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Marshmallow

von

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Ein Ticket für Zwei

Titel: Marshmallow

Kapiteltitel: Ein Ticket für Zwei
 

Thema: Eigene Serie/Shônen-ai

Disclaimer: Die Charaktere dieser FF gehören mir! Wenn ihr sie benutzen möchtet, fragt mich bitte um Erlaubnis! Danke! =)

Warnungen: leichte Gewalt, Angst, Humor
 

Kommentar: Hier ist mal etwas eigenes von mir. Eigentlich wollte ich es nicht veröffentlichen, aber naja... Mal sehn, ob sich überhaupt jemand dafür interessiert.

Viel Spaß beim Leden und danke Michael-San für deine Hilfe bei der Kapitel- und Titelauswahl. ^^ Und auch beim Betalesen! *megaknuddel*
 


 

„Du, Akira?“

Eine kleine Hand vergriff sich in das Hosenbein des Oberschülers und zog leicht am dünnen, dunkelblauen Stoff, der daraufhin ein wenig zerknitterte. Der Junge neigte seinen Kopf, sah in das fragende Gesicht seiner kleinen Schwester und verdeutlichte ihr mit seiner aufmerksamen Mimik, dass er bereit war, ihr zuzuhören.

Sie atmete tief ein und wieder aus, stellte sich aufrecht hin und überlegte, wie sie ihre Frage am besten formulieren sollte.

„Wie kann man etwas, was eigentlich passieren muss, verhindern?“

„Taka-chan…“

Verwirrt hob der Schwarzhaarige eine Augenbraue.

Warum stellte dieses kleine Wesen schon wieder solch merkwürdige Fragen?

„Ich weiß nicht...“, sagte er und hockte sich neben die Kleine. Er strich über das lange, glatte Haar des Mädchens und schmunzelte, als er ihren enttäuschten Blick wahrnahm.

„Aber da du ja eh nie weißt, was vorher passiert, kannst du es auch gar nicht ändern.“, erklärte er lächelnd.

„Und wenn ich Fragen stelle?“

„Wie meinst du das?“

Sie kicherte.

„Wenn ich vorher nachfrage, was passieren wird.“

„Ich schätze, dass das nicht funktioniert, Taka.“, meinte er und erhob sich wieder.

„Aber versuchen kann ich es ja mal, hmmm… Was würdest du zum Beispiel sagen, wenn ich dir sage, dass ich aus Versehen meinen Kakao auf deinem Aufsatz ausgeschüttet habe…?“, äußerte sie und blickte ihren Bruder mit großen unschuldigen Kulleraugen an.

„Dann würde ich dir kräftig den Hintern versohlen, weil ich den Aufsatz nämlich nachher abgeben muss…“

Ein leichtes Zucken überkam sein Gesicht. So langsam machte sich eine schlechte Vorahnung in ihm breit.

„Gut, dann werde ich mich jetzt in meinem Zimmer einschließen. Ciao!“, quiekte sie, gab ihrem Bruder einen Klaps auf den Po und rannte, so schnell sie ihre kurzen Beine trugen, aus dem Wohnzimmer.

Akira sah ihr nach, schluckte schwer und rannte in die Küche, dabei die Hälfte des Inventars mit sich reißend. Fluchend bückte er sich nach einer umgekippten Topfpflanze und versuchte, die Blumenerde vom Teppich in den Topf zurück zu kehren, doch ein großer, dunkler Fleck entstand auf dem hellen Boden.

„Ach, verdammter Mist…“, fluchte der 16jährige und schob die Pflanze rasch unter den Schrank, legte dann eine Zeitschrift über die befleckte Teppichstelle und krabbelte auf allen Vieren in die kleine Küche. Hastig sprang er zu seinem Platz, krallte sich das Stückchen Papier und blickte mit riesigen Augen auf seine Aufzeichnungen. Das konnte ja wohl nicht wahr sein? Dafür hatte er sich einige Nächte um die Ohren geschlagen! Dieses kleine Miststück hatte es doch tatsächlich gewagt...

„TAKA!!!“, schrie er, flog dabei über den Stuhl und landete bäuchlings auf dem Boden, löste ein kleines Beben in der Wohnung aus, war allerdings kurze Zeit später wieder auf den Beinen. Mit zwei schnellen Schritten hatte er den Flur der winzigen Wohnung erreicht und stieß mit Wucht die Zimmertür zum Raum auf, den er sich mit seiner Schwester teilen musste.

Das Mädchen schrie auf und kroch schnell unter ihr Bett.

„Es war doch abgeschlossen, wie hast du die Tür aufbekommen?“, weinte sie verzweifelt und rollte so weit in Richtung Wand, wie es möglich war.

„Das ist in dieser Bruchbude ja kein Problem…“, kreischte der Junge aufgebracht und lag schon vor dem Bett, langte mit seinem schlanken Arm in den Zwischenraum, in dem sich das Mädchen zu verstecken versuchte und tastete sich voran, kroch dann selbst mit dem halben Körper darunter.

„Komm da sofort raus!“, keifte er.

„Nein, du wirst mir den Hintern versohlen! Ich versuche nur, das zu verhindern, was verhindert werden muss!“, quiekte sie und schlug nach der Hand ihres Bruders.

„Lass mich!“

„Ich werde dich nicht hauen, ehrlich nicht, Kleines! Ich werde dich nur kopfüber ins Klo tauchen und dann kräftig spülen…“, meinte er freundlich lächelnd und schaffte es nun, ihren Pullover zu packen. Er zog leicht daran; Taka schrie laut und schrill auf und Akira spürte, wie er an den Beinen zurückgezogen wurde. Er schlug sich den Hinterkopf an der Bettkante an, dann wurden seine Beine auf den Boden fallen gelassen. Er ächzte auf und wollte sich aufrichten, doch schon wurde er unsanft am Kragen gepackt und empor gezerrt.

„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du sie nicht ärgern sollst, du kleines Miststück!“

„Ich…äh.“

Akira blickte seinen Vater entsetzt an, schloss dann die Augen und drehte den Kopf zur Seite. Ihm wurde speiübel. Dieser Mann roch extrem nach Alkohol.

„Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede! Warst du in meinem Zimmer? Hast du meine Flaschen ausgekippt, du Ratte? Rede gefälligst!“, spie er dem Jungen entgegen und schüttelte ihn kräftig durch.

„SIEH MICH AN!“

Der zarte Körper des Teenagers wurde zurückgestoßen, dann packte Akiras Stiefvater ihn am Kragen und schlug mit der rechten Faust kräftig zu.

Akira fühlte das Blut in seinen Ohren rauschen, er wankte nach hinten, fiel über Takas Puppenwagen und landete unsanft auf dem Boden. Schmerz breitete in seinem Gesicht aus; er rieb sich seine schmerzende Wange und spürte, wie Tränen in seine Augen schossen.

Taka war unter dem Bett hervor gekrochen und klammerte sich weinend an den Arm des Mannes.

„Nein, hör auf, du tust ihm weh! Hör auf, bitte!“, schrie sie, doch der Mann schleuderte sie wie eine Katze von sich. Taka landete auf dem Bett, hopste durch die Federung einmal in die Luft und krachte ebenso auf den Fußboden. Sie schluchzte, brach schließlich in Tränen aus und krabbelte zu Akira, doch ihr Vater packte sie am Oberteil und zog sie von ihm weg.

„Hau ab!“, fauchte er und beförderte sie aus dem Zimmer, ging dann auf Akira zu, versetzte ihm einen Fußtritt und lächelte, als der Junge sich vor Schmerz krümmte.

Akira hielt sich den Bauch. Er kniff die Augen zusammen und versuchte sich aufzusetzen. Sein Vater half ihm und zog ihn wieder auf die Füße, packte ihn erneut am Kragen und sah ihm in die Augen.

Akira zitterte, sein Atem ging keuchend und hektisch. Er konnte diesem Blick nicht standhalten, versuchte sein Gesicht wegzudrehen, doch der Mann berührte nun schon beinahe überzärtlich sein Kinn und drehte den Kopf des Kindes wieder zu sich.

„Weißt du, dass du deiner Mutter unglaublich ähnlich siehst?“, hauchte der Betrunkene, verstand die Angst in Akiras Augen nicht und kam seinem Gesicht näher. Der Schwarzhaarige riss die Augen auf, packte die Hand, die ihn noch immer fest am Kragen packte und versuchte, sich loszureißen.

„Fass mich nicht an!“, schrie er, spürte dann die rauen Lippen des Mannes auf seinem zarten Hals, die groben Hände, die seinen von seinem Kragen abließen, um seine Haut zu fühlen.

Akira wurde gegen eine Wand gedrängt, spürte, wie sein Vater sein Oberteil nach oben strich und seinen bebenden Bauch berührte.

„Hab ich dir sehr wehgetan?“, hauchte er ihm ins Ohr, drückte seine Lippen schließlich gegen die Schläfe, wieder den Hals entlang und strich fahrig über Akiras Brust und ließ sie schließlich zu seinem Schritt wandern.

„Lass das…“, wisperte der Junge ängstlich, erstarrte in seinen Bewegungen. Er mochte das nicht. Er wollte so nicht berührt werden. Dieser heisere Atem, das tiefe Keuchen, dieser widerwärtige Geruch…

Das ekelte ihn an.

