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Promise

Xigbar/Demyx
von

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When Everything Goes Wrong

Chapter 7/12
 

„Und wofür brauchen wir die?“ Fragend zeigte Demyx auf die beiden Rucksäcke, von denen sein Mentor ihm einen in die Hand drückte.
 

„Deiner ist leer, da kommt das Mithril, das wir finden, rein“, erklärte Xigbar, „in dem anderen ist Proviant.“
 

„Wozu das denn?“
 

„Na, ist doch klar.“ Xigbar zählte die Gründe an drei Fingern ab. „Unbekanntes Terrain. Möglicherweise keine Zivilisation. Hast du Lust, dein Essen selbst zu fangen?“
 

Bei dem Gedanken verzog Demyx das Gesicht. „Hast du das etwa schon gemacht?“
 

„Natürlich, manchmal bleibt einem nichts anderes übrig.“
 

Der Musiker schüttelte sich, wenn er daran dachte, ein totes Tier ausnehmen und braten zu müssen. Möglicherweise vielleicht sogar Insekten zu essen. „Und was war das?“
 

Xigbar beugte sich verschwörerisch zu ihm, als würde er ihm ein Geheimnis anvertrauen. „Kleine Kinder.“
 

Das Problem bei Xigbar bestand darin, dass man sich nie ganz sicher sein konnte, wann er einen Scherz machte und wann nicht. So wie in diesem Moment. Demyx sah ihn ungläubig an. „Das meinst du doch nicht ernst?“
 

„Wer weiß … “, meinte sein Mentor nur grinsend und griff nach einer Spitzhacke, warf sie Demyx zu, der sie nur mit Mühe fangen konnte. Eine zweite hängte er sich selbst an den Gürtel und schulterte den Rucksack. „Mach den Mund zu, Kurzer, sonst fliegt noch was rein.“
 

Der Musiker tat, wie ihm geheißen, und betrat gemeinsam mit dem Schützen das Portal, das dieser heraufbeschwor. „Xigbar“, begann er noch einmal, „du hast doch nicht wirklich Kinder gebraten, oder?“
 

„Was heißt hier ‚gebraten’? Das Fleisch muss man roh genießen, wenn das Blut noch trieft und-“
 

„Xigbar!“
 

~*~
 

Möglicherweise hatte Xigbar mit der nichtvorhandenen Zivilisation Recht gehabt, denn als sie in der neuen Welt ankamen, sah Demyx nur zwei Dinge soweit das Auge reichte: Wald und Meer. Sie waren auf einer steilen Klippe gelandet, von der aus man kilometerweit in den Horizont blicken konnte. Der Musiker wandte sich nur ungerne von dem Schauspiel ab, als Xigbar sich auf den Weg machte. „Was glaubst du, wo wir suchen müssen?“, fragte er aufgeregt und vergnügt. Er fand das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Blätter einfach wunderbar. Es war so ganz anders als das trostlose Grau ihrer eigenen Welt.
 

Sein Mentor strich sich nachdenklich über die Narbe. „Na ja, es ist ein Metall – oder ein Stein, wenn man es so sehen will –, also tippe ich stark auf einen Berg oder den Boden unter uns.“
 

„Also buddeln oder Steine klopfen?“
 

„Sieht ganz so aus.“
 

Das war eine Wahl zwischen Pest und Cholera, wen man Demyx fragte. Was natürlich niemand tat.
 

Sie wanderten einige Zeit ziellos durch den Wald, als Xigbar ihn plötzlich zurückhielt.
 

„Was ist denn los?“
 

„Schritte“, erklärte Xigbar leise. „Hör zu, egal was passiert, wir verhalten uns friedlich. Vielleicht erfahren wir so, wo wir suchen müssen.“
 

Demyx bejahte und direkt darauf traten zwei Gestalten aus dem dichten Gebüsch. Der eine Mann war jung, vielleicht etwas älter als der Musiker selbst, hatte rotbraunes Haar und trug eine grüne Mütze. Der Andere war groß und breitschultrig, ein Bär von einem Mann. Beide trugen sie Gewehre.
 

