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Hoffnung zu Asche

Schatten und Licht, Band 2
von

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Abschied und Aufbruch

Die Sonne lachte auf das Flugfeld am Rande der Stadt Palas, als Hitomi, die Königin Farnelias, Cid, der Herzog Fraids, und dessen Onkel Elhad Dar Fraid von König Aston von Astoria, König Van von Farnelia und einer Ehrenformation der Palastwache verabschiedet wurden. Der jungen Herrscherin hingegen war zum Heulen zumute, während die Würdenträger einander die Hände durchreichten. Hinter ihr stand das Schiff Fraids, das aus weißen Anbauten bestand, die an einem schwarzen Flugfelsen befestigt waren.

Der Abschiedsgruß für Aston kam ihr leicht über die Lippen, doch bei Van, ihrem frisch angetrauten Ehemann, spürte sie einen Kloß im Hals. Sie verabschiedeten sich auf unbestimmte Zeit, wie so oft. Während er über seinen Abschiedsschmerz hinweg lächelte, konnte Hitomi kaum ihr Gesicht wahren. Noch in dem Augenblick, da er ihre Hände ergriff, kullerte eine Träne über ihre Wange. Als er sich vorbeugte, strömten auf sie sämtliche Eindrücke ein, die ihn für sie unsterblich machten. Der Duft nach frischen Gras, die Wärme einer kuscheligen Decke, das sanfte Raunen seiner Stimme wie das Rascheln von Blättern in Wind. Der sanfte Griff seiner Hände war wie ein Anker und das rustikale Braun seiner Augen war der feste Grund, in dem sie Wurzeln schlagen wollte. Ungeachtet der Etikette küsste er ihr das kostbare Nass von der Wange und rang ihr somit ein Lächeln ab.

„Wir sollten uns immer mit einem Lachen verabschieden.“, flüsterte er heiter. „Damit wir uns so in Erinnerung behalten.“

„Ich werde es mir merken.“, versicherte sie, woraufhin sie scheu seine Lippe küsste. Wie so oft in der letzten Zeit kam ihr mit Grauen die bevorstehende Invasion der Gezeichneten in Farnelia ins Bewusstsein. „Bitte pass auf dich auf! Lass mich ja nicht allein!“, bat sie mit leiser Verzweiflung.

„Gleichfalls!“, konterte Van scheinbar sorglos, versicherte dann aber ernst: „Auf nichts freue ich mich mehr als dich persönlich zu empfangen, wenn du zurückkommst.“

„Danke.“, antwortete Hitomi kaum zuversichtlicher, doch sie wusste, mehr konnte sie von einem Krieger wie Van nicht erwarten. „Ich geh dann.“

„Ich halte dich nicht auf.“, scherzte Van.

„Doch, tust du, aber dafür kannst du nichts.“

Dann war der Augenblick der Zweisamkeit vorbei und die Wirklichkeit drang mittels eines Hüsteln wieder zu dem Paar durch. Aston verlagerte ungeduldig sein massiges Gewicht von einem Fuß auf den anderen, Elhad starrte erbost, nur Cid grinste über beide Ohren. Hitomi nahm sich fest vor, ihn irgendwie für seine Anteilnahme an dem Glück anderer zu belohnen. Es war höchste Zeit, dass der Junge sein eigenes fand.

Zaghaft nahm die junge Königin Abstand von ihrem Ehegatten. Sie führte die beiden Streithähne Cid und Elhad die Rampe zum Schiff hinauf. Kurz vor der Luke drehte sich alle drei der Etikette gemäß um und winkten. Während Hitomi mechanisch mit ihrer Hand wedelte, prägte sie sich Vans Anblick genau ein. Es war eines, die eigenen Gedanken über alle Entfernungen hinweg mit dem Partner teilen zu können. Die Gewissheit ihn neben sich zu wissen war eine ganz andere. Die Rampe schloss sich vor ihren Augen und statt seinem munteren Lächeln sah sie nur kaltes Metall. Hinter grunzte Elhad verächtlich.