Panik überkam ihn.

„Lass mich los! Hör auf, ich will das nicht!“

Seine Stimme zitterte ebenso wie seine Glieder, er stemmte seine Arme gegen den Älteren und versuchte ihn von sich zu drücken, blieb jedoch erfolglos.

Tränen rannen aus seinen Augen.

„Ich werde dir nicht mehr wehtun…“

„Hör auf!“

„Bist du ein böser Junge?“

„Ich sagte, du sollst aufhören!“, schrie der Schwarzhaarige, als er spürte, dass sein Hosenstall geöffnet wurde und die große, raue Hand darin verschwand. Ekel übermannte Akira, jedes kleine Härchen auf seinem Körper stellte sich auf und eiskalte Schauer jagten über seinen Rücken.

„Fass mich nicht an!“, fauchte er, schlug die Hand weg, mobilisierte seine gesamte Kraft und schaffte es, den eigentlich so übermächtigen Gegner von sich zu stoßen.

Sein Vater fiel rücklings auf den Boden, schlug mit dem Kopf auf und blieb regungslos liegen.

Mit tränenfeuchten Augen sackte Akira in sich zusammen. Sein Mund stand weit offen, als er den leblosen Körper vor sich liegen sah.

Was hatte er nur getan?

„Akira! Ich krieg die Tür nicht auf!“, rief Taka vom Flur aus, schaffte es aber schließlich, die klemmende Klinke nach unten zu ziehen, rannte ins Zimmer und fiel ihren Bruder um den Hals.

„Ist mit dir alles okay, hat er dir wehgetan?“, weinte sie, bemerkte aber, dass Akira sich nicht bewegte.

„Was ist denn los?“

Sie löste sich von ihm, drehte sich um und entdeckte ihrem Vater. Sie wand sich wieder Akira zu, sah ihn mit unschuldigen Kinderaugen an und legte beide Hände auf seine Schultern.

„Schläft er?“

Akira erschrak, blickte zu seiner Schwester und schüttelte den Kopf.

„Ich, äh, ich weiß es nicht, Taka…“, wisperte er, krabbelte dann zitternd auf den schweren Körper zu, stieß ihn kurz an und ging sofort in Deckung. Er regte sich nicht.

„Gott, bitte sei nicht tot…“, wisperte der Schwarzhaarige, drehte ihn an der Schulter zu sich und tastete ungeschickt nach dem Puls, fand ihn zunächst nicht, spürte jedoch schon bald ein schwaches Herz schlagen.

Erleichterung machte sich in ihm breit. Er erhob sich wankend.

Taka ging auf ihren Bruder zu, nahm Akiras Hand liebevoll und zog ihn hinter sich her aus dem Zimmer.

„Komm, Onii-chan…“, sagte sie leise und zog den Älteren hinter sich her in die Küche, drückte ihn sanft auf einen der Küchenstühle. Die Erstklässlerin kletterte dann auf seinen Schoß und legte ihre kleinen Arme um Akiras Nacken.

Dieser strich über den schmalen Rücken der Kleinen, drückte sich dann an sie und seufzte.

Schweigend saßen sie so eine Weile da, gaben sich gegenseitig Nähe und Wärme. Akira hatte die Augen geschlossen, doch als er ein Geräusch hörte, blickte er wie ein aufgescheuchtes Huhn in Richtung Küchentür, sah dann, wie sein Vater im Türrahmen auftauchte und ihn mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck ansah. Unbewusst drückte Akira Taka fester an sich. Er wusste, dass er keine Chance gegen diesen so übermächtigen Gegner hatte, aber falls es hart auf hart käme, würde er Taka auf jeden Fall beschützen, egal, was dabei mit ihm selbst passieren würde…

Es war ja nicht nur, dass Akira selbst andauernd als Sündenbock benutzt und geschlagen wurde, selbst vor der Kleinen machte er keinen Halt.

Ängstlich sah er zu, wie sich ein seltsames Lächeln auf dem Gesicht des Mannes abzeichnete; wie er die Hand, die sich noch vor kurzer Zeit in Akiras Hose befunden hatte, zu seinem Mund führte und die Finger langsam ableckte. Er sog jedes ängstliche Zucken des Jungen auf, hob dann seine Flasche, die er sich vorher geholt hatte und prostete Akira zu, drehte sich um und schwankte den Flur hinab.

Das Herz des Jungen raste. Er fragte sich, was das gerade sollte und hoffte inständig, dass er nicht noch einmal zurückkommen würde, doch schon bald hörte man nur noch das Klirren der Flaschen im Wohnzimmer.

Akira wusste, dass er sich jetzt wieder bis zur Besinnungslosigkeit betrinken würde. Wie jeden Tag, seitdem Takas und Akiras Mutter Selbstmord begangen und sie ihre Kinder, wenn man es genau nahm, mutterseelenallein gelassen hatte…

„Ich hol uns hier raus, das verspreche ich dir…“, wisperte der Junge, streichelte Taka über die Wange und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Dann hob er das kleine Mädchen von seinem Schoß und nahm rasch ihre Schultasche, setzte sie ihr auf den Rücken, stopfte den mit Kakao beschmierten Aufsatz in seine Mappe. Mit größter Vorsicht schlich er mit der Kleinen bis zum Wohnzimmer, linste kurz in dieses und wartete, bis sich eine Möglichkeit bot, ungesehen daran vorbeizukommen. Als sie das geschafft hatten, schnappte der Junge sich seine eigenen Sneackers und die kleinen Lackschuhe seiner Schwester, öffnete die Wohnungstür leise, schob Taka nach draußen und zog die Tür so lautlos wie es möglich war wieder zu.

Sie liefen in Socken ein paar Stockwerke nach unten, dann hielt Akira Taka fest, hockte sich hin und half der Kleinen in ihr Schuhwerk. Danach zog Akira sich seine eigenen Treter an, nahm Taka fest an die Hand und lief mit ihr die Straßen hinab, bis sie das Meer Osakas erreichten. Das Wasser glitzerte in der Morgensonne, wärmte ihre erkalteten Glieder und ließ sie für einige Zeit ihre Probleme vergessen. Der Junge sah lächelnd auf die Wasseroberfläche, beobachtete die Fischer bei ihrer morgendlichen Arbeit und konnte so langsam schon die Grundschule seiner Schwester erkennen.

„Wir sind gleich da, Taka. Ich hole dich heute Nachmittag wieder ab.“, sagte er sanft, strich mit dem Daumen über den kleinen Handrücken.

„Ich hab keine Lust mehr in die Schule zu gehen, Akira.“, wisperte sie und blickte zu ihrem Bruder auf.

„Die anderen Kinder ziehen mich immer auf, weil ich keine hübschen Sachen anhabe.“

Kleine Tränchen bildeten sich in ihren Augen.

„Kann ich mich nicht unter deine Schulbank hocken und warten, bis dein Unterricht vorbei ist?“, fragte sie und sah ihren Bruder bettelnd an.

„Aber das geht doch nicht. Willst du etwa, dass die anderen sagen, dass du dumm bist? Und du bleibst dumm, wenn du nicht in die Schule gehst!“, erklärte der Schwarzhaarige; erntete ein Seufzen seiner Schwester.

Stillschweigend liefen sie einige Meter nebeneinander her, bis Taka erneut zu ihm aufblickte.

„Du, Onii-chan, ich habe Durst…“, maulte sie und zog ihren Bruder an der Hand.

„Lass uns noch schnell in einen Supermarkt gehen, bitte…“, drängte sie ihn.

„Da vorne ist ein Laden!“

„Aber wir haben keine Zeit, Taka!!! Du bist schon gestern zu spät gekommen.“

Doch alles Widersprechen half nicht, die Kleine entwickelte Bärenkräfte und zog ihren Bruder in das Geschäft. Die Türglocke schellte einmal, als die Kleine über die Schwelle trat; doch bei Akira blieb das Klingeln aus und wurde durch einen ohrenbetäubenden Schrei, der durch die Lautsprecher hallte ersetzt.

Die Geschwister fuhren vor Schreck zusammen; das Herz des Jungen pochte ihm bis zum Hals und seine kleine Schwester hatte sich panisch an seinem rechten Bein festgekrallt und ihre kleinen, spitzen Fingernägel tief durch den dünnen Stoff seiner Anzugshose in das zarte Fleisch gegraben.

Doch Akira vergaß den süßen Schmerz, als plötzlich eine Wagenladung Konfetti auf die beiden bombardiert wurde und ein überdrehter Ladenbesitzer, sowie einige schrill gekleidete Leute mit riesigen Partybrillen auf sie zu gerannt kamen.

Die „Partygesellschaft“ umrundete Taka und Akira; lautes Gemurmel machte sich breit und wieder bohrten sich Takas spitze Fingernägel in Akiras Bein, der nun doch versuchte, die kleine Hand von sich zu lösen.

„Ich hab Angst…“, wisperte die Kleine und blickte einmal wie ein erstarrtes Kaninchen mit apathisch-panischem Blick durch die Runde. Diese Gesichter wirkten wie Fratzen von Clowns auf sie, die sie so sehr hasste…

„Du bist der 100 Millionste Besucher!!!“, schrie der Ladenbesitzer begeistert und schwang einen überdimensionalen Fächer.

