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Father Dest's Erbe

Fortsetzung zu "Sinnlose Versprechen"
von

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Kalt wehte der Wind um Jasons Gesicht, das zusätzlich vom Wein, den er bei Holly getrunken hatte, gerötet war. Fluchtartig hatte er ihre Wohnung verlassen und setzte nun schon seit einer knappen halben Stunde unruhig einen Fuß vor den anderen. Der Himmel über ihm war tiefschwarz und zugleich sternenklar. Hier und da funkelten die kleinen Lichtpunkte wie Diamanten. Doch Jasons Augen waren nur starr auf die fast menschenleere Straße gerichtet und durchtrat dabei immer wieder die orangenen Lichtkegel der Laternen.

Aus mehreren Gründen hat er eine Wohnung am äußersten Stadtrand bezogen. Auf der Suche nach den eigenen vier Wänden hat er viel Wert darauf gelegt, sich nicht nur so weit wie möglich von Lance zu entfernen, sondern auch einen Ort zu finden, der nicht von Stadtratsmitgliedern bevölkert war. Am Tag seines Einzugs hatte er die feindseligen Blicke seiner neuen Nachbarn regelrecht auf sich gespürt, doch sie hatten ihn weder beleidigt noch in anderer Weise verstoßen. Es gab bisweilen sogar den ein oder anderen, der mit ihm Smalltalk betrieb oder ihn einfach nur grüßte. Und keiner ahnte, weshalb er diesen Ort noch auserwählt hatte.

Mit seiner Rechten fuhr sich Jason durchs Haar und strich sich auf diese Weise ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. Nun glitt sein Blick doch gen Himmel und haftete sich für einen Moment auf einen der kleinen funkelnden Sterne, der schon längst erloschen sein konnte. Yasses, so hieß der Stadtteil, in dem er nun seit gut zwei Monaten lebte, war für seine ruhige Lage bekannt und vor allem für die friedvollen Menschen, die nicht das Bedürfnis hegten, auf die Straße zu gehen und ihre Meinung lauthals zu verkünden. Jason erhoffte sich, dass alle glaubten, er sei dorthin gezogen, um seine unbedarfte Art zu bereuen und sich von seinen Nachbarn ordentlich den Kopf waschen zu lassen. Sich ihr ruhiges Leben anzueignen. Nach außen hin tat er das auch. Er ging fünf Tage die Woche arbeiten – seine Arbeitskollegen akzeptieren ihn bisweilen wieder, wobei hier von Mögen nicht unerlässlich die Rede sein durfte -, er fiel durch keine naiven, politischen Handlungen mehr auf und war ein guter Mieter. Solange keiner in sein Herz schauen konnte oder hinter seine Wohnungstür, war seine zweite Identität für niemanden existent, außer ihm selbst. Und genau deswegen musste er sich zusammenreißen und sich der Melancholie, die ihn immer wieder befiel, ein für allemal entledigen. In einem Zustand der Schwermut verlor man seinen klaren Verstand und genau das durfte Jason nicht passieren. Ein falsches Wort und er flöge auf. Ein falscher Anruf und Zundersby würde kurzen Prozess mit ihm machen. Ob ihm der Schlossherr sein neues, inaktives Leben überhaupt abnahm, bezweifelte Jason stark. Doch er musste dafür sorgen, dass Tyrone keinen Anlass hatte, ihm auf irgendeine Weise nachzustellen oder ihn wieder beschatten zu lassen, wie er es kurz nach der Wahl von Vanrim bereits einmal getan hatte. Wie lange Zundersbys Leute hinter ihm her gewesen waren, konnte Jason nur ahnen, denn sie hatten ihre Arbeit wirklich gewissenhaft erledigt. Aber doch nicht bedacht genug. Ein Spiegel im Supermarkt hatte Jason erst auf einen Mann um die Mitte dreißig aufmerksam gemacht, den er in den Folgetagen dann öfter entdeckt hatte, wenn er seinen Blick unauffällig in seiner Umgebung schweifen ließ.