„Wer seid ihr?“, fragte der Jüngere überrascht, und ehe einer von ihnen antworten konnte, sprach er gleich weiter. „Seid ihr auch Engländer?“
 

Der Bär nickte in Richtung der Spitzhacken. „Ihr seht verdammt nach Goldsuchern aus.“
 

Demyx schüttelte den Kopf. „Wir suchen doch kein Gold, sondern-“ Weiter kam er nicht, da Xigbar ihm den Ellbogen in die Rippen rammte und die Augen verdrehte.
 

„Ihr sucht was?“ Der Bär hob gefährlich das Gewehr. „Das Land hier gehört unserem König, ihr habt hier nichts verloren.“
 

Xigbar erhob beschwichtigend die Hände. „Wir haben nicht vor, irgendetwas zu stehlen. Wir sind nur Forscher auf der Suche nach Gesteinsproben.“
 

„Ach, so nennt man das heutzutage?“ Die Waffe war immer noch auf sie beide gerichtet. „Ihr seid auf alle Fälle verdächtig. Mitkommen! Gouverneur Ratcliff wird entscheiden, was wir mit euch machen.“
 

Demyx sah zu seinem Mentor und da der nur nickte, ließen die beiden sich ergeben in Gewahrsam nehmen. Dabei lief der Bär vor ihnen und der Junge passte von hinten auf, dass sie nicht zu fliehen versuchten.
 

Der Musiker stieß Xigbar an. „Hast du das gehört?“, flüsterte er.
 

„Was?“, wisperte Xigbar zurück.
 

„England!“
 

„Ja, und?“
 

Demyx seufzte enerviert auf. „Ich hab dir doch erzählt, dass Port Royal britische Kolonie ist.“
 

„Hier wird nicht getuschelt!“, fuhr der Bär sie beide an.
 

Es herrschte eine kurze Stille, dann beugte Xigbar sich wieder zu ihm. „Und was meinst du damit?“
 

„Britannien ist ein anderer Name für England!“
 

„Das heißt“, begann der Schütze mit erhobener Augenbraue, „wir sind möglicherweise in deiner Welt gelandet?“
 

Ihm blieb nicht die Zeit zu antworten. Ein Schuss gellte durch die Stille des Waldes, brachte die Vögel dazu, erschrocken aufzubrechen. Xigbar war fluchend in die Knie gegangen, und Demyx sah mit Schrecken, dass sich unter seinem linken Bein eine Blutlache gebildet hatte.
 

„Was soll das?“, fuhr der Jüngere der zwei Fremden den anderen an. „Bist du verrückt geworden?“
 

Der Bär gestikulierte mit dem Gewehr. „Hast du sie nicht gehört, Thomas? Sie haben Fluchtpläne geschmiedet!“ Er grinste mit höhnischem Lächeln. „So jedenfalls werden die nicht abhauen können!“
 

Der Musiker sah rot. Er wollte auf die beiden losgehen, ihnen zeigen, mit wem sie sich angelegt hatte, da umklammerten Xigbars Finger sein Handgelenk.
 

„Lass es“, stieß sein Mentor zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Wir brauchen die Informationen!“
 

Demyx wollte widersprechen, konnte nicht fassen, dass Xigbar sich nicht rächen wollte. Dann ließ er die Schultern hängen. Er wusste natürlich, dass der Schütze Recht hatte. Vorsichtig half er ihm hoch, legte ihm einen Arm um die Hüfte und ließ zu, dass er sich auf ihn stützte.
 

„Braver Junge“, keuchte Xigbar leise. „Und ich verspreche dir, wenn wir nicht herausfinden, was wir wissen müssen, wirst du noch genug Spaß haben.“
 

~*~
 

Sie wurden in eine Art Fort – Jamestown, wie Thomas sie darauf hinwies – und dann in ein protziges Zelt geleitet. Darin befanden sich ein breiter, in violetten Stoff gehüllter Mann, der fröhlich ein Hähnchen spachtelte, sowie ein hagerer Diener und kleiner Hund.
 

