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Wenn du was zerstört hast...

...bau es wieder auf!
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hab die Szene am Schluss des Kapitels als Lime eingestuft, da ich sie wirklich nur angedeutet beschrieben habe und ja nichts zu sehen ist. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es ist wieder ein bisschen kurz geworden. Ich hab aber versucht, es trotzdem so gefühlvoll wie möglich zu machen und freu mich gespannt darauf, zu hören, wie es euch beim Lesen gegangen ist. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Erstmal vorweg: ich persönlich mag die Kröten bei Naruto.
Aber hier geht es um Sasuke. Komplett anzeigen

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Blut

Blut. Viel Blut. Viel zu viel Blut. Ich habe in meinem Leben schon sehr viel Blut gesehen, wahrscheinlich sogar mehr als die meisten Menschen, die ich kenne. Aber es ist ein Unterschied, ob du das Blut eines dir unbedeutenden Feindes siehst, das fließt, weil du stark bist und ihn besiegt hast, oder ob es das Blut deines eigenen Bruders ist.

Er liegt vor mir in einem Krankenhausbett und die Bettdecke, das Kissen und das Laken, die heute Morgen sicher noch weiß gewesen waren, sind jetzt voller Blut. Das Rot hebt sich krass von dem Weiß des Raumes ab, auch mein offenes, weißes Hemd und meine helle Haut haben Blutspritzer abbekommen. Und auf dem Nachtschrank steht eine Metallschüssel, die voller blutiger Tücher ist.

Ich sitze schon seit einer ganzen Weile hier, aber da ich keine Uhr trage, habe ich keine Ahnung, wie lange schon. Es ist dunkel draußen, aber das war es schon, seit ich hier sitze. Ich bin nicht müde, wage kaum, meine Augen einen Moment zu schließen, obwohl ich ganz genau weiß, wie mies ich immer drauf bin, wenn ich nicht ausgeschlafen habe. Morgen werde ich wahrscheinlich müde sein und mit abschätzigen Bemerkungen um mich werfen. Und einen Streit mit Naruto anfangen. Wegen irgendeiner Kleinigkeit.

Aber das ist mir jetzt egal. Hier vor mir liegt mein Bruder Itachi und er ist seit Stunden ohne Bewusstsein. Sein schönes Gesicht ist voller Blut, es ist aus seinen Augen geflossen und dann hat er eine Menge Blut in die Schale auf dem Nachtschrank gespuckt. Das Blut klebt auch in seinem langen, schwarzen Haar.

Die Heilerin war vorhin da und hat versucht, mir zu erklären, an welcher Krankheit mein Bruder leidet, obwohl sie es selbst wohl kaum verstanden hat. Es hat mit einem seiner Jutsu zu tun. Und mit mir. Ich trage eine große Teilschuld daran, dass er schon so lange sehr krank ist. Und deshalb kann ich weder weggehen, noch schlafen. Ich bin schon einmal vor meinem Leben weggelaufen und das will ich jetzt nicht mehr. Nie wieder! Also habe ich beschlossen, zu warten, bis Itachi aufwacht. Ich beobachte aufmerksam jeden seiner schwachen Atemzüge, warte darauf, dass seine Lider sich bewegen und bete zu allen mir bekannten Göttern und Buddhas, dass er am Leben bleibt. Ich brauche ihn doch noch!
 

Wir sind, schon im Dunkeln, auf dem Weg zur alten Residenz unserer Familie gewesen, mitten durch das Dorf, das uns beide glücklicherweise wieder aufgenommen hatte. Eigentlich hatte Itachi heute einen guten Tag gehabt, aber dann wurde er plötzlich immer stiller und langsamer. Als wir vor dem Tor standen, hinter dem sich das Haus unserer Urgroßmutter Yoneko befand, blieb er stehen. Ich ahnte schon, dass etwas nicht in Ordnung war und drehte mich zu ihm um.

„Sasuke…“, sagte er leise, bevor er zusammenbrach, vor Schmerz keuchte und sofort Blut ausspuckte.

Ich stand neben ihm, war im ersten Moment unfähig, mich zu bewegen.

Ein Rückfall. Der Abgrund, von dem ich Itachi so unbedingt beschützen wollte, riss direkt vor uns wieder auf...

Dann rannte ich. Weg. Hilfe holen. Sakura.

Ich drehte mich noch einmal um und sah, dass eine Frau aus diesem Viertel Itachi gesehen und sich über ihn gebeugt hatte. Natürlich kannte sie ihn. Und jeder weiß, dass er und ich wieder hier sind, außerdem trägt Itachi noch immer jeden Tag die schwarz-rote Akatsuki-Uniform. Er hat einfach kaum noch andere Klamotten.

Ich wusste, dass ich Sakura zusammen mit Naruto bei Ichiraku finden würde. Naruto ist ja jeden Abend hier. Zwischen ihm und Sakura läuft ganz eindeutig etwas. Er steht schon seit Jahren auf sie und nachdem ich mir jede Chance mit Saku so gründlich verbaut habe, hat sie auch ein Auge auf Naruto geworfen.