Ein weiteres Mal wollte der Blondschopf gewiss nicht von Zundersbys Männern beschattet werden. Mittlerweile glaubte er, dass sie ihm zwar nicht mehr auf Schritt und Tritt folgten, aber das Interesse verlor der Spinner der Fäden der Korruption sicherlich nie an ihm. Denn schließlich war Father Dest sein Vater und schon dies allein machte ihn zu seinem Feind.

Abrupt blieb Jason stehen. Seine Augen schwirrten in seinen Höhlen hin und her und seine Stirn legte sich in Falten. Tyrone von Zundersby schien schon vor seinem Eintritt in die Politik gewusst zu haben, wer er war. Stand er vielleicht schon vor seinem negativen Bekanntheitsgrad in Tyrones Visier? Seit wann wusste der Schlossherr, dass Father Dest und Kelvin Sartaren ein und dieselbe Person waren? – Darüber hat Jason noch nicht konkret nachgedacht. Aber ihn befiel in diesem Moment eine Gänsehaut, die ihn unangenehm erbeben ließ. Wiegte er sich zu sehr in Sicherheit?

Als er Geräusche von zwei Personen wahrnahm, die gerade aus einer Seitenstraße kamen, begann Jason loszulaufen. Schnellen Schrittes ging er nach Hause und sank an die Tür, die er hastig hinter sich schloss. Langsam glitt er an dem schweren Holz hinab, bis er festen Untergrund unter sich spürte. Der Laminatboden war ziemlich kalt und doch blieb er einige Minuten auf ihm regungslos sitzen. Nur seine Brust hob und senkte sich in einem ungestümen Takt. Er ließ sich eindeutig zu sehr von seinen Gefühlen verwirren. Und dabei musste gerade er vorsichtig sein. Abgeklärt. Kontrolliert. Und dennoch höflich. Vor allem menschlich. Eine Kombination, die Ausgeglichenheit und oder Zufriedenheit erforderte. Von beidem hatte er nicht gerade viel inne.

Fest verschloss er seine Augen und horchte auf die Stille, die ihn umgab. Er wollte in die Fußstapfen seinen Vaters treten. Er wollte für eine Veränderung der Machtverhältnisse sorgen. Er wollte glücklichere Gesichter sehen.
 

„Warum dann diese Niedergeschlagenheit?“, murmelte er und seine Worte wurden sogleich von der Leere des Flures geschluckt.
 

Lance gehörte der Vergangenheit an. Holly und Eddy schienen glücklich zu sein. Und der Tumult um seine Person war längst erloschen. Was bekümmerte ihn dann so? Er brauchte nichts als seinen klaren Verstand. Und den konnte er wiedererlangen, wenn er endlich den Teil seines Herzens aufgab, der ohnehin nicht mehr mit Wärme gefüllt werden konnte.

Mühsam richtete sich Jason auf und ging ins Bad, wo er seinen Kopf unter kaltes Wasser hielt. Mit tropfnassen Haaren hob er sein Haupt wieder an und sah in den Spiegel. Die Entschlossenheit in seinen rehbraunen Augen wuchs von Sekunde zu Sekunde. Von nun an würde er der Sohn sein, den sich sein Vater sicherlich gewünscht hatte!
 


 

Es war mittlerweile Sonntagabend und Jason stellte seinen Wecker für den nächsten Morgen. Die roten Ziffern zeigten 20:31. Noch war es zu früh, schlafen zu gehen, weshalb er zum dritten Mal an diesem Tag das Wirtschaftsjournal von Asht-Zero zur Hand nahm. Er durchblätterte Statistics and Articles 06 mit regem Interesse, denn er gab die Hoffnung nicht auf, in dem Journal einen Hinweis auf Tyrone von Zundersbys Schuldigkeit zu finden. Die gut 200 Seiten starke Ausgabe erschien jährlich Ende Dezember und war eine Sammlung sämtlicher Artikel, die die Wirtschafts- und politische Lage der Stadt widerspiegelten. Darunter waren Bilanzen fast aller Unternehmen in und rund um Asht-Zero zu finden, Statistiken verschiedener Branchen und Gehälter, Bevölkerungsanalysen und so gut wie alle Artikel, die über das Jahr hinweg veröffentlicht worden waren, die insbesondere politische Themen zum Inhalt hatten. Innerhalb von 365 Tagen sammelte sich vieles an. Und Jason scheute dennoch keine Mühen, sich immer weiter in die Materie zu vertiefen. Denn er musste verstehen, wie Zundersby handelte. Um vielleicht irgendwann seinen nächsten Zug vorhersehen zu können. Er musste sich in ihn hineinversetzen können und dazu brauchte er Informationen. Viele Informationen.

