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Ambivalenz

von

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Rakuen

Rakuen - Paradies
 

Kaya erwachte in einem fremden Bett. Es war wohlig warm und roch nach einem betörend-süßen Parfüm. Sein schwerer Duft hing im Raum. Von Geborgenheit umfangen, lag er auf dem Bett, bis ihm schlagartig bewusst wurde, was geschehen war.

Er öffnete die Augen und blickte an eine graue, von Flecken verschmierte Decke.

...Wie anders hatte das Zimmer in seiner Vorstellung ausgesehen, während er dieses Parfüm gerochen hatte ...

Eine Nebensächlichkeit, die ihm grotesker Weise als wichtig erschien. Er wandte den Kopf und erblickte Hakai, der auf dem Bett saß und zu ihm mit einem undeutbaren, dunklen Lächeln hinab sah.

„Hast du gut geschlafen, Geliebter?“, hauchte er, beugte sich zu Kaya hinab und küsste dessen Lippen. Ganz so als seien sie ein normales Liebespaar, das nach einer leidenschaftlichen Nacht zusammen in einem Hotel erwachte.

Kayas Hände krallten sich in das weiße Hemd, das sein Gegenüber trug, er zitterte und Tränen traten in seine Augen bei all den blutdurchtränkten Bildern, die sich vor seinen Netzhäuten zu einem Alptraum Szenario vereinten. Ein Alptraum, der zur Realität geworden war.

Zwei Menschen ... Tot. Zwei Leben ... Ausgelöscht.

Und Schmerz, so viel Schmerz in dem Antlitz eines jeden Angehörigen. Es war ihm, als starrten alle Verwandten, Bekannten, Freunde dieser beiden Menschen ihn mit vor Hass verzerrten Gesichtern an.

‚Mörder!’, schrieen sie lautlos. ‚Mörder!’ Immer wieder und wieder. Er konnte es nicht ertragen!

Wie sollte er sein Gewissen jemals wieder reinigen können? Wie sollte sein Leben denn weiter verlaufen?!

Sie würden ihn verurteilen, er würde für zwanzig Jahre ins Gefängnis kommen.

Sein Leben ... War es bereits vorbei ...?
 

Hakais Hände strichen über seinen zitternden Körper, während er zu ihm hinab sank.

„Ist es nicht das, wo von du so oft singst?“, hauchte er ihm ins Ohr.

„Wir brauen keine Realität, mein Geliebter, wir brauchen sie nicht. Sie ist unwichtig, nichtig ... Löse dich von ihr ... löse dich von ihr und zusammen werden wir bis zu den ‚tiefsten Abgründen des Vergnügens herabsinken ’“

Und er küsste Kayas Lippen. Er tat es sanft und doch bestimmend. Der betörende Körper seines Spiegelbildes drückte sich an ihn heran, er konnte ihm weder entfliehen, noch ihm widerstehen.

Die Realität versank in einem Strudel aus Begierde und Verzweiflung und er fand es nicht wieder, dieses versunkene Gut.
 

Die Stunden verstrichen und Kaya zählte sie anhand des Windes, der seinen Namen wisperte, mit boshaften Zungen in sein Ohr flüsterte.
 

Der Abend war längst vergangen, als Hakai ihn allein ließ. Wohin, das wusste Kaya nicht und es kümmerte ihn in einem Zustand von einer merkwürdig satten Leere nicht.

Stattdessen erhob er sich vom Bett, blickte sich kurz suchend um und trat dann an einen kleinen Schrank an der Wand heran. Er öffnete die Türen und fand Teile seiner Kleidung darin wieder. Ein Lächeln malte sich auf seine Lippen und er zog etwas hervor.

Ein seidiges, weißes Hemd, das weit fiel und doch schön geschnitten war und einen langen schwarzen Rock. Im unteren Teil des Schrankes befanden sich seine Schuhe.

Zufrieden verhüllte er seinen nackten Leib und begann dann sich in dem kleinen, angrenzenden Badezimmer zu schminken.

Das Make-up, die Pinsel und Döschen mit Liedschatten hatten wie für ihn bereit dort gelegen. Also trug er es auf, malte auf sein ohnehin ebenmäßiges Gesicht die Züge einer Maske. Seine Maske. Sie zu tragen war sein Schild und sein Schwert gleichermaßen.

Die fein gezeichneten Lippenbögen, die durch geschickt aufgetragenen Kajal und Liedstrich vergrößerten Augen und die falschen Wimpern, die seine eigenen langen Wimpern noch überragten und seinen Augenaufschlag in den einer verführerischen Puppe verwandelte.
 

