand hatte er ausgeholt und zog dem nichtsahnenden Bunny, das sich nicht einmal zu ihm umgewandt hatte, eines über dem Hinterkopf. Der Knochen in seiner Hand zerbarst und liess das dunkelhaarige Mädchen augenblicklich bewusstlos zur Seite kippen.
 

Belial schob ihren reglosen Körper keuchend von sich, schaute aber trotzdem mit leichter Anerkennung zu dem Sklaven auf. „Nicht schlecht…“ murmelte sie. „…obwohl wir den Sekretär vielleicht noch gebraucht hätten.“
 

Kato trat wortlos einen Schritt zurück und zuckte nur mit den Schultern. Irgendwie wusste er nichts zu sagen. Doch der Hutmacher schien sämtliche Kritik schon wieder vergessen zu haben und richtete sich auf. Mit geübtem Griff strich sie ihre Kleidung glatt und die Haare aus dem Gesicht. Sofort verschwanden Katos Klamotten und wurden von ihrem typischen Frack mit Hose-Outfit ersetzt. Sie wirkte nun wesentlich weniger zerzaust, trotzdem war das Make-up in ihrem Gesicht immer noch in mehr als schlechtem Zustand. Ob sie sich bewusst war, dass man so viel ihres …Ichs… erkennen konnte?
 

Kato verdrängte den Gedanken wieder, es war nicht der Moment über Belial nachzudenken.

„Was ist mit ihr?“ meinte er leise und machte eine unauffällige Geste in Richtung des bewusstlosen Bunnys.

Der Hutmacher winkte gelassen ab und schien schon wieder gänzlich in seiner Rolle zu sein. „Ach lass sie einfach liegen.“ Sie warf einen letzten Blick auf ihre gefallene Rivalin und begann dann in die Richtung aus der Kato gekommen war davonzustiefeln. Dieser brauchte allerdings etwas länger um sich vom Anblick der Nephilim loszureissen.

„Ist das….?“ Er stockte, schüttelte dann aber den Kopf und schloss zum Hutmacher auf, der ein paar Meter weiter vorne stehengeblieben war. „Wir sollten Luzifer suchen.“

Belial nickte.
 

TBC
 

[1] Man muss dazu vielleicht anmerken, dass Kato nicht mitgekriegt hat, dass der Herr der Fliegen den Nephilim den Schädel gebracht hat. Er war zu diesem Zeitpunkt etwas zu weggetreten.

Kapitel 46

Sie waren zurück auf der grossen weiten Ebene, wo sich vorher die beiden Parteien getroffen hatten… nur dass es hier jetzt zuging wie in einem Ameisenhaufen. Kato fühlte sich automatisch in die Situation zurückversetzt, die ihm seine Schulterwunde beschert hatte und erschauderte leicht. Echt, er hasste Menschenaufläufe… obwohl das waren ja keine Menschen, sondern das altbekannte Gewühl von Dämonen, die sich auf Nephilim stürzten; oder wahlweise auch umgekehrt. Aber eigentlich war ihn das ja auch egal, denn er hatte die angenehme Überraschung erleben dürfen, dass es wesentlich leichter war, sich durch dieses Getümmel zu schlagen, wenn man jemanden wie den Verrückten Hutmacher an seiner Seite hatte. Wobei dieser seinem Namen gerade alle Ehre machte und sich wirklich ziemlich verrückt aufführte… verrückter noch als vorhin mit dem Märzhasen.

Kato wusste wirklich nicht, was in sie gefahren war, aber die Dämonin schlug mit einem Tempo um sich, das seine Augen kaum mehr erfassen konnten. Ihr Degen zerschnitt Luft und Fleisch mit derselben Leichtigkeit und liess das Blut nur so spritzen. Sie sprang in die Luft, teilte Tritte und Schläge aus, es kam wirklich niemand näher als zwei Meter an sie heran.

Kato wusste nicht, ob sie sich einfach in eine Art Blutrausch hineingesteigert hatte oder ob es doch eher an dem Sieg über das Bunny lag. Unwillkürlich verzog er das Gesicht, beschloss aber trotzdem lieber keine Fragen zu stellen und sich stattdessen brav hinter ihr zu halten. War gesünder so. Ausserdem hatte er auch irgendwie das Gefühl, seinen Beitrag in diesem Kampf bereits geleistet zu haben; und weder er selbst noch der Hutmacher schienen ernsthaft zu erwarten, dass noch irgendetwas Aktives von ihm kam. Gut, realistisch betrachtet, wussten wohl auch beide, dass Kato wirklich zu schwach war, um noch irgendetwas zu dieser Schlacht beitragen zu können, deswegen kämpfte Belial und Kato versteckte sich. Es war eigentlich gar nicht so viel anders als mit…. Gem.
 

Kato überfiel bei dem Gedanken an den Nephilim ein Schauer. Er hatte ihn einfach so stehen lassen. Es war nicht gerade die feine englische Art gewesen, aber er hatte ihn da nicht mit hineinziehen können. Ausserdem hätte Gem es wohl auch nicht verstanden.

Sein Blick glitt unbewusst über die Reihen der Kämpfenden. Wo er jetzt wohl gerade war? Ging es ihm gut oder war er schon… gefallen? Kato schüttelte widerwillig den Kopf. Er wollte nicht daran denken. Es gab nun mal Verluste in einer Schlacht und er konnte sich nicht auch noch um einen der Gegner sorgen. Ausserdem konnte Gem selber auf sich aufpassen, das versuchte er sich zumindest einzureden.
 

Katos Schwermut fand ein jähes Ende, als ihn plötzlich etwas grob am Stoff seines Shirts packte.

Noch bevor er wirklich gepeilt hatte, was abging, ertönte ein tiefes Grollen, dann folgte ein beängstigendes Knacken und dann…
 

…bebte die Erde!
 

Kato schrie. Er wusste nicht wie ihm geschah, aber der Untergrund begann unter ihm wegzubröckeln. Seine Schreie vermischten sich mit denen der anderen um ihn herum und dem tosenden Krach, den die Erde von sich gab. Er zappelte panisch, während er immer noch spüren konnte wie etwas an seinem Oberteil riss. Belial konnte er nicht mehr sehen, aber er war auch zu fest damit beschäftigt, um sein eigenes Leben zu fürchten.
 

Dann plötzlich kehrte wieder Ruhe ein. Es war eine vernichtende, alles verschlingende Ruhe, die die Schrei und den Lärm von vorhin surreal erscheinen liess. Kato starrte hinunter…
 

…Und blickte in einen schwarzen Abgrund, der ihm entgegenfunkelte.
 

Er wusste nicht, was geschehen war, woher der Schlund so plötzlich gekommen war und wo er selbst sich gerade befand. Aber ihm war klar, dass wer dort hineinstürzte nie mehr das Tageslicht erblicken würde. Es war einfach klar…
 

Kato gab ein kleines Keuchen von sich. Irgendetwas würgte ihn…

Ohne darüber nachzudenken, griff er danach und musste feststellen, dass es sein eigenes Shirt war. Verwirrt schaute er hoch und erblickte über ihm Belial, die mit konsterniertem Gesichtsausdruck ebenfalls den Schlund betrachtete. Das war allerdings nicht, was den Grossteil von Katos Aufmerksamkeit für sich beanspruchte, sondern vielmehr die Tatsache, dass sich über der Dämonin mächtige, schwarze Schwingen erhoben, die in regelmässigen Abständen schlugen.
 

Und dann verstand er es endlich…
 

Sie waren in der Luft! Belial flog und hatte ihn an seinem Shirt mitgerissen.

Kato griff panisch nach ihren Klamotten, um sich daran festzuklammern. Er hatte es echt nicht geschnallt, was hier gerade passiert war, aber er wollte auf keinen Fall abstürzen. Absolut nicht!

Der Hutmacher grinste leicht ob Katos verspäteter Reaktion, schien aber ansonsten eher an der bedrohlichen Schwärze unter ihnen interessiert.

„Was ist das bloss?“ murmelte sie.

„WAS?!“ Kato quietschte erschrocken auf, „Du weißt auch nicht, was das ist?!“
 

Belial reagierte nicht wirklich auf den Ausbruch des Sklaven, sondern steuerte langsam den stabil wirkenden Grund neben der schwarzen Schlucht an. Dort hatten sich einige Überlebende beider Parteien versammelt, die ähnlich verdattert hinunterstarrten und nicht wirklich zu verstehen schienen, was gerade passiert war. [1]

Belial liess Kato reichlich unsanft aus etwa anderthalb Metern Höhe auf die Erde plumpsen und landete selbst elegant neben ihm. Der Sklave rieb sich grummelnd das Hinterteil, schaute dann aber irritiert zu ihr auf. „Also, was war das?“

„Ich sagte ja schon, ich weiss es nicht“ erwiderte sie immer noch leicht geistesabwesend.

„Du weißt doch sonst immer alles!“ Kato klang unerwartet hysterisch und zeigte fuchtelnd auf den Abgrund neben ihnen. „Denn es ist auf jeden Fall gefährlich. I-Ich kann es fühlen.“ Zur Untermauerung seiner Worte rieb sich der Sklave über die Oberarme, auf denen sich eine sichtliche Gänsehaut gebildet hatte.

„Ja, es ist gefährlich. Es geht eine seltsame, destruktive Energie davon aus, aber ich habe noch nie etwas dergleichen gesehen….“ Dann jedoch zuckte sie unerwartet mit den Schultern und wandte sich wieder Kato zu. „Egal was es ist, wir müssen weiter zu Luzifer.“

„W-Was?! Du willst es einfach so lassen?! Die Hälfte der Armee ist da gerade eben reingestürzt!“
 

Belial schaute mit einem seltsam unleserlichen Blick auf den immer noch am Boden sitzenden Sklaven herunter. „Und was sollte ich deswegen tun? Ich werde da bestimmt nicht herunterfliegen. Wichtiger ist es jetzt wohl den Herrn von den Geschehnissen zu unterrichten.“

Kato sah kritisch zwischen dem Hutmacher und dem Schlund hin und her. Sie hatte ja schon irgendwie recht, sie konnte jetzt auch nichts mehr machen. Ausserdem – so flüsterte die kleine Stimme in seinem Hinterkopf - sollte er wohl dankbar für ihre guten Reflexe sein, die ihn davor bewahrt hatten da ebenfalls runterzustürzen. Aber irgendwie… na ja…
 

Er rappelte sich auf.

„Ich denke nicht, dass der Krach zu überhören war.“ Erwiderte er schliesslich nur und versuchte sein mittlerweile doch schon sehr in Mitleidenschaft gezogenes Oberteil etwas zu richten. Belial sagte nichts dazu, sie hatte sich umgewandt und war schon wieder dabei in die entgegengesetzte Richtung zu entschwinden.
 

„Hey halt! Waaarte gefälligst auf mich!“ Kato schloss zu ihr auf. Es war wirklich gesünder sich an den Hutmacher zu halten.

Obwohl der Ameisenhaufen von vorhin sich mittlerweile ziemlich gelichtet hatte, bzw. wortwörtlich vom Erdboden verschluckt worden war, begegneten sie noch vereinzelt ein paar verwirrt dreinschauenden Gestalten, die aber keine Anstalten machten, sie anzugreifen. Erst als sie sich soweit von dem Schlund entfernt hatten, dass er aufgrund der hügligen Landschaft nicht mehr sichtbar war, erklang langsam wieder das beängstigende Klirren von Schwerthieben. Hier hinten war der Kampf gänzlich unbeeindruckt vom Verschwinden einer halben Armee weitergegangen und brachte Kato dazu wieder etwas dichter hinter der Dämonin zu gehen. Was sich alsbald auch als weise Entscheidung herausstellte, denn der abrupte Pfeilhagel, der auf sie niederging, wurde einzig von Belials magischem Schild abgehalten. Mit einem Knurren schüttelte sie die Geschosse aus der unsichtbaren Barriere. Sie fielen mit einem leichten Klacken zu Boden und veranlasste die Schützen dazu hinter ihrer Tarnung hervorzukommen und sich ihnen mit angelegten Waffen zu präsentieren. Es war eine ganze Gruppe von graubemantelten Nephilim, die sie umstellt hatte und aus den erhöhten Positionen an den Hügelhängen auf sie heruntersah.
 

Kato wurde bei dem Anblick gleich etwas kleiner. Aber es war nicht nur die schlichte Lebensgefahr, die ihn diesmal dazu brachte sich hinter der stolz aufgerichteten Form des Verrückten Hutmachers zu verbergen, sondern auch die unbestimmte Furcht, dass ihn vielleicht einer dieser Nephilim wiedererkennen könnte. Er wusste nicht, warum ihn diese Sorge gerade jetzt überkommen hatte, immerhin hatte er sich schon seit geraumer Zeit durch die Reihen der Nephilim gekämpft. Vielleicht bestand der Unterschied darin, dass er nicht mehr in einen grauen Mantel der Halbblüter gehüllt war, sondern den aristokratisch blauen eines Erzdämonen trug und sich hinter einer bekannten Figur der höllischen Elite versteckte. Es war offensichtlich welcher Seite er angehörte… oder zumindest welcher er angehören sollte.

Wenn ihn einer dieser Nephilim wiedererkannte, würde er bemerken, dass Kato sich als etwas ausgegeben hatte, das er nicht war. Und dieses Gefühl bereitete ihm gerade im Moment schreckliches Kopfzerbrechen. Er wollte nicht als Spion, Verräter oder was auch immer abgestempelt werden. Er wollte keine Vorwürfe hören. Er hatte schliesslich niemandem etwas versprochen…
 

Kato senkte den Blick und versteckte sich hinter seinen langen, blonden Fäden. Es würde ihn schon niemand erkennen… hoffentlich.

Die Bogenschützen zogen erneut auf. Belial ihrerseits gab bloss ein abfälliges Schnauben von sich. Dann erklang das Geräusch von den durch die Luft zischenden Geschossen, schnell angelöst von einem Klirren und dann folgte ein dumpfes Prasseln, als sie, ohne ihr Ziel getroffen zu haben, auf dem Boden aufschlugen. Kato musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass der Hutmacher die Pfeile erneut mit Leichtigkeit abgewehrt hatte. Sie war stark. Sie brauchte keine Unterstützung. Besonders nicht seine.
 

Während Belial sich weiterer Salven erwehrte, bewegte sich Kato unbewusst immer weiter von ihr weg. Innerlich sagte er sich zwar, dass er ihr nicht im Weg stehen wollte, aber vielleicht wollte er auch einfach nicht zu nahe bei ihr stehen…

Die Bogenschützen schienen sich auf jeden Fall ausschliesslich auf sie zu konzentrieren und die Gestalt im blauen Mantel entweder als unwichtig oder ungefährlich eingestuft zu haben. Kato beobachtete das Spektakel zwar, sah es aber nicht wirklich. Die Nephilim hatten ihre erhöhte Position verlassen und näherten sich nun vereinzelt mit gezogenen Nahkampfwaffen dem Hutmacher. Aber das würde auch nichts bringen… es war wie wenn Insekten versuchten einen Drachen niederzuringen.
 

Kato stand in etwas weggetretenem Zustand daneben, bis sich plötzlich von hinten eine Hand auf seinen Mund legte. Er wollte schreien, aber ihm entkam einzig ein erstickter Laut, während er kraftvoll von der Kampfszene weggezogen wurde. Ein starker Arm hatte sich um ihn gelegt und presste die seinen fest an seinen Oberkörper. Kato versuchte zwar verzweifelt sich aus dem Griff zu winden, musste aber erneut erkennen, dass er sich in der Position des Schwächeren befand.

Resignation liess seinen Widerstand schliesslich schwinden und hörte auf zu zappeln. Doch zu seiner eigenen Überraschung lockerte sich darauf auch alsbald der feste Griff um seinen Körper, so dass Kato sich zumindest zu seinem Entführer umwenden konnte…
 

Doch kaum hatte er erkannt, wer ihn da so engumschlungen festhielt, wünschte er sich auch schon, sich lieber nicht umgedreht zu haben. Hinter ihm stand nämlich Gem, der ihm mit einem entschuldigenden Lächeln entgegenschaute.

„Hallo Kara…“ seine Stimme war leise, „…obwohl… das ist nicht dein richtiger Name, oder?“ [2]
 

Kato musste schlucken. Scheisse! Er hatte sich doch soviel Mühe gegeben, das mit Gem zu verdrängen und jetzt tauchte der Kerl einfach selber auf! Sein Herz hatte begonnen in einem ungesunden Tempo zu schlagen.

Was konnte er von ihm wollen? Eine Erklärung? Rache dafür, dass er ihn angelogen hatte?

Obwohl, Kato war es mehr als zuwider seine Aktion als Lüge einzustufen. Er hatte ja schliesslich nie behauptet ein Nephilim zu sein, Gem war einfach davon ausgegangen. Also hatte er ihn per Definition auch nicht angelogen und war ihm auch nichts schuldig… obwohl Gem hatte ihm geholfen. Einfach so, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen, einfach weil er ein netter Kerl zu sein schien. Kato presste die Lippen aufeinander. Scheisse aber auch!
 

Mit einer etwas abrupten Bewegung entschlüpfte er aus Gems Griff und stellte sich ihm gegenüber hin. Er öffnete den Mund und wollte etwas erwidern, aber ihm fiel nichts ein. Was konnte er schon sagen, das als Erklärung oder Entschuldigung genügt hätte? Sein Mund schloss sich wieder und sein Blick glitt zum schneebedeckten Grund.

„Mein Name ist Kato“ murmelte er schliesslich kaum hörbar.
 

Gem strich sich seufzend durch die Haare. Das ganze klang sehr resignierend, beinahe als wüsste auch er nicht was er sagen sollte.

Stille kehrte ein. Ein kühler Windhauch liess seinen und Gems Mantel aufflattern. Er konnte den Blick des Nephilims auf sich spüren, war aber immer noch nicht gewillt, sich dessen durchdringenden blauen Augen zu stellen.

„Ich wollte nicht…“ druckste er herum, „…ich wollte dich nicht täuschen.“

Vorsichtig linste er auf, nur um einen immer noch sehr schwermütig wirkenden Gem zu entdecken, der ihn direkt fixiert hatte. Sofort schoss ihm das Blut in den Kopf und Kato musste sich schwerst zusammenreissen, um nicht einfach das Weite zu suchen. Er hasste solch unangenehme Situationen! Er hasste es mit seinen eigenen Fehlern und Schwächen konfrontiert zu werden! Aber andererseits hatte er sich auch geschworen nicht mehr feige wegzurennen. Er würde sich Gem stellen und ihm die Wahrheit sagen, auch wenn es bedeutete, dass er ihn verletzte. Kato atmete tief ein.

„Ich habe nie behauptet ein N-… einer von euch zu sein. Trotzdem hast du es nicht angezweifelt.“
 

Gems einzige Reaktion war ein freudloses Auflachen, was Kato etwas pikiert das Gesicht verziehen liess und ihn daran erinnerte, dass sich ihm das Geheimnis der blauen Augen immer noch nicht eröffnet hatte. Für einen Moment hingen seine Gedanken dieser Frage nach, doch er verscheuchte sie schnell wieder und beschloss, dass dies wohl nicht die richtige Situation war um Gem deswegen zu löchern. Ausserdem war die Wahrscheinlichkeit, dass er ihm jetzt noch etwas erklären würde mehr als gering.

Der Nephilim hatte sich mittlerweile von ihm angewendet, so dass Kato sich einzig mit dessen breitem Rücken konfrontiert sah. Obwohl seine Kleidung zerschlissen und auf der einen Seite blutgetränkt war, wirkte er in seiner Erscheinung immer noch irgendwie imposant. Gross und stark, wie ein dunkler Schatten auf der weissen Leinwand des ewigen Schnees.

Kato wusste nicht, was ihn zu solchen Gedanken anregte. Die Melancholie hatte ihn ebenfalls erfasst und er wünschte sich Worte herbei, mit denen er sie wieder vertreiben konnte, die seinen und Gems Schmerz lindern würden. Doch noch immer fiel ihm nichts ein. Sein Kopf war leer und schrecklich still.
 

„Es tut mir leid…aber… ich wollte einfach nur wieder nach Hause.“
 

Der Nephilim erwiderte auch darauf nichts, trotzdem konnte Kato sehen, dass er leicht genickt hatte, bevor er sich endlich wieder zum ihm umdrehte.

„Dann hast du dein Ziel ja beinahe erreicht.“ Ein schwermütiges Lächeln zierte nun wieder Gems Lippen. Kato nickte stumm, fügte dann aber hinzu: „Es ist noch nicht vorbei.“
 

„Stimmt“ Das Wort wurde vom Wind davongetragen, bis schliesslich nur wieder die drückende Stille zurückgeblieben war. Sie schauten einander an.
 

„Weißt du, dass ich dir nachgelaufen bin, Kara…Kato?“

Seltsamerweise sorgte die Enthüllung dafür, dass sich auf dem Gesicht des Sklaven ein kleines Lächeln ausbreitete. Lag es an dem Namen oder daran, dass er von Gem eigentlich nichts anderes erwartet hatte? Es war egal…

„Du solltest keine so gedankenlosen Dinge tun, wenn du nicht mal weißt, wem du eigentlich nachläufst.“

Auch Gems Lächeln schien etwas weniger trübselig als zuvor. Es erreicht seine Augen und liess sie funkeln. „Ich bin ein Mann voller Passionen.“

„Ja, das habe ich bemerkt“ Kato legte seinen gekrümmten Zeigefinger an die Unterlippe, „aber mir verletzt in ein wildes Schlachtgemetzel nachzulaufen, erscheint mir doch vor allem dumm.“

„Unbewaffnet und wehrlos in ein wildes Schlachtgemetzel zu laufen ist bei Weitem dümmer.“

Sie grinsten beide. Dann senkte sich wieder die Ruhe über sie, nur dass sie dieses Mal sehr viel angenehmer war.
 

„Wir sind beide noch hier“ entgegnete schliesslich Kato.

Gem nickte bloss und drehte dann seinen Kopf in die Richtung, in welcher der Sklave den Schlund vermutete.

„Dann heisst es dieses Mal wohl wirklich Abschied nehmen.“ Er wandte sich um und ging ein paar Schritte, bevor er dann noch einen zwinkernden Blick zurück über seine Schulter zu Kato warf. „Pass gut auf dich auf, Kara.“
 

Kato schaute ihm nach, bis er endgültig aus seinem Blickfeld verschwunden war. Zum ersten Mal seit langer Zeit spürte er wieder so etwas wie Wärme in seiner Brust.
 

~~~
 

Er trat wieder zurück auf dem Pfad zwischen den Hügeln, wo er von der kämpfenden Belial getrennt worden war. Sie stand gerade über die Form eines gefallenen Nephilims gebeugt und hatte den armen Kerl am Kragen gepackt. Kato verspürt beinahe so etwas wie Mitleid.

Zum Glück liess sie in dem Augenblick von ihm ab, als sie die sich nähernde Form des Sklaven erspäht. „Wo warst du? Ich hatte schon befürchtet, dich wieder aus irgendeiner prekären Lage retten zu müssen.“ Sie strich sich theatralisch seufzend ein paar rote Haarsträhnen hinters Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen waren. „Und weißt du, langsam wird’s etwas ärgerlich dir ewig aus der Klemme helfen zu müssen. Du bist so unselbstständig.“
 

Kato antwortete nicht. Für einmal war er in einer Stimmung, die es ihm leicht machte, den bissigen Kommentar der Dämonin zu übergehen. Stattdessen war sein Blick auf die steil ansteigenden Hügel vor sich gerichtet.

„Sag mal Hutmacher, weisst du, warum sie jetzt alle blaue Augen haben?“ er klang leicht abwesend, was Belial verwirrt die Augenbraue hochziehen liess. Sie trat von dem geschlagenen Nephilim weg und packte Kato am Oberarm, um ihn vehement dazu zu nötigen, sich dem Pfad entlang aufwärts zu bewegen. „Obwohl ich dem Verlauf deines verwirrten Geistes nicht so ganz folgen kann, nehme ich dann, dass du von den Halbblütern sprichst…“

Sie ging vor ihm und sprach ohne sich zu dem Sklaven umzudrehen weiter: „Es erscheint mir zwar unwichtig, was genau den Augenfarbenwechsel hervorgerufen hat, aber es ist anzunehmen, dass es das Ritual war.“

Jetzt wurde Kato hellhörig und er schloss mit einem grossen Schritt zu ihr auf. „Du meinst das Ritual mit uns beiden? Luzifer hat gesagt, dass es dazu gedient hat, die Nephilim zu vervollständigen.“
 

Belial erwiderte nichts, nun schien sie diejenige zu sein, die der Gedanke beschäftigte. Schliesslich murmelte sie ein kaum hörbares „Es würde Sinn ergeben…“

„Was würde Sinn ergeben?“ Kato war stutzend stehen geblieben.

Sie warf ihm über ihre Schulter hinweg einen augenrollenden Blick zu. „Wir beide haben blaue Augen, und da wir die Opfergaben des Rituals waren, ist es nur wahrscheinlich, dass wir als symbolische Kraftgeber, oder falls dir der Begriff zu abstrakt sein sollte, Ersatzeltern, für sie fungieren. Die Vervollständigung ihrer Kraft manifestiert sich anscheinend darin, dass sie die Augenfarbe ihrer Eltern übernommen haben.“[3]
 

Kato starrte sie an. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass der Hutmacher den Begriff Eltern benutzt hatte und dass er bekanntlicherweise zu den seinigen kein besonders gutes Verhältnis hatte, aber er fühlte sich gerade irgendwie etwas aus der Bahn geworfen.

„Halt mal! Wie Eltern?“

Belial seufzte und drehte sich schwerfällig um. „Keine Angst Kretin, sie werden wohl kaum Unterhaltszahlungen von dir erwarten. Es ging bloss darum, dass sie einen Engel – sie verzog bei der Artikulierung des Wortes etwas das Gesicht – und einem Menschen benötigten. Denn die Nephilim sind im Endeffekt das Resultat aus dem Aufeinadertreffen eines Engels und eines Menschen….“

„Und wie kannst du da so sicher sein?!“ Kato hatte sie wild gestikulierend unterbrochen.

„Ich bin nicht sicher. Ich nehme das alles nur an, weil es Sinn ergeben würde, denn im Gegensatz zu dir, bin ich zu logischem Denken fähig. Und jetzt beweg dich! Wir hatten uns schliesslich darauf geeinigt, dass wir den Herrn suchen wollen.“
 

Widerwillig setzte er sich wieder in Bewegung. Er störte sich wirklich an dem, was der Hutmacher da gerade eben gesagt hatte. Eltern, Rituale, Halbblüter, er hatte keinen Durchblick mehr, und er fand es gerade absolut nicht witzig. Bis vorhin hatte er wenigstens noch so halbwegs geglaubt zu peilen was abging, aber jetzt kam er sich einfach wieder orientierungslos vor. Was wollten die alle eigentlich von ihm?!
 

Als hätte sie seine Gedanken erraten, hielt Belial inne und meinte gelassen: „Mach dir keinen Kopf deswegen. Er weiss, dass es nicht deine Schuld ist. Schuld sind ganz allein sie.“ Sie deutete ins Tal, das von ihrem erhöhten Standpunkt auf den Hügeln mittlerweile sehr gut überblickbar war und von einem langen, schwarzen Riss durchzogen wurde. Es war der Schlund, in welchen er und der Hutmacher vor noch nicht allzu langer Zeit beinahe gestürzt wären und der ihnen selbst hier oben noch bedrohlich entgegenklaffte. Kato überfiel ein kleiner Schauer bei dem Gedanken daran. Was auch immer dieser plötzlich aufgetauchte Schlund auch war, er war unheimlich! Etwas Zerstörerisches ging davon aus und liess für einen Moment die Haare in seinem Nacken zu Berge stehen.

Vor ihm setzte sich Belial wieder in Bewegung. Kato seinerseits musste sich regelrecht von dem Anblick losreissen, um mit einem kurzen Sprint zu ihr aufzuschliessen. Egal was das im Tal auch war, es hatte ihn tatsächlich von der quälenden Elternfrage abgelenkt, und das war gut so.
 

~~~
 

„Hutmacher?“

Sie wandte sich nicht zu ihm um. „Ja?“

„Wie stehen eigentlich unsere Chancen?“

Für einen Moment erschien es Kato, als hätte die Frage dem bisher so gleichmässigen Schritt des Hutmachers einen ganz kleinen unrhythmischen Zwischentreter verpasst.

„Wie meinst du das?“

„Na, können wir überhaupt gewinnen, wenn die Nephilim jetzt stärker sind als zuvor?“

Sie hatten den Grat des Hügels erreicht – wenn man ihn denn als solchen bezeichnen konnte – und folgten nun einem schmalen Pfad, welcher zu Katos Unbehagen genau parallel zu dem seltsamen Riss im Tal verlief. In unregelmässigen Abständen wurden sie immer mal wieder von Nephilim oder Mitgliedern der höllischen Heerscharen behelligt – wobei das Zusammentreffen mit der Satanin für erstere weitaus unangenehmer ausfiel als für die Dämonen. Kato fühlte sich in Belials Gegenwart eigentlich ziemlich sicher, trotzdem hatte ihm die Frage irgendwie schon auf der Seele gebrannt, seit Gem damals gesagt hatte, die Nephilim seien dank dem Ritual am gewinnen… und jetzt da er hatte erfahren müssen, dass er teilweise auch für diesen Machtzuwachs verantwortlich war, hatte es ihn noch mehr beschäftigt. Er wollte nicht dafür verantwortlich sein, wenn sie verloren!
 

„Was für eine Frage?! Natürlich gewinnen wir!“ Belial war herumgewirbelt und funkelt ihn mit bedrohlicher Mine an. „Der Herr würde solche Insolenz aus deinem Munde nicht dulden! Wie kannst du es wagen an uns, nein an ihm, zu zweifeln?! Du redest hier über den Beherrscher der Hölle, und das seit tausenden von Jahren. Dieser mickrige Angriff dieser infantilen Halbblüter zwingt uns nicht in die Knie…“ Die Strafpredigt ging noch weiter, allerdings kriegt der Sklave davon nicht mehr besonders viel mit, weil er unter dem anklagenden Blick des Hutmachers immer kleiner geworden war.
 

Ja, grossartig… er war wieder mal voll ins Fettnäpfchen getreten. Dabei hatte er sich bloss ernsthafte Gedanken gemacht und sie auch geäussert. Hatte er kein Recht auch mal an diesen grossen Dämonen zu zweifeln?

Er hatte schützend die Hände gehoben und versuchte damit Belial wieder etwas zu besänftigen. Wenn er daran dachte, dass er sie vor noch nicht so langer Zeit für tot gehalten hatte, war es doch eine berechtigte Frage gewesen. Schliesslich…
 

„…schliesslich hat der Herr der Fliegen dich auch umnieten können.“

Uups, das war ihm jetzt so rausgerutscht.
 

Belial starrte ihn aus verengten Augen an und sagte erst einmal gar nichts. Kato musste schlucken, langsam liess er seine Arme wieder sinken. Er wusste ja eigentlich, dass der Hutmacher nicht unbedingt offen für Kritik war….
 

„Das ist nichts, worüber ich mit dir diskutieren würde“ war schliesslich ihre einzige, eiskalte Erwiderung, womit sie sich umdrehte und erhobenen Hauptes davonstakste. Kato schaute ihr verwirrt hinterher. Irgendwie hatte er mehr erwartet... aber na ja, umso besser für ihn.

Er schüttelte den Gedanken ab und wollte ihr schon nachfolgen, als er plötzlich hinter sich leise jemanden lachen hörte.
 

„Das ist ja wirklich ausserordentlich unterhaltsam.“ Kato drehte sich langsam und mit einem grossen Runzeln auf der Stirn um. Irgendwie kam ihm die Stimme so erschreckend bekannt vor....
 

In einiger Entfernung stand Asmodeus mit dramatisch im Wind wehendem Mantel und schaute vergnügte auf ihn herunter. Kato konnte nicht anders als tief aufzuseufzen. Kaum war er die eine Pest losgeworden, brach auch schon wieder die nächste über ihn herein. Das Schicksal kannte echt keine Gnade mit ihm.

Mit verzogenem Mund und einen Tonfall zu rüde meinte er: „Was willst du schon wieder?“

Der Marquis schien sich in seiner dermassen offen zur Schau gestellten guten Laune so ziemlich gar nicht an dem unhöflichen Benehmen des Sklaven zu stören und kam direkt auf ihn zu. Für Kato war dieser Frontalangriff eine Spur zu aggressiv, so dass er unwillkürlich einen Schritt zur Seite machte und dem irgendwie etwas seltsam gehenden Asmodeus den Weg frei machte.

„Von dir will ich gar nichts, kleiner Sklave...ausser vielleicht meinen Mantel“ Er sprach mit einem bedrohlichen Zwinkern zu Katos Seite hin, „...mein einzig wahrer Begehr ist der wunderbare rote Schmetterling.“ Damit stellt er sich hinter Belial, welche sich noch nicht ungewandt hatte.

Kato beobachtete die Szene mit konsterniertem Gesichtsausdruck. Gut, für einmal war er nicht das Opfer von dem alten Perversling... aber der Hutmacher? In Katos Wahrnehmen ergab das auch nicht besonders viel Sinn, die rote Furie würde den alten Sack doch in Stücke reissen... vor allem so angepisst wie sie momentan gerade drauf war.
 