Jason langte hinter sich und drehte die kleine Halogenleuchte, die gerade einzig im Schlafzimmer brannte, weiter in seine Richtung. Das fahlgelbe Licht schien nun direkt auf die aufgeschlagene Seite, die fast ausschließlich Zahlen aufwies. Je länger sich Jason mit ihnen beschäftigte, desto mehr war er der Überzeugung, dass sie an einigen Stellen manipuliert worden waren. Die Bürger von Asht-Zero sollten nicht schwarz auf weiß sehen, wie sie insgeheim hintergangen wurden. Wie ihr Geld im Netz des Betruges versickerte. Doch wie sollte Jason nachweisen, dass er mit seinen Vermutungen richtig lag? Dazu saß er nicht an der rechten Position. Und darum musste er seine eigenen Fäden weiterspinnen, um irgendwann an die Personen zu gelangen, die ihm stichhaltige Beweise lieferten. Vielleicht war es wirklich unumgänglich, Korruption mit Bestechung zu vergelten. Mit Geld erreichte man vieles. Und verzichtete Jason nicht deshalb auf den Komfort eines Autos? Auf eine große, helle Wohnung? Auf das eine oder andere Luxusgut? Frimmingway würde gewiss nicht der einzige Mensch bleiben, den er bezahlte. Menschen waren nun mal käuflich und daran würde sich so schnell nichts ändern. Sofern man sie ihren eigenen Zielen näher brachte oder sie unterdrückte, so wie Tyrone es mit Bestimmtheit des Öfteren tat, mussten nur die Scheine fließen, um sich ihrer Unterstützung für einen bestimmten Zeitraum sicher zu sein. Nur musste Jason noch einschätzen lernen, wann der Punkt kam, die Quelle, der er sich bediente, aufzugeben, damit sie nicht gegen ihn agierte.

Nachdenklich blätterte er ein paar Seiten weiter und überflog derweil den einen oder anderen Artikel, den er heute bereits schon einmal gelesen hatte. Bisher war nichts dabei, was sein Herz schneller schlagen ließ. Was ihn in seinem Tun bestärkte. Und doch konzentrierte er sich immer stärker auf die Worte, die sein Blickfeld streiften. Schwarze Lettern, die so viel Bedeutung maßen, wenn man ihren Sinn verstand.
 

… deshalb hat sich der Stadtrat gegen die Ausweitung des Bibliothekenbestandes entschieden. Insbesondere Alan Northburg hat betont, dass dies aber nicht bedeute, dass die Stadt in der Zukunft keine neuen Bücher bekäme. Nur ließe der Etat momentan keinen Hinzukauf der wertvollen Publikationen zu…
 

Mit einer Hand am Kinn schlug Jason die nächste Seite um.
 

… Erneut entfachte die Diskussion um die Bestellung der Aufsichtsratmitglieder im größten Unternehmen der Stadt. Es hieße, dass bisweilen drei Stadtratmitglieder im Aufsichtsrat säßen und der amtierende Bürgermeister von Asht-Zero, Alan Northburg, ein weiteres dort einsetzen möchte. Rison Season möchte hierzu keine Stellungnahme abgeben…
 

Überall hatte Zundersby verdeckt seine Finger im Spiel, doch er wurde, wie nicht anders erwartet, mit keinem Wort erwähnt. Warum sollte auch ein angesehener Schlossherr durch den Dreck gezogen werden?