„Wer sind denn die Gestalten?“, fragte der Mann mit abschätzendem Blick. „Und was ist mit dem passiert?“ Er zeigte mit einem Hähnchenschlegel auf den Schützen.
 

Der Bär salutierte. „Gouverneur, das sind zwei Goldräuber, die wir erwischt haben und an der Flucht hindern mussten.“
 

„Was für ein Schwachsinn“, wetterte Xigbar. „Das verdammte Gold interessiert uns einen Scheißdreck!“
 

„So, so. Dann erzählt mal eure Variante der Geschichte“, meinte der Gouverneur. Mit einem spöttischen Lächeln fügte er hinzu: „Und verzeiht, dass ich Euch keinen Stuhl anbieten kann.“
 

Xigbar grinste zurück. „Ist auch besser so, ich hätte sonst Angst, meine Sachen zu beschmutzen.“ Den verächtlichen Blick Ratcliffs nicht beachtend erläuterte er, weshalb sie gekommen waren.
 

„Ein silbriges Metall, das aber kein Silber ist? Nie gesehen.“
 

Thomas schien etwas einwerfen zu wollen, wurde aber mit einem Blick zum Schweigen gebracht.
 

„Was nichts zu bedeuten hat“, meinte Xigbar gehässig, „bei Eurem Ego und Eurem Bauch würdet Ihr nicht einmal etwas erkennen, wenn ihr mit dem Kopf dagegen knallt. Wobei das dann mit Sicherheit eine Verbesserung zu vorher wäre.“
 

Ratcliff schlug mit solcher Wucht auf den Tisch, dass ein Teil seiner Mahlzeit wegflog. Der kleine Hund stürzte sich voller Eifer darauf. „Raus hier!“, brüllte der Gouverneur, „bevor ich Euch erschießen lasse!“
 

„Nichts lieber als das.“ Xigbar nickte Demyx zu. „Lass uns gehen.“
 

„Das war wohl nichts“, meinte der Musiker seufzend, als sie das Zelt verließen. Beide schenkten dem Teller, der an ihnen vorbei flog, keine Beachtung.
 

„Das würd’ ich nicht sagen. Dieser Thomas weiß etwas, und ich bin mir sicher, dass wir es gleich erfahren. Ehrliche Leute sind doch so einfach zu durchschauen.“
 

„Aber … “
 

Demyx kam nicht weiter, denn tatsächlich holte sie der junge Mann ein. „Ich … Es… “, stotterte er und schüttelte dann den Kopf. „Verzeiht, was passiert ist. Den Männern ist das Goldfieber zu Kopf gestiegen.“
 

„Ist schon okay“, versicherte Xigbar. „Ihr habt nicht zufällig ein paar Hinweise für uns?“
 

Thomas nickte eifrig. „Doch, natürlich.“ Er zeigte in eine Richtung, in der der Wald dichter zu werden schien. „Im Süden hab’ ich in einer Höhle etwas Silbernes glänzen gesehen. Ich hoffe, das hilft Euch weiter. Und … es tut mir wirklich Leid.“
 

„Ihr hättet nichts daran ändern können“, beruhigte jetzt auch Demyx den jungen Mann. „Und vielen Dank.“
 

Sie verließen das Fort und liefen so weit, bis sie außer Sichtweite waren. Dann beschwor Xigbar ein Portal herauf, das sie zu der Höhle bringen sollte.
 

Demyx war natürlich dafür, zurück in ihr Hauptquartier zu gehen, doch das kam für seinen Mentor gar nicht in Frage. „Keine Chance! Wenn Saïx mich so sieht, mach’ ich mich doch zum Gespött!“
 

Wenn der Musiker an Xigbars Stelle gewesen wäre, wären ihm Saïx’ Kommentare momentan herzlich egal. Aber bitte … „Bist du sicher, dass an der Sache mit den Karten nicht doch etwas dran war?“
 

Der Schütze stützte sich schwer auf ihn und schnitt eine Grimasse. „Und wo ist dann deine verdammte Katze? Ich hab nur einen potthässlichen Köter gesehen.“
 

~*~
 

Sie landeten tatsächlich in einer Höhle und Demyx war ehrlich erstaunt von all dem silbernen Glanz. „Das ist ... “
 

„Ja, ja“, presste Xigbar schwer atmend hervor, „ich staune ja gleich mit dir. Würdest du mich vorher runterlassen? Ich glaub, mein Bein ist wirklich hin.“
 

Demyx half seinem Mentor, sich mit dem Rücken gegen eine Wand zu lehnen. Die Rucksäcke stellte er auf dem Boden ab und kniete sich daneben, suchte nach einem Heiltrank.
 

