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Elodia

von

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Am Ende der Stille
 

Elodia erwachte an jenem Morgen neben Laomedon, ihren Gefährten seit vielen Jahren. Er schlief noch und hatte ihr den Rücken zugewandt. Sie streifte die weiße Seide von ihrer nackten Haut und entstieg elegant über seinen Rücken hinweg dem gemeinsamen Bett. Sich mit einem Kleid bedeckend, welches einen Hauch von Rosa in sich trug, kniete sie sich neben die daunengefüllte Matratze und gab ihrem Liebsten einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Sie beobachtete ihn noch eine Weile, strich dann mit ihrer weichen Hand sanft durch sein Haar und über seinen Rücken und verließ den Raum.

In ihren Gedanken war sie versunken in einen Traum von der ersten Nacht, die sie mit Laomedon verbracht hatte.

Er hatte sie auf seinen starken Armen durch die Flure getragen bis in sein Schlafgemach, wo er sie sanft auf sein weißes Leinen gelegt hatte. Sie wechselten Worte vom Klang roter Rosen, und umgarnten sich im Schein des Vollmondes, der durch das geöffnete Fenster trat. Sie wurden eins in Fleisch und Geist und gelobten sich noch in derselben Nacht die Treue.
 

Doch als Laomedon erwacht war und nach seiner Liebsten lauschte, hörte er ein verhaltenes Weinen. Er erhob sich und eilte zu ihr. Sie erblickte ihn als er durch die Tür trat und hatte neben traurigen Augen nur einen Satz für ihn übrig: „Wir haben uns verändert.“
 

Alleine zu zweit
 

Es war Liebe, wahre Liebe. Sie hatten sich geliebt, Tagein, Tagaus. Und doch: Mit jedem Tag wuchs die Lüge in ihrer Liebe. Eine Lüge voreinander und vor sich selbst, bis die Liebe nur noch eine Ruine mit perfekter Fassade war.

Jeder gemeinsame Schritt entfernte sie einen Schritt voneinander. Jeder Kuss wurde zu einer Gewohnheit, Trägheit erstickte den Versuch einander neu zu finden. Zärtlichkeiten wurden zu Ritualen, zu denen sie sich selbst Zwangen.

Längst hatten sie einander verloren, und doch…

Etwas war geblieben. Ein Funken. Ein kleiner Splitter nur, und doch, es war noch etwas da. Etwas hatte all die Zeit des Selbstbetruges überdauert, und hätte leicht die Basis, ein neues Fundament werden können, um erneut einen Tempel der Liebe zu errichten. Doch dazu hätte es Kraft gebraucht. Hoffnungen. Ein Vertrauen ineinander, welches längst durch Zweifel ersetzt worden war.

Beide hätten sie neu beginnen wollen. Beide getrauten sich nicht. Sie waren beisammen, doch die Gemeinsamkeit war lediglich getarnte Einsamkeit zweier Herzen, die im tiefen inneren jedes für sich abgekoppelt und alleine schlug.
 

Halt Mich!
 

Elodia war aus ihrem Tagtraum von der perfekten Liebe, dem perfekten Leben und dem perfekten Mann erwacht. Ihre Seele brannte bei der Realisation, ihr Herz wurde von einer plötzlichen Sehnsucht erfüllt, einer Sehnsucht nach dem, was einst war, was unwiederbringlich verloren war. „Halt Mich!“ murmelte sie und blickte dabei zu Boden. „Halt mich! Halt mich fest!“ Ihre Augen trafen die Laomedons.

Er nahm sie fest in den Arm und suchte die passenden Worte um ihr Trost zu spenden. Ihre Seele jedoch loderte lediglich auf, und die Sehnsucht schien ihr Herz zu bersten. Doch darauf wollte sie nicht hören, zu lange hatte sie sich glücklich geschätzt, zu lange ihrem Herz diktiert, was es zu fühlen hatte, als dass sie nun hätte darauf hören können!

Sie küsste ihn. Ihre Lippen wurden taub vom inneren Schmerz, doch das war ihr egal. Sie wollte ihr Leben nicht verlieren, so weiterleben wie bisher, glücklich sein. „Halt mich!“
 

Der Wendepunkt
 

Doch schon bald akzeptierte Elodia ihr Herz und ihre Seele. Sie erkannte die vielen Lügen, die lange Zeit ihrer beider Zungen einzig Gut gewesen. Ihr Geist trat aus ihrem Körper, und sie konnte sich selber sehen, was sie tat, was sie fühlte, wie sie sich selbst betrog.

Sie hatte ihrer beider Körper gesehen, übersät mit den Narben und Wunden, die die peitschenden Lügen stets hinterließen. Lüge. Alles, alles Lüge! Sie erkannte, dass sie selbst ihr ärgster Feind war, all die Jahre, und ihre Liebe zu Laomedon nur Ausdruck des Hasses auf sich selbst. Hass auf eine Frau, die alles für andere gab und nichts bekam, nichts verlangte.

Doch der Hass verschwand. Langsam. Sie wollte sich selbst wieder zu lieben beginnen. Sie dachte an all die Tage, die Jahre mit ihrem Liebsten. Stets hatte er sie begleitet und glücklich gemacht. Doch nun war dies zu Ende, das wusste sie, und es trieb ihr Tränen in die Augen. Sie würde ihn verlassen, auch das wusste sie. Doch wie sollte sie ihm das jemals ins Gesicht sagen? In das Gesicht, welches sie so oft geküsst, mit den Augen welche sie so oft angesehen, den Ohren die ihrer Stimme lauschten, Tag für Tag, der Nase welche ihren Duft in sich gesogen, den Lippen welche ihr so oft Liebe geschworen?
 

