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Western Spirits

von

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Wind of Change II

April öffnete leicht erstaunt die Tür und ließ die Lehrerin ein. Fireball nahm einen Termin bei diesem Psychologen wahr und so wie Robin in die Wohnung schlich, schien es wirklich gut zu sein, dass sie unter vier Augen zusammen reden konnten. „Danke, dass du kurz Zeit hast“, meinte sie befangen. April winkte ab. „Ist kein Problem. Was hast du denn auf dem Herzen? Du siehst irgendwie fertig aus.“ Besorgt musterte sie das blasse Gesicht ihrer Freundin. „Unterm Herzen“, berichtigte Robin kaum hörbar. Erfreut blitzten die Augen der jungen Mutter. „Du bist schwanger?“, verstand sie sogleich. Ihr Strahlen erlosch jedoch sofort, als sie sah, wie die Lehrerin unglücklich nickte und hörte, wie sie flüsterte: „Eine Katastrophe...“ Die Navigatorin hob die Brauen. Das klang alles andere als begeistert. Eher erschrocken oder geschockt, so, wie sie sich selbst gefühlt hatte, als die Hebamme sie mit dieser Diagnose überfallen hatte. „Weißt du, ich mach dir mal den Tee, den Chily mir für diese Zeit und Stimmung empfohlen hat. Der tut dir sicher gut“, schlug sie vor und verschwand in der Küche. „Setzt dich ruhig ins Wohnzimmer“, rief sie von dort aus und setzte Wasser an.
 

Robin tat wie ihr geheißen. Unbehaglich nahm sie auf dem Sofa Platz. Dass sie sich so unwohl fühlte, lag jedoch nicht an der jungen Mutter, sondern an der Lehrerin selbst und dem Etwas, das in den kommenden Monaten in ihr wohnen würde. „Schläft Charlene noch oder fängt sie an, sich zu bewegen?“, wollte April wissen, während sie in der Küche mit dem Geschirr klapperte. Erst jetzt schenkte die Braut des Scharfschützen dem Zimmer nähere Betrachtung. Die gegenüberliegende Couch war ausgezogen und weit hinten, an der Lehne schlummerte die kleine Tochter. Offenbar hatte April sich hier gerade mit dem Säugling ausgeruht. „Schläft seelenruhig“, gab Robin etwas beschämt zurück. Sie hatte mit ihrem Anliegen nicht stören wollen. „Hier bitte.“ Mit diesen Worten riss Fireballs Freundin sie aus ihren Gedanken und reichte ihr die Tasse. „Danke.“
 

Die Lehrerin sah zu, wie April an ihr vorbei zum ausgeklappten Sofa ging, sich halb neben ihre Kleine legte, halb an der Lehne lehnte und sie leicht über die Wange streichelte. Dabei ließ sie die Lehrerin aber nicht aus den Augen. Was immer diese auf dem Herzen hatte, sie sollte es sagen. Das verriet der Blick der Mutter. „Wie war das für dich, als du es erfahren hast?“, platzte Colts Freundin deshalb heraus. „Es war schon ein Schreck“, gab die Gefragte unumwunden zu. „Ich meine, wir haben so gar nicht damit gerechnet. Wenn man nicht zielstrebig darauf hin arbeitet, erwartete man es auch nicht“, ergänzte sie und warf ihrem Töchterchen einen Blick zu. „Und gewollt?“, fragte Robin zaghaft. April schüttelte den Kopf. „Nicht so zeitig, dachte ich so im ersten Moment.“ Sie schenkte Charlene ein warmes Lächeln. „Aber jetzt würde ich nichts mehr rückgängig machen wollen. Gar nichts“, versicherte sie mehr dem Baby, als der Ratsuchenden. „Aber wie hast du dich gefühlt, als du es erfahren hast? Ich meine, du liebst doch deinen Job“, hakte Robin nach. „Tja“, versuchte sich die junge Mutter zurück zu erinnern, „ich weiß noch, dass mir klar war, dass ich ihn vorläufig bei Seite schieben muss. Ich hab das mehr so zur Kenntnis genommen, als das ich etwas dabei gefühlt habe. Dann sah ich diesen kleinen, komischen Punkt auf dem Ultraschall, von dem Chily behauptet hat, das sei mein Kind.“ Sie lächelte leicht. „Es war überhaupt nicht als solches zu erkennen, aber mein Job war mir in dem Moment vollkommen egal“, gab sie dann zu. „Fireball hat es gut aufgenommen, nicht wahr?“ Traurig schaute die Schwangere zu Boden. Oh, Colt würde ausrasten, da war sie sich sicher. „Er wusste es ja noch vor mir“, lachte April, „Aber die Bestätigung hat ihn schon etwas aus der Bahn geworfen. Er hat sogar seinen Vertrag gekündigt. Ich wollte ihn nie darum bitten, weil ich weiß, wie wichtig ihm diese Rennen seither waren. Aber sie ist wichtiger. Er musste sie noch nicht mal auf dem Arm halten. Er ist mit der Zeit da rein gewachsen“, antwortete sie und schaute ihre besorgte Freundin warm an. „Colt wird das sicher auch“, meinte sie dann zuversichtlich. „Na, mein Cowboy“, zweifelte die Lehrerin. „Entweder fällt er tot um oder...“ Sie brach ab und fügte gedanklich hinzu „Er lyncht mich.“ Ihm diese Nachricht überbringen zu müssen, schien ihr das Schlimmste von allem zu sein. „Ach, das glaub ich nicht. Chily hat mir mal erzählt, dass er total verrückt nach Kindern ist. Das merkt man ja auch an Charlene“, versuchte die Navigatorin diese Bedenken zu zerstreuen. Immerhin trug der Scharfschütze, wenn er zu Besuch war, die kleine Charlene ständig mit sich herum und gab sie kaum her. „Solang er sie zurückgeben kann“, brachte Robin diesen Beleg von April jedoch ins Wanken. Diese dachte zurück an die Geschichte, die die Hebamme ihr erzählt hatte. „Also wie war das. Das Baby hatte eine Kolik und hat gebrüllt wie am Spieß. Colt hat es beruhigt und in den Schlaf gewiegt. Er hat wohl mit dem Kind auf dem Arm geschlafen und es am nächsten Tag kaum mehr von sich gegeben. Er war wohl sehr stolz darauf, dass sich das Kleine nur von ihm hat beruhigen lassen“, berichtete sie, um ihre Behauptung zu bekräftigen. Robin nickte leicht. Die Geschichte kannte sie. „Aber was wird er zu seinem eigenen sagen?“, fragte sie ungläubig. Das war ja dann doch ein Unterschied. „Hm, vielleicht: Hurra?“, schlug April vor und fügte hinzu: „Robin, du siehst das glaub ich im Moment alles viel zu schwarz, weil du selber noch nicht damit umgehen kannst, dass du schwanger bist. Nimm dir mal etwas Zeit, so ein oder zwei Tage, um dich daran zu gewöhnen. Dann wird es dir auch nicht mehr so schlimm vorkommen, wenn du daran denkst, dass du es Colt sagst.“ Ihre Zuversicht erreichte die Lehrerin jedoch kaum. Der Schreck über die so unerwartet veränderte Situation saß ihr noch in allen Knochen. „Ich hoff es“, meinte sie nur lahm. Irgendetwas musste die junge Mutter doch tun können. Hilfesuchend schaute sie zu ihrem Töchterchen. „Testen wir mal was.“ Da hatte ihr die Kleine doch glatt eine Idee gegeben. Sie hob sie vorsichtig vom Sofa.
 

Charlene begann sich zu bewegen. Nur leicht, noch mehr im Schlaf, als wach. Gespannt beobachtete Robin das Geschehen. „Halt sie einfach.“ Damit legte April den Säugling in die Arme der werdenden Mutter. Diese schaute auf das Bündel Mensch und hätte nicht beschreiben können, was sie fühlte. So ein süßes, zerbrechliches, kleines Geschöpf würde sie auch bekommen, mit ähnlich winzigen Fingern, mit einem so kleinen Näschen und so zarter Haut. Es würde sich ebenso an sie schmiegen und blind darauf vertrauen, dass sie ihm Sicherheit und Liebe gab. Es würde sie ebenso unschuldig mit ähnlichen Knopfaugen anschauen, wie Charlene es gerade tat. Aber Colt … Würde er es auch so sehen? Oder würde er sich nur beschweren, dass er die Windeln wechseln musste? Robin liefen Tränen übers Gesicht. Sie wollte dieses Gefühl mit ihm teilen. Charlene bewegte sich auf ihrem Arm. Sie fühlte eine Brust an ihrer Wange. Hunger und Instinkt ließen ihr Köpfchen in diese Richtung drehen und ihren kleinen, zahnlosen Mund versuchen, ungeachtet der Kleidung über der möglichen Nahrungsquelle, ob das Bedürfnis zu stillen war. Trotz ihrer Tränen musste Robin schmunzeln. „Die falsche Mama, Charlene“, flüsterte sie weich und reichte April ihre Tochter. Bevor die Kleine lautes Gebrüll anstimmen konnte, legte ihre Mutter sie an ihre Brust und stillte sie. „Ein schönes Gefühl, nicht wahr?“, bemerkte sie dabei warm. Robin nickte nur. Dieses Gefühl, dieses Bewusstsein, hatte sie gebraucht, um zu verstehen, wie wunderbar ihre Umstände eigentlich waren. „Was sagt Chily eigentlich? Junge oder Mädchen?“, wollte April nun wissen. „Ein kleiner Colt“, antwortete die Lehrerin. „Ich glaube, dann machst du dir wirklich unnötige Sorgen. Hey, wir wissen alle, was Colt für ein Pantoffelheld ist. Wenn du ihm erzählst, dass er einen Sohn bekommt, wird er sicher vor Freude in die Umlaufbahn schießen“, versicherte die Navigatorin zuversichtlicher noch, als zuvor. „Oder er erschießt mich“, bekundete die Braut des zukünftigen Vaters unveränderte Skepsis an diesem Punkt. „Das glaub ich wirklich nicht. Was bringt dich nur auf so eine Idee?“ Verständnislos schaute die Stillende sie an. „Er möchte im Moment keine Kinder. Wir haben darüber gesprochen. Vor kurzem erst“, murmelte die Gefragte bedrückt vor sich hin. „Ach, aber Robin. Denk mal bitte. Als ich das erfahren hab, haben Fireball und ich gerade angefangen zu überlegen, ob wir zusammen ziehen sollen. Wir waren noch lange nicht beim Thema Kinder. Nein, nichts lag ferner. Und von jetzt auf gleich wurden wir Eltern. Die Tatsache, dass das so war, hat alle vorher gefassten Pläne gekickt“, berichtete April aus ihrer eigenen Erfahrung. „Welche Pläne hattet ihr?“, hakte Robin nach und schaute auf Mama und Tochter, die offensichtlich sehr zufrieden und ausgeglichen waren. Wieder grübelte die Navigatorin. Es war für Robin sicher hilfreich zu sehen, dass ihr und Fireball es so ähnlich gegangen war. „Fireball wollte noch fünf Jahre mindestens Rennen fahren. Und ich habe mit diesem Frühwarnsystem begonnen. Das hätte genauso lange gedauert. Wir hatten beschlossen, dass wir uns erst mal nur auf uns und unsere Arbeit konzentrieren und genießen, das wir uns haben, das wir verreisen können und na ja, einfach leben. Verstehst du?“, erläuterte sie dann. „Ein Fünfjahresplan.“ Verstehend nickte die Lehrerin. Ja, so einen hatten sie auch. „Wir wollten zum Beispiel beide unbedingt mal Fallschirm springen und die Chinesische Mauer entlang reisen. Wir wollten auf den Fujijama und shoppen in Paris. Vergiss es. Aber hey, ich hab wirklich nicht schlecht getauscht“, fuhr April fort. „Aber wirst du das nicht später alles vermissen? Ich meine, wirst du es mal nicht bereuen, das alles nicht gemacht zu haben?“, bohrte die Lehrerin an diesem Punkt nach. „Ich glaube eher weniger. Ich meine, dass schiebt sich, wenn, dann nur auf. Irgendwann können wir das nachholen, oder anders gestalten. Dann können wir zu dritt die Mauer entlang campen und ich mach mal mit Charlene zu ihrem Sweet 16 eine Shopping-Tour durch Paris“, antwortete April und überdachte ihre eigenen Worte kurz. „Also wirklich. Im Grunde haben sich die Pläne etwas geändert, aber so richtig aufgeben müssen wir sie doch nicht“, stellte sie dann fest. „Hoffentlich macht mir Colt keine Vorwürfe“, flüsterte Robin kaum zuversichtlicher, als zu Beginn des Gespräches. „Glaub ich wirklich nicht.“ Es kehrte Schweigen ein. Charlene nuckelte genügsam an der Brust ihrer Mutter und brauchte gerade nichts anderes. Die Schwangere begann ihre Freundin um dieses Gefühl zu beneiden. Leicht berührten die Fingerchen die Brust, gluckste die Kleine vor sich hin und schmatzte schließlich gesättigt. „Willst du sie noch mal halten?“, fragte April, als sie ihre Tochter hatte aufstoßen lassen. Wieder nickte die Gefragte. Das Baby zu halten beruhigte sie gerade irgendwie. „Es ist wirklich gut, Chily als Hebamme zu haben. Sie hilft einem gut durch diese Zeit und Probleme, die sich anbahnen könnten, kann man mit ihrer Unterstützung gut umschiffen“, meinte April leicht, um ihr zu vermitteln, dass es nicht so schlimm war, wie es ihr im ersten Augenblick vorgekommen war. Sie ahnte nicht, dass dies eine weitere Sorge der Lehrerin war. „Wenn sie noch mit mir redet“, entgegnete diese nun geknickt, „Ich hab sie vor den Kopf gestoßen, vorhin.“ Erstaunt hob die Freundin des Rennfahrers die Brauen. Man konnte Chily vor den Kopf stoßen? „Inwiefern?“, musste sie da nachhaken. „Ist nicht so wichtig“, wiegelte Colts Braut ab. Sie wollte nicht darüber reden. „Sie kennt sich jedenfalls in ihrem Job aus und ist einfach gut. Sie versteht die unterschiedlichen Reaktionen und kann damit umgehen. Nichts, von dem, was du gesagt hast, wird sie persönlich nehmen“, erwiderte sie dann, das Schweigen der Freundin akzeptierend und doch gleich wieder deren Zweifel zerstreuend. „Ganz bestimmt“, betonte sie noch. Ehe Robin noch irgendetwas sagen oder fragen konnte, ging die Wohnungstür auf.
 