„Vergiss es“, bemerkte Xigbar sogleich, „da findest du nichts Hilfreiches.“
 

„Na wundervoll. Bist du sicher, dass das nicht doch an den Karten liegt?“
 

„Wenn du noch einmal diese gottverdammten Karten erwähnst, mach ich dich einen Kopf kürzer“, knurrte Xigbar gereizt.
 

„Dazu müsstest du mich erst einmal erwischen“, kommentierte Demyx und durchsuchte fluchend den Rucksack. “Hast du denn wirklich nicht daran gedacht, ein paar Potions einzupacken?”
 

„Tut mir wahnsinnig Leid, dass ich nicht damit gerechnet habe, angeschossen zu werden.“ Die Stimme seines Mentors troff nur so vor Sarkasmus.
 

„Lass mich raten: Verbandszeug haben wir auch nicht dabei?“
 

Xigbars Blick sagte mehr als tausend Worte und so erhob sich Demyx nur kopfschüttelnd. „Warte hier. Ich bin gleich wieder da.“
 

„Lass dir ruhig Zeit!“, wurde ihm hinterher gerufen, „es ist ja nicht so, als würde ich irgendwo hingehen!“
 

Der Musiker besah sich die Bäume vor der Höhle. Er war sich sicher, dass sie das Bein provisorisch schienen mussten, bis sie wieder zurück zum Schloss kamen. Eigentlich hätten sie sofort heimkehren sollen, Xigbars Stolz hin oder her, aber an seinen Befürchtungen war etwas dran. Wenn Saïx hiervon Wind bekäme, würde er das Thema nie wieder ruhen lassen.

Nach einigen Minuten hatte er ein paar stabil aussehende Äste gefunden und abgebrochen, und war in die Höhle zurückgekehrt.
 

„Oh, toll, Wünschelruten“, kommentierte Xigbar ironisch, „leider hast du vergessen, dass wir kein Wasser, sondern Metall suchen!“
 

„Halt einfach mal den Mund und lass mich machen, ja?“ Er kniete sich vor seinen Mentor, entfernte vorsichtig dessen linken Stiefel. Schon jetzt hatte er Blut an den Händen, die er an seinem Mantel abwischte, ehe er das Hosenbein ein wenig hoch rollte, um die Bescherung zu begutachten. Dass sich unter seinen Fingern eine Gänsehaut bildete, nahm er nur am Rande wahr, denn was er sah, ließ ihn hörbar nach Luft schnappen:
 

Der Schuss aus nächster Nähe hatte einen Teil des Schienbeins zerschmettert, der Knochen ragte aus dem Fleisch wie ein Riff aus Elfenbein inmitten eines blutigen Meeres. Dadurch nämlich, dass Xigbar sein Bein weiterhin belastet hatte, wurde der Blutung bisher nicht die Möglichkeit gegeben, zu versiegen.
 

Dass er damit überhaupt stehen, geschweige denn laufen konnte! Wenn Demyx es nicht besser wüsste, würde er von einem Wunder sprechen – aber da er den eisernen Willen und die Sturheit seines Mentors bestens kannte, lächelte er nur. Natürlich war es absolut idiotisch und verantwortungslos, mit so einer Verletzung herumzulaufen, aber er konnte nicht anders, als Xigbar zu bewundern. Er selbst wäre wohl längst vor Schmerz ohnmächtig geworden oder hätte zumindest Rotz und Wasser geheult.
 

„Na, Herr Doktor, wie lautet die Diagnose?“ Das Lächeln auf Xigbars Lippen wirkte gequält, aber dass er überhaupt noch scherzen konnte, entspannte die Situation ein wenig.
 

