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Coming Closer

Wer sagt, dass Liebe einfach ist?
von

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Memories

08 Memories
 

****Bis meine Stimme dich erreicht, werde ich an diesem Ort bei dir sein.

Ich umarme deinen Körper und halte deine Wangen, und will nicht loslassen. Weine nicht mehr, ich bleibe bei dir bis ein neuer Morgen anbricht.

Auch wenn ich jetzt noch nicht lachen kann, ich werde mein Versprechen sicher halten.****
 

Die Sonne schien auf Yokohama hernieder, Vögel flogen beschwingt zwitschernd durch die üppigen Grünanlagen des Hotels, getragen vom seichten Wind, der in den grünen Kronen der Bäume sein ruhiges Lied flüsterte. Säuselnd suchte sich die angenehme Brise einen Weg in eines der vielen Schlafzimmer um die dortigen Schlafenden aus dem Reich der Träume zu locken. Chrissie räkelte sich müde, leise schmatzend drehte sie sich um und zog ihre Decke noch ein wenig mehr über ihre Schulter. Nina gähnte verschlafen und atmete, alle Viere von sich gestreckt, die kühle Morgenluft ein. Warme Sonnenstrahlen prickelten auf ihrer Haut, geneckt öffnete sie ein Auge und sah an die steril weiße Decke. Mit schlitzartigen Augen drehte sie ihren Kopf nach links und sah ihre Freundin in ihrem Bett, mit dem Rücken zu sich zeigend, liegen.

„Chrissie?“, fragte sie leise.

„Hm…“, kam nur leise unter der Decke der Rotblonden hervor.

Sie wälzte sich gequält blickend zu ihrer jüngeren Freundin herum, ließ ihre Augen aber geschlossen. Nina begann sich langsam mit ihrer Umgebung vertraut zu machen, nach und nach realisierte sie, dass sie sich beide in ihrem Hotelzimmer, im Schlafzimmerbereich befanden. Aufgeschreckt riss sie die Augen auf, fuhr hoch, wonach ihr zunächst enorm schwindlig war, schlug ihre Bettdecke beiseite und sah entsetzt an sich herunter.

„CHRISSIE!“, schrie sie plötzlich los.

Vor lauter Schreck wäre das rotblonde Mädchen fast aus ihrem Bett gestürzt, fassungslos starrte sie Nina aus ihren hellblauen Augen an.

„Sag mal spinnst du?! Was ist denn in dich gefahren?“, fuhr sie sie verständnislos an und rappelte sich schwerfällig auf.

„Mensch Chrissie, fällt dir nichts auf?“

Für einen kurzen Augenblick sah Chrissie skeptisch drein, doch dann viel es ihr wie Schuppen von den Augen.

„Wir sind ja in unserem Zimmer!“, stellte sie überrascht fest und sah sich selbst noch einmal um.

„Genau! Wir waren doch bei der Feier, wie sind wir denn hier hoch gekommen? Und noch dazu liegen wir in Unterwäsche in unseren Betten!“, sprudelte es weiter erschrocken aus ihrem Mund.

Ihre Gesprächspartnerin stellte erst jetzt mit nicht minder großem Entsetzen denselben Zustand bei sich tatsächlich fest. Sie sah Nina mit bedeuten Blick an.

„Ok, warte… wie ist der Abend gestern ausgeklungen?“

„Keine Ahnung! Ich weiß nur noch, wie wir uns ein wenig von den anderen entfernt hingesetzt haben… Wahrscheinlich sind wir eingepennt!“

„Was denn wohl sonst? Ich glaub wohl kaum, dass uns einer von ihnen niedergeschlagen hat…“

„Witzig…“, entgegnete Nina trocken.

Kurzzeitig vertiefte sich jede von ihnen in ihre eigenen Gedanken.

„Was meinst du, irgendwer muss uns ja hier hoch geschleppt haben, ob das einer vom Stuff war?“

Die Dunkelhaarige sah zu ihr rüber und begann zu grinsen.

„Wer weiß, vielleicht sogar wer aus Gackt-Job.“

Chrissie grinste zurück.

„Du willst doch wohl keine Anspielung auf Gackt machen, oder?“

Nina zuckte schmunzelnd mit den Schultern.

„Wer weiß, man kann nie wissen.“

Ihre Freundin schüttelte leise lachend den Kopf.

„Du bist unmöglich…“

„Dito.“

„Dann nehme ich aber Hyde!“

Nina prustete ungehalten los und warf sich mit strampelnden Beinen zurück in ihr Kissen. Eingeschnappt und rot um die Nase, wurde sie von der Älteren angesehen.

„Was bitte ist daran so lustig?“, fragte sie beleidigt.

„Du… du glaubst doch wohl nicht etwa… Ich könnt mich wegwerfen! Ich meine… Hyde, ich bitte dich! Der Kleine… der schafft dich doch nicht die Treppe hoch!“, antwortete sie mit vom Lachen erstickter Stimme.

„Hey ja! So klein ist er nun auch nicht und kräftig genug sicherlich auch! Außerdem bin ich relativ leicht! Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Gackt dich die Stufen hoch gewuchtet haben soll!“, konterte sie entrüstet.

Nina verstummte sofort und lugte beleidigt unter ihrer Decke hervor.

„Mou~ das war fies…“, maulte sie betreten.

„Aber du, oder wie?“, rechtfertigte sich Chrissie und wühlte sich aus dem Bett.

Beide Mädchen hatten eine wüste Bettfrisur, sie mussten sich in der Nacht viel gewälzt haben, wer weiß was sie so an Träumen ereilt hatte. Nina erhob sich ebenfalls aus ihren Federn und streckte ausgiebig alle Gliedmaßen. In diesem Moment klopfte es an der Tür, fragend sahen sie sich an, verfielen dann jedoch schnell in Hektik, wühlten in ihren Taschen nach irgendetwas zum Überziehen und flitzen dann zu ihr hin. Es klopfte noch mal, Nina öffnete die Tür und stand nun einem verdutz dreinblickenden You gegenüber.

„Na ihr? Schon wach?“

Leicht verlegen nickten sie nur stumm. Nina hatte sich schnell ihren halblangen, roten Yukata geschnappt, während Chrissie in ihrer Not nur schnell ihr eigentliches Nachthemd übergeworfen hatte. You musterte belustigt ihre Frisuren.

„Habt ihr gut geschlafen? Ihr wart ja gestern Abend ganz schön fertig gewesen, oder?“

Chrissie zog ihre wie gelähmt dastehende Freundin von der Tür weg.

„Komm doch erstmal rein.“, sagte sie zu ihm und warf Nina einen vorwurfsvollen Blick zu.

Diese zuckte unschuldig mit den Schultern und folgte dann You und Chrissie, die sich in Richtung Couch bewegten.

„Möchtest du etwas trinken?“, bot ihm Chrissie an.

„Nein danke, es gibt gleich Frühstück, ich bin eigentlich auch nur deswegen hier. Zieht euch also schnell an und kommt dann runter in den Speisesaal. Danach habt ihr noch ein wenig Zeit eure Sachen zu packen, es geht nach hause.“

Schweigend nickten sie. Im Hinterkopf brannte beiden noch jene Frage, über die sie vor You’s Erscheinen philosophiert hatten.

„Ähm, You? Darf ich dich etwas fragen?“, meinte Nina schließlich irgendwann schüchtern.

Der schmale Gitarrist nickte und wartete fragend.

„Nun… gestern Abend, was ist da gewesen? Ich meine… wir sind hier aufgewacht, aber nicht hier eingeschlafen…“

You grinste über die verlegende Miene seiner Gesprächspartner.

„Ach so! Ihr wollt wissen, wer euch gestern Nacht hoch getragen hat! Macht euch keinen Kopf, darum hat sich Mike gekümmert.“

Es verschlug den Mädchen wortwörtlich die Sprache, allein die Vorstellung, wie der „Schrank“ sie in ihr Zimmer befördert haben soll, verhalf ihnen zu schaurigen Wallungen in ihren Mägen.

„Und wer hat uns… nun, ausgezogen?“, hinterfragte Chrissie nachdem sie ihre Sprache wieder gefunden hatte und rechnete mit dem Schlimmsten.

„Das haben selbstverständlich unsere Tänzerinnen übernommen.“

Wie zwei nasse Säcke fielen sie zurück in die Lehne der Couch, jetzt waren sie wenigstens ein wenig beruhigt. Für einen merkbaren Augenblick schien sich jeder zu sammeln, gab es noch etwas Wichtiges zu sagen?

„Na gut dann, ich werde dann mal wieder runter gehen, wir sehen uns dann gleich beim Essen?“

Sie nickten You zu und begleiteten ihn dann wieder zur Tür.

„So… und was ziehen wir jetzt an?“, fragte Nina nachdem sie die Tür hinter sich wieder verschlossen hatte.

Chrissie sah zum Fenster hinaus, die Sonne blendete und warf ihre heißen Strahlen auf den Garten hinter dem Hotel.

„Auf jeden Fall nichts Warmes…“

Damit machten sie sich über ihre Koffer her, durchstöberten jede Ecke und probierten die verschiedensten Kombinationen aus, bis sie mit ihrer Auswahl schließlich zufrieden waren.

Nina’s ältere Freundin trug eine weiße, knielange Hose aus ganz feinem, luftdurchlässigem Stoff und dazu ein rotes, japanisches Oberteil mit vielen Verschnörkelungen und lockere Turnschuhe, während sie selbst schwarze, leicht hochhackige Schuhe, einen luftigen, knielangen Rock, ebenfalls in schwarz und auch ein japanisch gehaltenes Oberteil trug. Wie das von Chrissie in rot, aber mit schwarzen Schriftzeichen und aus Stretch, kurz genug, dass man ihren Bauch sehen konnte. Beide Mädchen trugen die Haare hoch, die eine mit einer Spange hochgesteckt, die andere in einem Zopf, wobei an den Seiten noch Strähnchen heraushingen. Chrissie sah Nina’s Frisur skeptisch an, klar sah es irgendwo süß aus, aber der lange Pony über ihrem linken Auge wirkte einfach zu… lang.

„Du Nina, willst du das Teil nicht endlich abschneiden? Du schaust aus wie ein Grufti damit…“

Ganz perplex legte Nina Hand an ihre Haare.

„Meinst du echt?“

„Sicher, du würdest auch viel offener damit wirken.“

Die Jüngere drehte sich zum Wohnzimmerspiegel um und hielt das lange Gezottel zur Seite um sich besser vorstellen zu können, wie es kürzer aussehen würde.

„Ok, ich verschwinde noch mal schnell im Bad.“

„Aber beeil dich, die sind bestimmt schon alle am Frühstücken!“, betonte die Rotblonde mit Nachdruck.

Keine fünf Minuten später stand ihre Freundin wieder vor ihr, der Grufti-Look war einem kurzen, erfrischenden Pony gewichen, der kurz über den Augenbrauen endete.

„Na siehst du! Geht doch!“

Auch Nina war damit zufrieden, sie hatte den Eindruck, dass ihre Augen dadurch größer wirkten. Ohne noch großartig Zeit zu verschwenden eilten sie hinunter in den Speisesaal. Wie erwartet war er bereits bis zum Anschlag voll, jeder mit Miso, Reis und frischen Eingelegtem beschäftigt. Jedes Mal, wenn sie in einen dieser vollgefüllten Räume traten, fühlten sie sich, als würde man sie vorführen, stets ruhten sämtliche Blicke auf ihnen. Mit der Zeit gewöhnte man sich aber daran, ungerührt wanderten ihre Blicke über die Menge hinweg in der Hoffnung, irgendjemand würde ihnen einen Platz anbieten. Tatsächlich war es Hyde, der verlassen an einem Vierertisch zu ihnen hinüberwinkte, die Backentaschen prall gefüllt mit Unmengen von Frühstücksutensilien. Erleichtert und schmunzelnd gesellten sie sich zu ihm.