Mit eingezogenem Kopf schlich Charlenes Vater herein. „Hi hi, Süße. Bye Bye, Robin“, murmelte er und an seiner zittrigen Stimme war deutlich, wie aufgewühlt er war. „Oh, oh. Ich will dich nicht rausschmeißen, aber das klingt gar nicht gut.“ Alarmiert stand April auf und warf Robin einen entschuldigenden Blick zu. „Macht nichts“, meinte sie und gab der Mutter ihr Kind wieder auf den Arm. „Gute Nacht, Fireball.“ Rasch verließ sie die Wohnung und April hatte gerade noch genug Zeit ihr nachzurufen. „Ruf Chily einfach noch mal an.“ Dann schlug die Tür zu.
 

„Hey Turbo“, begrüßte April ihren Freund. Er drückte sie kurz an sich. „Hey“, kam tonlos von ihm die Antwort. „So schlimm?“, fragte sie besorgt. Ein „Hm“ und ein Nicken bevor er zu Charlene schaute. April übergab sie ihm. Sie wusste nun, dass der Psychotherapeut heute wieder Antworten von ihm gefordert hatte, die Fireball nur äußerst widerwillig herausgerückt hatte. Unter diesen Umständen war das Töchterchen das einzige, was ihm die Fassung wieder gab. „Sie ist satt“, meinte April und drückte ihn auf das Sofa, auf dem eben noch Robin gesessen hatte. „Schön. Satt und glücklich“, raunte er, lehnte sich zurück und bettete Charlene auf seine Brust. „Im Gegensatz zum Papa.“ Am besten April fragte ihn nicht weiter nach der Sitzung. Er kam nie übertrieben gesprächig von einer solchen zurück, sondern musste sich erst mal darüber ausschweigen. Das konnte er am besten, wenn seine Freundin und seine Tochter einfach nur bei ihm waren und ihn spüren ließen, dass es nicht nötig war zu reden. April nahm neben ihm Platz und lehnte sich an seine Schulter. „Wird schon wieder, Süße“, versicherte er ihr auf ihre stumme Frage, ob es ihm gut ginge, und legte den Arm um sie. Sie fuhr zart mit der Hand in seinen Nacken und kraulte ihn liebevoll. „Solang ich euch beide habe.“ Das war es, was er jetzt brauchte. Er schielte leicht zur Tür. „Was wollte Colts holdes Weib?“ – „Ach, ein Frauengespräch“, gab April vage zurück. Sie musste ihn damit jetzt nicht belasten. Er hatte gerade andere Sorgen und die der Lehrerin würden sich hoffentlich bald klären. Fireball hauchte einen Kuss auf den Kopf seiner Freundin und sog den Duft ihres Haares ein. Ohne sie würde er nicht eine einzige Sitzung durchstehen, das wusste er. Sie war die Kraft, die Motivation und der Halt, den er dafür brauchte.
 

Währenddessen machte Robin sich auf direkten Weg zu Chily. Der Besuch bei April hatte ihr geholfen und ihr zumindest einen Teil der Angst genommen. Aber ein Rest Unsicherheit blieb besonders in zwei Punkten. Der eine war, wie sie es Colt am besten beibringen sollte und der andere betraf die Hebamme, die sie so einfach hatte sitzen lassen. Die Lehrerin war sicher, dass die Aussage der Navigatorin berechtigt war. Chily wusste wovon sie sprach. Aber nachdem die Schwangere so wortlos und abrupt das Cafe verlassen hatte, fürchtete, sie könne sowohl die Hebamme, als auch die Freundin, die sie in der bunt gesträhnten Blondine hatte, verloren haben. Und zumindest das wollte sie so bald wie möglich geklärt, oder vielmehr verhindert wissen. Darum führte ihr Heimweg sie am Rider-Haus vorbei.
 

Chily wusste genau, dass es Robin war, die da klingelte und schob Saber, etwas schwungvoller als gewollt, zur Seite, ehe der die Tür öffnen konnte. „Das ist für mich“, erklärte sie entschuldigend. Ihr Mann hob nur die Schultern und trollte sich ins Wohnzimmer. Die Hebamme öffnete die Tür. „Hi, das Gespräch mit April hat dir also geholfen“, begrüßte sie die Ankommende. „Hi. Und ja“, erwiderte die, etwas überrascht, dass dies wohl so offenkundig war. „Sehr gut. Sollen wir in die Praxis gehen?“, schlug Chily vor und ließ sie ein. Beschämt nickte die Braut des Scharfschützen und folgte ihr dorthin. „Jetzt mach dir mal keine Gedanken. Solche Reaktionen kenne ich schon. Ich muss nur an der Stelle gleich klar machen, was ich nicht tun werde“, meinte die Hausherrin, als wüsste sie genau, was in der Freundin vor sich ging. Außerdem wollte sie die eventuell missverstandene Aussage bezüglich eines Schwangerschaftsabbruches erklären, damit auch wirklich nichts zwischen ihr und der Lehrerin stand. „Das weiß ich, Chily. Abgesehen davon: es ist für mich keine Option“, entgegnete Robin kleinlaut und wurde auf einen Stuhl gedrückt. Liebevoll strich Chily über die Wange der Niedergeschlagenen. „Du weißt, dass ich immer für dich da bin“, vergewisserte sie sich. „Es tut mir leid, Chily“, flüsterte die Lehrerin von dieser Geste nur noch mehr beschämt. „Ach Gott, jetzt hör aber auf.“ Die Hebamme richtete sich auf und winkte ab. „Das ist doch wirklich nicht der Rede wert. So viele Frauen reagieren so überrascht wie du. Wer weiß, wie ich mich mal aufführen werde“, meinte sie und schüttelte den Kopf. Nein, dass wollte sie sich lieber nicht vorstellen. „Du bist dann wenigstens schon verheiratet“, schmunzelte Robin und linste zu ihr auf. Erleichtert stellte sie fest, dass in deren Gesicht keine Spur von Verstimmtheit zu finden war. Im Gegenteil. „Jaja, die klassische Reihenfolge gilt bis heute“, lachte sie, „Dafür hab ich so gar nicht traditionsgemäß im Kreis von Familie und Freunden geheiratet. Das ist auch nicht wichtig. Das Gefühl ist das wichtigste dabei.“ Ihre Augen musterten die Sitzende. „Wie bei allem anderen auch. Es kommt auf das Gefühl an“, bestätigte diese. „Eben. Und, hast du das Gefühl, du wirst eine gute Mutter sein?“, musste die Hebamme nun wissen. „Ich hoffe es zumindest“, antwortete die Schwangere wahrheitsgemäß. „Das ist doch schon mal ganz gut so“, gab sich die bunt gesträhnte Blondine damit zufrieden. „Also gibt es etwas, was du wissen willst?“ fragte sie dann. „Bleibt diese Angst, Chily?“, flüsterte Robin. Sie wollte ihre Sorgen nicht auf das Ungeborene übertragen und fürchtete, sie könne die gesamte Schwangerschaft darunter leiden. „Manchmal. Das kommt auf dich an. Wenn du Vertrauen zu dir hast und daran glaubst, dass alle gut geht, dann wird es gut gehen. Das Kind spürt deine Gefühle. Wenn es dir gut geht, geht es ihm gut. Achte auf dich, genieße bewusst diese Zeit und du musst dir keine Sorgen machen“, erläuterte die Gefragte fachkundig auch wenn es nicht so sehr aufbauend sein mochte. „Ich werde mir diesen Rat zu Herzen nehmen“, nickte Robin verstehend. „Willst du mal den Gummibauch anlegen? Um einen Eindruck zu bekommen, wie sich das anfühlen wird?“, schlug Chily vor. Die Lehrerin überdachte das Angebot nur kurz und schüttelte den Kopf. „Ich muss mich erst mal an den Gedanken überhaupt gewöhnen.“ Die Antwort stieß auf Verständnis. „Okay, dann hab ich noch was für dich.“ Mit diesen Worten erhob sich Chily und ging zu dem Schrank gegenüber dem Arbeitstisch. Mit einem Griff holte sie eine Dose hervor und reichte sie Robin. „Hier. Der Tee wird dir helfen dich zu entspannen“, erklärte sie dazu. „Danke, Chily.“ Sie nahm das Gefäß und steckte es ein. Erleichtert verließ sie ihre Freundin bald darauf wieder. Immerhin hatte sie sie an ihrer Seite, egal wie Colt auf die Beichte reagieren würde. Das schenkte ihr Zuversicht. Dennoch gelang es ihr nicht so bald ihm die Schwangerschaft zu gestehen.
 