„Wir können die Schlichtung auch verkürzen.“, schlug er vor und reckte dabei siegessicher die Brust hervor. „Wir müssten nicht einmal losfliegen. Der Junge muss nur auf seinen Anspruch verzichten und ihr könnt zurück zu eurem Liebsten.“

„Niemals!“, blockte Cid den Vorstoß seines Onkels ab. Der Junge wandte sich dem stämmigen Mann ohne das geringste Anzeichen an Respekt zu. „Ich habe Vaters Erbe angetreten um es zu beschützen. Euch würde ich Fraid niemals überlassen. Vater hat euch nie gemocht und euer Verhalten bestätigt seine Meinung nur noch.“

„Versteh es endlich, Junge! Mein Bruder ist nicht dein Vater!“

„Er ist es! Er hat mich erzogen.“

„Aber nicht gezeugt und nur...“

„Genug!“, unterbrach Hitomi den ausufernden Streit. „Die Verhandlungen beginnen erst in Fraid. Den Flug dorthin sollten sie nutzen, um ihre Positionen abzustecken und Raum für Kompromisse zu erfassen. Ohne den werden wir nicht weit kommen. Bitte ziehen sie sich zurück.“

Cid schmollte, doch er schien sich ihrer Anweisung zu fügen. Elhad hingegen widersprach:

„Nein! Ich möchte wissen, was ihr mit dem Möchtegern besprochen habt. Er hat offensichtlich nicht vor zurückzutreten, obwohl ihr ihn angeblich doch überzeugen wolltet.“

„Ich habe es versucht! Falls ihr andeuten möchtet, ich wäre befangen, könnt ihr euch den Atem sparen“, erwiderte die Vermittlerin und sagte dann spitz zu Cid. „Ich persönlich kann gar nicht glauben, dass du dich freiwillig mit Leuten wie deinem Onkel abgeben möchtest.“

Der junge Herzog lächelte, doch bevor er antworten konnte, kam ihm Elhad zuvor.

„Ich möchte andeuten, dass ihr Verständnis für seine Position aufbringt, meinen Anspruch aber nicht nachvollziehen könnt.“

„Das ist wahr.“, gab die Königin zu, die von der Erkenntnis des alten, stämmigen Mannes kurz überrascht war.

„Dann lasst es mich euch in Ruhe erklären.“ Da sie ihn unschlüssig ansah, erklärte er: „Ich fordere ein persönliches Gespräch, so wie ihr es mit dem Jungen hattet.“

„Einverstanden.“, sagte Hitomi zaghaft zu. „Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?“, fragte sie Cidt.

„Du könntest in den Salon gehen.“, überlegte der Junge. „Er ist komfortabel eingerichtet und nur wenigen zugänglich.“ Als Hitomi zustimmend nickte, befahl Cid dem Kapitän des Schiffes sie in den Salon des Schiffes zu bringen. Auf dem Weg dorthin durch enge Flure blieb Elhad stets ein paar Schritte hinter ihr, was ihr seltsam vorkam. Männer hatten in Fraid bei allen Dingen vortritt. Ob sie wohl genug Zähne gezeigt hatte? Vielleicht hielt er sich auch nur aus Gewohnheit an internationalen Gepflogenheiten.

Im Salon angekommen, verabschiedete sich der Kapitän und hastete den Gang weiter zur Brücke. Die Königin sah sich etwas verloren im vornehm ausgestatteten Zimmer um. Es gab ein paar Sessel, einige Tische, an denen gepolsterte Stühle gereiht waren, eine bescheidene Sammlung an gebundenen Büchern und vereinzelte Gemälde an den Wänden. Fenster boten einen imposanten Ausblick auf den Horizont, der langsam sank.

Hitomi führte Elhad zum niedrigsten Tisch, der von zwei Sesseln flaniert wurde. Während sie sich langsam niederließ und aufrecht sitzen blieb, plumpste Elhad in die weiche Sitzgelegenheit und ließ es sich gut gehen. Von dem plötzlichen Sinneswandel überrascht, ging ihr ein Licht auf. Nun konnte sie auch die ständigen verstohlenen Blicke in ihre Richtung deuten. Plötzlich erinnerte sie sich an ihr Gespräch mit Folken in Palas und verstand, Cids Misstrauen zu seinem Onkel beruhte auf Gegenseitigkeit.