„Guten Morgen!“, begrüßten sie ihn herzlich erfreut und nahmen Platz.

„Na? Habt ihr eine angenehme Nacht verbracht?“, erwiderte er, als gerade Platz genug in seinem Mund war um zu sprechen.

Wieder nickten sie, noch etwas unschlüssig, womit sie genau anfangen sollten, Reis… Miso… dem eingelegten Gemüse…

„Sagt mal, habt ihr vielleicht Gackt gesehen?“

Schnell hatten sie den Gedanken an das typisch japanische Frühstück verdrängt und sahen den zierlichen Musiker mit verwunderten Augen an.

„Wieso? Ist er denn nicht aufgetaucht?“, hinterfragte Chrissie und nahm sich jetzt doch ein wenig Reis in ihre Schüssel.

Hyde bemühte sich seinen gerade genommenen Bissen so schnell wie möglich runterzuschlucken und ließ beiläufig einen Blick auf den freien Stuhl neben ihm fallen.

„Nun, eigentlich waren wir zum Frühstück verabredet, aber ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Er meinte zwar, dass er ausnahmsweise ganz gerne etwas länger schlafen wollte, aber das er sich deswegen so verspätet…“

Mit vielsagenden Mienen sahen sich Chrissie und Nina an. Hyde erkannte schnell eine gewisse Besorgnis in ihren Blicken.

„Jetzt bleibt mal ganz ruhig und genießt das Essen. Wenn er eben etwas länger schläft, dann umso besser für seine Gesundheit. Sollte er das Frühstück tatsächlich verpassen, dann lasse ich ihm etwas einpacken.“

Sie sahen in seine dunkelbraunen Mandelaugen und ließen sich beruhigen, für den Rest des Essens schwiegen sie, wenn sich die Mädchen ab und an auch ein leises Kichern über Hyde’s ausgewachsenen Hunger nicht verkneifen konnten.
 

„Bist du fertig?“, rief Nina ihrer zu ihrer Zimmergenossin und zog gerade den Reißverschluss ihrer Tasche zu.

„Ja, denke schon. Ich guck nur eben, ob ich was vergessen habe.“, antwortete sie und warf ihren welligen Zopf über ihre Schulter.

Sie sahen sich noch mal gründlich in dem Apartment um, zum einen um wirklich nach vergessenden Utensilien zu suchen, zum anderen um sich alles genau einzuprägen. Schließlich war dies kein gewöhnlicher Urlaub, den man jeder Zeit wiederholen konnte, es war etwas Einzigartiges, die Erfüllung eines Traumes, den sie in solchen Ausmaßen sich nie getraut hätten zu träumen!

„Na komm Nina, You sagte doch, dass wir danach nur noch wenig Zeit hätten um unser Zeug zu packen und wie du vielleicht weißt müssen wir noch mal zur Hotelleitung, wegen dem Geld und so…“

„Ich bin ja schon da.“

Sehnsüchtig warfen beide noch einen letzten Blick zurück und verließen dann endgültig das Hotelzimmer.
 

Hyde mischte sich mit seinem spärlichen Gepäck unter die im Empfangssaal wartende Menge, sie schien etwas unruhig, mit prüfendem Blick sah er in die tuschelnden Gesichter. Gackt-Job stand nicht weit von ihm, schnell hatte ihn You ins Auge gefasst und kam auf ihn zu.

„Was ist denn hier los? So unruhig hier…“, sprach der Sänger You an.

„Gackt ist nicht da und wir wissen auch noch nicht, wo er sich denn rumtreibt. Schnell was anderes, sind unsere beiden Gäste schon aufgetaucht?“

„Ähm… soweit ich weiß wollten sie noch zur Hotelleitung um ein paar Sachen abzuklären… und wie, Gackt ist nicht da?“, entgegnete er sichtlich überrumpelt.

You sah kurz nach rechts und links, beugte sich dann runter zu ihm und begann leise zu antworten.

„Na ja, nachdem er nicht beim Frühstück aufgetaucht ist sind wir natürlich hoch in sein Zimmer, sein Gepäck stand schon fertig da, aber von ihm selbst fehlt jede Spur. Nun wollen wir aber keine Panik machen, bevor nicht alle ordnungsgemäß abgemeldet sind und sich hier eingefunden haben. Es wissen nur eine Hand voll von der aktuellen Situation, aber das er nicht hier ist scheint die anderen doch schon etwas nervös zu machen.“

Hyde schluckte.

„Hat denn noch niemand nach ihm gesucht?“

„Bisher nur ich an vereinzelten Stellen, aber wenn ich jetzt auch noch verschwinde geht es hier erst richtig los, außerdem vertraue ich darauf, dass sich Gackt hier bald von allein einfindet, für gewöhnlich ist er immer diszipliniert genug um keinen Mist zu machen.“

Sie schwiegen und dachten nach, genau da tauchten Chrissie und Nina aus der Menge auf.

„Schön, dass ihr endlich hier seid.“, wurden sie von You begrüßt.

Ihr sechster Sinn sagte ihnen schnell, dass etwas nicht in Ordnung war.

„Was ist denn los?“, fragte Chrissie interessiert.

Hyde legte den Zeigefinger auf seine Lippen.

„Gackt ist bisher noch nicht aufgetaucht, aber das soll nicht jeder wissen, ist schon genug Unruhe hier.“

Nina fiel gleich aus allen Wolken, Gackt war nicht da? Wie konnte das denn sein? Hatte man denn immer nur Ärger mit ihm? Zu Überraschung aller wurde sie nicht gleich hysterisch, sondern setzte einen beleidigten Blick auf und schüttelte den Kopf.

„Nichts als Ärger mit ihm… wie ein kleines Kind der Mann!“

Nach kurzem Verdutzt sein der beiden Männer brachen diese in leises Gelächter aus. Chrissie grinste bei diesem Anblick.

„Na gut… dann werden wir mal suchen gehen, ist sicher sinnvoller als hier rum zu stehen und darauf zu vertrauen, dass er den Weg hier her findet.“

Nina’s Art von Gackt zu reden war schon leicht skandalös, aber wo sie Recht hatte, hatte sie Recht und irgendwo war ihre Gelassenheit dabei auch wieder charmant. Ihre Freundin schloss sich stillschweigend grinsend an, sie dachte sich ihren Teil dazu. Kaum waren sie von der Menge weg, konnte sie ihren Mund aber schon nicht mehr halten.

„Sprichst ja sehr vertraut von ihm.“, sagte sie ihm spitzen, provokanten Ton.

„Und? Ist ja nicht so, dass wir ihm solche Macken nicht zugetraut hätten, in etwa so hab ich ihn mir schon vorgestellt, also überrascht mich das jetzt wenig.“, meinte sie trocken und überlegte schon mal, in welche Richtung sie gehen wollte.

„Ja, ja… wie ein altes Ehepaar…“, ärgerte Chrissie munter grinsend weiter.

„Ach was! Totaler Blödsinn! Ist jetzt auch egal, das hier ist wie Ostereier suchen.“, verteidigte sie sich vehement, aber nicht ohne das sich ein leichtes Rosa auf ihren Wangen abzeichnete.

Chrissie grinste weiter hinterlistig.

„Ach was? Insofern, dass du ihn gerne vernaschen würdest?“

Nina drehte sich so heftig auf dem Hacken um, dass ihr Zopf ihr in Schwungrichtung wieder ins Gesicht klatschte.

„Hör auf!“, knurrte sie wie vom Teufel besessen, doch Chrissie lachte nur ausgelassen.

Nina’s Teint wurde immer dunkler, einmal war es die Wut und auf der anderen Seite, das musste sie sich eingestehen, weil es ihr peinlich war an dieser Schwachstelle gepackt zu werden.

„Heb dir deine Späße für später auf, dann reden wir mal Klartext, auch über dich und deine schmachtenden Blicke Hyde gegenüber. Am besten, wir trennen uns hier.“

Damit drehte sie sich wieder um und stapfte davon, zurück blieb Chrissie, erschüttert darüber, dass sie das verlegen machte. Sie schmachtete Hyde doch gar nicht so sehr hinterher, oder etwa doch? Während sich ihre kleine Freundin darüber den Kopf zerbrach, ob ihre Aussage nun stimmte oder nicht, erkundete sie einen langen Gang, den sie vorher stets ignoriert haben musste. Es gab keine Türen, aber zu ihrer Rechten war alles zum Garten hin offen, sie befand sich also im Freien. Die Sonne fiel auf das viele Mosaik zu ihren Füßen, blendete sie dennoch nicht, da ein Vorsprung über ihr Schatten spendete. Ihre Schritte mit den hohen Schuhen hallten von den Wänden wider, nervös lief sie weiter. Die ganze Zeit über hörte sie das Rauschen von Wasser, sehr wahrscheinlich gab es in diesem Garten auch einen Springbrunnen. Diesen Gedanken hielt sie fest und betrachtete in aller Erfurcht die Pracht der vielen, blühenden Pflanzen. Sie waren nicht klein und ordentlich zurechtgestutzt wie in einem Ziergarten, die blühende und duftende Pracht schien sie an fast allen Stellen zu überragen, wild und ungezähmt, aber doch in gewisser Ordnung. In der Mitte des Gartens stand eine riesige Trauerweide, deren lange Triebe mit dem Wind mitgingen. Verteilt erblickte sie aber auch einzelne Ginko-Bäumchen oder japanischen Ahorn. Nina blickte in jede Abzweigung, die von ihrem Weg abging, suchend hinein. Nach einer Weile überkam sie aber das Gefühl am falschen Ort zu suchen, also wollte sie umdrehen. In diesem Moment kam ein heftiger Wind auf und er trug feinen Niesel zu ihr heran, sie drehte sich zur Seite, dort war der Springbrunnen und vor ihm, im goldenen Sonnenlicht, stand Gackt seitlich zu ihr gewand. Sein braunes Haar wirbelte im Wind, doch es störte ihn nicht, Nina hingegen versuchte verzweifelt sich ihre Strähnen aus dem Gesicht zu halten. Er schien ein Blatt zwischen den Fingern zu halten, was sich wild wand, so als wolle es seinem Griff entfliehen. Er trug ein ärmelloses, weißes, anliegendes Shirt mit hohem Kragen und seine berühmt berüchtigte, schwarze Lederhose. Er hob seinen Kopf zur Sonne, die Augen geschlossen, er genoss das warme Licht. Wie gefesselt beobachtete sie ihn, es war ein phantastisches Bild, gerne hätte sie es festgehalten, sie schwor sich es im Hinterkopf zu behalten. Der Wind legte sich, damit wurde es auch wieder ruhig um sie herum, erst jetzt stellte sie fest, dass Gackt zu summen schien, ein fremdes, aber angenehmes Lied. Sie spürte wie es ihr kalt den Rücken runter lief, wie weich ihre Knie wurden und wie leer ihr Kopf mit einem Mal war. Mit Sicherheit war ihr Blick trüb, geradezu hingerissen starrte sie ihn an und es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, wie sie dort reglos stand. Doch dieser friedliche Augenblick hielt leider nicht ewig, denn Gackt drehte sich nun zufällig um und das Gefühl ertappt zu sein trieb ihr geradezu schlagartig das Blut in den Kopf. Auch er sah sie nicht minder erschocken an, ebenfalls etwas verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und blickte kurz zu Boden. Nina räusperte sich und versuchte ihren Puls wieder unter Kontrolle zu bringen, sie trat ins Sonnenlicht und auf ihn zu, bis sie ein paar Schritte vor ihm stehen blieb.