Robin fand die Gelegenheit nicht dazu. Zum einen, weil sie viel Arbeit in der Schule hatte, was ihr in gewisser Weise sogar recht war, zum anderen, weil sie nicht wusste, wie sie beginnen sollte. Sie hoffte, es würde ihm nicht auffallen, bis sie den Mut und die richtigen Worte dafür fand. Aber da unterschätzte sie ihren Cowboy, und vor allem den ehemaligen Scout in ihm, sehr. Der Scharfschütze hatte seine Zukünftige besonders wachsam im Auge, seit er festgestellt hatte, dass Woody Woodsteeker gegen sie nicht abgeneigt wäre. Nun fielen dem Kuhhirten seit Silvester einige Dinge an ihr auf, die ihm suspekt vorkamen. Immer wieder wunderte er sich über ihren Appetit auf Dinge, die sie sonst ablehnte zu essen. Ihre Stimmung schwankte, was er nicht auf den Stress durch ihren Job schieben konnte. Er wusste, dass sich der anders äußerte. Zärtlichkeit und Intimität fiel mittlerweile fast ganz aus. Umarmungen und Küsse wurden nur noch flüchtig getauscht und jedesmal stellte er dabei fest, wie sie angewidert das Gesicht verzog. Meist verschwand sie rasch danach im Bad und er konnte sie unterdrückt ausspucken hören. Er versuchte, sie nicht zu drängen, ihm zu erzählen, was los war. Doch dieses Verhalten, das sich jedes Mal für ihn wie eine Zurückweisung anfühlte, war schwer zu ignorieren. Sie war immerhin die Frau, die er heiraten wollte, mit der er irgendwann einmal eine Familie gründen und sehr alt werden wollte.
 

Jetzt beobachtete er, wie sie sich, einen letzten prüfenden Blick auf ihr Äußeres werfend, vor dem Spiegel drehte. Es war Valentinstag und die sechs Freunde hatten sich entschieden, den Anlass zu nutzen und mal wieder gemeinsam auszugehen. Colt lehnte im Türrahmen und lächelte seine Zukünftige an. Sie sah fantastisch aus in dem dunkelblauen, knielangen Kleid mit dem passenden Bolero und den hohen Stiefeln. Es schmiegte sich wie eine zweite Haut um ihre schlanke Gestalt und lockte ihn, sie zu berühren. Er stieß sich vom Rahmen ab und trat zu ihr. Liebevoll legte er die Arme um sie und hauchte ihr einen Kuss aufs Haar. „Du siehst umwerfend aus“, meinte er aufrichtig anerkennend. Robin lehnte sich leicht gegen ihn und lächelte. Dann passierte es. Sie sog tief sein herbes Aftershave ein und verzog das Gesicht. Heftiger und offensichtlicher als jemals zuvor löste sie sich aus der Umarmung und flüchtete ins Bad. Sie schaffte es nicht mal die Tür zu schließen und konnte daher auch nicht verbergen, was Colt die ganze Zeit vermutet hatte. Sie übergab sich. „Du findest mich seit geraumer Zeit zum Kotzen“, stellte er gereizt fest, als wie wieder zu ihm zurück wankte. Als sie auch noch den Kopf schüttelte, war das der Tropfen, der für den Cowboy das Fass zum überlaufen brachte. Seine Geduld war am Ende. Er wollte endlich wissen, was Sache war. „Sieht aber so aus. Es ist auffällig, Schatz. Seit geraumer Zeit reiherst du nur in meiner Gegenwart“, bemerkte er nüchtern und versuchte seine Aufregung vor ihr zu verbergen. Robin schlich zu ihrer Handtasche, die auf dem Bett bereit stand, und kramte nach einem Pfefferminz. „Das bildest du dir ein“, stritt sie leise ab und schob sich das Bonbon in den Mund. „Ich hab mir nur den Magen verdorben“, behauptete sie dann. Er hob skeptisch die Brauen. „Seit Wochen? Dann solltest du deine Ernährung ändern.“ Sein Ton bei diesen Worten war ungläubig. „Vielleicht legst du dir nur mal ein anderes Aftershave zu. Ich meine, etwas Abwechslung kann ja nie schaden“, versetzte sie unbedacht. Sie wollte sich jetzt nicht aushorchen lassen, da sie doch in wenigen Minuten von Saber und Chily abgeholt werden würden. „Du meinst, ich stinke?“, schlussfolgerte Colt beleidigt. „Nein, ich meine, dass es eine nette Abwechslung wäre. Sonst nichts“, versuchte sie ihre unüberlegte Wortwahl zu korrigieren. „Klar und deswegen drehst du dich im Bett immer von mir weg.“ Jetzt lehnte der Scharfschütze sich gegen den Schrank, verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper und fixierte seine Zukünftige. Sie drehte ihm ja noch immer den Rücken zu. Irgendetwas verbarg sie vor ihm. Davon war er jetzt unabbringbar überzeugt. Er bemerkte den Schreck in der Art wie sie den Rücken durchdrückte und die Schultern straffte. „Wann wollten Saber und Chily hier sein?“, fragte sie hastig um das Thema abzubiegen. „Wann haben wir beide mal wieder so was wie ein Intimleben?“, wollte er seinerseits wissen. Der Scout hatte die Fährte aufgenommen und folgte ihr nun schnurstracks zum Ziel. Alles andere war nebensächlich.
 

„Du tust ja gerad so, als würde ich dich hinhalten. Es war nur in letzter Zeit alles etwas stressig in der Schule und ich war müde. Ist das so schlimm?“, versuchte sie sich erneut herauszuwinden. Für einen Beziehungsstreit war gerade nicht der rechte Zeitpunkt. Aber wann war der schon. „Ja, es war stressig, das mag ja sein“, gestand Colt ihr etwas nachsichtiger zu. „Naja, ich mein ja nur, den Magen hast du dir seit Wochen schon verdorben, jedesmal wenn ich in Riechweite komme, wird die übel, im Bett läuft nichts mehr und neuerdings soll ich mir noch ein anderes Deo zulegen“, zählte er dann auf, was er bemerkt hatte, und machte so deutlich, dass er gern eine Erklärung dafür hätte. „Colt, was machst du ausgerechnet jetzt so einen Aufstand?“, wollte sie wissen. Sie musste ihm in allen Punkten recht geben. Aber diese Beobachtungen zogen sich inzwischen über einen Zeitraum von einem und einem halben Monat hin. Warum musste er ausgerechnet jetzt davon anfangen? Ein Tag mehr war doch jetzt auch gleich. „Weil ich glaube, dass du mir was verheimlichst“, schoss er geradeheraus zurück. Beinahe hätte sich die Lehrerin an ihrem Pfefferminz verschluckt. Sie wurde noch ein wenig blasser, als sie ohnehin gerade war und blinzelte vorsichtig über die Schulter zu ihm. „Du bist komisch. Was sollte ich dir denn verheimlichen?“, Aber es brachte ihr nichts, dass Thema abwürgen zu wollen. Sie konnte ihm ansehen, dass er nicht eher Ruhe geben würde, bis er in Erfahrung gebracht hatte, was er wissen wollte. Die Blondine ahnte, dass das Gespräch darin enden würde, dass sie ihm ihre Schwangerschaft beichtete. Noch immer fürchtete sie sich vor seiner Reaktion und jetzt, da er sie so energisch verhörte, noch mehr. „Woher soll ich das wissen, Baby? Gibt es was, was du mir sagen willst?“, bohrte er weiter. Wieder schluckte Robin. Baby? Oh man, er war näher an der Wahrheit, als er ahnte. „Keine schmutzigen Geheimnisse, die du mir anvertrauen willst?“, hakte er nach, als sie die Antwort schuldig blieb. Sie schüttelte den Kopf. Schmutzig war ihr Geheimnis ja nicht, eher süß. „Nein? Hast du was angestellt?“, forschte der Scharfschütze weiter, löste sich vom Schrank und trat näher zu ihr. Erneut verneinte sie. Sie war es ja immerhin nicht allein gewesen. „Hast du ein schlechtes Gewissen?“ Seinen prüfenden Blick schien sie auf ihrem Rücken spüren zu können. Ja, sie hatte ein schlechtes Gewissen. Die ganze Zeit über schon, weil sie ihm noch nicht gesagt hatte, dass sie in anderen Umständen war. „Nein“, presste sie zögernd hervor. „Nein, was? Also, ehrlich Robin, lügen musst du erst noch lernen“, stellte er argwöhnisch fest. „Hast du dich mit Woodpecker getroffen ohne es mir zu sagen?“, fragt er sie dann weiter aus. Jetzt fuhr sie geplättet zu ihm herum. Wie kam er denn jetzt auf Woody? Das machte für sie nun überhaupt keinen Sinn. Wieder schüttelte sie den Kopf. „Du bist oft weg momentan. Kann es sein, dass du mit Woody was unternimmst?“ Für Colt war dies eine berechtigte Frage. Robin und der Anwalt hatten sich gut verstanden und kannten sich noch von früher. Sie wäre arglos zu einem solchen Treffen gegangen, während Woody, der Dauersingle, seine Chance gesehen hätte, seine Jugendliebe endlich für sich zu gewinnen. „Nein“, erklärte sie endlich mal souverän und suchte schnell nach Worten um zu gestehen, was tatsächlich mit ihr war. „Sagst du auch mal was anderes als Nein? Man könnte ja glauben, es ist etwas, was ich nicht verstehen würde“, meinte der Lockenkopf vorwurfsvoll. „Ich weiß es nicht, Colt“, gab sie kleinlaut zu. Dass sie sich dessen nicht sicher war, ließ den Misstrauischen noch stärker zweifeln. „Du willst mich doch nicht heiraten. Du willst mich überhaupt nicht“, schlussfolgerte er daher. Erschrocken legte sie ihm die Hände auf die Schultern. „Nein, Colt, es ist ganz bestimmt nicht das. Ich will dich heiraten“, schwor sie rasch. „Aber was dann? Willst du das Haus umbauen?“, versuchte er weiter das Rätsel zu lösen. „Vielleicht“, antwortete Robin vage und blickte befangen zu Boden. „Und was ist daran so schlimm? Du wirst doch nicht alle Zimmer rosa streichen?“, hakte er nach, konnte sich aber nicht vorstellen, dass dies das große Geheimnis gewesen sein sollte. Die Lehrerin hingegen war erleichtert. Wenn er darauf kam, dass das Haus renoviert werden musste, war ihm jetzt sicher klar, dass sie schwanger war. „Ich hatte wirklich Angst, Colt. Ich wusste nicht, wie ich dir sagen soll, dass ich schwanger bin. Aber ...“ Weiter als das kam sie nicht.
 