„Ich höre.“, verkündete sie leicht unterkühlt.

„Ihr solltet euer törichtes Vorhaben, dem Bengel seine Macht zu sichern, aufgeben. Es führt zum Krieg.“, platzte der beleibte Adlige ihr fast dazwischen. Oioioi, dachte sich Hitomi, war aber zu baff, als dass sie etwas sagen konnte. „Je länger er auf den Thron sitzt, desto mehr wird die Unterstützung für ihn auf Grund seines Aussehens bröckeln. Früher oder später wird es zu Gewalt kommen, selbst wenn ich jetzt verzichten würde.“

„Bislang ist davon aber noch nichts zu sehen, wie mir berichtet wurde.“, wandte sie ein. „Das Volk bewundert ihn immer noch für die Bewältigung des Wiederaufbaus der Hauptstadt und der Worte, die er öffentlich an die Familien der im Krieg Gefallenen gerichtet hatte.“

„Er ist ein Naturtalent.“, gestand Elhad. „Aber der Pöbel vergisst, an seine zweifelhafte Herkunft werden sie jedoch immer wieder erinnert werden. Man braucht ihn nur einmal anzusehen.“ Als wolle er seinen Punkt unterstreichen, sah Elhad sie plötzlich direkt an. „In eurer Heimat gibt es doch auch eine Monarchie.“

„Es gibt eine, auch wenn wir nicht mehr von ihr regiert werden.“, gab sie zu.

„Wer herrscht dann...Ach, ich will es nicht wissen.“, erwiderte er ungläubig. „Wie würdet ihr euch fühlen, wenn sie euch plötzlich einen Weißen als König vorsetzen würden?“

„Bei uns heißt es Kaiser und natürlich würde es mich verärgern.“, antwortete sie widerwillig. „Aber Cid regiert schon seit drei Jahren, also kann hier von Plötzlich nicht die Rede sein.“

„Zweifel an seiner Herkunft konnte ich erst vor kurzem beweisen.“

„Und doch waren sie angeblich so offensichtlich und niemand schien sich daran zu stören.“, konterte sie.

„Ihr wollt es einfach nicht verstehen!“, warf Elhad ihr vor.

„Ich verstehe durchaus.“, schoss Hitomi zurück. „Ihr möchtet als Retter eurer Linie gesehen werden, was zufällig gut in eure Erwartungen an das Leben passt.“

Der beleibte Adlige wuchtete sich verärgert aus dem Sessel und stampfte aus dem Zimmer. Indes dämmerte es der unerfahrenen Diplomatin, dass sie einen Fehler gemacht hatte.

„Ich entschuldige mich.“, rief sie ihm hinterher und brachte ihn damit tatsächlich zum Stehen. „Es liegt nicht an mir eure Absichten in Frag zu stellen.“ Elhad wandte sich nur halbherzig zu ihr um. Er sah sie hinter sich an den kleinen Tisch stehen, die Hände vor sich verschränkt. Mit der Haltung könnte sie jeden Adligen einen Job als Magd abringen, dachte er vergnügt. „Wenn es wirklich nur um die Linie der Herrscherfamilie Fraids geht, könntet ihr doch im Vorfeld mit Cid seine Nachfolge regeln.“, fuhr sie versöhnlich fort. „Wir könnten mit einem international anerkannten Vertrag einen eurer Enkel als seinen Nachfolger bestimmen und der Allianz die Umsetzung der Vereinbarung anvertrauen.“

„Als ob die sich darum scheren würden, dass ein Mitglied meiner Familie den Thron besteigt.“, lehnte Elhad ab und wähnte sich so vor ihrem Konter schon in Sicherheit. „Gerade Astoria hätte allen Grund dazu, die von ihnen eingesetzte Linie von Cid zu halten.“

„Dann benennt einen anderen Staat.“, versuchte die Königin ihre Idee zu retten.

