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Er kam in den Westen

von

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In den weiten Wäldern

Freut mich, dass euch die Geschichte gefällt.

Die Entscheidung des Fremden, sich einzumischen, wird noch allerlei Auswirkungen haben, nicht zuletzt für ihn selbst. Denn in den Wäldern der westlichen Gebiete trifft man allerlei Lebewesen....
 

2. In den weiten Wäldern
 

Der weißhaarige Hundeyoukai blieb bei Sonnenaufgang am Waldrand stehen. Der Regen hatte aufgehört. Vor ihm dehnten sich abgebrannte Felder, mitten darin befanden sich die Ruinen eines Menschendorfes. Seine Nase verriet ihm, dass dort keine Toten lagen. Also hatte jemand überlebt, sie begraben.

„Das war ein Youkai-Angriff.“ Myouga sprang auf die Schulter seines Gebieters: „Und ich würde sagen, Katzen. Dieser Kinnosuke hat doch erzählt, dass hier das Lager der Katzen sei.“

„Ja. Aber welcher Wahnwitz, Menschen da mit hineinzuziehen. Sie können sich nicht wehren, geschweige denn, den Krieg beenden.“ Er ging weiter, auf das zerstörte Dorf zu: „Es ist wirklich schade um die Ernte.“
 

Er war schon fast durch die Ruinen, als eine seitliche Bewegung ihn stehen bleiben ließ. Er wandte den Kopf: „Was soll der Unsinn?“

„Komm...komm nicht näher, Monster, “ keuchte der Mann und schwang einen Dreschflegel.

„Hm.“ Der Hundeyoukai betrachtete ihn. Selbst mit Schnupfen hätte er erkannt, dass der Mensch panische Angst hatte: „Wenn ich dich töten wollte - oder die anderen, die sich dort hinten verstecken - wärt ihr bereits tot. Was ist hier passiert?“

„Die…anderen…“ Der Mann verstand erschreckt, dass dieses Monster bereits wusste, wen er beschützen wollte. Aber der Youkai griff nicht an, redete mit ihm. „Was hier passiert ist? Youkai haben das Dorf überfallen, fast alle hier getötet.“

„Warum?“

„Warum? Weil sie eben Youkai sind.“

Der Fremde schüttelte etwas den Kopf: „Das ist Geschwätz. Kein Youkai wird etwas tun, wenn es nicht für ihn von Nutzen ist.“

„Und worin liegt der Nutzen, Menschendörfer zu zerstören?“ kam es bitter.

„Das frage ich dich. – Ihr habt Hunger.“

Jetzt war der Mann völlig überrascht. Woher wusste dieses Monster das? Und vor allem, was interessierte es ihn? Aber irgendetwas sagte ihm, dass dies kein Youkai wie die anderen war: „Ja. Alle Vorräte wurden zerstört.“

„Ich werde euch etwas bringen.“

„Und dann?“

Der Fremde betrachtete den Menschen: „Ihr habt nichts, das mir von Nutzen sein würde.“ Damit wandte er sich um und ging.
 

Eine Viertelstunde später kehrte er mit einem Wildschwein unter dem Arm zurück, warf es nachlässig vor der Ruine zu Boden, in der sich die Menschen versteckt hielten.

Der Mann wagte sich hervor: „Du…du bist zurückgekommen.“

„Ich sagte es.“

„Das...ist für uns?“

„Ja.“ Und mit etwas Spott fügte er hinzu: „Es ist nicht vergiftet.“

„Das habe ich nicht gemeint…Herr.“ Der Dorfbewohner zögerte nur kurz bei dieser Anrede. Ein Mann mit solch teurer, aufwendiger Rüstung und Schwert war auch unter Menschen diesen Titel gewohnt. „Es ist nur…Ich habe noch nie gehört, dass sich ein Youkai um Menschen kümmert.“

„Ab und an habe ich diesen Wunsch.“ Der Hundeyoukai lächelte ein wenig: „Jetzt bereitet euch das hier zu. Ach, eine Frage habe ich noch: die Berge des Himmels. Wo liegen die?“

„Die...äh…dort drüben, Herr. Aber es soll dort gefährlich sein. Nun gut, für Menschen, “ ergänzte er hastig.