„Eure Gegenwart wird nicht benötigt, Marquis“ Belials Stimme klang kühl und kontrolliert wie immer; vielleicht sogar noch eine Spur kühler und kontrollierter.

„Oh, wie grausam, Teuerste.“ Asmodeus schien nicht im Geringsten beeindruckt von der abweisenden Haltung der Erzdämonin, und trat stattdessen mit etwas, das wohl einen legeren Schritt darstellen sollte, allerdings schwer von seinem aufgeblähten Mantel beeinträchtigt wurde, um sie herum.
 

Kato beobachtete das ganze mit kritischem Blick. Da war doch was faul. Der alte Perversling wollte was von ihnen… er wollte schliesslich immer etwas.

Auch Belial schien ähnlich zu denken, denn sie verlagerte ihr Gewicht etwas und stellte sich halb vor den Sklaven.

„Nicht doch, wieso das Misstrauen?“ Er hatte eine Hand gehoben und winke damit allzu auffällig ab, während seine andere immer noch verborgen unter dem Mantel blieb.

„Was versteckt ihr da?“ Es war offensichtlich, dass der Hutmacher nicht gewillt war, sich auf die Spielchen des Marquis einzulassen; was bei diesem dazu führte, dass er in einer geradezu schmollenden Geste den Mund verzog.

„Teuerste, Ihr entmannt wahrhaft jeden Kavalier…“

Belial runzelte lediglich angenervt sie Stirn.

„…nicht einmal überraschen darf ich Euch.“ Mit diesen Worten schlug er seinen Mantel zur Seite und enthüllte die Gestalt eines gefesselten und geknebelten, aber trotzdem heftigst zappelnden Märzhasen. Seine Hand lag an ihrem Hals, was aber der Tatsache, dass ihre Augen mörderische Funken sprühten überhaupt keinen Abbruch tat.
 

Belial löste ihren Blick von der Gefangenen und erwiderte gelangweilt: „Sich einer Bewusstlosen zu bemächtigen, ist keine besonders bemerkenswerte Leistung.“

„Oh, sie war ganz bestimmt nicht bewusstlos. Ganz im Gegenteil, ich habe diesen Schneehasen dabei erwischt, wie er euch zwei Holden heimlich hinterhergehopelt ist….“

Nun horchte Kato auf. Das Bunny hatte sie verfolgt? Seit wann? Doch Asmodeus doppelte gleich nach: „Ich konnte doch nicht zulassen, dass sie Euch von hinten überrascht…“ und zuckersüss fügte er hinzu, „…kein wahrer Gentleman könnte das.“
 

Belial ging allerdings gar nicht auf die Bemerkung ein, sondern ihre Aufmerksamkeit hatte sich auf ein etwa 25x25 cm grosses Packet fokussiert, welches in den gefesselten Händen des Bunnys festgebunden war. „Und was daran soll nun als Überraschung fungieren?“ fragte sie beinahe schon leicht abwesend klingend.

„Oh, die Überraschung, meine Liebe, befindet sich, wie Ihr bereits korrekt festgestellt habt, hier drin.“ Er tippte die Box mit vielsagender Mine an. „Wollte Ihr es nicht öffnen?“

Doch Belial riss ihren Blick mit einer vehementen Bewegung wieder von dem mysteriösen Packet los. „Lasst diesen Unfug, Marquis. Dies ist wahrhaft nicht der Moment für solche Spielereien! Wenn Ihr nichts Besseres zum Kampf beizutragen habt, als verwundete Verräter aufzulesen und mir dümmliche Geschenke zu überreichen, solltet Ihr euch besser zurückziehen.“

„Nicht doch, Teuerste. Öffnet es zuerst, bevor Ihr ein solch hartes Urteil über mich fällt. Wie Ihr erfahren durftet, bin ich durchaus kompetent, also schliesst nicht zu schnell auf das, was offensichtlich scheint… schliesslich würde die Herrin des Wunderlandes dies auch nicht tun.“ Er zwinkerte ihr zu und Belial gab ein abschätziges Geräusch von sich. Kato fühlte sich währenddessen ziemlich übergangen. Er war es nicht gewohnt, dass der alte Sack jemandem anders mehr Aufmerksamkeit schenke als ihm; vor allem so offensichtlich! Vielleicht lag es daran, dass er bisher Asmodeus noch nie zusammen mit dem Hutmacher erlebt hatte, aber das war irgendwie… eklig. Wäre es nicht der Hutmacher gewesen, hätte Kato vielleicht sogar so etwas wie Mitleid mit dem Opfer von Asmodeus Flirtattacken empfunden. Aber so machte er sich einfach nur eine geistige Notiz, dass der Hutmacher den Perversling offensichtlich ebenfalls nicht ausstehen konnte.
 

Trotzdem streckte Belial schliesslich ihre Hand aus, um mit ein paar gezielten Griffen das Packet aus den Händen des Bunnys zu befreien. Diese nutzte natürlich auch sofort die Gelegenheit, um einen Fluchtversuch zu starten, wurde allerdings sogleich wieder mit einer groben Geste vom Marquis gebändigt. Sie gab einen verzweifelten, erstickten Laut von sich und schaute mit gepeinigter Miene zu Kato, welcher aber demonstrativ den Kopf wegdrehte.

Neben ihm fingerte Belial an dem Packet herum und öffnete schliesslich den Deckel. Kato gelang es nicht wirklich einen Blick auf den Inhalt zu erhaschen, denn kaum war die mysteriöse Box offen, verschloss der Hutmacher sie auch schon wieder. Ihr Gesicht war überzogen von einem Ausdruck, den der Sklave nicht wirklich deuten konnte. Es war etwas zwischen Ekel und Ärger, vielleicht schwang auch noch Resignation darin mit.
 

„Ich muss mich selber schelten, denn eigentlich ging ich davon aus, Ihr hättet solch triviale Geschmacklosigkeiten hinter Euch gelassen.“

Asmodeus lachte bloss trocken auf. „Ach Teuerste, warum erhebt Ihr euch jetzt über die niederen Triebe der Rache und des Blutes. Ich hatte das grosse Vergnügen Eure Kampfkunst und Blutdurst für ein Weilchen beobachten zu dürfen. Warum lehnt Ihr jetzt also mein bescheidenes Geschenk ab?“ Er funkelte sie aus vergnügten Augen an, während er immer noch den zappelnden Märzhasen umschlungen hielt. „Oder liegt es vielleicht daran, weil ich Euch die Gelegenheit genommen habe, es selbst zu tun?“

Belial gab ein verachtendes „Tzz“ von sich und beförderte das Packet, ohne sich auch nur einmal noch danach umzuschauen, den Hügel hinunter. Asmodeus und Kato blickten ihm beide dafür umso aufmerksamer hinterher. Während der erste nach wie vor amüsiert wirkte, fühlte Kato sich hingegen schon wieder ganz stark ausgeschlossen. Er wollte wissen was da drin war! Warum hatte der Hutmacher das Packet auf so sorglose Weise entsorgt, wenn es doch ein Geschenk war?! Er würde nie so gemein mit Geschenken umgehen… selbst wenn es von Asmodeus kam. Obwohl der IHM sowieso nie etwas schenken würde.
 

Während Belial begann sich wieder in Bewegung zu setzen, schaute er immer noch der Spur im Schnee, welche die Box hinterlassen hatte, nach.

„Hey! Was war da drin?“ Belial antwortete nicht, sondern stiefelte einfach weiter geradeaus. Asmodeus, der neben ihm stand, zuckte hingegen belustigt mit den Schultern und meinte leise „der Herr der Fliegen“, bevor er sich ebenfalls daran machte mit dem Hasenmädchen im Arm der Erzdämonin zu folgen.

„Wie der Herr der Fliegen?“ Kato schaute der davonziehenden Gruppe verwirrt nach, „Der passt doch da gar ni…oh…. OH!... das ist krank!“

Vor ihm hörte er den Marquis auflachen, trotzdem machte er sich daran ihnen zu folgen.
 

~~~
 

„Was machen wir mit dem Schneehasen?“

Sie hatten eine Klippe erreicht, deren Abhang sich furchteinflössend vor ihnen erstreckte und senkrecht nach unten führte. Kato warf einen kurzen Blick runter und machte dann automatisch einen Schritt zurück. Scheisse, war das hoch. Ein kleiner Schauer überfiel ihn, während die beiden Satane neben ihm reichlich unbeeindruckt einfach weitergingen und dem schmalen Pfad folgten, welcher sich direkt daneben entlang schlängelte.

Asmodeus hielt immer noch den Märzhasen gefangen, welcher in unregelmässigen Abständen immer mal wieder aufbegehrte und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Diese Versuche wurden von allen Anwesenden jedoch grösstenteils ignoriert. Belial schien die Existenz der Nephilim sowieso aus ihrer Wahrnehmung gestrichen zu haben und redete hauptsächlich an ihr vorbei mit den Marquis, wenn es um das weitere Vorgehen ging.

„Wird offiziell exekutiert, sobald sich hier wieder Ordnung eingekehrt ist.“
 

Kato liess kalte Erwiderung gleich nochmals schaudern. Er warf dem Hutmacher einen fragenden Blick zu, doch dieser schaute stattdessen einfach weiterhin geradeaus und ging überhaupt nicht darauf ein. Kato gab ein beleidigte „Hmpf“ von sich, folgte ansonsten aber weiter dem schmalen Pfad. Konnte doch nicht sein, dass der Hutmacher den Märzhasen ernsthaft exekutieren wollte. Klar war sie eine Verräterin und so, aber gleich eine Hinrichtung? Bisher hatte er die Kämpfe zwischen den beiden Damen eigentlich doch eher als solche um Macht und Überlegenheit wahrgenommen, und nicht so sehr um Leben und Tod.

Oder hatte er das ganze zu wenig ernst genommen? Aber warum hatte Belial sie denn vorhin einfach so liegen lassen?
 

„Findet Ihr das nicht eine Verschwendung?“ Asmodeus hatte sich wieder eingeschaltet. Er schien offensichtlich Katos Meinung zu teilen.

„Wenn Ihr sie nicht mehr haben wollt, könnt Ihr sie gerne mir überlassen. In meinem Lustschloss sind süsse Schneebunnys immer willkommen; selbst wenn sie etwas eigensinnig sind.“ Er schenkte der gesamten Runde sein schleimiges, zweideutiges Lächeln, was den Sklaven zu einem angenervten Seufzen nötigte, den Hutmacher aber abrupt anhalten liess. Sie wirbelte herum und ihr Gesicht war für einmal nicht so gelassen-ausdruckslos wie man es von der Herrin der Hochmut gewohnt war, sondern vielmehr verzerrt vor Wut, wie es Kato bisher erst ansatzweise bei den Duellen zwischen den beiden Rivalinnen gesehen hatte. „Wagt es nicht, Marquis…“ sie funkelte ihn an, was dessen Lächeln sofort ersterben liess. Stattdessen wurde es von einem ernsten, beinahe schon an Besorgtheit grenzenden Gesichtsausdruck abgelöst. „Ihr k-…“

„Mischt Euch nicht ein!“ schnitt Belial ihm harsch das Wort ab. „Als meine Untergebene, die Verrat begangen hat, untersteht sie einzig meinem Urteil.“

Asmodeus erwiderte nichts mehr und auch Kato fühlte, dass in diesem Moment ungesund war, da noch etwas sagen zu wollen. Einzig der Märzhase selbst schaute erstaunlich gelassen zum Hutmacher auf, als hätte sie diese scharfe Aussage so gar nicht erschreckt.
 

Stille kehrte zwischen den Parteien ein. Belial wandte sich um und begann ihren Weg fortzusetzen, der Rest folgte ihr wortlos. Kato empfand das ganze irgendwie als bedrückend. Seit er den Nephilim entkommen war, hatte er die Situation eigentlich nicht mehr als so schlimm empfunden. Selbst wenn er sich durch die Massen kämpfender und zähnefletschender Monster hatte schlagen müssen, war da doch immer ein Ziel gewesen. Aber nun lag da irgendwie ein schaler Nachgeschmack über dem ganzen… denn zum ersten Mal hatte er einen kurzen Ausblick auf das gekriegt, was danach kommen würde. Wenn die höllischen Heerscharen gewinnen würden, dann würde er zwar zu Luzifer zurückkehren und endlich dieser elenden Schneehölle entkommen, doch da war nicht nur Positives…

Die Verlierer würden nicht nur die Bürde ihrer Niederlage an sich zu tragen haben, sondern dort würde für einige auch noch Strafe und Rache warten. Das Bunny würde exekutiert werden und Gem… fraglich ob es für den überhaupt ein nach der Schlacht geben würde.
 

Er seufzte. Sein Herz fühlte sich irgendwie wieder schwer an. Aber sich zu wünschen, dass es endlich vorbei war, half für einmal auch nichts…

Sein Blick glitt wieder ins Tal. Absichtlich vermied er die Klippe zu betrachten, sondern schaute weiter in die Ferne. Der elende Schlund hatte auch hier das Tal in zwei Hälften gespalten. Kato wusste wirklich nicht was er davon halten sollte, beschloss aber den schwarzen Riss des Weiteren zu ignorieren und liess seine Augen weiter wandern. Sie glitten über die weissen Hügel, die immer wieder von schwarzen, sich bewegenden Punkten übersät waren. Langsam mochte er irgendwie nicht mehr weitergehen...
 

Dann geschah alles sehr schnell!

Die Erde bebte für einen kurzen Moment und liess die gesamte Truppe in die Knie gehen. Kato sah erschrocken auf und fühlte sich erst an seinen Fast-Einbruch erinnert, musste dann aber feststellen, dass alles viel schneller wieder vorbei war. Er kroch auf allen Vieren ein paar Meter vorwärts, bis er es schliesslich mühselig geschafft hatte sich wieder aufzuraffen und auf seinen zwei Füssen zu stehen. Die Dämonen schienen sich schneller erholt zu haben, denn ihre skeptischen Gesichter waren zur Klippe gewandt. Kato folgte ihren Blicken, konnte aber nichts entdecken, dass die geladene Stimmung erklärt hätte. Schliesslich wollte er schon den Mund aufmachen und fragen, als er es plötzlich sah…
 

Dort unten im Tal, etwas vom Fuss der Klippe entfernt, hatte sich eine weisse Wolke gebildet. Aus ihr stoben Funken und sie schien im hellsten Aufruhr zu sein. Ausserdem krachte und lärmte es immer mal wieder aus ihrer Richtung, so dass auch Kato nicht anders konnte als verwirrt die Stirn zu runzeln.

„Was....?“

„Sieht aus, als hättet ihr ihn gefunden.“ Asmodeus hatte sich nicht zu dem Sklaven umgewandt, sondern starrte immer noch fasziniert auf das Schauspiel, welches sich ihn darbot. Kato seinerseits verstand es immer noch nicht so ganz und schaute ungläubig zwischen der Wolke und den beiden Dämonen hin und her.

Dann jedoch schoss plötzlich ein gleissendheller Lichtstrahl aus dem Schneegestöber und schlug direkt in die Basis ihrer Klippe ein. Die Wucht des Aufpralls breitete sich erneut in Form eines kleinen Erdbebens durch das Gestein aus und erklärte für Kato wenigstens den Ursprung ihres kleinen unfreiwilligen Abgangs von vorhin.
 

Dann begann die Wolke, dort wo der Lichtstrahl sie geteilt hatte, langsam lichter zu werden und gab schliesslich den Blick auf eine schwarze Gestallt frei. Kato beobachtete das ganze mit offenem Mund. Konnte es wirklich sein? War es Luzifer?

Der aufgewirbelte Schnee im Tal legte sich immer mehr und die Umrisse der Kontrahenten wurden klarer und klarer. Katos Arme wurden jetzt ganz eindeutig von einer Gänsehaut überzogen.
 

Ja, das dort unten war Luzifer.

Aber es war noch jemand da, jemand der gegen das ewige Weiss nicht so sehr auffiel, weil seine Kleidung in denselben Farbtönen gehalten war, aber es war eine mächtige Präsenz und Luzifer kämpfte gegen sie.
 

„Ist es das? Der grosse Endkampf? Ich hatte ihn mir etwas epischer vorgestellt“ Asmodeus versuchte wohl gerade spöttisch zu klingen, trotzdem liess seine Aufmerksamkeit nicht für einen Moment von dem Geschehen im Tal ab.

Niemand erwiderte etwas.
 

Dann plötzlich riss Belial sich von der Gruppe los und stürmte davon. Kato konnte ihr bloss schockiert nachsehen, bis schliesslich der Marquis etwas resignierend meinte: „Scheint als müssten wir folgen.“ Er seufzte und setzte sich dann gemächlich in Bewegung.

Kato verzog das Gesicht. Er war verirrt, erwartete der Hutmacher jetzt echt, dass sie dort ins Tal runter zu Luzifer gingen? Nicht, dass es ihn nicht auch interessierte was geschah, aber die Aussicht von hier oben war doch ganz gut, man musste sich nicht zwangsläufig in Treffernähe begeben.

Aber was blieb ihm schon für eine Wahl? Er schloss zu Asmodeus auf und ging ihm wortlos hinterher. Sie folgten der Spur von Belials Fussstapfen, die sich selbst schon längst nicht mehr in ihrem Blickfeld befand. Ihr Weg führte von der Kampfszene weg, weiter entlang der bedrohlichen Klippe, bis sich schliesslich eine schmale und sehr unförmige, in den Fels eingelassene Treppe erreichten. Belials Spur verschwand hier, aber es war anzunehmen, dass sie es vorgezogen hatte herunterzufliegen, anstatt den beschwerlichen Weg zu Fuss zu nehmen. Kato beäugte die „Treppe“ misstrauisch… sie sah mörderisch aus. Jede „Stufe“ war so hoch und spitz, dass sie nur so zu schreien schien brich dir deinen verdammten Hals! Er kickte genervt etwas Schnee zur Seite. Also echt, warum erwartete man immer solchen Scheiss von ihm?!

„Also dann…“ Asmodeus machte eine einladende Geste zur Treppe hin, „…nach dir.“

„Warum muss ich zuerst?!“ fauchte Kato.

„Na deswegen.“ Der Satan hob sehr demonstrativ die zappelnde Form des Bunnys in seine Arme, welche ihm daraufhin nur einen weiteren Todesblick schickte.
 

Kato seufzte. Er hatte keine andere Wahl… wie immer. Also setzte er vorsichtig seinen Fuss auf die erste, teilweise immer noch schneebedeckte Stufe und hoffte auf das Beste.

Die nächsten folgten in langsamer und mühseliger Manier, aber sie stiegen tatsächlich abwärts. Kato krallte sich an jeder Kante oder Vorsprung fest, die sich ihm darboten, weil er einfach das Gefühl nicht loswurde, dass der Berg jeden Moment erneut erzittern konnte, oder dass die Treppe sich unter seinen Füssen in eine tödliche Rutschbahn verwandeln würde. Echt, er hasste so was! Hatte er übrigens erwähnt, dass er nicht ganz schwindelfrei war?

Also, er hatte nicht wirklich Höhenangst, aber wer würde nicht schwindeln, wenn sich vor ihm nichts weiter als der freie Fall erstreckte.
 

Hinter sich hörte er plötzlich wieder dieses schrecklich enervierende, halblaute Lachen. Kato hatte schon bevor der erklärende Satz dazu folgte, mit den Augen rollen müssen.

„Du musst ja wohl doch ziemlich auf unseren Imperator stehen, wenn du das alles auf dich nimmst, nur um zu ihm zu gelangen.“

„ICH STEH NICHT AUF IHN!“ Katos viel zu hohe Stimme hallte über die Schneelandschaft und die unwirklichen Felsen. Sein Kopf war herumgeschnellt, was allerdings zur negativen Konsequenz hatte, dass er für einen Moment nicht mehr auf die elende Treppe schaute und auch sogleich begann zu rutschten. Wild fuchtelnd griff er nach dem nächsten Ding, das er in die Finger kriegen konnte und landete schliesslich auf seinem Allerwertesten.

Asmodeus schaute belustigt auf ihn herunter und ironischerweise glaubte der Sklave auch auf dem Gesicht des geknebelten Märzhasen so etwas wie Amüsement lesen zu können.

„Wenn du nicht auf ihn stehst, ist das aber ganz schön viel Lärm um nichts.“ Er verpasste ihm einen kleinen Tritt in die Rückengegend, der ihm zum Weitergehen auffordern sollte. Kato sagte nichts, er würde nie mehr was sagen. Er würde diesen elenden, alten, perversen Sack von nun an einfach ignorieren.
 

Wie viel von der Steilwand sie schon hinter sich gebrachte hatten, konnte Kato im Moment wirklich nicht sagen. Er vermied es sehr geflissentlich runter zu schauen und das Raufschauen wurde von Asmodeus blockiert, ausserdem wollte er den sowieso nicht mehr als nötig zu Gesicht kriegen. Also kraxelte er einfach nur stumm abwärts.

Hin und wieder drangen Geräusche an sein Ohr, aber sie waren anders als das, was er bisher im Schlachtgewühl gehört hatte. Es waren keine verzweifelte, inbrünstigen Schreie, kein Klirren und Klappern von Waffen. Nein, es klang viel eher nach dem Bersten von Gestein, nach Wind und Explosionen… wie das Aufeinadertreffen von Naturgewalten.
 

Ein klein bisschen fragte Kato sich, wie es wohl gerade um Luzifer bestellt war. Er konnte ihn von hier aus nicht sehen. Ok, er konnte auch nicht aufschauen, sondern er musste sich auf den mörderischen Abstieg konzentrieren. Aber Luzifer ging es bestimmt gut… was konnte den schon umhauen?
 

Und dann … erbebte der Berg erneut.
 

Bevor wirklich die Erkenntnis, was da gerade passierte, sein Gehirn erreichte hatte, spürte er auch schon wie seine Finger den Halt verloren. Er fiel nach vorne und sah nur noch wie ihm unendliches Weiss entgegen kam. Er schrie….
 

Sein Fall wurde von etwas gestoppt, das ihn mehr als grob am Kragen packte. Zaghaft öffnete er die Augen und sah in das verachtende Antlitz des Hutmachers. „Du bist wirklich unfähig. Kann man dich nicht mal für einen Augenblick allein lassen?“

Sie standen auf dem Grund des Tales, links hinter ihm war die Treppe, wo Asmodeus etwa vier oder fünf Meter oberhalb deren Endes stand. War er bloss von so hoch gefallen? Obwohl, das hätte trotzdem gereicht, um sich das Genick zu brechen!

Er löste sich schnaubend aus Belials Griff und erwiderte giftig: „Was musstest du auch einfach so abhauen?!“

Sie kniff die Augen zusammen, schüttelte aber nach einem Moment der Stille bloss den Kopf.

„Halt jetzt mal die Klappe.“ Damit zog sie ihn in die Richtung eines Felsens, hinter dem sie schliesslich in Deckung gingen. Kato wollte erst noch empört etwas hinzufügen, entdeckte dann aber den Grund für ihr seltsames Handeln. Nicht weit hinter dem Felsen waren nämlich Schwarz und Weiss immer noch in ihren Kampf vertieft und schienen sich von der Ankunft der Neuankömmlinge nicht stören zu lassen. Sie standen einander gegenüber, die Kontrahenten selber gänzlich unversehrt, dafür zeigt die Landschaft um sie herum umso deutlicher die vernichtenden Spuren dieses Zusammentreffens. Aufgestoben Schneepartikel waren überall in der Luft, was die Szene noch weiter entfernt erscheinen liess. Für einmal schien alles ganz windstill zu sein.
 

Kato beobachtete das Schauspiel fasziniert, bis er merkte, dass nun auch der Marquis zu ihnen hin getreten war. „Das in weiss ist der Anführer der Nephilim?“

„Echt?“ Kato verzog kritisch das Gesicht.

„Der Kerl ist doch bloss der Lov…“ die zweite Hälfte des Satzes war ihm im Hals stecken geblieben, als er sich umgedreht und zufällig dabei das Gesicht des Bunnys gestreift hatte. Es war unleserlich, trotzdem wusste er in diesem Moment nicht so recht, ob es eine schlaue Idee war, zu offenbaren, dass da gerade ihr Lover gegen Luzifer kämpfte.

„Ja, was wolltest du sagen?“ stichelte der Hutmacher.

Kato musste schlucken. „E-er kann zaubern. Ich hab ihn gesehen, als sie das Ritual vorbereitet haben. Ich glaube, er heisst Dante.“

Neben ihm war das zustimmende Gemurmel der beiden Dämonen zu vernehmen, doch sein Blick hing immer noch an dem gefangenen Märzhasen. Irgendwie hatte er gerade den Eindruck, dass sich um ihre Augen ein paar Lachfältchen gebildet hatten.
 

Kato wandte sich ab. Es war jetzt wichtiger sich auf den Kampf zu konzentrieren, und er wollte auch nicht wirklich noch länger über das Bunny nachdenken. Das war nicht gut für ihn.
 

Vor dem Felsen knisterte die Luft. An der Position der beiden Kämpfer hatte sich, wenn Kato das richtig erkannte, nichts verändert, aber dafür schien sich die Stimmung immer mehr aufzuladen… und das nicht nur im übertragenen Sinne. Zwischen den tausenden herumfliegenden Schneekristallen begannen plötzlich mikroskopisch kleine Blitze umherzuzucken. Sie sprangen im Zickzack, kreuz und quer und tauchten mal am einen dann wieder am anderen Ende der Wolke, welche die beiden Kontrahenten umgab, auf.

Ihr Knistern wurde zunehmend lauter und Kato wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich auch zusehendes immer mehr um Luzifer zu kumulieren schienen. Der Sklave hielt angespannt die Luft an und ballte die Hände zu Fäusten. Da würde gleich etwas PASSIEREN!
 

Erschrocken schrie er auf. Die Druckwelle von dem ohrenbetäubenden Knall war selbst hinter ihrem Felsen noch deutlich spürbar. Er konnte nichts mehr sehen. Der grau-weisse Nebel des aufgewirbelten Schnees hatte nun auch sie eingehüllt und dafür gesorgt, dass der Sklave sich panisch an dem nächstbesten, was ihm in die Finger gekommen war, festgekrallt hatte, namentlich Asmodeus Rockzipfel.

Doch für einmal schien sogar der Herr der Wollust mehr mit den Ereignissen um sie herum beschäftigt zu sein, als dass er Katos Verzweiflungstat noch besonders viel Aufmerksamkeit hätte zollen können. Er versuchte nämlich gerade, wie auch Belial, die Auslöser dieses Desasters innerhalb der weissen Masse zu erspähen. Kato folgte ihrer Blickrichtung konnte aber immer noch nichts ausmachen. Echt, er hasste diese Ungewissheit!

Eine gewisse Nervosität hatte von ihm Besitz ergriffen. Er wollte Luzifer sehen! Er wollte die Bestätigung, dass es ihm gut ging!
 

In einiger Entfernung begann sich der Vorhang wieder zu lichten. Dunklere Umrisse wurden sichtbar, doch sie bewegten sich schnell und blieben nie lange an demselben Ort. Kato kniff die Augen zusammen. Er fand er schwierig den Schemen zu folgen, aber es hiess wohl auch dass der Höllenfürst unverletzt war, wenn er sich derart gut bewegen konnte. Irgendwie empfand er das als Erleichterung. Trotzdem wandte er sich zu den beiden Erzdämonen um. „Wollt ihr ihm nicht helfen?“

Die Reaktion fiel für einmal überraschend einheitlich aus, denn Asmodeus schüttelt bloss grinsend den Kopf und Belials Augenrollen war an Verachtung kaum mehr zu übertreffen. „Der Herr braucht unsere Hilfe nicht. Mit diesem Halbblut wird er spielend fertig.“

Der Marquis nickte zustimmend. „Ausserdem würde Seine Exzellenz unsere Hilfe gar nicht wollen. Wir würden Gefahr laufen die nächsten tausend Jahre in den tiefsten Verliessen She’Ols zu schmoren, wenn wir uns da einmischen.“
 

Darauf wusste Kato nichts mehr zu erwidern. Ok, er hätte sich eigentlich selbst denken können, dass der Teufel keine Unterstützung wollte, aber das vorhin war trotzdem ein ziemlich heftiger Schlag gewesen. Er hatte sich doch bloss irgendwie …Sorgen gemacht.

Diese Erkenntnis liess ihn gleich das Gesicht etwas verziehen.
 

„Wenn du ihm helfen willst, dann sei einfach nicht im Weg.“ war schliesslich der endgültige Kommentar des Hutmachers. Kato nickte stumm. Diese Antwort gefiel ihm zwar auch nicht so recht, aber erkannte, dass es sonst wohl wirklich nichts gab, was er hätte tun können.
 

Ihre Blicke richteten sich wieder nach vorne. Ein dumpfes Klirren drang jetzt immer wieder an ihren Ohren. Kato hörte aufmerksam zu, konnte aber daraus nicht wirklich schliessen wer gerade im Vorteil war.

Dann sah er plötzlich die Form eines grauen Tieres, welches brutal durch die Luft gewirbelt wurde. Es landete nicht weit von ihrem Unterschlupf auf dem harten Untergrund, rappelte sich aber sofort und ohne Mühe wieder auf. Kato starrte das graue Biest an und wusste für einmal sofort was abging. Zu seinem persönlichen Entsetzen drehte sich der Wolf daraufhin zu ihnen um und fokussierte die gesamte Gruppe mit seinen durchbringenden blauen Augen. Sein Blick blieb auch an dem gefesselten Bunny hängen, was Kato sofort alarmiert die Luft anhalten liess. Es war nicht gut, wenn der Wolf wusste, dass sie den Hasen hatten. Würde er sie jetzt angreifen? Sie in Stücke reissen?

Doch nichts dergleichen geschah, denn das Tier entfernte sich schnellen Schrittes wieder in die Richtung, aus welcher es gekommen war.

Kato atmete aus. Schien als wollte der Lover des Bunnys auch nicht, dass man sich einmischte
 

Dann folgte wieder das bereits gehörte Krachen und Klirren, unterbrochen von einzelnen kleineren Explosionen, bis schliesslich alles verstummte…
 

Kato lauschte angestrengt, aber es kam nichts mehr. Stattdessen begannen sich langsam all die auggewirbelten Schneepartikel wieder zu legen. Der Nebel lichtete sich Stück für Stück, doch die Schemen der Kämpfenden kehrten nicht zurück. Kato war verwirrt, doch für einmal schien er damit nicht allein zu sein, denn auch der Marquis hatte kritisch eine Augenbraue hochgezogen. „Sollten wir ihnen folgen?“

Der Hutmacher erachtete es offensichtlich als unnötig darauf zu antworten und trat mit vehementer Entschlossenheit hinter dem Felsen hervor um ebenfalls in die Richtung zu gehen, in welche vorhin schon der Wolf verschwunden war. Kato schaute ihr hinterher. Für ihn erübrigte sich die Frage, ob man Luzifer folgen sollte zwar auch, aber hatte das verrückte Weib vorhin nicht noch gesagt, dass „man sich nicht einmischen soll…“

Die Worte waren ihm unbewusst gemurmelt über die Lippen gekommen und zogen sogleich die Aufmerksamkeit des Marquis auf sich. „Das ist kein Einmischen, sondern würde wohl eher unter sensationsgeiles Spannen fallen.“
 

Kato antwortete nichts…
 

~~~
 

Der Nebel legte sich immer mehr und die Sicht wurde klarer. Der ebenfalls graue Himmel hing zwar immer noch drückend über ihnen, doch wenigstens war es jetzt möglich weiter als zwei Meter zu sehen… obwohl das, was er sah, dem Sklaven auch nicht unbedingt gefiel.

Sie hatten sich noch nicht weit von ihrem ursprünglichen Standort entfernt, da konnte Kato es auch schon sehen.
 

Der Schlund, sie näherten sich dem Schlund….
 

Irgendwie war ja klar gewesen, dass sie nochmals darauf zurückkommen mussten. Das Ding war einfach zu furchteinflössend.

Etwas das Tal abwärts erblickten sie auch Luzifer und seinen Gegner, die jetzt beide für einmal erstaunlich gut sichtbar waren. Der Teufel kämpfte mit seiner langen, schwarzen Armwaffe, deren Durchschlagkraft auch Kato schon am eigenen Leibe hatte erfahren dürfen. Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass seine Bauchgegend von einem unangenehmen Kribbeln heimgesucht wurde bei dem Anblick.

Dante seinerseits hatte nur einen langen, hölzernen Stab dabei, welcher zur grossen Überraschung des Sklaven aber durchaus fähig schien die Hiebe von Luzifers Angriffen abzufangen und sogar zu parieren.
 

Kato beobachtete das ganze mit einer gewissen Faszination, denn der weisse Gegner fing nicht nur die Angriffe des Höllenfürsten ab, sondern landete auch effektive Treffer seinerseits. Sie äusserten sich zwar stets in kleinen Blitzen und lauten Knallen, schienen Luzifer aber durchaus zuzusetzen.

Trotzdem war er ganz froh, als er an der Schulter des Nephilim plötzlich einen roten Fleck ausmachen konnte, der kontinuierlich grösser zu werden schien. Das hiess dann wohl, dass Luzifer ihn verwundet hatte! Kato freute sich darüber, doch bevor er wirklich wusste was er tat, hatte sich sein Kopf schon in die Richtung des gefangenen Bunnys gedreht, welche die Wunde mittlerweile bestimmt auch bemerkt hatte. Sie liess sich nach wie vor nichts anmerken, aber Katos kleiner Triumph wurde sofort wieder von einem dumpfen Unbehagen überdeckt.
 