„Entschuldige… aber man sucht dich, du bist bereits nicht zum Frühstück erschienen und es wird sich schon langsam Sorgen gemacht.“, versuchte sie so ungerührt und selbstverständlich herauszubringen, wie es ihr gerade möglich war.

Gackt, verdutzt über diese sachliche Entgegnung, suchte nach Worten.

„Oh… das tut mir leid, hier draußen vergisst man schnell mal die Zeit…“

Nina sah an ihm vorbei auf den Springbrunnen, der ungerührt seine Wasserfiguren in den Himmel schoss.

„So wie es aussieht sind schon alle Vorbereitungen für die Heimfahrt getroffen, nur du fehlst.“

Sie sah wieder zu ihm auf, inzwischen hatte sie sich wieder beruhigt und konnte ohne große Verlegenheit agieren.

„Genießt du die Sonne hier draußen?“, fragte sie ganz beiläufig.

„Eher die Ruhe.“, antwortete er.

Sie schmunzelte.

„Kann ich verstehen. Solche Ecken findet man nicht überall und auch nicht überall kann man sich einfach mal sammeln und den eigenen Gedanken nachhängen.“

Gackt sah sie noch immer ein wenig überfahren an, nickte aber zustimmend. Als ihr jedoch klar wurde, was sie denn da schon wieder für ein Zeug redete, kam sie sich unheimlich albern vor und wollte am liebsten einfach schnell verschwinden.

„Nun, ähm… äh… vielleicht sollten wir jetzt… ich meine… zurückgehen.“, stotterte sie ganz rot und drehte sich auch schon hektisch um, Gackt grinste.

„Warum ist dir das unangenehm?“, fragte er ganz ruhig.

Als Nina sich zu ihm umdrehte lächelte er sie mit verschränken Armen an, ganz so, als wollte er sie aus der Reserve locken.

»Nein! Warum muss er jetzt so lächeln?«, dachte sie fluchend bei sich.

In der Tat wurden ihre Knie schon wieder so weich, dass sie es nicht wagte sich von der Stelle zu rühren.

„Es ist doch nichts dabei, wenn man zugibt ebenfalls die Ruhe in der Natur zu schätzen.“, fuhr er fort.

„Nun… das ist es nicht… ich wollte nur nicht… Hach!“

Sie schüttelte ihren Kopf um anschließend klar weiter zu reden.

„Ich wusste nicht, ob du so was überhaupt von jemand wie mir hören möchtest, oder ob es dich gar ärgert, dass ich mir anmaße etwas zu sagen, was vielleicht überhaupt nicht stimmt.“

Gackt machte große, verwunderte Augen. Warum sollte ihn das stören? Er war doch auch nur ein Mensch wie jeder andere, oder nicht? Doch dann fiel ihm sein gestriges Verhalten ein, vielleicht hatte er doch mehr Allüren, als er von sich geglaubt hätte und außerdem blieb Nina, egal wie persönlich sie inzwischen miteinander waren, einer seiner Fans. Der Gedanke, dass sich aber jemand für ihn zurückhielt um quasi eine Distanz aufrecht zu erhalten, weil er doch ein Star war, betrübte ihn. Bei seinen anderen Fans mochte ihm das zwar recht sein, doch nicht bei Chrissie und Nina. Er beschloss, dass er den beiden Freundinnen klarmachen würde, dass sie durchaus das Recht hatten auch mal einen Schritt weiter zu gehen, ihm auch freundschaftlich begegnen konnten, wobei er sich daran erinnerte, dass Chrissie ihm gegenüber bereits relativ offen war.

„Nina, rede mit mir über alles was dich interessiert, sei einfach ganz du selbst. Ich hätte dich schon drauf hingewiesen, wenn etwas an deinem Gesagten nicht gestimmt hätte.“

Sie lächelte endlich zurück, was war sie erleichtert über seine Worte! Nun kam der Sänger auf sie zu und deutete ihr den Weg in Richtung Halle, es war allerhöchste Zeit zu gehen. Auf dem Weg zurück, der der Dunkelhaarigen wie eine Ewigkeit vorkam, juckte es Gackt noch in den Fingern, er wollte sie nicht anschweigen, wollte ihr eine Frage stellen, doch wie fing man da am besten an? Nicht das er schüchtern war, aber irgendwie hatte er eher selten ein ganz normales Gespräch außerhalb der Arbeit mit einer Frau geführt, also ließ er sich noch ein wenig Zeit beim Nachdenken. Nina lief mit gesenkten Kopf und beiden Händen vor dem Bauch neben ihm her, sie wagte es gar nicht ihn anzusehen, er lief aufrecht und so legere, warum musste ausgerechnet ihr immer alles peinlich sein?

„Sag mal, wann lässt du denn so die Seele baumeln?“, fragte er sie plötzlich ganz überraschend.

Sie wäre vor lauter Überraschung fast gestolpert, kaschierte das aber geschickt. Sie sah ihn aus ihren großen, braun-grünen Augen an, meinte er die Frage ernst? Gackt fiel auf, dass er diese Augenfarbe noch nie gesehen hatte. Die meisten ausländischen Frauen hatten entweder braune bis schwarze, oder wie sämtliche Blondinen eben blaue Augen. Nina nicht, obwohl sie offensichtlich eigentlich auch blond war, um ihre Pupille war ein schmaler, brauner Streifen, der überwiegende Rest war sattes, tiefes Grün.

„Meinst du die Frage ernst?“

Gackt musste blinzeln, er hatte geträumt, doch dann lachte er kurz auf.

„Ja warum denn nicht?“

Nina zuckte mit den Schultern und überlegte dann.

„Na ja… als ich früher noch bei meiner Oma gelebt habe…“

„Du hast bei deiner Oma gelebt?“, unterbrach sie Gackt.

„Jah~ hab ich… auf jeden Fall hatte sie bis vor Kurzen einen riesigen Garten mit vielen verschiedenen Pflanzen und alle so hoch, dass dich niemand sah und du dich an vielen verschiedenen Orten zurückziehen konntest. Dort hab ich auch immer den Vögeln zugehört, die Sonne genossen und mir den Wind durchs Haar blasen lassen. Ich hab da immer gelesen, gezeichnet oder geschrieben… es war einfach was ganz anderes als daheim.“

Er nickte während ihrer Erzählung immer wieder, nun, als sie fertig war, fielen ihm noch viele weitere Fragen ein, deren Antworten ihn brennend interessierten, doch sie hatten inzwischen die Empfangshalle erreicht, wo sie auch gleich stürmisch begrüßt wurden. Der vermisste Sänger wurde von so vielen Leuten umkreist, dass Nina im wahrsten Sinne des Wortes abgedrängt wurde und sich ganz außerhalb, in den Armen ihrer besten Freundin wieder fand.

„So wie es aussieht hast du ihn gefunden. Wo war er denn?“, fragte Chrissie interessiert, ihre Freundin von oben bis unten musternd, wohl wissend, dass es eine nervenaufreibende Begegnung zwischen ihnen gewesen sein musste.

„Ah… er war im Garten… ganz hinten beim Springbrunnen.“, antwortete sie noch ganz verdattert.

Chrissie begann zu grinsen, sie konnte Nina an der Nasenspitze ansehen, wie hin und weg sie noch war, ihre Augen glänzten, ihre Wangen waren noch leicht rosa und sie schien verwirrt.

„Ok, raus mit der Sprache. Was war los?“

Ihr Gegenüber sah sie mit aufleuchtenden Augen an.

„Chrissie, das hättest du sehen müssen… als ich ihn gefunden hab… das war einfach ein traumhaftes Bild… und dann haben wir uns noch unterhalten, über ganz banale Dinge, er hat sich für mich interessiert…“

Die Ältere zog eine Augenbraue hoch. Ganz offensichtlich drängten so viele Worte in Nina darauf an Chrissie ausgesendet zu werden, doch sie fand in ihrer ganzen Verwirrung einfach keinen richtigen Anfang.

„Ich sag dir was Nina, ich frag dich im Bus noch mal, vielleicht hat sich dann der rosafarbene Nebel um dich herum verzogen.“

Mit einem Schlag wurde es in dem Kopf der Jüngerin wieder klar.

„Was für ein Nebel? Erzähl doch keinen Blödsinn! Du wärst doch jetzt an meiner Stelle genauso drauf!“, verteidigte sie sich vehement, wie immer hatte die Rotblonde damit ihr Ziel erreicht.

Grinsend und kopfschüttelnd nahm sie ihre Freundin an die Hand und führte sie zu den anderen, die sich inzwischen wieder geordnet hatten, die Abreise stand unmittelbar bevor.
 

Wie Chrissie es schon gesagt hatte, die Heimreise fand in einem großen Reisebus statt. Klammheimlich hatten sie sich in die hinterste Ecke verzogen und diskutierten Nina’s Erlebnis aus, natürlich nicht ohne diverse Quietschanfälle, doch niemand achtete auf sie, der wichtigste Teil von Gackt-Job saß eh vorne, sie und der Rest der Mannschaft waren voll damit beschäftigt die Tour auszuwerten. Nur von Gackt’s Zusammenbruch wurde nicht mehr geredet, wahrscheinlich gehörte es zu den Dingen, die ständig passierten, die man schon gewohnt war, auf der anderen Seite hätte es sich eh niemand getraut darauf noch mal einzugehen, wenn auch aus der Gewissheit heraus, dass Gackt sich sowieso nicht belehren ließ. Auch Hyde saß weiter vorn, doch war er der Einzige, der ab und an einen Blick zu den beiden Frauen warf, sich dann aber wieder schmunzelnd umdrehte, sie schienen ihren ganz persönlichen Spaß zu haben.

„Ich denke, wir sollten noch mal anstoßen!“, rief einer aus der Crew und hielt eine große Sektflasche in die Luft, Gackt lachte beherzt, wieder eine Überraschung.

Auch die beiden Mädchen unterbrachen kurz ihr Gespräch und sahen interessiert nach vorne, wo die Flasche ausgiebig geschüttelt wurde. Hyde sah wieder zu ihnen, doch stand er diesmal auf und lief zu ihnen nach hinten.

„Na los, kommt schon mit vor, ihr habt schließlich auch einen Teil zu der guten Stimmung hier beigetragen.“

Hyde ließ sich nicht lange bitten und zog Chrissie bereits an der Hand von ihrem Sitz hoch um sie gemeinsam mit Nina in eine der vorderen Reihen zu platzieren. Beide wurden sie von Gackt und noch ein paar anderen strahlend angesehen, man hielt ihnen noch leere Sektgläser hin, doch die lehnten sie freundlich ab.

„Sorry, aber Sekt ist nicht so unser Ding.“, rechtfertigte sich Nina.

Mehr als ein Schulterzucken bekamen sich nicht. Gackt wurde die Flasche gereicht, er legte einen Korkenzieher an und richtete den Hals Richtung Dach. Alle feuerten ihn an, die einen erwarteten einen großen Knall und einen heftigen Sektregen, andere hofften auf ein sauberes und trockenes Ende dieser Aktion, darunter auch Chrissie und Nina. Plötzlich und unerwartet ruckelte der Bus etwas, Gackt geriet ist Schwanken, zog den Korken unkontrolliert heraus und alles duckte sich. Der Strahl, der sich aus der Flasche seinen Weg nach draußen suchte, landete mit einer Genauigkeit auf Chrissie, dass man es leicht mit Absicht hätte verwechseln können.