„Youkai leben dort?“

„Auch andere Wesen, hörte ich. Aber unsereins verlässt ja das Dorf eigentlich nie.“

„Jetzt werdet ihr das müssen.“

„Ja, Herr.“

„Wohin geht ihr?“

„Das nächste Dorf ist dort, jenseits des Flusses. Ich hoffe, dass es noch steht.“ Der Mann bemerkte überrascht, dass der Youkai den Kopf hob, zu wittern schien.

„Es riecht nicht nach Rauch, so scheint es noch zu stehen“, kam dann auch prompt die Antwort. „Aber jemand nähert sich.“

„Wer?“

„Youkai.“

Der Mann erschrak: „Das….“

„Bereitet euer Essen. Ich bin sicher, ihr könnt es ungestört verzehren.“ Der Fremde drehte sich um und ging in die Richtung, aus der sich die Youkai näherten.

„Wollt Ihr die Menschen etwa beschützen?“ erkundigte sich Myouga: „Warum denn das?“

„Warum denn nicht? Glaubst du, dass sie allein weiterkommen?“

„Nein. Aber was für einen Nutzen sollte Euch das bringen? Sie gehen Euch doch nichts an.“

„Ich möchte diese westlichen Länder besitzen. Da sollte mich alles angehen, was in ihnen passiert.“

Der Flohgeist seufzte: „Ihr habt wirklich vor, Euch hier einzumischen. - Herr, ich weiß nur zu gut, wie stark Ihr seid, aber…“ Er sprang von der Schulter seines Gebieters, um zurückzubleiben, als er die vier Wurmyoukai entdeckte. Da stand ein Kampf bevor, und dem guckte er lieber aus einigen Metern Entfernung zu. Auch, wenn er aus Erfahrung wusste, dass dies eine kurze Sache werden würde.
 

Als der Fremde zu dem Menschendorf zurückkehrte, sah er, dass sich die Frauen und Kinder herausgewagt hatten, nun damit beschäftigt waren, ein Feuer anzuzünden, das Wildschwein von seinem Fell zu befreien.

„Ihr habt sie vertrieben, Herr?“ fragte der Mann: „Danke.“

Der Hundeyoukai warf einen Blick auf die vier Frauen und sechs Kinder. Sie würden es kaum leicht haben, in dem anderen Dorf unterzukommen. Ohne Männer, nun, mit nur einem, waren das elf Leute mehr, deren Münder zu stopfen wären. Menschen taten sich da wirklich schwer. Eigentlich war es verwunderlich, wie sich diese armseligen Geschöpfe überhaupt weiter vermehren konnten. Sie waren hilflos allen mächtigeren Wesen ausgeliefert, aber auch der Laune der Natur.

Eine der Frauen sah auf. Als sie seinem Blick begegnete, senkte sie hastig wieder den Kopf, murmelte etwas von „Vergebung“. Er konnte sich denken, warum. Zum einen galt es bestimmt auch unter Menschen für unhöflich, einen Ranghöheren anzusehen, zum zweiten - nun, er war ein Youkai. Und es waren Wesen seiner Art gewesen, die ihre Heimat zerstört hatten. Er ließ sich auf einem umgestürzten Balken nieder, betrachtete die Menschen.

So aufwendig war es, ein Wildschwein zuzubereiten? Absolut erstaunlich. Vielleicht sollte er sich wirklich einmal näher mit den Lebensgewohnheiten von Menschen befassen. Sein Wissen über diese Wesen war nicht sehr ausgeprägt.

Er sah zur Seite, als er spürte, wie sich jemand näherte, begegnete dem dunklen Blick eines kleinen Mädchens.

„Du bist ein netter Youkai?“ fragte sie.

„Ai!“ Die Mutter eilte heran, warf sich auf die Knie: „Verzeiht ihr, Herr! Bitte, tut ihr nichts!“ Sie riss ihr Kind an sich, obwohl ihr klar war, dass weder sie noch alle Überlebenden ihres Dorfes zusammen eine Chance gegen den Fremden haben würden.

„Schon gut.“ Wie sie aufatmeten, diese Menschen. Der Hundeyoukai musterte das Mädchen: „Es gibt keine netten Youkai. Und du solltest nie einem zu nahe kommen.“

„Danke, Herr“, brachte die Mutter hervor, die zwar die Warnung für ihre Tochter gehört hatte, aber froh war, dass dieser Fremde ihr oder auch anderen nichts getan hatte. Mit gewissem Zögern fuhr sie fort: „Verzeiht Ai. Sie ist noch sehr klein, aber sie hat gesehen, dass Ihr uns das Fleisch gegeben habt, die anderen Youkai vertrieben habt.“

„Und das ist nett?“ Etwas wie Spott lag in der Stimme des Fremden.