Kein Sieg kam ohne Verlierer. Das hatte er mittlerweile verstanden.
 

Luzifer wich einem wohlgezielten Lichtball aus, der nicht unweit der Zuschauertruppe einschlug und die bereits bekannten Schneewolken erstehen liess. Der Gegenangriff folgte schnell, der Nephilim konnte gerade noch einen knappen Schritt nach hinten tun, um zu verhindern, dass das Schwert seine Kehle durchtrennte. Ein paar seiner weissen Harrsträhnen segelten geräuschlos zu Boden und verschmolzen mit dem Untergrund.

Kato beobachtete das alles mit geöffnetem Mund. Die Bewegungen der beiden waren schnell. Im Nebel hatte er sein Unvermögen ihnen richtig zu folgen auf die schlechte Sicht geschoben, aber auch hier musste er feststellen, dass es ihm schwer fiel zu sehen, was genau passierte. Es war beinahe als würde die beiden für einen Moment unsichtbar, nur um dann im nächsten Augenblick an einem anderen Ort und in anderer Pose wieder aufzutauchen. Kato kam kurz das Wort „zappen“ in den Sinn, beschloss dann aber dass es irgendwie zu wenig episch für die Situation war. Schwarz und Weiss wechselten so schnell die Seiten, dass er nicht sagen konnte wer gerade die Oberhand hatte. Sie waren umgeben von einem unablässigen Knistern in der Luft, von Blitzen und Licht, Lärm und Zerstörung; doch Kato war sich sicher, dass bei all den Geräuschen und der Szenerie kein einziges gesprochenes Wort zwischen den beiden gefallen war.
 

Wieder wich Dante aus, doch sein Ausfallschritt nach hinten war nicht nur ein simples Ausweichmanöver, denn gleichzeitig begann sich auch seine Form zu verändern. Aus weiss wurde grau und bevor Kato es wusste nahm der Wolf in einer bedrohlichen Geste Anlauf um sich auf den Teufel zu stürzen. Er verfehlte ihn nur knapp. Luzifer rollte zur Seite ab und hieb erneut aus, doch das Tier war schneller.
 

Katos Herz raste in seiner Brust. Das war jetzt gerade irgendwie knapp gewesen… oder zumindest hatte er das Gefühl, dass es knapp gewesen war. Er konnte den Blick nicht abwenden, aber gleichzeitig konnte er es auch beinahe nicht ertragen zuzuschauen. Seine Hand hatte seinen eigenen Kragen erfasst und hielt ihm krampfhaft fest. Luzifer durfte nicht verlieren, aber wenn er gewann….
 

Der Wolf war wesentlich agiler als der Nephilim in seiner menschlichen Form. Zwar schien ihn diese Erscheinung seiner Zauberkraft zu berauben, gleichzeitig war sein Biss aber umso gefürchteter. Kato konnte nicht anders als panisch aufzuschreien, als sich die Zähne das Biestes in den linken Unterarm Luzifers bohrten, den Stoff des Kampfanzuges zerfetzen und Teile der Armschiene zersplittern liessen.

Blut tropfte in den weissen Schnee. Des Teufels Gesicht zeigte keine Regung, aber es war klar, dass die beiden Rivalen nun gleich auf waren… beide bluteten sie.

Der Sklave seinerseits hatte entsetzt die Hände über den Mund geschlagen. Herzrasen war schon gar keine Beschreibung mehr für den Zustand, in welchem er sich gerade befand. Irgendwie sah er sich zerrissen zwischen dem Wunsch zu Luzifer zu rennen und seine Wunde zu versorgen und gänzlich wegzurennen. Er wollte wissen wie dieser Kampf ausging und ertrug es gleichzeitig nicht ihn mitanzusehen. Mittlerweile hatte ein leichtes Zittern von ihm Besitz ergriffen. Er hatte schreckliche Angst.
 

Der Wolf und der gefallene Engel umkreisten sich. Dann stürzte die Bestie plötzlich los, direkt auf ihren Widersacher zu. Doch sie erreichte ihn nicht, stattdessen wandelte sich ihre Form zurück in jene des Schamanen. Die Spitze des ausgestreckten Stabes berührte Luzifers Brust und er taumelte rückwärts…
 

…aber er fiel nicht.
 

Ein paar wenige Bewegungen reichten aus, um das Blatt zu wenden. Aus seiner tieferen Position hatte er den Stab ergriffen, ihn hochgehoben und darunter hindurch dem Nephilim das Schwert in den Bauch gerammt. Alles war so schnell gegangen, dass Kato lediglich durch die Reaktion Dantes erkannte, was passiert war… [4]
 

Er atmete schwer, der Sklave als auch der schwerstverwundete weisse Krieger.

Luzifer entfernte die Waffe mit einem Ruck, was sofort einen ganzen Schwall Blutes folgen liess. Neben sich konnte Kato hören, wie das Bunny sich in ihren Fesseln wand. Es war das erste Mal seit einer langen Zeit, dass sie wirklich eine Reaktion zeigte, und der Sklave musste sich nicht umdrehen, um zu wissen wie heftig sie war.

Dante tat einen Schritt rückwärts, seine eine Hand auf die Wunde gepresst, die andere immer noch fest um den Stab gelegt. Seine Haltung war gekrümmt, trotzdem schien sie zu sagen, dass dies noch nicht das Ende war. Hätte Kato auf die Distanz seine Augen erkennen können, wären sie bestimmt entschlossen gewesen.

Blaue Blitze begannen sich um den Kopf des Stabes zu schlängeln und der Sklave hatte den Eindruck zwischen dem Geräusch der immer heftiger in Bewegung geratenden Luft das Klingeln eines Glöckchens zu vernehmen. Der Klang erhob sich über den aufziehenden Wind. Etwas war im Anmarsch, etwas Heftiges.
 

Dann begann die Erde zu beben…
 

Aber nicht nur kurz, sondernd durchdringend lang, als würde etwas an ihren Grundfesten rütteln. Kato stand schon längst nicht mehr auf seinen Beinen, sondern war auf den Boden gesunken und hatte die Finger in den Schnee vergraben, als könnte er ihm Halt geben.

Es krachte und donnerte. Er sah gar nichts mehr. Neben ihm barst irgendetwas auseinander und er hörte eine Stimme laut aufschreien.
 

Eigentlich wollte er es nicht sehen, aber er sah es trotzdem…
 

Der Schlund zu seiner rechten… bewegte sich!
 

Er wurde immer breiter, die Felsen an seinem Rand begannen abzubröckeln, immer mehr stürzte hinein. Kato sah wie immer mehr von der weissen Welt versank, beinahe als würde die unendliche Schwärze sie verschlingen. Rasend schnell zerfiel was an den Abgrund grenzte und verschwand… verschwand auf Nimmerwiedersehen.
 

Die Erde stand noch immer nicht still, genauso wenig wie der Kampf zwischen Schwarz und Weiss zu Ende war.

„Du machst das?“ Kato hörte Luzifers Stimme, obwohl es ihm unwahrscheinlich schien, dass er sie in diesem Aufruhr vernehmen sollte.

Dantes Stab glühte noch immer. Er stand mit dem Rücken zum Schlund, seine Haltung nun wieder aufrecht.
 

„Sieg oder Tod…“
 

Die drei Worte hallten über alles und brannten sich in Katos Geist. Er hockte zusammengekrümmt am Boden, während der verletzte Nephilim gerade dastand und seinem Gegner direkt ins Gesicht schaute. Luzifer schien ihn zu mustern, wahrzunehmen, doch dann erwiderte er: „Pathetischer Schwachsinn. Die Hölle ist kein Ort für Idealisten.“
 

Kato wusste nicht was dann geschah.
 

Dantes Form wurde erfasst und weggeschleudert. Er fiel…
 

Er fiel direkt in den gierigen Schlund der unersättlichen Schwärze.
 

Die Erde hört auf zu beben und Ruhe kehrte ein. Sie wirkte seltsam surreal nach dem donnernden Lärm von vorhin. Kato zitterte am ganzen Leib. Er hatte die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und drehte wie in Zeitlupe den Kopf in Richtung des fürchterlichen Abgrundes. Auch er war zum Stillstand gekommen.
 

„War es das?“ fragte irgendjemand hinter ihm. Kato konnte sich nicht umdrehen, dafür war er gerade zu sehr ein Wrack.

Luzifer kam auf sie zu, sagte aber nichts.
 

Hinter sich konnte Kato etwas hören. Stoffrascheln, ein Gerangel, dann eine erstickte Stimme.

„Lass mich los… LASS MICH!“ Sie weinte.

Er wusste wer es war, aber er konnte sich immer noch nicht umdrehen. Eine Starre hatte ihn überfallen, ein Unglaube betreffend dessen, was soeben geschehen war.

Etwas riss. Schritte erklangen, schnelle Schritte. Sie rannten.

„Dante…“ Ihre Stimme klang weit entfernt. Er wusste, dass sie auf den Schlund zurannte, ohne es sehen zu müssen.

Sieg oder Tod hatte er gesagt. Das Bunny schien seinen Glauben zu teilen. Obwohl, sie war ja gar kein Bunny, ihr Name war Roderis, nicht?
 

Ein zweites Paar Schritte gesellte sich zu dem ersten, genauso schnell, nein schneller. Etwas fiel plump zu Boden. Er konnte hören wie sie sich wand. „Lass mich, du Schlampe! LASS MICH! Ich will zu ihm…“

Ihr Wimmern drang tief bis in das Innerste des Sklaven. Er konnte nicht aufsehen, er wollte nicht aufsehen. Er konnte es nicht ertragen.
 

„Du hättest sie springen lassen sollen, Belial.“
 

„Nein“
 

Nein. Es war das letzte was Kato sah und hörte für eine lange Zeit.
 

TBC
 

[1] Um euch das wieder etwas besser in Erinnerung zu rufen, es handelt sich hierbei um die Falle, die das Bunny und Dante im Intermezzo II (Kapitel 38) vorbereitet haben. Wie wir wissen, lag lediglich eine Eisschicht über dem Schlund, die jetzt unter dem Gewicht der Kämpfenden zusammengestürzt ist.

[2] nach einer Rücksprache mit einer Gem-Liebhaberin musste ich zum Schluss kommen, dass hier vielleicht nicht klar genug wird, warum Gem denn nun über Katos Identität oder eben Nicht-Identität bescheid weiss. Für mich als Autorin war’s zwar klar, aber für mich sind noch einige Dinge klar, die es für die Leser offensichtlich nicht sind. Ich ging davon aus, dass Gem Zeuge der Geiselszene wurde, wo Belial als Kato-Klon aufgetreten ist. Folglich weiss er jetzt, dass sein Kara zum Feind gehört und dass er ihm wahrscheinlich auch zur Flucht verholfen hat.

[3] Ich habe es zwar in den 45 vorherigen Kapiteln der Geschichte immer mal wieder gesagt, aber trotzdem hier noch mal: Katos Augen sind in SuS blau, nicht braun!

[4] Man muss sich dabei daran erinnern, dass Luzifer Kato ja auch damit getötet hat, dass er ihm das Schwert in den Bauch gerammt hat. Die Taktik ist hier also dieselbe… nur dass Kato wohl nie so eine grosse Herausforderung war;P
 

Ein Nachruf für Dante:

Ich bin mir bewusst, das obwohl er hier sozusagen den „Endgegner“ stellt, man nicht sehr viel über ihn weiss. Er ist der Lover des Bunnys, ein Schamane und er kann sich in einen Wolf verwandeln… aber ansonsten bleibt er ein mysteriöser Charakter.

Hier hat sich mir halt wieder mal das Problem aufgetan, dass ich aufgrund der Tatsache, dass die Geschichte halt aus Katos Perspektive geschrieben ist, der Leser auch nicht mehr erfährt, als es Kato tut. Obwohl ich ja extra noch das Intermezzo II eingebaut hab, das den Lesern ein bisschen mehr über ihn und seinen Charakter vermitteln sollte. Eigentlich wäre es ziemlich cool, aber er bleibt so halt blass und schlecht zu greifen*sigh*
 

Ein Nachruf für Gem:

Ich hatte Gem erst einen etwas anderen Schluss geschrieben, wo Belial der Aussprache dazwischen kommt und versucht ihn abzumurksen… aber irgendwie hat mir die Variante dann nicht gefallen, bzw. musste der Abrundung wegen wenigstens einer der charas, die in diesem Kapitel ihren letzten Auftritt haben, einen guten Abgang hinlegen… und ich fand es auch für Kato besser, dass er die Gelegenheit gekriegt hat, wenigstens mit ihm seinen Frieden zu schliessen.
 

Ein Nachruf für den Herrn der Fliegen:

Er findet ein etwas abruptes Ende, aber es war mir ehrlich gesagt zu umständlich noch mal eine Kampfszene zu schreiben. Ausserdem erschien es mir durchaus plausibel, dass Asmodeus ihn als Rache dafür, dass der Belial von hinten überfallen hat, erledigen will. Es stand also lediglich zur Debatte wie viel Kato (und Beli) von diesem Kampf mitkriegen. Offensichtlich nichts;P Aber im Endeffekt habe ich die etwas groteske Szene mit dem Geschenk eingebaut, damit sich der Bogen schliesst und der Fall Herr der Fliegen gewissermassen zu den Akten gelegt werden kann. Wenn ich mal zuviel Zeit haben sollte, werde ich noch ein Intermezzo III mit Asmodeus und dem Herrn der Fliegen schreiben;P
 

Ein Nachruf für Krishnae und Bulluk:

Sie kommen nicht noch mal vor und werden es auch nicht in Zukunft. Der grosse Nephilim Teil ist mit diesem Kapitel fertig. Ich hatte eigentlich ursprünglich den Plan sie der Vollständigkeit halber noch mal auftreten zu lassen, hab es dann aber nicht getan, weil das Kapitel sowieso schon ziemlich lang und episodenhaft geworden ist. Mal angesehen davon, dass sich sowieso niemand besonders für die beiden interessiert, wäre es einfach zuviel geworden und ich wollte dieses Mal wirklich abschliessen.

Kapitel 47

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 48

Katos Körper fühlte sich an wie Brei, schmerzender Brei. War das normal, nachdem er mit Luzifer gefi-… geschlafen hatte? Würde das von jetzt an immer so sein? Allein die Vorstellung liess Kato sich stöhnend auf die andere Seite rollen. Echt, daran musste sich was ändern, sonst machte er’s hier nicht mehr lange.

Schwerfällig hob er den Kopf und schaute aus verschwollenen Lidern und zerknüllten Bettdecken in den Raum. Eigentlich hatte er schon vor etwa einer Viertelstunde mit einer stichelnden Bemerkung seitens seiner schuppigen Mitbewohnerin gerechnet, aber es war nichts gekommen. Jetzt war er soweit, dass er sich sogar aufraffte, um nachzusehen, ob Lilith wirklich nicht da war oder ob sie sein Leiden aus irgendeinem unerfindlichen Grund bisher bloss ignoriert hatte. Verschwommen erkannte er die Umrisse des Schreibtisches und der Tür, die zum Bad führte. Er blinzelte, aber der Schreibtisch blieb wie er war und es war keine rote Lilith –egal in welcher Form auch immer – darauf zu sehen. Für einen Moment kam Kato der Gedanke, dass sie vielleicht im Bad sein könnte, aber das Fehlen des bekannten Wasserrauschens liess ihn diese Theorie verwerfen.

„Li-lith“ krächzte er heiser.
 

Als keine Antwort kam, drehte er sich mühsam auf die andere Seite, doch auch hier blieb alles still und leer. Kato verzog das Gesicht. Also echt, liessen die ihn einfach alle allein?! Normalerweise war doch immer irgendein Babysitter da, der ihm sagte, was als nächstes zu tun war. Diese Höllenbrut glaubte doch nicht ernsthaft, dass man ihn einfach so auf sich gestellt lassen konnte?!

Er raffte sich aus dem Bett auf und schleppte sich lethargisch zum Bad. Beim Vorbeigehen warf er noch mal einen prüfenden Blick zum Schreibtisch, doch da türmten sich bloss die unbeweglichen und bereits bekannten Unterlagen. Kato gab ein abfälliges „Tzzz“ von sich.

Die Schweine hatten ihn wirklich allein gelassen. Gut, von Luzifer hatte er ja nichts anderes erwartet, der war am Morgen danach sowieso nie da, aber dass Lilith ebenfalls weg war erschien ihm doch irgendwie ungewöhnlich. Vor allem wo er doch bisher geglaubt hatte, dass sie die Gemächer des Teufels eigentlich nicht verliess.
 

Er stellte sich unter die Dusche und hatte schon die Hände in seinen Haaren vergraben, als ihm plötzlich etwas einfiel. Wie vom Blitz getroffen nahm er einen Satz rückwärts, um ausserhalb der Reichweite des Wasserstrahls zu gelangen. Er starrte auf seine Oberschenkel.
 

Die Zeichen, waren die noch da?
 

Vereinzelte Wassertropfen glitzerten auf seiner weissen Haut und suchten sich unschuldig ihren Weg der Schwerkraft entgegen. Kato starrte darauf. Da war nichts. Keine roten Zeichen, nicht mal verwaschene Überresten davon, einfach gar nichts. Seine Hüften und Schenkel sahen so aus, als hätte der Teufel sie niemals berührt. Kato fuhr ungläubig über die Stelle. Das konnte doch nicht sein. Sie waren da gewesen, da war er sich sicher!

Er drehte sich um und suchte irgendwo nach einer Antwort, aber es kam einfach nichts. Verdattert starrte er zwischen dem Ausgang und der Dusche hin und her und hätte dabei eigentlich erwartet Luzifer zu erblicken, der grinsend dastand und sich als Urheber all dieser Verwirrung herausstellte, doch da war nichts. Niemand war da und Kato war sich in diesem Moment auch nicht mehr so ganz sicher, ob die Zeichen wirklich je da gewesen waren…
 

Doch dann schüttelte er vehement den Kopf. So ein Quatsch! Sie waren da gewesen und genauso war es Luzifer. Der hatte bloss wieder etwas mit ihm angestellt, ohne ihm irgendwelche Erklärungen abzugeben. Tat er schliesslich nie!

Kato trat entschlossen wieder unter den Wasserstrahl. War ja schliesslich auch egal, was die Zeichen bedeuteten oder machten. Wenn sie jetzt weg waren, konnte ihm das nur recht sein.

Doch sein Blick glitt unbewusst wieder zu seinen Schenkeln…

Aber irgendwas war schon damit gewesen. Er hatte es gefühlt… gefühlt, dass das spezielle Zeichen waren. Ein Schauer überfiel ihn trotz des warmen Wassers. Er wusste, es war das Beste für ihn, wenn er solch seltsame Begebenheiten gar nicht erst hinterfragte, trotzdem fiel es ihm schwer das ganze zu ignorieren.
 

In leicht abwesender Manier wusch er sich die Haare und trat dann tropfend und nackt zurück ins Zimmer. Es war immer noch niemand da, aber mittlerweile hatte er sowieso nicht mehr damit gerechnet. Heute schienen eine Menge Dinge zu verschwinden, nicht nur blutrote Zeichen. Er tapste zum Bett und musste dann erstmal mit einem gewissen Unbehagen feststellen, dass er seine Klamotten schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte.

Kato atmete tief ein….also das Spiel kannte er ja jetzt wirklich schon zu Genüge; er fixierte den schweren, schwarzen Kleiderschrank und fragte sich was dieser wohl heute für ihn bereit halten würde… bitte etwas, das den Hintern bedeckte!
 

~~~
 

Er fand seine Ausbeute überraschend gut, denn mit einer gewissen Befriedigung hatte er sich erstmal eine lange Hose übergestreift und dann noch eine – für seinen Geschmack – ziemlich coole schwarze Lederweste aus dem Schrank gefischt. Eigentlich fehlte nur noch ein schwerer Nietengürtel um das ganze abzurunden, aber man konnte bekanntlicherweise nicht alles haben. Auf jeden Fall fand er das Outfit verhältnismässig tragbar, verglichen mit dem lächerlichen Schund, den man ihm sonst schon aufgezwungen hatte.
 

Kato schlenderte zur Tür und blieb dann davor stehen. Sollte er jetzt wirklich rausgehen und wen suchen? Obwohl, hierbleiben und einfach warten wollte er auch nicht.
 

Er wischte sich die immer noch feuchten Haare aus dem Gesicht und starrte noch einen Moment auf die verschlossene Tür. Wollte er Luzifer nach gestern Nacht überhaupt schon wieder unter die Augen treten? Kato seufzte tief, er hatte wohl sowieso keine andere Wahl. Also griff er nach der Türklinke und drückte sie nach unten, doch wieder geschah nichts.

Irritiert starrte er die Tür an und versuchte es dann vorsichtshalber mal mit drücken anstatt ziehen, doch noch immer bewegte sie sich keinen Millimeter. Er schenkte ihr einen mörderischen Blick und trat dann einen Schritt zurück.
 

Ok, er war hier eingesperrt. Toll!
 

Kato wollte schon beleidigt den Rückzug antreten, als er plötzlich aus seinem Augenwinkel eine seltsame Bewegung wahrnahm. Ein bizarrer silberner Strudel hatte sich auf der Oberfläche der dunklen Tür gebildet und drehte gleichmässig seine Kreise. Er verzog das Gesicht.

Der Türwächter, wie hatte er den bloss vergessen können?!

Abwartend stellte er sich direkt davor und stützte die Arme in die Hüften.
 

„Was ist dein Begehr?“ erklang schliesslich die verzerrte Stimme.

„Ich möchte raus“ war Katos knappe Antwort. Der Strudel änderte prompt die Drehrichtung, bis er schliesslich erwiderte: „dazu wird eine Genehmigung benötigt.“

Katos Augenbrauen wanderten ungläubig nach oben, „Wie? Von Luzifer? Der ist doch gar nicht da.“

„Der Herr befindet sich in einer Anhörung, deine Anwesenheit wird dort nicht benötigt.“

Empört liess der Sklave die Arme sinken und starrte die Tür mit zu Schlitzen verengten Augen an. „Dann soll ich hier also versauern, oder was?! Und wo ist eigentlich Lilith?!“

Er funkelte den Wächter an, worauf der Strudel gleich noch mal seine Richtung änderte.

„Die stellvertretende Sekretärin ist im Archiv und geht ihrer Arbeit nach.“ Es klang so teilnahmslos wie eh und je, trotzdem wurde Kato bei dieser Bemerkung hellhörig. Lilith als stellvertretende Sekretärin? Da stimmte doch was nicht, aber vielleicht war das auch genau seine Gelegenheit hier raus zu kommen.

„Und äh… könnte es nicht vielleicht sein, dass die stellvertretende Sekretärin…“ Kato betonte den Titel ganz besonders, während seine Hände untermauernd gestikulierten, „…Hilfe benötigt bei dem, was sie gerade tut?“

Erst erwiderte der Strudel nichts, dann jedoch meinte er: „Ich habe keine Anweisung, die eine Hilfestellung deinerseits verbieten würden. Du darfst zu ihr gehen.“ Damit schnappte die Tür auf und Kato schlängelte sich sofort hindurch. Er warf noch einmal einen vorsichtigen Blick zurück über seine Schulter, um zu sehen wie sie sich wieder schloss, trotzdem kam ihm das ganze etwas zu einfach vor. Er konnte jetzt schliesslich gehen wohin er wollte und war nicht verpflichtet – nur weil er das der stoischen Tür gesagt hatte – wirklich bei Lilith zu helfen. Einerseits interessierte es ihn ja schon, was dieser Wächter mit stellvertretender Sekretärin gemeint hatte, aber andererseits war es ihm aus Prinzip zuwider einfach das zu tun, was ihm irgendwer auftrug. Er ging also geradeaus weiter, konnte es sich aber gleichzeitig nicht verkneifen immer mal wieder misstrauisch hinter sich zu schauen, schliesslich konnte man ja nie wissen, ob nicht gleich die Kavallerie auftauchte, um ihn schreiend zurück in Luzifers Gemächer zu schleppen…
 

So kam es auch, dass Kato genau in jenem Augenblick eben nicht hinschaute, als vor ihm eine Tür auftauchte. Er lief natürlich prompt in sie hinein…

„AU!“ verwundert hielt er sich den Kopf und taumelte einen Schritt rückwärts. Für einen Moment starrte er die Tür böse an und versuchte abzuschätzen, ob es jene mit dem Eigenleben war, die seine unlauteren Absichten durchschaut hatte. Doch diese schien nicht gewillt Kato in irgendeiner Weise zu schelten und wirkte auch ansonsten doch einiges unscheinbarer. Abwägend musterte er sie. Es war nicht die Tür zu Luzifers Gemächern, sollte er also hineingehen? Aber was blieb ihm im Endeffekt schon gross anderes übrig? Wenn eine Tür direkt vor ihm erschien, musste er wohl gezwungenermassen hindurchgehen. Also griff er nach dem Knauf und öffnete sie…
 

Auf der anderen Seite blickte ihm auch sogleich eine nicht wenig erstaunte Lilith entgegen. „Oh Haustierchen, dich hatte ich hier ja gar nicht erwartet, aber du kannst mir gerne helfen.“ Damit stieg sie von einer kleinen Leiter runter und kam Kato mit einem ganzen Stapel Akten entgegen. Dieser hatte nicht mehr wirklich die Gelegenheit etwas darauf zu erwidern, bevor er sie in die Hand gedrückt bekam und mitgezerrt wurde. Irgendwo auf dem Weg vorbei an hüfthohen Stapeln verstaubter Unterlagen, kam ihm der Gedanke, dass der Türwächter wohl schon gewusst hatte was er tat, als er ihn rausgelassen hatte. Mit einem Knurren auf den Lippen folgte er Lilith durch den Raum, die ihn schliesslich mit einem Handzeig anwies, die Akten auf einen anderen turmhohen Stapel zu packen.
 

„Was genau treibst du hier eigentlich?“

„Ich räume auf, sieht man doch.“ entgegnete Lilith bloss trocken, während sie schon wieder halb in diesem aufgetürmten Labyrinth verschwunden war.

Kato schaute ihr irritiert hinterher. „Ja, das seh’ ich, aber was genau ist das alles?“ er machte eine ausladende Geste.

„Akten“ kam es von hinter einem Stapel. Kato rollte mit den Augen, warum fragte er überhaupt noch. Mit einem tiefen Seufzen liess er sich auf einem Turm nieder, der gerade eine bequeme Höhe hatte und beschloss die Situation erst noch ein bisschen zu beobachten, bevor er noch mal einen Vorstoss wagte. Lilith drehte noch ein paar Runden, bevor sie schliesslich schwerst beladen, aber mit offensichtlicher Entrüstung vor dem sitzenden Sklaven stehen blieb.

„Du sollst hier nicht faulenzen, hilf gefälligst!“ damit flog Kato eine Salve verstaubte Blätter entgegen, die er gerade noch knapp durch Arme erheben abwehren konnte. Vorwurfsvoll starrte ihn Lilith durch die aufgewirbelte Wolke an, während der Sklave gerade viel zu sehr damit beschäftigt war, einen Hustenanfall zu unterdrücken. Sie hatte die Hände in die Hüften gestützt und wirkte durchaus leicht bedrohlich; irgendwie sah sie sowieso anders aus, befand Kato aus tränenden Augen. Ihre Haare hingen für einmal nicht wallend um ihren Kopf, sondern wurden von einem losen, seitlichen Zopf zusammengehalten. Das war aber noch nicht das Hauptmerkmal, welches Kato ins Auge stach, sondern viel mehr war es die Tatsache, dass Lilith für einmal ANGEZOGEN war.

Sie trug einen roten, in Schlangenoptik gehaltenen, langen Mantel oder Tunika – er wusste wirklich nicht, was da die korrekte Bezeichnung dafür gewesen wäre – mit hohem Kragen, der unten auf Höhe der Beine beidseitig geschlitzt war. Es war ein erstaunlich geschlossenes Outfit, verglichen mit Liliths sonstiger Erscheinung, Kato lag diesbezüglich eigentlich schon das Wort seriös auf der Zunge.

Das Schweigen des Sklaven und sein wandernder Blick waren dann wahrscheinlich auch der Grund, dass Lilith ihre Position änderte und sich schliesslich resignierend neben ihm niederliess. „Schau doch nicht so kritisch.“

Im ersten Moment erwiderte er nichts, dann aber schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht und er meinte: „Ich muss mir die neue stellvertretende Sekretärin doch genau anschauen.“

„Oh, du hast es schon gehört…“ sie kicherte, „… aber eigentlich bin ich nicht die neue stellvertretende Sekretärin, ich war immer schon SteV, nur hat man da normalerweise nicht besonders viel zu tun. Es wird erst stressig, wenn der richtige Sekretär mal abhanden kommt.“ Sie wischte sich ihren Zopf hinter die Schulter und schlug demonstrativ die Beine übereinander. Kato beobachtete das ganze mit hochgezogener Augenbraue.

„Und wie genau kommt ein Sekretär abhanden?“

„Na du hast ihn am Hinterkopf deines Bunnys zerschmettert. Schon vergessen?“

Katos Augenbraue wanderte weiter hoch, „Oh“. Seine Antwort fiel offensichtlich einsilbig aus, aber für ihn war es gerade geistig nicht so wirklich vereinbar, dass der körperlose Schädel echte Arbeit verrichtet haben sollte, die über ewiges Rumgemecker hinausging und mit seiner Vorstellung von dem, was ein Sekretär angeblich tat, übereinstimmte.

„Aber…“ er hob die Hand, „… wenn das wirklich der Sekretär war, wie hat er dann all das hier erledigt?“

„Warum denkst du, sieht es hier so aus?“
 

„Oh“ Kato schaute ihr irritiert hinterher, während Lilith sich schliesslich mit einem schrägen Grinsen auf den Lippen wieder aufraffte. „Die letzten tausend Jahre hat hier niemand mehr Akten abgelegt.“

Er wischte sich die Haare nach hinten und erhob sich dann ebenfalls mit einem tiefen Seufzen. „Ihr beschäftigt echt das falsche Personal.“
 

~~~
 

„Du scheinst gut drauf zu sein.“ Lilith stand wieder auf ihrer kleinen Leiter und reichte dem Sklaven von oben Akten herunter, welche dieser dann durch den Raum trug und bei irgendeinem anderen Stapel verstaute. Er durchschaute das System dieser Ablage nicht, weswegen er sich auch einfach nur darauf beschränkte das zu tun, was Lilith ihm sagte.

„Wie kommst du denn da drauf?“ murmelte er kleinlaut, während er abwesend seine viel zu trockenen Fingerspitzen begutachtete [1].

„Na, du bist irgendwie wieder viel frecher.“

Das liess Kato aufschauen. Ihre Aussage irritierte ihn ein wenig, weswegen ihm nichts Besseres einfiel als ihr prompt die Zunge rauszustrecken

Lilith lachte auf. „Siehst du, genau das meine ich!“ Sie stieg von ihrem Leiterchen hinunter, klappte es zusammen und drückte es Kato in die Hand. Dieser dackelte ihr hinterher, während sie zielstrebig irgendeine andere Ecke des Raumes ansteuerte.

„Es scheint dir gut getan zu haben, dich endlich mit Luzifer auszusöhnen.“

Kato blieb abrupt stehen. „Auszusöhnen? Wir hatten doch keinen Streit.“

„Man muss nicht immer streiten, um etwas in Ordnung zu bringen zu haben. Ausserdem würde ich dir tunlichst davon abraten mit Luzifer Streit vom Zaun zu brechen“ damit drehte sie sich um und nahm ihm wieder die Leiter aus der Hand. Kato konnte ihr bloss verdattert dabei zuschauen, wie sie sie wieder auseinanderklappte und hoch stieg. Ihm war das gerade etwas zu schnell gegangen…

„Aber…“
 

„Nichts aber… hier, halt das!“ Sie drückte ihm einen unglaublich schweren Schmöker in die Hand, der Kato für einen Moment regelrecht taumeln liess, bis sich die werte Frau Sekretärin schliesslich erbarmte von ihren Leiterchen herunterzusteigen und ihm das Teil wieder abzunehmen. Sie knallte das Buch auf einen der halbwegs stabileren Stapel und begann heftig darin herumzublättern. Kato beobachtete das ganze, konnte sich aber nicht wirklich einen Reim darauf machen, was Lilith in dem Monsterbuch zu finden erwartete.

Für ihn sah der Inhalt sehr listenähnlich aus, denn soweit er das erkannte, waren die Seiten nicht vollgeschrieben, sondern da waren lediglich kurze Texte in zwei Kolonnen pro Seite angeordnet.
 

„Was ist das?“

„Das Register.“ Lilith suchte immer noch herum, ihr Zeigefinger glitt gleichmässig über die Textzeilen, nur um dann plötzlich innezuhalten. „HA! Hier ist er! 1’033’591, versuch dir das zu merken, Haustierchen!“
 

Kato schaute sie bloss entgeistert an, sein Blick spiegelte totales Unverständnis wider.