STILLE

Alle Augen ruhten auf Chrissie. Hyde versank kleinlaut in seinem Sitz, ein wenig schämte er sich dafür sie beide nach vorne gedrängt zu haben. Gackt hing etwas schief zwischen den Sitzen seiner Kollegen, die halbvolle Sektflasche fest verankert in seiner linken Hand und den Blick leicht entsetzt auf das rotblonde Mädchen gerichtet. Nina starrte sie ebenfalls mit riesigen Augen an, Chrissie schien nur sehr langsam zu realisieren was passiert war, doch ein penetranter Alkoholgeruch stieg ihr in die tropfnasse Nase.

„Oh Mann… wo du Alkohol doch so liebst…“, durchbrach Nina endlich das Schweigen und kramte nach einem Taschentuch für ihre Freundin.

Ein solches wurde ihr von You gereicht, der nicht viel weiter hinter ihnen saß. Chrissie hob die Arme, der Sekt lief in alle Richtungen, ihr Pony war betroffen, auch ihr Gesicht tropfte, aber am schlimmsten hatte es ihr Oberteil erwischt, sie spürte wie es ihr zwischen den Brüsten hinunter zum Bauchnabel lief. Mit gleichgültigem, aber doch herbem Blick sah sie auf und in die entsetzten Gesichter der vermeintlichen Übeltäter.

„Das kann ja jetzt nicht wahr sein… Alkohol… auf meinem Oberteil, auf meiner Haut… in meinen Haaren… Alkohol…“, knurrte sie zurückhaltend zwischen ihren Zähnen hervor und tupfte sich notbedürftig mit dem Taschentuch ab.

„Oh… Enah das tut mir ehrlich leid! Das wollte ich nicht, aber der Bus hat plötzlich so geruckelt…“, versuchte sich der schlanke Sänger zu entschuldigen und rappelte sich wieder auf, gab die Sektflasche ab und flitzte zur Reisetoilette um ein Handtuch zu organisieren.

„Ist ja nicht auszuhalten! Dieses eklige, stinkende Zeug… Ich hasse Alkohol!“, fluchte die Kleine weiter zischend.

Gackt kam zurück und reichte ihr das Handtuch, sie riss es ihm aus der Hand und versuchte sich zu trocknen, war natürlich nicht vollkommen möglich.

„Ich brauche kein Handtuch, ich brauche Wechselklamotten… die sind im Kofferraum…“

Alle sahen missmutig drein, Nina sah hilflos durch die Gegend, alle schauten ein wenig betreten, es war ihnen peinlich, schließlich waren sie auch Schuld, feiern und Sekt trinken wollten schließlich sie und nicht die beiden.

„Jetzt hört mal, hat nicht einer von euch den Anstand ihr ein Hemd anzubieten?“, fragte sie gespielt schnippisch durch die Reisegruppe.

Gemurmel entstand und man sah sich mit vielsagenden Blicken an, Chrissie legte derweilen das Handtuch um ihre Schultern. Mit einem Mal raschelte es nur so im gesamten Bus, Nina guckte ganz verdutzt als sich plötzlich fast alle ihrer Hemden und Shirts entledigten und sie nach vorne zu ihnen durchreichten. Gackt und Hyde mussten lachen als sie den Gesichtsausdruck der Rotblonden sahen, den sie machte als sie umringt von lauter Händen und Oberteilen ganz rot in ihrem Sitz zusammensackte. Schließlich lachten alle laut los, Chrissie nahm das nächst beste, weiße Hemd und zog es sich in der Toilette an, da es ihr zu groß war krempelte sie die Ärmel um und knotete es vorne am Bauch zusammen. Frisch gestylt und des Alkoholgeruches wegen einparfümiert, gesellte sie sich wieder zu ihrer Freundin, von allen Anwesenden angestarrt und belächelt.
 

Es vergingen viele Stunden ehe sie sich wieder vor Gackt’s trautem Heim einfanden. Immer wieder wurden bisher Stuff Mitglieder verabschiedet, der Bus leerte sich gemächlich. Als sie tatsächlich das Tor zu seinem Grundstück passierten war es später Nachmittag, gegen 18 Uhr in etwa. Jeder hievte sein Gepäck bis hoch zur Türschwelle, Gackt schloss die Tür auf und Erleichterung machte sich breit.

„Puh, ich würde vorschlagen, dass wir erstmal unsere Sachen wieder verstauen.“

Es wurde wenig geredet, Gackt und Hyde trennten sich am oberen Ende der Treppe von ihnen. Die Zimmertür hatten Chrissie und Nina wohl vor der Abreise vergessen zu schließen. In ihrem Zimmer angelangt warfen sie sich fix und fertig auf ihr Bett, das war eine stressige Reise und die Unglaublichste zugleich.

„Wow… das so was so anstrengend sein kann…“, murmelte Chrissie in ihre Decke hinein, Nina verstaute schon wieder ihren Kram an den vorgesehenen Orten und schloss abwesend den Kleiderschrank, den sie wohl auch offen stehen gelassen hatten, kam dann aber wieder zurück zu ihr aufs Bett.

„Du sagst es… mein Kopf schwirrt von den ganzen Erlebnissen und ich hab Hunger…“

Ihre Freundin boxte ihr in die Seite.

„Du kannst auch nur an das Eine denken, oder?“

Nina rümpfte beleidigt ihre Nase, das Frühstück war ja nun wirklich schon ne ganze Weile her. Ausruhend lagen sie noch eine Weile so da, nach jeglicher Art von Bewegung war ihnen im Moment gar nicht zumute. Zumindest solange, wie sie Gackt’s laute Rufe noch nicht gehört hatten.

„BELLE!“, drang es laut und deutlich zu ihnen vor.

Sie fuhren erschrocken hoch und sahen sich starr an. Gackt rief noch öfter den Namen seiner Hündin, mal wütend, dann fragen, sogar leicht verzweifelnd. Schnell gewannen sie ihre gewohnte Energie zurück, sprangen vom Bett, stürmten aus der Tür und eilten die Treppe hinunter in den Flur. Dort stand der rufende Sänger gebückt über etliche Paar Schuhe, die fein säuberlich auf einem Schuhabsteller angeordnet waren. Hyde tat das Gleiche eine Ecke weiter von ihm.

„Sucht ihr etwas?“, fragte Chrissie vorsichtig.

Gackt richtete sich auf und sah sie mit geschaffter Miene an, in seinem Blick lag etwas Verzweifelndes, was ihnen das Herz in die Hose rutschen ließ. Hyde bemühte sich derweilen um eine Antwort.

„Wir suchen Belle, sie ist bisher seltsamer Weise nicht aufgetaucht, selbst auf Rufe reagiert sie nicht.“

Gackt lief stumm an ihnen aus dem Flur hinaus, durch das Wohnzimmer und dann in den Garten, wieder rief er nach seiner quirligen Hündin. Chrissie warf Hyde einen vielsagenden Blick zu, er nickte und seufzte dabei.

„Belle bedeutet ihm sehr viel, seid ihm nicht böse wenn er jetzt vielleicht etwas abweisend wirkt.“

Nina schüttelte den Kopf.

„Ach was, mir würde es genauso gehen! Ich wäre wahrscheinlich schon in Tränen ausgebrochen.“

In diesem Moment schlängelte sich May schnurrend durch ihre Beine hindurch, sie schien von dem ganzen Trubel nichts mitbekommen zu haben und sich auch nicht sonderlich dafür zu interessieren. Umso beleidigter wirkte sie, als sie einfach unbeachtet von den drei Zweibeinern zurückgelassen wurde, weil sie sich Gackt bei seiner Suchaktion anschlossen. Draußen erblickten sie Gackt, der auf allen Vieren am westlichen Anfang der hohen Hecke im Gras robbte und suchend Zweige und Blätter beiseite schob, immer wieder Belle rufend.

„So ihr zwei, am besten wir verteilen uns in gleichmäßigen Abständen an der Hecke und suchen mit. Nina zu Gackt, dann Enah und zum Schluss ich.“

Chrissie stand mit offenem Mund und großen Augen da, doch die Chance etwas zu erwidern gab ihr der zierliche Sänger diesmal nicht. Zügig lief er zum anderen Ende des hohen Gewächses und warf sich ohne große Umschweife ebenfalls ins Gras. Noch etwas unschlüssig sahen sich die beiden Mädchen an, doch dann waren sie vom Elan gepackt und taten es ihren Vorbildern gleich, wie abgesprochen Nina nur wenige Meter von Gackt entfernt, Chrissie weiter hinten von ihr und anschließend Hyde. Nun waren es vier Leute die den französischen Namen der Minidachshündin durch die Gegend riefen. Chrissie und ihre jüngere Begleiterin bewunderten wie ungeniert sich die beiden Stars mit ihren sicherlich teuren Klamotten in den Dreck geworfen hatten und sich auch nicht zu schade dafür waren in einer widerspenstigen und knochigen Hecke rumzuwühlen. Wieder einmal ein Beweis dafür, dass es auch nur Menschen waren, mit Gefühlen, Fehlern und Stärken. Gackt warf einen flüchtigen Blick auf seine Helfer, er war ungemein angespannt, noch nie war ihm Belle weggelaufen, stets war sie sofort zur Stelle wenn er sie rief oder kam von alleine freudig angerannt wenn er nach Hause kam.

„Ihr müsst das nicht machen.“, presste er so freundlich es ging zwischen seinen Zähnen hervor, ohne Nina dabei jedoch einen Blick zuzuwerfen.

Verdutzt ließ sie für einen Moment von ihrer Suche ab, fuhr aber nach kurzer Sammelpause fort.

„Wir möchten es aber machen, schließlich bedeutet dir Belle unheimlich viel.“

„Sie ist doch aber nicht euer Hund.“

„Mag sein, aber deiner.“

Dazu fiel dem Sänger im ersten Moment nichts ein, was wollte sie genau damit sagen? Gerade weil es doch seiner war brauchte es sie doch nicht zu interessieren, oder doch?

„Du hast gesagt, dass ich ganz ich selbst sein soll. Nun, jetzt bin ich es und es passt dir nicht? Denkst du, es ist uns, Hyde mit eingeschlossen, egal, wenn es dir nicht gut geht?“

Er warf ihr einen scheuen Blick zu, sie lächelte und das verunsicherte ihn. Nina bemerkte das und musste nun noch mehr grinsen, es war einfach zu süß!

„Mach dir keine Sorgen, wir werden die Kleine schon finden.“

Gackt nickte und suchte weiter.

„Die beiden scheinen sich ja blendend zu verstehen.“, flüsterte Hyde der Rotblonden zu.

„Sieht ganz danach aus.“, entgegnete sie und konnte es sich nicht verkneifen ihre Mundwinkel hochzuziehen.

„Wer weiß, vielleicht hat ihm Nina ja den Kopf gewaschen.“, fügte sie noch hinzu.

„Also wenn du mich fragst, für mich sieht das eher nach einer Bekehrung aus…“

Sie beide schmunzelten sich zu, als Chrissie’s Blick dabei seine dunklen und ausdrucksstarken Augen streifte beschleunigte sich ihr Puls um Einiges.