„Herzlichen Glückwunsch, Junge!“, hing er noch dran und nahm ganz nach westlicher Sitte Akiras Hand, um sie kräftig zu schütteln. Verstört sah Taka den Besitzer an, dann trat sie ihn gegen das Schienbein und packte ihren Bruder an der Hand.

„Schnell, lass uns hier verschwinden, bitte!“, weinte sie und versuchte Akira hinter sich her zu ziehen, doch dieser machte sich schwer.

„Warte, Taka, wir haben doch sicher etwas gewonnen…“, meinte er und drehte sich zu ihr um. Er lächelte.

„Aber ich habe Angst. Diese Leute sind so komisch! Bitte, Akira!“, jaulte sie. Tränen kullerten über ihr Gesicht. Akira zog sie dicht an sich und legte einen Arm um sie, strich ihr über den Kopf und drückte sie fest an seinen Körper.

„Schon gut, dir tut hier niemand etwas. Diese Leute sind nur verkleidet.“, meinte er.

„Na ja, und ein bisschen verrückt.“, lachte er und guckte die schrägen Vögel an, die nun ihre Brillen und Masken abnahmen und nun wieder wie typische Kassiererinnen und Kassierer aussahen.

„Oh, tut uns Leid. Wir wollten dich nicht erschrecken, meine Kleine.“, sagte der Besitzer des Ladens und verbeugte sich zig tausend Mal entschuldigend.

„Das war nicht unsere Absicht…“

Taka blinzelte den Mann an und sah dann zu ihrem Bruder.

„Aber so sieht der auch nicht viel besser aus.“, heulte sie und drückte ihr Gesicht verzweifelt gegen Akiras Bein. Dieser schrie kurz auf.

„Taka! Entschuldige dich!“, schimpfte Akira, zog das Mädchen von sich und drückte seine Schwester in eine Verbeugung.

„Es tut ihr außerordentlich Leid…“, meinte der Junge und verbeugte sich tief. Nicht, dass er seinen Preis jetzt nicht mehr kriegen würde…

„Schon in Ordnung.“, meinte der Mann und seufzte, überreichte Akira dann feierlich einen Briefumschlag.

„Das ist der Preis. Ein Inlandflug nach Tokio.“, meinte er lächelnd.

Völlig baff nahm Akira den Umschlag entgegen und öffnete ihn. Darin war wirklich ein Flugticket.

„Danke…“, wisperte er, nahm Taka wieder an die Hand und zog sie aus dem Geschäft.

„Hey, warte, wolltet ihr nicht etwas kaufen? Junger Mann, bitte!“, rief ihm der Besitzer des Ladens verzweifelt nach, doch Akira konnte seine Augen gar nicht mehr von seinem Gewinn lösen…

Sollten sie es wirklich wagen und nach Tokio abhauen? Akira rang einige Momente mit sich selbst, doch die Vorteile überwogen. Endlich hatten sie eine Chance, von hier wegzukommen…
 

„Was ist denn los, Taka! Wir können nach Tokio! Freust du dich gar nicht darüber?“, fragte der Teenager seine Schwester, da sie die letzten zwanzig Minuten nicht mehr mit ihm gesprochen hatte.

Die beiden hatten beschlossen, die Schule ausfallen zu lassen und sich ans Wasser zu setzen.

„Ja, sehr toll…“, maulte der wandelnde Meter. Sie schob schmollend ihre Unterlippe hervor.

„Falls du es noch nicht gemerkt hast, das ist nur ein Ticket! Wir sind aber zwei!“, keifte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ach Taka-chan, glaubst du etwa, davon lassen wir uns aufhalten?“, meinte er grinsend.

„Wofür bist du so klein. Ich nehme dich eben einfach als Handgepäck mit.“, sagte er grinsend und zwinkerte ihr zu.

„Ich muss in deinem Rucksack reisen?“, fragte das Mädchen ungläubig und blickte ihn mit ihren Bruder wehleidig an.

„Komm schon, Taka. Was sind denn die paar Stunden im Rucksack schon, wenn wir dafür endlich hier weg kommen. Möchtest du nicht auch endlich ein besseres Leben? Hast du es nicht auch satt, immer wieder geschlagen zu werden? Wir müssen und damit abfinden, dass wir keine Eltern mehr haben. Dieser Mann ist nicht unser Vater, Taka. Wir brauchen ihn nicht und er braucht uns nicht, also tun wir ihm noch einen Gefallen, wenn wir endlich verschwinden, meinst du nicht auch?“

Das kleine Mädchen blickte ihren Bruder noch leicht überlegend an.

„Wirklich? Und das geht so einfach?“, fragte sie schließlich.

„Wir haben doch gar keine Wohnung da. Und Geld haben wir auch keins.“

„Ich hab etwas gespart, damit kommen wir eine Weile über die Runden und dann werde ich eben arbeiten gehen. Ich hab dir doch versprochen, dass ich uns hier raushole…“

Er wuschelte ihr durch die Haare, stand auf und blickte begeistert gen Himmel.

„Wir kommen schon alleine klar.“, rief er laut, nahm dann die kleinen Hände seiner Schwester und wirbelte sie herum. Sie schrie und quiekte vergnügt. Akira lächelte. Er liebte es, wenn Taka lachte, denn für ein Kind ihres Alters kam sie viel zu selten dazu.

Aber das würde sich bald ändern.

Sanft stellte er sie auf ihre eigenen Beine zurück, nahm sie an die Hand und lächelte sie an.

„Komm, Taka-chan. Es wird Zeit.“
 

Akira hatte die nötigsten Sachen und eine Menge Bargeld, was er in seinem Kopfkissenbezug gesammelt hatte in einen Koffer gepackt, den er nun hinter sich herzog.

Als sie am Nachmittag in die Wohnung zurückgekehrt waren, lag Akiras und Takas Stiefvater wie immer im Wohnzimmer und schlief seinen Rausch aus. Das kannten die beiden schon zur Genüge. Wenigstens schafften sie es so, leise ihre Sachen zu packen, ohne ihn dabei zu wecken.

Akira nahm Taka fest an die Hand, damit sie nicht verloren ging und lief mit ihr eilig die Straße hinab.

„Warum ist der Rucksack denn so leer, Onii-chan?“, fragte die Kleine und hielt ihr Stoffpüppchen fest im Arm. Akira hatte ihr nur erlaubt, ein einziges Spielzeug mitzunehmen.

„Kommen wir wirklich nicht wieder her? Mikan wird ihre Freunde sicher vermissen…“, sagte sie etwas geknickt und presste ihr Gesicht an den weichen Puppenkopf.

„Mikan wird neue Freunde finden, genau wie Taka.“

Er strich über den Kopf und setzte schließlich ein breites Grinsen auf, als er daran dachte, wie er seine kleine Schwester vor dem Flug in den Rucksack stopfen würde.

Besser war aber, er sagte ihr jetzt noch nichts davon…

Es begann langsam zu dämmern und die Straßenlaternen wurden eingeschaltet. Kurz bevor sie die Treppen zur U-Bahn Station hinab stiegen, blickten sie noch ein letztes Mal auf das Gebäude zurück, in dem sie so viele Jahre gelebt und gelitten hatten.

Das hatte nun ein Ende. Sie würden ein neues Leben anfangen.

Ein besseres Leben…

Schweigend saßen sie in der U-Bahn nebeneinander und blickten stur aus dem gegenüber liegenden Fenster. Sie sprachen nicht, beide hingen ihren Erinnerungen nach. Erinnerungen an bessere Zeiten; als ihre Mutter noch am Leben war.

Erinnerungen, die immer Erinnerungen bleiben würden.

Sie waren nun mal allein, damit mussten sie sich abfinden.

Akira spürte, dass Taka sich gegen ihn lehnte und blickte sie an. Sie war eingeschlafen.

Ein sanftes Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er strich einige verirrte Haarsträhnen aus dem süßen Gesicht.

„Schlaf ruhig, Taka…“, wisperte er. Schließlich dauerte es noch eine Weile, bis sie den Flughafen erreichen würden…
 

Staunend beobachtete Taka, wie ein Flugzeug abhob und sah dem großen metallenen Vogel hinterher, als dieser die Startbahn entlang rollte. Sie bekam riesige, leuchtende Augen, als sich das Monstrum in die Lüfte erhob und für die Passagiere eine lange Reise zu einem fernen Ziel begann.

„Und in so einem Flugzeug fliegen wir gleich auch?“, fragte sie freudig und konnte kaum noch ruhig auf der Bank sitzen bleiben, die sie sich zum Warten ausgesucht hatten.

„Ja, ich muss aber vorher noch fragen, wann wir fliegen dürfen. Es hieß zwar bei dem Ticket, dass wir es einlösen können, wann immer wir wollen, aber… Na ja, ich kümmere mich einfach mal darum.“, sagte Akira und stellte fest, dass seine Schwester ihm nicht das kleinste Bisschen Aufmerksamkeit schenkte.

„Geh du am besten da drüben etwas spielen, aber lauf’ ja nicht weg, verstanden? Sonst lass ich dich nämlich per Lautsprecher ausrufen und verrate, welche Farbe dein Schlüpfer hat! Taka mit dem rosa Schlüpfer!“

Innerlich lachend sah er, wie das kleine Mädchen rot wie eine Tomate wurde.

