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Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III

von

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Kapitel 52

Kapitel 52
 

Selten war sein Herz so unruhig und aufgewühlt wie derzeit. Zu wissen, wie es dem Pharao inzwischen ergangen war, ließ ihm kaum einen Atemzug der Ruhe. Nachdem er sich von Faari und Penu trennte, damit diese beiden endlich zurück zu ihren Frauen und Familien kehren konnten, so hatte er selbst jedoch noch die Etikette zum Hindernis. Dem Pharao in solch einem zerschlissenen Wüstengewand vor die Augen zu treten, wäre nicht nur unstandlich, sondern vor allem auch dumm. Wenn man Seth lange in dieser Kleidung sah, so würde man vermuten, dass er vielleicht auch etwas über das Verschwinden der Königin wissen könnte – sofern man dies nicht ohnehin schon bedachte. Aus diesem Grunde musste er sich flugs umkleiden, um endlich dem König vortreten zu dürfen. So warf er seine schmutzige Kleidung nur auf den Boden, wischte sich den gröbsten Schmutz mit einem gewässerten Tuch ab und band sich danach sein Priestergewand noch während er den Gang entlangschritt und nur noch ein Ziel kannte: Den Palast.

Selten war ihm der Weg vom Tempel hinüber in die königlichen Hallen so lang vorgekommen. Und so hörte er auch nur am Rande eine Stimme, welche seinen Namen rief und ihn zum Einhalten brachte. Er blieb kurz stehen und wand sich um. Er war beinahe schon durch die Tür geschritten als er seinen Verfolger kommen sah.

„Djiag!“ Er sah sein langes, blaues Gewand, welches reicher und aufwändiger bestickt war als sein eigenes. Als Hohepriester war der alte Mann weit über ihm und somit auch deutlicher durch die weiße Schürze als hochgestellte Persönlichkeit zu erkennen. Umso verwunderlicher, dass er als hoher Mann einem jungen Priester nachlief.

„Bei den Göttern“ atmete er, als er seinen Gang verlangsamte und endlich Luft schöpfen konnte. „Seth, du rennst schneller als ein Kamel.“

Dabei war er gar nicht wirklich gerannt, sondern nur schnell gegangen. Aber nicht nur waren seine Beine länger als Djiags, sondern auch die Jahre seines Lebens weniger an der Zahl. Dem Alten musste es vorkommen wie ein schneller Lauf.

„Verzeiht mir, Djiag. Ich wollte Euch nicht abhängen“ lächelte er und auch wenn es ihn in die andere Richtung zog, so kam er ihm doch ein paar Schritte entgegen und damit einige Meter ferner ab vom Pharao. Dennoch musste er dem Hohepriester den rechten Respekt bezeugen, niederknien und seine Hand küssen. „Ich grüße Euch, Hohepriester und freue mich, Euch gesund zu sehen.“

„Ich grüße dich, Seth, und danke den Göttern für deine glückliche Heimkehr“ erwiderte er und ließ ihn sich erheben. „Da du es so eilig hast, gehe ich davon aus, du gedenkst den Pharao aufzusuchen.“

„Ihr habt mich ertappt“ lächelte er und schlug seinen Blick nieder. „Verzeiht, dass ich Euer Rufen nicht hörte.“

„Die Liebe macht also nicht nur blind, sondern auch taub“ scherzte er und ging voraus, was Seth zum Zeichen nahm, ihm zu folgen. „Aber ich denke, der Pharao vermisst dich auch. Er braucht deine Gegenwart nun mehr denn je.“

„Wenn ich nur wüsste, wie ich ihm dienen kann“ seufzte er sorgenschwer. „Ich denke schon lang darüber nach, jedoch verstehe ich zu wenig von gelebter Politik, um ihm wahrlich hilfreich zu sein. Weder mit meinem Fühlen noch mit meinem Wissen kann ich ihn kraftvoll unterstützen.“

„Überlasse die Politik den Männern, welche sich darauf verstehen“ riet er mit väterlichem Ton. „Als unterer Priester hast du keinen politischen Rang und als Geliebter bist du zu wenige Tage hier gewesen, um dir Stand und Einfluss zu sichern. Und so hoch meine Meinung von dir ist, so denke ich, dass du noch viel lernen musst, um einen politischen Rat geben zu können.“

„Ich weiß“ seufzte er betrübt.

„Jedoch hast du eine andere Macht, welche du ausspielen solltest“ riet er ihm weiter gedämpft. „Du bewegst das Herz des Pharaos. Politische Ratgeber hat er zur Genüge. Doch sein Herz zu stärken obliegt vorrangig dir. Tue dies, Seth. Doch nimm dich in Acht, wer seine Augen auf dich richtet und wer wiederum dich beeinflusst. Denn wer dich beeinflusst, der beeinflusst auch Ägypten.“

„Djiag.“ Er verschränkte seine Arme und trat neben ihm durch die Tür, welche die Diener den beiden Priestern unaufgefordert öffneten. „Gern will ich Euren Rat befolgen. Wenn die Götter mir nur einen Weg aufzeigen mögen.“