Die Frau nickte. Was sollte diese Frage?

„Habt ihr nicht in Erwägung gezogen, dass ich euch mästen möchte, um Futter für mich zu haben?“ Und da er sah, wie ihn alle entsetzt anstarrten, die jähe Todesangst wittern konnte: „Nun, ich habe es nicht vor. Aber ein anderer könnte dies tun. Bedenkt dies.“

„Ja, Herr.“ Was sollte sie darauf schon antworten. Sie zog ihre Tochter mit sich. Es war wichtig, etwas zu essen zu bekommen. Und ein weiteres Gespräch mit dem Youkai hätte womöglich doch übel ausgehen können. Als er geredet hatte, hatte sie Zähne in seinem Mund aufblitzen sehen, Fangzähne. Und seine Augen leuchteten so unheimlich. Das war ein Raubtier, auch, wenn er gesagt hatte, er würde ihnen nichts tun.
 

Der Hundeyoukai wartete, bis die Menschen gegessen hatten, fragend zu ihm sahen. Offenbar wollten sie aufbrechen, zu dem anderen Dorf gehen, trauten sich aber nicht, da er noch saß. So stand er auf. „Geht.“

Er selbst wandte sich ab, wanderte durch den Wald in Richtung auf die Berge des Himmels.

Nach einer gewissen Zeit sagte er: „Nun, Myouga?“

„Ich verstehe Euch nicht, Herr“, gab der Flohgeist zu: „Warum habt Ihr diesen Scherz gemacht, dass Ihr sie fressen wollt?“

„Sie sollten nicht denken, dass ein Youkai menschenfreundlich ist.“

„Hm“, machte Myouga. Wie sollte man das denn nennen, was der Gebieter da getan hatte? Menschen zu füttern und andere Youkai zu töten, die sie fressen wollten? Andererseits: solange in den westlichen Ländern ein Kampf um den Besitz zwischen den Youkai tobte, wäre es für Menschen besser, keinem zu glauben.

„Katzenyoukai. Also Kamuy.“

„Diese haben das Dorf überfallen, ja, glaube ich auch. Oder was meint Ihr, Herr?“

„Nicht nur dieses. Weiter rechts wurde auch eines zerstört. Warum? Was hat Kamuy gegen Menschen? Oder besser, was verspricht er sich davon im Kampf gegen Yoshi und Kakeru?“ In den langen, einsamen Wanderungen der vergangenen Jahre hatte er sich angewöhnt, seine Gedanken mit dem kleinen Flohgeist zu besprechen, den er scherzhaft seinen Berater nannte.

„Vielleicht glaubt er, dass die Menschen einen von ihnen unterstützen?“ schlug Myouga zögernd vor.

„Unwahrscheinlich, meinst du nicht, mein lieber Berater?“

„Schon, Herr. Aber das ist der einzige Grund, der mir einfällt.“

„Dann wäre Kamuy dumm.“

„Und leicht zu besiegen. Aber Ihr solltet nicht voreilige Schlüsse ziehen.“

„Da hast du wieder einmal Recht.“ Der Hundeyoukai sah vor sich schneebedeckte Berge aufsteigen, schroff und felsig: „Das wird das Gebirge des Himmels sein.“

„Ja, denke ich auch.“ Der kleine Flohgeist war plötzlich verschwunden.

Sein Herr wusste nur zu gut, was das bedeutete, und fuhr herum. Noch in der Drehung riss er den linken Arm empor. Eine Klinge prallte auf seinen Unterarmschutz, als seine rechte Hand bereits vorschoss, den Angreifer am Hals fasste, gegen den nächsten Baum drückte. Dann erst erkannte er, dass dieser ein Katzenyoukai war.

„Was soll das denn?“ fragte er: „Einen Wanderer hinterrücks zu überfallen ist doch sonst nicht der Stil von Katzen.“

„Wanderer!“ keuchte der Gefangene und versuchte, sein Schwert zu heben.