„Nein im Ernst, sieht ganz danach aus, als hättet ihr das Eis zum Schmelzen gebracht. Ihr dürft euch nun mit Stolz seine Freunde nennen, auch wenn Gackt es sich vielleicht noch nicht eingesteht, so ihr habt ihm doch in den letzten vier Tagen viel Neues und längst Vergangenes aufgezeigt, was einem das Leben nur bereichern kann.“

Diese Aussage freute und ehrte Chrissie zugleich, so was von ihrem Lieblingssänger zu hören war schon das Höchste der Gefühle.

„Und was ist mit dir?“, musste sie trotzdem noch mal hinterfragen.

Hyde blinzelte verdutzt, dabei machte er wieder ein Gesicht wie ein kleines Kind. Chrissie glaubte innerlich zu explodieren, da sie ihren ankommenden Quietschkrampf mit aller Macht unterdrückte.

„Ich habe natürlich auch meinen Spaß gehabt.“

Mit diesen Worten rückte er ihr ein Stück entgegen und boxte sie freundschaftlich gegen die Schulter.

„Außerdem finde ich es gut, dass es auch Fans gibt, die den Mumm haben ihren Stars mal die eigene Meinung zu sagen. Eine Meinung, die eigentlich von allen vertreten werden sollte. Wenn es mehr von euch geben würde, die einem auch mal sagen, komm, lass es gut sein, du machst dich kaputt, dann würden Menschen wie Gackt vielleicht auch endlich mal aufwachen.“

„Warts ab, Nina hat noch so Einiges auf Tasche, sie ist nur zu schüchtern um damit rauszurücken.“

„Und du? Nimmst du kein Blatt vor den Mund?“

„Sagen wir mal so, ich bin direkter, aber alles würde ich sicher auch nicht sagen.“

„Wie weit seid ihr denn da hinten?“, rief ihnen Gackt zu, die Hände von der Hecke zerkratzt und auf der Lederhose Grashalme klebend.

Hyde stand auf und klopfte sich ab, ebenso Chrissie und Nina.

„Leider nichts, Belle ist hier nicht.“, antwortete ihm Hyde in einem mitleidigen Tonfall.

Betrübt sahen ihn alle an, er hatte ganz offensichtlich auf eine andere Antwort gehofft. Er senkte seinen Blick, drehte sich von ihnen weg, wutentbrannt trat er das Gras zu seinen Füßen, Halme und Erde flogen durch die Luft.

„Nicht den Kopf hängen lassen! Wir suchen einfach im Haus noch mal, sie kann so weit doch nicht sein.“, versuchte ihn die kleine Blauäugige zu beruhigen.

Gackt entgegnete nichts, seine Augenbrauen waren tief ins Gesicht gezogen, er hatte sich zwischenzeitlich so oft aus Nervosität durchs Haar gefasst, das seine Frisur nun wüst und ungeordnet aussah, es entsprach genau seinem Gefühlschaos. Sie ließen ihn als erstes in Haus zurückkehren, Hyde folgte und Schlusslicht bildeten die beiden Mädchen, die sich bedrückt ansahen. Im Haus angekommen startete die nächste Suchaktion, diesmal verteilten sie sich alle in verschiedene Richtungen, denn das Haus war groß und so ließ sich die vermeintlich Verschollene besser einkesseln. Also suchten Hyde und Nina im oben Stockwerk, während Chrissie und Gackt unten jede noch so kleine Ecke und Lücke unter die Lupe nahmen. Die Stunden verstrichen und es wurde allmählich dunkel. Sie waren Haus und Garten mehrere Male durchgegangen, doch keine Spur von Belle. Schließlich versammelten sie sich alle im Wohnzimmer, dreckig von Erde, Gras und Hausstaub. Die Stimmung war mehr als nur gedrückt, sie war schrecklich trübsinnig!

„Ich nehme an, dass niemand auch nur eine Spur von ihr gefunden hat?“, fragte Hyde.

„Nichts bis auf einen leeren Fressnapf und ein paar Haufen im Garten…“, sagte Nina, wie alle im Raum mit gesenktem Kopf und verschränkten Armen.

Gackt ließ sich auf sein Sofa nieder, die Beine gespreizt, seine Arme auf ihnen abgestützt und sein Gesicht in die Handflächen gebettet.

„Ich versteh das nicht… wir waren doch gar nicht solange weg und es ist quasi unmöglich, dass sie weggekommen ist oder gar entführt wurde…“

Er hörte sich selbst durch seine Finger noch ausreichend fertig an, dass es jeder merkte und Mitleid bekam. Hyde legte seine Hand auf Gackt’s Schulter.

„Komm schon, sie wird schon wieder auftauchen. Lass es jetzt ruhen, wir suchen morgen noch mal, wenn wir sie dann nicht finden, dann gehen wir zur Polizei.“

Der jüngere Sänger warf sich zurück in seine Lehne, seufzend und fertig mit den Nerven. Was blieb ihm jetzt noch anderes übrig?

„Gut, gehen wir schlafen…“

»Schlafen?«, schoss es ihnen durch den Kopf.

Ihre Blicke schweiften auf eine Wanduhr ab, es war erst kurz vor neun und niemand von ihnen hatte seit dem Frühstück etwas gegessen. Sollten sie ihn nun darauf ansprechen, oder es lieber dabei belassen? Der Hausherr erhob sich und lief lustlos die Stufen zu seinem Schlafzimmer hinauf. Sie blieben zurück, ratlos und teilweise von einem schlechten Gewissen geplagt, wie konnten sie jetzt nur an Essen denken?

„Macht euch nichts draus, es nimmt ihn eben mit… Lasst uns mal schnell noch was essen und dann gehen wir besser hoch in unsere Zimmer.“

Stumm nickend schlichen sie sich in die Küche, dem unverbesserlichen Fresssack hinterher, kochten sich einen Tee, schmierten sich lediglich ein paar Brote, aßen schnell etwas Obst dazu und verschwanden dann schließlich in ihren Räumen. Nina kaute auf ihrem Apfel herum und schloss die Tür hinter sich, ihre Freundin saß bereits wieder auf dem Bett, den Kopf auf die Handknöchel gestützt.

„Na toll… stell dir nur mal vor was passiert wenn wir Belle nicht finden.“

Das dunkelhaarige Mädchen ließ sich willenlos neben ihr in das weiche Federbett fallen.

„So wie wir unseren gerne-mal-depri-Sänger kennen nichts Gutes.“

„Wenn er mit 19 schon zig Autos zu Schrott gefahren hat, weil er das Leben leid war und heutzutage nur in seinen Freunden und Tieren seine Familie sieht, dann will ich nicht dran denken was er sich antut, wenn ihm Belle, die er ganz sicher mit am meisten liebt und braucht, einfach aus dem Leben gerissen wird…“

Entsetzt fuhr Nina hoch.

„Wie kannst do so etwas nur sagen?! Mal doch nicht den Teufel an die Wand, wir wissen doch noch gar nicht was wirklich passiert ist, vielleicht hat sie sich einfach zu gut versteckt und ist morgen wieder da…“

„Dein Wort in Gottes Ohr Nina, aber was wenn nicht? Stell es dir doch nur mal vor!“

„Ich will es mir aber nicht vorstellen, es reicht wenn du hier Pessimismus schiebst…“, antwortete sie und legte sich wieder hin.

„Ich bin Realist, ich ziehe alle Möglichkeiten in Betracht.“

„Warum dann nicht auch die positiven Varianten?“

Chrissie schwieg.

„Wollen wir schlafen?“

Die Größere von beiden erhob sich und hievte sich zu ihrer Tasche herum, nach langem Kramen stieß sie auf ihr Handy. Wie lange hatte sie es schon nicht mehr angehabt? Stumm und ohne ihrer Freundin zu antworten klappte sie es auf und gab den Pin ein.

„Was machst du denn da?“

„Ich schau nach, ob sich meine Familie vielleicht gemeldet hat. Wir sind ja nun schon eine Weile hier.“

„Oh! Gute Idee!“, meinte ihre blauäugige Gefährtin und rutschte etwas hektisch auf ihre Seite des Bettes um auch nach ihrem Mobiltelefon zu suchen.

„Und?“, fragte sie nach einer Weile.

Nina klappte ihr Handy schweigend zu, es gab keine Sprachnachricht, keinen versäumten Anruf und auch keine SMS.

„Nichts… und bei dir?“, entgegnete sie und ließ das handliche Gerät zurück in die Tasche gleiten.

„Och na ja… etliche versäumte Anrufe, ein Haufen Simsen und so weiter… ich hatte ja auch versprochen mich zu melden, Mensch bin ich doof…“

Ihre Freundin schmunzelte.

„Bei dem Trubel der gleich aufkam als wir hier ankamen ist das aber doch kein Wunder.“

„Erklär das meinen Eltern!“, gab sie zurück.

Eifrig stellte Chrissie eine ausführliche SMS zusammen und versendete sie nach Deutschland.

„Autsch! Das geht ins Geld…“, stieß sie aus als sie sogleich ihren Kontostand abrief.

„Ok Mausi, lass uns versuchen zu schlafen. Morgen suchen wir weiter nach der kleinen Töle…“, sagte sie schmunzelnd und zog sich um.

Ihr wurde zugenickt, nachdem sich beide umgezogen hatten kuschelten sie sich tief in ihre Decken, trotz des Stresses und der ungewohnt zeitigen Uhrzeit gelang es ihnen rasch einzuschlafen.
 