„Das werden sie, Seth. Sie werden dem Pharao einen Weg zeigen und so auch dir.“

„Bitte sagt mir“ bat er leise. „Wie geht es ihm? Ich fürchte Krankheiten, die ihn ereilen könnten. Er war so erschöpft als ich ihn verließ.“

„Er verbirgt es gut, doch man sieht ihm die Erschöpfung an“ musste Djiag ihm beipflichten. „Er schläft und speist schlecht und wenig. Doch Krankheiten lassen sich bisher nicht erkennen. Nur Sorgen in seinem Gesicht. Der Tod seiner Mutter hat ihn sehr mitgenommen.“

„Die Mutter Königin … ist wirklich gemordet?“ wiederholte er atemlos und sah sich nach dem Alten um, der ihm traurig zunickte. „Was war der Grund?“

„Fatil sagte mir, du seiest eingeweiht“ schickte er voraus. „Die offizielle Verlautbarung sagt, es waren Attentäter. Du und ich aber wissen, wer dafür Verantwortlichkeit trägt.“

„Und er“ so nannte er den Verantwortlichen gedeckt. „Ist er noch hier?“

„Und trägt einen fast offensichtlichen Kampf mit dem Pharao aus. Seit das fremde Heer vor den Mauern lagert, ist der König in Bedrängnis. Zwei Tage nach deiner Abreise erreichte uns Anhay mit seinen Truppen und weitere ziehen noch immer nach. Wenn der Pharao sich nun gegen Ephrab stellt, wird sein Bruder ein Massaker in unserer Stadt befehlen. Und dies kurz vor dem Feiertage und dem Eintreffen von Ras Lanuf. Jeder Schritt will derzeit wohlbedacht sein. Das Volk ist unruhig, ahnt jedoch nichts von dem, was sich innerhalb dieser Mauern abspielt. Deshalb mein Rat an dich, Seth: Bedenke jedes gesprochene Wort. Es fehlt nur ein Sandkorn, welches die Waagschale kippen lässt. Und fremde Ohren und Augen sind derzeit allgegenwärtig.“

„Ich möchte im Augenblick nur den Pharao sehen“ betonte er schwer. „Ich möchte erfahren, welche Erwartungen er in mich setzt. Und ihn vielleicht mit der Auskunft beruhigen, dass ich meinen Befehl zu seiner Zufriedenheit ausführen konnte.“

„Das wird er gern hören“ nickte er und blickte sich unauffällig um. Seth musste sich besser angewöhnen dies auch zu tun. Es ließ sich derzeit schwer einschätzen, wer Freund und wer Feind war. „Bitte sag mir, Seth, was hattest du vorhin mit Anhay zu schaffen?“

„Anhay?“ Er stutzte und blickte den Alten dann verwundert an. „Ich habe nichts mit ihm zu schaffen. Ich bin ihm nicht begegnet.“

„Mich erreichte die Kunde, er hätte mit dir gesprochen“ erklärte er ernst. „Als du mit deinen zwei Leibgardisten durch das Tor kamst, da sei er an dich herangetreten.“

„Du sprichst von diesen orientalischen Soldaten“ erklärte er für sich selbst. „Ich bin fünf fremden Soldaten begegnet. Jedoch stellten sie sich nicht vor.“

„Erinnerst du dich an einen fast schwarzen Mann mit langem Haar und einem teuren Dolch?“

„War dies Anhay?“ Das gab ihm zu denken. Dieser merkwürdige Mann, der ihm mit feuchten Augen begegnete und ihn so hoffend anblickte. Der schwarze Hauptmann mit den weichen Gesichtszügen und der bebenden Stimme. War dies der gefürchtete Anhay, welcher ein riesiges Heer befehligte?

„Es wurde beobachtet, dass ihr euch auf dem Vorplatz kurz unterhalten habt. Bitte sag mir, was der Grund hierfür war. Was hat er von dir gewollt?“

„Er hat mich mit jemandem verwechselt“ antwortete Seth. „Er musterte mich und meinte dann, jemanden namens Zahir in mir zu erkennen. Ich habe dies jedoch verneint und mich entschuldigt. Wir sind ohne weitere Worte getrennter Wege gegangen. Ich wusste nicht, dass er Ephrabs Bruder ist.“

„Dann weißt du es jetzt. Und sein Gesicht solltest du dir einprägen“ riet der Hohepriester ihm ernst. „Wenn du ihm das nächste Mal begegnest …“

„Werde ich mich nochmals entschuldigen für mein rüdes Verhalten. Ich habe ihn ohne Segen stehen lassen … ich hatte es eilig.“

„Und du solltest dich hüten vor ihm“ riet er ihm fast flüsternd. „Sein Ruf eilt ihm voraus. Hinterlistig soll er sein und doppelzüngig, streng und leicht zu verärgern. Er nennt diese riesige Armee sein Eigen und die Männer folgen ihm wie Bluthunde. Ich wage fast zu sagen, er sei gefährlicher als Ephrab selbst.“