Ich rannte, stoppte, riss den kurzen Ladenvorhang mit dem roten Katakana-Zeichen für „me“ beiseite und blieb keuchend stehen.

„Sakura! Ich… Itachi… Blut! Hilfe!“

Naruto sah sich überrascht zu mir um. Er hatte eine Ladung Nudeln im Mund und Einweg-Stäbchen in der Hand.

„He, Chachuke, wach isch denn?“, fragte er, ohne runterzuschlucken.

„Ja, was ist los?“, wollte Sakura wissen.

„Itachi… er ist zusammengebrochen! Vor Omas Haus! Ich weiß nicht, was mit ihm los ist! Er hat Blut gespuckt!“

Sakura sprang auf, schlug Naruto auf den Rücken, sodass er seine Nudeln schlagartig schluckte und rannte dann hinter mir her.

„Das ist wieder sein Jutsu.“, sagte Sakura, als wir wieder bei Itachi waren.

„Was für ein Jutsu?“, fragte Naruto.

„Shiawase-no-Jutsu. Das ist ein nahezu unbekanntes und vor allem sehr riskantes Jutsu. Soweit ich weiß, ist Itachi der einzige, der es beherrscht. Obwohl von beherrschen eigentlich keine Rede sein kann, da er es offensichtlich nicht im Griff hat. Es beherrscht vielmehr ihn als umgekehrt. Er hat dieses Jutsu selbst entwickelt und gelernt, seitdem ist es fast ununterbrochen aktiv. Es stellt sehr hohe Ansprüche an sein Verhalten und zerstört ihn damit gnadenlos.“, Sakura hatte all diese Informationen von Itachi und von mir. Die Folgen von Shiawase-no-Jutsu sind durch medizinische Analyse schwer als solche zu erkennen. Es ist eines der kompliziertesten Jutsu, das ich kenne.

Ich weiß inzwischen fast alles darüber. Itachi hat es mir erzählt. Dieses Jutsu ist wirklich außergewöhnlich. Es kontrolliert Chakra und Lebensenergie und wenn es Itachi nicht gelingt, die Menschen, deren Glücksenergie er mit diesem Jutsu in Chakra und Lebenskraft umwandeln kann, glücklich zu machen, wendet es sich wie eine Strafe gegen ihn.

Ich kann mich noch erinnern, wie er mir früher mal erklärt hat, warum er ein so eigenartiges Jutsu entwickelt. Er hatte schon immer große Angst davor, wegen seines Talents und des ruhmreichen Rufs unserer Familie egoistisch und arrogant zu werden. Deshalb ist er immer sehr streng mit sich selbst und zwingt sich mithilfe dieses Jutsu dazu, zuerst auf die anderen und dann erst auf sich selbst zu achten. Sei gut und selbstlos oder stirb. Wenn das stimmt, was Sasori, ein Mitglied der Akatsuki, über Itachi gesagt hat, dann hat mein Bruder die letzten Jahre nach genau diesem strengen Prinzip gelebt. Er ist in allem gut, auch darin, sich selbst zu zerstören. Und das ist etwas, was wir gemeinsam haben. Nur, dass ich es anders gemacht habe als er.

„Es ist wirklich ein Wunder, dass er noch lebt. Jemand anderes wäre längst daran gestorben. Irgendjemand muss ihm über die vielen Jahre hinweg geholfen haben, weiterzuleben. Aber wer das gewesen ist, weißt du wohl auch nicht, Sasuke?“, fragte Sakura.

Ich schüttelte den Kopf. Itachi spricht nicht viel über Akatsuki. Und schon gar nicht mit mir. Genauso, wie ich niemals ihm gegenüber den Namen Orochimaru erwähne.

Sakura kümmerte sich um Itachi, grünes Licht strahlte um ihre Hände, ich sah nicht genau hin. Sein Blut auf der Straße machte mich fast verrückt. Jahrelang hatte ich davon geträumt, dass sein Blut fließen, ich ihn besiegen und mein Schwert in sein Herz stoßen würde. Ich hatte nur dafür gelebt und trainiert, schließlich Konoha verlassen und mich Orochimaru angeschlossen. Bis ich die Wahrheit erfahren hatte. Über Itachi, meine Eltern, meine ganze Familie. Niemand von ihnen ist tot.

Der Sanitätstrupp brachte Itachi ins Krankenhaus, ich ging mit und saß von da an die ganze Zeit an seinem Bett. Sakura und Naruto gingen irgendwo anders hin, ich wusste nicht, wohin genau. Wahrscheinlich zu Naruto ins Zimmer. Ob die beiden sich wohl zu viele Sorgen um mich machten, um sich mit einander zu beschäftigen? Oder vertrauten sie mir und taten jetzt das, was Verliebte nun einmal tun und womit ich keinerlei Erfahrungen habe?
 