Mitten in der Nacht wachte Nina auf, gequält von einem mulmigen Gefühl im Magen und ihrem Harndrang. So leise wie möglich versuchte sie ihren lahmen Körper aus dem Bett zu heben. Schlurfenden Schrittes taumelte sie aus dem Zimmer und ins Bad, ungeachtet ihrer Nachtblindheit die sie durch die fast vollständig geschlossenen Augen eh nicht wahrnahm. Als sie wieder hinauskam und die leichte Tür hinter sich verschloss um wieder in ihr Bett zu wandern, schreckte sie ein Geräusch auf. Wie angewurzelt blieb sie stehen, es hörte sich nach Glas an, vielleicht auch nach einer Flasche die gerade auf einen Tisch gestellt wurde. Nina’s Sinne kehrten schlagartig zurück, sie war hellwach. Von unten drang ganz schwaches Licht zu ihr hinauf. Ihr Herz raste, sie überlegte was sie machen sollte, ein Einbrecher konnte es nicht sein, dafür war Gackt’s Haus garantiert zu sehr abgesichert, aber irgendjemand musste sich unten aufhalten und insofern sich ihre Freundin nicht in den letzten Fünf Minuten aus dem Bett bewegt hatte um eine Nachtwanderung zu veranstalten, konnte es sich dabei entweder um den Hausherrn oder Hyde handeln. Noch einen Moment lang blieb sie so erstarrt stehen und überlegte, ob sie sich entweder wieder schlafen legen, oder gar Chrissie wecken und mit nach unten zum Spionieren nehmen sollte. Letztendlich entschied sie sich aber ganz anders, wie auf Katzenpfoten schlich sie sich die Stufen hinunter, betend das sie nicht vom Knacken ihrer Knochen verraten werden würde. Der Boden unter ihren nackten Füßen war kalt, eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, die Anspannung war unerträglich! Rechts neben ihr eine dunkle Küche an der sie vorbei schlich, links vor ihr lag nur ein kleiner abgetrennter Raum der als Durchgang diente und in dem sonst nur wenig Kommoden standen, wenn sie nun um die Ecke sehen würde, konnte sie ins Wohnzimmer blicken. Nina schluckte als sie sich an die Wand presste und noch mit sich rang ob sie nun wirklich nachsehen wollte wer da war. Wieder klirrte es leise, ganz eindeutig ein abgestelltes Glas. Sie überwand sich und wagte einen scheuen Blick in den Raum, wie sie es sich schon gedacht hatte war es Gackt, der da trübsinnig auf seinem Sofa saß, ein Weinglas und die dazugehörige Flasche auf dem Tisch, daneben eine fast vollständig heruntergebrannte Kerze, ein Feuerzeug und ein reich gefüllter Aschenbecher, eine qualmende Zigarette in der linken Hand an der er gerade kräftig zog. Er lehnte sich zurück, die Schultern herabhängend, die Augen leicht angeschwollen, von dunklen Augenringen untermalt und mit einem getrübten Blick in das Licht der Kerze blickend. Seine Haare waren noch zerwühlter als zuvor, tatsächlich musste er versucht haben zu schlafen, vergeblich wie man sich bei seinem Anblick denken konnte. Nina suchte mit ihren Blicken nach der Wanduhr, es war erst halb eins. Gackt schniefte, der vermeintlichen Nachtwandlerin tat es in der Seele weh ihn so zu sehen, die Frage warum er in diesem Zustand war stellte sich ihr gar nicht erst. Sie drehte sich wieder weg, der Sänger hatte bereits das Weinglas wieder an seine Lippen angesetzt. Sie hüpfte nervös von einem Bein aufs andere, sie schämte sich ihm so nachzuspionieren und ihm im Moment der Schwäche ertappt zu haben, sicher ein großer Schnitt in seinen Stolz wenn er davon wüsste. Sie hätte jetzt gehen, ihre Entdeckung als Geheimnis mitnehmen können und auch nie zu jemanden darüber sprechen, doch ihr Gewissen machte das nicht mit, sie sah es geradezu als Aufforderung zu ihm zu gehen, ihm vielleicht Trost zu spenden, oder einfach nur Gesellschaft zu leisten. Wenn er sie davonjagen würde bitte, aber dann hatte sie es zumindest versucht. So setzte sie es dann auch um, sie atmete noch mal ein und aus und trat dann um die Ecke. Er schien sie im ersten Moment gar nicht zu bemerken, er schenkte ihr keine Beachtung. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch ihre Bettfrisur und räusperte sich dann. Tatsächlich wand sich sein Kopf mit erschrockener Miene zu ihr um, Nina bemerkte das auffällige Schimmern in seinen Augen und das er selbst jetzt noch seine Kontaktlinsen trug.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie leise und vorsichtig ohne auf ihn zuzukommen.

Er stellte räuspernd sein Glas zurück auf den Tisch, dabei schweifte ihr Blick ab, da sogar noch Korken und Korkenzieher auf dem Tisch lagen konnte sie sich sicher sein, dass der fehlende halbe Inhalt der Flasche im Laufe der jungen Nacht seinen Weg in Gackt’s Inneres gefunden hatte.

„Was machst du hier?“, fragte er sie mit heiserer und bemühter Stimme.

Schnell drückte er die glimmende Zigarette aus und fuhr sich durch seine Haare.

„Ich habe Geräusche gehört und mir gedacht ich schau mal nach.“

Nina beobachtete wie seine Augen hin und her eilten, er fixierte weder sie noch etwas anderes im Raum, vielleicht wusste er in diesem Moment nicht so richtig wie er auf diesen unvorbereiteten Besuch reagieren sollte.

„Es geht dir gar nicht gut, hab ich Recht?“, fragte sie ganz ehrlich und kam nun doch ein paar Schritte auf ihn zu.

„Es ist alles in Ordnung, geh zurück ins Bett. Der Boden ist kalt du wirst krank, lass mich bitte noch ein wenig allein, ich muss noch… ähm…“

Er starrte auf den Tisch, was sollte er sagen? Er wusste, sie hatte ihn erwischt. Nie könnte er ihr auftischen er würde an Songs arbeiten oder einfach nur nachdenken, jeder Blinde sah ihm seinen Kummer an und das frustrierte ihn.

„Es tut mir leid, wenn ich dich gestört habe, aber ich kann mir nicht vorstellen das du dich wohl in deiner Haut fühlst… du sitzt hier mitten in der Nacht ganz alleine rum, rauchst im Haus obwohl du mir gesagt hattest du machst es uns zuliebe nicht und dann trinkst du auch noch Wein.“

„Das brauch dich nichts anzugehen!“, entgegnete er mürrisch.

Nina zuckte zusammen, war aber weder wirklich erschrocken noch gekränkt.

„Tut mir leid, es geht mich wirklich nichts an, schließlich bin ich ja nur eine Fremde! Dennoch irgendwie seltsam das ich die letzen Tage hier wohnen durfte, Sachen mit dir unternommen habe und dir geholfen habe deinen Hund zu suchen! Warum sollte es mich dann auch etwas angehen wenn du hier Trübsal blasend sitzt, allein und traurig darüber das Belle nicht da ist… du kennst mich ja gar nicht, genauso wenig wie ich dich.“, endete sie, sie war entrüstet, traurig über diese Ablehnung und trotzdem gewillt um Anerkennung und Beachtung seinerseits zu kämpfen.

Gackt starrte sie an, legte dann seinen Kopf in beide Hände und verbarg sein Gesicht. Nina konnte nur raten was durch seinen Kopf ging, ob er sie gleich anschreien würde, ob er sich beruhigen oder ob er vielleicht weinen würde. Stattdessen stand er auf und sah ihr ohne definierbaren Gesichtsausdruck in die Augen, sie blieb hart in ihrer Miene.

„Geh jetzt bitte, ich will nicht weiter mit dir sprechen, lass mich allein.“

Er wollte sich wegdrehen und so das Gespräch beenden, doch das wollte sie nicht zulassen.

„Ist das deine Art und Weise zu diskutieren? Gehst du so Ärger aus dem Weg? Versuchst du so deine wahren Gefühle vor anderen zu verstecken?“

Er fuhr zu ihr herum, in seinen Augen brannte ein wütendes Feuer. Alles hatte so harmlos angefangen, dass es sich so schnell zugespitzt hatte war ungewöhnlich.

„Es reicht! Du gehst eindeutig zu weit!“, fuhr er sie an.

„Oh nein! Wenn es nach mir ginge könnte es noch lange so weitergehen, du bist nur zu feige um auch mal einem einfachen Menschen wie mir deine Probleme anzuvertrauen, du verträgst die Wahrheit nicht!“, zischte sie zurück.

„Ich muss mir das nicht länger anhören, ich löse meine Probleme sehr gut alleine!“

„Ach ja? Etwa damit?!“, gab sie zurück und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die halbleere Weinflasche und das Glas.

Die Wut wich aus seinem Gesicht, dafür stieg sie in Nina umso höher, jedoch senkte sie ihre Stimme wieder.

„Das ist keine Lösung, das kannst du mir gerne glauben. Ich hätte dir nichts getan, ich hätte dir nur zugehört und das ist allemal besser als sich in seinem Kummer zu betrinken. Ich kam hier rein weil ich mir Sorgen gemacht habe und nicht um mit dir zu streiten.“

Er sah sie an, suchte in ihrem Gesicht nach Hass und Zorn, doch er traf nur auf Mitleid.

„Rede nicht von mir als wüsstest du alles und könntest mich verstehen… Ich brauche auch kein Mitleid, glaub mir, ich komme alleine viel besser klar.“

„Du belügst dich doch selbst!“, protestierte sie.

„HÖR AUF DAMIT!“, schrie er plötzlich und schlug mit dem linken Arm aus.

Die Kerze erlosch, man hörte es laut klirren und Nina spürte wie kühle, nach Alkohol riechende Flüssigkeit um ihre Füße floss. Gackt hatte in seiner Haltlosigkeit die Weinflasche umgeworfen, Glassplitter ließen sich innerhalb des Rotweinsees nur erahnen, in der plötzlich eingesetzten Dunkelheit ganz zu schweigen. Nina starrte eine Silhouette an von der sie wusste das sie dem eben ausgerasteten Sänger zugehörig war.

„Bist du nun zufrieden?“, fragte sie in die Stille hinein.

„Es… es tut mir leid, das wollte ich nicht.“, antwortete er hektisch und entzündete eilends die Kerze von neuem.

Beide begutachteten die Bescherung mit minderer Begeisterung.

„Warte, ich hol schnell was zum Aufwischen!“

Nina blieb alleine zurück, sie bückte sich und begann Glassplitter aufzusammeln, erst als Gackt mit Lappen und Eimer zurückkehrte sah sie wieder auf.

„Gib her, ich mach schon.“, sagte sie gleichgültig und nahm ihm die Sachen ab.

„Aber ich hab doch…“

„Lass nur, setz dich hin und beruhige dich lieber wieder, außerdem hast du getrunken, nicht das du dich noch schneidest.“

Das sie ihm mit einem Mal so kühl und gleichgültig begegnete verunsicherte ihn, es tat ihm sehr leid, dass er so ungezügelt reagiert hatte, schon das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, erst bei Chrissie und nun auch bei ihr.

„Du solltest mal Urlaub machen, wenn du immer so überreagierst hast du bald nicht mehr viele Freunde.“

Gackt setzte sich hin und sah zu wie ihre Finger durch die rote Flut fuhren.

„Wenn man mich nicht reizt passiert so was nicht.“, verteidigte er sich trotzig.

„Aber wenn du dich immer nur abschottest wirst du immer alles in dich hineinfressen und irgendwann zusammenbrechen oder bei jeder Kleinigkeit aus der Haut fahren.“

„Ich schotte mich nicht ab!“

Nina seufzte als sie den letzten Lappen auswrang.

„Mit wem redest du denn, wenn du Kummer hast?“

Gackt schwieg, nie erzählte er Leuten etwas in dieser Art, er wollte es nicht, die Menschen sollten seine coole und lustige Art kennen, das war genug und er würde nie in schlechtes oder seltsames Gerde kommen.

„Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber selbst wenn du in deiner Vergangenheit viele schlechte Erfahrungen damit gemacht hast jemanden die Wahrheit über deine Gefühle anzuvertrauen, du kannst nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und davon ausgehen das alle Menschen so sind.“

Ganz große Augen trafen auf ihre, dass er sich gerade so fühlte, als hätte sie seine Gedanken gelesen wusste sie nicht, sie fragte sich, was sie denn da schon wieder für einen philosophischen Stuss redete.

„Oh warte, klar, ich mag zwar gerade ein wenig übertreiben, mit geschwollenen Formulierungen nur so um mich werfen, aber ich bin zumindest dieser Meinung! Ich will dich nicht belehren, dir was vorschreiben oder sonst was… Was ich sagen will ist…“

Sie stoppte und sah ihn an, wartete darauf das er sie unterbrach oder auslachte, aber da kam nichts Dergleichen von ihm.

„Red nur weiter.“

„Nun… ich will eigentlich nur darauf hinaus das du ruhig zugeben kannst, dass du furchtbaren Kummer hast wegen Belle, dass du traurig bist, verzweifelst und heulen könntest. Mensch, sie fehlt dir und du machst dir Sorgen, das ist doch ganz normal!“

An Belle wollte er nicht denken, über sie zu sprechen tat ihm weh und verursachte einen tief sitzenden Klos in seinem Hals. Nina sah ihm sofort an wie er mit sich rang, mit den Tränen kämpfte und sich bemühte keine Miene zu verziehen.

„Hör auf damit, Männer sind nicht gut darin Emotionen zu vertuschen.“, meinte sie und schmunzelte.