„Und wie lange soll der Zustand der Fremdherrschaft dann anhalten?“, argumentierte der Adlige aus Fraid. „Bis der Bengel stirbt? Was passiert, wenn er einer der seltenen Fälle ist, die achtzig oder älter werden. Mehrere Generationen würden unter seiner Herrschaft aufwachsen und den Fortbestand seiner Linie fordern. Ich entschuldige mich nicht, eure Majestät, aber Cid muss verschwinden. Auf die eine...oder andere Weise.“

Hitomi, die die Drohung deutlich hörte, wollte eine scharfe Warnung aussprechen, da war Elhad schon zur Tür hinaus. Während sie sich von einem Besatzungsmitglied durch die sich ständig kreuzenden Gänge des Luftschiffes zur Brücke führen ließ, spulte sie in Gedanken alle niederen Ausdrücke für füllige Menschen herunter, die sie kannte. Dort angekommen löste sich ihre Wut aber in Rauch aus, als sie Cid mit dem Kapitän reden sah und neben ihn drei vertraute Gesichter vor den weitläufigen Fenstern erkannte. Der junge Herzog bemerkte ihre Anwesenheit sofort und forderte sie stürmisch auf näher zu kommen, wobei seine Dienerin Tanai ihn mahnend eine Hand auf die Schulter legte.

„Wie es euch beliebt, eure Hoheit.“, erwiderte Hitomi scherzhaft seine Einladung. „Wie ich sehe, habt ihr die blinden Passagiere bereits gefunden.“

„Sie waren die ganze Zeit auf der Brücke.“, antwortete Cid leicht verwirrt.

„Schön dich zu sehen, Irene.“, begrüßte die Königin zuerst das Mädchen. Sie war die einzige Tochter eines verarmten Adligen aus Astoria. Sie beide hatten sich auf einen Ball angefreundet und das Mädchen hatte ihr daraufhin das Leben gerettet und wurde deshalb in ihrer Heimat angefeindet. Eigentlich sollte sie in Fraid der Aufregung entgehen, jedoch war diese Entscheidung getroffen worden, bevor Hitomi in eben dieses Land gesandt wurde. Auf diesen unglücklichen Zufall reagierte man durch höchste Heimlichkeit, indem man sie mitsamt eines Leidensgenossen an Bord geschmuggelt hatte.

Dieser Leidensgenosse war ein junger Mann, der sich schon vor längerer Zeit Hitomi als Antigonos vorgestellt hatte. Nur wenige wussten, dass er der Verlobte der Kronprinzessin der mächtigen Reiches Chuzario war und noch weniger Leute wussten von seiner Abstammung vom Drachenvolk. Die Kronprinzessin Sophia hatte ihn Hitomi als Leibwächter mitgegeben, doch die junge Königin hatte sehr viel mehr mit ihm vor. Sie begrüßte ihn ebenfalls und wandte sich dann der Dienerin und dem Kapitän zu.

„Ihr habt das Kommando, wie ich gehört habe.“, brummte der alte Luftbär.

„Ihr habt falsch gehört.“, stellte Hitomi klar. „Ich vertraue darauf, dass Herzog Cid der Schlichtung keine Steine in den Weg legt. Ihr könnt weiter seinen Anweisungen folgen.“ Dann nahm sie wieder das Mädchen in ihr Blickfeld. „Ich würde gern deine Unterkunft sehen, Irene.“

„Nun, ich auch.“, sagte das Fräulein beinahe verlegen, woraufhin sie beide Augenpaare auf den Kapitän richteten.

„Ich lasse...“, setzte er schon zu Antwort an, doch ein Räuspern Cids unterbrach ihn. „Selbstverständlich ist es mir eine Ehre, ihnen ihre Gemächer zu präsentieren.“, schmeichelte er übertrieben. „Wenn sie mir bitte folgen würden?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2012-02-27T21:44:58+00:00 27.02.2012 22:44
Schönes Kapi^^


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