Colt fiel wie eine Latte, steif und mit aufgerissenen Augen, rittlings aufs Bett. „Colt? Alles okay?“ Erschrocken krabbelte sie zu ihm auf die Matratze. „Robin... Da das ist... Was...?“, stammelte er überfahren. „Wie konnte das passieren?“, brachte er schließlich hervor. „Wenn die Rechnung stimmt, dann war es genau Sylvester“, erwiderte sie und fuhr dem Überraschten leicht durch die Locken. Wie sie seine Überraschung werten sollte, wusste sie jedoch noch nicht. Er schwieg einen Moment, während das Wissen auf ihn wirkte. „Kinder?... Ich“, entschlüpfte es seinem Mund alles andere als begeistert. Robin rückte von ihm ab. „Ich dachte gerade, du freust dich.“ Enttäuscht stand sie vom Bett auf. „Ja“, hustete er unglaubwürdig und erhob sich ebenfalls. „Auch du solltest besser lügen lernen“, erklärte sie verletzt und verließ rasch das Zimmer. „Ich ... wir hatten doch ausgemacht, dass wir damit noch warten... Kinder?“ Der Cowboy folgte ihr und versuchte, leider laut, die unterschiedlichen Gedanken zu sortieren. „Sieht so aus als hätte es einen Moment lang nicht in unserer Hand gelegen“, schniefte sie und eilte die Treppe hinab in die Diele. Oh, es war genau so gekommen, wie sie befürchtet hatte. Er freute sich kein bisschen. „Baby, äh, Schatz. ...Ist...“ Bevor Colt die Chance hatte auszusprechen, läutete es an der Tür. Robin öffnete und fiel sofort der bunt gesträhnten Blondine um den Hals, die dort mit dem Recken stand. „Oh Chily“, heulte sie unglücklich. Damit wusste diese sofort, was geschehen war. „Ist wohl nicht so gut gelaufen?“ Beruhigend strich sie der Freundin über den Rücken, während ihr Mann sie verwundert anschaute. „Ahja, auch schon im Bilde, was?“, grüßte Colt den Schotten unfreundlich. Er hatte den Eindruck, alle hätten davon gewusst, außer ihm selbst. „Genauso wie du“, entgegnete der ratlos. „Bullet, wohl vergessen, was mein Job ist?“, fragte Chily und wiegte Robin leicht im Arm. „Schon vergessen, womit ich mein Geld verdiene?“, fuhr der Lockenkopf seine Jugendfreundin an. „Was ist denn nun los?“, schaltete Saber sich dazwischen, bevor die beiden aneinander geraten konnten, wegen was auch immer. „Der Storch kommt. Schon wieder“, schnaubte Colt. „Zu euch?“, staunte der Schotte erfreut. Er warf noch einmal einen Blick vom Scharfschützen zur Lehrerin, die sich an seine Angetraute klammerte. Die Freude verschwand aus seinem Gesicht. Das war sehr offensichtlich keine gute Nachricht für den Kuhhirten gewesen. „Wohl erst mal nur zu ihr, so begeistert wie das klingt“ korrigierte Chily nun sachlich. „Hm, Platz haben wir ja für den Storch und sein Mitbringsel“, schnappte der Scharfschütze und machte damit verständlich, dass er im Augenblick nichts Schönes an dieser Neuigkeit erkennen konnte. „Ich halte es für besser, mal einen Frauenabend einzuschieben. Jetzt gleich, bevor Colt weiter auf ihrem Herz Samba tanzt“, schlug Chily vor, angelte sich Robins Jacke von der Garderobe und legte sie ihr um die Schultern. „Komm, Schatz, wir gehen.“ Damit ließ sie die beiden Männer allein.
 

„Ich ruf Fire an, der soll einen Kasten Bier mitbringen“, meinte Saber, wobei er den beiden Frauen nachschaute. Es galt ganz dringend Schadensbegrenzung zu betreiben. „Einen? Das wird nicht reichen. Ich möcht mich grad am liebsten ins Koma saufen“, brummte Colt und stapft ins Wohnzimmer. Der Schotte folgte ihm kurz darauf und grinste herausfordernd. „Das kannst du auch billiger haben.“ Er würde den aufgewühlten Cowboy schon wieder zur Räson bringen und wenn er ihm dafür eine runterhauen musste. „Ach komm, wie würdest du reagieren, wenn Chily dir so mir nichts dir nichts einen Fresser mehr ins Haus bringt. Wo ihr was ganz anderes abgesprochen habt“, begehrte der auf. „Ich würd mich freuen“, behauptete der Blonde und hoffte, dass der Rennfahrer bald kam. „Ja, logo. So vehement wie ihr euch noch Weihnachten gegen diesen Gedanken gewehrt habt.“ Das glaubte der Lockenkopf kein bisschen und warf sich der Länge nach frustriert aufs Sofa. „Was denkt sie sich dabei?“, fragte er halblaut. Es war doch nun wirklich noch nicht an der Zeit für Kinder. Es war noch nicht so weit. Er war es nicht. Saber seufzte unterdrückt und schaute zur Tür. Er brauchte den jungen Vater hier. Der hatte schließlich in einer ähnlichen Situation gesteckt.
 

Fireball ließ nicht lange auf sich warten. Er war mit April eben am vereinbarten Treffpunkt angekommen, als auch Robin und Chily eintrafen. Die Hebamme schleifte die junge Mutter mit in das Restaurant und ließ einen verwirrten Rennfahrer zurück. Zumindest fühlte er sich nicht ganz eine Minute so überrollt, bis sein Mobiltelefon klingelte und der Schotte ihm kurz umriss, dass sich der Scharfschütze und die Lehrerin gestritten hatten. Schnellen Fußes war er nun zu Colt gekommen, ignorierte die Bierbestellung und murrte, als der Schotte ihn einließ, „Ich hatte eigentlich noch was anderes vor.“ So ganz war ihm nicht klar, welche Rolle er bei einem Disput zwischen Colt und Robin zu spielen hatte. Aus dem Wohnzimmer rief der Lockenkopf ihm zu. „Ich auch und wurde auch nicht gefragt.“ Verwundert ließ sich der Japaner von Saber dorthin führen. „Was hast du denn?“, fragte er den Kuhhirten erstaunt. „Das gleiche mit Robin gemacht, wie du mit April“, antwortete der Schotte. Colt setzte sich auf. „Gratuliere, Cowboy. Sind ja tolle Nachrichten“, freute der junge Vater sich. „Was soll denn daran bitte toll sein?“, schnauzte der Beglückwünschte ihn an. „Okay, in deinem Fall: Das arme Kind“, revidierte der ehemalige Ramrod-Pilot seine Aussage. „Wie wäre es mit: Der arme Kuhhirte. Wieso macht Robin das? Wir waren uns einig, dass das noch ein paar Jahre nach der Hochzeit reicht“, brauste Colt gereizt auf. „Aufklären muss ich dich jetzt aber nicht, oder?“, fuhr der Japaner ihm über den Mund. Mann, da war Robin in glücklichen Umständen und der Scharfschütze freute sich noch nicht einmal darüber. Die Lehrerin konnte einem leid tun. „Du weißt, dass da zwei dazugehören?“, fragte Fireball dann. „Ja, stell dir vor. Und verhüten kann man auch“, schnappte der Cowboy. „Ja, das kann MANN auch.“ Sabers Betonung war energisch auf dem Wort und sollte daran erinnern, dass dies nicht nur Sache der Frau war. „Und nun ist es, wie es ist“, fasste der Rennfahrer zusammen. Er zwang sich zur Ruhe. Das musste er, sonst hätte er seinem Freund für seine Worte eine gelangt. Alles was recht war, aber er konnte nicht im Ansatz verstehen, wieso Colt sich so maßlos über die Schwangerschaft seiner Zukünftigen aufregte. „Muss nicht so bleiben. Chily macht es, so weit ich weiß nicht gern, aber sie macht es ...“ überlegte der Lockenkopf laut, kam aber nicht dazu, den Satz zu beenden. Prompt kassierte er zwei Schläge auf den Kopf dafür. „Geht es dir noch gut?“, rief Fireball entsetzt und zog die Hand zurück. Saber tat es ihm gleich. „Das hat ja wohl in erster Linie Robin zu entscheiden, weil es ihr Körper ist und zweitens tut Jolene das nur in ganz argen Notfällen. Da zählst du aber ganz sicher nicht mit zu“, stellte er lauter als gewollt klar. Die Notfälle, von denen er sprach und das wusste Colt auch, waren die Frauen, die Opfer einer Gewalttat geworden waren. Chily verstand gut, dass nicht alle die Kraft hatten, ein Kind zu lieben, das unter solchen Umständen entstanden war. Der Schotte teilte Fireballs Ansicht. Egal, wie unvorstellbar seine eigene Vaterschaft war und wie wenig er seine Frau im Moment teilen wollte, ein Kind wäre ihm dennoch willkommen. Er liebte die Hebamme und mit ihr alles, was sie ihm schenkte. Colt rieb sich den schmerzenden Kopf. Seine Freunde hatten kräftige Schläge. „Tut doch weh“, jammerte er, stützte die Ellenbogen auf die Knie und fuhr mit den Händen über die getroffenen Stellen. Sein Blick heftete sich auf das Stück Boden zwischen seinen Füßen. Er hatte aber auch gerade Müll geredet. „So in etwa dürfte Robin sich grad fühlen“, bemerkte der Schotte trocken. „Die fühlt sich grad ziemlich mies fühlen. Ein bisschen verraten, vor allem aber verkauft“, stimmte der Rennfahrer ihm zu, ungerührt vom Gejammer des Scharfschützen. Der sprang auf. „Und was ist mit mir? Soll ich mich etwa darüber freuen in absehbarer Zeit stinkende Windeln zu wechseln?“, rief er aus, obwohl das eigentlich nicht seine größte Sorge war. „Herrgott, was bist du den für ein Hirsch? Colt, ihr zwei habt das miteinander zustande gebracht, ihr werdet es auch zusammen meistern. Die stinkenden Windeln werden nicht nur an dir hängen bleiben. Also echt, und da heißt es immer, ich sei unreif“, schrie der junge Vater ihn an und Saber hielt es für klüger sich zwischen die beiden zu schieben, bevor sie auf die Idee kamen richtig handgreiflich zu werden. „Bist du eigentlich sicher, dass du sie heiraten willst?“ fragte er seinen Scout streng und fügte hinzu. „Ich meine: In guten wie in schlechten Zeiten ... Das gehört da mit dazu. Im Moment scheint mir dein Antrag an sie eher leeres Gewäsch zu sein, denn du hältst dich nicht dran.“ Der senkte kurz getroffen die Augen, dann schaute er seinen Vorgesetzten an. „Will ich, will ich immer noch“, antwortete er und konnte Saber dabei problemlos ins Gesicht sehen. „Aber wir waren uns doch einig, dass wir uns das Theater mit Kindern noch sparen“, fügte er dann hinzu.
 

