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Liebe, bis dass der Tod sie scheidet

von

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Außer Atem ließ Hilda ihren Blick über die fünf Zellen schweifen, die sie ohne Fackel sicherlich niemals in der bedrückenden Düsternis ausgemacht hätte. In völliger Abgelegenheit waren die massiven, schweren Türen eins geworden mit Gemäuer und Schatten, als wollten sie sich vor den verzweifelten Schreien der Verdammten, die seit Ewigkeiten das einzige waren, was sie zu hören bekamen, verbergen. Fast irreal wirkten sie im flackernden Schein des Feuers. Verborgene Pforten zu einer anderen Dimension, so schien es, was vielleicht nicht so weit von der Wahrheit entfernt war, wie man zunächst zu glauben vermochte. Hier unten fand das gewöhnliche Leben, dass sich in der Außenwelt Tag ein Tag aus abspielte ein so jähes Ende, als sei man in einen tiefen, bodenlosen, schwarzen Nachtmahr gestürzt. Wer hier im Keller seiner Existenz verweilte, würde früher oder später beginnen anzuzweifeln jemals zuvor das Sonnenlicht erblickt zu haben, so etwas wie die Sonne als ein Produkt seiner Hirngespinste, die die Gefangenschaft seinem verwaisten Geist eingehaucht hatte, abtun und vergessen, ob sein Kerker nun nur ein Alptraum oder sein vorheriges Leben in Freiheit nur ein Traum war.

Mit verkrampften Fingern festigte sie den Griff um den Schlüsselbund, trennte den völlig verrosteten Schlüssel von den übrigen. Mit einer abgehackten, ungelenken Bewegung schob sie ihn in das erste Vorhängeschloss. Er passte nicht. Für den Bruchteil einer Sekunde setzte ihr Herz einen Schlag aus, um darauf umso schneller gegen ihre Rippen zu pochen. Hastig eilte sie zu der nächsten Tür. Das Vorhängeschloss, das sie versiegelte war so überdimensional und mit zahlreichen Ketten verstärkt, dass man glauben mochte der Dämonenkaiser hielte in dieser Zelle Cerberus persönlich gefangen. Gleich auf den ersten Blick, war ihr klar, dass der Schlüssel auch für dieses Schloss nicht gemacht war.

Sie spürte wie ein stetig zunehmendes Zittern in ihre Hände Einzug erhielt, als sich auch die dritte und vierte Tür nicht öffnen ließen. Für einen kurzen Moment flammte ein fürchterlicher Gedanke in ihr auf, der ebenso schnell wie er aufgetaucht war, wieder verschwand. Der Soldat hatte gelogen! Dieser Schlüssel war der Falsche! Den richtigen trug er möglicherweise irgendwo anders bei sich, wenn überhaupt. Vielleicht wurde er auch ganz woanders aufbewahrt, von einer ganz anderen Person...von Laures selbst zum Beispiel und vielleicht waren auch Zadei und Titius gar nicht hier unten! Wie aus einem Traum erwacht schüttelte sie den Kopf und kniff die Augen zusammen. Sie schob den Schlüssel in das Vorhängeschloss der letzten Tür. Doch trotzdem er passte und sie ein leises Einrasten hören konnte ließ er sich nicht herum drehen.

Reflexartig schnellten Zadeis und Titius' Köpfe simultan herum, als sich jemand daran machte ihre Zelle aufzuschließen. Unwillkürlich rutschte Titius näher an Zadei heran, drückte sich so dicht gegen ihn, als wolle er schier in ihn hinein kriechen. Der Dämonengeneral legte sich mit zusammengezogenen Brauen den Zeigefinger an die Lippen, streichelte tröstend die Hand seines Geliebten und stand lautlos auf. Er zog Titius langsam mit sich in die Höhe und schob ihn behutsam in eine Ecke der Zelle, bedeutete ihm dort stehen zu bleiben, während er selbst sich ohne das leiseste Geräusch zu verursachen der Tür näherte, lauernd hinter ihr stehen blieb. Sicher war das, was er vorhatte Schwachsinn, zumal er nicht über seine Kräfte verfügte, aber er würde nicht wie ein Lamm auf der Schlachtbank sitzen und tatenlos warten, bis man Titius und ihn in die ewigen Jagdgründe sandte. Nein, er musste es wenigstens versuchen...er musste...

Sich nur wenig erfolgreich zur Ruhe zwingend, zerrte Hilda gewaltsam an dem Schlüssel. Es lag sicher nur am Rost, dass er sich nicht herumdrehen ließ, sagte sie sich immer wieder in Gedanken, versuchte die aufkommende Panik zu besänftigen. Mit beiden Händen versuchte sie ihn rechts herum zu zwingen und unterdrückte ein unflätiges Fluchen. Sie hatte weiß Gott nicht genügend Zeit, um sie so großzügig zu verschwenden. Sie ließ den Schlüssel los und schloss für einen Moment in tiefster Resignation die Augen, ehe sie es noch einmal versuchte. Gefühlvoller dieses Mal. Das letzte, was sie wollte war, dass der Schlüssel am Ende noch abbrach. Vorsichtig ruckelte sie ihn hin und her bis er nachgab und sich tatsächlich ein Stück nach rechts drehen ließ. Sie ruckelte erneut und wieder drehte er sich ein paar Zentimeter. Den Atem vor lauter Anspannung angehalten wiederholte sie dies noch ein paar Male, bis das Schloss endlich nachgab und einen ächzenden Laut verursachte.

Geräuschvoll ausatmend löste Hilda es und zog langsam die Tür auf.

Gebannt beobachtete Titius, wie sich die Tür öffnete und blinzelte leicht, als ein Lichtstrahl in die dunkle Zelle fiel. Eine mehr oder minder hochgewachsene Gestalt, völlig in Schwarz gehüllt, stand im Rahmen. Ihre vagen Umrisse ausgenommen, konnte er rein gar nichts von ihr erkennen. Es war gewiss keine Wache, soviel war sicher und ebenso wenig schien es einer der Soldaten zu sein[1]. Für Laures oder Gelm allerdings war die Gestalt mindestens einen Kopf zu klein. Also blieben nicht sonderlich viele Alternativen. Überhaupt fiel ihm im Moment nur eine einzige ein, die den Kloß in seinem Hals rasant anwachsen ließ und ihm das Atmen schier unmöglich machte.