Es half auch, Demyx den ersten Schrecken zu nehmen, denn er grinste nur zurück. „Alles unter Kontrolle. Wir müssen nur ein bisschen improvisieren – ein Verband zum Beispiel wär nicht schlecht. Dein Shirt oder meines?“
 

Xigbar zuckte nur mit den Schulten und ließ den Mantel von selbigen rutschen.
 

Während sein Mentor sich auszog, holte Demyx eine Flasche Wasser aus dem Rucksack und kramte nach dem Messer, das er irgendwo gesehen hatte. Als er es endlich mit einem triumphierenden Laut gefunden hatte, war Xigbar bereits wieder in den Mantel geschlüpft. Den schwarzen Stoff, der ihm in die Hand gedrückt wurde, schnitt der Musiker in verschieden lange und breite Teile, von denen er einen mit Wasser tränkte.
 

Als er vorsichtig das getrocknete und frische Blut so gut wie möglich entfernte, zuckte Xigbar zwar zusammen, gab aber keinen Laut von sich.
 

„Du kannst ruhig schreien, wenn du magst.“
 

„Von wegen! Das hättest du wohl gerne, was?“
 

Um ehrlich zu sein … nein.

Demyx hatte Xigbar immer zuversichtlich erlebt, von sich selbst überzeugt und mit viel zu großer Klappe. Diese Sicherheit hatte ihm Mut gemacht, ihm vorgespielt, alles wäre möglich, wenn man nur fest genug daran glaubte. Ihn verletzt zu sehen, hatte sein Weltbild ins Wanken gebracht, auch wenn es ihm selbst eine Chance gab, sich zu beweisen. Außerdem … Xigbar war ihm in den letzten Monaten wichtig geworden. Er wusste, dass er für seinen Mentor mehr empfand als ein Schüler es unter normalen Umständen dürfen sollte – aber Demyx befand sich schon seit seinem Eintritt in die Organisation in keiner ‚normalen’ Situation mehr. War es da nicht natürlich und verständlich, dass man sich an jemanden klammerte, um nicht den Verstand zu verlieren?

„Xigbar“, begann er vorsichtig, „das wird jetzt weh tun.“
 

„Ist ja heute mal was ganz Neues“, meinte der Schütze und schloss die Augen, atmete tief durch. „Okay. Bereit.“
 

Demyx streckte das Bein kurz und presste dann fest auf den Knochen, der mit einem unschönen Geräusch zurück an seine Position glitt. Er legte einen Verband um die Stelle und wischte einmal mehr das Blut von seinen Händen. Zwar hatte sich sein Mentor nicht gerührt, doch er atmete flach und schnell und Demyx fürchtete kurz, er könnte hyperventilieren. „Xigbar?“
 

„Mir geht’s gut!“ Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und lachte gequält. „Fuck, tut das weh.“ Das Band, das seine Haare zusammenhielt, hatte sich gelockert, und Xigbar fuhr sich durch die Strähnen, die ihm wirr ins Gesicht hingen. „Bevor wir verschwinden, statt’ ich diesem Arschloch noch einen Besuch ab und reiß’ ihm den Arsch auf! Ich servier’ ihm sein beschissenes Gewehr Stückchenweise!“
 

„Was immer du sagst“, pflichtete Demyx ihm bei und benutzte den schwarzen Stoff, um die Äste, die er zusammengebunden hatte, zu beiden Seiten an Xigbars lädiertem Bein zu befestigen. Das Gleiche tat er noch einmal knapp unter dem Knie seines Mentors, dann zog er ihm den Stiefel wieder an und zurrte auch dort einen Verband fest. „Okay, das sollte reichen. Bleib einfach sitzen und beweg das Bein so wenig wie möglich.“
 

Xigbar grinste kopfschüttelnd. „Kurzer, du vergisst, dass wir hier erst wegkommen, wenn wir unseren Auftrag erledigt haben.“
 

„Ja, aber …“
 

„Kein ‚aber’!“ Xigbar stand schwankend auf und griff nach einer Spitzhacke. „Na los, ich hab’ nicht vor, hier zu überwintern!“
 

Demyx seufzte nur. Wie war das mit dem eisernen Willen? ‚Stur wie ein alter Esel’ hätte wohl besser gepasst.
 