Lilith seufzte. „Ok ok, ich schreib mir’s lieber auf, auf dich ist sowieso kein Verlass“ Sie kramte eine Feder hervor und schrieb die Zahl in die Ecke der nächstbesten herumliegenden Akte, bevor sie wieder mit blättern begann. Ihr Finger glitt in derselben Manier wie zuvor über die Kolonnen, nur um immer mal wieder anzuhalten und sich Nummern zu notieren. Kato beobachtete das ganze eine ganze Weile lang stumm, bis ihm schliesslich doch der Faden riss. „Also was tust du da eigentlich? Was für ein Register soll das sein?“

Lilith schaute zwischen ein paar losen Haarsträhnen zu ihm auf und schenkte ihm einen leicht angenervten Blick. „Das Register der Verdammten natürlich. Jeder, der irgendwann mal zu einer Ewigkeit in der Hölle verdammt wurde, ist hier drin aufgeführt.“

„Oh…“ Kato schien für einen Moment über diese neue Information nachzudenken, meinte dann aber: „dann bist du auch da drin?“

„Ich? Nein, ich bin nicht drin, aber ich bin per Definition auch keine Verdammte[2].“

„Aha…und warum nicht?“ er musterte sie leicht konsterniert, doch Lilith grinste bloss und winkte grosszügig ab. „Ach, das ist eine lange Geschichte. Vielleicht erzähl’ ich dir das ein anderes Mal.“ Sie begann wieder zu blättern, doch Kato konnte das Thema irgendwie noch nicht ruhen lassen. „Aber das ist seltsam! Wenn du keine Verdammte bist und die Oberbosse da sowieso nicht rein gehören, wo sind die denn alle? Ich hab noch nie irgendwelche Verdammten gesehen.“ Er fuchtelte demonstrativ mit den Händen herum, um seinen Punkt zu untermauern. Lilith hingegen seufzte bloss tief auf und warf Kato einen beinahe schon müden Blick zu.

„Kato, was denkst du, bist du?“ Sie machte eine Pause und schaute den Sklaven eindringlich an, „was denkst du ist dieses grünhaarige Lieblingsspielzeug von Asmodeus? Verdammte können ausschliesslich Menschen sein.“

Kato lag ein stummes Oh auf den Lippen, doch Lilith war noch nicht fertig: „Allerdings hast du recht damit, dass es in She’Ol nur eine sehr kleine Anzahl Verdammter gibt, denn der innerste Kreis der Hölle ist eigentlich eine Domäne, die grossmehrheitlich ranghohen Dämonen und ihren Vertrauten vorbehalten ist.“
 

Darauf wusste der Sklave nichts mehr zu erwidern. Allerdings war es nicht so sehr die zweite Information gewesen, welche gerade so viel Prozessierungskapazität in seinem Köpfchen beanspruchte, sondern viel mehr die erste: Verdammte waren ausschliesslich Menschen!
 

„Heisst das, ich stehe in diesem Buch?!“

Lilith schien von diesem plötzlichen Gedankensprung etwas überrumpelt, antwortete dann aber zögerlich: „Ja, du solltest theoretisch da drin ste…“

„Ich will es sehen!“ Der Sklave hatte sich dicht neben sie gedrängt und liess nun eifrig seine Augen über die Textkolonnen gleiten.

„Kato, da steht bloss dein Name und eine Ordnungszahl drin, damit man deine Akte wiederfinden kann“ versuchte Lilith ihn zu beschwichtigen. Doch der Sklave liess sich davon nicht abhalten und hatte stattdessen begonnen stürmisch in dem übergrossen Schinken zu blättern. Er war schon bei K angelangt, als es Lilith endlich gelang ihm das Buch wieder zu entreissen und es schützend an ihre Brust zu drücken.

„Jetzt mach mal halblang!“ Sie schaute ihn vorwurfsvoll an, „wenn du auch nur eine Seite zerreisst, wird der Morgenstern dir im Gegenzug dafür gewisse Körperteile abreissen!“

Das zeigte seine Wirkung. Kato wich sofort einen Schritt zurück und liess schuldbewusst den Kopf sinken.

„Ich will doch bloss wissen, was da über mich drinsteht“ meinte er kleinlaut, unternahm aber keinen Versuch mehr sich dem ominösen Buch zu nähern. Lilith legte es vorsichtig wieder ab und schlug es auf. „Hier steht sowieso schon mal gar nichts drin. Das ist, wie gesagt, bloss ein Register, das dir nur die Ordnungsnummer deiner Akte verraten kann.“

„Dann will ich halt in meine Akte schauen.“ Katos Tonfall grenzte nun ganz eindeutig an ein Quengeln.

Lilith seufzte bloss und meinte dann trocken: „Wie ist dein Vorname?“
 

„Hä? Wieso?“

„Na, weil das Register nach Vornamen geordnet ist… Du hast doch einen Vornamen, oder?“

Kato grummelte etwas vor sich hin, presste dann aber zwischen zusammengebissenen Zähnen ein kaum verständliches „Yue“ hervor. Lilith hob für einen Moment die Augenbraue, kippte dann aber das Buch und begann von hinten zu suchen. Ihre Finger glitten über die schwarze Tinte, überquerten eine Seite und blätterten dann um. Kato konnte sehen, dass sie jetzt bei den Namen mit Y angekommen war. Vereinzelt schnappte er ein paar auf, trotzdem galt der Grossteil seiner Aufmerksamkeit vor allem Liliths schnellem Vorankommen.
 

Yuna, Yun, Yui und dann kam der erste Yue. Kato konnte nicht abstreiten, dass er sich irgendwie ein wenig nervös fühlte. Seinen Namen da in so einer Liste zu sehen, hatte so etwas Endgültiges… dann war er schwarz auf weiß ein Verdammter.

Yue Yokamura, Yue Sanada, Yue Nagano, Yue Kat….
 

Katos Herz setzte für einen Schlag aus.
 

Yue Katoi
 

Er musterte den Namen misstrauisch, dann glitt sein Blick weiter zu dem darüber: Yue Kananama

Und noch weiter. Yue Hisagii, Yue Fukujima, Yue Abareij….
 

„Scheint als wärst du nicht dabei“ stellte auch Lilith neben ihm fest. Kato warf ihr einen halb kritischen, halb verzweifelten Blick zu. Und was hieß dass jetzt, dass es nicht dabei war?

Sie schien seine Gedanken zu erahnen und stellte sich erstmal wieder aufrecht hin. „Dass dein Name da nicht drin steht, ist ein weiteres eindeutiges Zeichen dafür, dass der alte Sekretär in letzter Zeit ziemlich geschlampt hat.“ Sie klappte das Buch mit einer unverkennbaren Eindeutigkeit zu, aber Kato fühlte sich dadurch nicht unbedingt beruhigt. Er wusste einfach nicht, was er davon halten sollte. Erst hieß es, alle Verdammten seien da drin und er sei ebenfalls ein Verdammter und dann fand man ihn doch nicht. Irgendwie irritierte ihn das.

„Ach, mach dir nichts draus. Das ist schlussendlich auch nur ein Register.“ Damit stellte sie das Buch zur Seite und machte eine auffordernde Kopfbewegung zu einem weiteren Aktenstapel hin. „Wir müssen weiter aufräumen.“

