Tee für Zwei
„Noch einen Tee, meine Liebste?“, wollte er wissen und hantierte recht ungeschickt mit der klobigen Teekanne herum. Fast etwas verschüttet. Was wäre das peinlich. Doch nicht vor seiner Liebsten. Hektisch schob er die Brille von der Nasenspitze. Jetzt schwitzte er schon. Mit Nervosität konnte er noch nie umgehen. War jetzt auch egal. Nur ruhig. Zuerst die Kanne abstellen.
Der Tisch zitterte. „Verzeihung.“, meinte er. Lächelte verschmitzt. Sah hinüber zu ihr. Wunderschön. Wunderschönes Mädchen. Was hatte er für ein Glück.
Oh, eine Falte im Tischtuch. Seine langen, dünnen Finger strichen hektisch darüber, glätteten es. Er atmete beruhigt aus. Grinste.
„Ich habe Plätzchen gebacken.“ Er schob ihr vorsichtig den Teller zu. Rosa Blümchenmuster am Rand. Sah auf das Gebäck. Kratzte sich am Kopf. Ob sie es merkte? Ob sie sah wie nervös er war? „Sie...sie könnten etwas trocken sein. Tut mir leid. Ich bin nicht besonders gut im Backen.“, stammelte er. Schluckte laut. War das wirklich so laut gewesen? Hatte sie das gehört?
Sie sah ihn komisch an. Er betrachtete wieder das Tischtuch. Es war vielleicht nicht recht angemessen für diesen Anlass. Es war schon recht alt. Und die Farben verblassten langsam. Und dann diese seltsamen Schnörkel. Sie schien es nicht zu stören. Er würde ein neues kaufen. Jetzt da sie öfter kommen würde.
Er sah zu ihr. Wunderschönes Mädchen. Selten sowas. „Schmecken sie? Gut.“ Er atmete rasselnd. Schiefe Nasenscheidewand. Er hatte sich daran gewöhnt. Sie bemerkte es nicht. Ach er könnte sie stundenlang anstarren. Was für ein Glück.
Sie schwieg. Er zupfte den schäbigen Pollunder zurecht. Wie beim Tischtuch. Zu alt. Verblasst. Neuer nötig.
Es war so überraschend gekommen. Er hatte nicht damit gerechnet. Wie konnte er damit rechnen, dass sie ihn wirklich besuchen wollte? Sie....
Aber halt. Hatte sich angekündigt. Stimmt ja. Die Plätzchen. Zu vergesslich. Er vergaß zu viel. Sollte mehr aufschreiben. Sicher ist sicher. Man musste ja Ordnung bewahren. Ordnung ist das halbe Leben.
Sie sah geordnet aus. Ein wunderschönes Kleid. Alles saß wie es sollte. In Perfektion. Sein schiefes Maul formte ein liebevolles Lächeln. Sie erwiederte. Wer hätte damit rechnen können? Sie, ihn besuchen? Ausgerechnet ihn. Schäbiger Mann im schäbigen Pollunder, in schäbiger Wohnung. Schäbiges Tischtuch. Schäbiger Plätzchenteller. Schäbige Plätzchen. Er fühlte sich klein und hässlich. Eine Schabe. Ja genau wie eine....
Sie aber lächelte in einem fort. Wunderschöne Lippen. Wunderschönes Mädchen. Wenn er sie ansah, war ihm als schwangen sich schneeweiße Flügel um die bleichen Schultern. Sie war ein Engel. Ungleiches Paar. Was würden die Leute denken?
Glück, er hatte Glück gehabt. Sie saß bei ihm. An seinem Tisch. So hell. Sie war hell und freundlich. Ein bezauberndes Lachen. Wie Glockenklänge. Rein und unschuldig.
Er legte die zittrigen Hände auf die Tischkante. „Habe ich schon erwähnt, wie schön sie heute aussehen?“ Ein Versuch zu schmeicheln. Es gefiel.
Ein schüchternes Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Er richtete den Blick auf seinen Schoß. Stille. Unangenehme Stille. Kein entzücktes Kichern. Kein Wort. Er sah auf. „Das...das war als Kompliment gedacht.“ Er grinste. Gefiel es? Warum sagte sie denn nichts? Etwas falsches. Er musste etwas falsches gesagt haben. Aber...jede schöne Frau hört das doch gerne.
Sie schwieg. Warum schwieg sie? Er wurde nervös. Rasender Puls. Rasend.....sie stierte ihn an. Kaltes Schweigen. Er fuhr sich nervös durch das strähnige Haar. „Sie sind nicht sehr gesprächig, oder?“
Schweigen....Schweigen....Schweigen. Rasender Puls. Er konnte kaum sprechen. Sie reagierte nicht. Stierte ihn weiter an. Als mache sie sich über ihn lustig. Sie machte einen Narren aus ihm. Meinte es nicht ernst. Nichts.
„Ich rede mit ihnen.“ Bebende Stimme. Ein bedrohliches Schnauben. Er baute sich in voller Größe auf, lehnte sich über den Tisch. „Ich rede mit ihnen.“, zischelte er erneut. Der unförmig dürre Körper bebte mit der Stimme. Keine Reaktion. Die Wut kroch in ihm hoch wie ein bösartiges Tier, schlängelte durch seine Glieder. Einen Narren....
Einen Moment war es still. Er schwankte leicht zurück. Starrte wirr auf sein Gegenüber. Und plötzlich ein Schrei. Sein ganzer Körper schrie. Bäumte sich wild auf. Er schrie. Raufte sich mit beängstigender Kraft das widerliche Haar, und griff nach der Tasse. Warf sie mit voller Wucht ihr entgegen. Grässliches, heuchlerisches Weib!
Dann nahm er wider Platz. Stierte ganz ruhig in die schwarze Leere ihm gegenüber. Auf den leeren Stuhl am anderen Ende des schändlich alten Tisches. Die Vorhänge waren zu gezogen. Er saß alleine im Dunkeln. Lächelte erneut und griff zur Kanne.
„Noch einen Tee, meine Liebste?“