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Die letzte Blume

Eine WITCH-Shoujo-Ai frei nach der Serie
von

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Kapitel 5: Awakening

(Cornelia’s Point of View)

Gemeinsam… und doch getrennt!

So könnte man unser Nebeneinanderherwandern beschreiben.

Es gefällt mir ganz und gar nicht, dieses Schweigen, das zwischen uns herrscht…

Zwar fühle ich deinen Blick auf mir ruhen, zwar höre ich deine leisen Schluchzer, die alle um Vergebung zu bitten scheinen, doch irgendwie dringt nichts davon ganz zu mir durch. Zu sehr rasen meine Gedanken, als dass ich die Botschaften, die damit einhergehen, deuten könnte.

Du hast versucht, mich zu vergewaltigen!

Glaub ja nicht, ich hätte das nicht gespürt! Ich fühlte deine erregten Schauer, als du meinen Hintern an deinen Schambereich presstest, und ich hörte, wie dein Atem stoßweise ging, als du in mein Haar eintauchtest. Ich fühlte die Kälte deiner Hände auf meiner Brust… und den Schmerz, als du mich in den Nacken gebissen hast.

Dir schien es Spaß zu machen, mir diese schrecklichen Dinge anzutun.

Ich kann es mir nur mit Zorn erklären. Du empfandest Zorn auf mich… weil ich der Grund war, weshalb du dich umbringen wolltest. Zorn, der dich aufputschte und zu schrecklichen Taten trieb.

Doch warum Vergewaltigung? Du hättest mich auch einfach umbringen oder zusammenschlagen können. Wieso diese Art von Folter? Was wolltest du mir damit zeigen?

Sollte es Demütigung sein… oder sogar etwas noch Schlimmeres?
 

Während ich noch nachdenke, fällt etwas auf meinen Kopf. Gleich darauf ein zweites und drittes Mal.

Wassertropfen?

Oh nein, das wäre ja auch zu schön gewesen!

Es hagelt! Und so, wie der Himmel aussieht, wird es ein langer Hagelschauer werden. Da ist an Nachhausefliegen nicht mehr zu denken. Wir müssen uns irgendwo unterstellen.

Links von der Straße, auf der wir gerade gehen, eingequetscht zwischen einer Kunstgalerie und einem Antiquariat, liegt eine kleine Kneipe mit Pension, die ganz im Stil eines englischen Pubs eingerichtet ist. Sie ist noch geöffnet, scheint aber selbst für diese Tageszeit nicht gerade gut besucht zu sein.

Umso besser, dann brauchen wir nicht so viele neugierige Blicke zu ertragen!

Außerdem können wir beide etwas Warmes zu trinken gebrauchen. Und eine gute Sitzgelegenheit wäre auch nicht schlecht.

Die haben wir jedenfalls reichlich, denn als wir den Pub betreten, stellt sich heraus, dass kein einziger Gast da ist. Nur der Wirt steht mit gleichgültiger Miene hinter seinem Tresen und poliert zum wahrscheinlich hundertsten Mal seine Gläser.

Er wirkt ziemlich erstaunt, dass so spät am Abend zwei junge Mädchen an seinen Tresen kommen und Kakao bestellen.

Während der Wirt die Milch ansetzt, setzen wir uns an einen Tisch in der Ecke.

Besser gesagt: ich setze mich. Du lässt dich fallen.

Die Minuten ziehen sich hin. Die Kakaotassen stehen schon längst vor uns, doch wir rühren sie nicht an.

Das Schweigen dauert fort.

Ich weiß auch gar nicht, was ich dir sagen soll. Wenn ich dir wenigstens in die Augen blicken könnte, um zu ergründen, was dich bewegt… wenn ich den traurigen Blick erwidern könnte, den du mir schenkst…

Doch es ist natürlich klar, dass ich das nicht kann.

Ich würde es ja doch nicht verstehen...

Auf einmal regst du dich. Du löst deine Arme, die du bisher vor der Brust verschränkt hattest, und starrst mich an. Ich schaue weg.

Da greifst du in die Brusttasche deiner Sportjacke und ziehst ein Klappmesser hervor.

Ohne ein Wort zu sagen, klappst du es aus und schmeißt du es vor mir auf den Tisch.

Die Klinge ist lang und schmal, funkelt hinterlistig im fahlen Licht der alten Laternen. Dieses Funkeln erzählt seine ganze Geschichte.