„Was? Das wagst du nicht, Akira!“, schimpfte sie und begann grob auf ihn einzuschlagen. Akira lachte und hielt die Hände fest, hob das Mädchen einfach hoch und streckte ihr die Zunge raus.

„Und ob. Aber ich sagte ja auch nur, wenn du nicht brav dort bleibst!“

Er stellte sie wieder auf ihre eigenen Füße und hockte sich vor sie.

„Ich kann mich doch auf dich verlassen, Taka-chan. Du willst doch nicht, dass ich enttäuscht von dir bin, oder?“

„Nein, das will ich nicht.“

„Gut.“

Er nahm die Kleine an die Hand und führte sie zu besagter Spielgruppe, setzte sie dort vor den Fernseher und hoffte auf die magische Anziehungskraft der Mattscheibe.

Danach begab sich der Schwarzhaarige zum Check-in Schalter, ließ seinen Koffer etikettieren und blickte ihm noch auf dem Laufband nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte. Mit einer leichten Verbeugung überreichte die Dame hinter dem Schalter Akira seine Eintrittskarte in die Freiheit, die er dankend entgegen nahm und gut festhielt.

„Du musst zum Ausgang C12, Gate 8; das ist gleich dort hinten rechts. Warte bitte solange dort, bis deine Flugnummer aufgerufen wird. Nippon Airlines wünscht einen angenehmen Flug!“
 

Akira schlenderte freudig durch die Halle, um sich einen groben Überblick zu verschaffen, wo genau er gleich hinmusste und holte Taka von der Spielgruppe ab, die vom dort laufenden Kinderprogramm jedoch nur sehr schwer zu lösen war. Erst nach einigen Krokodilstränen, Eiscreme-Versprechen und endlosen Versuchen, sie mit Süßkram zu bestechen, gelangte es dem verzweifelten Akira, seine Schwester in Richtung Flugzeug zu bewegen. Bei der Sicherheitskontrolle bemerkte man sie kaum, niemand fragte nach Takas Flugticket. Die beiden wurden lediglich abgescannt und auf der Toilette musste das Mädchen sich schließlich in den Rucksack zwängen.

„Uff!“

Akira ächzte auf, es machte ihm einige Schwierigkeiten, den nun rund 20 Kilo schwereren Rucksack auf seinem zierlichen Rücken zu tragen. Er beugte sich stark nach vorn und kroch den Gang entlang.

„Bist du vielleicht schwer! Warum bist du so schwer? Du bist doch erst 7 Jahre alt!“, maulte er und versuchte vergeblich, das Schwabbeln seiner Beine zu unterdrücken.

„Das kann ja wohl nicht wahr sein, stich mir nicht in den Rücken!!! Du hast so spitze Knie, lass das! Bleib ruhig sitzen, wackle gefälligst nicht so, du kleines Monster.“, zischte er nach hinten und lächelte schließlich ein junges Pärchen an, das vor kurzem noch knutschender Weise auf einer kleinen Sitzbank gelungert hatte, ihn aber nun entgeistert anguckte.

Toll, sicher dachten die beiden jetzt, Akira hätte einen an der Klatsche. Der Junge und seufzte, doch als er auf einmal lautes Geschrei hörte, blickte er verwundert auf.

Etwa 50 Meter von ihm entfernt hatte ein richtiger Tumult angefangen und zudem brach ein wahres Blitzlichtgewitter aus.

„Was ist denn jetzt los?“, fragte Akira verwirrt und betrachtete die Menschentraube; sah schließlich, wie das Sicherheitspersonal einschritt und einige Leute mehr oder weniger zimperlich von dem Menschenhaufen wegbeförderte.

Allerdings konnte keiner der Umstehenden seine Frage beantworten.

Er wunderte sich noch ein wenig über die Paparazzi, dann hörte er, wie sein Flug aufgerufen wurde. Er trottete in Richtung Ausgang C12, suchte dann das richtige Gate und betrat das Flugzeug. Schnaufend suchte er seinen Platz und stellte den Rucksack zwischen seine Füße. Ein wenig Leid tat ihm Taka ja schon…

Er hoffte, dass sie nicht erstricken würde, denn allem Anschein nach verzögerte sich der Start des Fluges um einige Minuten. Er beobachtete, wie die Stewardessen die Gäste andauernd durchzählten, sich ratlos anblickten und schließlich geradewegs auf ihn zukamen.

„Zeigst du uns mal bitte dein Ticket?“, fragten sie. Verwirrt gab Akira es den Damen, beobachtete, wie eine der Frauen ihre Stirn in tiefe Falten legte.

„Hm, also irgendetwas ist hier falsch. Du gehst am besten in die erste Klasse vor, wir haben hier sonst ein Platzproblem.

„In die Erste Klasse?“, fragte er schon fast verstört.

Womit hatte er das denn verdient? War hier irgendwo eine versteckte Kamera?

Rasch hievte er den Rucksack vor, sattelte ihn sich irgendwie auf und schleppte ihn, immer der netten Dame in ihrem adretten Kostüm folgend, in den vorderen Teil des Flugzeuges.
 

„Wahnsinn! Das alles muss doch wirklich ein Vermögen gekostet haben…“

Mit leuchtenden Augen sah der Junge sich um, staunte über den Teppich, der den Boden bedeckte und über die in die Sitze integrierten Monitore.

Man erklärte ihm, dass es hier sogar Internetzugang gab, für den man allerdings eine kleine Gebühr entrichten musste. Außerdem konnte man sich aussuchen, welchen Film man zu welcher Zeit sehen wollte. Die Stewardess führte ihn zu einer Sitzreihe mit drei Plätzen, allerdings war nur der Fensterplatz belegt. Akira sah sich um. Es war erstaunlich leer, aber so konnte er Taka wenigstens festschnallen, solange niemand mehr kam, der den Platz neben ihm haben wollte.

Er hievte den Rucksack auf den äußersten Platz und legte den Gurt darum.

„Willst du den nicht auf das Ablagefach tun?“

Der Junge blickte zu dem Fenstersitz und erkannte einen Jungen, der ein wenig älter als er selbst zu sein schien. Er starrte ihn einen Moment irritiert an, denn er kam ihm bekannt vor, doch schon bald ermahnte er sich selbst und erkannte, dass er ihm noch gar nicht geantwortet hatte.

„Ich, äh… Nein. Das geht nicht. Da ist etwas ganz Zerbrechliches drin.“, sagte er.

„Ich hab Angst, dass es kaputt geht, wenn ich es in das Fach quetsche.“

„Oh, das scheint aber echt wertvoll und ganz schön schwer zu sein. Ist es eine chinesische Vase?“

„Schwer ist es wirklich.“, meinte Akira schief lächelnd und schielte zu seinem Rucksack.

„Äh, ja, eine Vase.“, log Akira rasch und setzte sich hin, um sich ebenso anzuschnallen. Er zog den Gurt fest und lehnte sich zurück, fummelte dann am Reißverschluss des Rucksackes herum und ließ ihn letztendlich einen Spalt offen, was er aber bereute, als Taka versuchte, einen Blick ins Flugzeug zu werfen. Sofort hielt er seine Hand vor die Öffnung und ließ sie dann darin verschwinden. Seine Schwester hielt seinen Arm allerdings fest, also schlug er einmal kurz gegen die Tasche und erntete ein Aufquieken.

„Die Vase hört wohl nicht auf dich?“, fragte der Junge amüsiert. Akira wurde rot.

„Na ja, ich frag nicht weiter nach, Kleiner.“, meinte Akiras Sitznachbar grinsend. Der Kleine würde schon seine Gründe haben. Freudig sah sich der junge Mann aus dem Fenster, doch das wurde ihm schnell zu langweilig. Schließlich entdeckte er die ganzen kleinen Knöpfe an den Sitzen, den Armstützen und an der Seite. Sofort spielten zehn außerordentlich zarte, aber lange Finger an den einzelnen Schaltern und Hebeln herum. Akira betrachtete die Hände kurz, dann überwog bei ihm die Neugier ebenso und seine Finger gesellten sich zu den anderen, schalteten das Gebläse ein und ernteten böse Blicke ihrer Sitznachbarn. Die Jungen lächelten sich an und der Ältere der beiden schaffte es schließlich, alles wieder in Ordnung zu bringen und das Licht einzuschalten.

Akira ließ seinen Blick unbemerkt über den jungen Mann schweifen.

Er hatte eine außerordentlich gute Figur, war schlank, aber nicht so zierlich wie Akira selbst. Da beide saßen, konnte der Junge nicht beurteilen, wie groß er eigentlich war, aber der Junge vermutete ihn ein Stück größer als sich selbst.

Das Haar seines Sitznachbarn war ziemlich frech geschnitten und dunkelrot gefärbt. Lange Strähnchen hingen ihm fransig ins Gesicht und umschmeichelten es, die dunkle Hose und das dunkelrote Hemd, bei dem die ersten beiden Knöpfe geöffnet waren und einen Blick auf die blasse Haut freigaben, standen ihm vorzüglich und ließen ihn edel erscheinen. Der Junge hatte eine hübsch geformte Nase und die halb geschlossenen Augen, die sich auf die Knöpfe zu seiner linken richteten, wurden von langen, dunklen Wimpern bedeckt. Akiras Herz klopfte etwas schneller, als er diese hübsche Gestalt beobachtete und erschrak, als ihn diese intensiven, dunkelbraunen Augen ihn plötzlich ansahen.