Dunkelheit umschmeichelte ihn und leitete ihn zärtlich den vorgeschriebenen Weg entlang. Weich war die Luft um ihn herum, angenehm warm wie an Sommerabenden. Die düsteren Straßen wurden von einigen Reklametafeln erhellt, die wie verschwommene Lichtpunkte über Kayas Netzhäute flimmerten, sie zogen an ihm vorbei und er bemerkte es nicht.

Dort entlang. Gleich musste er da sein, nicht?
 

Lautes Lachen und das Dröhnen von elektronischen Klängen hämmerte an die Forte seines Verstandes, doch sie blieb verschlossen.

Der Raum war matt in rot beleuchtet, von Rauch und Stimmen geschwängert.

„Willkommen im Paradies!“, hieß eine hohe, süße Engelsstimme hinter ihm. Er drehte sich herum und entdeckte das strahlende Wesen. Blondes, gelocktes Haar, ein zauberhaftes Lächeln und betörende Augen, in Unschuld getaucht.

„Du bist sehr hübsch“, sagte die kindliche Stimme. „Komm mit. Ich zeig dir, wo der Baum steht.“ „Aber es ist doch verboten-“ Der Engel legte den Zeigefinger auf die rosigen Lippen. „Aber Gott sieht nicht zu“, erklärte es. „Und es interessiert ihn auch nicht. Wirklich nicht. Also komm!“ Seine kleine, schmale Hand forderte ihn auf, zu folgen. Er gehorchte.

„Schau, Gabriel, wen ich mitgebracht habe!“, stellte es Kaya einem Mann vor, der in süße Rauchschwaden gehüllt zu ihm aufblickte.

„Das ist Luzifers Tochter.“, sagte es zu dem Mann und kicherte vergnügt.
 

Er schloss die Augen und als er sie wieder öffnete, lag er in einem weichen Sessel und der süßliche Rauch umgab ihn, durchdrang ihn. Seine Sinne waren frei und losgelöst, er fühlte sich unendlich leicht. Sein Arm, den er von der Sessellehne hob, schien nichts zu wiegen. Am Boden saß Gabriel, an sein Knie gelehnt, den Kopf unter seiner zärtlich streichelnden Hand.

„Engelchen, wo bist du denn?“, rief er.

„Hier bin ich!“, antwortete der Engel. Das süße Kindergesicht erschien durch den Rauch, sein Körper im grauen Kleidchen war kaum zu sehen durch die Schwaden. „Das hier ist Michael“, sagte es. Und ein anderer Mann kniete sich vor Kaya hin. Der Mann sah zu ihm auf und Kaya lächelte.

„Michael also?“ „Ja, meine Herrin.“

Kaya lachte fröhlich. Doch als der Engel gehen wollte, sprach er: „Engelchen, bleib hier!“

Aber der Engel ging winkend davon.

„Bleib doch“, flehte er.

„Keine Sorge“, sagte da Michael. Kaya sah zu ihm herab. „Das Engelchen bleibt nie lang weg, weißt du, Herrin? Es kommt immer wieder, denn es hat stets die Freude an seinen süßen Händchen.“

Da lächelte Kaya wieder.
 

„Du musst jetzt gehen.“

„Aber ich will nicht!“

„Du musst aber.“

„Warum? Ich will hier bei dir bleiben, Engelchen!“

„Nein, nein. Du musst. Schau, du gehst schon von allein. Das ist dein Bruder, der dich mitnimmt. Dein Vater ruft dich. Du musst jetzt gehen.“

„Aber, mein Engelchen!“

„Du musst jetzt gehen.“
 

Schwärze umfing ihn und ein ätzender Schmerz jagte durch seinen Magen. Seine Hände verkrampften sich um ihren Untergrund. Er kniete.

„Das ist deine Sühne!“, rief eine aufgebrachte Stimme. „Vom Baum darf man nicht kosten!“

„Bruder bist du das…?“, ein Krächzen von ihm.

Erneut durchzog Schmerz seinen Magen, Nadeln stachen wie wild gewordene Bienen in seine Schläfen. Er keuchte vor Pein.

Es wollte hinaus. Es wollte heraus.

Er würgte angestrengt, doch nur Galle, gefolgt von einem saueren Geruch kam über seine Lippen. Schmutz haftete an seinem Körper, Schweiß und Gestank, seine Kleidung war nicht mehr da, wo sie hätte sein sollen. Immer noch Düsternis. Seine Finger fühlten sich klebrig an, seine Arme verkrustet.

Er beugte sich weiter nach vorne, als er einen Schub in seinem Inneren spürte. Erneut Galle, ein paar Brocken noch nicht gänzlich verdauten Essens. Speichel vermengt mit sauerer Flüssigkeit in seinem Rachen. Er würgte. In seinem Kopf hämmerte es, sein Gehirn schien von mehreren Händen gepackt und Fingernägel schienen sich hinein zu bohren, bis er den Schmerz nicht mehr aushielt.