Das Licht im Zimmer geht aus. Es ist eine dieser Lampen, die ausgehen, wenn sich lange niemand bewegt. Ich sitze wie versteinert da und Itachi bewegt sich nicht. Er atmet kaum. Sein Körper ist ganz ruhig, viel zu ruhig. Ich kann seine Atemzüge kaum noch erkennen. Sakura hat irgendwas von Atem- und Herzschlagaussetzern gesagt, eine Art allerletzten Selbstschutzversuch, den Shiawase-no-Jutsu gegen meinen Hass entwickelt hat. Itachi-Logik, für mich und jeden anderen normalen Menschen vollkommen unvorstellbar.

Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt und in meinem Kopf schreit meine eigene Stimme: „Atme weiter, Bruder! Bleib am Leben! Stirb nicht!“

Er atmet weiter. Bleibt bei mir. Lebt. Aber er wacht nicht auf.

Ich warte weiter, will einen Moment seine Hand ergreifen, aber ich schaffe es nicht. Da ist noch immer diese Distanz zwischen uns. Ich muss mich erst wieder an ihn gewöhnen. Mein Hass ist mir von Zeit zu Zeit noch zu stark in Erinnerung. Es wird eine Weile dauern, bis ich wirklich ganz normal mit Itachi umgehen kann.

Da! Hat sich gerade seine rechte Hand bewegt? Ich wage nicht einmal zu blinzeln. Benutze meine Sharingan. Wozu hab ich die denn sonst!? Itachi haben sie seine Sehkraft genommen, er ist ohne sie fast blind.

Ich bin froh, dass ich die Mangekyou-Sharingan nicht habe. Die Macht kann mich mal!

Seine Hand hat sich bewegt. Nur ein kleines bisschen, aber genug, damit ich es gesehen habe. Mein über Jahre versteinertes Herz, das erst wieder lernen musste, zu fühlen, wagt den Gedanken, dass Itachi bald aufwacht. Ich kann ihn nicht mehr lange so daliegen sehen. Es macht mich wütend. Auf mich selbst. Und es weckt einen unbändigen Hass auf Orochimaru. Wenn es möglich wäre, also wenn ich hier mal eben weg könnte, würde Kusanagi von selbst in meine Hand springen, mich ins Raum-Zeit-Loch ziehen und Orochimarus bleichen Hals durchtrennen, so dass sein unnatürlich lila gefärbtes Blut fließt und nicht das rote meines Bruders. Itachi muss weiterleben. Ich würde sogar das Chidori dafür hergeben, wenn es möglich wäre. Kusanagi steht neben mir. Ich könnte danach greifen. Orochimaru umbringen. Aber ich bleibe hier.

Ein tiefes, zitterndes Aufatmen, wie das eines Menschen, der lang unter Wasser war und jetzt endlich wieder Luft bekommt, fährt durch Itachis Körper. Seine Hand bewegt sich, auch wenn seine Augen noch geschlossen sind. Er drückt die Hand auf die lange, schwarze Narbe an seinem Hals. Das Mal an meiner Schulter kribbelt schmerzhaft. Die beiden schwarzen Male sehen zwar verschieden aus, aber sie haben denselben Ursprung. Schon vom Zusehen kann ich deutlich spüren, wie sehr es ihm gerade wehtut. In seinem Gesicht ist der Schmerz zu sehen, blutige Tränen laufen aus seinen geschlossenen Augen und wieder kommt Blut über seine Lippen. Er muss wirklich vollkommen bewusstlos sein, sonst würde er von diesem wahnsinnigen Schmerz aufwachen.

Ich habe es jahrelang geplant, habe davon geträumt, mich an ihm zu rächen, ihn zu besiegen und damit die Ehre unserer Familie wieder herzustellen. Aber jetzt wird mir klar, dass ich, wenn ich es getan hätte, alles nur noch schlimmer gemacht hätte. Es war wirklich Rettung in letzter Sekunde. Ich bin stark genug geworden und Itachi hätte das nicht mehr lange durchgehalten. Wahrscheinlich hätte ich mir sogar den Kampf gegen ihn sparen können, weil allein meine Anwesenheit und die Intensität meines Hasses ausgereicht hätte, um ihn sofort umzubringen.

Nein! Hör damit auf, Sasuke!

Ist das Narutos Stimme in meinem Kopf oder meine eigene? Vielleicht beide zusammen. Naruto hat es so oft zu mir gesagt, hat mich angeschrien, mit Tränen in den fuchsroten Augen, so, wie nur Naruto einen anschreien kann.

Ich will mich nicht mehr an den Hass erinnern. Einfach alles vergessen und mit Itachi neu anfangen. An dem Punkt vor zehn Jahren weitermachen, an dem ich aufgehört hatte, sein kleiner Bruder zu sein. Er hat mich nie gehasst, das sagt er mir jeden Tag. Und ich kann es in seinen Augen sehen.