„Dabei sehen sich diese Brüder kaum ähnlich“ stellte Seth in diesem Moment verwundert fest. „Anhays Haut ist fast schwarz und seine Augen wie die Erde der südlichen Reiche. Ephrab jedoch ist ohne Einschränkung östlich geprägt. Wie kann das sein?“

„Über ihre Familie ist bei uns kaum etwas bekannt. Fatil hat bereits Kundschafter ausgesandt, um dieses Rätsel aufzudecken, doch der hintere Orient ist weit von hier. Wir wissen nur wage, dass beide derselben Familie angehören, welche mit dem Cousin des Sultans verschwägert sein soll. Aber geadelt sind sie nicht, da nur ihre jüngste Schwester als siebte Frau verheiratet werden konnte und diese bereits vor dem ersten Kinde verstarb. Doch reich an Land und Bodenschätzen sind sie und das ist genug, um Einfluss zu besitzen. Und viele Soldaten anscheinend. Wir dürfen sie nicht mit ägyptischen Maßstäben betrachten. Im Orient fließen andere Flüsse, deren Tiefen uns unbekannt sind.“

„Und dieser Zahir, für den er mich hielt“ sprach Seth leise und blickte auf seine Schuhspitzen, welche auf dem teppichbelegten Boden kaum einen Ton schenkten.

„Erzähle Fatil davon“ bat der alte Hohepriester. „Wir müssen jedes noch so verschwindende Korn fegen, um in schweren Zeiten Brot zu haben.“
 

Kapitel 52
 

Sicher war es Djiags Anwesenheit zu verdanken, dass die Wachen ihre Türen freigaben und Eintritt gewährten. In politischen Unterredungen ließ man den Pharao nicht mit unwichtigen Dingen behelligt werden. Und Gründe des Herzens waren unwichtig im Angesicht eines Völkerkrieges. Doch der Hohepriester war selbst zu mächtig, als dass man ihm den Zugang verweigerte und dieser führte Seth in eines der vielen Zimmer, in welchem der Pharao seine Minister zu persönlichen Unterredungen zu empfangen pflegte. Und so auch in diesem Moment.

Die Sonne stand auf der anderen Seite des Palastes und so war es hier angenehm kühl und leicht dunkel. Die Korbmöbel am Rande waren mehr Zier als Gebrauch und nur die Statuen der Göttin Nun strahlten Lebendigkeit in den Raum. In der Mitte tiefe Sitzkissen und ein goldbestückter Holztisch, auf welchem gefüllte, jedoch unbenützte Kelche warteten.

Das Gespräch stockte kurz als die beiden Priester eintraten. An der Stirnseite des Tisches saß der Pharao von einem königlich weißen Umhang verhüllt, selbst über seinem Kopf hing ein dicker Schleier, welcher jedoch sein Gesicht frei ließ und nur von seiner schweren Flügelkrone gehalten wurde. Neben der Betroffenheit, das Gesicht des Pharaos ausgemergelt und von tiefen Augenringen verunstaltet zu sehen, nahm Seth die übrigen Anwesenheiten erst im späteren Augenblick wahr. Zur Rechten des Königs saß sein Palastvorsteher, welcher einen finsteren Blick aufgelegt hatte und sein Gegenüber fixierte. Zwei Männer, welche Seth anhand der gräulichen Kleidung und des schweren Schmuckes als Minister erkannte, jedoch ihre Namen nicht wusste. Und in ihrer Mitte Ephrab, welcher ein ruhiges Lächeln aufgelegt hatte und mit spielerischen Händen die Dellen des Kelchfußes abfuhr. Ihm hingegen schien es blendend zu gehen in seiner hellgrünen Kleidung und dem lockeren Haar. Er schien fast einen Hauch zu entspannt.

„Du weißt, dass du deine Pläne nicht so verwirklichen kannst wie es dir vorschwebt. Du verkennst das Wort des Pharaos und die Schlagkraft ägyptischer Truppen.“ Fatil ließ sich nicht von den Priestern ablenken und sprach nur ein Augenzwinkern später weiter, als wären die Türen nie geöffnet worden.

„Ich fühle mich beleidigt“ sprach Ephrab und provozierte durch den unbesorgten Ton seiner Worte. „Warum lässt der Pharao unsere Unterredung stören von niederen Standesmännern?“

„Stand? Du hast es nötig, von Stand zu sprechen!“ fluchte Fatil und kniete sich aus dem Schneidersitz auf, stützte die Fäuste auf den Tisch. „Du bist nicht mal Ägypter und erdreistest dir ein Sprechen, welches dir nie erteilt wurde!“

„Ich bin einflussreich genug, um mir mein Sprechen selbst zu erteilen.“ Er bedachte Fatil mit einem scharfen Blick und schien es zu genießen, ihn zu reizen. „Und du weißt das, Fatil. Mein Einfluss steht dem deinigen längst gleich. Wenn nicht gar mehr.“

„Ich warne dich, Ephrab!“

„Wovor?“ grinste er ihn herausfordernd an. „Willst du mir die Kammerdiener auf den Hals hetzen? Ich bitte dich. Du solltest einen Blick vor die Stadttore werfen. Mein Bruder braucht nur ein Wort von mir und Ras Lanuf wird Pe-Amun in neuen Händen wiederfinden. So solltest du …“

„Du wagst es nicht!“ Fatil knallte beide Fäuste auf den Tisch und wäre sicher herübergesprungen. Wenn nicht der Pharao ihn mit dem Handrücken ganz sachte nur an der Schulter berührt hätte.