Manchmal war die Welt wahrlich ungerecht. Jason lehnte seinen Kopf zurück an die anthrazitfarbene, geschwungene Querstrebe des Bettes und seufzte einmal laut auf. Egal, was er las, nichts lieferte einen konkreten Hinweis auf Tyrone von Zundersbys Machenschaften. Zundersby war ein Mann, der wusste, wie man sich im Verborgenen hielt. Es mochte grotesk sein, aber von ihm konnte Jason noch viel lernen.

Ein ironisches Grinsen umspielte seine Lippen, während er sich wieder aufrichtete. Vom Mörder seines Vaters lernen!? Das grenzte wirklich an makabere Absurdität… Und doch steckte darin ein Körnchen Richtigkeit.
 

… in diesem Jahr schreibt die Firma erstmals schwarze Zahlen. Keiner hat daran geglaubt, dass sich Inoris Magenta erholen würde, aber Richard Trunk, Vorsitzender des mittelständisches Unternehmens, hat bestätigt, dass die befürchtete Insolvenz vorerst auszuschließen sei. Über den plötzlichen Erfolg auf dem Markt schwieg er sich allerdings aus…
 

„Es muss nur das nötige Kleingeld fließen“, hauchte Jason in die abgekühlte Luft des Zimmers. Er legte das Journal zur Seite und stand auf. Während er sich seinen Pullover über den Kopf zog, lief er zum Fenster auf der gegenüberliegenden Seite und warf dann einen Blick hinaus auf die Kehrseite der Stadt. Asht-Zero wirkte in den feinen Nebelschwaden so unendlich friedlich. Als ob nichts und niemand den unschuldigen Schein der Stadt trüben könne außer der kondensierten Luft, die sich durch die Straßen und um die Bäume schlängelte. Alsbald fokussierte sich sein Blick auf sein reflektierendes Spiegelbild. Das Glas machte ihn blasser als er war.

„Ich finde einen Weg, Tyrone von Zundersby!“, beschlug sein Atem die Scheibe.
 


 

„Hast du ihn schon gelesen?“, drang Hollys aufgeregte Stimme an seine Ohren. Durch das Telefon hinweg klang sie noch aufdringlicher als sie es vermutlich real getan hätte.
 

„Ich grüße dich auch“, erwiderte Jason gelassen.
 

„Du siehst auf deinem Handy doch, dass ich es bin. Also können wir uns solch höfliche Floskeln sparen“, seufzte sie.
 

Unwillkürlich musste Jason grinsen. „Und das aus deinem Mund.“
 

„Hast du den Artikel nun gelesen oder nicht?“, fragte sie ihn ungeduldig.
 

„Den von R.I.?“
 

„Welchen denn sonst?“, kam es genervt zurück. Langsam schien er ihren Spannungsbogen zu überdehnen.
 

„Ja, heute morgen.“

Mit zwei Fingern spielte Jason mit der Gabel, die auf einem kleinen Teller vor ihm auf dem Tisch lag. Er war gerade dabei gewesen, eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen, als sein Handy zu klingeln begann. Die Frage, ob er den Artikel gelesen habe, war vollkommen unnötig. Natürlich hat er das. Er war am Morgen sogar so früh aufgestanden, dass er die Zeitung persönlich dem Zeitungsboten hätte abnehmen können. Frimmingway ließ ihm nie die endgültige Fassung des Artikels zukommen, denn das hätte eine zu große Verbindung zwischen ihnen hergestellt. Nicht nur Jason musste auf der Hut sein, auch Killian durfte sich keinen Fehler erlauben. Als anerkannter Kritiker stand er oft in der Öffentlichkeit und das war auch Tyrone von Zundersby bekannt. Und jedwede Form des Verdachtes musste vermieden werden, selbst wenn Killian Frimmingway nicht als Autor der neuen Revolte bekannt war. Ob des Kürzels R.I., das er durch die Zeitung neben seinem Teller vor Augen hatte, musste Jason schmunzeln. Rex iustus – der gerechte König - war eine wahre Übertreibung, doch er hatte diese Worte aus einem Impuls heraus gewählt, den er sich selbst nicht erklären konnte.
 

„Und?“, hörte er wieder Hollys unerbittliche Stimme.
 