Irgendwo in meinem Kopf muss doch noch etwas übrig sein von den Gefühlen, die ich als kleiner Junge hatte! Ich muss sie nur wiederfinden und ganz aufwecken. Ich wäre gern wieder acht Jahre alt. Aber daran, dass ich inzwischen achtzehn bin, lässt sich nichts mehr ändern. So ist die Zeit eben.

Ich kann gerade überhaupt nichts tun, außer da zu sein, zu hoffen, dass Itachi meine Anwesenheit spürt, und zu beten. Mir fallen keine Götter mehr ein.

Wenn du am Bett von jemandem sitzt, der dir viel bedeutet und genau weißt, dass du eine Mitschuld an seiner schweren Krankheit trägst, dann hast du zwei Möglichkeiten: entweder du stehst nur da und hoffst und betest (falls du denn beten kannst). Oder du tust etwas, sofern du weißt, was du tun sollst und dazu überhaupt in der Lage bist.

Ich entscheide mich dafür, etwas zu tun. Irgendwie muss ich das, was ich Itachi all die Jahre mit meinem Hass angetan habe, wieder gutmachen. Aber ich weiß nicht, was ich tun kann.

Mama wüsste sicher etwas. Aber Mama ist noch weit weg, in Afurika, und wickelt ihre Augenklinik ab. Und Papa ist in Arasuka, das ist genau so unerreichbar weit weg. Ich muss selbst eine Lösung finden.

Komm, Sasuke, so schwer kann das doch nicht sein!

Eine gute Lösung für ein Problem finden, das ist etwas, was ich nicht kann. Ich habe nie wirklich gelernt, in einer schwierigen Situation selbst den richten Weg zu suchen und heil aus einer Sache herauszukommen. Man kann Jahrgangsbester sein und hunderte Jutsu können, aber wenn man keine Lösung für ein so schweres Problem findet, ist man trotzdem ein Versager.

Meine Gedanken drehen sich. Ein Einfall folgt auf den anderen, wird verworfen, wieder aufgenommen, ein neuer Gedanke kommt, aber nichts ist wirklich hilfreich. Meine Intelligenz, auf die ich mich sonst immer verlassen konnte, lässt mich im Stich.

Endlich bleibt ein Gedanke ein paar Sekunden länger: Itachi muss die ganzen Jahre über einen Schutzengel gehabt haben! Das ist das letzte übersinnliche Wesen, das mir einfällt.

Bitte, wer immer du auch bist, pass weiter auf meinen Bruder auf!

Ich weiß nicht, ob der Engel mich gehört hat. Vielleicht gibt es ihn auch gar nicht. Möglicherweise hat er die Verantwortung für Itachis Leben an mich weitergegeben und ich muss jetzt sehen, wie ich klarkomme. Ich bin auf mich allein gestellt. Heute Nacht ist niemand in dieser Krankenhausabteilung. Itachi ist gerade der einzige, der hier liegt. Und ich allein bin für ihn verantwortlich.

Ich stehe auf, gehe ein paar Mal an den leeren Betten und den Wandschirmen vorbei zur Tür, von da wieder zum Fenster zurück. Manchmal kann ich beim Gehen besser denken. Neben dem Stuhl vor Itachis Bett steht Kusanagi an das Fensterbrett gelehnt. Der Gedanke von vorhin kommt zurück. Ich könnte in eine andere Station laufen, eine Krankenschwester wecken, die auf Itachi aufpasst und dann ins Raum-Zeit-Loch gehen und Orochimaru umbringen. Dann würden das Juin an meiner Schulter und auch das an Itachis Hals verschwinden und es würde ihm vielleicht besser gehen.

Itachi leidet. Er scheint weder bewusstlos noch wach zu sein. Irgendwo dazwischen, in einer furchtbaren Zwischenwelt, die sicher weh tut. Verdammt nochmal, es muss doch etwas geben, was ich tun kann! Ich werde langsam wirklich wütend auf mich.

An seiner linken Hand glitzert irgendetwas. Das ist mir heute noch gar nicht aufgefallen. Ich sehe genauer hin. Es ist ein schmaler, silberner Ring mit einem winzigen weißen Stein, vielleicht ein Diamant. Ich habe diesen Ring noch nie gesehen, früher hatte er den bestimmt noch nicht. Außer der silbergrauen Halskette, die Mama ihm zum siebzehnten Geburtstag geschenkt hat, hat er nie viel Schmuck getragen. Den weißen Akatsuki-Ring an seinem rechten Ringfinger kenne ich ja schon, aber diesen silbernen hat er in meiner Anwesenheit noch nie getragen.

Ich beobachte ihn weiter. Seine Hand liegt wieder auf der Bettdecke, anscheinend tut ihm das Juin gerade nicht mehr weh. Meines hat sich auch wieder beruhigt. Er sieht aus, als würde er schlafen. Ich atme erleichtert auf. Wenn er nur einfach schläft, muss ich mir keine großen Sorgen um ihn manchen.