Der Scharfrichter. War das nun das Ende ihres wenig erfüllten, traurigen Daseins? Würden sie nun sterben, ohne wirklich gelebt zu haben?

Suchend ließ Hilda ihren Blick eilig durch die düstere Zelle wandern und konnte niemanden ausmachen. Wieder flammte der Gedanke in ihr auf, die Wache könne sie belogen haben und wieder beschleunigte sich ihr Herzschlag. Widerstrebend gestand sie sich ein, dass ihre Knie zitterten, als sie entschlossen in die Dunkelheit des schäbigen Gefängnisses trat.

Jeder einzelne Muskel in Zadeis Körper spannte sich, als er die Schritte des, für ihn bislang unsichtbaren, Fremden sich nähern hörte. Kaum, dass die Gestalt auf eine Höhe mit ihm kam, griff er sie von hinten an. Er schlang den linken Arm um ihren erstaunlich schmalen Oberkörper, den rechten legte er mit aller Kraft um ihren Hals, drückte ihr schmerzhaft gegen die Kehle und somit die Luft ab. Er hörte seinen Gegner panisch nach Luft schnappen und presste seine unverletzte Hand auf seinen Mund, erstickte die angestrebten Laute des Protests.

-"Heute wird das Spiel nach meinen Regeln gespielt, du elender Bastard", zischte er. Er wirbelte herum, beförderte in derselben Bewegung die Tür mit einem Tritt ins Schloss und schleuderte die fremde Person mit erstaunlicher Leichtigkeit gegen die Wand.

Schmerzerfüllt keuchte Hilda auf, als ihr der harte Aufprall schier die Luft aus den Lungen presste. Leise stöhnend rutschte sie an der rauen Mauer hinab und sank benommen zu Boden. Sie umklammerte ihren schmerzenden Hals und rang mit aller Kraft nach Atem. Die Fackel fiel ihr aus der plötzlich völlig kraftlosen Hand, rollte zischend über das unebene Gestein und drohte zu erlischen. Zittrig stemmte sich die junge Frau auf die Arme und erblickte Titius, der sich nun ebenfalls aus seiner Ecke gelöst hatte und die Fackel aufhob, mit einem deratig hasserfüllten Blick auf sie nieder sah, wie sie ihn nie zuvor an ihm gesehen hatte. Wortlos fasste er sie an ihrem weiten Umhang, zerrte sie grob auf die Beine und stieß sie gegen Zadei, der nur wenige Schritte hinter ihr stand und seine Arme unter ihren Achseln hindurch schob, sie gegen sich gedrückt festhielt, um Titius einen zielsicheren Schlag in ihr Gesicht landen zu lassen[2].

-"Nicht Titius!", stieß sie kläglich mit heiserer Stimme hervor, versuchte vergeblich sich Zadeis Griff zu entziehen.

-"Hilda?!", fragte der geflügelte Dämon ungläubig und senkte seine bereits zu einem weiteren Schlag ausholende Hand.

-"Was?! Laures' Menschenweib!?", rief Zadei voller Skepsis und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen.

-"Lass' sie los!". Mit erschrocken geweiteten Augen machte der junge Dämon eine befehlende Geste mit der freien Hand.

Murrend kam der Shogun der Aufforderung seines Geliebten nach und stieß die junge Frau mit einem kehligen Grollen von sich, die mit einem erleichterten Seufzen auf die Knie sank und die voluminöse Kapuze, die ihr Haupt bedeckte zurückwarf, den Schal beiseite zerrte, der um ihr Gesicht gewunden war und lediglich die Augenpartie freigab.

-"Ihr seid es tatsächlich!". Regungslos blickte Titius einen Moment lang auf die Frau zu seinen Füßen, ehe er ihr hastig eine Hand darbot und aufhalf.

-"Seid Ihr verletzt?", fragte er hastig mit besorgter Miene und hob die Fackel auf Gesichtshöhe, um Hilda besser sehen zu können, fuhr mit den Fingerspitzen über ihren linken Mundwinkel, der unter seinem Schlag aufgeplatzt war. "Es tut mir leid", stammelte er schuldbewusst.

Sie schüttelte langsam den Kopf.

-"Nein, schon gut, alles in Ordnung".

-"Gar nichts ist in Ordnung!", donnerte Zadei und packte sie am Kragen, zog sie so dicht an sich heran, dass sie gar nicht anders konnte, als in seine bedrohlich funkelnden Bernsteinaugen zu blicken "Was willst du hier? Laures Bericht erstatten, ob wir noch leben oder schon krepiert sind?! Oder wolltest du selbst dich an unserem Leid ergötzen, Menschenabschaum?!"

-"Hör' auf Zadei! Hilda ist auf unserer Seite!". Entschlossen löste Titius die Hand des Shoguns aus dem Umhang der jungen Frau und schob sich zwischen ihn und Hilda.

-"Als Laures mich in der Folterkammer gefangen hielt und quälte, ist sie jeden Tag zu mir gekommen, hat mir zu essen und zu trinken gebracht und meine Wunden versorgt. Sie ist mein einziger Lichtblick gewesen, ohne sie wäre ich jetzt sicherlich tot". Beschwörend blickte Titius den Dämonengeneral an, dessen aggressive Züge sich nur langsam und sehr widerwillig glätteten.

-"Titius hat Recht. Ich bin hier, weil ich euch helfen will", bekräftigte Hilda die Worte des Dämons. Sie warf ihren Umhang zurück und öffnete einen Beutel, den sie sich um ihre Schultern gehängt hatte.

Titius betrachtete ihre langen, in engen Hosen steckenden Beine, die in den an den Waden viel zu losen Stiefeln wirkten wie vereinsamte Blumenstengel in einer zu groß geratenen Vase. An ihrer Seite hing ein Schwert, wie es Laures' Soldaten bei sich trugen. Es war ein befremdlicher Anblick.

-"Hier!" Sie reichte jedem der beiden Dämonen ein schwarzes, zusammengerolltes Stoffbündel. Lange, mit riesigen Kapuzen versehene Umhänge, die dem ihren glichen.

-"Zieht die über und dann folgt mir, wir haben keine Zeit zu verlieren".