Der Fremde drückte fester zu. Erst, als er die Waffe fallen sah, ließ er wieder nach: „Wenn ich eine Frage stelle, wünsche ich eine Antwort.“

„Du dienst Yoshi!“ würgte der andere.

„Ich diene niemandem. Und schon gar keinem niederrangigen Hundeyoukai.“

Der Katzenkrieger dachte, nicht recht gehört zu haben. Immerhin war Yoshi einer der drei Kriegsherren, die die Herrschaft im Westen unter sich ausmachen wollten. „Wer bist du?“ brachte er hervor.

„Ein Fremder. Und ich möchte wissen, warum hier Menschendörfer brennen, wenn Youkai kämpfen. Kamuys Befehl?“

„Ja.“ Der Katzenyoukai war zu klug, um nicht zu merken, dass er hier von einem viel mächtigeren Wesen an den Baum gepresst wurde. Dieser Fremde erwürgte ihn fast, hielt ihn aber nur mit einer Hand, schien sich nicht einmal anzustrengen. Es konnte sich unmöglich um einen einfachen Youkai handeln. Das würde Kamuy-sama sicher interessieren.

„Was hat der davon?“

„Ich...ich weiß es nicht.“

„Ah.“ Die Silbe klang ausdruckslos, aber die bernsteinfarbenen Augen verengten sich.

Nur ein Narr hätte die Mahnung ignoriert: „Ich schwöre es Euch“, keuchte der Bedrohte daher: „Kamuy-sama rechtfertigt sich nie.“

„Kannst du dir einen Grund denken?“

„Menschen…..sie sollen sich nicht auf die Seite der anderen Kriegsherren schlagen.“

„Kommt dir das nicht eigenartig vor?“

„Was meinst du? Meint Ihr?“ Höflichkeit war sicher überlebenswichtig.

„Welcher Youkai, zumal einer wie Kamuy, fürchtet sich vor Menschen als Gegnern?“

„Keiner. Und Kamuy-sama fürchtet sich nie!“

„Dann denk mal darüber nach.“ Der Fremde ließ ihn los. „Geh. Bevor ich es mir anders überlege.“

Das ließ sich der Katzenkrieger nicht zweimal sagen. Sein Schwert vergaß er.
 

Der Hundeyoukai wandte sich wieder um, ging weiter. Wie er erwartet hatte, saß bald der Flohgeist erneut auf seiner Schulter.

„Warum habt Ihr ihm so eigenartige Fragen gestellt?“ erkundigte sich Myouga.

„Er soll nachdenken, warum Kamuy die Menschendörfer zerstören lässt.“

„Und warum? Was habt Ihr davon?“

„Ich werde Kamuy vermutlich töten. Und ich will keine Rächer unter den Katzen haben. So soll wenigstens dieser eine nachdenken und dann seine Ideen verbreiten.“ Der Hundeyoukai war stehen geblieben. Etwas wie eine Aura befand sich an diesem Ort, eine Präsenz, die er durchaus als angenehm empfand.

„Schön“, seufzte der Flohgeist: „Macht Euch nur über mich lustig.“

„Mache ich nicht. Ich glaube, Kamuy hat einfach Spaß daran, die Dörfer zu zerstören. Einen anderen Grund gibt es nicht.“

„Dann wäre es gut für die Menschen, wenn Ihr ihn besiegt. Ich meine, natürlich, dass Ihr ihn besiegt….“ verbesserte sich Myouga hastig.

„Eins nach dem anderen. Zuerst einmal werde ich mir das Schloss in den Wolken anschauen, und, je nach dem, auch mit der Erbin reden. Und dann…werde ich mir die Kriegsherren einmal ansehen.“

„Du willst dich einmischen?“ fragte eine tiefe Stimme, die von oben aus den Wipfeln der Bäume und zugleich von unten aus dem Boden zu dringen schien.