Vorsichtig greife ich nach seiner linken Hand, um den Ring etwas genauer zu sehen. Er lässt sich ganz einfach von Itachis Ringfinger anstreifen, als hätte er ihn heute zum ersten Mal seit einer ganzen Weile wieder getragen. Auf der Innenseite sind ganz kleine Schriftzeichen eingraviert: „Ita“, das erste Kanji von Itachis Namen. Es bedeutet Schmerz, so als hätten meine Eltern sein Schicksal schon gekannt, als sie ihm diesen Namen gaben, der aus den Zeichen Schmerz und Blut besteht. Das zweite Zeichen auf dem Ring ist das Hiragana „ko“. Zwischen den Zeichen ist ein winziges, kaum erkennbares Herz. Ita Herz Ko. Was bedeutet Ko? Ist das ein Teil eines Namens? Ich kenne niemanden, dessen Anfangssilbe einen Grund hätte, dass Itachi sie neben seinen eigenen Namen und ein Herzchen in einen Ring schreibt. Ko ist eine häufige Silbe für Mädchennamen. Ein Mädchen? Hatte Itachi etwa eine Freundin bei Akatsuki? Ich wusste nicht mal, dass die auch weibliche Mitglieder haben. Gibt es darüber Informationen? Akatsuki hat mich nie weiter interessiert, mir ging es immer nur um Itachi. Im Raum-Zeit-Loch haben sie jedenfalls keine weibliche Gefangene. Aber ich habe mal gehört, dass sie noch nach einigen Mitgliedern suchen. Vielleicht ist sie eine von denen.

Kann ich Itachi jetzt allein lassen? Ich weiß nicht genau, was ich eigentlich will, aber irgendwie habe ich das Gefühl, im Archiv könnte ich Informationen über diese Frau von Akatsuki finden. Ich weiß ja, wie der Name, nach dem ich suche, beginnt. Mit einem „ko“.

Ich muss mich beeilen. Aber das ist kein Problem. Ich bin schnell. Das Archiv ist nur ein paar Straßen entfernt.

Kusanagi, ich weiß, dass du intelligent bist. Pass für mich auf meinen Bruder auf.

Ich öffne das Fenster und springe. In ein paar Sekunden bin ich auf dem Dach des Archives. Ich glaube, nachts darf man da nicht ohne Erlaubnis rein. Aber Regeln haben mich noch nie interessiert. Die werden mich eh nicht erwischen. Noch nicht einmal die Anbu kommen gegen mich an.

Informationen über Akatsuki sind versiegelt, aber auch das ist kein Hindernis mehr für mich. Hier sind alle Berichte gelagert, die Jiraiya über die Organisation verfasst hat. Das Problem bei Akatsuki ist, dass die Mitglieder sich bis zu ihrem Einsatz immer völlig im Hintergrund gehalten haben. Jiraiya muss sehr viel Zeit und Risiko in die Beschaffung dieser Informationssammlung gesteckt haben.

Ko. Wo ist diese Ko? Ich kann unmöglich alle Schriftrollen lesen, das würde viel zu lange dauern. Schließlich muss ich so schnell wie möglich zu Itachi zurück.

Es muss doch eine Liste mit Namen und Bildern geben!

Hektisch reiße ich ein Siegel nachdem anderen auf, suche nach Bildern. Endlich finde ich ein unklares Bild in einer großen Schriftrolle, auf dem verschwommen, aber eindeutig Kisame Hoshigaki zu erkennen ist. Bessere Bilder konntest du nicht machen, Jiraiya? Ein weiteres verschwommenes Bild, es zeigt Sasori in seiner wahren Gestalt. Dann eines von Itachi, das bestimmt versteckt aufgenommen wurde. Sein Blick fällt auf jemanden außerhalb des Bildes, in seinen Augen ist ein seltsames Leuchten zu sehen. Wer ist das? Wen sieht er so an? Ist das die Frau, deren Name mit „ko“ anfängt? Ich suche weiter, atemlos vor Spannung.

Und ich glaube, dass ich diesen Blick in Itachis Augen schon einmal gesehen habe. Früher, als ich sechs und er sechzehn war. Damals hat er sich eine Zeit lang seltsam verhalten und Mama und Papa haben sich Gedanken gemacht, ob da vielleicht ein bestimmtes Mädchen im Spiel war. Doch ob es da ein Mädchen gab, das anders war als die Mädchen, mit denen Itachi nur gut befreundet war, haben weder meine Eltern, noch ich oder Shisui und Itas Kindergartenfreundin Yuki Sato je erfahren. Ich war damals zu klein, um zu verstehen, worum es genau ging.

Hatte dieses Mädchen vielleicht mit Akatsuki zu tun? Aus Konoha kam sie nicht, sonst hätte Itachi sie mal mit nach Hause gebracht.

Ich suche weiter.

Bleib am Leben, Itachi! Ich komme gleich zurück!

Ein Hiragana-Name ist in diesen Schriftrollen schwer zu erkennen, weil Jiraiya so eine fast unlesbare Klaue hat. Und der Typ nennt sich Schriftsteller?!