Gackt stutzte kurz und musste dann lächelnd den Kopf schütteln. Die Dunkelhaarige stand auf und lief hinter das Sofa, was ihn zuerst verwunderte bis sie ihre Hände auf seine Schultern legte.

„Du brauchst eigentlich gar nichts mehr zu sagen, jeder wüsste sofort was du hast, nur musst du ehrlich genug sein es dir auch selbst einzugestehen und den Trost, den man dir dann spenden will, auch zulassen können.“

Er sah stur nach vorne und ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen, er fühlte wie sie ihre Hände wieder zurückzog.

„Na dann… ich werde dann mal wieder schlafen gehen, solltest du vielleicht auch tun.“

Sie drehte sich weg, wollte gehen, doch seine Hand, die nach ihrer gegriffen hatte, hielt sie davon ab. Wieder flackerten seine Augen feucht.

„Wir werden sie doch finden, oder?“

Nina, zuerst verdutzt, dann aber lächelnd, wand sich zu ihm um und drückte seine Hand ermutigend.

„Wer weiß, vielleicht findet sie dich sogar zuerst?“

Sie tauschten verschiedene Blicke aus, der schlanke Mann konnte seine Miene nicht mehr aufrechterhalten, senkte seinen Blick und legte die freie Hand vor seine Augen. Sie reagierte indem sie die Kerze wieder ausblies und sich wieder hinter ihn stellte, wo sie ihre Arme zaghaft um seinen Hals legte. Das ihr das Herz bis zum Hals schlug bekam er hoffentlich nicht mit.

»Oh Gott! Ich wollte ihn doch nicht zum Weinen bringen! Was mach ich denn jetzt?«, dachte sie verzweifelt.

Das Denken nahm ihr Gackt mit der Geste ab seine Hände auf ihre zu legen und ihre Arme noch etwas enger um sich zu schließen. Es war ganz still, Nina hörte nichts außer ihren Atemzügen, sie konnte nicht einschätzen ob er nun tatsächlich weinte oder nicht. Sie konnte es gar nicht fassen, hatte sie schon jemals so was erlebt? Hatte sie jemals erlebt wie Gackt weinte? Sie erinnerte sich an seine eine Tour, sie erinnerte sich an Moon Child, aber dann hörte es auch schon auf. Sie führte seine plötzliche Vertrauensseeligkeit und Sehnsucht nach Nähe auf den Alkohol zurück, auch wenn er keinen betrunkenen Eindruck machte.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“, sprach er nach einer kleinen Ewigkeit in die Nacht hinein.

Nina war sehr erleichtert, er hörte sich nicht gedrückt oder krächzend an, vielleicht hatte er einfach nur eine Verschnaufpause gebraucht.

„Wenn du möchtest, dann gehen wir jetzt zurück in unsere Zimmer, es ist spät geworden.“

Damit ließ er sie los und stand auf, griff sich im Dunkeln die restliche Flasche mit den Glassplittern drin, sein Glas und den Aschenbecher, den Rest der auf dem Tisch lag und auch den Eimer nahm Nina an sich. Schnell war alles entsorgt und ordentlich weggeräumt. Die Zeit verging wie im Flug bis sie sich schließlich am oberen Ende der Treppe standen und sich verabschiedeten.

„Ach Nina, es wäre übrigens schön wenn diese Sache nicht vor Hyde oder Enah breitgetreten würde…“

Auch wenn er es nicht sehen konnte, Nina lächelte verständnisvoll.

„Welche Sache? Also ich weiß von nichts.“, meinte sie daraufhin grinsend.

Er schmunzelte und kratzte sich am Hinterkopf.

„Na dann, gute Nacht.“

„Dir auch, morgen finden wir Belle bestimmt.“

Er nickte ihr zu und schlich sich dann in sein Schlafzimmer, auch Nina drehte sich zu ihrem Zimmer um, sie linste vorsichtig hinein und vergewisserte sich, dass ihre Freundin von dem Tumult unten nichts mitbekommen hatte und noch seelenruhig schlief. Müde, aber mit einem aufgeregten Kribbeln im Bauch legte sie sich zu ihr, ihre Wangen glühten, aber alles zusammen fühlte sich unheimlich gut an, lächelnd schlief sie auf der Stelle ein.
 

Chrissie wälzte sich von einer Seite auf die andere, sie hatte einen sehr unruhigen Schlaf, irgendetwas störte sie. Mit wehmütiger Miene öffnete sie ihre Augen, außer dem Mondlicht erhellte nichts den Raum in dem sie und Nina nächtigten. Zumindest hatte sie sich nicht geirrt, das was ihren Schlaf so gestört hatte entpuppte sich als ein schabendes Geräusch und leises Wimmern zwischendurch. Als sie diese Geräusche unmittelbar in Nina’s Richtung ortete wurde sie hellwach und rüttelte an ihr herum.

„Wach auf!“, flüsterte sie eindringlich.

Mürrisch murmelnd drehte sich die Größere zu ihr um, die Augen zwischen dicke Augenlider gepackt und nur spärlich geöffnet.

„Was’n?“, blubberte sie in ihre Decke hinein, die sie bis unter ihre Nase gezogen hatte.

Schon das zweite Mal in dieser Nacht war sie ungern und vor allem unfreiwillig geweckt worden.

„Hör mal! Ich glaub das kommt aus deinem Schrank!“, zischelte Chrissie und deutete auf die Schranktür, die ab und an zu vibrieren schien.

Knurrend drehte sich Nina um, auch sie hörte jetzt das Kratzen und Wimmern und sah wie der Schrank währenddessen ruckelte. Sie richtete sich mit ganz großen Augen auf.

„Ja, nein! Ist das etwa…?“

Mit einem fragenden Blick drehte sie sich zu der Rotblonden, im Bett hockenden, Chrissie um, die ihr zunickte.

„Na mach auf!“, gebot sie ihr zusätzlich.

Etwas unbeholfen in ihrer Hektik stolperte Nina den einen Schritt vom Bett bis zum Schrank, drehte den Schlüssel herum und öffnete die Tür. Noch ehe sie ganz offen war drängte sich ein haariger Körper durch den Spalt, der sich anschließend freudig auf dem Boden hin und her wälzte.

„BELLE!“, entwich es den Freundinnen ungläubig, aber auch freudig.

Ihren Namen zu hören versetzte die Minidachshündin in allerhöchste Verzückung, Schwanz wedelnd und hechelnd sprang sie auf das Bett und dort hin und her wie ein verspieltes Kind.

„Ist ja gut Kleine! Freust du dich wieder da zu sein?“, fragte Chrissie belustigt und kraulte die kleine Dame.

„Wie kam sie denn in meinen Schrank?“, wollte Nina wissen und starrte noch immer fassungslos auf das quicklebendige Wollknäuel.

„Keine Ahnung, aber stand er und die Zimmertür nicht offen als wir wieder hier angekommen sind?“

Ihr Gegenüber versuchte sich zu entsinnen, zumindest fiel ihr ein wie sie den Schrank bei ihrer Ankunft verschlossen hatte, gesucht hatte sie in ihm nach Belle nicht, wer rechnete denn auch damit, dass sich ein Hund dort verstecken und auch noch stundenlang so ruhig bleiben würde?

„Egal, auf jeden Fall ist sie wieder da, da wird sich dein Herrchen aber freuen!“

Obwohl Belle sie wohl kaum verstehen würde wedelte sie glücklich mit ihrem Schwanz. Chrissie griff nach ihrem Handy und prüfte die Uhrzeit.

„Boah… gerade mal vier Uhr… hätte sie mit ihrer ich-will-raus-Aktion nicht noch bis morgen früh warten können?“

Nina lachte, musste sich aber ihren Kommentar verkneifen, am liebsten hätte sie ihrer Freundin gesagt was sie wenige Stunden zuvor erlebt hatte, aber sie hatte Gackt versprochen zu schweigen, auch wenn es nie als Versprechen benannt worden war.

„Ok Nina, zwei Möglichkeiten. Entweder, wir lassen sie hier, beziehungsweise einfach im Haus rumlaufen damit sie ihre Bedürfnisse stillen kann und morgen früh trifft Gackt dann selber auf sie, oder wir bringen sie ihm gleich.“

Wenn Nina sich daran erinnerte wie fertig er gewesen war, dann war die zweite Variante ihr die Liebste.

„Letzteres wäre schöner.“

„Hm… einfach anklopfen und sie ihm dann vor die Nase setzten?“, hinterfragte die Ältere noch zusätzlich.

Beide dachten kurz nach.

„Und wenn wir sie einfach klammheimlich in das Zimmer schmuggeln und dann abwarten was passiert?“

Natürlich wusste sie, dass Nina ihr Grinsen erwidern würde, schließlich waren beide unberechenbar gestrickt und liebten es aufregend uns spannend. Chrissie bekam ein Grinsen und einen hochgestellten Daumen zurück.

„Siehst du Kleine, gleich bist du bei Herrchen!“

Freudig sprang die Hündin an ihr hoch und versuchte sie abzuschlecken.

„Nein! Nicht! Wäh… wie eklig!“

Nina prustete los, wie lecker ihre Freundin doch solch Abgeschlabbere immer wieder fand war einfach nur herrlich!

„Hör auf zu lachen, sonst werden die beiden Kerle noch wach und wir können unsere Überraschung vergessen.“

Sofort verstummte die Große und flitzte auf Zehenspitzen zur Tür. Chrissie kämpfte damit Belle richtig auf den Arm zu nehmen, wann trug sie schon mal ein Tier und dann noch so ein Zappeliges? Als Nina ihre verzweifelten Bemühungen nicht mehr länger mit ansehen konnte nahm sie sich der Hündin an, streichelte sie und betete, dass sie nicht anfangen würde zu bellen.

„Komm.“, sagte Chrissie, öffnete die Zimmertür und schlich sich voran bis zum Zimmer der beiden Stars.

Sie knieten sich hin, Belle schien ihr Herrchen schon zu wittern, blieb aber zu aller Erleichterung ganz still. Chrissie zog die Klinke fest heran damit man auch ja nicht hören würde wenn sie sie herunterdrückte. Sie kniffen die Augen zusammen, doch die Tür schwieg als sie geöffnet wurde, sie warfen einen flüchtigen Blick in das Zimmer, ihre Opfer schliefen tief und fest.

„Ok Belle, dein Auftritt.“, flüsterte ihr die Kleinere ins Ohr und gab Nina das Zeichen zum Loslassen.

Die Hündin beschnüffelte zuerst den Fußboden, erst dann tapste sie munter aber gelassen in das Zimmer hinein. Die beiden Freundinnen konnten es sich nicht nehmen lassen so lange wie möglich das Geschehen zu beobachten, nahmen sich aber vor schnellstens zu flüchten wenn einer der beiden erwachen würde. Belle lief zum Bett, warum sie nicht wie wild zwischen die Decken und Kissen gesprungen war um ihr geliebtes Herrchen aus dem Schlaf zu bellen und abzuschlecken blieb ihr Geheimnis. Zuerst war sie auf Hyde’s Seite gelaufen und schnupperte an seiner Hand die er einfach über die Bettkante hängen ließ. Nina und Chrissie hielten sich schon ganz aufgeregt die Münder, würde Belle ihnen doch nicht etwa ein etwas anderes Spektakel bereiten? Aber nein, sie rümpfte nur die Nase und machte dann Kehrt, am Fußende des Bettes blieb sie erneut stehen und machte Männchen. Ihre schwarzen Kulleraugen lugten gerade so über die Matratze, mit einem Satz war sie plötzlich oben und stiefelte durch das Gewühl von Decken, auf die Mädchen machte es einen ähnlichen Eindruck als würde man den kleinen Knirps durch tiefen Schnee laufen lassen. Wie Belle da so unverschämt frei zwischen den Männern vor sich her tapste kam sie schließlich am Kopfende an. Gackt war nach außen gedreht, Hyde nach innen. Sie schnüffelte an Hyde’s Haarschopf, der wie gewöhnlich wirr unter der Decke hervorlugte, wand sich dann aber ihrem wirklichen Besitzer zu. Gespannt wurde das Tun des Hundes aus dem Hintergrund beobachtet, fieberhaft warteten sie auf eine Regung zwischen den Decken, auf etwas was sie zum Quietschen bringen würde. Belle tapste etwas weiter runter zu Gackt’s linker Hand die auf seinem Körper ruhte und stupste sie an. Er reagierte zuerst nicht, doch nachdem sie es mit Nachdruck noch mal versuchte stöhnte er leise und wehrte sie mit einer energischen Handbewegung ab. Beleidigt schüttelte sich die Minidachshündin, die durch seine Bewegung etwas abseits gepurzelt war. Hartnäckig, aber ohne auch nur einen Mucks von sich zu geben, watschelte sie hoch zu seinem Ohr welches sie ebenfalls anstupste.