Seine Augen glitten an den beiden vorbei ins Leere. „An dem Theater führt kein Weg mehr vorbei. Wenn du sie willst, dann kriegst du sie nur noch mit Kind“, erwiderte der Recke und sah kurz über die Schulter zu dem Rennfahrer. „Ich glaube, noch mehr kannst du gar nicht gewinnen“, ergänzte er dann. Der junge Vater nickte. „Das Leben wäre nichts wert ohne sie, das glaub mir mal. Was schreckt dich denn so vor einem Kind? Bist doch selber noch eins.“ Das war nicht die beste Wortwahl, aber sie war ehrlich. Fireball wollte nicht eine Minute mit seinem Töchterchen mehr missen. Sie war sein ein und alles, genauso wie April. „Sehr hilfreich“, schnaufte Colt und trabte in die Küche. „Egal, wie man es dir sagt, verstehen tust du es doch eh nicht anders“, rief sein kleiner Hombre ihm nach, um sich zu rechtfertigen. „Das Hauptproblem daran ist, dass es nicht genügend Timothy Dooleys gibt“, stellte Colt klar und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Mit diesem Satz konnten seine Freunde jedoch nicht wirklich etwas anfangen. Wo war da der Zusammenhang zu Robins Schwangerschaft. Sie folgten ihm in die Küche. „Nur das ist der Grund?“, fragte der Japaner verständnislos. Der Cowboy nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. „Macht euch noch einen schönen Abend mit euren Holden. Und schickt meine heim“, grinste er schief. Das Gespräch war für ihn beendet. Er trollte sich hinauf ins Schlafzimmer und ließ die beiden zurück ohne sich um Höflichkeit zu scheren. „Ich wusste nicht, dass du Kinder nur von Dooley willst“, brüllte Fireball ihm sarkastisch nach. Mann, Robin tat ihm wirklich leid. Was hatte sie sich mit dem nur eingefangen? Saber schleifte den Hitzigen in die Diele. „Ich glaube nicht, dass es darum geht“, meinte er und musste leicht schmunzeln. „Komm, suchen wir unsere Ladys“, meinte er dann nur. Es hatte wirklich keinen Sinn einen vernünftigen Dialog mit dem Scharfschützen zu führen, zumindest heute nicht. „Vergesst nicht, mir meine heimzuschicken!“, rief der ihnen aus der oberen Etage zu. „Das ist ihre Entscheidung. Sonst ist sie heute Nacht ein gern gesehener Gast bei Jolene und mir“, erklärte der Schotte. „Sei halt nicht so ein Esel, wie sonst auch“, konnte sich Fireball nicht verkneifen den Kuhhirten zu mahnen. Die einzige Antwort, die er darauf bekam, war das Zufallen einer Zimmertür. „Du musst echt immer das letzte Wort haben“, grinste Saber und schob den Rennfahrer zur Haustür raus. „Klar doch“, bestätigte der. Darüber konnte der Recke nur noch den Kopf schütteln. Wie kleine Kinder.
 

April war über den Ausgang des Geständnisses erschüttert. Nie im Leben hatte sie damit gerechnet, dass Colt so darauf reagieren würde. Hatte sie sich so in dem Kuhhirten geirrt? Hatten sie alle sich so in ihm geirrt? Die Navigatorin war kaum in der Lage, dass zu begreifen und konnte daher noch schlechter Robin trösten. Dafür war Chily gerade besser geeignet. Sie trug die ganze Sache mit einer gewissen Fassung, als hätte sie mal wieder geahnt, was kommen würde. Tatsächlich war die Jugendfreundin des Scharfschützen darauf vorbereitet gewesen, jedoch nicht so sehr auf diese Heftigkeit. Sie konnte von allen Beteiligten am besten damit umgehen und hielt nun die verstörte, verweinte Lehrerin im Arm.
 

Fireball holte April und Charlene ab und ließ den Recken mit den beiden Frauen allein. Sie mussten nicht alle dabei sein und es für die Schwangere dadurch womöglich noch schlimmer machen, als es ohnehin schon war. Auch Saber überließ das Seelenheil der Lehrerin den Händen seiner Angetrauten. Sie wusste einfach besser um werdende Mütter und über Colt Bescheid, als einer der Freunde. Robin klammerte sich schmerzhaft an den Schultern der bunt gesträhnten Blondine fest. „Jetzt beruhige dich, Robin“, beschwor diese die Traurige ungeachtet den Nägeln, die inzwischen den Knochen erreicht haben dürften. So fühlte es sich zumindest an. „Ich kann nicht“, schluchzte Robin heftig und begann einmal mehr, seit sie das gemeinsame Haus verlassen hatte, zu zittern. „Doch du kannst. Du bist stark“, versicherte die Hebamme ihr und wischte ihr die Wangen trocken, so gut es eben ging. „Aber ich kann das nicht ohne Colt und der... der…“ Der Rest des Satzes wurde von bitteren Tränen fortgespült. „Das ist nicht wahr. Du könntest es ohne ihn. Aber er“, versuchte Chily sie zu beruhigen. „war nur genauso erschrocken wie du. Sonst nichts.“ – „Aber er sagt sowas doch sonst nicht. Niemals und nicht ohne Grund“, beharrte Robin und war kaum davon abzubringen. Ob Colt auch nur im Ansatz wusste, was er da angerichtet hatte? Jeder Outrider hätte sich dafür in Grund und Boden geschämt, wäre er für diese Tränen verantwortlich‘, dachte Saber, als er kurz zu den beiden linste und seiner Frau signalisierte, dass er Robins Bett vorbereitet hatte. „Was genau hat er denn gesagt?“, hakte Chily gerade nach. Vielleicht konnte sie das abschwächen. "Wie konnte das passieren? Hm, Platz haben wir ja für den Storch und sein Mitbringsel“, äffte die Gefragte ihren Freund nach. Ein Ex fügte sie allerdings nicht an, auch nicht gedanklich. „Aber ersteres fragen so ziemlich alle Männer, wenn es so unerwartet kommt“, erklärte die Hebamme nun ruhig. „Aber sie reden nicht abfällig über ihren Nachwuchs“, wandte Robin ein und schnaubte herzhaft ins Taschentuch. „Hast du eine Ahnung. Ich hab schon wesentlich Wüsteres gehört. Die einen sagen es im Schock, so wie Colt. Die andren meinen es wirklich so“, berichtigte die bunt gesträhnte Blondine, ahnte aber im Sprechen schon, dass diese wahren Worte kaum beruhigend waren. „Kein Trost, Chily. Colt meint es auch so, das weiß ich.“ Wieder barg die Lehrerin ihren Kopf an der Schulter der Freundin. „Vertrau mir, tut er nicht. Er hat nur einen Schock“, beharrte sie und schaute hilflos zur Zimmerdecke. Sie wusste es doch genau. Wie sollte sie es nur der Schwangeren begreiflich machen, ohne sich in deren Beziehung zum Scharfschützen zu sehr einzumischen und sie dadurch am Ende möglicherweise ganz zu zerstören. Das konnte sie doch nicht verantworten. Robin war Colts Ein und Alles, egal wie wenig es im Augenblick danach aussah. „Der Schock war mir zu ernst“, schniefte dessen Braut nun und krallte sich wieder schmerzhaft nach Halt suchend an die Hebamme. „Ich hab Angst, Chily“, gestand sie unter einem neuerlichen Weinkrampf. „Du hast keinen Grund dazu. Versuch mir das zu glauben,“ flehte diese fast und fand endlich Worte, die sie sagen konnte, ohne das der Schuss nach hinten losgehen konnte. „Immerhin bist du nicht allein“, erinnerte sie die Unglückliche. „Dann bleibst du eben erst mal hier bei Saber und mir, bis sich das mit Colt geklärt hat. Und das wird es sicher bald“, sprach sie ihr Zuversicht zu. Robin nickte leicht und ließ sich langsam von der Frau des Recken ins Gästezimmer begleiten. „Du bist nicht allein Robin“, betonte Chily warm.
 

Es war weit nach Mitternacht, als sich die unglückliche Lehrerin in Chilys Armen in den Schlaf geheult hatte. Müde und doch aufgewühlt schlich diese nun ins Schlafzimmer zu ihrem Angetrauten, der ohne sie für gewöhnlich nicht einschlafen konnte. Heute jedoch, so stellte sie erleichtert fest, war die Müdigkeit stärker gewesen. Chily begann sich auszukleiden. Ihr Blick fiel aus der geöffneten Schlafzimmertür auf den länglichen Fotorahmen im Flur. Bilder von Freunden. Das erste, das sie sah, zeigte Colt und sie selbst auf dem Spring Homecoming, dem letzten Fest, dass sie gemeinsam gefeiert hatten. Sie hielt inne den BH zu öffnen und zog stattdessen ihren Pullover wieder an. Dann verließ sie lautlos den Raum und stahl sich kurz darauf beinahe wie ein Dieb aus dem Haus.
 

Die nächtlichen Straßen schreckten sie nicht. Überall war Licht, liefen sogar noch Menschen durch die Straßen. Es war Wochenende und jeder unternahm noch etwas mit der Freundin oder in der Clique. Dass sie schließlich doch rannte, lag an der Kälte und dem Bedürfnis sobald wie möglich zu Colt zu kommen.
 

Dass im Wohnzimmer des Hauses noch Licht brannte, wunderte sie kein bisschen. Der Cowboy war viel zu aufgebracht, um an Schlaf zu denken. Sie brauchte nicht mal klingeln. Sie hatte eben den Finger ausgestreckt, um das zu tun, da ging die Haustür auf. „Hi Chily, meine Schote“, grüßte Colt rau. Der Blick aus seinen Augen verriet ihr deutlich, wie unglücklich er über den Verlauf dieses Abends war. Sie nahm ihn in die Arme. „Ach Bullet“, flüsterte sie warm, „was machst du nur immer für einen Unsinn?“ – „Kommt sie wieder?“, fragte er zurück und klammerte sich an seine zierliche Jugendfreundin. „Sie braucht etwas Zeit um sich zu fassen. Lass sie ihr“, riet die Hebamme ihm. Colt schloss die Augen und drückte sie fester an sich. Eine Träne glitt unter seinen Wimpern hervor und rollte über seine Wange. Chily begann zu summen.
 