Ich habe keine Ahnung, wie diese Frau mit „ko“ aussieht. Also muss ich einfach jede Kunoichi, die in diesen Aufzeichnungen erwähnt wird, so schnell wie möglich finden! Wenn ich so schnell lesen und blättern könnte, wie ich mich im Kampf bewegen kann!

Das nächste Bild in der Schriftrolle ist noch ungenauer als die davor. Es zeigt einen Typen mit orangenem Haar, auffallend weißer Haut und Metallteilen im Gesicht. Viel ist nicht von ihm zu erkennen. Ist er schon im Raum-Zeit-Loch oder läuft er noch frei herum? Er muss sich sehr gut versteckt haben. Unter dem Bild steht, dass der Typ wahrscheinlich der Anführer von Akatsuki ist. Oder, besser gesagt, war. Akatsuki existiert schließlich nicht mehr.

Da! Endlich eine Frau! Das Bild ist ebenfalls etwas undeutlich, aber man kann erkennen, dass sie hübsch ist. Ich frage mich, wie Jiraiya an diese Bilder herangekommen ist. Neben dem Bild steht der Name dieser Frau. Ein Name, der mit „ko“ beginnt. Konan Nayagiri. Ist sie das? Sie sieht jung aus, schön und geheimnisvoll, mit blasslila Haar, hellbraunen Augen und fast weißer Haut.

Ich reiße das Bild aus der Schriftrolle, räume alles schnell weg und springe aus dem Fenster zurück zum Krankenhaus.

Hoffentlich geht es Itachi nicht schlechter.

Als ich das Fenster des Krankenhauszimmers wieder hinter mir schließe, bleibt der Vorhang an einem Metallhaken hängen und reißt ein. Egal. Ist nur ein Krankenhausvorhang. Viel wichtiger ist, dass Itachi noch lebt. Er atmet. Ich kann es deutlich sehen, obwohl die Lampe meine Bewegung noch nicht registriert und sich deshalb auch noch nicht wieder angeschaltet hat.

Ich lande auf dem Boden, das Licht geht an. Die Tempelglocke hinter den Felsenspitzen schlägt elf Mal. Elf Uhr? Ich habe während der letzten Stunden hier mein Zeitgefühl verloren. Das ist mir in den Jahren bei Orochimaru auch oft passiert. Wenn man oft in den dunklen Gängen unter der Erde ist, wo kein Sonnenstrahl hinkommt, wird man selbst ganz dunkel in der Seele und weiß irgendwann nicht mehr genau, ob ganze oder halbe Stunden vergangen sind.

Akatsuki soll auch ein sehr dunkles Versteck haben. Ging es Itachi genauso wie mir? Hat er auch manchmal die Zeit vergessen, in der Finsternis auf etwas gewartet? Und dabei unter meinem Hass gelitten? Und diese Frau, Konan? Wie ist sie mit der Dunkelheit und dem unregelmäßigen Leben umgegangen? Auf dem Bild sieht sie gar nicht aus, wie man sich ein Mitglied von Akatsuki vorstellt. Sie lächelt jemanden an, der hinter einem Strauch verborgen ist. Ihre Augen sind nicht von dieser Finsternis umgeben, die in den Gesichtern der anderen Mitglieder herrscht. Im Gegenteil. Konans Augen leuchten und sie wirkt sehr stark, auf eine ähnliche Art wie Sakura.

„Ich bin wieder da, Itachi.“, sage ich leise. Vielleicht hört er mich ja.

Ich setze mich wieder auf den Stuhl vor seinem Bett und fühle mich auf einmal sehr müde und erschöpft. Der Einbruch im Archiv hat mir wohl mehr Energie abverlangt, als ich vorher gedacht hatte.

Meine Augen fallen zu und bevor ich einschlafe, spüre ich, wie das aus der Schriftrolle herausgerissene Bild in meiner Hand leise raschelnd zu Boden fällt.
 

Als ich die Augen wieder öffne, scheint die Sonne auf meinen Rücken. Um meine Schultern liegt eine dünne Decke. Wer hat mich zugedeckt? Und wo ist das Foto? Ich werfe die Decke ab, aber ich kann das Foto nicht finden. Vielleicht ist es weggeweht, unter eines der leeren Betten, hinter den Wandschirm. Das Fenster ist schließlich noch offen.

Als ich endlich den Kopf hebe, ist Itachi nicht zu sehen. Sein Körper ist unter der Decke zu erkennen. Er scheint sich irgendwann heute Nacht die Decke über den Kopf gezogen zu haben. Aber warum? Vielleicht ist er aufgewacht, hat mich zugedeckt, sich dann die Decke bis über den Kopf gezogen und ist dann wieder eingeschlafen. Ich stehe auf und hebe vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, die Bettdecke an.

Mir stockt augenblicklich der Atem. Itachi liegt auf der Seite, die Hände auf sein Herz gedrückt und er hat versucht, sich das getrocknete Blut aus dem Gesicht zu wischen. Und zwischen seinen Fingern sind die Ecken von einem Stück Papier zu sehen. Das Foto von dieser Konan. An seinem Herzen.