Augenblicklich hüllte sich Titius in das Gewand, während Zadei noch immer voller Misstrauen zögerte.

Eilig entwand die junge Frau dem geflügelten Dämon die Fackel und führte ihn und den Shogun hinaus auf den Gang.

-"Woher wussest du überhaupt, wo wir sind und wer hat dir den Schlüssel zur Zelle gegeben?", fragte Zadei lauernd, sich nun doch umständlich in den Umhang wickelnd seinen harten, kalten Blick in ihren Rücken bohrend. Er war ganz und gar nicht von Hildas guten Absichten überzeugt und schloss einen Hinterhalt nicht aus.

-"Wenn du uns hinters Licht führst Menschenabschaum, erschlage ich dich wie einen räudigen Straßenköter", drohte er gefährlich leise, ignorierte Titius' mahnenden Blick.

-"Ich habe eine Wache nach euch gefragt, dieselbe, die mir den Schlüssel zu eurer Zelle bereitwillig überlassen hat", entgegnete Hilda ruhig und blickte ihn kurz über die Schulter hinweg an. "Natürlich habe ich nachhelfen müssen...leider", fügte sie hinzu.

Die Stirn des Shoguns legte sich in tiefe Falten.

-"Nachhelfen?", wiederholte Titius und hob die linke Braue.

-"Hiermit". Sie streckte ihm die Kette, mit der sie den Soldaten niedergestreckt hatte, entgegen. Der junge Dämon wich sofort einen Schritt zurück.

-"Silberranke", flüsterte er. Sie nickte stumm.

Schweigen legte sich auf die drei nieder. Zielstrebig lotste Hilda die beiden Dämonen durch die verworrenen Gänge, steuerte den verborgenen Durchgang an, den sie in den Bauplänen entdeckt hatte. Als sie nach ein paar Minuten eine Biegung erreichten sah Zadei ein paar Meter entfernt die leblos am Boden liegende Wache.

-"Ist sie das? Die Wache, die du erwähntest?", fragte er und deutete auf den uniformierten Dämon. Hilda nickte wortlos und blieb an einer Mauer stehen, hob' eine Fackel aus ihrer dort angebrachten Halterung und legte sie vorsichtig auf den Boden, damit sie nicht erlosch.

-"Hast du ihn umgebracht?", wollte der Dämonengeneral wissen, konnte den ungläubigen, zweifelnden Unterton nicht ganz aus seiner Stimme verbannen. Es lag jenseits seines Vorstellungsvermögens, dass Hilda einfach so jemanden töten könnte. Obwohl... ein Leben an der Seite des Dämonenfürsten vermochte mit der Zeit sicher auch ein zart besaitetes, menschliches Gemüt abzuhärten...

-"Natürlich nicht!", entgegnete sie entrüstet. "Er ist nur bewusstlos". Sie übergab ihre Fackel Titius, fasste die Halterung vor sich mit beiden Händen und drehte sie um 360° herum. Die Wand in der sie befestigt war erbebte leicht, von einem dumpfen Grollen begleitet und verschob sich schließlich, indem sie um 180° um die eigene Achse rotierte.

-"Bewusstlos?!", zischte Zadei aufgebracht. Seine unverletzte Hand ballte sich kramphaft zur Faust. "Wie blöd bist du eigentlich, Weib?!", fuhr er auf und trat mit einem einzigen energischen Schritt hinter Hilda, griff um sie herum unter ihren Umhang und zog das Schwert an ihrer Seite aus seiner Scheide.

Einen erschrockenen Laut von sich gebend, wirbelte sie herum und griff reflexartig nach der Waffe im vergeblichen Versuch, sie ihm zu entreißen.

-"Was soll das?! Was hast du vor?!", stieß sie mit mühsam gedämpfter Stimme hervor.

-"Was glaubst du wohl?", höhnte er mit verächtlichem Blick und trat mit eiligen Schritten auf den Soldaten zu, den Schwertgriff kreisend durch seine Finger tanzen lassend.

-"Komm' sofort zurück! Es besteht kein Grund ihn umzubringen!". Sie setzte ihm zwei Schritte nach und blieb abrupt stehen, als er kaum, dass sie ausgesprochen hatte auf dem Absatz herumfuhr und mit der Schwertspitze auf sie deutete, das Gesicht eine einzige Maske des Zorns.

-"Kein Grund sagst du?! KEIN Grund?! Du hast ihn mit Hilfe von Silberranke fertig gemacht! Was glaubst du wieviele Dämonen unbekümmert ein Stück Silberranke durch die Gegend spazieren tragen können? Der Verdacht wird sofort auf dich fallen, oder hast du hier noch anderen Menschenabschaum außer dir gesehen?![3]"

Wortlos erwiderte die junge Frau seinen lodernden Blick, einen schmerzerfüllten Ausdruck auf den Zügen.

-"Er hat Recht, Hilda", warf Titius leise ein und legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter.

Ohne eine Antwort ihrerseits abzuwarten, auf die er ohnehin nichts gegeben hätte, wandte sich Zadei ab und griff in das Haar des bewusstlosen Soldaten, zog seinen Kopf empor und durchtrennte ihm mit einem schnellen, sauberen Schnitt die Kehle. Beide Hände vor den Mund pressend, um nicht aufzuschreien oder sich in die nächste Ecke zu übergeben wandte Hilda ruckartig das Gesicht ab und eilte, beinah über die eigenen Füße stolpernd, in den Geheimgang, um sich dem abscheulichen Anblick zu entziehen.

Mit ausdrucksloser Miene trat Zadei auf Titius zu, der an der Mauer stand und auf ihn wartete, legte im Vorübergehen seinen linken Arm fest um seine Schulter und zog ihn mit sich in den Geheimgang hinein, wo Hilda sie, ihnen den Rücken zugewandt, erwartete. Ein bösartiges Lächeln schlich sich auf die Lippen des Shoguns, als er die blutige Klinge an ihrem Umhang abwischte und das Schwert dann mit einem Ruck, der die junge Frau fast aus dem Gleichgewicht brachte, in seine Scheide zurück schob.