„Hyde lass das…“, brabbelte er beleidigt

Chrissie und ihre Freundin verfielen in tonloses Lachen, sie konnten sich nicht halten und stützten sich gegenseitig ab, das Atmen setzte für diese Zeit aus. Sie hatten ja mit allem gerechnet, aber nicht damit. Ungerührt wiederholte Belle diesen Vorgang, Gackt griff im Halbschlaf nach einem kleinen Kissen und warf es sich halbherzig über die Schulter, natürlich direkt an Belle vorbei und direkt auf Hyde, der sich mit diesem unerwarteten Angriff sichtlich überfordert sah, ihn aber nur mit einem entrüsteten Kopfschütteln abfertigte, sich knurrend umdrehte und das Kissen auf den Boden neben sich fallen ließ. Hinter der Zimmertür versuchte man derweilen verzweifelt nicht der Atemnot und dem dazugehörigen Lachkrampf zu unterliegen, ihre Körper bogen sich unter diesen köstlichen Qualen, am liebsten hätten sie laut aufgeschrieen vor Belustigung, aber dann würden sie gnadenlos auffliegen. Der fuchsrote Verursacher dieser Untat gab sich ungerührt, war aber langsam entrüstet über dieses Desinteresse was man ihr entgegenbrachte. Noch blieb sie geduldig und versuchte es mit lieb gemeinten Küssen auf seine Wange. Leise lachend schob Gackt sie jedoch einfach weg von sich.

„Jetzt hör schon auf damit Hyde…“

Während die zwei Mädchen hinter der Tür eines qualvollen Todes durch Ersticken zu sterben drohten platzte Belle endgültig der Kragen, beleidigt biss sie ihrem Herrn ins Ohr, dieser langte plötzlich mit seinem Arm im hohen Bogen nach hinten aus und…

BATSCH

Ein blaues und ein braun-grünes Augenpaar lugte innerhalb eines unheimlich kurzen Augenblicks weit aufgerissen in den Raum hinein, Belle saß unbeschadet zwischen den beiden Sängern, jedoch fuhr jetzt ein fuchsteufelswilder Hyde in seinem Bett herum und starrte seinen friedlich schlafenden Kollegen wutentbrannt an.

„HAST DU SIE NICHT MEHR ALLE???“, brülle er ihn an, so laut das man es sicher im ganzen Haus hören konnte.

Fürchterlich erschrocken zuckte Gackt arg zusammen, drehte sich perplex um und setzte sich auf.

„Was ist denn mit dir los Hyde?“, fragte er ihn entsetzt und eingeschüchtert von seiner finsteren Miene, die ihm vom Mondlicht sichtbar gemacht wurde.

Zornig schaltete der kleinere Sänger, sich mit der einen Hand den geschundenen Kopf haltend, seine Nachtischlampe ein, doch noch bevor er etwas sagen konnte schluckte er seine Worte auch schon wieder. Beide sahen zwischen sich eine kleine, Schwanz wedelnde und unschuldig guckende Hündin sitzen.

„Belle!“, stieß Gackt glücklich aus und schloss die kleine Rabaukin in seine Arme, den gebeutelten Hyde völlig ignorierend. Was war das für eine Freude, Belle schleckte ihren Herrn stürmisch ab und dieser lachte wie ein Kind darüber. Sprachlos fuhr sich Hyde durchs Haar, jetzt ging ihm natürlich ein Licht auf. Noch während sein Freund und dessen Hund ihr Wiedersehen feierten erregte die Zimmertür sein Interesse, hatte er es sich eingebildet oder war tatsächlich für einen kurzen Moment ein unterdrücktes Quietschen zu hören gewesen? Chrissie, die den Blick des Sängers förmlich gespürt hatte, erschrak und verfiel in leichte Panik, mit hektischen Bewegungen versuchte sie Nina klarzumachen, dass sie verschwinden mussten oder sie sonst entlarvt würden. Gleichzeitig sprangen sie auf, Hyde war längst auf dem Weg zur Tür, doch sie krachten in ihrer Eile aneinander, stolperten über ihre eigenen Füße und packten sich der Länge nach auf den Fußboden.

„Toll, wirklich toll…“, zischte Chrissie, die das Unglück schon kommen sah.

Gackt war aufgestanden, neugierig durch Hyde’s argwöhnischen Gesichtsausdruck geworden verfolgte er ihn.

„Ist was Hyde?“, fragte er neugierig.

„Sieht ganz so aus als wäre das Auftauchen Belle’s, deine unkontrollierten Zuckungen und meine unsanfte Erweckung kein Zufall gewesen…“

Er zog die offen stehende Tür auf und grinste bereits siegessicher.

„Na wen haben wir denn… da?“

Er sah nach draußen auf den Flur, doch da war niemand.
 

Anmerkung der Autorin: Ich habe alle geretteten Kommentare, die verloren gingen durch Accountlöschungen etc., selber unter dieses Kapitel wieder als Kommi hinzugefügt!

Kapitel 09 wird statt im August schon um den 2.-3. Juli 2010 online sein!



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Kommentare zu diesem Kapitel (24)
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Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:14:15+00:00 25.06.2010 13:14
Von "Sabraxa" am 19.04.2006

Jaaaaa *durch die gegend hüpft*
endlich ein neues Kapitel
ich hatte schon fast nicht mehr damit gerechnet
aber es ist wirklich schön geworden und lang *lol*
besonders den "Belle in action"- Teil fand ich klasse un unglaublich süß beschrieben
muss man sich mal vorstellen, wie die Kleine zwischen den Beiden rumkrackselt
aber auf das nächste Kapitel lasst ihr uns doch nicht noch mal so lange warten, oder? Bittö, bittö

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:13:39+00:00 25.06.2010 13:13
Von "Sarafi" am 19.04.2006

Super ^^ Endlich geht's weiter! Und hoffentlich dauert's nicht mehr so lange. Lieb die Story und freu mich jedesmal, wenn ich weiter lesen kann! ^.^

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:13:00+00:00 25.06.2010 13:13
Von "asahi86" am 19.04.2006

endlich ein neues kapitel, und dann noch dazu so ein langes *freu*

da hat die kleine belle ja ein ganz schönes abenteuer erlebt... ich bin ja schon gespannt wies weitergeht ^.~

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:11:43+00:00 25.06.2010 13:11
Von "Anima" am 18.04.2006

^___________________________________^
mehr muss ich dazu nicht sagen.
Das Kapitel war, auch wenns lange gedauert hat, wieder atemberaubend lustig. Aber es hatte auch ernste Szenen drinn, die mir ebenfalls sehr gut gefallen haben.
Aber am witzigsten fand ich immer noch die Aktion mit Belle und Gackt als sie ihn aufwecken wollten. Ich konnts mir bildlich vorstellen und hab mich geringelt vor lachen.
Bin schon gespannt wies weiter geht, und natürlich hoffe ich, dass es nicht mehr all zu lange dauert :3
*knuddel* Anima

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:09:54+00:00 25.06.2010 13:09
Von "Tally" am 20.04.2006

na endlich geht es weiter *fast jeden tag geschaut hatt*
aber es hatt sich eindeutig gelohnt, wie einige andere konnte auch ich nicht schlafen gehen bevor nicht der letzte Satz aufgesogen war *auf die Uhr schaut*
OMG schon halb 3 ich kenne einige Leute die mich moren töten werden wen ich das sage -.-
aber das Kappi war eindeutig genial *beide Daumen hoch* aber sry wegen Halsschmerzen konnte ich nicht laut lachen aber seit euch sicher ich hab selten in meinem Leben so gegrinst^^

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:09:12+00:00 25.06.2010 13:09
Von "BlackNightShadow" am 20.04.2006

ahh toll dass es endlich ein neues kapitel gibt
ja, was soll ich da noch groß sagen, ich muss mich den anderen einfach mal anschließen, mal wieder total genial und super lustig^_^
macht immer wieder spaß beim lesen^^
ich konnte auch nich aufhören XD wääh ich muss morgen um 9 oderso aufstehn T___T mist XD
ok ich hoffe es gibt bald noch ein kapitel, mir macht es nich so viel aus wenn es länger dauert, dafür lohnt es sich ja! weiter so~

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:07:21+00:00 25.06.2010 13:07
Von "El_AiKo" am 20.04.2006

Endlich geht es weiter, eviva!^^
Bor, das Kapitel war voll süß!
Anfangs war das Kapitel ja ziemlich... eto... naja, es hat mich zum Nachdenken angeregt, und zum Ende hin wars sehr lustig, die Szene mit Belle war zum Brüllen XD

Chu
Aikoooo

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:06:02+00:00 25.06.2010 13:06
Von "nadeshiko-camui" am 20.04.2006

Wow, das Kapitel war echt klasse *__*
Mir haben sowohl die ernsteren Teile mit Gackt und Nina (vielleicht kriegt sie ihn ja wirklich mal dazu mit wem zu reden *Gaku knuff*) als auch die Bettszene sehr gut gefallen *grins* und es war ja klar, dass der arme Haido wieder drunter leiden muss.. -.-' *ihn knuddel* aber es war einfach nur genial, wie Gackt ihn verdrächtigt hat *lach*
Ich hoffe, dass es bald weitergeht, und nochmal ein ganz dickes Dankeschön ^__^
Mata ne,
nadeshiko

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:05:19+00:00 25.06.2010 13:05
Von "Kate2005" am 21.04.2006

Hi,
ich hab zum schluss so lachen müssen!
hier seit wirklich geniale schreiber!
das lange warten hat sich gelohnt, aber ich hoffe ihr schreibt natürlich ganz schnell weiter!
ach belle, hyde und gackt sind einfach total süss!
( das mit dem hinfallen hätte mir genauso gehen können)
by
Kate

Von:  Nea-chan
2010-06-25T11:03:01+00:00 25.06.2010 13:03
Von "Toshiyas_Herztblut" am 22.04.2006

auwau!!!
Endlcih gehts weiter!
boah...das Kapitel ist ja echt toll geweorden *luv*
hab mich ja so gekringelt XD Belle ist verschwunden, die Welt geht unter...gomen, muste sein XDD
ne, aba das mir Gackt und Nina die beiden Szenen sind richtig schön geworden *schwärm*
Hab teilweise richtig Gänsehaut bekommen <.<
nya~ schnell weiter machen biddäää!
Ich liebe die FF!
baibaikii~



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