„Ist irgendwas, Kleiner?“, fragte der junge Mann lächelnd. Akira brauchte einen Moment, bis er den Kopf schütteln konnte.

„Nein, alles in Ordnung. Ich wollte nur einen Blick aus dem Fenster werfen.“, redete er sich raus und senkte dann den Blick auf seine linke Hand, die nun ruhig auf der Armlehne lag und sich daran festkrallte.

Das Kribbeln in seinem Magen und sein schneller schlagendes Herz verwirrten ihn. Perplex richtete er den Blick auf den kleinen Monitor, der allerdings noch schwarz war und versuchte, sich logisch zu erklären, warum ihn auf einmal diese seltsamen Gefühle übermannten.

In Gedanken schüttelte er mit dem Kopf. Das machte ja fast den Anschein, als sei er schwul, denn wenn er an den gut aussehenden Jungen neben sich dachte oder doch heimlich, still und leise zu ihm hinüber linste und das zarte Profil betrachtete, verstärkte sich das Kribbeln und sein Herz raste, als würde es versuchen wollen, aus seinem Oberkörper auszubrechen…

Seine Gedanken, in denen er sich selbst ohrfeigte, weil er sich schon wieder erwischt hatte, den Jungen neben sich anzusehen, verflogen allerdings, als er mitbekam, wie eine Stewardess aus der Zweiten Klasse schnellte, über ihre eigenen Beine fiel und mitten auf dem Gang eine Bruchlandung hinlegte. Sie stieß einen kläglichen Laut aus und versuchte sich aufzurichten. Akira drehte sich besorgt zu ihr um, löste seinen Gurt und sprang auf, um der Dame zu helfen. Doch da sie etwas korpulenter gebaut war und die anderen Passagiere der Ersten Klasse sich nicht bequemten, ihre dicken Hintern aus den gemütlichen Luxussesseln zu wuchten, scheiterte der Versuch, die Flugbegleiterin wieder auf ihre kurzen Beine zu ziehen, kläglich.

Akira spürte ein Ziehen in seiner Magengegend und bemerkte, dass sich Schmerzen in seinem Körper ausbreiteten. Das lag sicher an dem Tritt, den er am Morgen hatte einstecken müssen. Tapfer biss er die Zähne zusammen und versuchte die Frau noch einmal aufzurichten.

„Kommen sie, machen sie doch mal ein bisschen mit…“; presste er hervor, dann streiften seine Haut starke Arme, zwei warme Hände legten sich auf seine eigenen und halfen ihm nun, die Dame wieder auf ihre eigenen Füße zu stellen.

Akiras Herz raste wieder, als er den gut aussehenden Jungen so dicht an sich spürte. Die Haut, wo der Unbekannte ihn berührt hatte, kribbelte leicht und er errötete unmerklich.

Was war denn nur mit ihm los?

Er verstand sich selbst nicht mehr.

Vertrottelt stand er da, bekam die Lobpreisungen der Stewardess kaum mit blickte nun leicht abwesend auf den Schnurrbart eines alten Mannes, der beim Schlafen verdächtig wackelte; besann sich aber, als die warmen Hände des jungen Mannes mit den dunkelroten Haaren ihn erneut berührten, seine Schultern sanft umschlossen und ihn wieder in die Sitzreihe schoben.

„Setz dich lieber hin, wenn du nicht bis in die Kaninchenställe da hinten kullern möchtest, Kleiner.“, sagte der Fremde melodisch und schnallte Akira an, wuschelte ihm durch die Haare und drängte sich an seinen Fensterplatz zurück.

Der 16jährige versuchte, seine Schamesröte zu verbergen, aber das war einfacher gesagt als getan. Mit zittrigen Fingern fummelte er aus einem kleinen Fach eine Schlafmaske, betrachtete das Objekt erst einmal argwöhnisch, doch setzte es schließlich auf.

„Willst du jetzt wirklich schlafen? Das Flugzeug fliegt allerhöchstens zwanzig Minuten. Das lohnt sich doch gar nicht…“, meinte er und zog Akira die Maske wieder hoch.

„Oh, du bist ja ganz rot, hast du etwa Fieber?“

Sofort schnellte der Kopf des Unbekannten zu dem Akiras und er presste seine Stirn an die des verwirrten Schwarzhaarigen. Mit Genugtuung stellte er fest, dass der hilfsbereite Junge kein Fieber hatte. Die Röte musste wohl an etwas anderem liegen…

Akira nahm nun einen leichten Tomatentouch an und drückte seinen Rücken so weit in den Sitz, wie es nur möglich war. Musste der andere ihm so dicht auf die Pelle rücken und dabei auch noch so verführerisch aussehen?

Gott sei Dank begann in diesem Moment die Sicherheitshinweise der Stewardessen, dann lief ein Film ab und der merkwürdige junge Mann war auf einmal in völliger Konzentration, überprüfte genau, ob auch alles in Ordnung war, es eine Schwimmweste gab und die Sauerstoffvorsichtungen funktionierte.

Als noch der Pilot seine Durchsage beendet hatte und das Flugzeug losrollte, krallten sich die schlanken, langen Finger in die Sitzlehnen, der Blick war starr geradeaus gerichtet und Akira konnte geradezu sehen, wie ihm der kalte Schweiß die Stirn hinabperlte.

Besorgt blickte er den jungen Mann an. Ob er wohl Flugangst hatte? Vorsichtig legte er seine Hand auf die des anderen.

„Schon gut. Der Flug geht ja nicht lange.“, versuchte er ihn zu beruhigen, spürte dann aber, wie der Fremde seine Hand panisch drückte, die ganze Zeit über den Sitz vor sich fixierte und als das ‚Bitte Anschnallen’ Lämpchen nicht mehr leuchtete, sofort den Gurt löste, aufsprang, sich an Akira vorbeiquetschte und nach hinten zu den Toiletten rannte.

Verdutzt blickte der Junge hinter dem anderen her. Ob er mal nach ihm sehen sollte?

Er wartete ein paar Minuten und als er immer noch nicht zurück war, entschied er sich dazu, eine Stewardess zu rufen, doch sämtliche waren damit beschäftigt, sich um einen stinkreichen, fetten alten Mann zu kümmern, der gerade nicht in der Lage war, sein Luxusessen im Magen zu behalten.

Akira seufzte und stand nun selbst auf, um nach dem Rothaarigen zu sehen.

Er flüsterte seinem Rucksack zu, dass er gleich wieder da sei und machte sich auf den Weg nach hinten, klopfte an eine Toilettentür, doch hörte nur eine Frau schreien, also konnte der junge Mann da schon mal nicht drin sein. Akira versuchte es todesmutig bei der nächsten Kabine, wollte dagegen klopfen, doch die Tür ging einfach auf, als er sie sachte berührte und stieß gegen den Hintern des jungen Mannes, der nun wie ein Häufchen Elend über der Kloschüssel hing und seine sämtlichen Mahlzeiten des Tages wieder hinaufbeförderte.

„Hey, alles okay mit dir? Soll ich die Stewardessen rufen und fragen, ob sie dir nicht was geben können?“, fragte Akira vorsichtig, bekam allerdings nur Würgelaute als Antwort.

„Äh, gut, ich frag einfach mal nach einer Reisetablette…“

Akira wollte sich gerade umdrehen und die kleine Toilettenkabine verlassen, als die Tür plötzlich zuschnappte. Er versuchte sie zu öffnen, aber aus irgendeinem Grund klemmte sie. Verwirrt versuchte er sie zu öffnen und bekam so langsam aber sicher selbst Panik. Hastig drückten sich seine Hände gegen die weiße Tür, das Licht blendete und ihm stand nun selbst der Schweiß auf der Stirn. Er drehte sich um, stieß den anderen dann an, sodass dieser fast mit den Haaren im Toilettenwasser gelandet wäre.

Der hob nun rasch den Kopf aus der Porzellanschüssel und drehte sich rasch um, seine Gesichtsfarbe wechselte von algengrün zu bleich und sah nun, dass die vorher so unnatürlich rote Hautfarbe des Jungen mit der ungezogenen Vase im Rucksack in schneeweiß wechselte und irgendwie seinen Appetit anregte, denn er musste bei dem sanften weiß unwillkürlich an Marshmallows denken, von denen er, während seiner Wartezeit vor dem Flug, erst eine Tüte vertilgt hatte.

„Hey, Marshmallow.“, sagte er heiser.

Der Angesprochene sah ihm panisch ins Gesicht. Akira hatte nicht mal seinen neuen Spitznamen mitbekommen.

„Wolltest du mir nicht helfen? Du siehst gerade eher aus, als könntest du Hilfe gebrauchen…“, meinte er grinsend. Jetzt, wo alles raus wieder war, ging es ihm gleich viel besser.

Akiras Mund klappte auf, sein Brustkorb hob und senkte sich hektisch.

„Die… die Tür ist zu… Platzangst… Ich will hier raus…“, jappste der eindeutig Kleinere der beiden und sah sich verängstigt in dem sehr engen, kleinen Raum um.