Du wolltest mich umbringen! Du konntest es nicht ertragen, alleine in den Tod zu gehen, deshalb wolltest du mich mitnehmen!

Ich kann es nicht glauben. Ich hätte dich für vieles gehalten, aber nicht für eine Mörderin!

Verdammt, was habe ich denn getan, dass du dermaßen zornig auf mich bist? Was habe ich getan, dass dich zum Selbstmord treibt? Warum machst du mich dafür verantwortlich? Jeder ist für sein Schicksal selber verantwortlich. Dass ich auf dich eifersüchtig war, ist noch lange kein Grund, mich zu töten, oder?

Zum Teufel, sag doch etwas! Gib eine Erklärung ab, führe irgendein verzweifeltes Selbstgespräch, klage mich meinetwegen in aller Öffentlichkeit an, aber sag endlich etwas!

Ich will endlich wissen, was da unter deinem süßen, roten Wuschelkopf vorgeht…

Nun bin ich es, der dich ansieht, während du ins Leere starrst. Zwar wirfst du mir kurz einen Blick aus dem Augenwinkel zu, doch das Einzige, was du zu sehen bekommst, ist die Angst in meinem Gesicht. Wieder beginnst du zu weinen, wortlos und von Krämpfen geschüttelt.

Verdammt, ich halte das nicht mehr aus!

Mit einem mehr als nur miserablen Gefühl im Bauch stehe ich auf und renne zur Toilette, während mir der Wirt komisch hinterher schielt.

Dort angekommen, beginne ich rastlos auf und ab zu tigern, fieberhaft über einer Lösung unseres Problems brütend.

Ich habe keine Ahnung, wie ich dir helfen könnte... wie ich das, was ich deiner Meinung nach getan habe, wiedergutmachen soll!

Ich bin mit dieser Situation vollkommen überfordert, denn ich weiß ja nicht einmal, was ich so Schreckliches getan habe!

Los, Cornelia, streng deine grauen Zellen an! Irma sagt doch auch immer, dass da unter deiner blonden Haarflut irgendwo welche sein müssen. Versetz dich in Wills Lage! Sieh die Angelegenheit nur einen Moment lang aus ihrer Perspektive!

Sie war die Neue in der Klasse. Auf ihr lasteten sowieso einige Erwartungen. Mädchen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, versuchten sich mit ihr anzufreunden… Mädchen, die zufälligerweise zu deiner Clique gehörten.

Du mochtest es nicht, dass du plötzlich nicht mehr im Rampenlicht stehen konntest, also hast du sie abgelehnt… und sie spürte das.

Sie wusste, dass sie, wenn sie zu dieser Clique gehören wollte, auch deine Erlaubnis dazu brauchte.

Wie es bei deinem verdammten Stolz nicht anders zu erwarten war, scheiterte sie.

Ist es da verwunderlich, dass sie deprimiert war? Dass sie alles Mögliche versuchte, um es dir recht zu machen, während von dir nicht das geringste Zeichen von Zuneigung zurückkam?

Ich muss zugeben, dass ich eine Zeit lang fast geneigt war, dir das zu zeigen. Ich weiß, das wiegt nicht viel, aber manchmal, an meinen besseren Tagen, war ich froh darüber, deinen feuerroten Kopf im Gewühl der Schüler ausmachen zu können, dass ich sogar stolz darauf war, mit dir befreundet zu sein.

Ich meine, wer hat schon alles eine Freundin, die gleichzeitig die Anführerin einer Gruppe Hexen ist, die die Welt vor dem Bösen beschützen?

Sicher, ich war von dieser Sache nicht so begeistert wie die anderen, aber es gab Tage, an denen fühlte ich mich tatsächlich für dich verantwortlich… so wie eine Freundin es normalerweise sein sollte. Der Tag, an dem ich für dich diese Geburtstagfeier startete, war einer davon. Ich war ziemlich beleidigt, als du dich überhaupt nicht darüber zu freuen schienst.

Und so nährte es nur mehr den Neid und die Enttäuschung, die tief in mir brodelten und die schon wenige Tage später wiederkehrten.

Du bist lediglich meiner ewigen schlechten Laune zum Opfer gefallen…
 

Aus der Gaststätte dringt plötzlich ein verdächtiges Poltern an mein Ohr.