Kato grummelte etwas, folgte ihr dann aber nach.
 

~~~
 

„Aber was ich nicht peile, ist, warum dieser vorlaute Schädel überhaupt bei den Nephilim war.“

Mittlerweile stand Kato auf dem Leiterchen und kriegte von Lilith Unterlagen hoch gereicht, die er in den Regalen verstaute.

„Wir wissen es auch nicht ganz genau, aber es ist anzunehmen, dass dein Bunny….“

Kato verzog das Gesicht und warf giftig dazwischen: „Sie ist nicht mein Bunny!“

Doch Lilith winkte bloß ab. „Ja ja, schon gut. Auf jeden Fall nehmen wir an, dass sie ihn entführt hat, um Informationen zu erpressen. [3]“

„Aha… und was für welche?“ Dem Tonfall des Sklaven war deutlich zu entnehmen, dass er dem Schädel eigentlich nicht zutraute Hüter irgendwelcher wichtigen Informationen zu sein.

Lilith schmunzelte daraufhin leicht. „Du lässt dich zu leicht von Äußerlichkeiten täuschen, Haustierchen. Auch wenn dieser Schädel vielleicht die Register nicht mehr anständig nachgeführt hat, kannte er doch den Inhalt einer jeden Akte hier. Sein Wissen war immens.“ Ihre ausladende Geste nötigte den Sklaven dazu, seinen Blick noch einmal durch den Raum schweifen zu lassen. Wie viele Akten hier tatsächlich lagerten, war schwierig zu sagen, va. weil es schwierig zu sagen war, wo der Raum tatsächlich endete und wo es sich nur um eine aufgeschichtete Wand aus Unterlagen handelte. Kato musste unwillkürlich die Augen verdrehen.
 

„Wahrscheinlich wollten sie ihn zur Herausgabe der Bannflüche, welche das Reich der Nephilim von der normalen Hölle abgrenzen, zwingen.“

Diese Aussage ließ Kato aufhorchen. „Bannflüche? Ich dachte, nur Luzifer kennt die.“ Er schaute irritiert zu Lilith hinunter, welche sich gerade abgewandt hatte, um wieder in irgendwelchen Stapeln zu wühlen.

„Das ist nicht ganz richtig“ entgegnete sie abwesend, „Luzifer hat die Bannflüche zwar gemacht und eigentlich sind sie auch so konzipiert, dass nur er sie anwenden kann, aber kennen tun sie schon noch ein paar andere Leute. Wenn also jemand, der über genügend spirituelles Potential verfügt, daherkäme, könnte man sie mit der richtigen Formel durchaus brechen.“
 

Kato fand diese so leicht dahergesagte Information irgendwie leicht… schockierend.

Er wusste nicht genau wieso; vielleicht weil sie erneut andeutete, wie ernst es den Nephilim eigentlich gewesen war und dass sie anscheinend auch über jemanden verfügten, der sich mit Luzifer messen konnte. Sofort blitzte vor seinem geistigen Auge das Bild eines grauen Wolfes, der von einer Frau in schwarz begleitet wurde, auf, doch der Sklave schüttelte es gleich wieder ab. Er wollte jetzt nicht daran denken. Solches Zeug schlug ihm nur wieder auf’s Gemüt, also versuchte er das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
 

„Dann war es im Endeffekt also gut, dass ich den Schädel kaputt gemacht habe?
 

„Planlos und unpraktisch auf jeden Fall…“ Lilith schaute nun endlich wieder zu ihm auf, ihr Gesicht wurde geziert von einem schrägen Grinsen, „…aber irgendwo auch ganz gut.“
 

Doch bevor Kato die Gelegenheit kriegte die Nachwirkungen diesen kleinen Lobes gänzlich auszukosten, hatte sie ihn auch schon mit ihrem Zeigefinger zu sich heruntergewinkt und ihm eine weitere Akte in die Arme geschmissen. „Hier! Die müssen wir nachher zum Morgenstern mitnehmen und schau zu, dass du sie bis dahin nicht verlierst.“

Der Sklave verzog beleidigt den Mund, während er immer noch seinem unbeachteten Triumph hinterher trauerte, betrachtete dann aber das Ding in seinen Händen etwas genauer. Es lagerte Staub darauf, der Jahrhunderte alt sein musste und sich regelrecht in das Material eingefressen hatte. Alle Ecken und Kanten waren zerfleddert und eigentlich sah das Teil genauso heruntergekommen aus, wie der Rest der Millionen Akten hier drin, trotzdem wurde Kato das Gefühl nicht los, das etwas daran anders war.
 

Er starrte die Akte an und dann plötzlich sah er es…

In dem fahlen Zwielicht des Archivraumes und wegen der Dreckschicht, die darauf lagerte, war es zwar nicht sofort erkennbar, aber die Akte war rot!
 

Mit weit aufgerissenen Augen schaute er zwischen Lilith, die vollkommen unberührt weiter sortiert hatte und der Akte hin und her. „S-sie ist rot“ stotterte er.

„Ja natürlich ist sie rot…“ Lilith hatte nicht mal auf gesehen, „…. sonst müssten wir sie ja auch nicht zu Luzifer bringen. Rot bedeutet, dass irgendetwas daran noch oder wieder bearbeitet werden muss.“
 

Kato konnte sich trotz dieser Erklärung immer noch nicht wieder einkriegen. Misstrauisch drehte er die Akte in seinen Händen hin und her. Ob es wohl „seine“ rote Akte war? Aber eigentlich schloss er das aus, seine hatte schließlich doch noch etwas „frischer“ ausgesehen.

Irgendwie hatte er sämtliche Erinnerung an diese rote Akte ziemlich effizient verdrängt gehabt, aber jetzt musste er sich unwillkürlich die Frage stellen, was daraus geworden war.
 

„Sag mal, was steht eigentlich in diesen Akten drin?“

Lilith kramte immer noch etwas rum und beachtete den mentalen Kampf des Sklaven nicht weiter. „Unterschiedlich. Wie ich dir bereits erklärt habe, hat jeder Verdammte eine Akte; die beinhaltet dann die Gründe seines Hier-seins und sein Strafmass.“ Sie erhob sich und wischte sich mit einer das-wär’s-für-heute-Geste die Hände ab. Ohne zurückzuschauen, ob der Sklave ihr folgte, steuerte sie die Tür an. „Bei vielen handelt es sich aber auch um Aufzeichnungen geschichtlicher Ereignisse, Territorialfragen, Protokolle, Gesetze, Weisungen, eben alles was das bürokratische Herz so begehrt. Man kann in diesen Archiven eigentlich alles finden, wenn man nur weiß wo man suchen muss.“

Dieser letzten Aussage konnte Kato blind zustimmen. Man konnte bestimmt alles finden, wenn man es wusste. Er trabte Lilith hinterher, die ihm überraschenderweise die Tür aufhielt.

„Das was du da gerade in den Händen hältst, dürfte aber ziemlich sicher die Akte von diesem Katharer[4] sein, der uns mal abhanden gekommen ist. Die liegt hier schon seit 700 Jahren rum.“
 

Schon wieder einer, der abhanden gekommen war. Das war genau die Art von Kommentaren, auf die Kato eigentlich nichts erwidern wollte. Er starrte stur geradeaus und versuchte irgendwie so zu tun, als würde er Liliths Aussagen für genauso alltäglich halten, wie sie es offensichtlich tat.

„Willst du nicht wissen, wovon ich rede?“

Mühsam presste er die Lippen aufeinander, während er fühlen konnte, wie sie ihn von her Seite angrinste. Er schüttelte den Kopf.

Lilith lachte auf. „Ach was, ich erzähl’s dir trotzdem. Dieser Kerl – Victor hieß er, glaub ich – kam hier an und ist noch vor der Urteilsverkündung abgehauen. Die Hölle ist groß, also wird er wohl irgendwo ein Loch gefunden haben, um sich darin zu verkriechen… aber fliehen kann sowieso niemand.“ Kato fand den Ausdruck auf Liliths Gesicht in diesem Moment etwas unheimlich. Sie lächelte derart bösartig vor sich hin, dass er wirklich nicht wissen wollte, was es mit diesem Victor-Typ sonst noch so alles auf sich gehabt hatte. Dezent versucht er also wieder einmal das Thema zu wechseln: „Und warum bringen wir dann die Akte zu Luzifer, wenn der Kerl sowieso schon so ewig verschwunden ist?“

„Na, damit der seine Signatur darunter setzen kann und entscheiden, ob wir die Akte weitere 700 Jahre Staub fangen lassen oder ob wir wieder mal einen kleinen Suchtrupp losschicken.“

Kato verzog das Gesicht, für ihn machte das irgendwie keinen Sinn.

Ohne hinzusehen, schien auch Lilith zu wissen, was in dem Sklaven vorging. „Weißt du, das ist die Essenz der Bürokratie…“ und leiser fügte sie hinzu, „… und genau deswegen war ich immer froh nur SteV zu sein.“
 

Sie erreichten schließlich eine große, zweiflügelige Tür, deren Schlösser die Form aufgerissener Drachenmäuler hatten. Das ganze kam Kato irgendwie bekannt vor...

„Hey, halt mal, ist das nicht der Fe…“ bevor er den Satz beenden konnte, hatte ihm Lilith schon mit einer eindeutigen Geste bedeutet still zu sein.

Flüsternd erklärte sie: „Ja, das ist der Festsaal. Weil heute aber viel auf dem Programm steht, wurden die Anhörungen aus Platzmangel hierher verschoben.“

Kato hörte ihr aufmerksam zu und versuchte irgendwie herauszufiltern, was das nun mit ihm zu tun hatte. Als Lilith dann vielsagend die verstaubte Akte in seinen Armen antippte, war der Fall klar. Er starrte verwirrt zwischen ihr und dem Ding in seinen Händen hin und her.

Was? Sollte er jetzt echt da rein gehen?
 

„Aber die sprechende Tür hat mir gesagt, dass ich nicht zu Luzifer darf“ meinte er zögerlich.

„Papperlapapp. Ich bin schließlich die neue stellvertretende Sekretärin…“ sie lächelte übertrieben, „… und ich sage dir, dass du die Akte zum Morgenstern bringen sollst.“

Das auffordernde Nicken ließ Kato nur noch misstrauischer werden. Er war doch bekanntlicherweise ziemlich unfähig als Kurier, warum musste er das also machen?

Doch Lilith ließ ihm gar nicht die Gelegenheit noch weiter zu zweifeln und begann den Sklaven durch die einen Spalt breit geöffnete Tür zu schieben. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Solange du nicht auffällst, dich brav…“ Kato drehte sich panisch zu Lilith um, die schon wieder dabei war die Tür hinter ihm zu schließen, während sie noch redete, „…neben Luzifer auf den Boden setzt und wartest bis er Zeit für dich hat, kannst du nichts falsch machen…“
 

Er starrte die geschlossene Tür an und hörte ihre letzten Worte noch nachhallen.

Ja, toll. Jetzt war er schon wieder abgeschoben worden.
 

TBC
 


 

[1] Hat jemand von euch schon mal Akten in rauen Mengen abgelegt? Ich schon! Nach einer gewissen Zeit fühlen sich deine Hände ganz ausgetrocknet an, weil man die ganze Zeit über mit diesem Papier herumhantiert. Handcreme ahoi-_-’

[2]Lilith ist zwar so was Ähnliches wie ein Mensch, aber trotzdem keine Verdammte, weil sie ja freiwillig Eden verlassen und sich den Dämonen angeschlossen hat. Ausserdem würde ihr Auftauchen in der Hölle auf vor die Einführung dieses Systems fallen;P

[3] Tatsächlich stimmt das nicht. Es war eigentlich der Herr der Fliegen, der den Schädel entführt hat, aber auch die Grossen der Hölle können mal falsche Infos haben.

[4] Die Katharer waren eine religiöse Gemeinschaft des 14. Jh, die sich als die „wahren“ Christen betrachteten und deswegen von der römisch-katholischen Kirche als Ketzer verfolgt und ausgerottet wurden. Mehr Infos unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Katharer

Kapitel 49

Er wurde angestarrt, Kato konnte es fühlen. Die Augenpaare bohrten sich in seinen Rücken, während er selbst immer noch zur Tür gewandt dastand. Rein intuitiv zog er den Kopf etwas ein, während er sich wie in Zeitlupe umdrehte. Oh, wie hasste er doch solche Situationen!
 

Die Anwesenden der hintersten Bankreihe beäugten den Sklaven kritisch, schienen sich dann aber doch dafür zu entscheiden, dass das, was vorne abging, interessanter war, als ein hereinplatzendes, menschliches Kretin. Kato seinerseits beschloss just in diesem Moment, dass ihm diese Anhörung unsympathisch war. Er schlich so leise und unauffällig, wie es sein tollpatschiges Wesen halt zuliess, ein paar Schritte der Wand entlang nach vorne, um etwas besseren Blick auf den Raum zu erhalten. Die Fensterfront zum Garten Eden war nach wie vor da, allerdings wirkte der Himmel über dem falschen Paradies gerade deprimierend dunkel. Zudem sah der ganze Festsaal doch ziemlich anders aus, als er ihn in Erinnerung hatte. Der Raum wurde jetzt nämlich von zwei Reihen fetter, griechischer Säulen gesäumt, die auf jeder Seite, in regelmässigen Abständen bis ans andere Ende zu verliefen. Dazwischen standen symmetrisch angereihte, dunkle Holzbänke, die in Kato augenblicklich die Assoziation Kirche heraufbeschworen. Ein kleiner Schauer überfiel den Sklaven. Echt, er hasste Kirchen… da war es immer so drückend still. Während er weiterschlich, erblickte er endlich am anderen Ende Luzifer, der mit ein paar anderen Gestalten hinter einer massiven, ebenfalls hölzernen Tischfront sass und unbewegt auf alles hinunterschaute. Irgendwie beruhigte es Kato ein wenig, den Teufel wirklich hier vorzufinden.
 

Er passierte die hintersten Bankreihen und vernahm zwischen unregelmässigem Geraschel, Fussscharren und sonstigen Hintergrundgeräuschen plötzlich eine Stimme. Sie erhob sich über alles andere in dem Raum und schien gerade mitten in einer theatralischen Rede:

„… Duldung solchen Benehmens ist nicht zulässig. Unser Herr herrscht streng und…“

Kato musste nicht sehen, wer hier solch grosse Töne spukte, damit sich das Bild einer heftig gestikulierenden Person in seinem Geiste formen konnte. Er sah den Hutmacher vor seinem inneren Auge schon, bevor er überhaupt nah genug war, um ihn wirklich erblicken zu könnten. Belials Stimme hallte durch die Bankreihen und verkündete mit grossen Worten das, was wohl gerade zu verkünden war. Kato war es egal. Seine Aufmerksamkeit hatte in dem Moment nachgelassen, als er realisiert hatte, dass es der Hutmacher war, der sich hier gerade wieder mal aufspielte. Es war also alles beim Alten. Luzifer war da, der Hutmacher ebenfalls.

Alles so wie’s immer war, alles so wie’s sein sollte. Es beruhigte ihn auf eine seltsame Weise.
 

Er liess die hintersten Reihen zurück, ohne dem sitzendem Publikum besonders viel Beachtung zu schenken. Was interessierten ihn schon irgendwelche Dämonen, die hier bei einer Anhörung hockten. Sein Auftrag lautete, unauffällig zu Luzifer zu gelangen und ihm – wenn er Zeit hatte – die Akte zu geben. Alles andere sollte ihm egal sein. War es auch… zumindest redet sich Kato das ein, weil er mittlerweile mindestens etwas erkannt hatte: Es war hier in der Hölle manchmal besser, einfach nur das zu tun, was einem gesagt wurde. Also wollte er ohne grosse Zwischenfälle, Ablenkungen oder alles, was ihm sonst noch hätte Ärger einbringen können, nach vorne zu Luzifer kommen. Sein Blick war also stur geradeaus gerichtet und klebte regelrecht am schwarzen, hoch thronenden Richtherrn.

Die meisten der Anwesenden schienen Katos Aufmerksamkeitsfokus sowieso zu teilen und waren nicht wirklich interessiert daran, was ein simpler Sklave da im Seitengang tat, trotzdem wurde seine Haut schon wieder von diesem seltsamen Prickeln überzogen. Ein unsichtbares Irgendwas bohrte sich in seinen Rücken und nahm ihn regelrecht auseinander. Es war das ganz eindeutige Gefühl beobachtet zu werden – schon wieder – und Kato hasste es! Ein paar Augen hatten nicht von ihm abgelassen, seit er den Raum betreten hatte. Kato empfand dieses optische Stalking irgendwie als schrecklich ärgerlich. Es machte ihn nervös. Er wollte doch bloss zu Luzifer, warum konnte dieses Höllenpack ihn nicht einfach in Ruhe lassen?!

Eigentlich wollte er sich nicht umdrehen, um den frechen Beobachter zu stellen. Eigentlich wollte er ihn ignorieren und sich nur auf seine Mission konzentrieren…
 

… aber Kato wäre nun mal nicht Kato, wenn er sich an all seine Vorsätze hätte halten können. Also blieb er stehen und drehte sich um. Sein Blick glitt suchend und prüfend über die Reihen der Anwesenden. Die meisten davon schauten wirklich nach vorne und lauschten Belials Ausführungen; oder taten zumindest so, als würden sie es tun.

Doch da in der dritthintersten Reihe, an der er gerade erst vorbeigegangen war, hatte jemand sein Aufmerksamkeit direkt auf ihn gerichtet. Ganz unverhohlen und ohne vorzutäuschen, es würde ihn nicht interessieren, schaute die Person Kato an. Irgendwie liess soviel Offenheit den Sklaven gleich ein bisschen zusammenschrumpfen; ganz abgesehen von der Tatsache, dass er wie ein Zootier beobachtet wurde!

Sein Stalker verzog keine Miene, während er Kato weiterhin eindringlich anschaute. Der Sklave hatte zwar eigentlich das Bedürfnis sich schnellstmöglich wieder abzuwenden, trotzdem kam er nicht ganz umhin zu bemerken, dass sein Beobachter eine erstaunlich „helle“ Erscheinung war. Er trug zwar einen traditionellen, schwarzen Umhang, aber unter der Kapuze hing für einmal ein Schwall hellblonder, gewellter Haare hervor, welche sich zusammen mit der weissen Haut sehr von der Umgebung abhoben. Die Augen wurden von der Kapuze mit Schatten überdeckt, trotzdem war es mehr als eindeutig, dass sie Kato auf Schritt und tritt folgten. Was ihn nur noch mehr in seiner Vermutung bestätigte, dass etwas an dieser Person seltsam war. Sie strahlte etwas aus, das zwischen den Reihen der Höllenbewohner so anders wirkte. Und dann, um sein Unbehagen nur noch mehr zu steigern, musste er feststellen, dass neben seinem Beobachter gleich noch mal vier weitere derselben Sorte sassen, die ihn zwar nicht so direkt ins Visier genommen hatten, aber dasselbe ungewöhnliche Irgendwas ausstrahlten. Kato schauderte. Da war was los, schon wieder…. Und warum musste es immer ihn treffen?!
 

Es wandte sich mit einem vehementen Aufstampfen um und zog damit natürlich auch sogleich die Aufmerksamkeit der Bankreihen um ihn herum auf sich. Argh scheisse! Er sollte ja versuchen nicht aufzufallen Mit eingezogenem Kopf begann er seinen Weg nach vorne fortzusetzen, nur um feststellen zu müssen, dass ihm der Hutmacher, welcher wohl immer noch am reden war, aus den Augenwinkelen einen mörderischen Blick zuwarf. Oh grossartig, jetzt hatte er die Verrückte auch schon wieder gegen sich aufgebracht. Er sollte wirklich….

Kato musste ein sehr tiefes Seufzen unterdrücken. Er sollte wirklich nicht immer über diesen Scheiss nachdenken und sich stattdessen lieber aufs Wesentliche konzentrieren!

Also trat er an der vordersten Bankreihe vorbei heraus und wedelte signalisierend mit der Akte in seinen Händen herum. Während sein Blick noch am Hutmacher hing und er auf irgendeine Reaktion ihrerseits wartete, war aber schon ein monströs grosser Gerichtsdiener vor ihm aufgetaucht. Dieser packte Kato reichlich unsanft am Oberarm und zerrte den perplexen Sklaven unter stummen Protesten ein kleines Treppchen an der Seite der Holzbrüstung hinauf. Bevor Kato wirklich realisiert hatte, was abging, waren sie aber schon auf der hinteren Seite angelangt und er wurde dort praktisch wie ein nasser Sack auf dem Boden abgeladen. Beleidigt schaute er dem Gerichtsdiener noch nach, wie dieser wieder abzog, bevor er seine Aufmerksamkeit schliesslich nach vorne richtete. Luzifer sass ein paar Meter von ihm entfernt und hatte seinen Blick immer noch vollkommen unbeeindruckt zum Publikum gewandt, als würde es ihn nicht im geringsten berühren, dass sein Haustierchen hier gerade wie ein Ping-Pong Ball durch die Gegend befördert wurde - gut, tat es wahrscheinlich tatsächlich nicht.

Kato wischte sich mit einer seufzenden Geste die Haare aus dem Gesicht und robbte schliesslich zu seinem Meister hin. Dieser ignorierte die Präsenz seines Sklaven immer noch geflissentlich, so dass Kato sich vorsichtshalber mal entschied seine Taktik lieber auf Abwarten zu verlegen. Er sass also im Schneidersitz am Boden, während er die Akte auf seinem Schoss gebettet hatte und wartete darauf, dass irgendwas passierte. Belial redete immer noch. Sie beklagte irgendeinen Misstand, denn Kato nicht ganz nachvollziehen konnte, aber es war ihm ja eigentlich auch egal. Er konnte sie aus seiner jetzigen Position sowieso nicht sehen, weil die Brüstung zu hoch war, um sie vom Boden aus überschauen zu können. Mit anderem Worten präsentierte sich ihm in diesem Moment also nichts weiter als die langweiligen Rückenlehnen der schweren Holzstühle und das seltsame höllische Personal.

Kato atmete tief ein. Einerseits fand er es ja gut mal aus dem allgemeinen Blickfeld zu sein und nicht von irgendwelchen dubiosen Gestalten optisch aufs Korn genommen zu werden, aber andererseits…. war ihm auch gerade ein bisschen langweilig. Er war es nicht gewohnt, dass ihn so überhaupt keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Erneut atmete er demonstrativ ein und liess dann den Kopf nach vorne sinken. Ach, er mochte diesen behördenhaften Blödsinn nicht.
 

Plötzlich drang ein sehr eindringliches Schnippgeräusch an sein Ohr, was den Kopf des Sklaven natürlich augenblicklich wieder hochschnellen liess. Luzifer hatte seinen einen Arm über die Lehne seines Thrones hinausgestreckt und winkte ihn mit einem eindeutigen Fingerzeig heran. Kato hob kurz kritisch die Augenbraue, beschloss dann aber, dass es wohl besser war, es gut sein zu lassen und kroch schliesslich wie aufgefordert zum Teufel hin. Dieser streckte ihm mit einer stummen Geste seine Hand hin, was von Kato nur mit ratloser Verwunderung quittiert wurde. Wie? Händchenhalten, oder was? Es war ja nicht so, dass er nicht wollte, aber war das nicht ein bisschen zu peinlich für diesen A…
 

Die Hand drehte sich demonstrativ um, so dass die Handfläche fordernd nach oben zeigte. Ein erneutes, ungeduldiges Fingerschnippen folgte und Kato legte sofort leicht betreten die Akte hinein….
 

Wie hatte er bloss denken können, Luzifer wollte so was Kitschiges wie Händchenhalten?! Die Assoziation selbst war schon abstrus. Mit leicht geröteten Wangen senkte der Sklave seinen Blick und hoffe sich für den Rest der Anhörung weitere Peinlichkeiten ersparen zu können. Hatte er vorher noch gedacht, dass es hier langweilig sei? Er war ein Idiot gewesen.
 

Die Stimme des Hutmachers fuhr in gleichmässiger Manier fort und Kato hörte nicht zu. Er versuchte gerade noch seinen Gedankengang von vorhin zu verdrängen und sich stattdessen mit wichtigeren Fragen, wie z.B. ob er Luzifer von seinem seltsamen Stalker berichten sollte, abzulenken. Irgendwo dazwischen kam ihm die Erkenntnis, dass Luzifer, der ja sowieso Gedankenlesen konnte und auch sonst immer fast alles wusste, den Vorfall ja eigentlich schon bemerkt haben müsste. Hiess das, wenn er nichts unternommen hatte, konnte auch Kato es ignorieren? Aber diese Typen waren ihm irgendwie suspekt gewesen. Er wollte nicht noch mal in einer Schneehölle als Opferlamm herhalten müssen! Während Kato also schon wieder dabei war sich geistig in irgendeine gekünstelte Rage hineinzusteigern, konnte er plötzlich fühlen wie etwas seinen Kopf streifte. Eine Hand glitt durch sein Haar und legte sich schliesslich spielerisch in seinen Nacken. Kato war augenblicklich gefangen von der Berührung. Ein leichter Schauer breitete sich von der Stelle, wo die Hand ruhte, aus und liessen ihn sämtliche Aufregung vergessen. Er sass bloss noch bewegungslos da und fühlte wie die kühlen Finger kaum merkliche Kreise auf die Haut seines Nackens zeichneten.
 

Mit leicht geöffnetem Mund und schwer atmend warf Kato schliesslich einen Blick zur Seite, wo sein Herr immer noch unberührt geradeaus schaute. Der tat ja beinahe schon so, als wäre er eine Hauskatze, die man so nebenher streichelte, während man eigentlich mit etwas Wichtigerem beschäftigt war…. war Luzifer vielleicht auch tatsächlich, trotzdem kam Kato nicht ganz umhin leicht pikiert zu sein. Er wollte Aufmerksamkeit! Andererseits sollte er ja nicht stören…

Es war eine Zwickmühle.
 

Die Hand in seinem Nacken wandelte ihre gleichmässigen Liebkosungen ganz unerwartet zu einem klauenartigen Griff, welcher Katos Hals packte und den gesamten Körper des Sklaven ziemlich vehement nach oben zog. Luzifer beugte sich leicht zu seinem nun doch ziemlich überraschten Haustier herunter, welches in halb kniender Pose, mit geweiteten Augen zu ihm hinaufschaute.

„Pass auf, bald wird es spannend. Ich bin sicher, dass du das auch hören willst.“ Damit liess er wieder von Kato ab, welcher unelegant auf den harten Boden zurückplumpste. Beleidigt rieb er sich den Hals. Also echt, warum musste Luzifer bloss immer so… wechselhaft sein.

Trotzdem raffte er sich wieder ein Stückchen auf, um über die Holzbrüstung zu sehen und erblickte auch sogleich eine herumwandernde und heftig gestikulierende Belial, die wohl gerade mitten in ihrem Schlussplädoyer sein musste. Kato hörte nach wie vor nicht wirklich zu, trotzdem erregte der Anblick des Hutmachers seine Aufmerksamkeit. Es fiel ihm erst jetzt wirklich auf, aber sie sah anders aus als sonst…

Ihre Erscheinung wirkte heute irgendwie „schwarzer“. Nicht, dass sie sonst nicht auch hauptsächlich schwarz getragen hätte, aber da waren doch immer irgendwelche weissen Streifen, rote Schleifen oder sonst irgendwelcher Quatsch, welcher die Dunkelheit durchbrach. Heute war sie einfach nur schwarz. Von oben bis unten schwarz.

Zu allem Übermass waren ihre roten Haare hochgesteckt und unter ihrem Zylinder versteckt, an dem auch noch ein schwarzer Schleier angebracht war, der die Hälfte ihres Gesichtes verdeckte. Kato fand die Aufmachung durchgehend seltsam – und natürlich übertrieben, aber das musste er betreffend des Hutmachers gar nicht mehr erst anmerken. Es wirkte so, als sei sie wegen irgendetwas in Trauer. Eine verrückte Witwe, die am Grab ihres Mannes stand und mit verschmiertem Make-up zuschaute, wie er unter die Erde gebracht wurde. Ein Wunder, dass jenes vom Hutmacher aussah wie immer….

Kato verzog den Mund. Da war wirklich was im Busch. Erst wurde er alleingelassen, Lilith war plötzlich angezogen, dann er wurde gestalkt und der Hutmacher kleidete sich plötzlich halbwegs anständig. Was zum Teufel war hier los?! War er überhaupt noch im rechten Film?

Irritiert schaute er zu Luzifer hoch. Dessen Mundwinkel zuckten leicht amüsiert nach oben. Wortlos legte er seinem knienden Sklaven erneut die Hand in den Nacken, als wollte er sagen wart’s ab. Kato fand das ganze hingegen gar nicht komisch. Alles wurde seiner Meinung nach immer seltsamer. Belial vor ihm drehte noch ein paar Runden und endete schliesslich in einem fulminanten Schlusssatz, von dem der Sklave nur etwa „… in Ewigkeit. Amen.“ mitkriegte und hoffte, dass er nun endlich eine Erklärung für all das hier kriegen würde.
 

Eine gewisse Unruhe begann sich im Saal breit zu machen, während die Gerichtsdiener vorne die Möbel neu arrangierten. Es wurde Platz gemacht, ein paar Bänke zur Seite geschoben und schliesslich erhob sich sogar Luzifer. Kato schaute ganz überrascht zu ihm auf, wie er erhaben die Hand ausstreckte und zum anderen Ende des Raumes deutete.

„Bringt die Angeklagte herein!“
 

Bitte was?! Angeklagte? Wo?

Kato schaute gehetzt zwischen dem Teufel, der Tür und Belial, welche sich mittlerweile zu ihnen nach oben gesellt hatte, hin und her. Was ging ab?!

Plötzlich schlug die grosse Flügeltür, durch die er selbst hereingekommen war, auf und ein ganzer Haufen mächtiger, schwarzer Gestalten kam herein. Hinter ihnen wurde etwas noch grösseres hereingegrollt, was Kato erst auf den zweiten Blick als Käfig identifizieren konnte. Die Wächter umstellten das mobile Gefängnis und geleiteten es bis nach vorne an die Stelle, wo gerade eben Platz frei geworden worden war.
 

Kato starrte das Ding an, starrte auf seinen Inhalt und begriff trotzdem nicht so richtig, was er da gerade sah. Zusammengekauert und heruntergekommen, mit zerzaustem Haar und auch ansonsten kaum wiederzuerkennen sass da….
 

…sein Bunny.
 

Kato starrte sie an und ein nervöses Zittern begann von ihm Besitz zu ergreifen. Er hatte die Frage nach dem Schicksal des Bunnys so gut es ging verdrängt, sie belastete ihn bloss und er wusste, dass er sowieso nichts mehr tun konnte, um die jetzige Situation zu ändern.

Missmutig musterte er sie. Ihr Kopf war auf ihre Knie gebettet und sie schien sich wohl ähnlich wie der Sklave in diesem Moment an einen anderen Ort zu wünschen. Für einen Moment schockierte es den Sklaven ernsthaft sie in einem solchen Zustand zu sehen. Das freche, clevere und auch starke Bunny so in sich eingefallen. Er konnte den Anblick beinah nicht ertragen, es macht ihm Angst. Und dann – Kato war schon kurz davor gewesen, sich abwenden zu wollen – entdeckte er etwas. Zwischen den losen Haarsträhnen, die ihr Gesicht halb bedeckten, funkelten sie ihm entgegen.
 

Ihre Augen.
 

Sie waren offen und sie schauten ihn an! Versteckt und nicht sofort ersichtlich, aber sie hatten ganz eindeutig ihn ins Visier genommen. Kato stolperte wieder einen Schritt nach vorn und lehnte nun schon halb über die Brüstung. Ja, sie funkelten.

Er kam nicht umhin leicht den Mund zu verziehen. Oh, dieses schreckliche Bunny. Alles wieder mal nur Show, der ging es gar nicht so schlecht wie sie tat. Aber Kato war froh.

Er hatte zwar noch seine eigene Rechnung mit ihr offen, trotzdem war er froh, dass sie dort in der Eishölle am Rande des Abgrunds nicht zerbrochen war, so wie er es erst noch befürchtet hatte. Sie war noch da; verwundet, aber nach wie vor am leben.
 

Eine Hand packte Kato am Genick und zog ihn reichlich unsanft weg von der Brüstung.

„So, erstmal genug gesehen.“

Luzifer erhob sich, um dem Flüstern und Gemurmel, welches sich seit der Ankunft des Bunnys angefangen hatte auszubreiten Einhalt zu gebieten. Eine simple Handbewegung genügte und augenblicklich legte sich wieder absolute Stille über den Gerichtssaal.

Sein Blick schweifte erhaben über die Reihen der Zuschauer und blieb schliesslich beim Käfig hängen.

„Nephilim…“ seine tiefe Stimme erhob sich unheilschwanger und liess nicht nur Kato für einen Moment leicht frösteln. „…du bist heute hier, weil du dich verschiedenster Verbrechen gegen den innersten Kreis der Hölle schuldig gemacht has. Dein Strafmass soll nach Erläuterung jener verkündet werden. Wünscht du noch irgendetwas zu sagen, bevor die Anklage fortfährt?“
 

Kato stutzte. Luzifer gewährte dem Bunny einen letzten Wunsch? Wie unerwartet… grosszügig.
 

Die Angesprochene schien diesen Gedanken wohl zu teilen, denn sie hob schwerfällig den Kopf. Für einen Moment musterte sie die Reihen ihrer Ankläger und Richter, dann jedoch verzog sich ihr Mund zu einem zynischen Lächeln.

„Ich wünsche vor meiner Exekution noch einmal mit ihm zu sprechen.“ Sie deutete auf Kato, der kaum sichtbar neben Luzifer am Boden kauerte und unter der direkten Nennung seiner Person gleich noch ein bisschen kleiner wurde. Sie wollte mit ihm sprechen?

Ein Raunen ging durch die Reihen der Zuschauer und Luzifer setzte sich wieder, ohne eine direkte Antwort auf diesen Wunsch gegeben zu haben. Neben ihm kam Belial herbeigeeilt, die etwas zu heftig gestikulierend ihren Einspruch erheben wollte, doch bevor sie wirklich den Mund aufmachen konnte, hatte Luzifer schon die Hand gehoben und ihr mit einem kühlen „Belial, kenne deinen Platz“ sämtlichen Wind aus den Segeln genommen. Sie blieb stehen und starrte offensichtlich mehr als sprachlos zwischen dem eiskalten Höllenfürsten, dem selbstironisch grinsendem Bunny und Kato, der sich wieder mal wünschte am liebsten im Erdboden zu versinken, hin und her. Dann jedoch liess sie ergeben die Arme und drehte sich wieder nach vorne.
 

Als wäre nichts gewesen, griff sie nach ein paar Papieren, die ordentlich vorbereitet auf dem Pult vor ihr auflagen und begann vorzulesen: „Nephilim, das hohe Gericht des innersten Höllenkreises verurteilt dich heute wegen der folgenden Vergehen: Hochverrat…“

Als wäre das noch möglich gewesen, begann das Bunny unter diesem Vorwurf gleich noch etwas mehr zu grinsen. Kato musste sich mit einem Schlucken eingestehen, dass er sogar erkannte sowieso. Schliesslich hatte sie es ihm ja recht deutlich gesagt: man kann niemanden verraten, dem man nicht die Treue geschworen hat. Dieser ganze Prozess war die reinste Farce. Das Bunny, als auch der Sklave erkannten das. Unweigerlich musste er leicht den Kopf schütteln.

„…Verschwörung, Spionage…“ ging es weiter. Kato rollte bloss mit den Augen. Es stimmte vielleicht, aber irgendwie beeindruckte es niemanden. Besonders nicht die Angeklagte selbst, denn die sass bloss weiterhin auf ihrem Allerwertesten und schaute drein als würde man ihr gerade einen guten Witz erzählen.

Er warf einen Blick zu Belial hinüber, die immer noch streng auf ihr Blatt schaute. Merkte sie eigentlich nicht, dass sie dem Bunny damit keine Angst machte? Oder war es einfach wieder einer dieser kleinen Machtkämpfe zwischen den beiden Frauen, wer zuerst Schwäche zeigen würde? Kato atmete einmal tief aus und wischte sich die Haare aus dem Gesicht. Also echt, die waren beide zu anstrengend.

„… Sabotage, Entführung, Diebstahl…“

Er beschloss das Gelaber wieder auszublenden und lehnte sich stattdessen zurück. Es war ja nicht so, dass er sich keine Sorgen um das Schicksal des Bunnys machte, aber irgendwie schien es in diesem Moment auch gar nicht darum zu gehen. Hier war bloss gerade wieder ein Zickenkrieg im Gange, das durfte man also ignorieren.
 

Dafür sprang Kato aber unerwartet etwas ganz anderes ins Auge: Vor ihm lehnte nämlich wieder Luzifers Hand über die Armlehne hinaus und der weisse Mittelfinger bewegte sich in kaum merklicher Manier. Kato starrte ihn für einen Moment an. Hiess das er sollte kommen?

Nach einer halben Sekunde der Unentschlossenheit zuckte der Sklave dann aber mit den Schultern und kroch nach vorn. War ja auch egal, wenn’s was anderes geheissen hatte, würde er’s schon merken. Allerdings sah er sich in dem Moment, wo er dann wieder direkt vor der Hand hockte, erneut mit der Frage konfrontiert, was er denn nun eigentlich mit ihr anstellen sollte. Händchenhalten schloss er mal gleich von vornherein aus… war ja auch eine doofe Idee gewesen.

Die Finger bewegten sich erneut. Kato beobachtete die Grazie, die in dieser simplen Sache lag mit offener Bewunderung, allerdings gab es ihm immer noch keine Antwort darauf was er tun sollte. Er starrte, aber gleichzeitig war sein Kopf vollkommen leer. Und dann, einfach nur so aus Reflex, griff er doch nach der Hand, führte sie zu seinem Gesicht und platzierte einen kleinen Kuss darauf.
 

Kato konnte nicht sehen, ob Luzifer ihn anschaute, aber irgendetwas in der Haltung jener Hand, die immer noch an seinem Gesicht lag, sagte ihm, dass er es gerade geschafft hatte, den Höllenfürsten zu überraschen… na ja, wahrscheinlich hatte er sich selbst gerade noch viel mehr überrascht. Hitze stieg ihm ins Gesicht. Argh, er sollte wirklich nicht solche planlosen Aktionen starten… sie endeten immer peinlich! Dann bewegte sich die Hand wieder. Sie glitt etwas tiefer, streifte dabei sacht seinen Kiefer und begann schliesslich seine Halspartie zu streicheln. Kato neigte automatisch seinen Kopf etwas zur Seite, gleichzeitig begann aber auch die Stimme in seinem Hinterkopf sich auf wieder mal sehr penetrante Weise bemerkbar zu machen. Sie schrie ihm zum, dass er sich nun wirklich wie ein Haustier benahm und dass so ein Benehmen total unter dem bisschen Würde, das er besass, sei.

Kato atmete tief ein und drehte seinen Kopf so, dass sein Hals noch ein bisschen offener lag.

Eine andere Stimme - wahrscheinlich diejenige, die fand, dass sich das hier unglaublich gut anfühlte – hatte ihm gerade zugeflüstert, dass es sowieso nur falsche Eitelkeit sei, sich dem hier entziehen zu wollen, nachdem was sonst schon alles so mit Luzifer gemacht hatte.

Er atmete erneut tief ein und warf dann einen unauffälligen Blick zu Luzifer hoch. Der schaute zwar streng geradeaus, aber trotzdem glaubte der Sklave da ganz minimin und unauffällig ein kleines Grinsen in seinem Mundwinkel zu erkennen. Ach, was spielte es schon für eine für eine Rolle, wenn ihm das hier gefiel?! Herrgott, er war schon in der Hölle! Niemand würde ihn dafür bestrafen, ausser er sich selbst… und vielleicht Luzifer, wenn der mal wieder eine seiner unabsehbaren Launen hatte. Aber im Prinzip konnte er es doch einfach…
 

„ICH FORDERE ALSO DIE HÖCHSTSTRAFE! EXEKUTION NACH ERMESSEN DES MEISTGESCHÄDIGTEN!“ donnerte Belials Stimme durch den Saal.
 

Kato zuckte so fest zusammen, dass er regelrecht rückwärts kippte.

Nachdem er sich mit immer noch laut pochendem Herzen wieder aufgerafft hatte, waren nicht nur seine wunderbar selbstreflektorischen Gedanken zur Sau, sondern auch Luzifers Hand lag wieder geordnet auf der Armlehne. Er warf einen sauren Blick zu Belial hinüber, die während ihrem Schlusssatz theatralisch die Arme ausgebreitete hatte. Also echt, was ging ab? Ging’s der noch gut?! Kato versuchte immer noch den Schrecken zu überwinden und rutschte auf seinen Knien wieder etwas mehr zur Brüstung vor. Hatte sie eigentlich nicht gerade gesagt Exekution durch den Meistgeschädigten? Hiess dass dann nicht…
 

„Und der Meistgeschädigte wärt dann Ihr, verehrte Belial?[1]“ Das Bunny hatte sich in ihren Käfig erhoben und die Hände um die Gitterstäbe gelegt. Sie schaute Belial herausfordernd an.

Diese wiederum wandte ihren Blick demonstrativ zu Luzifer, als würde sie auf die Bestätigung dieses Urteilsspruchs warten. Auch Kato versuchte im Gesicht des Höllenfürsten zu erkennen, wie dieser sich entscheiden würde. Obwohl, eigentlich musste er sie ja schuldig sprechen, aber trotzdem… Man durfte das Bunny doch nicht einfach so dem Hutmacher überlassen, das war ja schon regelrecht fies. Kato versuchte Luzifer diesen Gedanken irgendwie zu kommunizieren, aber der hatte mittlerweile die Angeklagte ins Visier genommen und schien abzuwägen. Also verlagerte Kato seine Taktik und versuchte die Aufmerksamkeit des Teufels durch ein etwas zu auffälliges Hüsteln zu erregen, welches aber ebenfalls geflissentlich ignoriert wurde. Erst als der Sklave schliesslich wieder direkt neben den Thron gerobbt war und sich sein dezentes Hüsteln schon beinahe zu einem richtigen Raucherhusten entwickelt hatte, folgte ein sehr eindeutiges Fingerschnippen, welches ihm bedeutete die Klappe zu halten.

Kato verzog schmollend den Mund und starrte zu dem immer noch streng geradeaus schauenden Luzifer hoch. Es war fies, man konnte doch nicht… man durfte doch nicht….

Sein Blick folgte dem des Teufels, der sich gerade mit jenem der Gefangenen mass. Auf dem Gesicht des Bunnys lag nach wie vor ein Grinsen, als wäre das alles halb so wild.

Aus den Augenwinkeln konnte Kato sehen, wie nun auch Belial vom einen Fuss auf den anderen trat. Das lange Schweigen schien wohl auch sie zu beunruhigen.
 

Dann jedoch erhob sich Luzifer, streckte den Arm aus und sprach mit schwerer Stimme:

„Das Urteil steht fest. Nephilim, du wirst nach einem Zeitraum von hundertundelf Minuten – beginnend ab jetzt – in die Gewalt des Meistgeschädigten übereignet. Es untersteht dann demjenigen über dein weiteres Schicksal zu entscheiden.“
 

Kato starrte Luzifer an, der sich wieder zurück hatte sinken lassen. Er konnte es nicht glauben, er konnte es einfach nicht! Natürlich verstand er schon, dass das, was das Bunny getan hatte, Strafe verdiente. Sie war ja auch ihm gegenüber nicht besonders nett gewesen, aber trotzdem… trotzdem konnte man sie doch nicht umbringen!

Eine seltsame Unruhe hatte von ihm Besitz ergriffen. Er raffte sich auf und schaute zu der Gefangenen im Käfig, die aber immer noch nur vor sich hingrinste. Allerdings – und das stellte Kato mit einem gewissen Unbehagen fest – wirkte es jetzt auch irgendwie resignierender. Er versuchte den Blick des Bunnys zu erhaschen und herauszulesen, was sie von der ganzen Sache dachte, doch dieser hing irgendwo undefiniert in der Ferne. Sie grinste schelmisch, als würde sie das alles nicht beeindrucken, aber irgendwie war sie wohl doch traurig. Kato musste schlucken und hob dann aus einem Impuls heraus den Arm. Er winkte ihr zu und schrie über die bleierne Ruhe des eben gefallenen Urteilsspruchs hinweg: „HE, du dummer Hase! Du willst dir doch von denen nicht einfach so das Fell über die Ohren ziehen lassen?!“

Ein Raunen ging durch die Menge und sofort packte eine grosse Hand Kato von hinten und zog ihn grob zurück. Während einer der gorillaartigen Gerichtsdiener ihm die Pranke über den Mund gelegt hatte, konnte der Sklave sehen, wie Luzifer ihm einen scheltenden Blick zuwarf à la ‚war denn das jetzt nötig?’ Er grinste unter der Hand, die ihn gefangen hielt, und fand sich gut. Denn es war nötig gewesen… zumindest für ihn.
 

Im Raum hatte sich ein Gemurmel ausgebreitet und Kato konnte sehen, dass auch das Bunny wieder nach vorne getreten war. Dieses Mal grinste sie aber wieder wirklich. Sie schaute erst Kato an, wandte dann aber ihrem Blick zu Luzifer und meinte nonchalant: „Kriege ich jetzt meinen letzten Wunsch, oder nicht?“

Als nicht sofort eine Antwort folgte, schaute sie gespielt theatralisch auf eine nichtvorhandene Uhr an ihrem Handgelenk, „also wenn ich nur noch hundertundelf Minuten – obwohl mittlerweile dürften es wohl nur noch hundertzehn sein – zu leben habe, dann sollte ich es bald mal wissen.“

Kato konnte Luzifers Gesichtsausdruck nicht sehen, trotzdem folgte dann aber ein kaum merklicher Fingerzeig, welcher den Gerichtsdiener, der Kato festhielt, dazu nötigte, sich inklusive seiner Fracht nach vorne zu bewegen. Kato gab erst noch ein empörtes „HEY!“ von sich, realisierte dann aber, dass der Höllenfürst wohl gerade zugestimmt hatte und gab somit seinen Widerstand auf.

Während man ihn an der Seite entlang nach unten schleifte, hörte er noch Belials Stimme, die ein finales „Die Sitzung ist geschlossen“ sprach und sofort begann sich Unruhe auszubreiten. Die Meute Schwarzgekleideter hatte wieder den Käfig umstellt und begannen ihn herauszurollen, und auch die Leute in den Bankreihen hatten sich erhoben. Sie tuschelten und redeten miteinander und es wandten sich immer mal wieder die Köpfe in die Richtung des Sklaven, welcher sie wohlweisslich ignorierte. Er hatte sich wieder mal Ärger eingehandelt, das wusste er, aber gerade im Moment war es ihm egal. Er konzentrierte sich lediglich auf den grossen Käfig, der langsam den Saal verliess und dessen Weg auch er und sein Gorilla zu folgen schienen.
 

„Exzellenz…“ hallte plötzlich eine Stimme über die Masse hinweg. Sie hatte einen ähnlichen Effekt, wie vorhin Katos kleine Störung, denn sofort schien ein jeder in dem, was er gerade tat, inne zu halten. Das Publikum stand still und drehte sich nun nach diesem neuen Quell der Unruhe um, die Gerichtsdiener waren aufgesprungen, um zu sehen, wer sich denn jetzt schon wieder einmischte und sogar die Schwarzgekleideten hörten auf zu schieben.

Auch der Sklave hatte begonnen mit suchendem Blick die Bankreihen nach dem mutigen Besitzer dieser Stimme zu durchkämen. Während er noch suchte, warnte ihn aber sein Gefühl schon. Es sagte ihn, dass ja klar gewesen war, dass da noch was kommen musste….
 

Und so blieb Kato schliesslich an einer Person in der dritthintersten Bankreihe hängen, die sich, gekleidet in einen schwarzen Umhang, stolz erhoben hatte und direkt zu Luzifer nach vorn blickte. Er seufzte tief. Warum nur hatten es die Freaks immer auf ihn abgesehen? Warum nur war klar gewesen, dass der noch irgendwie das Maul aufreissen musste?
 

„… Ich möchte als Ergänzung zu den bisherigen Traktanden noch einen zusätzlichen Punkt anführen...“ fuhr der Unbekannte fort. Neben ihm erhoben sich auch seine Begleiter, als wollten sie damit unterstreichen, dass es hier nicht nur um irgendeine Lappalie ging.

Die Gerichtsdiener begannen natürlich sofort von allen Seiten auf die Gruppe zuzueilen, doch Luzifer hob lediglich leicht die Hand, was sie in ihrem Tun einhalten liess.
 

Ein leichtes Kopfnicken liess den Fremden fortfahren:

„… Und zwar geht es um die Fehlklassifizierung der Seele Yue Katos.“
 

Kato lauschte und lauschte und peilte es irgendwie nicht so ganz. Auch im Saal war alles erstarrt. Die Leute bewegten sich keinen Millimeter und für einen Moment fiel der Blick des Sklaven auf ein paar kleine herumfliegende Staubpartikel. Hatte er das echt gerade richtig verstanden?

Schliesslich durchbrach das Rascheln von Kleidung die geradezu bleierne Stille. Am anderen Ende des Saales hatte sich Luzifer erhoben. Mit einer weiteren simplen Handbewegung hatte er die Schwarzgekleideten angewiesen sich mit dem Käfig wieder in Bewegung zu setzen. Dann glitt sein Blick ruhig, aber gleichzeitig gezeichnet von einer unglaublichen Kälte über das Publikum. Jeder, der davon berührt wurde, schien automatisch zusammenzuschrumpfen.

Plötzlich erklang das penetrante Geräusch von Absätzen und Belial drängte sich nach vorn. Mit einer ungewohnt hektischen Geste begann sie die Leute wegzuscheuchen. „Die Sitzung ist geschlossen. Raus mit euch!“

Kato warf einen Blick über seine Schulter zurück zu ihr und war erstaunt, wie seltsam hoch ihre Stimme plötzlich klang. Es war beinah, als sei sie … nervös. Dann begann aber auch schon Katos Gorilla ihn wieder in Richtung des schon halb verschwundenen Käfigs zu zerren.

„HEY!“ er begann sich wieder zu sträuben, „ich will das hören!“

Doch der Wächter packte ihn einfach noch etwas härter am Oberarm. Auch der Rest des Publikums begann sich nun erstaunlich ruhig Richtung Ausgang zu bewegen. Wobei anzumerken war, dass sie sich zwar bewegten, aber ein jeder wohl die Öhrchen bis aufs äusserste gespitzt hatte. Man erhoffte sich, vielleicht noch das eine oder andere Wort dieses seltsamen Neuankömmlings zu erhaschen.
 

„Durch eine zuverlässige Quelle hat der Hohe Rat des sechsten Himmels erfahren, dass sich betreffende Seele hier befindet und ist aufgrund deren Verdienste im letzten heiligen Krieg zum Schluss gekommen, dass bei der Beurteilung Yue Katos ein Fehler unterlaufen sein muss.

Er gehört nicht in die Hölle.“
 

Diese sechs Worte waren das letzte, was noch durch die sich schliessenden Flügeltüren drang. Dann fielen sie mit einem schweren Klacken ins Schloss und Ruhe legte sich über die düsteren Gänge. In Katos Kopf hallten sie nach. Während das Publikum begann sich aufzulösen, jetzt wieder heftig diskutierend, drehte sich in seinem Kopf noch alles.

Der Wächter zerrte ihn in irgendeine Richtung, doch Kato achtete gar nicht weiter darauf.

Er verstand das alles nicht. Das war gerade etwas zuviel gewesen.
 

TBC
 

[1] Warum ist Beli die Meistgeschädigte? Dadurch dass das Bunny die ehemalige Untergebene Belis ist, sie aber ein Spion war, ist anzunehmen, dass der Ruf Belials als treue Dienerin Luzifers und She’Ol sehr darunter gelitten hat (so was in der Art kommt ja auch im ersten Intermezzo raus). Sie ist also diejenige, die das Bunny am ehesten als Verräterin empfinden wird.

Kapitel 50

Der Gerichtsdiener zerrte Kato in einem ziemlich flotten Tempo hinter sich her. Mit grossen Schritten entfernten sie sich vom Festsaal, während der Sklave geistig immer noch nicht so ganz anwesend war. Diese kleine Tatsache sorgte auch dafür, dass er erstaunlich wenig Proteste von sich gab, als der Wächter ihn relativ grob dazu nötigte, durch irgendeine Tür zu gehen und diese dann lautstark hinter Kato zuknallte. Erst dieses Geräusch schien den Sklaven wieder zu wecken, denn er sah sich erstaunt um und fand sich zu seinem eigenen Unbehagen in einem fensterlosen, düsteren Raum wieder, der in der Mitte von einer Reihe Gitterstäbe in zwei Hälften geteilt wurde.

Kato wusste echt nicht was er davon halten sollte. Er war allein hier drin und die Wache beschränkte sich drauf immer mal wieder einen prüfenden Blick durch einen kleinen Sehschlitz zu ihm hineinzuwerfen. War er ein Gefangener? Er liess noch einmal einen misstrauischen Blick über seine Umgebung schweifen. Die Wachen und die Gitterstäbe sprachen dafür, aber er hatte doch nichts getan! Kato spannte automatisch die Muskeln an und glaubte sich schon wieder mit einer himmelschreienden Ungerechtigkeit konfrontiert zu sehen, doch dann öffnete sich die Tür auf der anderen Seite des Raumes und drei weitere Wächter traten hinein. Hinter ihnen ging ein zerzaustes, aber überaus fröhlich dreinblickendes Bunny, die Kato auch sogleich zuwinkte. Einer der Gorillas verpasste ihr einen mahnenden Stoss ins Kreuz, aber das schien sie nicht weiter zu beeindruckten, denn stattdessen trat sie direkt nach vorne an den Zaun.
 

Kato kam nicht umhin erstaunt zu sein, trotzdem tat er es ihr gleich und wollte seine Hände um die Gitterstäbe legen, die sie trennten, doch die Wache gab ein sehr eindeutiges Räuspern von sich, das ihn diese Idee schnell wieder verwerfen liess. Er schaute die Frau auf der anderen Seite abwägend an. Sie grinste.

Kato kam sich für einen Moment dumm vor, dass er ernsthaft geglaubt hatte, man würde IHN hier einsperren wollen und versuchte deswegen die seltsamen Gedanken von vorhin schnell wieder zu verdrängen. Momentan ging es einzig um das Bunny. Schliesslich hatte sie ihren letzten Wunsch dafür aufgewendet mit ihm reden zu wollen. Also war es wichtig!
 

„Hallo Kato-kun, du siehst gut aus.“ Ihre Stimme und ihr Tonfall klangen wie eh und je, wie das besserwisserische, neugierige Bunny, das er kannte. Er musterte sie noch einmal eingehend. Auf die Nähe wurde klar, dass die höllischen Heerscharen wohl nicht besonders nett zu ihr gewesen waren. Ihre Klamotten hingen in Fetzen von ihrem Körper und das, was von man von der Haut sah, war nicht nur dreckig, sondern wurde auch geziert von unzähligen Schrammen und blauen Flecken. Zudem hatte er noch vage das Gefühl, dass ihre Haare auf der einen Seite etwas kürzer waren als auf der anderen…

„Du hast dafür aber schon mal besser ausgesehen“ meinte er mit offensichtlichem Zweifel in der Stimme. Doch sie winkte bloss jovial ab. „Ach, beachte das gar nicht, sie…“ sie warf einen Seitenblick zu den Gorillas, „…versuchen bloss sich aufzuspielen.“

Kato war trotzdem noch nicht wirklich von ihrer Sorglosigkeit überzeugt. Er warf selbst noch mal einen Blick auf die Wachen und wollte dann den Mund aufmachen, um seine Bedenken zu äussern, doch sie fiel ihm ins Wort: „Ist es nicht grossartig?! Du kommst hier endlich raus!“

Der Mund des Sklaven hing immer noch offen und er konnte nicht anders als sie einen Moment lang ungläubig anzustarren. Schliesslich schüttelte er den Kopf. „Was? Du hast es mitgekriegt?“

Sie nickte eifrig. „Ja, zwar nur den Anfang, danach haben sie mich ja rausgekarrt...“ sie warf wieder einem abfälligen Seiteblick zu ihren Wächtern, „… aber mir war klar, dass die Engel hier früher oder später auftauchen würden.“

„Aha?“ irgendwie fühlte sich Kato schon wieder etwas überfordert. Warum brachte sie das Thema überhaupt zur Sprache, sie hatte es doch schliesslich nicht wissen können, als sie…

„Warum weißt DU schon wieder mehr als ich? Du hängst doch hier drin fest!“ Kato deutete hektisch gestikulierend auf die Gitterstäbe. Ihm war gerade wieder mal die Ungereimtheit der Situation aufgefallen und das stresste ihn! Wozu machte er sich eigentlich Sorgen um das Bunny?!

Das Lächeln auf ihren Lippen wurde etwas sanfter und sie betrachtete den leicht aufgebrachten Kiffer mit ihren warmen, rehbraunen Augen. „Du hast dich doch schon damals gefragt, warum sie dich nicht erkannt hat.“

Hä? Katos Augenbrauen wanderten nach oben und sein Gesichtsausdruck sprach Bände darüber, wie verständlich die Worte des Märzhasen für ihn waren. Sie lachte leise.

„Ach Kato-kun, du bist so unaufmerksam. Ich meine doch die Prinzessin der Oger.“
 

Der Mund des Sklaven formte ein stummes Ohhh, während sich in seinem Kopf plötzlich die Rädchen anfingen zu drehen. Natürlich, damals hatte sie ihn nicht erkannt, obwohl Kato darauf gehofft hatte, dass sie ihn rausholen würde, falls sie wüsste, dass er hier war. Aber dann hatte sie ja überhaupt nicht auf seine Gegenwart reagiert….

Allein der Gedanke daran liess ihn angepisst das Gesicht verziehen. Wieder lachte das Bunny.

„Lass mich dir sagen, dass sie dich sehr wohl erkannt hat. Sie hat es sich bloss nicht anmerken lassen…und zwar, weil ich ihr das geraten hatte.“

„Was? Warum würdest du ihr so was raten und was hat das mit…“ der Rest des Satzes blieb ihm im Hals stecken, als er bemerkte, dass eine der Wachen in Windeseile den Raum verlassen hatte. Der Gehalt der Worte des Bunnys dämmerte ihm nur langsam. Erst als er sah, wie sie ihren Kopf gewandt hatte und den Rest der Männer herausfordernd anfunkelte, wurde ihm klar, dass das alles reine Provokation war. Sie plauderte ihre letzten Geheimnisse aus, um der Höllenschar zu zeigen, wie lange sie ihr System schon untergraben hatte. Kato musste schlucken und hob beschwichtigend die Hände. Irgendwie war ihm diese Taktik etwas zu selbstzerstörerisch. Natürlich hatte sie ihr eigenes Todesurteil schon verkündet gekriegt, aber man musste doch die verbleibende Zeit nicht auch noch unnötig verkürzen.
 

Sie wandte sich wieder zu ihm. „Warum ich es getan habe? – Na, weil der Hutmacher sonst dafür gesorgte hätte, dass von denen da oben nie jemand Wind davon kriegt, dass du hier bei uns festsitzst.“

Katos Mund stand schon wieder offen, aber das Bunny fuhr einfach fort: „Der ach so verrückte Hutmacher – damals natürlich noch der vollen Überzeugung ich sei sein treu ergebener Märzhase…“ sie machte eine ausladende Geste, „… war der Meinung, dass es nicht im Sinne Luzifers sein könne, wenn ausser ihm sonst noch jemand Anspruch auf deine Seele erheben würde - und das wäre zweifelsohne passiert, wenn die Prinzessin der Oger erfahren hätte, dass du sein neues Haustier bist – weswegen ich den Auftrag erhielt, den Tee der Prinzessin mit einer Substanz zu versetzen, welche dir durchaus bekannt sein dürfte…“ Katos Augen wurden immer grösser, während sie verschwörerisch schmunzelnd hinzufügte: „Aqua del Sole. Du weißt ja, es verändert die Wahrnehmung ein bisssssschen.“ Sie zwinkerte und Kato wusste nicht mehr wo oben und unten stand. Wie konnte sie ihm das nur mit einer solchen Gelassenheit erzählen, während die Wachen an der Wand mindestens genauso aufmerksam zuhörten? Sie schwärzte sich doch gerade selbst an, warum nur? Hatte sie einen so grossen Wunsch zu sterben?

„Allerdings habe ich diesen Auftrag nicht so wirklich ausgeführt, “ fuhr sie leichthin fort, „sondern mir die Lady zur Seite genommen und ihr gesagt, dass es im Falle, dass sie ETWAS ungewohnt Vertrautes bei ihrem Ex-Gatten antreffen sollte, möglicherweise besser sei, nicht allzu fest darauf einzugehen. Offensichtlich hat sie auf mich gehört.“ Sie machte wieder eine schwatzhafte Geste, als würde sie einer Freundin gerade den neusten Klatsch und Tratsch berichten.
 

Kato konnte nicht anders als starren. „Du legst es darauf an, möglichst schnell umgebracht zu werden, nicht?“

Sie schaut ihn aus den Augenwinkeln an und begann dann plötzlich wieder zu lachen. „Ach Kato-kun, du machst dir wirklich zu viele Sorgen um mich. Das was ich dir hier erzähle, hat keinen Einfluss mehr auf mein Schicksal. Es sind ja sowieso nur noch etwa…“ sie schaute wieder auf die unsichtbare Uhr an ihren Handgelenk, „…dreissig Minuten übrig. Das macht selbst für die Hölle keinen Unterschied mehr.“

„Wie kannst du es nur so gelassen nehmen?“ Er schüttelte den Kopf, so dass ihm wieder seine wirren Strähnen ins Gesicht hingen. Eine gewisse Panik klang aus seiner Stimme heraus, doch das Bunny lächelte bloss weiterhin.

„Ich habe keine Angst“ erwiderte sie sanft, „Ich hab alles gesetzt, was ich hatte, und verloren, aber so läuft das Spiel nun mal. Deswegen werde ich meine letzten Asse im Ärmel dir überlassen.“ Sie beugte sich etwas nach vorne, so dass ihr Gesicht näher bei den Gitterstäben war. Erstaunlicherweise schritt keiner der Wächter ein; die waren wohl auch der Meinung, dass es informativer war, sie einfach weiterreden zu lassen.

„Kato, ich erzähle dir das alles, damit du verstehst, dass nichts ohne Grund passiert. Die Engel sind jetzt hier, weil ihnen die Prinzessin mitgeteilt hat, dass ein Held des letzten Heiligen Krieges unverschuldet in der Hölle schmort. Sie werden dich also hier rausholen, verstehst du, Kato? Du kommst raus!“
 

Doch er verstand es nicht. Stattdessen taumelte er irritiert einen Schritt rückwärts und starrte zu Boden. Sein Gesicht wurde immer noch von seinen Haaren verdeckt, während er mit heiserer Stimme fragte: „Wie kannst du dir da so sicher sein? Wie kannst du dir sicher sein, dass sie mich überhaupt gehen lassen würden?!“

Er war lauter geworden, während sich seine Hände unwillkürlich zu Fäusten geballt hatten, doch das Bunny schien immer noch unbeeindruckt. „Sie werden dich gehen lassen. Denn selbst Luzifer wird keinen Krieg mit dem Himmel vom Zaun brechen nur wegen dir…“
 

Die Worte sanken nur langsam in Katos Bewusstsein, doch während sie es taten, entspannten sich gleichzeitig auch seine Hände wieder. Resignierend liess er sie sinken. Nein, Luzifer würde keinen Krieg beginnen; nicht wegen ihm und vor allem nicht, wo sie doch gerade erst einen hinter sich hatten. Er atmete tief ein und strich sich dann mit einer geradezu verzweifelten Geste die Strähnen aus dem Gesicht. Er blickte wieder zum Bunny.

„Was soll das dann alles? Ich verstehe nicht, warum du…“

Der Rest des Satzes blieb in der Luft hängen, aber sein Gegenüber hatte ihn durchaus verstanden. „Warum ich dafür gesorgt habe, dass sie dich bemerkt?“

Kato nickt stumm.

„Vielleicht weil ich nicht will, dass du mich in schlechter Erinnerung behältst,“ ihr Blick wirkte nun zum ersten Mal, seit sie die Zelle betreten hatte, etwas betrübt, „aber offiziell war der Grund, um die himmlischen Abgesandten anzulocken. Wir haben ja schliesslich damit gerechnet, dass wir zu diesem Zeitpunkt She’Ol unter unserer Kontrolle hätten.“
 

Kato musterte sie eingehend. Er wusste nicht, was er von diesem Geständnis halten sollte. Einerseits band sie ihm auf die Nase, dass er es ihr verdankte, dass die Engel gekommen waren, andererseits gestand sie ein, dass das auch nur ein Mittel zum Zweck gewesen war.

Er verstand dieses Bunny einfach nicht.

„Dann geht es hierbei also auch wieder mal gar nicht um mich persönlich, sondern das ist bloss das Resultat deiner… Fehlplanung?“

Fehlplanung ist wirklich recht nett ausdrückt, “ sie zog die Augenbrauen hoch, „aber lass es uns doch in Anbetracht der Tatsache, dass wir sowieso verloren haben, so sehen, dass ich dir eigentlich immer schon etwas Gutes tun wollte.“ Sie grinste wieder von einen Ohr zum anderen und legte den Kopf schief. Kato verzog bloss den Mund. Elendes Bunny.

„Dann erwartest du also Dankbarkeit von mir, oder wie?“

„Pff nein, “ sie winkte ab, „Dankbarkeit brauch ich wirklich keine. Aber es wär’ ganz schön, wenn du hin und wieder einen Gedanken an mich verschwendest, wenn du dann im Himmel bist und ich…. tot bin.“

Ruhe breitet sich in dem kleinen Raum aus. Kato wusste nicht was er fühlen sollte. Eigentlich hätte ihn diese Ansage erschrecken müssen, doch stattdessen war das alles einfach nur schrecklich unwirklich. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwann anders sein würde als jetzt. Das Bunny sollte sterben? Er sah es nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es eine Hölle ohne ihr Geplapper geben würde und noch weniger konnte er sich vorstellen, in den Himmel zu gehen. Es war einfach zu surreal, zu weit weg. Gleichzeitig vernahm er aber auch schon wieder das Räuspern einer der Wachen. Keine Zeit verplempern, was? Kato verschwendete dieses Mal tatsächlich keinen Seitenblick mehr an sie, obwohl es stimmte, Zeit blieb ihnen in der Tat nicht mehr besonders viel. Er betrachtete das Bunny noch mal eingehend und beschloss, dass egal was sie von sich gab, er sie einfach nicht durchschaute. Hatte sie jetzt eigentlich doch Angst zu sterben? Oder ging es bloss darum, dass sie nicht vergessen werden wollte? Kato atmete noch mal tief ein und beschloss, dass es keine Rolle spielte, ob er diesen verrückten Märzhasen verstand oder nicht.

„Sag doch, dass du Angst hast“ meinte er tadelnd.

„Ich habe keine Angst“ gab sie, beinah schon leicht pikiert klingend, zurück.

„Doch hast du. Glaub mir, mit Ängsten kenn ICH mich ziemlich gut aus.“ Er schaute sie etwas vorwurfsvoll an, worauf sie bloss tief aufseufzte und den Kopf wegdrehte.
 

„Es hätte nicht so enden sollen…“ erwiderte sie schliesslich, den Blick immer noch von Kato abgewandt.

„Ach, und wie dann? Wäre es besser, wenn ihr alle abgemetzelt und die Hölle übernommen hättet?“ Ein gewisser, nicht zu überhörender Sarkasmus schwang in seiner Stimme mit.

Das Bunny verzog ihr Gesicht zu einem wehmütigen Lächeln. „Du bist mir also immer noch böse“, stellte sie fest. Kato zuckte bloss mit den Schultern.

„Dabei hatte ich dir doch angeboten mit uns zu kommen. Es wäre die bessere Wahl gewesen.“

„Ihr habt VERLOREN! Es wäre bestimmt nicht die bessere Wahl gewesen, “ Kato konnte nicht mehr anders als entrüstet zu klingen, „ausserdem wollte ich nicht.“

Wieder lachte das Bunny leise. „Ich weiss, aber dieses Mal wirst du dir die Gelegenheit ja wohl nicht entgehen lassen…“

Kato antwortet nicht darauf, sondern verschränkte bloss irgendwie unbeholfen die Arme vor der Brust. Er hatte sich noch keine wirkliche Meinung dazu gebildet, ob er der Hölle entfliehen wollte. Wie gesagt, war ihm diese ganze Option momentan noch zu unwirklich. Er wollte nicht schon wieder enttäuscht werden. Hätte man ihm so was am Anfang seines Aufenthalts hier erzählt, hätte er sofort himmelhoch jauchzend eingeschlagen, aber mittlerweile war er vorsichtig geworden. Man durfte nicht gleich jedem Angebot trauen, viele konnten einem – und das hatte er ja selbst feststellen dürften – im wortwörtlichen Sinn in Teufels Küche bringen. Alles hatte seinen Preis, das hatte er lernen müssen. Also hütete sich irgendein Teil von ihm strengstens davor, sich emotional allzu fest auf die Aussicht einzulassen, dass die Engel ihn vielleicht wirklich von hier weg holen könnten – egal ob er das nun gut oder schlecht fand. Solange er es nicht aus Luzifers Mund hörte, würde er gar nichts als gegeben anschauen.
 

„Du traust mir nicht, stimmt’s? Du denkst, die Sache hat irgendeinen Haken“ schloss das Bunny mit der üblichen Treffsicherheit aus Katos Stille. Er gab bloss ein abschätziges Knurren von sich.

„Alles, was von dir kommt, hat irgendeinen Haken.“

„Ach, tu doch nicht so! Ich war immer nett zu dir.“ Sie klang übertrieben entrüstet.

„Die Schneezelle und das Opferritual am Marterpfahl fand ich weniger nett….“

Das Bunny hob beschwichtigend die Hände. „Ok, blenden wir das mal aus. Davon abgesehen war ich immer nett zu dir. Ich hab dir ne Menge Zeug erklärt und ich maaag dich, Kato.“

Sie schaute den Sklaven mit grossen Augen an und obwohl dieser eigentlich hatte widersprechen wollen, konnte er nicht anders als ein unterdrücktes Lachen von sich zu geben.

„Du bist schrecklich…“
 

„Und nun sag, findest du’s nicht doch ein bisschen gut, dass ich dir deine Fahrkarte nach oben besorgt habe?“

Kato verdrehte leichte die Augen. „Du hast mir nicht wirklich geholfen, sondern selbst gesagt, dass das ganze mehr eine Nebenerscheinung von deinen eigentlichen Plan war.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Spielt das eine Rolle? Im Endeffekt zählt das Resultat, und das lautet so, dass du hier rauskommen wirst, weil ich der Prinzessin KEIN Aqua del Sole verabreicht habe.“
 

Kato atmete tief ein. Wieder breitete sich eine gewisse Stille zwischen ihnen aus. Irgendwie hatte das Bunny ja schon recht. Im Endeffekt zählte nur das Resultat…

„Ok, was willst du dann von mir? Dankbarkeit hast du abgelehnt, soll ich dann also ein gutes Wort bei Luzifer für dich einlegen, oder was?“ sein Tonfall machte recht deutlich, dass er diese Option nicht wirklich in Erwägung zog.

Doch auch das Bunny schüttelte bloss den Kopf. „Nicht doch, du Trottel. Wir wissen doch beide, dass du dir damit bloss wieder Ärger einhandeln würdest… wenn du das nicht sowieso schon getan hast.“ Wieder eine kurze Pause, bevor sie mit einer erstaunlichen Ernsthaftigkeit fortfuhr: „Nein, ich möchte einfach noch ein bisschen mir dir reden, mit dir Zeit verbringen. Es gibt sonst niemandem, mit dem ich meine letzten Minuten lieber teilen würde.“

Jetzt konnte Kato ganz eindeutig spüren, wie sich in seiner Brust etwas zusammenzog. Gleichzeitig stieg in die Röte ins Gesicht. „Jetzt übertreib mal nicht“ murmelte er kaum verständlich.

Das Bunny lachte. „Doch ich meins ernst. Hier in der Hölle bist du meine erste Wahl.“

Kato trat erst noch kurz von einem Fuss auf den anderen, fasste sich dann aber ein Herz und kam schliesslich direkt an die Gitterstäbe heran. Er atmete noch einmal tief durch und blickte dann zu seinem Gegenüber. „Und worüber möchtest du in deinen letzten Minuten reden?“

„Hmm“, sie legte verspielt nachdenklich den Finger an den Mund, „wie wär’s wenn wir darüber diskutieren, was wir täten, wenn alles anders gekommen wäre.“

Kato zog die Augenbrauen hoch, bis er dann ganz unerwartet die warmen Hände des Bunnys auf seinen spürte. Er blickte für einen Moment darauf und hörte dann ihre Stimme wieder:

„Ich glaube, ich hätte dich zum Tee im Wunderland eingeladen.“

„Ich mag keinen Tee“ entgegnete der Sklave, sein Blick immer noch auf ihren Händen haftend.

„Kaffee?“

„Hmmm“

„Auch nicht? Was magst du dann?“

Kato schaute auf und erwiderte gespielt kritisch: „Alk?“

Sie grinste, „ich könnte Kaffee Schnaps anbieten… wahlweise auch Tee mit Rum.“

Er nickte anerkennend. „Ja, klingt nicht übel. Wär’ schon eher was für mich.“

Dann schauten sie einander an und fingen an zu lachen. Neben den Ausgängen schienen die Wachen unruhig zu werden, wohl besorgt, dass das alles ein grosser Verschwörungsplan und das sinnlose Geplapper eine Geheimsprache sei. Doch Kato und der Märzhase liessen sich davon nicht stören. Erst als das Gelächter langsam verstummte und sich ihre Hände unbemerkt gelöst hatten, begann die Wirklichkeit wieder über sie hereinzubrechen. „Wir werden nicht mehr miteinander Tee trinken.“

„Nein, wohl eher nicht.“

Kato schluckte einmal leer und wandte dann den Blick ab. Er wusste nicht mehr was er sagen sollte. Was war in einer Situation wie dieser angebracht?
 

Lebwohl?
 

Nein, das wollte er auf keinen Fall sagen. Das klang als hätte er sich damit abgefunden, dass man das Bunny – sein Bunny – hinrichten wollte. Er schaute sie wieder an, auch sie sah jetzt etwas mitgenommen aus. Und in dem Moment fiel ihm noch etwas ein, das er bisher ganz verdrängt gehabt hatte…
 

„Vermisst du ihn?“ [1]

Seine Stimme hallte durch den Raum. Das Bunny antwortete nicht, stattdessen zeichnete sich auf ihrem Gesicht bloss etwas Schmerzhaftes ab. Sie warf Kato so was wie ein schräges Grinsen zu, aber es konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er zum Schluss doch noch die eine Frage gestellt hatte.

Dann öffnete sich ihr Mund, als versuche sie schwerlichst eine Antwort zu geben, aber es kam einfach nichts hinaus, weswegen Kato nur nickte. Für einmal hatte er es auch so verstanden.
 