Der Fremde drehte sich langsam um. Wie er fast erwartet hatte, sah ihn ein Baum an. Das musste ein Baumgeist sein. „Ja. Warum interessiert das einen Baum in diesen abgelegenen Wäldern?“

„Menschen kommen nicht bis hierher, da hast du recht. Aber Youkai durchstreifen sie. Darunter auch immer wieder Kamuys Männer. Und er lässt jeden Baumgeist töten, den er finden kann.“

„Das ist wie mit den Menschendörfern“, platzte es aus Myouga heraus: „Nicht wahr, Herr?“

„Kamuy scheint Freude am Töten zu haben.“ Der Hundeyoukai betrachtete den Magnolienbaum: „Oder hat er einen anderen Grund?“

„Für Menschen kann ich dir das nicht sagen. Aber Baumgeister leben seit unvordenklichen Zeiten hier, sind mit dem Land verbunden. Der Herr der westlichen Gebiete muss von ihnen anerkannt sein, ihre Magie bekommen haben. Gibt es keine Baumgeister mehr…“

„Ich verstehe. Die Magie eines Landes, ja, ich habe davon gehört.“

„Du hast davon gehört. Und du willst dich in den Krieg um den Besitz dieser Länder einmischen. Warum?“

Der Fremde zuckte ein wenig die Schultern: „Ich wollte eigentlich aus Neugier diese Länder bereisen. Dann sah ich, wie schön sie sind, fühlte die Fruchtbarkeit des Bodens. Und dann erfuhr ich von dem Krieg, den die drei Heerführer betreiben. Dazu hörte ich von dem Leid, das diese Kämpfe über die schwächeren Youkai und die Menschen bringen.“ Er hätte nicht sagen können, warum er sich von einem Baumgeist ausfragen ließ.

„Die Macht der westlichen Länder reizt dich?“

„Macht, nein. Die habe ich genug.“ Und die Verantwortung wog schwer.

„So sicher?“ Etwas wie ein Lächeln lag in der Stimme des Baumes: „Ungewöhnlich bei einem Youkai.“

„Ich bin stark.“

„In der Tat. Aber ich hörte, Youkai wollen immer stärker werden.“

„Das stimmt auch wieder. Warum fragst du das?“

„Wenn du die westlichen Länder besitzen willst, musst du alle drei Kriegsherren und ihre Heere besiegen. Du bist allein.“

„Danke“, murrte der kleine Flohgeist.

„In einem Kampf bist du keine Hilfe, Myouga“, gab sein Herr zurück. „Aber ich habe das hier.“ Er drehte sich, so dass der Baum das Schwert auf dem Rücken sehen konnte.

„Ich verstehe“, sagte dieser langsam: „Aber willst du es einsetzen?“

„Nur, wenn es unbedingt nötig sein sollte. Du hast von ihm gehört?“

„Der Dieb der Seelen, nicht wahr?“

„Ja.“

„Ich hörte von einem sehr starken Hundeyoukai, der dieses Schwert als Erbe seiner Ahnen trägt. Nur jemand aus diesem Blut kann es beherrschen. Stimmt das?“

„Ja.“

„Mein Name ist Bokuseno.“ Etwas im Baum raschelte, dann bewegte sich die Erde, als eine Wurzel herausdrang: „Ich bin der letzte aller Baumgeister in diesen Wäldern des Westens. Kamuys Krieger haben alle meine Freunde und Wegbegleiter mit Äxten gefällt. Verflucht sei er. Selbst Menschen, die kurzlebig sind und nichts von Magie verstehen, entnehmen den Wäldern nur Bäume, um damit Häuser zu bauen. Aber nie haben sie es gewagt, ihre Äxte an einen von uns zu legen. Kamuy nimmt wohl an, dass er mit dem Ende der Baumgeister an unsere Magie kommt. Aber die Magie meiner toten Brüder liegt im Boden. Und ich bin der Einzige, der sie noch nutzen kann.“ Bokuseno betrachtete seinen Besucher: „Willst du die Magie der westlichen Länder?“

„Ein verlockendes Angebot. Wenn ich gesiegt habe, werde ich zu dir kommen.“

Der Baumgeist schien zu lächeln: „Ich verstehe. Aber so ist das nicht. Ich habe nicht die Absicht, den Sieger in diesem Krieg als Herrn der westlichen Länder anzuerkennen. Ich würde sie dir geben. Dir allein. Und du wirst nach deinem Kampf auf die Mächte im Boden dieser Länder zurückgreifen können. Allerdings….“

„Gibt es einen Haken.“

„Nun, du musst mir vertrauen.“

„Du hast vor, mir die magische Kraft der Baumgeister zu geben, die Macht der Länder. Warum? Rache an Kamuy?“

„Nein. Kamuy ist gierig nach Macht. Er wäre kein guter Herr für die westlichen Länder. Kakeru mag ein guter Krieger sein, aber das ist nicht alles. Und Yoshi…nun, wenn du der bist, von dem ich hörte…..“

„Das scheint der Fall zu sein, “ gab der Fremde trocken zurück.