Er hatte bis zu diesem Moment mit versteinerter Mine da gesessen als wäre er selbst eine Gottesbüste. Doch nun reichte eine Regung von ihm und es wurde ruhig im Raum. Seine Autorität, seine unverrückbare Stärke schwängerten die Luft und es war ein Hauch von Charaktermacht, diese königliche Aura von den Wänden widerhallen zu lassen mit nur einer Geste und einem Blick. Noch niemals hatte Seth ihn als solch mächtigen Pharao wahrgenommen. Obwohl er kränklich aussah, umgab ihn eine Mauer der Stärke. Wie ein ungreifliches Gebet von einem Gott selbst gesprochen.

„Diese Unterredung führt zu nichts.“ Seine Stimme war gesenkt, glatt wie wasserumspülter Stein. „Ephrab du weißt, dass deine Worte größer sind als deine Taten es sein werden. Deshalb wünsche ich, dass du nun gehst und mich morgen erneut um eine Verhandlung bittest. Und ich erwarte dann eine neue Darlegung von dir.“

Es kehrte eine Hand voll drückender Sekunden ein bis Ephrab geschluckt hatte und mit mutgequetschter Stimme erwidern konnte. „Es wäre Eure Pflicht, mir eine

Darlegung zu unterbreiten. Ich bin es, der …“

„Ich bin niemandem verpflichtet außer meinem Willen und meinen Göttern“ unterbrach er ihn unberührt. „Du magst ein mächtiges Heer und mir nahe Verbündete eignen. Ich jedoch nenne Ägypten mein Eigen. Und dieses Eigen geht über die Grenzen von Pe-Amun hinaus, ebenso wie mein Wort. Und nun geh. Ephrab.“

„Ihr werdet das bereuen, Pharao. Erinnert Euch an meine Worte, wenn Ägyptens Erde blutgetränkt in der Sonne verfault.“ Er packte den Lederbeutel neben sich und kam erbost in den Stand. Seine beiden Begleiter folgten ihm langsamer und vermieden den Blick in des Königs Augen.

„Ägyptens Erde fault nicht“ sprach der Pharao unverrückbar auf seine bildhaften Drohungen. „Sie gedeiht, grünt und gebiert. Deine Füße wandern auf spitzen Kieseln, meine hingegen auf sattem Gras. Ich teile meinen Boden freigiebig mit Freunden, jedoch verteidige ich ihn umso erzürnter gegen Feinde. Denn mit mir gehen alle Füße Ägyptens im Gleichschritt. Und wenn ich auftrete so hallt ein Donner vom Himmel nieder. Denn ich bin mehr als Pe-Amun. Ich bin Ägypten.“

„Wir werden es sehen.“ Dies waren Ephrabs letzten Worte, welche er im Hinausgehen sprach und mit schnellen Schritten den Bann des Pharaos durchbrach, um vor ihm zu fliehen. Ihm nach die zwei schwer geschmückten Männer, welche bar jeder Worte folgten.
 

„Schließt die Türen“ sprach Djiag zu den Wachmännern, welche dies nach dem letzten Minister sofortig befolgten.

Aufgewühlt von den schweren Worten des Pharaos spürte Seth sein Herz nicht schlagen und seine Füße ihn nicht tragen. Er beobachtete ohne einen Gedanken, wie sein König die Krone vom Haupt nahm und den weißen Schleier über seine Schultern herabstriff. Sein helles Haar nassgeschwitzt und sein Hals dünn. Er verwandelte sich von einem Herrscher in einen Kranken. Als wären zwei Seiten an ihm, welche einander ablösten. Und obwohl Seth die Ehrfurcht und der Respekt gefangen nahmen, wurde sein Blick von Liebe und Bewunderung genährt. Atemu war mehr als nur ein Mann. Er war der Sohn der Götter.

Erst sein Seufzen gab auch Seth Luft zum Atmen und die versteinerte Stimmung floss zu den Fenstern hinaus, um an der Sonne zu vergehen.

„Majestät, wir wollten Euch nicht stören.“ Djiag kniete sich vor ihn, ließ sich die Hand reichen und küsste sie. „Ich ahnte nicht, dass Ihr ausgerechnet Ephrab empfangt.“

„Dies war auch nicht beabsichtigt. Doch bin ich froh, dass du diese Audienz unterbrochen hast.“ Für seinen Hohepriester fand er eine aufgehellte Stimme und für Seth sogar ein herzenswarmes Lächeln. „Du bist zurück, mein Seth.“

„Geliebter Pharao.“ Wie von selbst fanden seine Schritte zu ihm, seine Knie ihren Platz auf dem Sitzkissen und ihre Lippen zueinander. Ihre Arme umschlangen sich und auch wenn sie nicht allein waren, so suchten sie die enge Nähe, erzwangen ihre Herzen Gemeinschaft. Es war wie Medizin in diesen kranken Zeiten, wenn sie einander spürten, die Wärme und die Wohltat der feuchten Lippen. Sie waren nur Tage getrennt und doch ausgedurstet wie Wüstenerde. Sie spürten das Wiedersehen wie ein Bad im kühlen Nil in der Hitze des Tages. Nur kurz getrennt von so vielen Sorgen umgeben, war nur ein Kuss für Sekunden Flucht aus dieser Welt.