Mühsam einen mehr oder minder gleichgültigen Gesichtausdruck aufsetzend trat Hilda noch einmal nach draußen, steckte die am Boden liegende Fackel in ihre Halterung zurück und verschloss den geheimen Eingang dann von Innen nach demselben Prinzip, indem sie sie Fackelhalterung, die auf der anderen Seite der Mauer angebracht war, ebenso wie die erste um 360° herumdrehte.

Es war ihnen, als irrten sie seit einer halben Ewigkeit durch die verwinkelten, unterirdischen Gänge. Immer wieder versicherte Hilda ihren Begleitern, dass es der richtige Weg war und der Ausgang nicht mehr fern war und immer wieder entdeckte sie in beiden Augenpaaren jene ängstliche Skepsis, die bei Titius von Vertrauen und vom Wunsch ihr glauben zu können überschattet wurde, während sie ihr bei Zadei unverhohlen, mit einer stummen Drohung gepaart, regelrecht entgegen sprang.

Der Shogun fühlte sich wie eine Laborratte im Labyrinth und zeitweilig hatte ihn die böse Ahnung erfasst, dass das Menschenweib gar nicht mehr wusste, wo es sie überhaupt hinführte.

Dann endlich, nach zahllosen unterdrückt hervorgestoßenen Flüchen, bissigen Bemerkungen und nahe an der Grenze der Eskalation schwebenden Auseinandersetzungen erreichten sie den mit bangem Herzen lang ersehnten Ausgang. Zu Dritt stemmten sie sich gegen die marode Tür, deren Angeln der Rost der Jahrzehnte und Jahrhunderte zur Bewegungslosigkeit verdammt hatte, bis sie sich mit einem erbärmlichen Knarren, das wie das letzte Aufbrüllen eines sterbenden Raubtieres klang öffnete.

-"Das ist sie, die alte Kapelle", sagte Hilda leise. Mit seligem Glanz in den Augen folgten ihr Titius und Zadei, sahen sich flüchtig in dem alten, verfallenen Gebäude, in dem nichts als Chaos herrschte, um. Alles, was sie noch von ihrer Freiheit trennte war der schmale Mittelgang, zwischen den morschen, dicht aneinander gedrängten Holzbänken[4].

Einen jubilierenden Laut austoßend ergriff Zadei Titius' Hand, stürmte an der jungen Frau vorbei und stieß die doppelflügelige Tür der Kapelle mit solchem Schwung auf, als wollle er sie aus den Angeln reißen. Vor ihm lag still und unheilvoll dunkel wie stets der Wald Letum, der Todeswald, der sich durch ganz Makai erstreckte.

Fast ehrfürchtig hob er den Kopf und betrachtete die zerfetzten gräulich schimmernden Wolken, die eilig am Firmament vorbei zogen, den prallen Mond nachlässig bedeckten. Tief sog er die kühle, frische Luft in seine Lungen und schloss geräuschvoll aufatmend seine Augen. Er spürte wie sich schmale Hände an seine Seiten stahlen, liebevoll über seine Rippen auf und ab streichelten. Zärtlich umfasste er sie und zog sie nach vorn auf seinen Bauch.

-"Frei...wir sind frei Titius", wisperte er mit zittriger Stimme.

-"Ja", wisperte der junge Dämon ebenso zittrig zurück und hauchte einen Kuss zwischen seine Schulterblätter.

Einige Schritte von ihnen entfernt stand Hilda und betrachtete mit einem stillen Lächeln das in Eintracht aneinander geschmiegte Paar.

Nach einer Weile wandte sich Titius schließlich um.

-"Danke Hilda, ich danke Euch aus tiefstem Herzen", ergeben senkte er den Kopf. "Wie kann ich mich dafür nur jemals erkenntlich zeigen...".

-"Nicht doch, Titius". Sie überwand die wenigen Schritte, die zwischen ihnen lagen und legte ihre Hände auf seine Schultern. "Ich habe es gern getan und ich erwarte nicht die geringste Gegenleistung". Sie beugte sich vor und küsste ihn auf das demütig gesenkte Haupt, ehe sie sanft die Hände um sein Gesicht schloss und es anhob. "Werdet einfach glücklich miteinander...", sagte sie leise. Ein kaum wahrnehmbares Schniefen entrang sich der Kehle des jungen Dämons, zögernd, fast schüchtern hob er die Hände, machte noch einen Schritt auf sie zu und schloss sie so fest es sein verwundeter Körper erlaubte in seine Arme.

Sie spürte wie ihr nun selbst brennende Nässe in die Augen stieg, als sie die herzliche Umarmung erwiderte und mit langsamen, langen Strichen, von denen sie hoffte, dass sie etwas Mut und Zuversicht spendeten, über den schmalen Rücken fuhr.

Als sie über Titius' Schulter hinweg in Richtung des Shoguns sah, begegnete ihr ein überraschend weich und sanft auf ihr ruhender Blick. So etwas wie ein Lächeln, lag auf Zadeis Lippen, dass allerdings, als fühlte es sich ertappt, recht schnell wieder verschwand. Langsam wanderten die Bernsteinaugen von der jungen Frau zu seinem Geliebten, richteten sich kurz auf die endlose Weite des vor ihnen liegenden Waldes, um zu Titius' Gestalt zurück zu kehren.

Hilda nickte kaum merklich, löste sich vorsichtig von dem jungen Dämon.

-"Es wird Zeit...", sagte sie leise.

-"Es wird Zeit", wiederholte er, bemüht nicht allzu traurig zu klingen und entfernte sich Schritt für Schritt von ihr, rückwärts, um den Blick so lang wie möglich auf ihr ruhen zu lassen[5].

Der Shogun legte fest seinen Arm um ihn, als er schließlich bei ihm angelangte, drückte tröstend seine Hand und küsste ihn geräuschvoll auf die Wange, ehe er sich an Hilda wendete.

-"Also...wir werden uns dann auf den Weg machen", sagte er gezwungen sachlich.

-"Nehmt das mit euch". Eilig löste Hilda das Schwert von ihrem Gürtel und hielt es ihnen entgegen. "Euch wird es mehr Nutzen bringen als mir". Mit einem etwas abgehackten Nicken nahm Zadei es an sich. Dann betrachtete er die junge Frau vor sich forschend, fast nachdenklich.