~*~
 

Einige Stunden später hatten sie den Rucksack zu zwei Dritteln mit Gesteinsproben gefüllt. Demyx lächelte. Wenn sie so weitermachten, konnten sie am nächsten Tag schon wieder zuhause sein.
 

In diesem Moment entglitt die Spitzhacke Xigbars Händen und landete mit lautem Scheppern auf der Erde. Xigbar ließ sich an der Wand herab gleiten, lehnte den Kopf an den kühlen Stein.
 

Sofort war Demyx bei ihm. „Ist alles in Ordnung?“
 

„Mach dir mal nicht ins Hemd“, versicherte sein Mentor. „Ich brauch’ nur ’ne kurze Pause.“
 

Demyx wagte das zu bezweifeln. Er war schließlich nicht dämlich, er sah doch, wie schwer Xigbar atmete, wie ihm der Schweiß von der Stirn rann und wie kreidebleich er durch die Anstrengung war, wodurch die Narbe noch mehr heraus stach und sich blutrot auf seiner Wange abzeichnete. Er hatte sich schon oft gefragt, was für ein Wesen diese Verletzung wohl hinterlassen haben mochte. Wenn es ein Herzloser gewesen war, wie kam es dann, dass Demyx selbst von dem Angriff in Port Royal keine sichtbaren Wunden zurückgetragen hatte? Kam die Narbe von einem Kampf, war sie vielleicht eine ‚Erinnerung’ an Xigbars Heimat? Er traute sich nicht, zu fragen.
 

„Was ist los? Hab ich was im Gesicht?“ Der Schütze hatte die Augenbrauen gehoben, der Blick, den er Demyx zuwarf, schien diesen direkt in die Seele zu treffen.
 

„Nur das Übliche …“ Der Musiker zögerte kurz und nickte dann in Richtung der Narbe. „Darf ich …?“
 

Xigbar sah ihn schweigend an. Dann schüttelte er leise lachend den Kopf. „Tu, was du nicht lassen kannst.“
 

Vorsichtig berührte Demyx Xigbars Wange. Sie beide trugen keine Handschuhe – Leder auf der Haut würde beim Arbeiten die Blasenbildung erhöhen, hatte ihm sein Mentor erklärt – und so fühlte sich das zerstörte Gewebe glatt und kühl unter seinen Fingerspitzen an. Er spürte genau, wie Xigbar unter seinen Berührungen erschauerte, und zitternd Luft holte, als Demyx die Konturen der Narbe nachzeichnete. Xigbar kam ihm in diesem Augenblick vor wie ein wildes Tier, das vor Körperkontakt zurückschreckte, und sich dennoch zwang, nicht wegzulaufen.

Für Demyx war das der größte Vertrauensbeweis, den sein Mentor ihm je hätte schenken können. „Tut sie noch weh?“, fragte er sachte.
 

„Wenn seelischer Schmerz auch gilt.“
 

Damit hatte sich Demyx’ andere Frage erübrigt. Er würde zuhören, wenn Xigbar ihn darauf ansprechen sollte, aber er würde selbst nicht nachfragen. Es war zu privat und Demyx wusste, wann man Grenzen respektieren sollte.
 

~*~
 

„Machen wir für heute Schluss, okay?“ Xigbar wollte es zwar nicht zugeben, doch seine Verletzung hatte ihn ziemlich geschlaucht und er brauchte dringend ein wenig Schlaf, um einen Teil seiner Kräfte zu regenerieren. Der Junge nickte und Xigbar tastete sich an der Wand entlang, bis er einen Vorsprung fand, an dem er sich hochziehen konnte.
 

„Hey, was wird das?“, fragte Demyx überflüssigerweise.
 