Sengend heiß schießt es mir durch den Kopf, dass du immer noch mit einem Messer dort draußen sitzt.

Nichts hindert dich daran, hinaus zu rennen, um es dir doch noch in die Brust zu stoßen!

Blitzartig verlasse ich die Toilette und steuere auf unseren Tisch zu...
 

Doch du bist längst verschwunden!

Ich feiges Arschloch habe dich wieder einmal allein sitzen lassen!

Allmächtiger, trete mir dafür in meinen übergroßen Hintern!

Da fällt mir auf einmal ein rechteckiger, schwarzer Kasten links von der Theke ins Auge… und du sitzt davor.

Ein Klavier! Ein altes, kastenförmiges Klavier! Zu Unterhaltung der Gäste nehme ich an.

Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals von Klavierspielen gesprochen hast.

Obwohl man dein trauriges Herumklimpern auf den Tasten auch nicht unbedingt als Spielen bezeichnen kann. Es wirkt eher, als versuchtest du damit Gefühle auszudrücken, die sich mit Worten nicht annähernd beschreiben lassen.

Vielleicht kann ich dir ja wenigstens dabei helfen…

Ich schiebe deine Hand beiseite und setze mich selber zur Hälfte auf den Hocker.

Das Stück, dessen Partitur du vor dir ausgebreitet hast, ist nicht gerade einfach, aber ich kenne es. Ich habe es selber einmal gelernt, damals, als meine Schwester noch nicht geboren war und ich Klavierunterricht hatte. Ich war kein Wunderkind, aber ich war gut genug, mir einige Lieder selbst beizubringen. Dann entdeckte ich das Schlittschuhlaufen für mich, und es entsprach mehr meinem Geschmack. Bald ging ich voll darin auf, der Unterricht fiel weg, und seitdem habe ich kein Klavier mehr angefasst.

Eigentlich ziemlich schade! Papa und Mama waren immer so stolz, wenn ich ihnen etwas vorspielte, und es hat mir manchmal ziemlich großen Spaß gemacht, auch wenn es schwer fiel.

Nun gleiten meine vor Kälte steifen Finger wieder über die Elfenbeintasten, fast krampfhaft nach den richtigen Tönen suchend. Die Erinnerung kehrt nur langsam wieder, und mein Verstand gleitet ständig woanders hin. Ich könnte mich wesentlich besser konzentrieren, wenn du nicht neben mir auf den Hocker gequetscht wärst. Ich weiß nicht warum, aber deine Nähe irritiert mich. Dein leiser Atem streift mir halb am Ohr vorbei und rührt mich auf eine Weise an, die ich nicht erklären kann… irgendwie… tröstet es mich. Dein feiner Atem, der mit der Musik wächst und fällt; deine rote Wange, die fast auf meiner Schulter liegt; deine Augen, die den Bewegungen meiner Finger folgen… du wirkst so viel ruhiger als vorhin.

Etwa in der Mitte des Stückes legst du deine Hand an mein Handgelenk und streichelst es. Ich erschrecke leicht, und du zuckst zurück. Schon wieder treten kleine Tränen aus deinen Augen. Der Blick, den du mir dabei zuwirfst, brennt durch Mark und Bein. Er zeugt von Traurigkeit und Sehnsucht. Du seufzst, genau wie an jenem Tag, als ich beschloss, aus der Gruppe auszusteigen.

Wahrscheinlich sprechen auch meine Augen Bände und zeigen die Angst, die ich empfinde. Alles an dir bittet mit Mitleid heischender Zärtlichkeit um Vergebung… und nur ich allein habe in der Hand, ob du dir selbst vergeben kannst.

Nein, das geht nicht! Nenn mich ruhig feige und verantwortungslos, aber ich spüre, dass diese Abhängigkeit falsch ist! Du bist noch viel zu verwirrt, viel zu sehr von Schuld zerfressen! Wir wissen beide, dass ich genauso viel Schuld an unserer Lage habe. Und dennoch hängt dein Seelenfrieden davon ab, ob ich dir verzeihe…

Fast, als wärst du verliebt in mich…
 

Warte mal, habe ich das eben wirklich gedacht? Du - verliebt in mich?

Natürlich! Trauer… Trauer um eine große Liebe… darum geht es auch in dieser Komposition, die du dir ausgesucht hast…

Das war es also, was dich in den Selbstmord trieb. Nicht nur der Verlust deines Selbstvertrauens als Anführerin oder bloße Selbstvorwürfe; nein, unerwiderte Liebe!