„Ganz nett.“
 

Er konnte förmlich sehen, wie ihre Kinnlade herunterfiel. „Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“
 

Unbemerkt zuckte er die Schultern. Schließlich hatte er schon vor wenigen Tagen gewusst, was in dem Artikel stehen würde. Zwar war er selbst neugierig gewesen, wie Frimmingway seine Gedanken umsetzen würde, doch im Endeffekt war das Ergebnis keine Überraschung für ihn gewesen.

„Was denn zum Beispiel?“
 

Nun stöhnte sie laut in den Hörer. „Ist dir die Politik wirklich mittlerweile so egal?“
 

Er zögerte und schob die Gabel auf den Tellerrand. „Ich bin einfach nicht der Richtige für dieses Geschäft.“
 

„Aber das heißt nicht, dass du ihr den Rücken zuwenden musst. Zudem glaube ich…“, hielt sie plötzlich inne.
 

„Ja?“, fragte er nach.
 

„Was hältst du nun von seiner Anschuldigung?“, wich sie der Frage aus.
 

Jason war sichtlich beeindruckt. Die Denunziation Vanrims war nicht wirklich offensichtlich gewesen, selbst wenn er gewollt hatte, dass zumindest ein paar Leute sie verstehen sollten.

„Du hast sie also auch herausgelesen?“
 

„Also habe ich mich wirklich nicht geirrt. Bisher habe ich nur mit Eddy über den Artikel gesprochen. Er war sich nicht wirklich sicher, ob ich Recht habe oder nicht.“
 

„Das war ich mir auch nicht“, meinte Jason aufrichtig. Dass Holly den Wink in seinem neuen indirekten Angriff gegen Vanrim verstand, hatte er nicht unbedingt erwartet. Zwar war sie als Journalistin prädestiniert für das Durchblicken solcher Wortspiele, die Frimmingway beherrschte, aber es verwunderte ihn dennoch ein wenig. Und doch machte es ihn ein wenig stolz. Auf sein Werk und natürlich auf Holly selbst.

„Glaubst du dem Vorwurf?“
 

„Dass Vanrim für den Abriss der Kapelle bezahlt wird?“
 

„Ja“, nickte Jason, auch wenn sie das nicht sehen konnte.
 

„Ich könnte es mir zumindest vorstellen“, hielt sie sich vage. „Nur sollte dieser R.I. hoffen, dass das unser Bürgermeister nicht herausgelesen hat. In der Redaktion wurde heute zwar auch viel über den Artikel diskutiert, aber keiner hat auch nur ein Wort über diese Anschuldigung verloren. Wenn dies herauskäme, würde sich die Suche nach R.I. mit Bestimmtheit ausweiten.“
 

Für einen Moment starrte Jason ins Leere. „Wer solche Artikel veröffentlicht, weiß sich zu tarnen. Oder nicht?“
 

„Nun… Wie schafft es dieser R.I. überhaupt, den Verlag dazu zu bringen, sie zu drucken?“
 

Darum kümmerte sich Frimmingway höchstpersönlich, weshalb Jason die Frage nicht beantworten konnte, selbst wenn er unter Eid stünde. „Dazu müsstest du schon Eddys Konkurrenz fragen.“

In Asht-Zero gab es zwei Tageszeitungen. Eine davon brachte Eddys Druckerei heraus, die andere gehörte Abigail Eren, der Witwe von Marlon Erlen, dessen Vater den Verlag vor gut 60 Jahren gegründet hatte. Jason abonnierte seit seinem Einzug nur Erens Zeitung, auch wenn das Holly nicht guthieß. Doch wie sollte er sonst die Artikel von Frimmingway lesen? Beide Zeitungen konnte er sich nicht mehr leisten. Dazu floss zu viel von seinem Geld in eine andere Brieftasche.
 

„Entweder kennt R.I. Abigail Eren oder sie spielt gerne ein wenig mit den Leuten. Und beides klingt aus der Luft gegriffen“, schloss Holly etwas zerknirscht.
 