„Ich gehe. Sieht man doch.“
 

„Aber … “
 

Hör verdammt nochmal auf, mich zu bemuttern! Xigbar hasste Verletzungen wie die Pest. Nicht wegen des Schmerzes, damit kam er klar – und ein wenig Pein konnte unter gewissen Umständen auch recht prickelnd sein –, aber Schwäche zeigen zu müssen, ging ihm gewaltig gegen den Strich. Er fluchte leise, während er die Höhle verließ. Jeder Schritt schoss einen brennenden Schmerz durch seinen Körper, vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte, der kühle Nachtwind ließ ihn frösteln, und er war froh, sich unter einem Baum niederlassen zu können.

Er fing Demyx’ missbilligenden Blick auf und zuckte mit den Schultern. „Ja, ja, ich weiß, was du sagen willst. Aber das“, er zeigte in den Sternenhimmel, „war’s mir wert.“
 

Demyx setzte sich neben ihn. „Es ist wunderschön.“
 

Xigbar nickte. „Weil man sich so sehr an Kingdom Hearts gewöhnt hat, dass einem der normale Himmel fremd erscheint.“
 

Sie schwiegen eine Zeit lang, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Xigbar warf dem Jungen einen Seitenblick zu und lächelte. Er war verdammt stolz auf ihn. Wenn man bedachte, wie viel er gelernt hatte und jetzt anwenden konnte, und wie viel Talent in ihm steckte – auf allen Gebieten, setzte der Schütze im Hinblick auf die Schiene hinzu. Zugegeben, manchmal konnte er eine absolute Nervensäge sein, dann merkte man ihm sein junges Alter auch noch an, aber manchmal …

Xigbar schluckte unwillkürlich, als er sich die kühlen, rauen Finger und die Art, wie Demyx ihn angesehen hatte, ins Gedächtnis rief. Es hatte sich gut angefühlt, verdammt gut sogar, das wollte er nicht bestreiten, aber er fragte sich, was dieser kurze Moment wohl an ihrer Beziehung geändert hatte, denn dass da etwas geschehen war, stand außer Frage. Siedendheiß fiel ihm da etwas ein und er legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. „Kurzer“, begann er, obwohl er sich seiner nächsten Worte noch nicht ganz sicher war. Er war in solchen Dingen einfach nicht gut, sie kosteten ihn viel Überwindung, waren aber dementsprechend ehrlich gemeint. „Danke. Ich schulde dir was.“
 

Hätte die Sonne geschienen, würde Demyx mit ihr um die Wette strahlen.
 

In diesem Moment wurde Xigbar klar, dass, was immer zwischen ihnen beiden geschehen würde, er sich immer auf ihn verlassen könnte.
 

Demyx’ Augen leuchteten und er grinste listig. „Ich hab da auch schon eine Idee!“
 

Xigbar stöhnte scherzhaft und zündete sich eine Zigarette an, die er sich seiner Meinung nach redlich verdient hatte. „Dann schieß mal los.“
 

„Was machst du, wenn wir unsere Herzen wiederbekommen?“
 

„’Wenn’? Sollte das nicht eher heißen ‚Falls’?“
 

Der Junge widersprach vehement. „Es ist nur eine Frage der Zeit.“
 

Was sind wir wieder optimistisch. „Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Was ist mit dir?“
 

„Ich will immer noch die Welt, nein, die Welten sehen. Abenteuer erleben, Seekarten zeichnen, berühmt werden und so. Und ich will dich dabeihaben.“
 

„Auch, wenn ich mich anstelle, wie der erste Mensch?“
 

„Umso besser! Dann kann ich zur Abwechslung mal dir etwas beibringen.“
 

Xigbar lachte nur. „Das hättest du wohl gern.“
 

„Komm schon, du schuldest mir was! Also, versprochen?“
 

Ein letzter Blick in den Sternenhimmel beseitigte alle Zweifel, die der Schütze haben mochte, und er gab sein Versprechen.
 

~*~
 

Der nächste Morgen begann verhältnismäßig ruhig – jedenfalls bis sie herausfanden, dass die Rucksäcke gestohlen wurden.
 

„Aber wer könnte Interesse an ein paar Steinen haben?“, fragte Demyx kopfschüttelnd.
 