Der Ältere schaltete sofort und versuchte ihn zu beruhigen, strich ihm über den Kopf und versuchte nun selbst, die Tür aufzukriegen, doch das Flugzeug durchflog einige Unruhen, wodurch die beiden in einer ziemlich ungünstigen Position genau zwischen Toilette und Waschbecken eingeklemmt wurden.

Akira begann zu weinen und der junge Mann versuchte mit größter Kraft, den Jungen nicht zu zerdrücken, da er genau über ihm gelandet war.

Irgendwie schaffte der Rothaarige es, sich aus dem Zwischenraum zu befreien und den Kleinen zu sich zu ziehen. Er nahm ihn in die Arme, spürte, wie der andere sich an ihm festklammerte.

„Ich will hier raus, ich will hier raus!“, jammerte er panisch und krallte sich an der teuren Seidenbluse des ihm unbekannten jungen Mannes fest. Erneut ruckelte das Flugzeug, beide wurden wieder durchgerüttelt und nun war es an dem Rothaarigen zu schreien.

„Wir stürzen ab, wir werden alle sterben!!!“, schrie er panisch, dann begannen beide, sich gegenseitig in der Lautstärke ihrer Schreie zu übertrumpfen, bis die Tür aufging und eine Stewardess in der Tür stand und sie skeptisch betrachtete.

„Bitte setzen sie sich wieder auf ihre Plätze und schnallen sie sich an. Wir durchfliegen gleich noch einige Unruhen.“, sagte sie und tat so, als hätte sie gar nicht mitbekommen, dass die beiden Jungen sich in den Armen lagen.

Sie führte sie höflich zu ihren Plätzen zurück, gab dem Älteren etwas gegen seine Reisekrankheit und schnallte Akira fest, der noch immer völlig verängstigt war und sich in apathisch an seinem Sitz festklammerte.

Nach einigen Minuten waren die Unruhen überstanden.

Akira atmete auf.

„Na, besser?“, fragte der Rothaarige und lächelte den Jungen sanft an.

Akira drehte ihm sein Gesicht zu und nickte.

„Ja. Hier geht es wieder.“

Er wurde leicht rot ums Näschen und blickte den anderen nun fragend an.

„Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt.“, stellte er erstaunt fest und verbeugte sich hektisch.

„Mein Name ist Nakayama. Akira Nakayama.“, sagte er lächelnd. Er hatte die Augen dabei geschlossen und als er sie öffnete und in das andere Gesicht blickte, wusste er nicht so recht, was er vom Ausdruck des anderen halten sollte, denn der junge Mann sah ihn äußerst verwirrt an.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Akira nach ein paar Sekunden. Hatte er etwas falsch gemacht?

Der Rothaarige schüttelte den Kopf. Er hatte sich endlich wieder gefangen und sein breites Lächeln wieder gefunden.

„Alles in bester Ordnung, mein Kleiner. Es freut mich außerordentlich, dich kennen zu lernen, du niedliches, kleines Marshmallow, du!“, meinte er grinsend wie ein Honigkuchenpferd und stupste die Nase des Jungen an.

Und wieder blieb Akira nichts anderes übrig, als verwirrt zu sein.

Marshmallow? Also hatte er sich vorhin doch nicht verhört…

„Marshmallow? Was…“

„Ach, du bist auf dem Klo genauso weiß geworden, wie so ein Zuckerteil!“, sagte der junge Mann mit seinem Dauerlächeln und wuschelte durch das pechschwarze Haar des Jungen.

Meine Güte, hatte der vielleicht eine gute Laune. Das ist ja grauenhaft, dachte sich Akira und versuchte sich der Hand zu entziehen, die seine mühsam gerichtete Frisur gerade zerstörte. Er drückte die Hand weg und blickte aus den Augenwinkeln zu seinem Rucksack, legte einen Arm darauf, doch bemerkte schnell, dass das Trageobjekt erstaunlich widerstandslos war.

Seine Augen weiteten sich, sofort riss er den Reißverschluss auf und musste feststellen, dass Taka verschwunden war.

Er schnallte sich ab, sprang wie von der Tarantel gestochen auf und blickte sich suchend im gesamten Flugzeugraum der ersten Klasse um.

Wo war sie nur? Ob sie weinte? Ob sie Angst hatte!? Warum war sie nicht im Rucksack geblieben? Hoffentlich hatte sie niemand entdeckt; nicht auszudenken, wenn er an die Konsequenzen dachte.

„Taka? Taka-chan, wo bist du? Taka!“, rief er, erneut lag Panik in seiner Stimme. Wenn seiner Schwester etwas passieren würde, er könnte es sich niemals verzeihen.

„Taka! TAKA!“

„Du gibst deiner Vase sogar einen Namen? Ungewöhnlich, aber ich bin entzückt!“, kam es von dem Jungen, dem es nun wieder richtig gut zu gehen schien.

„Toll. Die Tabletten sind wirklich klasse. Warum hab ich mir nur noch nie so etwas geben lassen.“, fragte er mehr sich selbst, stand dann aber auf.

„Soll ich dir suchen helfen? Soweit kann die Vase ja mit den kurzen Stummelbeinchen nicht sein. Ich würde sagen, sie ist nach vorn gelaufen.“, meinte er und schnappte sich Akiras Arm, um ihn am Handgelenk in Richtung Cockpit zu ziehen.

„Hey, warte, ich kann doch nicht so einfach…“, begann der Junge noch, stand dann aber schon in dem Teil des Flugzeugs, den er höchstens einmal im Fernsehen gesehen hat. Nie hätte er sich zu träumen gewagt, dass er ein echtes Cockpit aus der Nähe begutachten dürfte. Neugierig sah er sich um und entdeckte schließlich ein freches kleines Mädchen, das sich aufgeregt mit dem Copiloten unterhielt, der ihr einige Knöpfe zeigte.

Die Kleine drehte sich um.

„Ah, Onii-chan! Hallo!“, rief sie, machte einen Schritt und klebte vergnügt an den Beinen ihres Bruders, blickte dann zu ihm auf.

„Spinnst du? Wie kannst du so einfach abhauen! Weißt du, was ich für einen Schrecken bekommen habe?“, keifte der Junge, doch die Kleine hörte ihm gar nicht zu, sondern fragte schon wieder, wofür denn dieser Schalter oder jener Knopf war. Doch bald nahm eine Stewardess sie an der Hand und brachte sie wieder zu den Sitzen zurück.

„Wie es aussieht bist du ein blinder Passagier, hm, kleines Fräulein?“, fragte sie sanft und gab ihr ein paar Bonbons.

Akira wurde rot.

„Ich, es tut mir Leid.“, jappste er. Was sollte er denn jetzt sagen? Sie hatten doch gar kein Geld, um noch ein Flugticket zu bezahlen und eine Strafgebühr konnte er sich auch nicht leisten.

„Schon gut, sie gehören zu mir.“, sagte der junge Mann und zeigte der Stewardess seine strahlend weißen Beißerchen, zwinkerte ihr dann verführerisch zu und legte einen Arm um Akira.

„Ne, Kleiner?“

Dieser war mal wieder zu verwirrt, um irgendetwas zu sagen und spürte nur, wie der andere ihn zum Nicken brachte.

„Aber die Kleine braucht eine Bordkarte.“, sagte die Stewardess.

„Ach, hat Sarah sich nicht darum gekümmert, dieses Dummerchen! Sie bekommt auch gar nichts auf die Reihe, wenn ich sie kurzfristig um etwas bitte.“, meinte er und legte den Handrücken gegen seine Stirn, als er einen Laut machte, der sein Missgefallen ausdrücken sollte.

„Sie wird dafür sorgen, dass die Karte nachgereicht wird, das geht doch in Ordnung, oder?“

„Sicher, Kurokawa-sama.“, sagte die Flugbegleiterin und verneigte sich tief.

Akira konnte seinen Ohren nicht trauen. Hatte sie da wirklich Kurokawa gesagt? Rasch drehte er sein Gesicht und blickte den jungen Mann an.

„Kurokawa…?“, wisperte er.

„Du bist tatsächlich Takefumi Kurokawa?“

Der junge Mann grinste.

„Takefumi ist nur mein Künstlername. Du kannst ruhig Takuya zu mir sagen. So heiße ich nämlich wirklich.“

Taka beugte sich vor und krabbelte auf den Schoß ihres Bruders, um den fremden Jungen genauer zu betrachten.

„Du kennst ihn, Onii-chan?“, fragte sie und sah Akira mit riesigen Augen an.

„Wer ist das?“

Akira strich ihr über die Haare.

„Takefumi Kurokawa ist ein sehr berühmter Pianist und das, obwohl er gerade einmal 26 Jahre alt ist.“, erklärte Akira seiner Schwester ruhig.

„Er hat schon überall auf der ganzen Welt Konzerte gegeben: Beethoven, Mozart, Brahms, Tschaikowsky, Händel… Aber er hat auch eigene Kompositionen für Fernsehserien geschrieben und gespielt und teilweise auch für die Werbung. Er ist ein absoluter Virtuose.“, sagte Akira begeistert. Er war schon sehr lange ein großer Fan von Takefumi Kurokawa. Einmal hatte er ein Bild von ihm gesehen, aber da er nicht sehr oft fernsehen konnte oder Klatschzeitungen las, wusste er nicht so richtig, wie der Pianist aussah.