Und die Tatsache, dass ausgerechnet das Mädchen, dass du so innig liebtest, dich wie Dreck behandelte!

Es ergibt alles einen Sinn! Endlich kann ich deine Gedanken nachvollziehen!

Du musst Qualen gelitten haben... immer wieder in mein Gesicht zu sehen und darin ewig nur Gleichgültigkeit und Verachtung zu erblicken... ich schäme mich so... und trotzdem kann ich nicht anders, als erleichtert zu sein.

Ist das nur Erleichterung, dass ich anscheinend den richtigen Grund für deine Depression gefunden habe? Sollte mich das nicht eher irritieren oder verängstigen?

Du warst verliebt in mich, und du liebst mich noch immer! Das kann ich doch nicht einfach so gutheißen.

Du weißt, das ich keine Lesbe bin… dass ich niemals eine war. Ich war immer so, wie man es von ihr erwartet hat. Ich habe für einen Jungen geschwärmt, den alle meine Freundinnen irgendwie süß fanden, und ich war mit Mädchen zusammen, für die man einfach nichts anderes als Freundschaft empfinden konnte.

Doch nie zuvor habe ich ein Mädchen getroffen, das so seltsam ist wie du… so leidenschaftlich und unvorhersehbar.

Ein Mädchen, dass in anderen das Beste zum Vorschein bringt, während es das bei sich selbst nicht sehen kann.

Irma, Taranee, Hay Lin, Elyon… sie alle haben das so viel früher kapiert als ich!

Und dennoch…

Es ist nicht, dass ich Lesben verabscheue. Mich stört nicht mal, dass ich eigentlich für Caleb schwärme. Aber könnte ich mich selbst dazu zwingen, in dieser Art zu empfinden, nur um dich davon abzuhalten, wieder in deine Depressionen zu verfallen?

Falls ich jetzt auf deine Liebe eingehe – und es gibt keine Garantie, dass ich das tue - und es später wieder bereue, würde dich das erneut aus dem Lot werfen. Du stündest erneut am Rand der Verzweiflung… und wärst dem Selbstmord genauso nahe wie vorher.

Ich möchte nicht deinen Tod auf dem Gewissen haben…

Ein Räuspern erweckt mich aus meinen Grübeleien.

Der Wirt! Er bedeutet uns, dass bald Sperrstunde ist. Wenn wir länger bleiben möchten, müssten wir ein Zimmer für die Nacht mieten.

Vielleicht wäre das wirklich das Beste: eine Nacht darüber schlafen. Zusammen. Fernab von allem. Bei diesem Hagel können wir sowieso nirgendwo anders hin.

Kurz unterbreche ich das Klavierspiel, um das Zimmer für uns zu buchen und deine Mutter anzurufen. Ich sage ihr, dass es dir gut geht, du aber heute abend nicht mehr nach Hause kommst. Als ich das Gespräch gerade beenden will, signalisierst du mir, dass du auch noch mit ihr sprechen willst, und so reiche ich dir mein Handy.

Wir tauschen einen kurzen, aber unheimlich intensiven Blick miteinander.

Deine braunen Augen leuchten, und deine Lider blinzeln nervös. Deine Anspannung ist dir deutlich anzumerken, aber ebenso, dein Versuch, Mut zu fassen… Sicherheit in meinen Augen zu finden…

Den genauen Wortlaut deines Gesprächs höre ich nicht mit an. Es klingt so, als bestürze dich deine Mutter mit tausend Fragen und du könntest ihnen nur mit Mühe antworten. Einige Sekunden lang ringst du mit einem Satz, den du ihr gegenüber schon lange loswerden wolltest. Schließlich gibst du zu, dass du homosexuell fühlst und dass du Hilfe brauchst, um mit all deinen Selbstzweifeln und Depressionen klar zu kommen.

Der Rest deiner Worte ist so leise, dass du beim Sprechen kaum die Lippen bewegst, doch dein entspanntes Gesicht sagt alles Nötige. Deine Bewegungen werden sanfter, fließender, als ströme die Kraft mit jedem Wort in dich zurück.

Ich wünschte, ich könnte das auch. In diesem Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher.

Du hast wirklich eine gute Mutter, auch wenn du das selbst nicht erkennst!