„Der Träger des einen Schwertes, das in der Hölle geschmiedet worden sein soll. Und doch stark genug, den Wunsch nach Morden zu unterdrücken. – Öffne deine Rüstung, denn ich muss dein Herz finden.“

„Herr“, sagte Myouga besorgt: „Wollt Ihr Euch darauf einlassen? Das kann genauso gut auch eine Falle von diesem Kamuy sein.“ Aber er wusste, dass er sich seinen Atem sparen konnte. Sein Gebieter würde sich niemals Feigheit nachsagen lassen. So sprang der kleine Flohgeist abwärts, ein Stück seitwärts, um von einem anderen Baum aus zusehen zu können.

„Mein Herz.“ Der Fremde griff nach seiner Rüstung: „Bokuseno. Du vertraust mir soweit, dass du mir die Magie überlassen willst, obwohl du mich nicht kennst. Wie sollte ich dir da nicht vertrauen.“

„Herr, tut das nicht “, stöhnte Myouga wider besseres Wissen. Aber er war der Berater seines Herrn und sah sich nochmals zu einer Warnung genötigt: „Ihr glaubt doch nicht, dass Ihr aus reinem Zufall mitten im Wald den einzigen Baumgeist findet, den es noch gibt?“

„Zufall war es sicher nicht“, gab Bokuseno zu: „Schicksal.“ Er hatte schon bezweifelt, dass es das noch für ihn geben würde, ehe Kamuys Krieger auch ihn fällten. Er hatte nur diese eine Gelegenheit und er würde sie nutzen.

„Schicksal“, bestätigte der Hundeyoukai: „Also, tu, was du tun willst.“ Aber trotz allem zuckte er zusammen, als die aus der Erde gegrabene Wurzel wie ein Speer auf sein Herz zuschoss. Instinktiv wollte er eine Abwehrbewegung machen, ließ dann die Hand sinken. Widerstandslos duldete er, dass sich der Trieb in seine Brust bohrte.

„Herr!“ Myouga schrie es fast, als er sah, wie dieser aufstöhnte, in die Knie ging, aufgespießt von dieser Wurzel. Mit einem Satz war der Flohgeist bei ihm: „Herr? Bitte….“ Beinahe wütend starrte er zu dem Baum auf: „Was hast du mit ihm gemacht?“

„Ich übertrage ihm die Magie der Baumgeister der westlichen Länder. Das ist sehr viel. Und auch für einen so mächtigen Youkai keine Kleinigkeit. Es ist gefährlich, aber unser Freund hier dürfte es schaffen. Jemand, der das Höllenschwert trägt und nicht dessen Willen unterliegt, hat einen starken Geist. Ich glaube, er wird nicht von der Suche nach Macht gelenkt. Oder wann kämpft er?“

„Ich fürchte, man kann sagen, sobald jemand bedroht wird, gleich ob Youkai oder Mensch.“ Myouga blickte empor: „Was soll das?“

„Die Magie eines Landes erwacht vollständig, wenn das Land in Not ist. Und der Herr des Landes diese Macht zum Schutz einsetzen soll. Nur dann. Darum denke ich, dass er der Richtige ist, wenn sein Tatendrang erwacht, sobald es darum geht, etwas zu beschützen. Der Retter in der Not. Die Lieblingsrolle von Hunden…..“ Bokuseno klang erheitert. Er entsann sich einiger Geschichten über den verstorbenen Herrn.

Myouga sah besorgt auf seinen Gebieter, der noch immer kniete, offenbar taub und blind für sein Umfeld, bemüht, die Energie aufzunehmen, zu verarbeiten.
 