~~~
 

„HmHmm“

Das Räuspern durchbrach nicht nur die Stille in der kleinen Zelle, sondern riss Kato auch aus seinem seltsam emotionalen Zustand. Er musste sich nicht mal umdrehen, um zu wissen, dass es dieses Mal keine der Wachen gewesen war, die sie auf etwas zu intimen Umgang aufmerksam machte, sondern dass der letzte Henker den Raum betreten hatte und dass somit die Zeit abgelaufen war.
 

Kato seufzte, während Belial einen der Wächter anwies, sich seiner anzunehmen.

„Ich störe die traute Zweisamkeit ja nur ungern, aber der Aufschub ist um.“

Eine weitere Geste folgte und schon wurde das Bunny vom Gitter wegbugsiert und in Richtung Tür geführt. Auch die Wache auf Katos Seite verliess den Raum, um sich mit den anderen zusammen um die Gefangene zu kümmern. Kato hatte wohl bloss zweite Priorität.

Er beobachtete wie sie weggebracht wurde. Sie hatte sich nicht mehr zu ihm umgedreht, aber das spielte auch keine Rolle, schliesslich hatten sie sich gebührend verabschiedet. Kato konnte nicht verhindern, dass der Kloss in seinem Hals immer dicker wurde. Er spürte eine Hitze in sein Gesicht steigen, die er sich selbst nicht erklären konnte, und schlussendlich konnte er nicht anders als kurz mit dem Unterarm über seine Augen zu wischen.

Der Hutmacher gab ein abschätziges Geräusch von sich, sagte aber ansonsten nichts. Sie waren jetzt allein in der Zelle und Kato wusste nicht, ob er noch etwas sagen wollte. Ein Teil von ihm wusste, dass es sinnlos war, aber er konnte einfach nicht anders. Abrupt drehte er sich zu Belial um. „Ich…“

Doch sie hatte schon die Hand gehoben. „Sei still. Es bringt nichts.“ Ihr Tonfall war ultimativ. Es gab kein Wenn und kein Aber, dieses Mal war es wirklich zu Ende.
 

Sie drehte sich um und steuerte ebenfalls den Ausgang an, doch bevor sie durch die Tür trat, warf sie noch einmal einen Blick zurück über ihre Schulter zu dem Sklaven.

„Geh in dein Zimmer und warte dort bis jemand kommt um dich zu rufen. Tu nichts anderes als das.“ Damit trat sie hinaus und war verschwunden.

Kato blieb allein zurück. Eine Überfülle an Gefühlen und Gedanken suchte ihn heim und er wusste gar nicht, wo er beginnen sollte sie zu sortieren. Es machte alles keinen Sinn.
 

Wie in Trance steuerte auch er die Tür an. Er trat hinaus, achtete aber nicht wirklich darauf welche Richtung er einschlug. Er ging einfach. Es war das einzige, was er jetzt tun konnte.

In seinem Kopf wirbelten immer noch die Gedanken umher und gleichzeitig fühlte er sich aber auch unglaublich schwerfällig. Eine Lähmung hatte sich über sein gesamtes Wesen gelegt, die es ihm irgendwie unmöglich machte, auch nur einen klaren Satz in seinem Geist zu formulieren. Es war alles da, aber nichts davon war greifbar. Das Bunny sollte sterben, es waren Engel da, die ihn vielleicht aus der Hölle befreien wollten, Belial war wütend und Luzifer…?

Kato wusste nicht wie Luzifer zu dem allem stand. Der Herr der Hölle gab sich wie immer undurchschaubar und so weit entfernt, dass der Sklave ihn nicht mal in Gedanken wirklich fassen konnte. Er seufzte tief. Ein Teil von ihm hätte jetzt wirklich gern gewusst, was Sache war; und noch wichtiger dabei war die Frage, was Luzifer davon hielt. Würde er die Engel überhaupt anhören? Wie würde so ein Treffen zwischen Himmel und Hölle zugehen?

Kato wanderte weiter. Sein Blick war auf seine schlendernden Füsse gerichtet. Er hatte kein Ziel, er wollte einfach nur nachdenken. Die Vorstellung, dass er Hauptdiskussionspunkt eines solchen Treffens war, war irgendwie abstrus. Es interessierte sich schliesslich auch sonst kaum einer für ihn. Er war immer bloss ein Schatten gewesen. In seiner Familie war er nicht willkommen gewesen, in der Schule hatte er gestört, selbst als Junkie war er an die falschen Leute geraten. Er war immer bloss nutzlos und überflüssig gewesen, und dass ihm plötzlich so viele Leute so viel Aufmerksamkeit beimassen, war einfach nur… unwirklich. Kato schüttelte den Kopf. Also echt, es wäre realistischer gewesen, wenn sie ihn einfach vergessen hätten. Auf ewig in der Hölle…
 

Dabei verdrängte er auch irgendwie die wichtigste Frage von allen.

Was wäre wenn ja…wenn sie ihn wirklich mitnehmen würden? Wollte er überhaupt gehen?
 

Kato hätte sich am liebsten die Haare gerauft. Er stand jetzt vor einer Tür, von der er sicher war, dass es die zu seinem Zimmer war. Obwohl er seinen Weg nicht vor Augen gehabt hatte, hatte wohl jemand anders dafür gesorgt, dass er heute nicht verloren gegangen war. Er gab ein tiefes Seufzen von sich, legte dann aber die Hand an den Türknauf. Es hatte keinen Sinn Widerstand zu leisten.
 

TBC
 

[1] Es geht hier natürlich um Dante. Man erinnere sich, in Kapitel 46 wollte sie ihm ja eigentlich hinterher springen, nachdem er in den Schlund gestürzt ist, aber Beli hat sie nicht gelassen. Es gibt da also noch gewisse unbeantwortete Fragen, wie gut das Bunny seinen Verlust wirklich verkraftet hat, aber weil Beli reinplatzt (und weil ich es nicht noch kitschiger werden lassen wollte), wird da nicht näher darauf eingegangen.

Kapitel 51 - Intermezzo III

Die Engel waren nach vorn getreten. In dem riesigen Festsaal und zwischen den leeren Bankreihen wirkte ihre Zahl von fünf verschwindend gering. Es war offensichtlich, dass sie keine Chance gegen die Reihen der Wachen gehabt hätten, die sich in militärischer Strenge den Wänden entlang aufgestellt hatten und sich nun nicht mehr rührten.

„Exzellenz…“ Der Redensführer der Gruppe hatte seinen Mantel abgelegt und stellte sich direkt vor die Balustrade. Er war ein junger Mann, gerade erst der Jugend entstiegen, mit gewelltem, blondem Haar und heller Haut. Eigentlich das Bild eines Engels, trotzdem sprach sein Auftreten von einer gewissen Erfahrung, während sein Blick zum Höllenfürsten empor wanderte[1].

„Exzellenz, ich danke für die Gelegenheit dieser Audienz. Ich bin ein Vertreter der Anima Mundi, der momentanen Führungspartei im Himmel. Es liegt uns am Herzen, die Beziehung zur Hölle auf neutralem Grund zu halten und nicht unnötig zu reizen, weswegen wir gern die offizielle Rückführung der Seele Yue Katos auf formaler Ebene beantragen würden.“
 

Luzifer antwortete nicht, stattdessen begann sich eine abwartende Stille über die Anwesenden zu legen. Der Blick des Redners haftete immer noch am Teufel und versuchte ihn wohl auf diese Weise zu einer Antwort zu nötigen. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war das penetrante Räuspern, welches plötzlich die Szene durchbrach. Von der Seite her trat der Verrückte Hutmacher an die Gruppe heran, näherte sich mit elegantem Schritt und setzte sich dann leger auf die erste Bankreihe. Sie lächelte erst einem Moment freundlich und meinte dann mit leichten Tonfall: „So, meine Herren, das war jetzt aber genug der Diplomatie. Unser Fürst war nicht sehr angetan von diesem unangebrachten Auftreten. Wenn Ihre Partei dieses …“ sie fuchtelte umschreibend mit der Hand, „…Seelenproblem für einmal auf rein formale Weise lösen möchte, hätten Sie einen Antrag stellen sollen.“
 

Einer der Engel gab ein abschätziges Geräusch von sich und murmelte: „Das hätte tausend Jahre gedauert …“

„Nun, ganz so schlimm ist unser administratives System nicht“, entgegnete sie sehr deutlich, während sich ihr Haupt mit warnender Langsamkeit dem Sprecher zuwandte. Doch der blonde Redensführer unterbrach die geladene Stimmung mit einem leichten Auflachen. „Nein, gewiss nicht. Das wollten wir nicht unterstellen…“ er hob beschwichtigend die Hände und wandte sich nun eindeutig an den Hutmacher. „Was mein Genosse damit sagen wollte, war viel mehr, dass wir eine schnelle Lösung des Problems, sprich einen schnellen Transfer der betreffenden Seele wünschen. Yue Kato hat für uns Symbolwert, er ist ein Held des letzten Heiligen Krieges. Seine Gegenwart im Himmel würde viele Engel sehr beruhigen.“
 

Nun war es am Hutmacher zu lachen. Sie hob ihre schmalen Finger an den rotgeschminkten Mund und warf dann einen kurzen Seitenblick zu Luzifer.

„Das ist wirklich amüsant. Denn diese Seele ist nicht nur unfähig und dumm, sondern auch noch feige. Es ist mir wahrhaft ein Rätsel wie sie zu solchen Ehren gelangen konnte. Ich schätze diesen Plan sie als Galionsfigur zu benutzen folglich als reine Zeitverschwendung ein…“ Belial macht eine ausladende Geste, doch die Miene ihres Gegenübers blieb unverändert.

„Das spielt keine Rolle. Selbst wenn Yue Kato nicht in der Lage wäre, wieder eine ähnliche Position einzunehmen wie während des Krieges, sorgen die darin geleisteten Verdienste dennoch dafür, dass ihm ein Platz im Himmel zusteht.“ Und nach einer kurzen Pause fügte der Engel hinzu: „Wie ich bereits sagte, gehört diese Seele nicht in die Hölle.“
 

Der Gesichtausdruck des Hutmachers wandelte sich von einem leicht jovialen Lächeln zu einem abschätzig verzerrten Grinsen.

„Ist das so? Dann werden die Herrn mir doch gewiss die Frage gestatten, warum er überhaupt hier gelandet ist. Denn in die Vorhöllen und folglich zur Verurteilung werden nur Seelen eingewiesen, die weder Himmel noch Erde will.“
 

Der Redensführer seufzte tief und fuhr sich mit einer Geste durch die Haare, welche eine gewisse Ertapptheit andeuten sollte. „Ich gestehe, uns ist da ein kleiner Formfehler unterlaufen…“, er schaute kurz über seine Schulter zu seinen Gefährten bevor er fortfuhr, „Yue Kato ist bekanntlicherweise kein unbeschriebenes Blatt. Ein Kind entsprungen aus einer unehelichen Affäre, dann die Drogen und das asoziale Verhalten, er wäre in der Tat ein Kandidat für die ewige Verdammnis gewesen…. Allerdings wurden ihm bei dieser Beurteilung seine postmortalen Taten nicht angerechnet. Er hat Selbstlosigkeit, Mitgefühl und Mut bewiesen als er mit dem Messias in den Kampf zog. All das muss ihm ebenfalls zugute gehalten werden und wiegt die Sünden seines sterblichen Lebens auf. Folglich darf man nicht…“ Während der Redner noch ausführend gestikulierte, wanderte die Augenbraue des Verrückten Hutmachers nach oben. Schliesslich unterbrach sie ihn barsch:

„Blödsinn! Noch nie wurden einer Seele die Taten nach dem Tod angerechnet. Schliesslich ist das sterbliche Leben eine Prüfung, aufgrund wessen der Eintritt in die Ewigkeit gestaltet wird. Wo wäre der Sinn der Sterblichkeit, wenn es anders wäre?!“ Belial hatte sich erhoben und war mit ein paar wenigen Schritten an ihr Gegenüber heran getreten. Mit leiser aber umso gefährlicherer Stimme zischte sie: „Was ihr betreibt ist Haarspalterei, denn es war und wird niemals anders sein. Wenn ihr dieses ganze Theater also nur aufführt, weil euch die Führungsfiguren ausgegangen sind, dann sagt es, aber versucht nicht himmlische Nächstenliebe vorzutäuschen, wenn euch diese Heuchelei sowieso schon lange niemand mehr abnimmt.“

Der blonde Engel schluckte offensichtlich und machte einen Sicherheitsschritt rückwärts, während seine Gefährten jeweils einen nach vorn machten und zu ihm aufschlossen. Die Gruppe stand nur gedrängter zusammen, genauso wie auch ihre Situation war. Der Hutmacher verzog ob dieser Reaktion seinen Mund. Engel…
 

Wieder hob der junge Redensführer beschwichtigend die Hände. Über andere Gesten als diese schien er wohl nicht zu verfügen.

„Das mag sein, trotzdem verdient diese Seele die ewige Verdammnis in der Hölle nicht. Es wäre undankbar in Anbetracht ihrer Taten.“

„Undankbar?“ Belial fiel es wirklich schwer den Spott aus ihrer Stimme fernzuhalten. Obwohl ein Teil von ihr auch ein gewisses Amüsement darüber empfand, dass dieser Engel tatsächlich die Höhe besassen mit so etwas wie Dankbarkeit zu argumentieren.

„Ja“, er nickte. Belial musterte den jungen Mann noch mal eingehend. Dieser wich ihrem stechenden Blick peinlich berührt aus, sich wohl bewusst, dass seine Unsicherheit ihn verriet. Er glaubte nicht wirklich an das, was er sagte. Er glaubte nicht, dass der Himmel es diesem Haustierchen schuldete der Hölle zu entfliehen, sondern er tat lediglich seine Pflicht, weil es der Etikette entsprach. Der Himmel sollte schliesslich Gutes tun und arme, unschuldige Seelen retten. Belial konnte ein kurzes Auflachen nicht unterdrücken und schüttelte zugleich den Kopf. Also wirklich… dabei war der Himmel auch nur eine Hölle, die man weiss gestrichen hatte.
 

„Yue Kato hat etwas Besseres verdient als das hier!“ Der Redensführer schien sich nun eindeutig etwas in die Enge gedrängt zu fühlen, denn er machte einen vehementen Schritt auf den Hutmacher zu, welcher sich davon aber nicht beeindrucken liess, sondern lediglich wieder die Augenbraue hob.

„Ach wirklich? Und der Himmel soll also sein, was Yue Kato verdient hat?“ Ihre Worte hingen zweideutig über der Gruppe und liessen den Blonden die Hände zu Fäusten ballen. Es war offensichtlich, dass er etwas erwidern wollte, trotzdem schien er nicht imstande dazu, eingeschüchtert von der bedrohlichen Ausstrahlung der Satanin.

„Der Himmel…“ fuhr Belial stattdessen fort, „…. ist eine Farce. Er war es schon als dieses Wesen, das sich unser Gott schimpfte, noch existierte, doch nun da auch es nicht mehr ist, entflieht euch das Recht über uns zu richten. Der Himmel ist nicht besser als die Hölle, der Himmel…“
 

Luzifer hob die Hand, was den Hutmacher augenblicklich verstummen liess. Er erhob sich voll unheilschwangerer Langsamkeit und trat dann an die Brüstung. Seine Hände legten sich auf das Geländer, während sein Blick über die Reihen der Anwesenden glitt.

„Die Beziehungen zwischen Himmel und Hölle tun heute nichts zur Sache…“

Der Hutmacher schien sich unter dieser Bemerkung auf die Zunge beissen zu wollen, doch der Höllenfürst fuhr an die Engel gerichtet fort: „Ihr wollt diese Seele also um jeden Preis haben? Seid ihr auch bereit für sie zu kämpfen?“

Eine Moment lang hallten die Worte in dem grossen Saal nach, bis schliesslich wieder der blonde Engel einen Schritt nach vorne tat und mit entschlossener Miene zu Luzifer hoch sah.

„Ja, das sind wir.“
 

Luzifer betrachtete ihn kurz, bevor sich schliesslich ein bedrohliches Lächeln auf seine Lippen schlich, das seine Eckzähne entblösste.

„Dann seid ihr also bereit, den Tod und das Leid vieler in Kauf zu nehmen, um so eine einzelne Seele vor dem zu bewahren, was ihr Undankbarkeit nennt? Ist ein Mensch wirklich einen weiteren Krieg zwischen Himmel und Hölle wert?“

Der Redensführer der Engel schluckte und wandte betreten seinen Blick zu Boden. Er schien erneut um Worte zu ringen, doch fand sich nur umgeben von genauso ratlosen Gefährten. Während seine Gedanken sich noch um eine adäquate Antworte drehten, trat hinter dem Teufel unauffällig eine Frau aus dem Schatten. Sie trug ein langes, rotes, asiatisches Kleid und reichte dem Höllenfürsten eine Akte in die Hand, welche dieser mit einem kaum merklichen Kopfnicken entgegennahm.
 

Belials Blick folgte dem Neuankömmling mit einer Mischung aus Überraschung und Misstrauen. Es war ungewöhnlich die Schlange hier zu sehen, sie war sonst fast nie ausserhalb ihrer üblichen Zuständigkeitsbereiche anzutreffen. Natürlich hatte sich ihre Beförderung schon herumgesprochen, doch dass Luzifer sie hierher berufen würde, war unerwartet. Auch durch die Reihen der Engel ging ein Raunen.

„Die Nächtliche“, sie flüsterten untereinander und warfen der Frau misstrauische Blicke zu, „hier ist sie also.“

Lilith kommentierte den Aufruhr bloss mit einem kurzen Aufschauen, fuhr dann aber unbeirrt damit fort dem Höllenfürsten etwas über das eingereichte Schriftstück zu erläutern. Ihre Worte waren nicht zu verstehen, doch schliesslich öffnete Luzifer die Akte und legte sie vor sich auf die Ablage. Seine Augen glitten abwesend darüber und wieder breitete sich im Saal eine angespannte Stille aus.
 