Du kommst mit gesenktem Kopf zu mir zurück, aber du wirkst wesentlich hoffnungsvoller. Du lächelst flüchtig, und das erste Mal an diesem Abend können wir einander ohne Angst ins Gesicht schauen.

Zugegeben, ich habe mir schon oft gedacht, dass du hübsch bist, aber noch nie habe ich dich so aufmerksam betrachtet wie gerade jetzt. Immer wieder fallen mir neue Details an deinem Gesicht auf, die ich vorher nie für voll genommen habe. Ich weiß nicht, woher dieses plötzliche Interesse kommt, aber es berauscht mich wie ein Fruchtcocktail, diese kleinen Besonderheiten bei dir zu entdecken, und zu sehen, wie dich meine Aufmerksamkeit rot werden lässt.

Ohne nachzudenken ergreife ich deine Hand und ziehe dich zurück zum Klavier.

Noch einmal spiele ich das Klavierstück, unser Lied ohne Worte, und noch einmal sitzt du ergriffen neben mir und lauschst.

Noch einmal ergreifst du mein Handgelenk, und diesmal reagiere ich angemessen darauf.

Ich werde rot.

Langsam lasse ich mein Handgelenk durch deine Finger zurück gleiten, um es dann so zu drehen, dass unsere Handflächen aufeinander liegen. Deine Augen weiten sich vor Staunen, dann lächelst du und streichst mit deinen Fingerspitzen über meine Handlinien.

Ich erwidere es, und so verbringen wir scheinbar eine Ewigkeit mit diesem faszinierenden Spiel. Ich weiß selbst nicht, warum uns dieses einfache Handstreicheln dermaßen fesselt, aber es fühlt sich gut an… sehr gut.

Und dann, ganz plötzlich, finden sich unsere Lippen dicht voreinander schweben wieder.

Beide haben wir keine Ahnung, wie sie dort hingekommen sind.

Du zögerst verständlicherweise, und auch ich bin mir nicht sicher, ob ich mit meinen Gefühlen schon so weit bin.

Doch dann lege ich meine freie Hand an dein Kinn und ziehe dich zu mir heran.

Ein ungeahntes Kribbeln durchfährt mich. Verwunderung, Erstaunen und Zufriedenheit machen sich gleichermaßen in meinem Körper breit, und trotz meiner Unsicherheit schließe ich meine Lippen noch einmal über deinen Mund und ziehe sie erst nach einer Minute wieder weg.

Unsere halb niedergeschlagenen Augen öffnen sich, und wir blinzeln uns beide verblüfft an.

Keiner von uns hat wahrscheinlich geglaubt, dass es so einfach sein würde.

Dann endlich bemerken wir die Stille um uns herum. Der Wirt ist schon lange verschwunden. Die Uhr schlägt inzwischen Mitternacht. Wir trinken noch schnell unsere mittlerweile nicht mehr heiße Schokolade und steigen dann, Arm in Arm, die Treppe zum ersten Stockwerk hinauf.

Auch für uns wird es nun Zeit, ins Bett zu gehen.
 

(Will’s Point of View)

Allerdings hat niemand gesagt, dass es nur ein Bett sein würde.

Ob der Wirt irgendetwas geahnt hat? Quatsch, wie sollte er denn?

Nein, ich glaube, es gibt nur dieses eine Zimmer. Vielleicht benutzt er es für gewöhnlich als Ausnüchterungszelle.

Dann ist es allerdings die gemütlichste Zelle, die ich je gesehen habe. Ein sauberes, mit dicken Federdecken versehenes Bett, bunte Bilder an den Wänden, geräumige Nachtschränkchen, eine Waschschüssel und sogar ein Teppich. Aber eben nur ein Bett.

Aus dem Augenwinkel spähe ich zu dir hinüber. Du bist zwar leicht errötet, doch sonst scheinst du keine Probleme damit zu haben.

Kann das wirklich wahr sein? Du willst mit mir das Bett teilen?

Ich scheine mich tatsächlich gewaltig in dir geirrt zu haben.

Nachdem erstmal der Knoten in uns geplatzt war, ging alles ganz schnell… und dennoch frage ich mich, ob es ohne meinen Selbstmordversuch anders gekommen wäre.

Wer weiß das schon? Wer weiß, wie alles gekommen wäre, wenn ich niemals solche Gefühle für sie entwickelt hätte?