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Das Lied machte es ihm leichter, den Damm brechen zu lassen und hilflos zu weinen. Sie wusste, dass er das nur noch mühsam zurückgehalten hatte. Sie wusste es ganz einfach und ließ ihn still gewähren. „ …And I thought, I never fell this way …,“ sang sie leise. Ohne Robin fehlte dem Haus eine gewisse Wärme. Ohne sie war der Scharfschütze seltsam leer und konnte Chily diese Leere nicht ausfüllen. Diese Zeiten waren lange vorbei, da ihr das möglich war. Colt weinte leise, erdrückte seine beste Freundin fast. Er weinte Tränen, die längst überfällig waren, geweint zu werden. Er weinte um Dooley, seinen Mentor und väterlichen Vertrauten, um Mandarin und auch Suzie, die Kolleginnen, die ihm auch Freunde waren. Weinte um jedes unbedachte Wort, das er je einem anderen, ganz besonders seinen Kameraden gegenüber, geäußert hatte und um jede Chance, die er vertan hatte, egal wie sinnlos es war. Chily verstand jedoch jede einzelne Träne, als hätte er sie in Worte gehüllt. So wie früher, als sie noch wie siamesische Zwillinge zusammen gehörten und sich nicht vorstellen konnten, dass ein anderer Mensch den ersten Platz im Herzen des anderen belegen würde. Wie früher, als sie „Heiraten“ nur gespielt hatten, als sie gemeinsam zur Schule gegangen waren und Colt vom ersten Tag an stets Chilys Tasche getragen hatte, als sie Streiche ausgeheckt hatten und dafür bestraft worden waren, als sie bei Klausuren den anderen hatten abschreiben lassen und gemeinsam die Cafeteria auf den Kopf gestellt hatten, als sie sich für das andere Geschlecht zu interessieren begannen und heimlich in der Scheune der Willcox „mit Zunge zu Küssen“ geübt hatten, als es den ersten Liebeskummer gegeben hatte und sie in Streits mit Freunden ihre bessere Hälfte sogar mit den Fäusten verteidigt hatten, als sie fröhliche Partys gefeiert und Pläne für die Zukunft geschmiedet hatten, als die Welt noch in Ordnung war und sie über weites Land geritten waren, als sie ihre Sommerferien bei dem Irokesen-Stamm verbracht hatten und von ihnen gelernt hatten, als sie noch zuversichtlich nach vorn schauen konnten und bevor die abrupte Trennung kam, die sie hatte erwachsen werden lassen.
 

All dies mochte die Diele, in der beide standen, ausfüllen, mochte sich in jedes Zimmer im Haus ausbreiten, in alle Winkel und unter die Tapete kriechen und vermochte doch in keiner Weise zu verdrängen, dass Robins Wärme fehlte, dass sie dem Cowboy fehlte, wie die Luft zum Atmen.
 

„Geht es Colt jetzt besser?“, fragte Saber im Halbschlaf, als seine Frau sich, Stunden nach ihm, endlich zu ihm ins Bett legte. „Ohne Robin? Kein Stück“, erwiderte sie. Er drehte sich auf den Rücken, ließ sie sich an ihn schmiegen und schloss sie in die Arme. „Wie lange gibst du ihnen, bis sie das geklärt haben?“, murmelte er. „Ein, zwei Tage“, flüsterte sie und hauchte ihm einen Kuss auf den Oberkörper. Verschlafen strich er ihr übers Haar und segelte in Reich der Träume zurück.
 

Robin schlich schweigsam und unausgeschlafen am nächsten Morgen in die Küche. Saber machte gerade Frühstück und deckte den Tisch für zwei, als sie eintrat. „Guten Morgen“, grüßte er. Die angesprochene erwiderte diese Freundlichkeit leicht nickend. „Magst du deinen Kaffee mit Milch und Zucker?“, fragte der Schotte, als sei es nichts Besonderes daran, dass die Lehrerin Gast hier war. Er wollte ihr nicht mit einem Übermaß an Mitgefühl wieder zum Weinen bringen, sondern sie stattdessen irgendwie von ihrem Kummer ablenken. Robin fühlte das. Sie setzte sich. „Mit Zucker“, flüsterte sie kaum hörbar, dann glitt ihr Blick über den Tisch, die beiden Gedecke, das noch dampfende Rührei, Toast, Butter und Honig. „Schläft Chily noch?“, wollte sie wissen. Saber setzte sich mit der Kaffeekanne in der Hand ihr gegenüber und goss ihr den Muntermacher in die Tasse. „Sie ist spät eingeschlafen“, antwortete er. Seine Mühe, sie nicht allzu sehr an ihr missglücktes Geständnis erinnern und sie mit diesem Frühstück auf andere Gedanken bringen, sie aufmuntern zu wollen, trieb ihr Tränen in die Augen. Ähnlich viel Mühe gab Colt sich, wenn sie eine anstrengende Zeit in der Schule hatte.
 

Die Lehrerin begann zu weinen. Warum hatte ihr Cowboy sich nicht freuen können? Sie hatte gedacht, nichts könne diese Beziehung mehr erschüttern, nachdem sie den ganzen Fall um Pennyrile und die daraus folgende Verhandlung überstanden hatten. Nun schien das Wesen in ihrem Bauch das Gegenteil zu beweisen.

Mit einem Satz war Saber von seinem Platz aufgesprungen und hatte den Tisch umrundet. „Robin.“ Bestürzt und etwas hilflos hockte er sich vor die Unglückliche. Behutsam zog er sie in seine Arme und ließ sie an seiner Schulter weinen. Er wusste nicht, was er sonst hätte tun sollen. Seine Frau fand in solchen Momenten die richtigen Worte. Er suchte diese erfolglos. Doch Robin war dankbar für seinen Halt und die Freundschaft in dieser Geste. Einen Augenblick brauchte sie um die Tränen niederzukämpfen. „Tut mir leid“, murmelte sie befangen und löste sich aus der Umarmung. „Schon gut“, wiegelte er ab. „Kein Grund dich zu entschuldigen.“ Er reichte ihr ein Taschentuch. Sie aßen eher schweigsam. Robin konnte sich kaum von ihrem Kummer lösen und der Recke wagte kaum, sie anzusprechen. Egal, welche Frage er ihr gestellt hätte, sie wären über kurz oder lang wieder auf Colt gekommen und dieses Thema wollte er lieber vermeiden. Chily kam zu ihnen, als sie aufgegessen hatten. Sie umarmte beide liebevoll und hockte sich auf den Stuhl neben der Lehrerin. Diese lehnte ihren Kopf an die Schulter der Hebamme, bemerkte den entschuldigenden Blick nicht, den Chily ihrem Mann zu warf und auch nicht dessen verständiges Nicken darauf. Robin stand unausgesprochen im Mittelpunkt ihres Interesses.
 

Colt hatte mindestens genauso schlecht geschlafen wie Robin. Anders als sie, war er schon in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und hatte begonnen, sein Hobbyzimmer auszuräumen und den Inhalt in den leerstehenden Kellerraum zu verstauen. Das Kind brauchte schließlich ein eigenes Reich und außerdem war es besser, wenn es auf der gleichen Etage schlief, wie seine Eltern. Sollte es nachts aufwachen, konnten Robin oder Colt gleich zur Stelle sein. So etwas gab nun mal Sicherheit, überlegte der Scharfschütze. Kaum waren seine Gedanken zum Thema Sicherheit gekommen, fielen ihm die vielen Gefahrenquellen im Haus ein. Er warf einen Blick zur Uhr. Da er die eine Arbeit erledigte hatte, und das schon sehr zeitig, konnte er nun die andre beginnen. Dafür musste er zum Baumarkt, der eben geöffnet hatte.
 

Als er zurückkam, prüfte er den Anrufbeantworter als erstes. Jedoch hatte Robin sich noch nicht gemeldet, wie er gehofft hatte. Chilys Rat beherzigend, der Lehrerin Zeit zu lassen, unterdrückte er den Impuls bei Riders anzurufen. Er war nicht sicher, ob seiner Zukünftigen eine Nacht reichte um sich zu beruhigen, nach dem, was er ihr alles an den Kopf geworfen hatte. So lud er das Auto aus und beförderte Unmengen an Schrauben, Nägeln, Brettern und speziellen Kindersicherungen für Schränke und Kochherde, zwanzig Prozent Rabatt auf alles – außer Tiernahrung, in das Haus und machte sich daran, es einzubauen.
 

Am späten Nachmittag schaute Fireball bei Chily und Saber vorbei. April hatte ihn gebeten, einen Stilltee für sie von der Hebamme zu holen. Während diese nun in der Praxis verschwand, schaute der junge Vater sich in der Diele um. Ein Paar Schuhe stand dort, das nicht zu den kleinen Füßen der buntgesträhnten Blondine passte, und eindeutig auch nicht dem Recken gehörte. Fireball sprach den Schotten darauf an, der bestätigte, dass Robin noch bei ihnen war. Außerdem wusste er zu berichten, dass Colt sich noch nicht gemeldet hatte, die Lehrerin völlig bekümmert durchs Haus schlich und sich nur schwer von Chily trösten ließ. Weder der junge Vater noch der Recke hatten für das Verhalten des Scharfschützen Verständnis. Warum holte er seine Braut nicht zurück? Kombiniert mit seiner Reaktion vom Vorabend, sah es ganz so aus, als ließe der Kuhhirte seine Freundin im Stich, weil sie schwanger war. Er schien nichts beherzigt zu haben, was seine Freunde ihm geraten hatten. Wut stieg in beiden hoch, je länger sie darüber sprachen. Chily kam gerade in dem Moment zurück, als die beiden losstürmen wollten, um Colt die Einsicht einzutrichtern. Mit einem Satz war sie an der Tür und versperrte ihnen den Weg.
 