„Virtuwas?“

„Er spielt perfekt Klavier, deshalb ist er ja auch so bekannt.“

„Ohh, das ist toll!“

„Von ihm ist auch der Erdbeerpokky-Song. Den kennst du ja aus der Werbung.“

„Ohhhhh! Wirklich? Erdbeerpokkys: Lang und lecker, knusprig dünn und erdbeerstark, sind etwas für Leckerschmecker und fürs rote Knochenmark! Mit viel Folsäure, den Vitaminen A, E, C und Z, Betakarotin und Calcium.“, sang sie begeistert und wippte auf dem Schoß ihres Bruders hin und her.

„Hieß das wirklich Knochenmark?“

„Ja, das haben die da immer gesungen.“, sagte die Kleine lächelnd.

„Onii-chan, ich möchte Erdbeerpokkys.“

„Das geht jetzt nicht, Taka-chan. Später vielleicht.“

Ein Seufzen der Kleinen.

Takuya hatte das Gespräch der Geschwister lächelnd verfolgt, sich aber nicht eingemischt. Er mochte es, wie der Junge mit der Kleinen umging. Ihm wurde richtig warm ums Herz.

Als es jedoch um den Werbesong ging, meldete er sich wieder zu Wort.

„Der Text ist aber nicht von mir. Nicht, dass ihr das denkt.“, sagte er grinsend und lehnte sich zurück.

„Aber trotzdem, ich finde dich wirklich genial! Kann ich ein Autogramm haben? Achja, und vielen Dank für die Hilfe, wie können wir das nur wieder gut machen?“

Takuya winkte ab.

„Schon okay, du bist mir nichts schuldig.“, sagte er sanft und strich dem niedlichen Mädchen über die Haare, ließ dann ein par Strähnen des langen, seidigen Haares durch seine Finger rinnen.

„So einer süßen Dame muss man auch mal etwas spendieren, nicht wahr, Mäuschen?“ fragte er sie und lächelte ihr verführerisch zu.

Taka wurde rot und begann, im Eifer des Gefechts ihren Bruder zu würgen.

„Hehe, hast du gehört, Onii-chan. Ich bin eine Dame und süß! Das hat er gesagt! Der große Kurikowa Fumigana!“, sagte sie und schlug nun verlegen auf die Brust Akiras ein, der nun kaum noch Luft bekam.

„Kurokawa und für dich Takuya, Mäuschen.“, meinte der nur und nahm die kleinen Patschehändchen in seine großen, schlanken Hände.

„Wie alt bist du, kleines Fräulein?“, fragte er süßlich und blickte sie erwartungsvoll an.

„Ich bin schon 7 Jahre alt!“

„Wirklich? Ich hätte dich mindestens auf 8 geschätzt, du siehst so reif und erfahren aus…“, sagte er und machte große Augen. Taka lachte fröhlich. Ihr gefiel der große Junge.

„Wenn ich noch etwas wachse, dann heiratest du mich, okay?“, beschloss sie und gab Takuya einen Klaps auf die Schulter.

„Aber sicher, Liebes. Alles, was du willst.“, sagte der Pianist und strich der Kleinen über die Wange.

Akira hatte alle Mühe, seine Schwester auf den Nachbarsitz zu drücken, da sie bei ihrem „Verlobten“ sitzen wollte, aber als Takuya ihr ein paar Erdbeerpokkys anbot, war sie ruhig und knusperte die langen Stangen mit Erdbeerglasur ruhig auf ihren Sitz. Sie ließ sich sogar anschnallen, denn die Landung stand bald bevor.

Akira blickte Takuya an.

„Also, ich würde ihr so was lieber nicht versprechen.“, flüsterte er.

„Sie merkt sich so was nämlich.“

Takuya lächelte, allerdings anders als zuvor.

„Das soll sie ruhig. Wenn ich sie heirate, kann ich wenigstens auch in deiner Nähe sein.“, hauchte er ihm zu. Akira wurde schlagartig rot. Was war das denn auf einmal? Sein Herz raste und auch als der andere lachte und meinte, dass das doch nur ein Scherz gewesen sei, konnte der Junge sich kaum noch beruhigen. Äußerlich sah man zwar Erleichterung, aber in seinem Inneren tobte es noch immer.

Das Flugzeug landete, Takuya kramte alles, was er brauchte zusammen und verließ die große Maschine beinahe fluchtartig. Er war froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Der Pianist wartete auf sein Gepäck und sah dann, dass die beiden Kleinen aus dem Flugzeug ganz in seiner Nähe standen und ebenso nach ihren Koffern suchten. Als er seine Tasche gefunden hatte, fiel ihm ein großer Koffer mit Akiras Namen auf, er angelte ihn sich und zog ihn hinter sich her zu den beiden Kindern, die immer noch verzweifelt auf ihre Sachen warteten.

„Onii-chan, da ist der liebe Onkel aus dem Flugzeug!“, sagte Taka begeistert und zupfte ihren Bruder am Ärmel. Akira drehte sich um und sah, wie Takuya den großen Koffer hinter sich herzog.

„Ah, du hast ihn gefunden, danke sehr!“, brachte er glücklich hervor.

„So langsam kann ich das wirklich nicht mehr gut machen! Danke! Danke, tausend Dank!“

„Schon gut, Marshmallow. Achja, du wolltest ein Autogramm.“, meinte er, riss die Plakette von seiner Tasche ab, auf die er seinen Namen handschriftlich eingetragen hatte und gab sie Akira.

Der guckte nur wie blöd auf das Stück Papier. Etwas anders hatte er sich das ja schon vorgestellt, aber er bedankte sich auch hierfür höflich.

Gemeinsam gingen sie nun in Richtung Ausgang, mussten das Gepäck noch mal untersuchen lassen und wurden mit dem Metalldetektor bearbeitet, ehe sie die Flughafenhalle verlassen durften.

Takuya zückte sein Handy.

„Sarah? Ja, ich bin wieder da. Du kannst mich abholen kommen…“, sprach er rasch.

„Ja. Ja, ich weiß. Mach dir keine Gedanken. Ich bin etwas früher dran, du bist nicht zu spät! Nein, du musst dich nicht erschießen, hol mich einfach ab. Die paar Minuten Wartezeit halte ich auch noch aus.“, sagte er.

„Was? Das dauert eine knappe Stunde? Na ja, egal! Ich setz mich solange in ein Café! Ciao!“

Er legte auf und seufzte.

„Meine Managerin. Sarah Parker.“, meinte er lächelnd.

„Sie ist Amerikanerin und hat einen Faible für Japan, deshalb hat sie Japanologie studiert und ist irgendwann ausgewandert, um hier zu leben.“, sagte er zu Akira, der ihn mit Satellitenohrmuscheln belauschte. Er wollte jedes Wort aufnehmen, das er in freundschaftlicher Weise mit Takuya austauschte. Immerhin war dieser Mann ein international angesehener Star und es wunderte ihn, dass er nicht von einer Schar Bodyguards begleitet wurde.

Allerdings kannten die meisten Leute auch eher seinen Namen, als sein Gesicht. So war es bei ihm selbst ja auch gewesen. Er hätte niemals gedacht, dass Takuya noch so jung aussieht. Akira hätte ihn allerhöchstens auf 20 geschätzt. Und so eine flippige Persönlichkeit hätte er auch niemals erwartet…

„Na, ihr Süßen. Habt ihr gleich etwas vor oder wollt ihr noch mit mir in ein Café? Ich lad euch auch ein, keine Sorge!“, meinte er. Schließlich besaß er ja genug Geld.

Und etwas anderes flog ihm da auch noch durch die Gedanken. Er wollte Akira nicht aus den Augen lassen, denn je mehr er ihn sich betrachtete und sich seine Gedanken über ihn machte, umso deutlicher wurde es ihm bewusst, dass der Junge mehr mit ihm zu tun hatte, als dieser vielleicht glaubte.

Er musst ihn nur noch einige Dinge aus der Nase kitzeln…

„Au ja, bitte sag ja, Onii-chan!“

„Aber Taka, wir haben ihn doch wirklich schon genug belästigt.“

„Ich hab euch doch eingeladen. Wenn ihr mich belästigen würdet, hätte ich das doch nicht getan.“, sagte Takuya nun, packte Akiras Handgelenk, wie er es schon im Flugzeug getan hatte und zog ihn in Richtung Einkaufsstraße, um dort ein hübsches kleines Café zu finden, in dem man es eine Stunde aushalten konnte.
 

„Sei nicht so gierig, Taka!“, tadelte Akira seine Schwester, die sich nun schon die dritte Portion Vanilleeis mit heißen Waldhimbeeren bestellte.

„Ach, lass die Kleine doch. Sie sieht eh so ausgehungert aus. Du solltest übrigens auch mal etwas essen.“, sagte Takuya und leckte seinen Strohhalm ab, an dem noch lauter Milchschaum klebte.

„Ich möchte aber nichts, danke.“, wisperte Akira beschämt. Es reichte ja schon, dass Taka dem anderen die Haare vom Kopf fraß.