Vielleicht war es für uns beide eine Erleuchtung. Mehr als alles andere habe ich das Bedürfnis, zu erfahren, was du über mich denkst, und alle die Ängste, Sehnsüchte und geheimen Träume mit dir zu teilen, die ich auf der Eisenbahnbrücke hatte.

Apropos, meine Füße sind immer noch ganz schön klamm, und neben vielen blauen Frostbeulen sind sie auch noch mit kleinen Pflanzenresten, Schmutzteilchen und Straßenschlick bedeckt.

Während du freundlicherweise wegschaust, ziehe ich mich aus und wasche meinen Körper mit warmem Wasser aus der Schüssel.

Wohlige Schauer befallen mich, als der heiße Waschlappen meine kalte, abgestumpfte Haut berührt. Überall, besonders auf meinem Rücken, bildet sich eine prickelnde Gänsehaut.

Ob du das wohl genauso prickelnd findest?

Ich weiß, ich weiß - es würde einem Wunder gleichen, wenn wir sofort nach unserem ersten Kuss miteinander schlafen würden.

Die Gelegenheit wäre günstig: Ein weiterer Kuss, ein paar sanfte Zärtlichkeiten, eine zärtliche Massage meinerseits… und schon wäre es um uns geschehen.

Trotzdem – ich warte lieber noch ein bisschen. Zuviel ist noch ungeklärt, und man soll sich bekanntlich mit dem ersten Mal ein bisschen Zeit lassen.

Nachdem ich mit dem Waschen fertig bin und wieder in meine Unterwäsche geschlüpft bin, bist du an der Reihe. Auch ich schaue zur Seite, während du dich wäscht, obwohl ich liebend gerne einen Blick auf deinen nackten Rücken werfen würde… auf deinen Hintern… deine schmalen Schultern…

Das Alles könnte jetzt mir gehören.

Heißes Verlangen lodert in mir auf, und ich bin nahe dran, aufzustehen und meine Arme um dich zu werfen.

Doch etwas hindert mich daran… ein Gefühl, dass ich im Zusammenhang mit dir noch nie gefühlt habe: Verständnis.

Vielleicht habe ich das vorhin gefunden, als ich so lange in deine ernsten, mandelförmigen Augen blicken durfte.

Plötzlich fängst du an zu reden, noch während du in deine Unterwäsche steigst.

Du erzählst mir von deinen Gefühlen.
 

(Cornelia’s Point of View)

Caleb mag ja ganz süss sein, und natürlich ist er auch tapfer und heldenhaft und versteht es, für seine Überzeugungen zu kämpfen. Doch wenn der Kampf vorbei ist, was würde er dann machen? Würde er allein ein ganzes Königreich verwalten wollen? Könnte er ein normales Alltagsleben führen, sich Lehrern, Gesetzen oder Arbeitgebern unterordnen? Könnte er ein Mensch sein unter vielen?

Niemals! Er würde daran zerbrechen, nicht mehr der todesmutige Streiter für Meridian sein zu können.

Du hast genau dieselben Vorzüge wie er, doch du würdest nicht zerbrechen. Du kämpfst jeden Tag mit dem Leben und mit deinen inneren Dämonen, doch du tust es, um glücklich zu sein, nicht um des Kampfes selbst Willen. Du hast bis jetzt ein schweres Leben gehabt und wirst es auch weiterhin führen müssen. Die Welt ist, wie sie ist, und eine andere, bessere gibt es nicht. Doch du bist stark genug, um dich ihr zu stellen. Das musst du dir jeden Tag vor Augen halten. Du darfst niemals mehr vergessen, dass du das Wertvollste hast, was ein Mensch sich wünschen kann. Und ich ebenso.

Solche und ähnliche Worte sprudeln mir plötzlich von den Lippen, schnell und ungestüm, mit einer Leidenschaft, die ich sonst nicht von mir kenne. Ich rede und rede, nur um das Lächeln auf deinem Gesicht zu erhalten, zuzusehen, wie es sich vergrößert.

Und so, während draußen der Hagelsturm tobt, sitzen wir nebeneinander, Hand in Hand, reden, machen kleine Scherze und reden einfach, reden, als ginge es um unser Überleben.

Man kann es förmlich an deinem Gesicht ablesen, wie sehr dein Vertrauen und deine Zuneigung zu mir mit jedem Satz wachsen und gedeihen wie eine Blume.