-"Und du bist sicher, dass du nicht lieber gleich mit uns kommen willst? Du wirst vor Laures nirgends mehr sicher sein, wenn er von deinem Verrat an ihm erfährt", sagte er. In seiner Stimme schwang ein seltsam bedrückter Klang mit.

Sie verneinte.

-"Macht euch keine Sorgen um mich". Das war einfacher gesagt als getan, vor allem was Titius betraf.

Der Shogun nickte wieder dieses abgehackte Nicken und setzte sich langsam in Bewegung, zog seinen Geliebten mit sich.

-"Lebt wohl. Ich wünsche euch alles Glück der Welt", sagte Hilda und lachte leise.

Der Dämonengeneral, schon zum Gehen umgewandt, blieb stehen und kehrte noch einmal um, trat mit weit ausholenden Schritten auf sie zu, blieb dicht vor ihr stehen und fasste ihre Handgelenke.

-"Du hast das mir Liebste auf der Welt gerettet, du hast Titius gerettet, ohne den ich nicht leben kann und will, dafür werde ich dir ewig dankbar sein, ganz gleichgültig, ob du ein Mensch bist", flüsterte Zadei so leise, dass sie sich anstrengen musste, um ihn zu verstehen. Überrascht sah Hilda auf in sein Gesicht und dieses Mal lächelte er ganz deutlich. Ein Lächeln, das auch seine katzenartigen Augen erreichte[6].

-"Ich stehe tief in deiner Schuld".

-"Ich möchte nichts weiter, als dass ihr glücklich das Leben führt, das ihr euch wünscht", entgegnete sie . Er nickte beinah feierlich und ließ sie los, wandte ihr dieses Mal endgültig den Rücken zu und schritt mit Titius dem Wald entgegen.

Regungslos stand Hilda vor der kleinen Kapelle und blickte den beiden immer kleiner werdenden Gestalten nach, bis die Dunkelheit sie völlig verschlang.

>Bitte lieber Gott, lass die beiden es schaffen<, betete sie stumm.
 


 

Es war bereits später Nachmittag und die ersten Vorboten der Dämmerung zogen auf, Hilda saß auf der Veranda ihres Schlafzimmers, eine kleine Teetasse, die sie selbst bemalt hatte, vor sich auf dem niedrigen, gläsernen Beistelltisch, ein Buch auf den Knien, als das Alarmsignal ertönte. Es schien aus allen Himmelsrichtungen zu dröhnen, der Boden vibrierte sachte, die Tasse klapperte leise auf der Untertasse.

Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und lächelte. Jetzt erst hatten sie also den Tod der Wache und das Verschwinden von Zadei und Titius bemerkt. Die beiden würden einen riesigen Vorsprung haben, sollte Laures jetzt Suchtrupps aussenden. Sie stand auf und ging hinein. Es wäre wohl suspekt, würde sie als einzige bei all dem Troubel, der bereits im Palast herrschte, ruhg dasitzen und Tee trinken.

In sämtlichen Türen und an fast allen Fenstern drängten sich die Bediensteten, tuschelten miteinander, warfen neugierige Blicke auf die Gänge.

Hilda betrat den geräumigen Vorsaal, Versammlungsstätte des kaiserlichen Rats, der wie leer gefegt wirkte. Von irgendwoher ertönte aufgebracht Laures' kraftvolle Stimme. Sie entdeckte ihn auf der zweiten Galerie, wo er wild gestikulierend herumschrie. Sie konnte zwar nicht verstehen was er sagte, aber es war unübersehbar, dass er vor Wut kochte. Der Soldat, der verängstigt vor ihm am Boden kniete, hob jedes Mal, wenn Laures näher kam, schützend den Arm vor sein Gesicht. Er musste wohl die Ablösung für die Wache sein, die Zadei getötet hatte.

Laures brüllte so laut nach Rakuto, dass Hilda ihn dieses Mal ganz deutlich verstand. Der Soldat schrak auf und unklammerte Laures' rechtes Bein, machte Anstalten seinen Stiefel zu küssen. Mit einem kraftvollen Tritt schleuderte der Dämonenfürst ihn von sich. Angewidert wischte er die Stelle seines Stiefels, die der niedere Dämon berührt hatte, an demselben ab.

Es waren keine zwei Minuten vergangen, als Rakuto auch schon auf der Galerie erschien. Nach einer kurzen Anweisung seitens Laures, wurde der jammernde Soldat in Ketten gelegt und fortgebracht, woraufhin der Dämonenfürst mit großen Schritten im Konferenzsaal verschwand.

Hilda verließ ebenfalls den Vorsaal und trat hinaus in den Hinterhof. Alles war still. Ein paar Bedienstete waren unterwegs, trugen sinnloserweise Wäschekörbe und Wasserkübel hin und her, in der Hoffnung irgendwo näheres darüber zu erfahren, was geschehen war. Sie fragte sich, wo all die anderen waren.

Ihre Frage wurde auch so gleich beantwortet, als sie ein Stück weiter zu den Drachenunterkünften ging. Sämtliche Soldaten und Bediensteten tummelten sich in den Ställen, sattelten und zäumten die Drachen in beeindruckendem Tempo auf. Hilda beobachtete, wie die schweren Tore der Ställe emporgezogen und die respekteinflößenden Drachen, einer nach dem anderen, hinaus in den Hof geführt wurden. Die mächtigen Leiber glänzten im Licht der trüben, schwächer werdenden Sonne. Kampfbereit streckten sie die Hälse, stießen züngelnde Flammen aus. Ungeduldig strichen gepanzerte, mit tödlichen Stacheln gespickte Schwänze über den Boden.

Ungesehen zog Hilda sich zurück in den Palast, wo sie das, von allen Wänden wiederhallende, Geräusch hunderter Militärstiefel empfing. Das gesamte Drachenreiterbataillon marschierte im Gleichschritt eilig auf den Hinterhof zu. Hilda stand etwas abseits auf dem Gang und betrachtete die Soldaten in ihren schillernden Rüstungen, an den Seiten ihre Breitschwerter, auf den Rücken ihre Armbrüste samt Bolzen. Die starren, wie polierte Murmeln wirkenden Augen gierten geradezu nach Schlachten und Kämpfen, nach vergossenem Blut und Schmerzesschreien. Sie schauderte. Keiner von ihnen würde auch nur einen Augenblick zögern Zadei und Titius zu töten.
 