Oh, mein Gott (ganz egal welcher)! Mein Bruder hat Liebeskummer!

Wo ist diese Frau? Warum hat sie Itachi allein gelassen? Weiß sie, dass er sensibel ist? Weiß sie die Wahrheit über seine (und ja auch meine) Familie?

Ich muss irgendwas tun. Sonst bricht Itachi gleich wieder zusammen. Nochmal mach ich das nicht mit. Und er auch nicht. Mama und Papa werden noch eine Weile brauchen, bis sie herkommen können. Also muss Konan her. Ganz einfach. Tsunade weiß bestimmt, wo ich mit der Suche anfangen muss.

In der Nachtschrankschublade liegen ein Block und ein Stift.

„Ich suche deine Freundin, Bruder. Bin bald wieder da. Sasuke.“

Er schläft und wenn er aufwacht, wird bestimmt Sakura da sein. Sie sagte gestern, dass sie so früh wie möglich noch einmal nach ihm sehen wollte.

Eigentlich kann ich es mir nicht leisten, nochmal abzuhauen, aber dieses Mal ist es ein ganz anderer Grund. Ich tue das schließlich nicht für mich, sondern für Itachi. Wenn Konan wieder zu ihm zurückkehrt, wird es ihm bestimmt besser gehen und er wird so schnell nicht wieder zusammenbrechen. Itachi ist, gleich nach Naruto, der zweiwichtigste Mensch in meinem Leben. Und ich bin für ihn verantwortlich. Obwohl ich ihn gehasst habe, hat er mich geliebt und beschützt. Jetzt muss ich ihn beschützen und irgendwie für ihn sorgen.

Wieder das Raum-Zeit-Loch...

„Was? Du warst das, Sasuke? Du bist heute Nacht einfach so ins Geheimarchiv eingebrochen?“ Tsunade sieht wütend aus. Natürlich. Sie ist eben eine komische, alte Fregatte.

„Ja.“, ich kann es ruhig zugeben. Sowas hat Naruto schließlich früher auch schon mal gebracht.

Entgegen meiner Erwartungen bin ich nicht mal besonders schlecht drauf, obwohl ich die halbe Nacht wach war.

„Sasuke, wir sind alle froh, dass du wieder da bist. Aber du solltest dir am Anfang besser nicht zu viel herausnehmen.“, sagt Tsunade. Sie hat die Hände vor dem Gesicht aufeinandergelegt und die Ellbogen auf dem Tisch aufgestützt. Ihre klaren, braunen Augen beobachten mich streng. Denkt sie etwa, dass ich das getan habe, weil ich Regeln brechen wollte?

„Es geht hier nicht um mich!“, meine Stimme ist laut und so kalt wie in der Zeit, als ich mit dreizehn in Kakashis Team war, „es geht um Itachi!“

„Und was genau willst du tun?“

„Ich habe im Archiv Informationen über ein weibliches, ehemaliges Mitglied von Akatsuki gefunden. Sie heißt Konan Nayagiri und ich will sie suchen.“

„Ich muss zugeben, dass ich nicht wusste, dass auch eine Frau zu Akatsuki gehörte.“, erwidert Tsunade.

„Jiraiya hat dir also wirklich nichts davon erzählt? Er hat doch die Schriftrolle verfasst, in der ich ein Bild dieser Frau gefunden habe.“

„Ein Bild? Wo ist es?“

„Es ist bei Itachi.“

Tsunade sieht mich fragend an. Ich hatte gehofft, dass sie mir die Erlaubnis, Konan zu suchen, erteilt, ohne dass ich ihr erklären muss, dass Itachi in diese geheimnisvolle junge Frau verliebt ist. Es geht Tsunade ganz einfach nichts an. Aber hier komme ich wohl nicht so einfach raus.

„Ist er noch im Krankenhaus?“, fragt Tsunade.

Ich nicke.

Verdammt, du alte Nacktschnecke, jetzt gib mir einfach die Erlaubnis und ich bin in eine paar Tagen wieder hier! Es geht um Itachis Gesundheit!

„Und was hat Itachi mit dieser Frau zu tun, außer dass sie beide Mitglieder von Akatsuki waren?“

„Das geht dich nichts an!“

„Wenn du es mir nicht sagst, gehst du heute nicht aus dem Tor, Sasuke!“

Ihr Misstrauen ist berechtigt, schließlich bin ich im ganzen Dorf, wenn nicht sogar im ganzen Feuerreich, als der Typ bekannt, der abgehauen ist und über drei Jahre lang beim Staatsfeind Nummer Eins gelebt hat. Aber trotzdem nervt es mich. Ich will ja nicht abhauen, ich will jetzt nur auf 'ne Mission gehen, um meinem Bruder zu helfen. Schließlich hab ich eine Menge, was ich wiedergutmachen muss.