„Mein Pharao, bei allem Verständnis für Eure Sehnsucht“ sprach Fatil, der sich sichtlich ein wenig berührt vorkam. „Der Hohepriester ist anwesend zählt alle Steine, mit welchen der Platz gepflastert ist.“ Der stand nämlich am Fenster und blickte mit gewollter Abwesenheit hinaus. Es war nicht standesgemäß, wenn der Pharao sich auf die Lippen küssen ließ und dabei weitere Menschen im Raum weilten. Hinter verschlossenen Türen konnte er jeglicher Lust nachgehen, vor anderen jedoch musste er wenigstens einen Hauch von Beherrschung wahren. Und so drehte sich der alte Hohepriester herum und gab vor, den Hof außerhalb des Fensters zu betrachten. Doch ihm dies lang zuzumuten wäre wahrlich zu viel verlangt.

„Verzeih, Djiag“ hauchte der Pharao und ließ sich in Seths Arme fallen, in welche er sich einbettete wie eine Katze in ihren Korb. „Mein Gemüt ist schwach derzeit.“

„Nein, Ihr seid stark. Euer eiserner Wille wie Euer unnachgiebiges Herz“ erwiderte er, drehte sich langsam herum und nahm gegenüber des Tisches Platz, wo eben noch Ephrab seine Drohungen ausstieß. „Majestät, ich kenne Euch seit Ihr Eure ersten Schriften maltet. Und ich weiß, dass Ihr derzeit andere Bedürfnisse habt als die strenge Etikette vor einem alten Freund.“

Atemu seufzte und schloss seine müden Augen, als Seth sich nahe zu ihm setzte und ihn mit seinen Armen umschlang. Wenn der Pharao die Nähe suchte, so wollte er sie ihm nicht vorenthalten. Ganz anderes als das.

„Ich möchte Euch meine Verehrung aussprechen“ fuhr der Alte mit sanftem Lächeln fort. „Man merkt es Ephrab an, dass er kein leichtes Spiel mit Euch hat. Ich vermute, er hat Euch unterschätzt.“

„Es war Fatils Rat“ antwortete er und genoss es, Seths Hände zu befühlen, zu streicheln und ihnen verliebte Blicke zu schenken. „Er war mir in den letzten Tagen der beste Ratgeber, auch wenn mir seine Taktik schwer von den Lippen geht.“

„Die Taktik, ihm mit der Macht Ägyptens zu drohen?“ fragte Seth ihn mit seichter Stimme. „Ephrab spricht vom Palast und der Stadt. Ihr aber sprecht von der Kraft ganz Ägyptens. Und er sieht, dass Ägypten mehr ist als das, was er hier sieht. Ihr habt Anhänger und Verehrer in allen Teilen des Reiches. Er sieht, dass er die Liebe Eures Volkes unterschätzt hat. Selbst die Minister waren eingeschüchtert von Eurer Stärke.“

„Du denkst schnell“ lächelte der Pharao verliebt. „Meinst du, ihm flatterten die Nerven?“

„Wenn Ihr seine Nerven so flattern lasst wie mein Herz, so hat er schon verloren.“

„Oh Seth!“ lachte Fatil und schüttelte belustigt den Kopf. „Du kannst ja so lieblich sprechen wie meine Frauen.“

„Ich glaube kaum, dass dir deine Frauen mal so was sagen“ lachte nun Djiag ihn aus, was Fatil ein gespielt beleidigtes Brummen entlockte. „Komm, Palastvorsteher. Lass dem verliebten Paar sein Wiedersehen vergönnt sein.“

„So sehr ich diese Idee auch begrüße“ seufzte der Pharao und blickte Djiag bedauernd an. „Ich werde noch eine Audienz für …“

„Wenn ich Euch unterbrechen darf, mein König“ bat der Hohepriester und senkte respektvoll den Kopf. „Bis dahin habt Ihr sicher noch ein paar Minuten Eurer wenigen Zeit. Lasst Euch zumindest über die Reise des Priesters berichten. Er bringt wichtige und gute Informationen für Euch.“

„Ich stimme dem Hohepriester zu“ pflichtete auch Fatil bei und begleitete ihn zur Tür, welche die Diener nach einem leisen Klopfen öffneten. „Nehmt Euch einen Moment Zeit, mein Pharao. Euer schweres Liebesseufzen ist außerdem kaum zu ertragen.“

„Ebenso Seths“ ergänzte Djiag, nahm Fatil am Arm und suchte ebenfalls die Flucht vor dem königlichen Liebeskummer. „Komm, zögern wir die nächste Audienz noch etwas hinaus bis der Pharao sich ausgeseufzt hat.“

„Ich fühle mich ein wenig auf den Arm genommen“ schmunzelte der König und gab mit einem Nicken den Kammerdienern den Befehl, wieder hinauszugehen und die Türen zu schließen.