Die Engel warteten, aber nichts geschah. Erst als am anderen Ende das Geräusch einer sich öffnenden und wieder schliessenden Tür erklang, wagten sie es ihre Blicke vom gefallenen Morgenstern abzuwenden. Eine weitere Person war eingetreten, eine Wache. Doch anstatt sich in die Reihen ihrer Kameraden einzugliedern, schien auch sie ein Anliegen höherer Priorität zu haben und eilte nach vorne. Hektisch begann sie auf den Verrückten Hutmacher einzureden, welcher erst noch einen erbosten Blick zu Luzifer und seiner rothaarigen Begleitung warf, dann aber plötzlich alarmiert aufschaute und vollkommen unvermittelt mit energischem Stechschritt begann die Tür anzupeilen[2].
 

Während die stummen Blicke der Engel noch verwirrt zwischen dem abziehenden Hutmacher und dem Paar am Kopfende des Saales hin und her wanderten, hatte Luzifer sich aufgerichtet.

„Engel…“ er steckte sie Hand aus und die Gruppe zuckte erschrocken zusammen. An den Wänden standen auch die Wachen plötzlich wieder stramm.

Er blickte mit strenger Miene auf sie herab. „… ihr riskiert zuviel für zuwenig. Eure Wahl basiert nicht auf Güte, sondern auf Stolz.“

Durch die Reihen der Engel ging ein kollektives Schlucken, trotzdem hatte der Redensführer schon wieder den Mund geöffnet um etwas zu erwidern. Luzifer liess ihn allerdings nicht zu Wort kommen, indem er selbst fortfuhr: “Eine einzelne Seele sollte dem Himmel keinen Krieg wert sein. Da ihr aber dennoch gewillt seid, einen loszutreten, soll es für einmal die Hölle sein, die Vernunft beweist und den Wert jener Seele nicht überschätzt.“ Damit setzte er sich wieder und Engel tauschten fragende Blicke untereinander aus. Hiess das jetzt….?
 

„Wartet draussen. Die Seele wird kommen.“
 

~~~
 

Lilith legte ihre Hand auf die Schulter des Teufels. „Du willst ihn also tatsächlich gehen lassen?“

Er warf ihr einen knappen Seitenblick zu. „Wer behauptet denn so etwas…“

Das Lächeln, welches seine schmalen Lippen umspielte, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Der Morgenstern plante also wieder etwas.
 

Die Hand des Teufels legte sich auf ihre, umfasste sie und zog sie dann nach vorne.

„Nimm die Akte.“ Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, tat dann aber wie ihr geheissen wurde. Während sich ihre langen Finger darum schlossen, bemerkte sie wie nebensächlich: „Wird es nicht wie Schwäche erscheinen, wenn er mit ihnen geht?“
 

Luzifer beobachtete jede ihrer Bewegungen, trotzdem blieb sein Tonfall neutral. „Wird es nicht, wenn er die richtige Entscheidung trifft.“

„Entscheidung?“ Mit einem skeptischen Blick hielt sie die Akte vor ihrer Brust. Luzifer ging an ihr vorbei und mit einem einzigen Wink war die gesamte Inneneinrichtung des Festsaals verschwunden. Dann wandte er sich ihr wieder zu und tippte im Vorbeigehen die Akte auf der Höhe des Herzens der Schlangefrau an. „Freier Wille.“

Sie verzog das Gesicht und schaute dem sich entfernenden Höllenfürsten nach.

Dann glitt ihr Blick doch noch mal zur Akte in ihren Händen und plötzlich weiteten sich ihre Augen. „Was? Du willst…? Aber was, wenn…..wenn er es nicht erkennt?“

In Liliths Stimme schwang Panik mit und sie beeilte sich hinter dem Teufel her zu kommen.

Luzifer antwortete nicht, sondern warf der rothaarigen Frau bloss einen Blick zu, den man wohl in vielerlei Weise hätte deuten können.
 

TBC
 

[1] Ursprünglich hatte ich vorgehabt, Raziel als den Redensführer der Engelspartei auftreten zu lassen. Dann stand ich allerdings wieder mal vor dem Problem, dass ich mich nicht erinnern konnte, ob Raziel und Kato sich persönlich kennen (und ich war schlichtweg zu faul es nachzulesen;P), weswegen ich diesen blonden Engel dann anonymer gestaltet habe. Zudem haben die Charakterzüge auch nicht wirklich zu Raziel gepasst.

[2] Hierbei handelt es sich um die Szene, die wir in Kapitel 50 „von der anderen Perspektive aus“ schon gesehen haben. Die Wache eilt hinaus um Beli zu holen, nachdem das Bunny bei Kato angefangen hat Geheimnisse auszuplaudern. Beli verlässt hier also den Gerichtssaal um zum Bunny und Kato in der Einzelzelle zu gehen. Somit sehen wir hier für einmal einen nicht ganz chronologischen Ablauf, sondern eine leichte zeitliche Überschneidung.

Kapitel 52

Kato sass steif auf der Kante seines Bettes und brütete vor sich hin. Er war so in Gedanken versunken, dass er beinah das Klopfen an seiner Tür überhört hätte. Erst als es zum zweiten Mal die Stille zerriss, wandte er schwerfällig den Kopf und starrte in dessen Richtung.

Er mochte jetzt nicht aufstehen und sich mit irgendwelchen dahergelaufenen Besuchern beschäftigen, dafür war das herumwirbelnde Chaos in seinem Kopf einfach zu einnehmend. Er hatte zwar schon versucht, den Gedanken an das Geschehene beiseite zu schieben und so zu tun als sei alles wie immer, aber es funktionierte nicht. Stattdessen landete er immer und immer wieder bei derselben Frage. Was geschah hier gerade?

Was sollte aus ihm werden? Würden die Engel ihn wirklich mitnehmen wollen? Und was war mit dem Bunny? Allerdings war die Frage nach dem Schicksal der Nephilim zwischen all seinen wirren Denkströmungen diejenige mit dem geringsten Durchsetzungsvermögen. Denn obwohl er sich etwas dafür schämte, konnte er sich nie lange damit beschäftigen, stattdessen glitten all seine Gedanken immer wieder zu der Sache mit den Engeln. Sein eigenes Schicksal lag in der Waagschale und er konnte einfach nicht damit aufhören mental seine Optionen durchzugehen. Würde er aus der Hölle kommen? Das erschien ihm unwahrscheinlich, trotzdem war es eine Tatsache, dass die Himmelsboten da waren und nach ihm verlangt hatten. Hätte er es nicht selbst gehört, hätte er es bestimmt als Unfug abgetan, aber unter diesem Umständen musste er fast an das glauben, was ihm das Bunny erzählt hatte. Sie waren um seinetwillen hier, sie waren gekommen um ihn zu holen. Also bestand eine reelle Chance, dass er die Hölle tatsächlich würde verlassen können….
 

…aber wollte er überhaupt gehen?
 

Das war der Knackpunkt der gesamten Sache. Was wollte er?

Er war sich sicher, dass er die Hölle einmal hatte verlassen wollen, aber das war am Anfang gewesen. Mittlerweile hatte er viel mehr gesehen und erlebt. Und besonders hatte er neue Leute kennengelernt. Leute, deren Gesellschaft er zwar hin und wieder nervig, gesamtheitlich aber doch nicht so übel fand. Was gab es denn ausserhalb der Hölle schon?

Das Leben? Gut, Mudou war auch auf die Erde zurückgekehrt und lebte wieder als Mensch. Kato seufzte ob diesem Gedanken. Mensch sein würde er echt nicht schlecht finden. Wenn er noch mal eine Chance hätte, würde er das mit dem Leben besser machen… bestimmt.

Aber die Erde war die eine Option, die nicht offen stand. Die Engel waren gekommen, um ihn in den Himmel zu holen, nicht um ihn reinkarnieren zu lassen. Aber vielleicht konnte er sie ja auch danach fragen, ob er noch mal auf die Erde durfte.

Seine Finger spielten unbewusst mit seinen Haarsträhnen, während er in seinem Kopf die Gedanken wälzte. Dass mit den Engeln mitzugehen vielleicht die Möglichkeit bot, wieder ein menschliches Leben zu führen, wertete er als grossen Pluspunkt, gleichzeitig liess sich aber auch nicht ignorieren, dass er dann wohl nicht mehr Kato wäre. Er würde wiedergeboren werden und sich an nichts mehr erinnern können. Weswegen er auch dieselben Fehler wieder begehen würde, nur mit der Ausnahme, dass dann nicht mal dieselben Leute dabei sein würden. Und die Leute – seine Freunde – machten den Anreiz dieser ganzen Option aus. Wollte er ein Leben, in dem sowieso kein Kira da sein würde?

Sein Gesicht nahm einen etwas gepeinigten Ausdruck an. Kira gab es nicht mehr. Nicht in diesem Leben und in keinem weiteren… Allerdings gab es noch Luzifer.
 

Was ihn wieder zu einer Knackpunktfrage brachte. War Luzifer ein Faktor, der ihn zum hierbleiben bewegte? Kato wusste es nicht. Diese ganze Beziehung mit dem Teufel – wenn man es denn so nennen konnte – war so schwierig, so kompliziert, und manchmal auch wortwörtlich schmerzhaft. Wollte er freiwillig so verbleiben?
 

Dieses Mal riss ihn das Klopfen wirklich aus seinen Gedanken, denn es wurde gefolgt von einer bewaffneten Wache, die barsch hereinplatzte und ihm regelrecht entgegenbrüllte, er solle sich endlich bewegen. Kato zuckte auf seinem Bett zusammen, erhob sich dann aber schnell und begab sich in Richtung Ausgang. Sicherheitshalber unterliess er es zu fragen, wohin er gebracht werden sollte, was sich allerdings auch als überflüssig herausstellte, denn schon ziemlich bald erspähte er wieder die vertraute Tür zum Festsaal. Dabei war allerdings alles andere als vertraut der Anblick mehrerer Geschalten, die - ebenfalls umringt von Wachen – davor standen und auf etwas zu warten schienen. Katos Eskorte leitete ihn an der Gruppe vorbei, welche dieser ziemlich schnell als seine Stalker identifiziert und somit als Engel erkannt hatte. Der Blonde nickte Kato mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen zu, während der Sklave nicht so genau wusste, wie er darauf reagieren sollte und es deswegen bei einem ebenfalls knappen Nicken beliess.
 

Die Wache führte ihn in den Festsaal, der jetzt wieder vollkommen leer war. Keine Säulen, keine Bänke, nicht einmal die lange Tafel, die Kato eigentlich schon zur Standarteinrichtung gezählt hatte, war da. Der Raum war einfach leer, so dass die zwei Personen, die ihn erwarteten, für einmal erstaunlich klein wirkten.

Luzifer stand direkt vor ihm und ein paar Schritte schräg dahinter wartete auch Lilith. Sie schaute dem Sklaven freundlich entgegen, während die Miene des Teufels ausdruckslos wie immer war. Die Wache, die Kato begleitet hatte, verschwand mit einem wortlosen Abgang und liess ihn so mit den beiden andern allein. Das war also der Moment, irgendwie stimmte es den Sklaven unruhig. Sie würden ihn jetzt über die Situation aufklären, aber er war noch nicht bereit dazu. Er hatte sich noch keine Meinung bilden können, er brauchte länger Zeit zum Nachdenken. Er wollte noch nicht…
 

„Sklave…“ Luzifers kalte Stimme liess den Tumult in seinem Kopf sofort abebben und zu Katos eigenem Erstaunen entspannte er sich.

„…es sind Gesandte des Himmels gekommen, die wollen, dass du mit ihnen mitgehst.“
 

Ui, der Teufel fackelte ja wirklich nicht lange. Kato biss sich auf die Unterlippe und vermied es direkten Blickkontakt mit Luzifer herzustellen. Eigentlich wollte er so wenig wie möglich von seiner eigenen Unentschlossenheit preisgeben, doch als nichts mehr weiter kam, musste er gezwungenermassen aufsehen. Sein nervöser Blick verfing sich in den kalten Augen des Höllenfürsten, woraufhin dieser bloss den Mundwinkel zu einem zynischen Lächeln verzog.

„Allem Anschein nach denken sie, dir würde Ungerechtigkeit widerfahren, denn du verdientest dein Schicksal hier nicht…“ damit angelte er sich die Schnalle vorne an Katos Halsband und zog ihn ganz dicht zu sich heran. Er beugte sich etwas zu ihm herunter und flüsterte direkt neben Katos Ohr: „Darum sag mir, Sklave, denkst du, du gehörst in die Hölle?“
 

Kato wurde von einem Schauer überfallen, während sein Mund sich öffnete wie bei einem Fisch. Schliesslich presste er ein gejapstes „Ich weiss es nicht“ hervor. Luzifer liess mit einem verächtlichen Lächeln wieder von ihm ab, worauf der Blick des Sklaven unbehaglich gen Boden auswich. Er mochte solche Fangfragen überhaupt nicht, denn egal was er antwortete, es würde nie richtig sein. Ausserdem war das wieder ein Punkt, über den er sich noch nie so wirklich Gedanken gemacht hatte. Er war nicht das inkarnierte Böse, aber er war sich auch bewusst, dass er nicht wirklich ein gutes Leben geführt hatte. Im Gegenteil, er hatte schon ein paar Dinge angestellt, die alles andere als nett gewesen waren. Kato konnte fühlen, wie ihm Hitze ins Gesicht stieg. Irgendwie schien gerade alles darauf hinzudeuten, dass er sein Schicksal durchaus verdient hatte. Luzifers Blick ruhte auf ihm und brachte ihn dazu unruhig vom einen Fuss auf den anderen zu treten. Wollte der Höllenfürst, dass er es sagte?

„Ich…“ Er vermied es immer noch in die Augen seines Gegenübers zu sehen, „…ich bin nicht…“
 

Kühle Hände legten sich an seinen Hals und zogen wieder an dem Halsband. Kato taumelte einen Schritt nach vorne und verzog gepeinigt das Gesicht. Er rang immer noch mit sich es auszusprechen, bzw. eine Entscheidung zu treffen. Wollte er in der Hölle bleiben? Gehörte er hierher? Sein Kopf drehte sich unter der Gedanken- und Emotionsflut, bis plötzlich etwas ganz anderes an sein Bewusstsein drang; Kälte. Eisige Kälte. Sie breitete sich von seinem Hals in Ringform aus und liess den Sklaven erschrocken an die Stelle greifen. Er tastete nach dem Ursprung, konnte aber nichts fühlen. Schliesslich wagte er es doch fragend zu Luzifer aufzuschauen, und erst da begriff er das volle Ausmass von dem, was er gefühlt hatte.

Da um seinen Hals war nichts gewesen. Das Halsband war weg!

Stattdessen baumelte es an Luzifers Finger, der nun mit strengem Blick auf ihn hinunterschaute. „Da du es offensichtlich nicht fertig bringst, eine Entscheidung zu fällen, habe ich es getan. Du wirst She’Ol verlassen und mit den Engeln gehen.“
 

„Was?“ Kato starrte den Teufel an, der mit einer eleganten Bewegung das Halsband hatte verschwinden lassen. Seine Augen waren tellergross.

„Was? Aber…“

Luzifer blickte ihn scharf an. „Was aber? Willst du etwa hierbleiben?“ Er klang ganz eindeutig spöttisch, trotzdem streckte er seinen Arm aus und strich Kato mit der altbekannten Geste ein paar Haare aus dem Gesicht. „Das wäre sehr masochistisch.“

„Ja, wäre es…“, mischte sich plötzlich eine weitere Stimme ein. Lilith war neben Luzifer getreten, was von diesem bloss mit stummer Abfälligkeit kommentiert wurde.

Sie blickte Kato mit einem erstaunlich sanften Gesichtsausdruck an.

„Es ist vielleicht nicht die weiseste Entscheidung hierzubleiben, aber du darfst. Wenn du bewusst entscheidest, dass du Hölle über Himmel wählst, kann nicht mal der Teufel dich abweisen…“, sie warf einen kurzen, schelmischen Seitenblick zu Luzifer, der das ganze aber vollkommen ignorierte, „…das ist die Essenz des freien Willens. Das heisst, du kannst auch unsere Seite wählen.“
 

Kato starrte vollkommen verwirrt zwischen Lilith und Luzifer hin und her. Er verstand nicht, was das heissen sollte. Musste er nun gehen oder konnte er bleiben? Er wusste ja noch nicht mal wirklich welches von beiden er lieber wollte!
 

„Das wird er aber gewiss nicht wollen“, erklang plötzlich eine Stimme von der anderen Seite des Raumes. Kato drehte irgendwie immer noch leicht abwesend den Kopf und erblickte die Gruppe von Engeln, die mit langen Schritten auf sie zustrebten. An ihrer Spitze ging der Blonde, dessen Kapuze zurückgeschlagen war und nun ganz offen zeigte, dass er Kato ins Visier genommen hatte. Er schien sich nämlich ausschliesslich auf diesen zu konzentrieren und die beiden anderen regelrecht auszublenden.

Kato fand das überfreundliche Lächeln auf seinen Lippen irgendwie unheimlich, weswegen er auch sofort zurückwich, als der Engel seine Hand nehmen wollte. „Aber nicht doch, Yue. Wir sind nicht deine Feinde, im Gegenteil, wir sind hier um dich zu retten.“

Kato legte die Stirn in Falten. Was war dann das für ein Hippiegelaber und sowieso, was fiel dem ein ihn einfach ohne Erlaubnis bei seinem Vornamen zu nennen?! Skeptisch schaute er zu Luzifer und Lilith, wovon der erste wohl ein Augenrollen unterdrücken musste und die zweite ein offensichtliches Schmunzeln auf den Lippen trug.
 

„Du musst nicht auf ihre Zustimmung warten, um etwas sagen zu dürfen, Yue. Nur weil sie dich zu einem Sklavendasein degradiert haben, musst du dich dem nicht fügen.“

Die übertriebene Fürsorge dieses blonden Schönlings nervte Kato irgendwie. Was wusste der schon?! Schliesslich konnte er aber doch nicht anders, als ihn mit einem genervten Blick zu fokussieren. „Mein Name ist Kato“, grummelte er halblaut.

Doch der Engel lächelte bloss weiter, „Natürlich ist er das. Allerdings sollten wir jetzt aufbrechen, du willst doch gewiss nicht länger als nötig hier zubringen.“

Damit griff er nach Katos Handgelenk und zog ihn erstmal ein paar Schritte mit, bevor dieser sich wieder losmachen konnte. „Halt mal! Wer sagt, dass ich mit euch mitgehe!“

Er klang nun ganz eindeutig empört, doch der Engel wandte sich bloss wieder mit diesem übertrieben gütigen Ausdruck zu ihm um und meinte dann in einem sanften Tonfall, den man auch bei einem störrischen Kind anwenden würde: „Aber Kato, keine vernünftige Seele würde freiwillig in der Hölle weilen wollen. Und da seine Exzellenz dich freigegeben hat, sollst du endlich das kriegen, was dir rechtmässig zusteht: Einen Platz im Himmel!“

Als Kato daraufhin immer noch reichlich skeptisch dreinschaute und eine Bewegung machte, die andeutete, dass er sich eigentlich umdrehen wollte, fügte er hinzu: „Kato, du bist für den Himmel ein Held. Du hast für das Gute gekämpft und somit deine Sünden aufgewogen. Du musst nicht das Schicksal der ewigen Verdammnis hinnehmen, auch wenn sie dir das vielleicht weismachen wollen.“ Er warf einen kurzen vorwurfvollen Blick in Richtung Höllenelite und fasste Kato dann an den Schultern. „Du kannst wieder frei sein, von vorne anfangen und dich von alten Lasten lossagen.“

Das schien schlussendlich doch irgendeine Wirkung zu haben bei dem Sklaven. Er liess seinen Kopf nach vorn sinken und schaute den Boden an. Es war seltsam, plötzlich das genaue Gegenteil von dem zu hören, was Luzifer ihm immerzu eintrichterte. Denn hatte der Teufel ihm nicht gerade vorhin noch den Eindruck vermittelt, dass er sein Schicksal durchaus verdient hatte? Kato hatte ihm zugestimmt, war der Meinung gewesen, dass er in der Tat kein sehr vorbildliches Leben geführt hatte. Hatte er auch nicht, denn es waren seine Taten nach dem Tod, die sie ihm zugute gehalten hatten.

Kato hatte sich selbst auch schon gefragt, ob sie seine Sünden vielleicht aufwiegen konnten, aber insgeheim war er immer zum Schluss gekommen, dass das nicht der Fall sein konnte, weil er nicht aus Selbstlosigkeit gehandelt hatte. Er hatte nämlich alles für sich selbst getan, für sein Ego, für seine Neugier, seine Abenteuerlust und natürlich für Kira. Ein selbstironisches Grinsen schlich sich auf seine Lippen und er gab ein leises Schnauben von sich. Ja, schlussendlich hatte er es getan, weil er Kira wollte. Also aus purer, reiner Selbstsucht. Sein Handeln war nie vorbildlich gewesen, deswegen konnte man es ihm auch nicht zugute halten.

„Kato…“ sein Gegenüber schien zu ahnen, was in seinem Kopf abging, „… was auch immer dich bewegt Zweifel zu haben, es kann nicht die Wahrheit sein. Das hier ist die Hölle, hier gibt es keine Liebe. Wenn dir jemand etwas anderes weismachen will, so war es eine Lüge. Du kannst Zuversicht und Freundschaft nur im Himmel finden. Also zögere nicht länger.“
 

Kato spürte wie der seltsame Engel ihn eindringlich anschaute. Nervös versuchte er sich abzuwenden und erblickte dabei Lilith, die von hinten an sie herantrat. Sie hatte etwas in der Hand.

„Das hier ist übrigens noch für dich. Da es jetzt nicht mehr gebraucht wird, darfst du es mitnehmen.“ Sie hatte immer noch dieses seltsame Schmunzeln auf den Lippen, so dass Kato erstmal daran hängen blieb, bevor er sah, was sie ihm da eigentlich entgegenstreckte.
 

Als auf ihre Hände schaute, runzelte er die Stirn. Eine rote Akte?

„Was soll ich damit?“

„Oh, es ist die Akte, die du mal verloren hast. Du solltest sie ja zum Herrn der Fliegen bringen. Er war früher für die Korrespondenz mit dem Himmel zuständig, weil der Fall in dieser Akte etwas, nun ja, nennen wir es undurchsichtig, war. Öffne sie aber erst, wenn du einen Moment für dich hast.“

Kato starrte ihr verständnislos hinterher, während sie gelassen wieder zurück zu Luzifer schlenderte. Er verstand echt nicht mehr was abging, doch bevor er seinen Unmut verlauten lassen konnte, spürte er auch schon wieder eine Hand auf seinem Oberarm, die ihn gleichmässig begann in Richtung Ausgang zu ziehen. Er war geistig immer noch nicht auf der Höhe und wartete eigentlich darauf, dass jemand jetzt dann bald mal diesen Scherz abblies und alle über Kato und seine Leichtgläubigkeit zu lachen begannen.
 

In langsam schon weiter Ferne konnte er sehen, wie Lilith ihre Arme um Luzifer legte und sich dann in eine Schlange verwandelte. Er schob sie mit einer geübten Geste auf seine Schultern, während sein kalter Blick immer noch an Kato haftete, der mittlerweile von den Engeln durch die Tür geschoben wurde. Ohne wirklich zu wissen was er tat, begann er sich in dem Griff des Redensführers zu winden und wollte sich daraus lösen.

Etwas stimmte hier nicht, das fühlte sich nicht richtig für ihn an. Doch bevor er sich wirklich befreien konnte, griffen die Kumpane des blonden Engels ebenfalls nach ihm und brachten ihn zu viert zur Ruhe.

„Kato, wir wissen, dass du unentschlossen bist, aber lass uns dir versichern, dass es die einzig richtige Entscheidung sein kann diesen Ort zu verlassen. Sie haben dir Lügen in den Kopf gepflanzt und wenn du glaubst, dass auch nur einer von denen tatsächlich dein Freund wäre, gibst du dich einer Illusion hin. Das hier ist die Hölle, Kato, sie ist ein schwarzes Loch, dessen einziger Inhalt Lügen und Verrat sind.“

Seltsamerweise hatte das Wort Verrat tatsächlich einen Effekt auf den Sklaven, denn er liess überraschend von seinem Widerstand ab. Der blonde Engel schaute ihm tief in die Augen und meinte dann wieder in diesem schrecklich ruhigen Tonfall: „Es wird dir besser gehen, wenn du erstmal hier raus bist.“

Damit begannen sie sich in Bewegung zu setzen, Kato zu allen vier Seiten umringt von seinen himmlischen Wächtern. Und obwohl ihr Schritt gleichmässig war und alle geradeaus schauten, so war Kato geistig doch schon wieder an einem ganz anderen Ort. Er ging gerade seine Möglichkeiten durch und fragte sich, ob die Engel vielleicht Recht hatten. Hatte ihn diese Höllenbrut schon so sehr manipuliert, dass er nicht mehr erkannte, was er eigentlich wollte? Er hatte vorhin ja selbst schon gesagt, dass er sich sicher war, dass er zu Beginn seines Aufenthaltes hier alles dafür getan hätte, um die Hölle wieder zu verlassen. Wann hatte sich das verändert? Und noch wichtiger: Warum?
 

Weil er dachte, dass es vielleicht gar nicht so schlimm war?

Oder weil er so etwas wie Freunde gefunden hatte? Aber das Bunny war keine Freundin gewesen. Sie war eine hinterhältige Nephilim, die ihm sogar in ihrem letzten Moment noch hatte zeigen müssen, wie weit sie alles schon geplant gehabt hatte.

Oder vielleicht auch wegen Luzifer? Weil er zwar nicht Kira war, aber dennoch das Wesen, das ihm am nächsten kam…
 

Aber Kato wusste, dass Luzifer und Kira so ziemlich gar nichts gemein hatten. Es hatte keinen Zweck im Höllenfürsten nach einem Überbleibsel von ihm zu suchen. Also weswegen darum hierbleiben wollen…

Es war vielleicht wirklich besser, die Hölle zu verlassen und erstmal wieder den Kopf frei zu kriegen. Schliesslich trieben die hier sowieso alle nur ihre Spielchen mit ihm.
 

~~~
 

Als Kato wieder bewusst geradeaus schaute und seine Umgebung wahrnahm, bemerkte er, dass sich die vertrauten Steingänge um ihn herum langsam lichteten und dort am Ende des Tunnels – im wortwörtlichen Sinne – tatsächlich Licht war, Tageslicht.
 

Sie traten hinaus ins Freie und Kato fand sich auf einer grossen, weiten Ebene wieder. Es spross spärliches, gelbes Gras aus der aufgewühlten Erde und aus undefinierten Quellen stiegen in unregelmässigen Abständen Dunstwolken auf. Eigentlich war das ganze eine Einöde, trotzdem unterschied es sich in seiner gesamten Stimmung total vom ewigen Halblicht She’Ols. Über ihnen flogen sogar ein paar schwarze Vögel dahin und krähten mit hässlichen Stimmen. Kato reckte den Hals nach ihnen und musste die Augen zusammenkneifen als er plötzlich in die Sonne blickte. Es war wirklich seltsam.
 

Nicht unweit von ihnen stand auch schon ein grosses Flugschiff, das seine Begleiter anzusteuern schienen. Kato liess sich einfach leiten. Er war emotional immer noch in einem reichlich instabilen Zustand, weil er einfach nicht wusste, was er von der ganzen Sache halten sollte. Er überraschte ihn nicht nur, dass plötzlich jemand aufgetaucht war, um ihn zu „retten“, sondern noch mehr, dass man ihn hatte gehen lassen. Es entsprach nicht seinem Bild von der Hölle. Irgendwie hatte er einfach den Eindruck, dass da noch etwas kommen musste, dass die ganze Sache einen Hacken hatte. Schliesslich hatte alles einen Hacken in der Hölle, nichts war gratis und niemand tat etwas aus simpler Nettigkeit. Das hatte ihm das Bunny schliesslich auf sehr eindrückliche Weise beigebracht, allerdings….

Er presste unbewusst die rote Akte, die er immer noch in Händen gehalten hatte, gegen seine Brust. Allerdings wünschte er ihr trotzdem nicht den Tod. Er mochte sie auch jetzt noch…
 

Mit einem tiefen Seufzen schaute er auf und betrachtete die imposante Fassade des Schiffes. Eine Luke war ausgeklappt worden, um ihnen Einlass zu gewähren und der blonde Engel schob ihn mit sanftem Nachdruck der Rampe entgegen. Kato wehrte sich nicht, trotzdem war er sich immer noch nicht sicher. Man konnte alles auf die eine oder andere Weise betrachten, das wusste selbst er. Aber er war unsicher, ob er wirklich gehen wollte…

Die Engel geleiteten ihn hinein und brachten den immer noch leicht apathisch dreinstarrenden Kato dazu, sich auf einem Sitz mit Sicherheitsgurten niederzulassen. Bevor er wirklich wusste, wie ihm geschah, war er auch schon angeschnallt worden und die Motoren des Luftschiffes begannen zu dröhnen.
 

Mit müdem Blick schaute er aus dem kleinen Bullaugenfenster gleich neben sich und betrachtete noch einmal die verwüstete Landschaft. Die schwarzen Vögel hatten sich zwischen den Dunstschwaden niedergelassen und pickten trotz des startenden Schiffes unbeirrt auf der Erde herum. Es war ein ganzer Schwarm, der die Stelle regelrecht schwarz färbte. Kato beobachtete sie und sah trotzdem nicht besonders viel von dem, was sie taten. Plötzlich aber schien sie etwas aufzuschrecken und sie erhoben sich in wildem Flattern in die Luft, und wie sie so durcheinander schwirrten, glaubte der Sklave in ihrer Mitte etwas zu erkennen. Er presste sein Gesicht näher an die kühle Scheibe und versuchte es genauer zu sehen. Denn dort in der Mitte des Krähenschwarmes stand eine Person. Ihr dunkler Umhang flatterte in der unruhigen Luft und umspielte den Körper als wäre sie selbst Ursprung und Zentrum all dessen, was die Vögel in Aufruhr versetzt hatte.

Schliesslich lichtete sich der Schwarm und auch der letzte Vogel hatte sich in die Lüfte erhoben. Es war niemand mehr dort und Kato liess sich erschlagen in seinen Sitz zurücksinken. Hatte er sich das gerade eben nur eingebildet? Aber da war jemand gewesen. Eine Person genauso schwarz, wie die Krähen, die um sie herumgeflattert waren.
 

Eine Gänsehaut hatte ihn überfallen. Wenn es echt gewesen war, dann …

Er wollte es nicht aussprechen, stattdessen glitt sein Blick zu der Akte, die bisher unbeachtet auf seinem Schoss gelegen hatte. Keiner der Engel hatte sich bemüht, sie ihm wegzunehmen, also war jetzt vielleicht der Moment…
 

Andächtig liess er erst seine Finger über ihre Oberfläche gleiten. Das war also die rote Akte. Jene die er verloren hatte und die ihm unendliche Stunden des Kopfzerbrechens bereitet hatte. Für einen kurzen Moment kam ihm der Gedanke, dass diese miesen Höllenbastarde ihm gefälligst hätten mitteilen können, dass sie sie schon längst wieder zurück hatten. Aber dann schüttelte er den Kopf. Brachte jetzt auch nix mehr sich darüber aufzuregen.

Er warf noch mal einen Blick um sich, um sicherzustellen, dass auch alle Engel beschäftigt waren. Die meisten von ihnen befanden sich im Cockpit und der Rest war wohl mehr damit beschäftigt ihresgleichen von dem kurzen Trip in die tiefste Schicht der Hölle zu berichten. Musste wohl ein echtes Abenteuer für sie gewesen sein.
 

Kato verschwendete aber keine weiteren Gedanken daran, sondern schlug die Akte auf.

Gleich auf den ersten Blick erkannte er, dass es sich wohl ebenfalls um das Profil eines Verdammten handeln musste, nur verwirrte ihn ein bisschen was da stand:
 

Name: YUE KATO

Entität: Seele

Status: undefiniert

Daneben war auch noch ein Bild von ihm, das ihn in reichlich unvorteilhafter Pose darstellte und ihn dazu veranlasste einfach nur vollkommen perplex auf das Papier vor sich zu starren.
 

Was bitte…? Wollten die ihn verarschen, oder was?! Die rote Akte war seine Akte?! Und sie liessen ihn sie auch noch selbst herumschleppen, ging’s noch?! Und sowieso, was bitte schön hiess ‚Status: undefiniert’? Was an ihm war undefiniert?

Kato atmete schwer. Irgendwie empfand er eine seltsame, fast schon an Wut grenzende Empörung über diese Tatsache. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt, so dass das Papier darunter leicht zerknittert wurde. Also echt, was dachten die sich bloss dabei?

Unbewusst warf er noch mal einen Blick aus dem kleinen Fenster. Der Boden war jetzt schon in ziemlicher Entfernung, aber trotzdem noch vage zu erkennen. Er schaute hinunter, dann wieder zur Akte. Was hiess ‚Status: undefiniert’? Hiess es, dass die Engel recht gehabt hatten und er vielleicht tatsächlich nicht in die Hölle gehörte? Aber wenn das stimmte, warum hatte ihm Lilith dann die Akte gegeben, warum….?