„Auch nichts zu trinken? Nicht, dass du mir noch verdurstest, Kleiner.“

„Genau, Akira, du wirst dann wieder ohnmächtig. Er hat nämlich eine Anämie! Und manchmal verliert er das Bewusstsein!“, erklärte das kleine Mädchen und hob ihren Arm, um sich noch ein Eis zu bestellen.

„So? Dann bringen sie ihm eine Flasche Wasser.“, sagte Takuya zur Kellnerin, als diese den Wunsch des Mädchens auf ihrem Zettel notierte.

„Ich möchte aber wirklich nichts.“, sagte Akira nur monoton. Was sollte er noch machen? Es war wirklich zum Verzweifeln!

„Du trinkst. Und du brauchst dich auch nicht zurückzuhalten. Verstanden, Kleiner?“

Takuya seufzte. Wie konnte man nur so stur sein? Dachte der Junge etwa, er fiel ihm zur Last?

Er rührte wieder in seinem Milchkaffee und betrachtete den niedlichen Schwarzhaarigen heimlich.

Bewundernd ließ er seine Augen über das süße Gesicht wandern. Diese langen schwarzen Wimpern, die helle reine Haut und dieses niedliche, hübsch geschwungene Näschen. Er war wirklich ziemlich feminin…

Und außerdem, sah er IHR ähnlich…

„Sag, Akira, wie alt bist du? 16?“

„He, gut geschätzt!“, schmatzte Taka hervor, die ihr neues Eis schon wieder fast vertilgt hatte.

„Er ist wirklich 16!“

„Taka…“

„Sei doch froh, Akira. Endlich hat mal jemand dein wirkliches Alter geschätzt! Sonst sagen immer alle, er sei jünger und manche glauben, dass er ein Mädchen ist. Aber mir ist das recht, so hab ich einen großen Bruder und eine Schwester in einem!“, lachte sie und leckte das Geschirr ab.

„TAKA!“

„Lass sie doch! Ich find die Kleine total süß!“, kicherte Takuya.

„Möchtest du noch etwas?“

Er bekam ein Kopfschütteln als Antwort.

„Gut…“

Er hob den Arm und winkte eine Kellnerin heran, um zu bezahlen.

„Die Wasserflasche nehmen wir mit.“, sagte er, als die Dame diese gleich mit abräumen wollte, denn Akira hatte nur einmal daran genippt.

Freundlich bedankte sich die Frau und deckte die leeren Teller ab, verschwand dann wieder in der Küche.

Die Drei standen auf und verließen das Café. Takuya ließ einen Blick über Akiras kleinen, schmalen Körper schweifen. Erstaunlich. Selbst die Figur stimmte. Und Name und Alter sowieso…

Für Takuya bestand kein Zweifel mehr: Akira war sein Bruder!

Er lächelte sanft.

Der Rothaarige hätte niemals gedacht, dass er ihm noch einmal begegnen würde und vor allem nicht unter solchen Umständen…

Das war wirklich ein glücklicher Zufall.
 

Doch allem Anschein schien Akira ihn nicht zu kennen, obwohl ‚kennen’ falsch ausgedrückt war. Er wusste wohl nicht, dass Takuya mit ihm verwandt war. Also hatte seine Mutter ihm nie etwas erzählt. Er selbst hatte seinen Bruder damals schließlich auf nur jedes Wochenende gesehen und da war der Kleine noch ein Baby. Kein Wunder, dass Akira sich nicht erinnern konnte.

Und dann war da ja noch dieses kleine Mädchen. Sie verheilt sich auch eindeutig wie Akiras und seine Mutter, hatte gewisse Gesichtszüge und die Augenpartie von ihr. Es bestand kein Zweifel, dass Taka seine Halbschwester war, denn einen anderen Vater als Akira und Takuya selbst hatte das Mädchen auf jeden Fall.

Ob Akira und die kleine Taka bei Takas leiblichem Vater lebten?

Takuya fragte sich, warum die beiden so allein im Flugzeug waren und was sie eigentlich in Tokio vorhatten…

„Sagt mal, Kinder, wo wollt ihr denn eigentlich hin? Wollt ihr Verwandte besuchen?“

„Also, das ist so…“, begann Akira, doch Taka sprang zwischen die beiden.

„Wir sind auf der Flucht!“, sagte sie freudig.

„Taka!“

„Was denn? Es stimmt doch!“, maulte sie und verschränkte die Arme.

Takuya hob eine Augenbraue. Wie meinte das Mädchen das nur?

„Jetzt sagt doch mal wirklich, wohin ihr wollt? Ihr müsst doch irgendein Ziel haben!“

„Haben wir auch. Also, vielen Dank für alles.“, sagte Akira knapp und verneigte sich, dann hob er Taka hoch, die wieder protestieren wollte und hielt ihr den Mund zu.

Akira lächelte Takuya noch zu, dann schnappte er sich den Koffer und verschwand in Richtung City von Tokio.
 

Fortsetzung folgt...



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Kommentare zu diesem Kapitel (16)
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Von:  devilvenus
2007-06-21T08:32:48+00:00 21.06.2007 10:32
konichi wa^^
dein schreibstill ist echt klasse...
und die story is total packend^^
es macht echt spaß sie zu lesen...
die anderen kappüs werdeich natürlich auch noch lesen^^
mata ne
devil-san
*küsschen send*
Von:  Manu-chi
2007-06-07T20:58:18+00:00 07.06.2007 22:58
Da kann ich nur sagen, respekt! Du hast einen großartigen Schreibstil und du weißt dich gut auszudrücken! Da kann man nur sagen, perfekt! *1+++++++ geb*
Akira ist super, ist mir gleich von Anfang an symphatisch gewesen! Seine kleine Schwester Taka ist einfach nur herzig und Takuya ist mysteriös (am Anfang) und ein schräger Vogel! Super Charas! *nochmal 1++++++ geb* -^.^-

gglg und mach weiter so ^.^
Von:  Brooky
2007-05-13T18:58:51+00:00 13.05.2007 20:58
neeeeeeein....du kannst da doch nicht einfach das kapi enden lassen...das ist ja furchtbar...ich mein, ich liebe ja nervenkitzel, aber doch nicht so ;___;
das war soooo schön, das kapi und ich bin jetzt wirklich schon gespannt auf akiras reaktion oO wird bestimmt voll spannend^^
*geduldig auf das nächste kapi wart*
*mir ne decke und ein kissen hol*
*mich dann mal grad häuslich niederlass*
*schoki schlürf*
Von: abgemeldet
2007-05-12T19:02:07+00:00 12.05.2007 21:02
wahnsinn!!!!!
ich habe heute die geschichte zum ersten mal durchgelesen und ich finde sie fantastisch!!!
auch habe ich "eins und eins macht zwei"
gelesen und warte schon mit ungeduld wann du endlich weiter schreibst sowol " eins und eins macht zwei" als auch "Marshmallow"!!!!!!!
also schreibe schnel weiter ok!!!!
GGGVLG KNatalia
Von: abgemeldet
2007-05-08T16:08:51+00:00 08.05.2007 18:08
Toll, toll,toll, toll,toll, toll,toll, toll,toll, toll,toll, toll,toll, toll,toll, toll,toll.
Echt ein geniales Kapitel, freue mich schon drauf, das nächste zu lesen^^ ZUm Glück kann ich das jetzt direkt machen *freu* Der Inhalt dieser FF ist echt schön und dein Schreibstil ist ansprechend. Echt super!

Bye, Jessi.
Von:  PenguinROAR
2007-03-28T16:00:01+00:00 28.03.2007 18:00
Also für ein einziges Kapitel: LANG!!!! Aber echt süß^^
Bei so ner FF freut man sich wenns ängere Kappis sind. Hab nur nicht alles auf einmal lesen können.
Freu mich auf die Fortsetzung. Kannst mir ja mal ne ENS schicken wenn so weit ist oder wieder ins GB schreiben.
Grüße^^ xXx_Rhea_xXx
Von: abgemeldet
2007-03-27T10:07:41+00:00 27.03.2007 12:07
so...erstmal danke für den post in meinem geb mit dem link^^...ich find die story total gut...die charas sind genial....und taka ist echt total niedlich^^......*mehr davon zum lesen haben will*.....freu mich schon auf die fortsetzung^^
Von:  Zero_Kiryu
2007-03-27T08:19:23+00:00 27.03.2007 10:19
Hi!
Als ich deinen Eintrag in meinem Gästebuch gelesen habe, dachte ich: "Dat lese ich nicht", aber ich habs trotzdem getan und finde es sehr gut! ^^
Schreib schnell weiter! ^__^b
MfG
Kei
Von:  Maonyan
2007-03-26T20:11:42+00:00 26.03.2007 22:11
*gg*
also mir gefällts bis jetz^^
nur das mit dem geschwister
hm...find ich iwie n bisl doof...das wird ja dann inzucht
*kuller+
naja^^
schreib einfach schnellllll~~~~ weiter damit ich was zum lesen hab XDD
Von:  Brooky
2007-03-25T00:15:59+00:00 25.03.2007 01:15
die geschichte ist voll super^^ total süß und spannend sowieso1^^ ich mag die story jetzt schon und würde mich wirklcih ganz ehrlich über eine fortsetzung freuen^^
ich mag akira und takuya^^ die beiden ergänzen sich irgendwîe in ihrem charakter^^ und taka ist ne wuscht..total süß die kleine^^


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