„Ich danke Euch, dass Ihr ein paar Minuten für mich findet, mein Pharao.“ Er legte seinen Kopf an ihn und schloss seine Arme enger. „Ich habe Euch so unsagbar vermisst.“

„Ich dich auch, mein Seth“ seufzte er und umarmte ihn seinerseits. Es wäre vorzüglich, in ihn hineinwachsen zu können, um ihn immer bei sich zu haben, immer in seinen schützenden Armen zu liegen. „Sag, wie ist es euch ergangen? Wie geht es meiner Familie? Ich habe in deinem Gesicht sofort gelesen, dass sie wohlauf sind.“

„Dass Ihr mich lesen könnt, ehrt und besorgt mich, Majestät.“

„Das muss es nicht. Zu anderen spricht deine Mine nicht wie zu mir. Aber nun sag, wie ist es euch ergangen? Oder muss ich doch um ihr Wohl fürchten?“

„Wahrlich nicht, es ist alles so abgelaufen wie Ihr es vorgesehen habt. Eure Lieben sind wohl aufgehoben und gesund. Sie vermissen Euch, doch sie weilen in bester Gesellschaft.“ Er beschloss, ihm jetzt über die Nachhut des fremden Heeres und seinen versuchten Beischlaf mit Emenas nichts zu berichten. Nicht, wenn sie nur so kurz füreinander Zeit hatten. Es würde ihm nur Sorgen bereiten und diese hatte er sichtlich zur Genüge. „Aber sagt mir bitte, wie geht es Euch?“

„Du bemerkst sicher, wie es steht“ seufzte er und schloss einen Moment seine Augen. „Es ist schwer und ich tue, was ich kann. Wichtig ist, dass das Volk nicht in Panik gerät. Deshalb ist der Erfolg des nahenden Feiertages unsagbar wichtig. Dann sind mir ständig Häscher auf den Versen, die libysche Königin steht so gut wie vor unseren Toren und die fremden Soldaten wetzen bereits ihre Waffen. Jetzt kann ich verstehen, weshalb meine Vorväter leicht den Krieg als Ausweg wählten. Niemals hätte ich vermutet, dass es so schwer ist, ein Reich zu befrieden.“

„Ja, die Lage liegt schwer und beneidet habe ich Euch nie für Eure Pflichten“ erwiderte er und streifte sein nassegeschwitztes Haar ein wenig zurück, um es leichter trocknen zu lassen. „Ich weiß, dass Ihr mein Sprechen darüber nicht mögt, jedoch sorge ich mich um Euch. Ihr macht einen kränklichen Anschein.“

„Ich bin nicht krank. Nur ein wenig erschöpft“ gab er leise bei. „Doch was soll ich tun? Ich kann mich nicht zurücklehnen. Selbst wenn ich für kurz in meinem Bett liege, ist mein Geist wach und streift durch den Palast. Da kann ich ebenso gut auf den Beinen sein.“

„Ich verstehe Euch“ flüsterte er und setzte ihm einen vorsichtigen, warmen Kuss ans Ohr. „Doch sind meine Arme für Euch offen. Tag und Nacht, wann immer Ihr ruft. Ich tue für Euch, was immer ich kann. Und wenn ich Euch auch nur in den Schlaf zu wiegen vermag.“

„Ich würde gern von dir gewiegt werden“ hauchte er müde. „Seth, ich bin so ausgelaugt. Kennst du dieses Gefühl, wenn dir alles so vergebens vorkommt? Egal, was du tust, es hat keinen Effekt? Außer dass es dich betrübt und zweifeln lässt an unseren guten Göttern?“

Seths Herz schlug betrübt über diese schweren Worte und unendlich traurig über die Antwort, welche er ihm geben müsste. Nein, er kannte dieses Gefühl nicht. Seit er vor nur wenigen Jahren gelernt hatte, Gefühle zu empfinden, seitdem war ihm niemals ein ähnliches Gefühl begegnet. Er erinnerte sich an nichts, was dem Fühlen des Pharaos gleichzukommen vermochte. Das einzige, was er fühlte, war diese Nutzlosigkeit. Er wollte ihn stärken, doch wie sollte er das tun, wenn er so ratlos war?

„Ich würde Euch so gern helfen“ versprach er traurig. „Wenn ich doch nur einen Weg wüsste. So kann ich nicht mehr tun als Euch in meine Gebete einzuschließen und darauf zu vertrauen, dass die Götter Euch wohlgesonnen sind. Sie sprechen ihren Segen für Euch und werden Eure Schritte auf sicherem Boden lenken. Weil Ihr nicht weniger seid als Ihr selbst, Atemu.“

„Du bist mein Segen.“ Obwohl Seth ratlos war, so gaben seine Worte doch großen Trost für sein erschöpftes Herz. „Hättest du nicht beten wollen, so hättest du Ephrabs Pläne nie entlarvt. Dann wäre nicht nur meine Familie, sondern auch ich selbst gemordet. Wenn du bei mir bist, kann ich stark sein. Du bist mein Gottessegen. Mein Seth.“

Sie blickten sich an und fühlten, dass ihre Herzen nun wieder im Gleichklang schlugen. Auch wenn sie der Wunsch eher weit fort führte von all den Problemen hier, so mussten sie doch bleiben, denn zu viel folgte auf die Taten des Pharaos. Dennoch gab es noch immer diese kleine, zerbrechliche Welt, welche nur sie zu Gästen empfing. Eine kleine Privatheit nur für sie beide. Voll Wärme und Geborgenheit. Und sie war da, sobald ihre Blicke sich fanden.