„Hier geblieben!“, rief sie und baute sich vor ihnen auf. „Colt braucht ein paar Schläge auf den Hinterkopf, die erhöhen bekanntlich das Denkvermögen“, fuhr Fireball sie an. „Du brauchst Valium“, entgegnete sie trocken und einigermaßen unbeeindruckt. „Na, ausnahmsweise hat unser Kleiner aber Recht, Jolene“, schaltete sich Saber ungewöhnlich haltlos ein. „Ausnahmsweise bist du genauso voreilig“, stellte seine Frau klar und hob die Brauen. „Okay.“ Der Schotte dehnte das Wort und verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper. „Was weißt du, was ich nicht weiß?“, fragte er langsam, denn ihm war klar, dass es so war. Unbehaglich räusperte sie sich. „Einiges“, erwiderte sie und staunte, wie wahr und vage diese Aussage gleichermaßen war. Auch wenn Colt und sie in der vergangenen Nacht nur geschwiegen hatten, so wusste sie doch genau, was in ihm vorging. Aber sollte sie das wirklich erzählen? Colt redete nur ungern darüber und es dürfte ihm kaum gefallen, wenn sie es nun tat. Ihr Angetrauter brachte dafür jedoch nur wenig Verständnis auf. „Dann mal raus mit dir Sprache, Jolene“, verlangte er energisch. „Sonst lass ich Fireball nicht mehr den Vortritt, wenn wir zu Colt gehen“, fügte er warnend an. Die Hebamme seufzte leicht und legte ihm die Hand auf den Oberarm. „Das ist Energieverschwendung, Manapi. Du“, Sie schaute zu Fireball und verbesserte sich. „ihr solltet mal überlegen, warum Colt so reagiert.“ – „Weil er nicht alle Latten am Zaun hat, eindeutig“, schnappte der junge Vater sofort. Ihm fiel genauso wenig wie dem Schotten ein guter Grund für das Verhalten des Kuhhirten ein. „Oh bitte. So leicht ist es nicht“, beharrte Chily ungeduldig. „Kennt ihr ihn denn so wenig?“ Saber krauste die Stirn. „Sieht ganz danach aus. Zumindest in solchen Belangen“, erwiderte er nüchtern. Dass sich hinter diesen Worten auch seine Enttäuschung verbarg, war für sie offenkundig. Dennoch schüttelte sie den Kopf. „Okay, mal anders. Was wisst ihr über ihn?“, versuchte sie erneut, die beiden zu beschwichtigen. „Colt ist Scharfschütze, Scout und hat seine Eltern verloren“, zählte der Schotte die markantesten Punkte auf und fragte sich, worauf sie damit hinaus wollte. Sie nickte. „Und? Denkt doch mal nach“, drängte sie weiter. Die Richtung stimmte doch schon. Sie schaute wieder den Rennfahrer an. „Das musst du doch am meisten kapieren.“ Der hob die Brauen. Was meinte sie? Das einzige, das er und der Scharfschütze gemein hatten, war der Umstand, dass sie ihre Eltern, beziehungsweise der Japaner seinen Vater, durch die Outrider verloren hatte. „Sag mir jetzt bitte nicht, dass es das ist, was ich denke“, wunderte der sich. Sollte das des Rätsels Lösung sein? „Doch, Little Daddy. Das und nichts anderes“, bestätigte die bunt gesträhnte Blondine, die noch immer die Tür verbarrikadierte. „Kein Schicksal wiederholt sich zweimal, das müsste auch Colt kapiert haben“, erklärte Fireball nun kategorisch. Es war schließlich unwahrscheinlich, dass es Colts Kind ebenso gehen würde, wie es ihm selbst ergangen war. „Ach, WEIßT“, Sie betonte das Wort deutlich, als sie nachhakte. „du das auch so überzeugt?“ Skeptisch musterte sie ihn dabei. Er zog prompt den Kopf ein. „Kommt drauf an, wann du mich das fragst“, gestand er, bevor sie das wieder aus seinen Gedanken vorlesen konnte. Chily rollte die Augen. „Dachte ich mir. Hacke nicht auf ihm rum, wenn du einen Scheiß besser bist“, tadelte sie ihn. Saber griff sie bestimmt an den Oberarmen und drehte seine Frau zu sich herum. „Jolene, jetzt mal langsam bitte. Fire ist auch nicht immer schnell von Begriff, das wissen wir mittlerweile alle, aber er hat April wenigstens nicht dafür zur Schnecke gemacht. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied“, nahm er seinen Piloten in Schutz. „Aber willst du denn nicht verstehen, dass das nur eine, zugegeben sehr blöde, Art für ihn war, zu sagen, dass er Angst hat. Gefühle schalten den Verstand aus, dass weiß jeder, und Colt hatte nur Angst“, machte sie noch einmal leidenschaftlich klar. Zumindest verstand der Japaner das Ganze nun „Bei Colt ist die Angst immer verdammt laut“, nickte er. „Aber er hätte es Robin nicht so spüren lassen dürfen“, meinte der Schotte fest. Ein Gentleman tat sowas nicht, egal, wie groß die Angst war. „Ja, aber dafür ist es jetzt zu spät“, gestand die Hebamme ihm zu und seufzte wiederum. „Manapi, du lässt mich doch auch manche Dinge spüren“, musste sie ihm vor Augen führen. Fireball grinste unterdrückt. Dass er mal dabei sein durfte, wie jemand Saber den Kopf zu Recht rückte. „Aber doch nicht so“, wehrte der Recke überrascht ab. „Deine Eifersucht tut mir verdammt weh“, stellte sie klar und ließ ihm keine andere Wahl, als schuldbewusst den Blick zu senken. Damit hatte sie schließlich recht. Wenn es um Eifersucht ging, verletzte der Schotte sie genauso, wie Colt Robin mit seiner Angst davor, dass sich das willcoxsche Schicksal wiederholen könne. „Tut mir leid“, murmelte er betreten. Während der Rennfahrer heiter „Mann oh Mann“ vor sich hin kicherte, zog Chily ihren Mann verständnisvoll in ihre Arme. „Ich weiß“, flüsterte sie. „Ihr müsst Colt nur klar machen, dass er das Robin erklären muss, dass er mit ihr darüber redet. Ich kann das nicht für ihn tun“, bat sie dann leise und schmiegte sich an den Schotten. „Ich versprech es dir“, nickte der und erwiderte die Umarmung. Die Hebamme linste zu Fireball. „Zumindest versuch ich es“, antwortete der, hob aber die Hand und machte klar, dass er nichts versprechen würde. Aber damit gab sie sich schon zufrieden. „Na dann.“ Sie nickte beiden zu und trat von der Tür weg. Der junge Vater umarmte sie zum Abschied. „Wir sehen uns die Tage mal, Chily“, meinte er und schlüpfte hinaus. Saber nahm sich noch die Zeit seiner Angetrauten einen Kuss aufzuhauchen. „Tschüss, Aiyana.“ Dann folgte er dem Rennfahrer.
 

Auf dem Weg zu dem Scharfschützen fragten sich die beiden Freunde, was sie wohl zu erwarten hatte. Colt konnte unmöglich guter Laune sein. Zum einen, weil Robin nicht da war, zum anderen, wegen deren Schwangerschaft. Ob er das wohl immer noch so ablehnte? Aber langsam begriffen Saber und Fireball, was in dem Kuhhirten vor sich ging. Kurz entschlossen klingelten sie schließlich an seiner Tür. Der Cowboy öffnete, hatte noch einen Werkzeuggürtel um die Hüfte, musterte die Ankömmlinge kurz. „Keiner von euch sieht aus wie meine Robin“, stellte er nüchtern fest und wollte die Tür wieder schließen. Ihm war vollkommen klar, dass sie ihn ins Gebet nehmen wollten, dass sie nur deshalb hier waren. Aber Colt hatte Wichtigeres zu tun, als sich von ihnen erzählen zu lassen, dass er sich wie ein Idiot aufgeführt und seine Zukünftige tief verletzt hatte. Das wusste er selbst. Fireball ließ sich jedoch nicht so einfach abkanzeln und schob den Fuß in die Tür. „Aber wir sind genauso nett, glaub mir“, versicherte er die friedliche Absicht und verschaffte sich Zutritt. Der Schotte folgte ihm „Hast du Zeit, oder geht es grad schlecht?“, fragte er rhetorisch. „Ich hab zu tun“, gab Colt wenig begeistert von der Störung zurück. „Ansonsten geht es mir ...“ Er beendete den Satz nicht, sondern schob sich den Mittelfinger ansatzweise in den Hals, als wollte er den Brechreiz damit auslösen. Der Recke und der Rennfahrer tauschten einen kurzen Blick. „Wir helfen dir, dann geht es schneller“, bot der Blonde an und deutete auf den Werkzeuggürtel. Wenn Colt vorhatte, was auch immer er begonnen hatte, erst zu beenden ehe er zu Robin ging, konnte sich das noch sehr lange hinauszögern. „Bei deinem handwerklichen Geschick stehst du in einem Jahr noch hier“, sprach der Pilot aus, was sein Boss dachte. „Hey, hey, langsam. Wollt ihr mir unterstellen ich kann das nicht?“, musste der Lockenkopf sofort abstreiten. Egal, wie sehr die beiden Recht haben mochten, noch war er der Herr dieses Hauses und damit dafür zuständig. „Sagen dir zwei linke Hände was?“, grinste der junge Vater etwas unbeholfen. „Die nennst du für gewöhnlich dein eigen, Cowboy.“ Brummend gab Colt endlich den Weg ins Wohnzimmer frei.
 

„Habt ihr wenigstens ein Bier da? Oder zwei? Wasser gibt es nämlich grad keins“, wollte er wissen. Immerhin hatte er es geschafft, den Abfluss zu demolieren. Wie auch immer ihm das gelungen war, war ihm selbst ein Rätsel, aber vorläufig herrschte Überschwemmungsgefahr, wenn der Wasserhahn aufgedreht wurde. Saber brachte den Sechserpack zum Vorschein. „Danach hat auch keiner gefragt. Da Hopfen und Malz verloren gegangen zu sein scheint, würden wir uns gar nicht trauen hier ohne aufzutauchen“, meinte er leicht und schob den Kuhhirten auf die Couch. Dann reichte er ihm eine Flasche und nahm sich selbst eine. „Sondern? Wonach wird dann gefragt?“, hakte der Scharfschütze nach, öffnete die Flasche und trank erst mal einen Schluck. Da kam doch sicher gleich eine Predigt, schwante es ihm. „Erst mal nach deinem Wohlbefinden“, erklärte Fireball, schob das Bier auf dem Tisch etwas zur Seite und setzte sich auf die Platte. „Sind die wahnsinnigen fünf Minuten vorbei für heute?“, wollte er wissen. Man musste ja schließlich auf alles gefasst sein. „Die dauern an seit Robin weg ist.“ Colt nahm noch einen Schluck. „Du weißt, dass das nichts hilft?“, fragte der Japaner und erntete einen verständnislosen Blick von seinem Gegenüber. Colt wusste nicht, was sein kleiner Hombre meinte. Half der Wahnsinn nicht, oder das Bier? Saber schüttelte den Kopf. So wurde das nie etwas „Hör mal, wir alle wissen, dass du mit deiner impulsiven Art manchmal über das Ziel hinausschießt und vieles nicht arg so meinst, wie du es sagst. Aber wir wissen auch, dass Robin nichts dafür kann und noch weniger das kleine Etwas in ihrem Bauch“, übernahm er das Gespräch. Mit einem weiteren Schluck spülte Colt eine gereizte Antwort hinunter. „Ich weiß auch, dass ich ihr Zeit lassen sollte. Was erwartest du also von mir?“, wollte er dann wissen. „Wir erwarten gar nichts. Aber wir werden da sein, Colt“, versicherte der Schotte ihm. Es war noch nie vorteilhaft gewesen, Colt das Gefühl zu vermitteln, er stünde unter Druck. Meist explodierte der dann. „Sehe ich, ihr seid ja da.“ Der Lockenkopf schnitt eine Grimasse.
 