Es war viel, was auf ihn einströmte. Magie, wie er sie so noch nie empfunden hatte, mächtiger als jedes Youki, und ganz anders. Es fühlte sich an, als ob glühende Ströme durch seinen Körper flossen. Nur langsam veränderte sich der Schmerz, wurde zu anderen Empfindungen, die er so nie erlebt hatte. Er fühlte Schnee irgendwo in den Bergen des Himmels fallen, einen Schneefuchs, der darüber huschte, Vögel, die in der Luft, Bäume, die ihre Kraft aus dem Boden sogen. Er hätte sich gern die Ohren zugehalten, aber das hätte nichts genutzt. Er spürte nun das gesamte Gebiet der westlichen Gebiete, jedes Lebewesen, jeden Baum, jeden Strauch. Das war zuviel! Niemand konnte das so aushalten. Er wollte die Energie dem Magnolienbaum zurückschicken, aber das war unmöglich. Immer noch strömte Magie, und damit die zugehörigen Sinneseindrücke auf ihn ein. Ihm wurde bewusst, dass er das unter Kontrolle bringen musste, sonst würde er wahnsinnig werden.

Seine Erfahrung mit seinen guten Ohren, seiner ausgezeichneten Nase kam ihm nun zugute. Auch da hörte, roch er viel mehr, als er bewusst wahrnehmen konnte und wollte. Er bemühte sich, die Eindrücke zu sortieren. Kein Schneefuchs, kein Eichhörnchen war wichtig, das konnte er zurückdrängen. Aber da war eine Präsenz, ganz in der Nähe…Katzenyoukai. Und dort, weit jenseits der Berge des Himmels...auch da eine Armee, vermutlich war das Yoshi. Und auch Kakeru konnte er spüren. Die Gegner. Das war wichtig. Langsam veränderten sich seine Gefühle, er konnte wieder klarer denken. Immer noch spürte er die ungeheure Dynamik des Landes, aber nun war sie unterschwellig. Jederzeit abrufbar, aber die gesamten Sinneseindrücke konnten seinen Verstand nicht mehr angreifen. Er sah auf, spürte jetzt erst, dass Myoga auf ihm saß, ihn besorgt anstarrte, wurde sich bewusst, dass seine Augen in tiefem Rot leuchteten. Er war kurz davor gestanden, sich in seine wahre Gestalt verwandeln zu müssen, da er so sein volles Magie-Pontential besaß. Oder möglicherweise auch besessen hatte. Mit dieser neuen Macht würde er erst lernen müssen, umzugehen.

Langsam erhob er sich.

„Geht es Euch gut, Herr?“ fragte der Flohgeist besorgt.

„Ja.“ Der Hundeyoukai atmete tief durch, ehe seine Augen wieder die Farbe von Bernstein annahmen. „Danke, Bokuseno. Du wirst dieses Geschenk nie bereuen.“

„Davon bin ich überzeugt. Geh nun, mein Freund. Und bring den Ländern, denen du jetzt verbunden bist, den Frieden.“
 

*******************************************
 

Dieses Geschenk dürfte den Kriegsherren kaum gefallen.

Zumindest Kamuy wird bald erfahren, dass da jemand durch seinen Vorgarten läuft. Und entsprechende Massnahmen einleiten.
 

Das nächste Kapitel heisst: Das Schloss in den Wolken.

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, schicke ich, wie gewohnt, eine ENS, sobald ich sehe, dass es freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep



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Kommentare zu diesem Kapitel (30)
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Von: abgemeldet
2008-11-26T18:10:12+00:00 26.11.2008 19:10
Dier Kriegsherrn werden toben^^
Toll geschrieben
JLP
Von: abgemeldet
2007-08-01T17:36:10+00:00 01.08.2007 19:36
endlich^^
das kappi hat mir nicht so gut gefallen wie das erste, aber ich fande es dennoch super ; )
beeil mich noch ein kapitel zu lesen
Von:  Teilchenzoo
2007-05-30T12:58:08+00:00 30.05.2007 14:58
Da hat Bokuseno sich den Richtigen ausgesucht. Das haut hin, keine Zweifel.

Und der tipp an die Menschen, nicht jeder Youkai sei menschenfreundlich, auch wenn er so tut, war sehr klug. In Kriegszeiten sollten sie vorsichtiger sein.

Aber schön, dass er ihnen hilft. So kennen und lieben wir ihn ^.^! Schade, dass sein Sohn diese Eigenschaft so nicht übernimmt.

Die Eindrücke, die auf ihn zugeflutet sind, fand ich sehr beeindruckend geschildert. Wunderbar geschrieben ^^.

Mal sehen, wie diese Prinzessin so ist. Selbst wenn sie noch so stolz ist, wetten, sie kann ihr Herz nicht vor ihm verschließen? Romantik!