Ich verlasse heut’ Dein Herz.
 

Liebster Laomedon!
 

Viele Jahre haben wir unser Leben geteilt. Waren uns einander treu und ergeben.

Doch heute- heute verlasse ich Dein Herz! Ich werde von Dir gehen, nicht länger Deine Hände um meine Hüften spüren, wenn Du mich hältst. Ich verlasse die Wärme, die Du mir schenktest, und scheide mich von Deiner Liebe.

Vergieß keine Tränen um mich, sondern gehe weiter Deinen Weg. Doch vergiss mich nicht, denn ich liebe Dich!

Doch nun werde ich im Stillen weichen. Ich lasse dir einen letzten Kuss zurück, denn dir verdanke ich, was ich bin, was ich fühle. Ich liebe Dich und danke dir für Deine Liebe. Doch nun verlasse ich Dich!
 

Elodia
 

Dich zu töten fällt mir schwer
 

Elodia,
 

ich hatte keine Luft mehr, keinen Raum mehr, alles wurde von plötzlicher Sehnsucht eingenommen. Sehnsucht- das war alles, was mir von dir blieb!

Nachdem du gegangen bist, war mit dir auch ich selbst verschwunden, und unser Haus stand plötzlich leer, gefüllt mit schmerzlichen Erinnerungen. Und so konnte ich nicht bleiben! Ich zog aus um dich zu suchen, doch ich fand dich nicht.

Mein Leben war als wie zerbrochen, verloren, verkauft, geschunden und geschlachtet. Und alsbald verflucht’ ich dich! Ich fluchte deiner Liebe, meiner Liebe, und dem Kuss, den du mir gelassen.

Ich versuchte dich zu töten! Dich zu ersticken und auszulöschen aus meinem Herzen! Doch ich konnte nicht, niemals all diese süßen, verhassten Erinnerungen vergessen.

Erneut beginnt die Erinnerung mich zu durchbohren. Es ist noch nicht vorbei, ich spüre es, so wird es sein in alle Ewigkeit.

Du nahmst mir mein Leben und stürztest mich in einen Abgrund der Qualen, und ich konnte es nie begreifen, nie verstehen, erfassen, warum du das getan!

Ich zog aus um dich zu suchen, doch ich fand dich nicht. Ich fand nur mich.
 

Laomedon
 

Sanctus
 

Viele Jahre zogen ins Land, bevor Elodia die Zeilen las, welche Laomedon ihr geschickt hatte. Und ein Funke, ein kleiner Splitter in ihrem Herzen beschwor Tränen in ihre Augen. Sie tropften auf das fahle Pergament und verwischten die Tinte von Laomedons Feder, bis der Brief nicht mehr lesbar war.

Einst wurden sie eins. Und nie hatten sie sich wirklich voneinander gelöst. Elodias Herz füllte sich erneut mit Sehnsucht. Sehnsucht nach ihrer anderen Hälfte. Sehnsucht nach dem Teil, der viel zu lange schon verloren war.
 

Am Ende stehen wir zwei
 

Sie wollten keine Kompromisse, Entschuldigungen waren fehl am Platz. Sie wollten keine weiteren Lügen, keine Täuschungen, nicht wieder. Nicht dieses Mal.

Als Elodia an der vertrauten Türe klopfte und Laomedon sie langsam öffnete erkannten sie sich zunächst nicht. Zu sehr hatten sie sich verändert, waren älter geworden. Doch die Liebe blieb, und der Funken wurde zu einem hellen Leuchten, einem strahlenden Licht.

Sie umarmten sich. Sie küssten sich. Sie würden sich nicht mehr verlieren!
 

Glücklich waren sie, viel Jahre lang. Wie früher. Doch es gibt stets ein Ende, das wussten sie.

Am Ende trug Laomedon sie auf seinem Armen aus dem gemeinsamen Schlafgemach, durch die langen Flure, aus dem gemeinsamen Haus. Auf dem Friedhof ließ er sie hinab, in ein Schlafgemach aus Erde. Der Stein trägt die Inschrift, die ihn sein restliches Leben begleitete:
 

Meine Hoffnung soll mich leiten

durch die Tage ohne dich,

meine Liebe soll mich tragen

wenn der Schmerz die Hoffnung bricht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  theDraco
2008-03-23T12:27:19+00:00 23.03.2008 13:27
Servus! ^^

Deine Geschichte ist hammermäßig gut geschrieben!
Ich hab Elodia nie gehört, kenne sowieso nur ganz wenig von Lacrimosa...
Aber Deinen Text kann man auch genießen, wenn man das Original nicht kennt. ^^

Du kannst großartig schreiben und hast einen starken, sprachlichen Ausdruck. Auch vom Inhalt her ist die Story interessant gehalten, eine Liebesromanze sondergleichen. :)

Klasse Arbeit! ^^ô

Liebe Grüße,
Draco
Von: abgemeldet
2008-03-14T14:28:52+00:00 14.03.2008 15:28
Ich mag Lacrimosa; Nein, besser gesagt, Lacrimosa ist ein wichtiger Bestandteil meiner Existenz... Die Musik und Texte von Tilo prägen mein Leben, fühlen es mit Laune und Sinn...

Elodia ist das beste Album von Lacrimosa, absoluter Höhepunkt(IMHO).

Das war für mich sehr interessant deine Geschichte zu lesen, denn so habe ich den Überblick bekommen wie meine Lieblingsband von anderen emfunden wird, auf welche Gedanken sie führt...


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