Er fühlte sich einfach nur schlecht ohne seine bessere Hälfte. Aber das wiederum durfte er nicht an seinen beiden Freunden aus lassen, deshalb fragte er dann besorgt. „Wie geht es ihr, Saber?“ Der Schotte suchte nach einer passenden Umschreibung. So betroffen, wie ihn der Kuhhirte gerade anschaute, wollte er ihm nicht sagen, dass sich die Lehrerin die Augen aus dem Kopf heulte. „Robin ist nicht allein“, entgegnete er dann. „Oh, das ist schön für sie“, murmelte der Lockenkopf und senkte den Blick wieder. Wer tröstete sie bloß? Hoffentlich die Hebamme und kein anderer Mann. Colt wollte seine Zukünftige nicht verlieren. Sein Herz verzog sich schmerzhaft bei dem Gedanken daran. „Ehrlich gesagt, würde sich Robin lieber an jemand anderen klammern, als an Chily. Du verstehst?“, fügte Fireball hinzu, doch leider missverstand der Scharfschütze das völlig. So wie er sich aufgeführt hatte, war ihm nun klar, dass Robin sich nach einem anderen umschaute. Verdenken konnte er ihr das nicht mal. Jeder Outrider hätte liebevoller auf diese Nachricht reagiert, als er. „Na, Scheiße“, fluchte Colt frustriert, „dann hätte ich mir die Mühe ja sparen können.“ Er erhob sich und verschwand in der Küche. Dort begann er aufzuräumen. Es machte ja nun keinen Sinn mehr, dass er das Haus kindersicher machte. Hier würde kein Kind aufwachsen. Saber warf dem Rennfahrer einen tadelnden Blick zu, ehe er dem Cowboy folgte. „Er meinte eigentlich: Sie vermisst dich“, berichtigte er die unglückliche Formulierung des Japaners. „Ja klar. Deswegen hab ich seither noch keinen Piep von ihr gehört.“ Frustriert warf er eine Zange in den Werkzeugkasten, dass es schepperte. „Ich würd dich auch nicht anrufen, wenn ich sie wäre, Colt“, bemerkte Saber trocken. Der Angesprochene hielt in der Bewegung inne. „Ich weiß“, gab er kaum hörbar zu. „Na, also. Mach ihr keinen Vorwurf.“ Mit verschränkten Armen lehnte sich der Blonde an den Türrahmen. „Und jetzt?“ Ratlos kniete Colt auf dem Küchenboden und schaute von seinem Boss zu dem Piloten, der ebenfalls in der Tür stand. „Das kommt drauf an, was du willst, Kumpel“, entgegnete der Wuschelkopf. „Sie“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Und?“, hakte Fireball nach. „Was und? Gar nichts und? Ich will sie so wie sie ist“, erwiderte der Cowboy ungeduldig. Nur sehr vage, aber doch zuversichtlich schmunzelte der junge Vater. „Du wirst das Kind schon schaukeln, Colt, ganz sicher.“ Zumindest hoffte er das aufrichtig für alle Beteiligten. Der Kuhhirte sprang auf. „Ist sie grad bei euch? Oder ist sie mit Chily unterwegs?“, fragte er den Schotten. „Sitzen beide bei uns in der Küche“, gab der Auskunft. In nächsten Augenblick war der Lockenkopf aus der Küche und dann aus dem Haus.
 

„Ich glaub, wir trinken unser Bier besser bei dir aus“, meinte er, wobei er dem Scharfschützen so hinterher schaute, als hätte er das erwartet. Noch länger in dessen Haus zu bleiben schien dem Blonden genauso unhöflich, wie jetzt in sein eigenes Heim zu gehen. Da würde demnächst ein Gespräch stattfinden, das vorrangig die werdenden Eltern betraf und bei dem man sicher nicht stören sollte. „Ich glaube nicht Boss. Dein Haushuhn kann sich doch so schwer raushalten“, gab Fireball nicht so unberechtigt zu bedenken. „Da hast du auch wieder Recht. Also, dann lad ich dich noch auf einen Sprung zu mir ein.“ Saber wies mit der Hand durch die Tür und folgte dem jungen Vater.
 

Colt hastete die Straßen entlang, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Den Impulsiven drängte es zu seiner Freundin, denn so viel hatte er begriffen. Es wurde Zeit, dass sie zu ihm zurückkam. Es fehlte einfach etwas, wenn sie nicht da war. Sein Leben war nicht länger komplett. Im Gegenteil. Sie bekamen ein Kind. Colts Sorgen, die mit dieser Nachricht ans Licht gespült worden waren, waren nicht geringer geworden seither, aber sie verhinderten nicht länger, dass er sich eben doch darüber freute. Jetzt wusste er nur noch eins. Sie sollte heim zu ihm. Sie sollte endlich wieder bei ihm sein.
 

Er nahm sich nicht die Zeit, an der Haustür zu klingeln oder an der Küchentür zu klopfen, schwungvoll polterte er hinein und platzte heraus: „Wir müssen reden Robin.“ Sowohl die Angesprochene, als auch die anwesende Hebamme fuhren bei diesen Worten auf. Keine der beiden hatte damit gerechnet, dass er hier so prompt auftauchte. „Colt”, rief die Lehrerin ungläubig aus, während Chily genügend Zeit fand ihn zu tadeln. „Bullet! Mann, anklopfen ist kein Luxus, das kannst sogar du dir leisten!“ Aber der hatte kein Gehör für sie, nahm sie nicht mal wirklich war. Sein Interesse lag auf seiner Zukünftigen. „Robin?“, fragte er und schaute sie liebevoll an. „Hm“, schniefte die und schaute ihn bekümmert an. Was kam jetzt auf sie zu? Die bunt gesträhnte Blondine fragte sich, ob Saber und Fireball dem Kuhhirten gefolgt waren. Wenn ja, ließen sie sich ganz schön Zeit. Sie konnten sie doch unmöglich mit den beiden allein lassen, wo die Hebamme doch Gefahr lief, sich einzumischen. „Ich will, dass du mit nach Hause kommst“, verlangte Colt leidenschaftlich und tollpatschig zugleich. Es war das, was er dachte, nur kam er nicht auf die Idee, wie fordernd das wirkte. „Pass ich denn noch in dein Konzept?“, wollte Robin wissen und hätte auf der Stelle in neue Tränen ausbrechen können. „Nichts passt, so lange du nicht da bist“, entgegnete Colt wahrheitsgemäß, aber hitzig. Chily schlug sich die Hand vor den Mund und mahnte sich gedanklich, dass sie sich raushalten musste.
 

Gerade in dem Moment tauchte ihr Angetrauter in der Tür auf und zog sie aus der Küche und somit aus der brenzligen Situation. Der Rennfahrer stand neben ihm auf dem Flur und klebte ihr sacht ein Pflaster auf den Mund. „Wir dachten, wir machen dich mundtot, solange Colt und Robin was zu besprechen haben. Sie nahm das Pflaster wieder ab. „Das kann er besser als du, deshalb ist er mein Mann“, erklärte sie und lehnte sich gegen den Schotten. „Da hab ich nichts dagegen“, gab der schmunzelnd zurück.
 

„Und das Kind, Colt?“, fragte Robin. Wie sollte das denn gut gehen? Er hatte sich so gar nicht darüber gefreut. Sollte sie wirklich mit nach Hause kommen, so lange er ihrer Schwangerschaft nicht mal im Ansatz positiv gegenüberstand? „Was soll damit sein?“, fragte der Scharfschütze dümmlich zurück. „Willst du es denn?“ Robins Hand glitt auf das Bäuchlein, ihr Blick auf ihre Füße. Sie hatte Angst vor seiner Antwort, Angst vor einem Nein. „Was soll denn die Frage?“ Colt verstand sie kein bisschen. Er hatte es doch gesagt. Er wollte, dass sie wieder mit nach Hause kam. Das bedeutete so wie sie war und damit auch schwanger. Was verstand sie daran nicht? Natürlich wollte er das Kind. Er hatte begonnen, das Haus kindersicher zu machen. Dabei entging dem Ungeduldigen, dass sie das nicht wissen konnte und nur noch seinen unschönen Ausbruch im Kopf hatte. „Also nein“, glaubte sie daher richtig zu verstehen. Tränen rollten ihr über die Wangen. Was niemand zuvor geschafft hatte, schaffte ein Wesen, das noch nicht mal auf der Welt war. Unglaublich. „Das hab ich nicht gesagt. Ich hab gesagt, ich will, dass du nach Hause kommst“, stellte der Cowboy nun haltlos richtig.
 

Auf dem Flur waren die beiden gehört worden. Jetzt zupfte die Hebamme aufgeregt am Hemd ihres Mannes. „Stopf mir den Mund, stopf mir den Mund“, flehte sie. Saber hob die Schultern und verschloss ihr den Mund mit einem Kuss.
 

„Und das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, weinte Robin unglücklich. Das war noch schlimmer, als sie sich es vorgestellt hatte. Sie war in der Hölle, ganz eindeutig. „Doch hat es“, beharrte Colt ungeduldig. Wie kam sie nur auf etwas anderes? Er wollte doch, dass sie zurückkam, wie sie war. Also schwanger, also mit dem Kind. Wieso verstand sie das nicht? „Kommst du jetzt?“, fragte er. „Nein.“ Robin schüttelte den Kopf. Dem Scharfschützen klappte der Kiefer schier ins Bodenlose. „Warum nicht?“, fragte er perplex zurück. „Colt, ich bekomme ein Kind, das du nicht willst“, erklärte die Lehrerin, wobei ihr Tränen über die Wangen liefen. „Denkst du wirklich, dass das gut geht und dass ich zu dir zurückkommen sollte?“ Jetzt begehrte der Kuhhirte impulsiv auf. „Ich hab nie gesagt, dass ich es nicht will“, fuhr er sie an. „Und du hast auch nichts gesagt, was das Gegenteil beweisen würde“, schniefte sie. „Na, doch. Sonst würde ich doch nicht wollen, dass du Heim kommst“, berichtigte er sie sofort ungestüm. Drückte er sich so unverständlich aus? „Wirklich?“ In Robin keimte Hoffnung auf. „Ja, aber Chily hat gemeint, ich sollte dich auch nicht drängen“, antwortete der Lockenkopf ruhiger.
 

Im Flur löste sich die Hebamme von ihrem Mann und schlug sich leicht gegen die Stirn. „Der Idiot. So was erzählt man doch nicht. Dem werd ich helfen“, schimpfte sie leise und machte Anstalten in die Küche zu gehen. Saber hielt sie fest. „Hier geblieben, Lady!“, befahl er leise. „Aber ...“ hob sie zum Protest an, doch diesmal hielt der Rennfahrer ihr den Mund zu. „Verkneif es dir!“, raunte er ihr streng zu. Widerwillig stampfte sie mit dem Fuß auf, blieb aber der Küche fern.
 

„Und was hat Chily noch gemeint?“, hakte Robin nach. Ihre Hoffnung war mit seinen Worten wieder verschwunden. Er war nicht hier, weil er es wollte, sondern weil seine Freunde, ganz besonders Chily ihm es geraten hatten. So schien es ihr zumindest. Ertappt biss sich Colt auf die Lippen. Das war einen taktisch unkluge Aussage gewesen. „Nichts“, presste er wahrheitsgemäß hervor. „Ach ja? Sollst du bei mir bleiben, nur wegen dem Kind?“, fuhr sie ihn nun an. Das durfte doch alles nicht wahr sein.
 

Im Gang grollte Chily leise weiter. „Das ist Schwachsinn. Wir haben nicht darüber geredet.“ Das musste sie zumindest vor den beiden Männern klar stellen. „Das mag ja sein, aber wenn du dich jetzt einmischt, geht was in die Brüche. Und ich rede nicht von Geschirr, Schatz“, mahnte der Schotte sie.



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