Eine Weile lang starrte er einfach nur in die Leere. Lilith hatte diese Andeutungen gemacht von wegen freiwillig Hölle über Himmel wählen, aber das hatte er doch irgendwie sowieso gewollt. Warum hatten sie ihn also weggeschickt, wenn sie erwarteten, dass er sich ohnehin für sie entschied? Hiess das dann nicht, es war alles bloss wieder ein Spiel?! Katos Augen weiteten sich und dann fiel tatsächlich der Groschen…
 

… Es war nicht ein Spiel, es war ein Test!
 

Wie zur Bestätigung seiner These verspürte er ein ungewohntes Kribbeln auf der Haut rund um sein Becken. Er legte die Akte zur Seite und hob vorsichtig den Stoff der schwarzen Weste etwas an. Es überraschte ihn nicht mal sonderlich als er entdeckte, dass an jener Stelle blutrote Zeichen erschienen waren. Mit einem tiefen Aufseufzen liess er wieder von der Weste ab, schloss dann die Akte, die neben ihm lag und begann die Sicherheitsgurte zu lösen. Es war alles geplant gewesen, diese elenden Höllenbastarde! Oder viel mehr: dieser elende Luzifer! Freier Wille, pah! Dass er nicht lachte!
 

Er erhob sich und stolperte auf dem unruhigen Boden des Luftschiffes zu dem, was er als die Eingangsluke identifiziert hatte. Ohne gross darüber nachzudenken, begann er an ihr herumzureissen, so dass ziemlich schnell einer der Engel angerannt kam und ihn davon abhalten wollte. „Was tust du da?!“

„Ich will raus, sieht man doch!“, entgegnete Kato zwischen zusammengepressten Zähnen, während er immer noch an einem der Scharniere herumhantierte. Der Engel fasste ihm erschrocken dazwischen und versuchte den Sklaven von der Tür wegzukriegen, doch dieser wehrte sich mit unerwarteter Heftigkeit. „Ich sagte, ICH. WILL. RAUS!“ Er funkelte sein verwirrtes Gegenüber feindselig an, welches bloss abwehrend die Hände hob. Sogleich kam eine ganze Gruppe anderer Engel hinzugeeilt, um ihren überforderten Kameraden zu überstützen.

„Du kannst jetzt nicht mehr raus, wir sind schon in der Luft!“

„Das ist mir scheissegal! Ich will wieder nach unten und zwar sofort. Wenn es sein muss, springe ich auch!“ Etwas in Katos Augen liess die gesamte Truppe unruhig werden. Diese wilde Entschlossenheit, die für einmal in seinem Blick lag, liess die einen schlucken und führte zu einem verzagenden Kopfschütteln bei den anderen.

„Wenn du jetzt springst, wäre das dein Ende“, meinte einer von ihnen leise. Doch Kato verzog bloss den Mund zu einem frechen Grinsen. „Mein Ende? Ich bin doch schon tot, ich glaube kaum, dass mich noch was umbringen kann.“

Die meisten der Engel wandten betreten den Blick ab. „Wenn du in vollem Bewusstsein über die Konsequenzen hier hinaus springst, wendest du dich vom Guten ab, denn du wählst freiwillig die Hölle. Es käme einem Fall aus freiem Willen gleich.“

Kato musterte den Sprecher für einen Moment, begann dann aber zu lachen. Das war es also was Lilith gemeint hatte. Na dann war sie für einmal nicht besonders subtil gewesen. Mit festem Blick schaute er schliesslich in die Runde. „Ich will springen.“

Doch der vorderste Engel schüttelte bloss ungläubig den Kopf. „Wir können nicht zulassen, dass du das tust. Du bist eine verlorene Seele, wir müssen dich beschützen!“ Der junge Mann schien ernsthaft bemüht den Sklaven von seinem Vorhaben abzubringen, doch dieser zog bloss zynisch die Augenbraue hoch. „Mach dir mal keine Sorgen um mich, ich weiss was mich erwartet.“

„Aber…“
 

„So lasst ihn doch springen, wenn er das will…“ durchbrach eine unbekannte Stimme plötzlich die Runde und liess die Engel als auch Kato erstaunt das Haupt wenden. Die Menge teilte sich, um einem kleinen rothaarigen Jungen Platz zu machen. Er stellte sich vor die anderen und bewirkte bei Kato hauptsächlich ein ungläubiges Stirnrunzeln. War der Zwerg etwa der Anführer? Er wollte sich gar nicht über die genauen Hintergründe Gedanken machen.
 

„Aber Michael-sama, er wäre verloren, wenn er springt. Es gäbe keine Hoffnung mehr…“

Der Zwerg hob einhaltgebietend die Hand. „Und wenn schon, er ist nicht der Erste, der meinem Bruder hinterherspringt und er wird auch nicht der Letzte sein. Er wird schon selbst merken, was er davon hat. Was sollen wir die Masochisten von dem fernhalten, was sie lieben.“ Damit wandte er sich um, ging ein paar Schritte und drückte dann einen kleinen, unscheinbaren Knopf an der Wand. Kaum hatte er es getan, begannen die Metallblockaden an der Tür sich zu bewegen und sie schnappte auf. Heftiger Winde fegte in den Innenraum und riss an Katos Kleidung und Haaren. Die Engel waren alle ehrfürchtig einen Schritt zurückgewichen, während der Sklave nach unten schaute. Es bedurfte jetzt keiner Überlegung mehr, ob er das tun wollte oder nicht. Ohne sich noch einmal umzudrehen, sprang er.
 

(almost) THE END
 

A/N: Ich weiss nicht, ob es ganz klar wurde, denn Kato erkennt, dass Luzifer von ihm will, dass er wissentlich der Konsequenzen die Hölle wählt. Genauso wie er wollte, dass er es freiwillig mit ihm tut. Es ist also essentiell, dass er aus dem Luftschiff der Engel springt, weil auch er „fallen“ muss das ist halt Höllenromantik;P *rofl*
 

Ach ja, das ist das letzte "richtige" Kapitel. Nr. 53 ist mehr sowas wie ein Epilog, deswegen bin ich sehr gespannt auch eure Meinung*g*

Kapitel 53 - Epilog

A/N: Ich weiss, normalerweise ist etwas Kapitel ODER Epilog, aber ich konnte mich nicht so recht entscheiden, weswegen Nr. 53 irgendeine Art von Mischform ist in seiner Bezeichnung;P
 

Ihr könnt dieses letzte Kapitel als eine Art verfrühtes Weihnachtsgeschenk betrachten, das timing ist immerhin gar nicht so schlecht*G*
 

~~~
 

Kapitel 53 – Epilog
 

Alles drehte sich um ihn. Scheisse! Was hatte er sich bloss dabei gedacht?! Mühsam öffnete er die Augen und versuchte seine verschwommene Umgebung auszumachen. Im Halbdunkel konnte er nicht wirklich etwas erkennen, deswegen stemmte er sich auf seine Unterarme…. und wurde sogleich wieder nieder geschlagen! Etwas war ihm mit einem lauten Klatschen direkt auf den Kopf geknallt und liess den sowieso schon benommenen Sklaven gleich wieder zu Boden gehen [1].
 

„Arrrgh“ Schweratmend rollte er sich zur Seite und blieb erstmal so liegen. Das war doch echt ein Witz! Während er sich noch mit zusammengekniffenen Augen die schmerzende Stelle an seinem Kopf rieb, erklang plötzlich das gleichmässige Geräusch sich nähernder Schritte.

Kato linste durch seine halboffenen Lider und sah die untere Körperhälfte einer Person, deren langer schwarzer Mantel auf dem Boden schleifte. Na grossartig!

Ein Räuspern erklang. „Sag mal, hab ich dich hier nicht schon mal gesehen?“

Über ihm stand eine riesige Gestalt, eingehüllt in ihren dunklen Umhang und das Gesicht unter der grossen Kapuze verborgen. Kato entgegnete erstmal nichts, sondern begann sich bloss stöhnend in eine sitzende Position zu hieven. Als er es schliesslich geschafft hatte, die Beine unterzuschlagen, schaute er sich mit kritisch verzogenem Mund um.

„Wo bin ich hier?“

„Vorhölle“, war die einzig knappe Antwort der Gestalt, die Kato immer noch offensichtlich musterte. Jener warf einen weiteren Blick um sich und musste feststellen, dass er sich tatsächlich wieder in dem gotischen Raum befand. Seine Miene verzog sich zu einem selbstironischen Grinsen. Na dann stand wohl alles wieder auf Anfang…

Zu seiner eigenen Überraschung tat sich allerdings trotzdem einen kleiner Unterschied verglichen mit seinem letzten Mal hier auf: Um ihn herum lagen reihenweise lose Blätter verstreut.

Neugierig ergriff er eines und liess seinen Augen über die obersten Zeilen gleiten.

„…dritte Drogenerfahrung im Alter von dreizehn. THC-Konsum hinter dem Schulhaus, zudem Anstiftung Jüngerer…“

Kato musste gar nicht weiterlesen, um zu wissen, dass das seine Akte war. Plötzlich sehr schnell war er auf seine Füsse gekommen und hatte begonnen, die verstreuten Blätter aufzusammeln. Die Gestalt im Umhang beobachtete das ganze kommentarlos.

Während er wahllos und ungeordnet das Papier in seine Arme schaufelte, spürte er plötzlich etwas Härteres dazwischen. Mit einem Stirnrunzeln wischte er die obersten Blätter weg und hielt plötzlich den Umschlag der Akte in Händen. Er war schwarz[2]. Und als ob das nicht genug wäre, lag darunter auch gleich das berüchtigte Titelblatt. Kato scannte es flüchtig. Es sah gleich aus wie vorhin, allerdings gab es einen kleinen Unterschied…
 

Name: YUE KATO

Entität: Seele

Status: Verdammter
 

Ja, vielen Dank auch. Er verzog das Gesicht. Mussten die ihm das gleich so deutlich auf die Nase binden?! Dann jedoch seufzte er tief und stopfte die Blätter wie sie waren in den schwarzen Umschlag. Der Bote gab ein abfälliges Geräusch von sich.

„Bist du dann endlich soweit?“

Kato erwiderte nichts, sondern stellte sich bloss mit einem demonstrativ angenervten Gesichtssausdruck gerade hin und presste die Akte an seine Brust. „Wo gehen wir hin?“

„Na zur Gerichtsverhandlung.“ Der Bote begann sich in Bewegung zu setzen.

„Aber da war ich doch schon“, Kato folgte ihm erstaunlich widerstandslos, bis sie wieder in den immer dunkler werdenden Gang einbogen.

„Das ist nicht mein Problem. Von hier aus gibt es bloss einen Weg und der führt zu den Gerichtssälen.“

„Pff“, also echt, was diskutierte er überhaupt noch mit dem Kerl. Der war heute sowieso irgendwie noch mieser drauf als das letzte Mal. Ausserdem wusste Kato ja schon was ihn erwartete. Mit einer Mischung aus Resignation, Genervtheit über sein eigenes Handeln, aber auch Erwartung schlenderte er hinter dem Boten her. Um ihn herum wurde es immer dunkler und er wusste, dass jetzt mal bald der Moment kommen würde, wo er auf das Loch im Boden stossen würde. Eigentlich war er ganz froh, dass er wenigstens darauf schon mental vorbereitet war… nur dummerweise war ihm dabei ein kleines Datei entfallen...

So kam es dann, dass er schlussendlich doch nicht ganz so gut vorbereitet war, als der Bote plötzlich beschloss, ihm einen harten Stoss ihn die Schulterpartie zu verpassen, welcher den Sklaven nach vorn katapultierte und ihn fallen liess …. schon wieder.
 

~~~
 

Und schon wieder schlug er hart auf. Also echt, was hatten diese Höllenbewohner bloss mit diesem Fallen? Er konnte schon beinahe nicht mehr zählen wie oft das in letzter Zeit passiert war. Mit einem tiefen Einatmen drehte er sich auf den Rücken und blieb liegen.

„Raff dich auf, Kretin!“

Uh, die Stimme kam ihm in der Tat bekannt vor. Neben ihm erklang das Klacken von Absätzen auf hartem Boden und Kato machte sich gar nicht erst die Mühe nachzusehen, wer sich ihm da näherte. Stattdessen legte er den Arm über seine Augen und beschloss einfach noch ein bisschen zu ignorieren. Irgendwie betrachtete er es nach der letzten gemeinen Episode als sein Recht noch etwas zu trotzen.

„Du wagst es…?!“ Belials Stimme zischte ihm drohend entgegen, wurde aber sogleich von einer höheren übertönt, welche auch noch von einem Quietschen gefolgt wurde.

„Katooooo-kuuuun!

Kato wollte aufsehen, kam aber nicht mehr dazu, weil sich etwas überaus schwungvoll auf seine Hüften setzte und ihn zu Boden drückte. Seine Augen schnappten reflexartig auf, doch anstatt mit dem seltsamen Übeltäter konfrontiert zu werden, sah er nur…..Brüste! Sofort schnellte sein Kopf nach hinten und schlug gleich noch mal hart auf dem Untergrund auf. „AU… zum Teufel!“
 

Zwei lachende Stimmen ertönten, dann räusperte sich die eine und die andere murmelte liebevoll „du Trottel“.

Vorsichtig öffnete er seine Augen noch mal und erblickte über sich tatsächlich ein freudestrahlendes Bunny.

„Hallo Kato-kun“, sie lächelte.

Kato selbst brachte nicht viel mehr als ein bescheidenes Nicken zustande, denn er war gerade etwas zu sehr damit beschäftigt von ihrem Outfit abgelenkt zu sein. Es war…. anders.

Sehr luftig und lackledrig. Eigentlich schien es nichts weiter als ein Bikini zu sein.

„Wie siehst du denn aus?“

Das Bunny zog eine Schnute. „Gefällt es dir nicht?“, sie sass etwas zurück und stemmte die Hände in die Hüften, so dass der Sklave dieses Mal sehr deutlich sehen konnte, dass sich um ihren Hals ein ebenfalls farblich angepasstes Halsband wand. Davon führte zudem eine feine Leine weg von ihrem Körper und in die Hand des Verrückten Hutmachers, der mit legerer Haltung daneben stand. Kato musterte die beiden mit konsterniertem Blick. Hatten die sich das letzte Mal nicht noch gegenseitig umbringen wollen?

Dann folgte ein kurzes Ziehen an der Leine und das Bunny erhob sich kommentarlos. Kato war sprachlos, während er dabei zusah, wie die Nephilim brav hinter Belial herdackelte und bei jedem Schritt der schwarze Puschel an ihrem Hotpants verdächtig auf- und abwippte. Wahrscheinlich hatte ihm der Mund offengestanden, denn der Hutmacher wandte sich um und erbarmte sich schliesslich zu erklären: „Du scheinst dich über die veränderte Erscheinung des Märzhasen zu wundern?“ Kato nickte stumm, fügte aber in Gedanken noch hinzu, dass es ihn eigentlich noch viel mehr wunderte, dass der Märzhase noch lebte!
 

„Wie du dich vielleicht erinnerst, lautete das Urteil Exekution nach Ermessen des Meistgeschädigten. Das schliesst auch den Moment jener ein, somit gehört das Leben des Verurteilten dem Meistgeschädigten bis zu dem Moment, wo es endet.“

Aha, und warum war der Hase jetzt halbnackt? Er schaute zum Bunny, die ihn schräg angrinste. Irgendwas an ihrem Blick sagte ihm, dass sie es selbst wohl doch nur halb so toll fand, während der Hutmacher mehr als befriedigt dreinschaute. „Das ganze ist eine Definitionsfrage. Im Klartext heisst es, dass sie jetzt ebenfalls ein Sklavendasein fristet, genau wie du.“[3]

Katos Augenbraue wanderte nach oben. Er wusste nicht, ob er skeptisch oder erfreut über diese Aussage sein sollte. Natürlich war es toll, dass sie noch lebte, aber das ganze kam ja offensichtlich nicht ohne Haken, und wer wollte schon sein Leben an den Verrückten Hutmacher verpfändet wissen?! Er wandte seinen Blick noch einmal zum Bunny. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und den Mund verzogen. Die Situation schien ihr ebenfalls nur mässig zu gefallen, trotzdem kam Kato nicht umhin eine gewisse Wärme in seiner Brust zu verspüren, während er sie so dastehen sah. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Sie war am Leben und sie war ihm quietschend um den Hals gefallen, also war sie nach wie vor der Märzhase. Etwas freizügiger als gewohnt, aber schlussendlich war sie mindestens genauso verrückt und verschlagen wie der Hutmacher. Was die Nephilim anging – so hatte Kato beschlossen - konnte er ihr nicht helfen. Schliesslich hatten sie beide Entscheidungen getroffen, für die sie jetzt einstehen mussten, aber der Märzhase würde schon zurecht gekommen. Sie und der Hutmacher gehörten schliesslich zum selben Schlag… selbst wenn das hiess, dass sich die beiden gegenseitig von hinten abstachen. Er machte sich also keine allzu grossen Sorgen mehr um sie.
 

Ein erneutes Ziehen an der Leine folgte, dann wandte der Hutmacher sich um. Das Bunny winkte Kato noch einmal zu, bevor sie begann, hinter ihrem neuen Herrn hertrippelnd, von dannen zu ziehen. Kato schaute dem bizarren Paar mit leichtem Kopfschütteln hinterher. Sie waren wirklich ein seltsames Gespann. Gerade im Moment konnte er sowieso kaum glauben, dass er sich freiwillig für solche Gesellschaft entschieden hatte. Es amüsierte und erstaunte ihn zugleich, fast wie eine seltsame Form von Galgenhumor, denn die Hauptattraktion in diesem Stück fehlte immer noch.

Er schaute ihnen nach, wie die zwei am anderen Ende des Raumes endgültig verschwanden. Gleichzeitig wusste Kato aber auch, dass er nicht allein war. Er war schon die ganze Zeit über hier gewesen. Schon seit Beginn dieser kleinen Wiedersehensepisode war er da gewesen, hatte es aber vorgezogen sich im Hintergrund zu halten. Kato wusste nicht warum, aber wenn der Teufel sich nicht eingemischt hatte, hatte er wohl seine Gründe. Er hatte lang schon aufgehört, solche Dinge zu hinterfragen. Tief atmete er ein und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Luft um ihn herum plötzlich schwerer schien. Eine Anspannung war da, die sich vorhin in der Gegenwart des Hutmachers und des Märzhases noch leichter hatte überspielen lassen. Er war nervös. Bisher hatte er Luzifer nur den Rücken zugewandt, aber der Moment der Wahrheit liess sich nicht mehr länger hinauszögern.
 

Langsam dreht er sich um und erspähte dort an den hohen Stuhl des Richters gelehnt den Höllenfürsten. Er beobachtete Kato, machte ansonsten aber keine Anstalten irgendeiner Reaktion. Um die mächtige, hölzerne Stuhllehne wand sich Lilith, die sich mit ihrer roten Hautfarbe wunderbar vom dunklen Untergrund abhob und im Gegensatz zu ihrem Herrn eifrig mit dem Kopf auf- und abwippte. Kato deutete das ganze als Zeichen, dass er herkommen sollte.

Er seufzte noch einmal tief und wischte sich die Haare aus dem Gesicht, bevor er sich in Bewegung setzte. Vor Luzifer blieb er stehen, doch anstatt diesen zu fokussieren, wandte er seinen Blick zu Lilth, deren vordere Hälfte sich nun in Wellenform zu Kato hin ausdehnte. Er streichelte ihr sacht über den kleinen Kopf und murmelte: „Ich freu mich auch dich zu sehen.“. Dann jedoch fügte er etwas deutlicher hinzu: „auch wenn das mit der Akte fies war.“

Lilith zischelte ihm etwas entgegen, was Kato bloss unbeeindruckt die Augenbraue hochziehen liess. Dann legte er die schwarze Akte auf dem Sitzpolster unter ihr ab und die Schlange schien zu grinsen. Gemächlich liess sie ihren langen Körper herunter und rollte sich dann über der Akte zusammen. Kato beobachtete das ganze, ohne dabei wirklich zuzusehen. Es war bloss eine weitere Geste, um Zeit zu schinden. Erst als Lilith sich schliesslich gar nicht mehr rührte, wusste er, dass er dem Unvermeidlichen nicht länger ausweichen konnte. Er musste dem Teufel in die Augen blicken.
 

Mit fast schon zeitlupenartiger Langsamkeit drehte er sich um. Sein Gesicht wandte sich nach oben und schaute schliesslich in die kalten Iriden des Höllenfürsten. Dieser wirkte amüsiert und hob und in allzu bekannter Manier seine Hand an Katos Wange. „Wovor hast du Angst? Bist du nicht freiwillig gesprungen?“

Kato biss sich auf die Unterlippe. Ja, er war freiwillig gesprungen, aber irgendwie war das ganze so etwas….

Kühle Lippen legten sich auf seine und sofort erstarrte der Sklave, nur um sich dann langsam wieder zu entspannen. Ja, er war freiwillig gesprungen. Es gab keinen Grund Angst zu haben. Seine Hände gruben sich in den Stoff von Luzifers Kleidung. Er erwiderte den Kuss. Hitze begann in ihm aufzusteigen und wieder konnte er das seltsame Kribbeln spüren, von dem er wusste, dass es für einmal nicht von seinem eigenen Körper ausgelöst wurde. Verwirrt löste er sich aus dem Kuss und schaute an sich herunter. Er konnte spüren, dass sie wieder da waren….

Mit einer zögerlichen Geste hob er sein Hemd hoch und sah die blutroten Zeichen, die seine weisse Haut schmückten. Im Gleichtakt mit seinem Herzschlag schienen sie von einem Glühen erfüllt, nur um dann, der abebbenden Hitze gleich, langsam wieder zu verblassen.

Verwirrt richtete der Sklave seine Aufmerksamkeit wieder auf Luzifer.

„Was bedeutet das?“
 

Der Höllenfürst verzog den Mund zu einem mysteriösen Lächeln. „Es kennzeichnet dich als meinen Besitz.“ Er zog den Sklaven noch ein Stück dichter zu sich heran, so dass er den Atem seines Herrn auf seinem Gesicht spüren konnte. „Und es sorgt dafür, dass mein Besitz niemals zu weit von mir entfernt ist.“

Erneut legten sich Lippen auf jene Katos. Dieser gab ein ersticktes Geräusch von sich, während er sich so rein prinzipiell eigentlich wehren und den Teufel von sich stossen wollte. Dann jedoch überwältigte ihn wieder dieses seltsame Gefühl von Wärme und er schloss stattdessen die Augen. Sein Verstand war für einmal erstaunlich ruhig. Luzifers Aussage überraschte ihn eigentlich nicht, im Gegenteil, sie bestätigte, was er erwartet hatte. Es war alles nur ein Spiel und trotzdem verspürte er in den marmornen Armen des Teufels ein seltsam trügerisches Gefühl der Sicherheit. Er wusste, er würde Luzifer nie ganz verstehen oder seine Launen voraussehen können. Aber Kato hatte sich für das hier entschieden. Es war die Hölle, aber es gab keinen Ort, an dem er lieber gewesen wäre. Hier war all das und all jene, die ihm am meisten bedeuteten. Seine Arme legte sich um den Hals des Teufels.

Dann lösten sich die Lippen wieder von seinen und wanderten stattdessen zu seinem Ohr, um dort drei Worte zu flüstern, die Kato zwar schon oft gehört hatte, aber die ihm noch nie so wahr erschienen hatten, wie jetzt gerade in diesem Moment.
 

„Du bist mein“
 

Die Umarmung löste sich und Luzifer tat einen Schritt weg von ihm. Kato verzog das Gesicht.

Während der Höllenfürst sich umdrehte und sich zum Gehen wandte, streckte er seinem Sklaven mit der üblichen kühlen Selbstverständlichkeit die Hand hin. Kato starrte sie einen Moment lang an und murmelte dann kaum verständlich: „Ja ja, ich weiss.“

Damit legte er seine Hand in die des Teufels und ging mit.
 

ENDE
 


 

A/N: Es ist wahrscheinlich niemandem aufgefallen, aber der erste Satz des Epilogs ist genau derselbe wie der des ersten Kapitels. Ich fand es irgendwie schön, da diese Wiederholung drin zu haben, wenn ich Kato im setting schon wieder von vorne anfangen lasse;P
 

[1] Das Ding, das Kato auf den Kopf knallt, ist natürlich seine eigene Akte;P

[2] Nur um das ganz klar zu machen: Katos Akte war vorher rot, weil sein Status „undefiniert“ war, ob er wirklich in die Hölle gehört ist noch nicht ganz sicher. Als er sich dann aber entschliesst freiwillig zu springen, wird er zu einem Verdammten, womit sein Fall abgeschlossen und die Akte wieder schwarze werden würde.

[3] Hat Beli von Anfang an geplant, das Bunny eigentlich nicht zu töten, sondern auf diese Art zu bestrafen? Hmm, who knows, es war auf jeden Fall die Offenheit von Luzifers Urteil, die sie sich zu nutze gemacht hat, aber ob es nun geplant oder spontan war, bleibt offen
 

Schlusswort:

So, das war’s, Ende. Finito. Nachdem ich solange an SuS geschrieben habe, ist es endlich vollendet^^ Ich kann es manchmal selbst nicht recht glauben. Wenn einem ein Projekt solange begleitet hat, ist es seltsam, wenn es plötzlich fertig ist.

Da ich aber nicht ganz ohne Stress leben kann, hab ich schon ein paar neue Sachen am Start. Momentan hat mit das Kuroshitsuji fandom fest im Griff, weswegen ich dort schon mit einer neuen FF, die sich "Götterdämmerung" nennt, begonnen habe (ihr könnt sie hier auf Mexx finden). Und ich habe auch noch eine weitere Kuro Story in Planung, die aber inhaltlich mehr richtung Komödie gehen soll^^ Ich hoffe, der eine oder andere Leser von SuS findet auch an den neuen Sachen gefallen. Wie immer freue ich mich über Kommentare*g*
 

In dem Sinne, lang hat’s gedauert, aber finally it’s the End



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu dieser Fanfic (44)
[1] [2] [3] [4] [5]
/ 5

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  moe_rikyou
2012-02-29T12:11:30+00:00 29.02.2012 13:11
Hey,

ich habe diese FF schon vor langer Zeit einmal auf yaoi.de angefangen, aber da ging es nur bis, ich glaube, Kapitel 33 und dann habe ich irgendwie aufgehört...Frag mich nicht warum. Jedenfalls habe ich sie jetzt in den letzten paar Tagen in einem Rutsch durchgelesen und finde sie wirklich sehr gut.
Man sieht wirklich, dass du in der Zeit eine Entwicklung durchgemacht hast.
Allerdings komme ich mit einer Sache nicht so ganz klar...Warum ist Kato jetzt ein Verdammter? Müsste er nicht den gleichen Status wie Lilith haben? Er hat doch wie sie freiwillig den Himmel verlassen...Das leuchtet mir irgendwie nicht so ganz ein. Könntest du mir das nochmal erklären?

Ansonsten finde ich das Ende richtig schön und Roderis lebt!! *.* Das ist neben dem LuzixKato-Happy-End das beste! ^^

GLG moe
Von:  Purrgatory
2010-01-26T09:15:14+00:00 26.01.2010 10:15
*.*
WoW...
Mir...fehlen die Worte...
Ich hab zwar echt lange um Lesen gebraucht, aber die Geschichte war einfach nur der Hammer!
Ich mag deinen Schreibstil echt gerne!
Außerdem hatte ich das Gefühl, dass du dir wirklich Gedanken darum gemacht hast!!!
Was ich etwas schade fand, waren die Adult Kappis...
Nich das ich es jetzt so nötig hätte, aber ich hab nach eigtl jedem Adult-Kapitel gedacht, dass mir etwas aus der Story fehlt...
Und das ist doof...
Weil ich die STory mag...:D
Nya...Davon mal abgesehen, fand ich die echt super!
Wenn es eine Bewertung für Famfics geben würde, bekämst du eine 1+ *lach*
LG und schreib schön weiter
Sinje
Von:  thoco
2009-12-26T00:06:05+00:00 26.12.2009 01:06
Q_________________________Q
es ist zu ende ...
sowas macht mich doch traurig T///T
aber ein schönes ende~ ^^~
hab mir fast schon gedacht, dass es für das bunny fast schlimm ist weiterzuleben <.<
es musste ja so kommen XD aber find ich gut~ x3
mag die ja doch irgendwo ^^
nu isser wieder sklave XDDD aber was anderes passt ja auch gar nicht zu ihm~
echt mal ... der hätts doch im himmel niemals ausgehalten *lach*
was mich nur interssiert, ob er nun wieder sein halsband umbekommt x3
O.O
hab mir aber kato auch schon früher mal als neue höllenbraut vorgestellt *wegkringel* fand die idee nur süß~
wie er sich da wieder gesträubt hätte x333~ <3
schade, dass es wirklich zu ende ist Q__Q
werds auf jeden fall vermissen~ war bzw ist echt eine suuuuuper tolle story
werd kato und luzi vermissen Q///Q~
Von:  thoco
2009-12-25T20:20:47+00:00 25.12.2009 21:20
ey der soll in der hölle bleiben .///.
auch wenn er den himmel verdient hat >3<

Von:  thoco
2009-12-24T02:01:46+00:00 24.12.2009 03:01
Q_______________________________________________Q
eigentlich mag ich traurige sachen, aber das war zu viel T___T
armer kato
Von:  thoco
2009-12-23T22:17:48+00:00 23.12.2009 23:17
ich glaube eins oder vielleicht das beste kapitel bisher~
*_________________*
die sichtweise is echt toll~
*schnurr*
und vom chara wirklich schön durchzogen~
könnte von mir aus so weiter gehen~
Von:  dark-butterfly
2009-12-20T23:05:14+00:00 21.12.2009 00:05
Ein wirklich tolles Ende^^

Ich finde es auch toll das, dass Bunny noch da ist XD
auch wenn ich schreklich lachen musste das sie jetzt dem Hutmacher gehört, einfach super!
Also das Kato jetzt so selbstsicher ist, dass merkt man besonderst als er mit Luzifer weg geht am Ende, ist wohl das beste am ganzen Epilog.
Die entwicklung der er in der FF gemacht hat, was er alles erlebt hat...
Du hast wirklich einen so tollen Schreibstil, dass man die FF nicht liest sondern viel eher sieht. Man kann sich alles so vorstellen, die Gefühle und die Personen das man nicht mal merkt das man liest.. also so ging es mir die meiste Zeit XD
Also alles was eine gute Story ausmacht, dass hat SuS!
Ich werde es wirklich vermissen etwas von Kato zu lesen *schnief*
aber so blöd es sich auch anhören mag, es ist schön das er jetzt Sklave Luzifers ist und auf ewig in der Hölle sitzt ;b wenn es ihn glücklich macht... oder so ähnlich ^^

LG d-b
Von: abgemeldet
2009-12-20T19:08:04+00:00 20.12.2009 20:08
Milli-chan: Wie fandest du es?
Rachestern: Die Geschichte hat ein ihr würdiges Ende gefunden und es ist eine wirklich gute Geschichte.
Milli-chan: Find ich auch. Ich find die Blutzeichen voll cool.
Rachestern: Stimmt, aber, dass das Bunny noch lebt ist auch voll cool, obwohl, wenn man Belials Sklavin sein muss... ich weiß nicht ob ich dann doch lieber gestorben wär. Aber dennoch bin ich froh, dass sie lebt, sie ist mir total ans Herz gewachsen.
Milli-chan: Ja, schade, dass es zu Ende ist, aber so ist halt das Leben.
Rachestern: Stimmt, ich hoffe, dass wir wieder was cooles von ihr finden zu einem Manga den wir kennen.
Milli-chan: Ja, ihr Schreibstil ist wirklich klasse.
Beide: Somit können wir wieder sagen: Wir ziehen den Hut vor dir.^^
Von: abgemeldet
2009-12-13T21:25:24+00:00 13.12.2009 22:25
Deine gesammte Geschichte ist nur so was von der Hamma. Ich hab sie gerade erst komplett gelesen und konnte mich gar nicht mehr vom Bildschirm lösen und meine Katze hat sich schon vernachlässigt gefühlt, als sie ihre Streicheleinheiten nicht bekommen hat. Wirklich schade, dass es jezz das Ende sein soll. Freu mich aber dafür umso mehr auf den Epilog.
Und die Sache mit Mika-chan war genial, ihn noch mal einzubringen war ziemlich klug, aber ich meinte eigentlich auch, dass Kato Michael im Manga begegnet ist. Es war nicht ganz klar, ob er ihn nun kannte, oder nicht, dafür war es aber umso cooler^^

Milli-chan und Rachestern ziehen den Hut vor dir
Von: abgemeldet
2009-12-13T21:19:23+00:00 13.12.2009 22:19
Deine gesammte Geschichte ist nur so was von der Hamma. Ich hab sie gerade erst komplett gelesen und konnte mich gar nicht mehr vom Bildschirm lösen und meine Katze hat sich schon vernachlässigt gefühlt, als sie ihre Streicheleinheiten nicht bekommen hat. Wirklich schade, dass es jezz das Ende sein soll. Freu mich aber dafür umso mehr auf den Epilog.
Und die Sache mit Mika-chan war genial, ihn noch mal einzubringen war ziemlich klug, aber ich meinte eigentlich auch, dass Kato Michael im Manga begegnet ist. Es war nicht ganz klar, ob er ihn nun kannte, oder nicht, dafür war es aber umso cooler^^

Milli-chan und Rachestern ziehen den Hut vor dir


Zurück