„Raus damit“, eine kalte Stimme.

Erneutes Würgen. Ein Ruck ging durch seinen Körper, alles zog sich zusammen, dann, endlich Galle und eine zähe Flüssigkeit, noch weitere unverdaute Brocken. Doch der Schmerz in seinem Magen klang ab. Ein Keuchen.

„Das war Gottes Strafe für dein Vergehen“, die kalte Stimme klang nun schmeichelnd.

„Hab keine Angst, mein Geliebter, du überstehst es!“

Kaya erkannte Hakais Stimme.

Er öffnete die Augen und fand sich im Bad des Hotels wieder. Er hing förmlich über der Toilettenschüssel, die verkrustet und verkalkt vor ihm aus dem Boden ragte wie eine Mülltonne aus der Erde. Angewidert rückte Kaya von ihr ab, erhob sich dann auf zittrige Beine. Hakai hatte neben ihm gekniet und stand ebenfalls auf. Seine Arme umfingen ihn und führten ihm zum Waschbecken. Darum verstreut lagen noch immer seine Schminkutensilien. Er beugte sich vor und drehte den Wasserhahn auf. Das kalte Nass belebte sein Denken ein wenig.

„Was ist passiert?“, fragte er mit rauer Stimme, sein Hals schmerzte.

„Etwas, was nie wieder passieren darf!“ Hakais Stimme hatte einen strengen, fast aufgebrachten Ton angenommen und seine Augen waren zu Schlitzen verengt. In seinem Blick loderte eine zornige Flamme.

„Wusstest du nicht, dass es Engeln, die gesündigt haben, verwehrt ist, ins Paradies einzudringen?“, sprach er, doch dann milderte ein sanftes Lächeln seine Worte.

„Kaya, mein Geliebter, meine Schönheit, meine Ekstase!“, wisperte er.

„Lass uns in der Hölle verweilen. Sie gehört uns allein.“
 

Er konnte ihm weder entfliehen, noch ihm widerstehen.
 


 

Kapitel 4/Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  RedSky
2010-02-27T18:01:08+00:00 27.02.2010 19:01
Ich finde es faszinierend was du für Atmosphären und Stimmungen erzeugen kannst, und doch so wenig über das Geschehniss verrätst. ö.ö Das wirf viele Fragen und Neugier auf und fesselt die Leser. Gefällt mir, sowas. ^-^b
Von:  Oceanwhirl
2009-10-22T23:42:54+00:00 23.10.2009 01:42
Gerade entdeckt und schon verliebt.
Ich muss sagen, dass es mich erstens überrascht, dass es so wenige Geschichten über Kaya gibt, wo er sich doch geradezu anbietet, ihn in Rollen zu stecken, weil er so schön variabel ist. Zweitens hab ich etwas anderes erwartet, aber ich bin sehr positiv überrascht. Stilistisch sehr schön und storytechnisch ebenfalls, wenn man Wahnsinn den schön finden kann... ^-^ Es ist interessant, wie sich die grausamen und schönen Dinge immer wieder so schnell abwechseln und einen doch jedes mal mitreißen. Ich würde auch gern so etwas schreiben, aber ich fürchte, dazu fehlt mir einfach die philosophische Nuance in meiner Fantasie. Umso mehr freue ich mich, das es Leute wie sich gibt. hiermit hast du schön das Bedürfnis bedient, das noch gefehlt hat, vielen dank ^-^
Von:  Paperd0ll
2009-04-27T16:57:20+00:00 27.04.2009 18:57
Ah~ wieder ein Tautropfen für die Seele!
Von jedem neuen Kapitel erhoffe ich mir endlich eine Lösung für all die verwirrenden Dinge, die dem Ärsten zustoßen aber mit jedem mal steigt meine Neugierde nur weiter und weiter zu einer angenehmen Spannung.
Ich liebe solche grotesken Dinge... und das mit Kayas Make Up habe ich dir ja bereits geschrieben^^
Mehr mehr mehr~♥
Von: abgemeldet
2009-04-27T15:48:47+00:00 27.04.2009 17:48
Ein recht verworrenes Kapitel für meinen Geschmack, muss ich sagen, zumal sich mir die Bedeutung des Paradieses, bzw. die einbeziehung des Teufels noch nicht ganz erschließt( gerade bei einem Charakter wie Kaya, der sich so mit der mythologie Japans verbunden sieht.)

Insgesamt aber schön, wobei ich eben sehr gespannt bin, was dieser einschub des Paradieses nun bedeutet. Wieder schön geschrieben.


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