„Ratcliff. Und wenn es nur ist, um uns eins auszuwischen. Darauf verwett’ ich mein letztes Hemd!“
 

„Das hast du schon verloren.“
 

Xigbar verdreht die Augen. „Das war metaphorisch gemeint.“ Er seufzte nur. „Wie auch immer, wir müssen sie zurückholen.“
 

Der Junge nickte und zeigte auf die Fußspuren, die sich im taufeuchten Gras abzeichneten. „Netterweise machen sie es uns leicht. Ich folge ihnen und du bleibst hier, einverstanden?“
 

„Ich hab wohl keine Wahl.“ Dabei juckte es Xigbar in den Fingern, sich für den vorigen Tag zu rächen und diesen Bastarden die Haut von jedem Knochen einzeln abzuziehen. „Pass auf dich auf“, gab er Demyx noch mit auf den Weg, ehe dieser die Spur verfolgte.
 

Der Schütze verbrachte die nächsten Stunden damit, zu warten und vorsichtig auf- und abzugehen, um sein Bein wieder an die Belastung zu gewöhnen. Der Schmerz hatte tatsächlich nachgelassen, und er machte sich eine mentale Notiz, dem Jungen ein weiteres Mal zu danken.
 

Nur, wo blieb der bloß?
 

Er hörte Schritte. Na also, das würde wohl endlich Demyx sein. Hatte ja auch lange genug gedauert! Xigbar drehte sich um, um dem Neuankömmling eine gewaltige Standpauke zu halten – und sah sich geradewegs mit der blitzenden Klinge eines Schlüsselschwertes konfrontiert.

Es blieb keine Zeit, aus dem Weg zu teleportieren. Der Schütze versuchte auszuweichen – vergeblich! Er schrie vor Schmerz, als ihn die Klinge im Gesicht traf.
 

„Das ist die Rache für Rosa!“, rief Cecil triumphierend.
 

Xigbar vernahm die Worte kaum, der Schmerz vernebelte seine Sinne. Über sein rechtes Auge hatte sich ein undurchsichtiger Schleier gelegt, heißes Blut rann ihm über Wange und Lippen. Der metallische Geschmack brachte ihn zum Würgen.
 

Ein weiterer Hieb, diesmal in die Seite.
 

Endlich war Xigbar geistesgegenwärtig genug, zu reagieren; er veränderte den Boden, erschuf einen breiten Graben und brachte damit einen gewissen Abstand zwischen sich und den Paladin. Schwer atmend und die linke Hand auf die Wunde an seiner Flanke gedrückt beschwor er seine Waffe, als ihm mit Grauen etwas dämmerte: Wo war der Dragoon?
 

Die Frage wurde durch eine Woge des Schmerzes beantwortet, wie der Schütze sie noch nie verspürt hatte, als sich eine Lanze durch seinen Oberkörper bohrte.
 

Xigbar spuckte Blut. Ungläubig starrte er auf die metallene, rötlich schimmernde Spitze, die aus seinem Brustkorb ragte. War das wirklich das Ende? Konnte er wirklich so zugrunde gehen, ehrlos, ohne sich gewehrt, ohne bis zum Letzen gekämpft zu haben?
 

Ruckartig wurde die Waffe aus seinem Körper gezogen, ließ Xigbar noch einmal den Schmerz und sein eigenes Versagen spüren.
 

Dann wurde alles schwarz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Xaris
2011-03-11T16:57:04+00:00 11.03.2011 17:57
Hm, ich mag die Welt von dieser äh, Indianerin nicht. XD
*sniff* Cecil, oder Xigbar, zu wen soll ich hier halten?! << xD
Von:  Area71
2008-09-24T19:12:38+00:00 24.09.2008 21:12
MENNNOO wie gemein
ich will wissen es weiter geht

ich liebe deine FF
sieht ist einfach toll geschrieben und sie ist nie langweilig ^^
Von:  Imp
2008-09-23T13:41:27+00:00 23.09.2008 15:41
*jaul* der arme Xiggy. Aber Demxy erstaunt mich doch sehr ^^
Ich find die FF wirklich richtig Klasse *o*


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