Bye lg neko
Von:  don-kun
2007-05-18T18:56:53+00:00 18.05.2007 20:56
Ich sehe meine Ahnung bestätigt. ^^

Schön auch, dass du alte Bekannte auftauchen lässt. Das erklärt doch einiges. Dann kommt sicher auch noch Totosai.

Aber was ist da eigentlich im Osten, wo ER herkommt?
Von:  Sasuke_Uchiha
2007-02-21T12:53:24+00:00 21.02.2007 13:53
Ein wirklich gutes Geschenk.
Von:  Lizard
2007-01-28T21:21:21+00:00 28.01.2007 22:21
Irgendwie schaffe ich es immer wieder mit meinen Kommentaren hinterher zu hinken...
Na ja, egal. Du kennst meine Meinung zu dieser Geschichte ja. Und ich kann mich nur wiederholen: sie ist klasse!

Besonders dieses Kapitel, das zweite.
Die Begegnung zwischen dem Hundeyoukai und dem Baumgesit ist einfach fantastisch. Diese Szene haut mich jedesmal total vom Hocker. Toll, toll, toll.
Auch das mit den Menschen, mit Myouga, mit dem Katzendämon... alles so liebevoll herausgearbeitet, charaterisiert und beschrieben. Wunderbar!

Hast du hier übrigens noch kleine Änderungen eingefügt? Irgendwie kam es mir so vor, als hätte sich das Kapitel sogar noch verbessert. Aber vielleicht täusche ich mich da auch und es lag bloß daran, dass es schon länger her ist, als ich es beta gelesen habe.
Von: abgemeldet
2007-01-25T12:19:34+00:00 25.01.2007 13:19
Super Kapitel! Die Geschichte scheint wieder vielversprechend zu sein =)
Wie es wohl laufen wird, wenn er im Schloss im Himmel ist? Der erste Kontakt mit der dortigen Herrin? Und wie werden die anderen Kriegsherren reagieren, wenn er sich mit einmischt?
Bin gespannt wie es weitergeht.
LG, Jin-Jin
Von:  ayakoshino
2007-01-24T16:49:00+00:00 24.01.2007 17:49
Hi!
Also ich fand es echt schön vorallendingen wie du die Eindrücke beschrieben hast die der Taishou hatte als er von Bokuseno die Magie bekommen hat.Und ich freu mich schon ganz doll aufs nähchste Kappitel und hoffe das ich es eher leseh kann als diesmal.^^
by ayako
Von: abgemeldet
2007-01-23T14:27:35+00:00 23.01.2007 15:27
Tut mir Leid, dass ich erst jetzt schreibe.. aber ich hab grad n bissel Stress. >.<"
Naja, egal.
Das Kapitel war wirklich schön... vor allem Bokuseno hat mich überrascht.
Und das mit den Menschen war auch toll. Der Scherz mit dem Fressen... >.< schäm dich, Taishou.
Auf jeden Fall hoffe ich dass du bald weiterschreibst. ^^
cu
nao
Von: abgemeldet
2007-01-23T09:07:23+00:00 23.01.2007 10:07
Hey! =)
Erstmal sry, dass ich erst jezz ein Kommi schreib! ^^° wird leider auch ziemlich kurz werden... hab nämlich unterricht! ^^ und naja vll sollte ich auch noch für die nächsten Tests was lernen.. -.-
Egal! Ist ja cool, wie er sich um die Menschen kümmert *,* Und echt nett von ihm, dass er ihen was zu essen besorgt :)
Und n Bodyguard is es auch noch XDD Myoga versteht die welt nicht mehr XDDD
Also weiß er echt nicht wie aufwendig es für menschen ist zu kochen?! ô.o *g* soll es ja auch geben XDDD
Die kleine ist cool XDD nicht so verängstigt wie die anderen..^^
-Aja, kurze zwischenmeldung XDD bei uns schneit es endlich wieder XDD-
Und dieser Kamuy liebt also das töten? *EG* blad lernt er die andere version von "Töten" kennen... XDDD
Bokuseno ist also der einzige Baumgeist in der Gegend, der noch lebt? Der kommt ja echt extrem selten in FFs vor XDD Aber bei dir findet jeder ne rolle, was? ^^
Ja, also mit der Magie sollte es jetzt ja kein Problem mehr für ihn geben, das er nicht lösen kann, oder? ^^
GLG kiara


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