-"Herr, wir sollten nun aufbrechen, die Drachen sind bereits auf dem Hof, ebenso wie die Drachenreiter, Herr". Gelm musterte Laures' angespanntes Profil, seine Züge wirkten härter denn je. Deutlich hob sich sein Unterkiefer unter seiner hellen Haut ab, als er die Zähne fest aufeinander presste. Die Gedanken fernab verweilend, fixierten die emotionslosen Augen einen für den Dämon neben ihm unsichtbaren Punkt. Schweigend wartete der fürstliche Berater auf eine Antwort. Nach einer Weile erhob sich Laures schließlich langsam. Seine Rüstung gab ein leises, klapperndes Geräusch von sich. Er nickte wortlos und verließ den Raum. Gelm folgte ihm mit zwei Schritten Abstand.
 

Vielleicht eine Spur zu schnell lief Hilda die Gänge entlang, ihr Zimmer anstrebend. Sie hatte das Gefühl es sei besser sie beeile sich. Im Grunde konnte es ihr, nun da Zadei und Titus geflohen waren, gar nicht schnell genug gehen. Sie ließ den Blick umherschweifen. Sie hatte all dies lieb gewonnen gehabt, sicherlich, dennoch würde sie nichts vermissen.

Als sie schwungvoll um die nächste Ecke bog, setzte ihr Herz zunächst einen Schlag aus. Nur ein paar Meter von ihr entfernt kamen ihr Laures und Gelm entgegen. Umkehren konnte sie nicht, sie hatten sie bereits gesehen. Sie zwang ihre Atmung, die sich refelxartig beschleunigt hatte, sich zu beruhigen. Das Schwierigste hatte sie bereits bewältigt, sie würde jetzt nicht versagen und sich mit unbedachtem Verhalten verraten. Unbefangen, wie es stets ihre Art war schritt sie also auf ihren Geliebten und seinen neuen Berater zu.

-"Frau Hilda", respektvoll verbeugte sich Gelm vor ihr mit gesenkten Lidern.

Laures blickte sie nur stumpf an, als kenne er sie nicht und habe auch kein Interesse etwas daran zu ändern.

-"Laures", sie kam noch einen Schritt näher auf den Kaiser zu. "Ich habe dich überall gesucht. Was ist passiert? Ich habe das Alarmsignal gehört und die Drachenreiter auf dem Hof gesehen. Gibt es etwa Krieg?". Sie machte ein ängstliches Gesicht, das in jedem männlichen Wesen sogleich den Beschützerinstinkt geweckt hätte[7]. In Laures' Gesicht allerdings regte sich nicht ein Muskel.

-"Nein. Kein Krieg", entgegnete er knapp. "Es sind Gefangene ausgebrochen".

Ihre Augen weiteten sich etwas, als könne sie es sich gar nicht vorstellen.

-"Ausgebrochen? Und niemand im Palast hat es bemerkt?"

Gelm betrachtete Laures von der Seite, zog kaum merklich seine Augenbrauen zusammen. Weshalb sah der Fürst seine Frau so seltsam an? Verstohlen musterte er Hilda, die Laures' merkwürdigen Blick nicht zur Kenntnis zu nehmen schien... oder auch nur vortäuschte es nicht zu tun.

-"Gelm", wandte Laures sich an seinen Berater ohne die Augen von der jungen Frau abzuwenden, "Geh' schon mal vor".

-"Wie Ihr wünscht". Der Dämon verbeugte sich erneut vor Hilda und ging.

Schweigend maß sich das Paar, dunkle, abgründige Saphire duellierten sich hartnäckig mit unschuldsvollen, kindlichen Smaragden.

Langsam ging Laures um seine Frau herum. Sie drehte sich mit ihm, ließ ihn nicht aus den Augen.

-"Nein, niemand hat es bemerkt", sagte er gedehnt, die Stimme gedämpft. Er blieb von Hilda abgewandt stehen.

-"Sind sie so wichtig, dass das gesamte Drachenreiterbataillon eingesetzt werden muss, um nach ihnen zu suchen? Stellen sie eine Gefahr für die Öffentlichkeit dar?"

Besorgnis stand in ihren Zügen, doch in ihrem Inneren wallte ein Lachen auf. Die größte Gefahr für die Öffentlichkeit stand hier vor ihr, das wusste sie seid der Hinrichtung des unschuldigen Dämonenmädchens.

Wie in Zeitlupe drehte sich Laures zu ihr um. Seine kalte, unantastbare Fassade ließ nicht im Geringsten erahnen, dass ihm sein Herz bis zum Hals schlug, ihm das Gefühl vermittelte, seine Rippen würden jeden Augenblick unter seinem hektischen Schlag brechen.

-"Hör' auf...", stieß er hervor. "Du weißt ganz genau, dass es sich um Zadei und Titius handelt".

Fragend zog Hilda die Brauen in Richtung Haaransatz.

-"Woher sollte ich das wissen? Es vegetieren eine ganze Menge Gefangene in deinem Kerker dahin", entgegnete sie, ihrer Stimme ganz bewusst einen vorwurfsvollen Unterton verleihend.

Er trat näher an sie heran. Standhaft rührte sie sich nicht vom Fleck, blickte ihm erhobenen Hauptes entgegen.

-"Woher?", raunte er. "Du warst doch dabei". Seine Augen durchbohrten sie schier, schienen direkt in ihre Gedanken zu blicken, ihnen die Wahrheit zu entnehmen.

-"Das ist Schwachsinn", erwiderte sie fest, betonte jedes einzelne Wort.

-"Du hast ihnen einen der Geheimgänge gezeigt...darum hat niemand im Palst ihre Flucht bemerkt", setzte Laures seine Anschuldigungen fort.

-"Ich weiß nicht wovon du redest", beharrte die junge Frau. "Ich habe keine Ahnung wo in diesem Palst sich irgendwelche versteckten Schlupfwinkel befinden".

-"Es dürfte kein Problem für eine intelligente Frau wie dich sein das heraus zu finden".

Sie antwortete ihm nicht darauf. Mit vor der Brust verschränkten Armen musterte der Dämonenfürst sie.