„Mhh…“, dachte Jason nach. „Wir werden es wohl nicht so schnell erfahren.“
 

„Das bezweifle ich auch. Jedenfalls bin ich irgendwie erleichtert, dass ich nicht schon Halluzinationen habe. Dieser ganze Aufruhr um R.I. in der Redaktion scheint mich mehr zu beeinflussen als ich gedacht hätte. Ansonsten ist es in Asht-Zero eigentlich eher still um ihn, so viel ich beurteilen kann.“
 

„Das verwundert mich nicht“, entgegnete er. Seine Anfeindungen waren gut versteckt. Und doch hegte er die Hoffnung, dass sich die Bürger unwissentlich von ihnen beeinflussen ließen. Manchmal nahm man unterbewusst mehr wahr als man glaubte.
 

„Ich wusste, dass du dir über den Artikel Gedanken gemacht hast“, meinte sie plötzlich sehr ernst.
 

Jasons Hand, die auf dem Tisch lag, ballte sich zur Faust, doch er sagte nichts.
 

„Die Wahl liegt nun schon Monate zurück. Langsam kannst du deine Zurückhaltung, was die Politik angeht, ablegen. Zumindest mir gegenüber. Wir reden schließlich oft genug über sie.“
 

„Ich wollte dich nicht verletzen“, kam es verzögert zurück. Das Abwägen, was er sagen durfte oder nicht, ohne sich zu verraten, war oft ein schwieriges Unterfangen und ehe er sich versprach, zog er es vor, möglichst unbeteiligt zu wirken. Nur fühlte sich Holly dadurch sichtlich gekränkt.
 

„Ach, heuchle jetzt bloß keine Entschuldigungen“, lachte sie auf einmal los, was Jason die Stirn runzeln ließ. „Werde bloß wieder der Alte, mehr will ich gar nicht.“
 

Auf der Unterlippe kauend nahm Jason die Gabel in die Hand und schnitt sich mit ihr ein Stück Kuchen ab.
 

„Ich soll dir übrigens noch was von Eddy ausrichten“, fuhr Holly nach ein paar bedrückenden Sekunden heiter fort. „Er lässt sich nie wieder von dir abfüllen!“
 

„Das werden wir noch sehen“, verzog sich Jasons Mund nun zu einem leichten Lächeln.
 

„Das habe ich ihm auch gesagt, aber daraufhin hat er nur die Augen verdreht. Naja,… Kommst du am Mittwochabend wieder zu uns? Wir wollen ein paar Filme aus der Videothek holen und vorher zusammen kochen. Eddy möchte sich revanchieren.“
 

„Habt ihr genug Wein da?“
 

„Natürlich“, grinste sie.
 

„Kannst du Eddy noch mal betrunken ertragen?“
 

„Natürlich“, wiederholte sie.
 

„Gut, ich komme.“
 

„Das wollte ich hören. Ah, da kommt er schon.“

Jason hörte Hollys Wohnungstür und Eddys Stimme dumpf durch das Handy.

„Passt dir 18.30Uhr?“
 

„Spricht nichts dagegen.“
 

„Schön, bis bald.“
 

„Bis bald.“
 

„Ist das Jason?“, hörte er Eddy noch sagen, doch da legte Holly bereits auf.
 

Als Jason sein Handy zuklappte, verschwand jedwede Regung aus seinen Augen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-09-25T19:06:10+00:00 25.09.2007 21:06
Ja, ich bin auch voll scharf drauf, dass Jason ma richtig auf die Tube drückt ;) Und Lance...ja wo bleibt eigentlich Lance? ^^

greetz Morri
Von:  inulin
2007-09-25T12:32:28+00:00 25.09.2007 14:32
Hach... schön. Zum Ende hin noch mal was zum schmunzeln. *gg*
Ich bin echt mit jedem Kapitel gespannter, was passieren wird, wenn Jason erst mal so richtig loslegt...
Und vor allem, da du ihn immer mal wieder erwähnst - wann Lance wieder vor ihm steht... Zumal ich finde, dass Lance wahren Gefühle irgendwie immer noch unklar sind. Und ich denke, auch Jason weiß noch immer nicht, was er von ihm halten soll. Denkt vielleicht auch deswegen immer noch über ihn nach.
Ich bin gespannt auf den nächsten Teil. ^^


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