Wie die erste Blume, die nach einem Brand wieder zu sprießen beginnt.
 

(Will’s Point of View)

Jetzt, wo du alles vor mir ausbreitest, mir deine eigene Dummheit vor Augen führst und erklärst, dass du es nie so weit wolltest kommen lassen, erkenne ich mehr und mehr, wie einseitig ich gedacht habe.

Ich erkenne es, aber ich schäme mich nicht mehr dafür. Wer einmal wirkliche Depression erlebt hat, wird wissen, wie jeder zuversichtliche Gedanke, jede glückliche Erinnerung untergeht und einem nur die schlimmsten und scheußlichsten Erinnerungen bleiben… bis die eigene dunkle Seite hervorkommt und man sogar den Lebenswillen verliert.

Doch es ist falsch, sich selbst und andere dafür zu bestrafen, oder sich an Hoffnungen zu klammern, die so weit entfernt liegen, dass man darüber die Freuden, die nahe liegen, nicht mehr wahrnimmt.

Du hast recht: man muss sich jeden Tag vor Augen halten, dass das Leben, auch wenn es manchmal schrecklich, sinnlos und schwierig scheint, ein Geschenk ist... und das jede nette Geste, jeder gute Gedanke, der einem widerfährt, zählt.

Meistens schafft man das nicht allein. Hätten wir früher mit einander gesprochen, wäre alles anders ausgegangen.

Aber es bringt auch nichts, sich immer mit dem Hätte und Könnte zu befassen. Ich bin in dich verliebt, und ich habe es geschafft, dass du meine Gefühle vorsichtig erwiderst. Was sonst noch darauf folgen mag, wird der nächste Morgen bringen.
 

Bis wir unser Gespräch beendet haben, hat der Sturm bereits aufgehört und der Mond ist aufgegangen. Ein Sternenhimmel, atemberaubend wie sonst nur in wenigen Nächten, steht über Heatherfield. Der Halbmond scheint zum Fenster herein und wirft sein silbernes Licht auf unsere Körper.

Da beschließen wir, Schluß zu machen und endlich zu schlafen.

Ich drehe mich noch einmal zum Fenster hin und schaue hinaus in die unendliche Schwärze, wo Milliarden von anderen Welten schweben, jede einzigartig, doch alle irgendwie ähnlich, die eine wie die andere. Und überall gibt es dieselben Fragen.

Wie erreicht man, dass ein Mensch einen liebt? Wann erkennt man, dass man es erreicht hat? Und wie gibt man es zu?

Solche einfachen Fragen kann kein Mensch beantworten, vor allem jene nicht, die es richtig machen.

Manche Fragen können nie beantwortet werden. Manche Taten sind zu schlimm, als dass sie je wieder gut gemacht werden könnten. Und manche Liebe, so aufrichtig und sehnsüchtig sie auch sein mag, ist doch nur eine kleine Waffe gegen den Hass, der in uns lodert… Hass auf uns selbst und auf andere.

Was kann es schon für eine Waffe geben gegen solch kollossalen Hass?

Vielleicht gibt es keine; zumindest keine, die gegen jede Form von Hass wirkt.

Einsichtigkeit war es in meinem, Sorge in deinem Fall. Und es mag noch viele andere geben.

Aber es gibt immer eine… irgendwo jenseits der Finsternis.

Kalte Zugluft zieht durch den Raum.

Deine Nase ruht an meiner Wange, dein Mund an meinem Hals. Deine Arme liegen um meinen Unterleib.

Beruhigendes Schnarchen dringt an mein Ohr.

Das leise Pochen deines Herzens trägt mich mit seinem beruhigenden Klopfen hinüber in die Welt des Schlafes.

Und so schlafe ich tatsächlich ein… mit einem Lächeln auf den Lippen.

Soll der nächste Tag ruhig kommen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Silver_Wolf
2009-02-03T10:40:45+00:00 03.02.2009 11:40
*.* hammer wendung und das klaviespiel *.* sooo romantisch *.*
Von:  PrincessLia
2008-08-18T12:29:58+00:00 18.08.2008 14:29
OMG!!!!!!
Erste juhuuuu
Naja ich liebe das FF es ist gut geschrieben und dieses wechseln der ansichtet GENIAL!!!!
Okay es ist in meiner Favo-L :3
Hoffe schreibst es bald zuende


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