-"Hast du deine Prinzipien überwunden und die Wache selbst getötet, oder hat es einer von ihnen für dich getan?", fragte er leise. Er machte ein paar Schritte zur Seite, kam zurück, wich wieder etwas nach rechts, als wolle er sie mit seinem sinnlosen hin und her Gehen nervös machen. "Du hast nur die Vorarbeit geleistet nicht wahr?". Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Wie hast du es angestellt ihn in den Geheimgang zu schaffen, ohne einen Tropfen Blut zu hinterlassen, obwohl seine Kehle durchtrennt war? Ein angeblich zart besaiteter, sensibler Mensch wie du?" [8]

Er kam immer näher, drängte sie zurück zu weichen, bis sie gegen die Wand stieß und nicht mehr zurück weichen konnte.

-"Ich hatte schon länger den Verdacht, dass sich hinter deiner Fassade etwas ganz anderes verbirgt, als das was zu sein vorgibst...du Verräterin". Die letzten zwei Worte hatte er ihr anklagend entgegengehaucht. Hilda spürte seinen heißen Atem auf ihrem Gesicht. Die sanfte Ruhe in seiner Stimme ängstigte sie mehr, als wenn er getobt und gebrüllt hätte.

-"Du versuchst krampfhaft mich für Zadeis und Titius' Flucht und den Tod der Wache verantwortlich zu machen...". Sie hielt seinen eisernen Blick gefangen. "Willst du mich loswerden? Dich meiner auf schlüpfrige Art und Weise entledigen, wie du es schon mit dem einen oder anderen zuvor getan hast?".

Laures reagierte nicht auf ihre Worte, lächelte nur freudlos, entblößte langsam seine langen, spitzen Fangzähne, was einer Drohung gleich zu kommen schien.

-"Ich hatte schon so etwas in der Art geahnt, seit ich das hier gefunden habe". Er zog einen kleinen, unscheinbaren Wildlederbeutel hervor und entnahm ihm etwas, bot es Hilda auf der Handfläche dar.

-"Das sind deine. Das Armband habe ich dir geschenkt".

Sie blickte auf die kleinen, runden, abricotfarbenen Perlen und spürte wie es ihr kalt und heiß und wieder kalt wurde.

-"Ich habe sie im Kellergewölbe gefunden". Er rollte die Perlen in seiner Handfläche hin und her, ließ sie leicht auf und ab hüpfen.

-"Möglich", erwiderte sie kühl. "Ich habe das Armband an dem Tag, als ich dich im Kellergewölbe suchte getragen. Es ist gerissen, als ich damit an einem, aus einer Tür herausragendem, Nagel hängen geblieben bin ".

Laures lächelte schief, schüttelte den Kopf.

-"Danach war ich jeden Tag dort...es hat keine einzige Perle auf dem Boden gelegen". Er kippte die Hand, ließ die Perlen eine nach der anderen fallen.

-"Du wirst sie in der Dunkelheit nur nicht gesehen haben. Wer sucht auch schon nach Perlen in einem Kerker?"

Laures' Lächeln blätterte ab. Sein Gesicht wurde ausdruckslos...blank...bar jeder Gefühlsregung. Er trat auf die Perlen zu seinen Füßen. Hilda hörte wie sie unter seinem Stiefel knackten, als sie zerbrachen.

-"Du hast sie verloren, als du unten bei Titius warst und seine Wunden versorgt hast", sagte er finster.

Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen.

-"Schweig!", donnerte er und er versetzte ihr einen Schlag ins Gesicht, der sie zu Boden gehen ließ. Ungläubig betrachtete Hilda das Blut, dass von ihrer Unterlippe auf ihre Hände tropfte.

-"Glaubst du ich hätte nicht gemerkt wie schnell seine Verletzungen geheilt sind?!", schrie er sie nun ungehalten an.

-"Er ist ein Dämon! Woher soll ich wissen wie er das angestellt hat?!", schrie sie zurück.

-"Die tote Wache hatte Würgemale am Hals, Abdrücke von Kettengliedern", er umfasste ihre Handgelenke und zog sie auf die Knie. "So wie diese!". Grob zerris er die Ärmel ihres Kleides und zwang ihre nackten Arme vor ihr Gesicht. Helle, blaue Flecken schimmerten vereinzelt auf der weißen Haut. Sicherlich nicht so ausgeprägt wie die am Körper der Wache, aber doch deutlich erkennbar. Zweifellos Abdrücke der Kette, die Hilda benutzt hatte, um den Soldaten nieder zu strecken.

-"Du brauchst nichts mehr zu sagen. Ich weiß, dass du es warst!". Er stieß sie von sich gegen die Wand, ihr einen leisen Schmerzeslaut entlockend.

-"Ich habe die Male heute morgen schon gesehen, als dir dein Lesezeichen in den Gartenteich gefallen ist und du deine Ärmel zurückgeschoben hast, um es aus dem Wasser zu fischen. Ich hatte sie nicht für weiter wichtig gehalten...bis ich die Male am Hals der Wache gesehen habe".

Still und völlig regungslos saß Hilda da, sah Laures nichtssagend an. Es machte keinen Sinn mehr nach weiteren Ausflüchten zu suchen.

-"Ich habe Lust dich zu zertreten, wie ich die Perlen!", schleuderte er ihr hasserfüllt entgegen. "Dem Brechen jedes einzelnen deiner Knochen zu lauschen!".

Heftig atmend vergrub er das Gesicht in seinen Händen. War es sein Schicksal von jenen, die ihm am nächsten standen enttäuscht und hintergangen zu werden?

Er blickte für einen kurzen Moment zu Hilda, die seltsam verloren wirkte, wie sie dort an der Wand saß, das volle Ausmaß seines Zornes erwartend.

Betont ruhig richtet er seinen Schwertgürtel und streifte sich seine Handschuhe über.

-"Glaube nicht du würdest ohne weiteres davonkommen, nur weil du meine Frau bist. Ich kümmere mich um dich sobald ich zurück bin", sagte er emotionslos und ging.

Vielleicht hätte er sich, wenn er davon gewusst hätte, dass zwei gepackte Koffer in Hildas Zimmer standen und, dass sie kaum eine Stunde nach seinem Aufbruch in die Menschenwelt zurückkehrte, sofort um sie gekümmert...vielleicht...vielleicht aber auch nicht[9].
 