„Ich muss nun gehen“ seufzte der Pharao und erhob sich gegen sein Herz und für seine Pflicht. Leider fort aus Seths Armen und seinem seltenschönen Blick. „Die Lage mit den abtrünnigen Ministern ist bereits angespannt. Wenn ich so kurzfristig fehle, wird das die Gemüter nicht kühlen.“

„Lasst mich Euch bitte ein Stück begleiten“ bat Seth, half erst dem Pharao auf und kam dann selbst vom Kissen hoch. „Ich weiß, es ist dreist, Euch dies nun zu fragen, mein Pharao. Jedoch hoffe ich auf ein paar ungestörte Stunden mit Euch allein.“

„Darauf hoffe ich auch.“ Er nahm seinen weißen Umhang von den Schultern und legte ihn über sein Haupt. Sicher war dies ein Versuch, seine derzeit schlechte Verfassung darunter zu verbergen. Als Pharao durfte er keine Schwäche zeigen, stets musste er stark wirken. Und deshalb trug er auch seine glänzend polierte Krone mit den weit abstehenden Flügeln über seinem verdeckten Haupt. Auch wenn sie schwer war, so zeigte sie doch mehr als alles andere seine Macht und ließ ihn größer erscheinen. Er nahm dann Seths Arm, hängte sich hinein und ließ seinen Priester dann an die Tür klopfen, damit sie geöffnet wurde. „In jedem beschäftigten Moment denke ich an dich, mein Seth. Und der nächste freie wird mich in deine Arme führen. Das verspreche ich dir.“

„Mein Wunsch wäre es, Euch alle Momente des Tages und der Nacht schützend in meinen Armen zu halten, Geliebter. Und ich wünschte, ich könnte mehr für Euch tun als Euch nur Eure kostbare Zeit zu stehlen.“

„Du stiehlst nichts, Seth“ versprach er und drückte sich im langsamen Gang an ihn heran. „Mit dir zusammen zu sein, ist wie Trinken an einem heißen Tage. Es erfrischt mich und macht mich stark. Wenn du nicht wärst, würde ich verdursten.“

„Ihr sprecht in schönen Bildern. Doch wünschte ich, ich könnte mehr tun.“

„Dann teilen wir diesen Wunsch. Auch ich wünsche, ich könnte mehr tun.“ Er blickte an ihm hinauf und versuchte sich an einem Lächeln. „Wir dürfen den Mut nicht verlieren, mein Seth. Nun, wo du wieder bei mir bist, fühle ich meine Kräfte zurückkehren. Ich bin so gern mit dir zusammen. Wenn wir …“ Doch er hielt seine Worte an, als eine Stimme nicht weit fort ertönte. Es war ungewöhnlich, in diesem Trakt Stimmen zu hören. Hier lagen nur kleine Arbeitsräume und die Dienerschaft war dazu angehalten, still zu sein, um die Geschäftigkeit nicht zu stören. Die Gänge wurden nur zum Durchstreifen genutzt und nicht zum Verweilen.

„Still“ flüsterte der Pharao und blieb an der nächsten Flurgabelung stehen, um zu lauschen. Er hielt sich dicht an Seth gedrückt und spitzte seine Sinne, doch es war nichts weiter zu hören. „Habe ich Geister gehört?“

„Nein, ich habe auch etwas vernommen“ hauchte er zurück und tat einen behutsamen Blick um die Ecke. Doch als er dort zwei Männer stehen sah, zog er ihn schnell wieder zurück. Sie waren nahe und es waren keine Diener. Dieses hellgrüne Gewand hatte er schnell erkannt, also musste es Ephrab sein.

„Was …?“

„Still“ unterbrach er den Pharao und zog ihn leise zwei Schritte nach hinten, um nicht entdeckt zu werden. „Ephrab“ erklärte er verschwindend leise und wies um die

Ecke, damit der Pharao verstand.

„Und jetzt will ich davon kein Wort mehr hören.“ Genau der brach nun das Schweigen und schritt direkt an der Flurgabelung vorbei. Er sah den Pharao und seinen Priester nicht, da er den anderen Gang ansteuerte und zusätzlich seinen Blick auf den Mann in seiner Begleitung wandte. Nun erkannten sie in diesem kurzen Moment nicht nur Ephrab, sondern auch seinen Bruder Anhay, welcher die hohe Uniform des Heeres trug und durch seine dunkle Haut sehr aus der üblichen Menge gewöhnlicher Männer herausstach. Ihre Feinde erkannten sie schnell.