TBC
 

[1]: Im Grunde sind die Wachen ja auch Soldaten, bloß von niederem Rang...denke ich ^^°

[2]: Wer sich hier fragt, warum sich Hilda denn nicht eher zu erkennen gibt: Das ganze mag geschrieben hingezogen klingen, aber im Grunde dauert es wohl nicht sonderlich lange jemanden an die Wand zu klatschen, ihn wieder aufzuheben und ihm eine rein zu hauen >_>° Sprich sie hatte nicht wirklich Gelegenheit dazu.

[3]: Ich finde, dass bereits an dieser Stelle deutlich wird, dass Zadei Hilda gar nicht so sehr verachtet, wie er vorgibt, denn dann könnte es ihm egal sein, ob man sie verdächtigen wird oder nicht. Ja ja, der gute alte Zadei, harte Schale, weicher Kern ^^

[4]: Fragt mich nicht wozu Leute in der Unterwelt Kapellen haben O_o

[5]: Das klingt schon wieder, als wären die beiden ineinander verschossen XP

[6]: Ich hoffe das ist jetzt für seine Verhältnisse nicht zu emotional geraten...

[7]: Was für eine hinterfotzige Hexe! Die Hilda-Hasser unter euch wussten es schon immer, nicht wahr? ^^

[8]: Eine gute Frage, auf die ich auch gern eine Antwort hätte.

[9]: Im Nachhinein, habe ich mich an dieser Stelle gefragt, ob Laures' Verhalten, also, dass er Hilda nicht sofort fertig macht, wie Titius damals, nun bedeutet, dass sie ihm viel mehr oder viel weniger als Titius bedeutet...ehrlich gesagt, habe ich mir darüber während dem Schreiben nämlich gar keine sonderlichen Gedanken gemacht.
 

Sooooooo Kappi 14, nach zwei Tage langem Beta-Lesen *seufz*

Was soll ich sagen? Zadei und Titius sind endlich frei. Hipp hipp hurra!

Hilda ist mit 'nem blauen Auge davon gekommen und gibt Laures den endgültigen Laufpass. Hipp hipp hurra!

Dann noch ein ganz persönliches hipp hipp hurra für _kodou, die sich sicherlich über die Prügel freut, die Hilda von allen Seiten bezieht ^______________^ *knuff*

Uuuuuuuund im nächsten Kappi gibt es endlich die lang aufgesparte Lemon zwischen Titius und Zadei! HIPP HIPP HURRAAAAAAAAAAAAAAAAAAA! *____*

@Atu: halt die beiden Schnuffis bereit!!! *loooooooooooooooooooooooooool*

Nja, lange Rede kurzer Sinn...

Wie immer hoffe ich, dass alle Spaß hatten und zufrieden sind ^.-

Bis zum nächsten Kappi

die Psychose

^^/



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2006-10-17T13:20:48+00:00 17.10.2006 15:20
waaaah~
ich muss mich sputen. ich hab das 14. kapitel noch gar nicht fertig gelsen aber ich schreib nun einfach mal ein kommentar weil ich das sonst wieder vergesse xD

etto~ naja....hilda halt. du weist was ich von ihr halte, und laures sollte sie qualvoll töten *hände reib**finstern lacht* jaja....
sonst weis ich gar nicht was ich noch so großes schreiben soll.... *überleg* (ich merge das meine kommentare uhr sinnlos sind xD)

njaa~ generel gesagt mag ich deinen schreibstil. der is in etwar genaus wie der von anne rice, und einfacher zu verstehen für so ein bauern gehirn wie meines xD~
und ich wünschte ich könnte auch sos chreiben xDDDD

mach auf alle fälle weiter so und ich werd mir für die nächsten zwei tage fest vornehme die nächsten zwei kapittel und die darauf folgenden alle noch zu lesen/verschliengen...

baba
_kodou
Von:  AssassinsAtu
2006-09-16T17:25:03+00:00 16.09.2006 19:25
Wihihihihi, jetzt wird es wieder interessant.. *hibbel*
Die holde Hilda *Wortspiel XD* wird doch noch ne Liebe :-P das gibts doch ne XD meeeehr, Schmuppi! Ich halte Gleitgel und Schafsdarm bereit!XD
Hab dir lüüüp
dein Atulein chrch alias Gab
Von:  das_inale
2006-09-15T18:07:32+00:00 15.09.2006 20:07
muhaha!!! die erste!! ^^ ich bin die erste!!! XD

*hüstel* ja, zum eigentlichen thema:
ich kann dir nur mal wieder sagen wie wahnsinnig toll ich deine art zu schreiben find. schon allein die beschreibung des kerkers, wenns hilda da rumlatscht ist hammer! ^-^b

dass die story-entwicklung super ist, muss ich ja nicht extra erwähnen, oder?! zadei und titius frei! hilda nicht eingesperrt, tot oder sonst was (mensch, hat die ein schwein!! hui!). aber hey, glaub die echt, dass sie wieder total sicher ist, wenn sie in der menschenwelt ist? ich mein, laures hat sie schonmal gesucht, jahrelang beobachtete, usw. unser gamgo is ja nu auch net blöd! der findet sie schon, wenn er will. (nya, wenn er will...) außerdem kann sie sich ja an rod hängen. der ist bestimmt erfreut zu hören, dass hilda nun auch laures wahres wesen erkannt hat und so...

mhh, hab ich noch was zu sagen? ah ja, nicht sonderlich wichtig, aber mir ist das irgendwie so aufgefallen: die schreibst, die soldaten haben armbrüste und pfeile... ist jetzt echt net tragisch, aber zu ner armbrust gehören bolzen, keine pfeile. sag das nur, weil ich auch schon n paar mal bogenschießen war und armbrüste richtig richtig cool finde. und wenn da mir jemand mit armbrüsten und pfeilen kommt, hab ich immer so ein aufklärungsbedürfnis. XD [es sei denn, du weißt das, und das war nur ein schreibfehler, dann will ich dich hiermit nur drauf aufmerksam machen. ^^]

auf nächste kapitel freut sich unsereins natürlich besonders! ^-^y
also schreib bald weiter! ^^

bis dahin,
das_inale

*jubel* *spring* und ich war echt mal die erste! ^^ hättest du net gedacht, heh? XD


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