„Glaubst du wirklich, ich täusche mich?“ fragte Anhay und schritt bedächtig neben seinem Bruder. „Du weißt, wie lange ich schon auf ein Zeichen hoffe.“

„Und ich wünsche dir, dass du es bald sehen mögest“ erwiderte Ephrab und senkte seine Stimme für ihn. Zu seinem Bruder sprach er anders. Liebevoller, aber dennoch stark. „Aber wir haben derzeit unsere Kräfte auf anderes zu legen, mein Bruder. Jede Unachtsamkeit ist ein Fehler. Sobald wir Pe-Amun eingenommen haben, folgt ganz Ägypten. Und wenn ich erst dieses Reich regiere, werde ich all meine neue Macht daran setzen, auch dir deine Wünsche zu erfüllen. Das verspreche ich dir. Doch das kann ich nur, wenn ich auf dich vertrauen kann.“

„Ich weiß, wie wichtig dir das alles hier ist. Und du kannst darauf vertrauen, dass ich dich nicht enttäusche“ antwortete er mit schwerer Stimme. „Der Rest meiner Truppen wird spätestens morgen eintreffen. Dann kannst du der lybischen Königin all deine Angebote unterbreiten, ohne dass der Pharao dich an etwas hindert.“

„Ich habe gewusst, dass du die richtige Wahl warst.“ Man hörte ein Lächeln in Ephrabs Stimme, selbst da die beiden sich zunehmend entfernten und ihre Geräusche leiser wurden. „Gemeinsam werden wir all unsere Träume wahrmachen und unseren Vater ehren. Gemeinsam, Anhay.“

Als sie um eine nächste Ecke verschwanden hörte man nichts mehr. Der Pharao atmete leise auf und musste dann doch versteckt lächeln.

„Dass ich mich an eine Wand drücke wie ein kleiner Dieb“ schmunzelte er über sein eigenes Verhalten. „Als müsse ich mich dafür schämen, meine Gänge zu beschreiten.“

„Ephrab und Anhay scheinen ein merkwürdiges Verhältnis zu haben“ stellte Seth nachdenklich fest. „Obwohl Anhay mit seinen Truppen so mächtig ist, scheint er sich stark von seinem Bruder dominieren zu lassen.“

„Es gibt verschiedene Arten der Bruderschaft“ erwiderte Atemu. „Ich sehe es bei Fatil und seinen Brüdern. Fatil ist der Erstgeborene und dominiert damit die Familie. Auch wenn zwei seiner Brüder mächtige Landesherren sind und ihm an Kraft überlegen. Doch wichtig ist nicht, was man besitzt, sondern welche Kontakte man sich aneignet. Ich habe Anhay nur zwei Mal gesprochen und er hat seinem Ruf als zynischer Heißsporn alle Ehre gemacht. Doch beschlich mich das Gefühl, dass er dies aus Unsicherheit tut. Nun stelle ich fest, dass anscheinend Ephrab derjenige ist, der über Anhay verfügt und ihm scheinbar Versprechungen im Tausch für seine Treue macht. Außerdem legt allein das Äußere nahe, dass Ephrab und Anhay nicht wirklich blutsverwandt sind. Anhays Haut ist fast schwarz. Dies ist jedoch rätselhaft, da ihm die typischen Attribute schwarzer Männer fehlen. Seine Züge sind zu zierlich als dass er wahrlich aus dem Süden stammt. Ich denke er könnte ein Mischling sein. Vielleicht ein Halbbruder Ephrabs. Soweit ich weiß, ist die Vielweiberei auch im Orient gängig wie bei uns. Nur eben, dass Schwarzhäutige bei uns ausschließlich zur Sklaverei eingeführt werden. Vielleicht ist dies im Orient anders.“

„Ihr beobachtet Euer Gegenüber stets aufmerksam“ nickte Seth beeindruckt.

„Besonders seine Feinde sollte man gut im Auge behalten. Diese Bruderschaft könnte der erste Stein eines hohen Baus sein.“

„Diese Worte könnten von Fatil stammen, mein Pharao.“

„Ja, er verstärkt seinen Einfluss auf mich“ lächelte er ertappt. „Doch gibt er nur auf mich Acht. Anhay ist gefährlich, umso gefährlicher da er undurchschaubar handelt. Fatil lässt beide Brüder bespitzeln, doch sind sie stets von Soldaten umgeben. Es ist schwer, sie in privaten Augenblicken zu sehen.“

Da kam Seth der Gedanke daran, was Djiag ihm geraten hatte. Er solle Fatil von seinem Erlebnis mit Anhay erzählen. Wenn dies ein privater Moment gewesen war, so hatte Fatil vielleicht ein Bruchstück eines Ganzen. Auch wenn es nur wenig war, so blieb dennoch zu hoffen, dass es sein Bild ergänzen konnte.
 

Und es blieb zu hoffen, dass sich dieses Bild in einen Plan verwandelte, wie man die Eindringlinge vom Pharao entfernen könnte, ohne dass Mord und Krieg das Reich überzogen.



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