Aber trotzdem gehört Konan eindeutig zu Itachis Privatangelegenheiten. Vielleicht möchte er noch nicht, dass Tsunade davon weiß. Dann wäre es sehr unfair von mir, es ihr zu verraten. Ich will bei Itachi einfach keinen einzigen Fehler mehr machen.

„Was ist? Ich höre.“, Tsunade ist wirklich unerbittlich. Das haben alle Sannin gemeinsam. Ich kenne das schon von Orochimaru.

„Sasuke, gerade du musst doch wissen, dass ich dich nicht ohne Begründung gehen lassen kann, wenn es um ein Mitglied der Akatsuki geht. Missionen, die diese Leute betreffen, haben einen besonderen Wichtigkeitsgrad.“

Da hat Tsunade auch wieder Recht. Aber aus irgendeinem Grund bin ich mir ziemlich sicher, dass Konan nicht so gefährlich ist wie die anderen. Sie ist schließlich eine Frau und benutzt, nach den Informationen aus der Schriftrolle, Papier als Waffe. Wie auch immer sie das macht, es klingt nicht besonders großartig. Außerdem will ich gar nicht gegen sie kämpfen. Ich will sie mitnehmen. Für Itachi.

„Na gut.“, ich gebe auf. Gegen diese verdammten Sannin kommt man aber auch echt nicht an. „Ich habe Grund zu der Annahme, dass Itachi diese Konan… näher kennt… wie gesagt, es geht dich nichts an. Ich will sie nur finden und mitnehmen. Itachi ist sehr krank und ich glaube, dass sie ihm helfen kann.“

„Was meinst du mit näher kennen?“, fragt Tsunade.

Tut mir leid, Bruder. Ich muss es ihr sagen. Auch, wenn es dein Geheimnis ist.

„Itachi trägt noch einen zweiten Ring. Auf der Innenseite sind Zeichen eingraviert. Das Zeichen Ita, ein kleines Herz und ein Hiragana-Ko. Der Name Konan wird mit Hiragana geschrieben. Verstehst du, was ich sagen will?“

„Ja, ich glaube, ich verstehe.“

„Ich will Konan ins Dorf holen, damit es Itachi schnell besser geht. Er weiß aber nichts davon. Es soll… eine Überraschung werden.“, wenn ich daran denke, wie Itachis sonst immer so traurigen Augen aufleuchten werden, wenn er Konan sieht, taut mein kaltes Herz wieder ein kleines Stückchen weiter auf.

„Hm, also gut. Dein Bruder scheint dir inzwischen sehr am Herzen zu liegen, Sasuke. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dass du Naruto mitnimmst und spätestens in drei Tagen wieder hier bist, kannst du gehen.“, Tsunade lächelt.

„Sag Itachi bitte, dass du mich zum Wiedereingewöhnen auf eine Mission geschickt hast.“, als ich die Tür gerade hinter mir schließen will, ruft Tsunade mich noch einmal zurück.

„Sasuke!“

Ich drehe mich zu ihr um.

„Mach dir keine Sorgen um Itachi. Ich werde persönlich für ihn sorgen.“

Ich lächele. Aber so richtig, mit fast geschlossenen Augen. Kann ich wieder.

Naruto ist schon bei Ichiraku und frühstückt. Hat er eigentlich ein Abo auf diese Nudelsuppe?

„Hey, guten Morgen, Sasuke!“, diesmal hat er runtergeschluckt, bevor er mich anspricht.

„Pack deinen Rucksack, Naruto.“, sage ich nur.

Sein Gesicht ist wie üblich ein einziges Fragezeichen.

„Was? Wieso?“

„Weil wir gleich auf eine Mission gehen. Nur wir beide. Na, was ist?“

Immer noch Fragezeichen. Dann blaue Leuchtaugen. Smile. Er springt auf. Freut sich. Immer dasselbe. Um Narutos Verhalten vorherzusehen, braucht wirklich niemand Sharingan. Ich glaube, ich mag ihn. Er ist ein richtig guter Freund.

„Was denn? Was für eine Mission?“, fragt er, aufgeregt wie ein kleiner Junge. Ich schenke ihm mein halbes Lächeln.

„Wir gehen jemanden suchen. Ein Mitglied von Akatsuki.“

Narutos Reaktion fällt so vorhersehbar wie immer aus. Warum man ausgerechnet ihn den „Überraschungsninja Nummer Eins“ nennt, ist in so einem Moment wirklich kaum zu erkennen. Aber wenn eine Situation ernster wird, kann der Typ wirklich für ‘ne Menge Überraschungen sorgen. Und inzwischen ist er viel mehr als nur der kleine, durchgeknallte Chaosninja mit dem großen Traum, irgendwann einmal Hokage zu werden. Naruto ist viel stärker geworden und wird mir ganz bestimmt nicht wie ein Klotz am Bein hängen.

Tsunade weiß das, deshalb hat sie gesagt, dass ich ihn mitnehmen soll. Sie muss ihm ja schon sehr vertrauen, wenn sie noch nicht einmal darauf besteht, dass Kakashi mitkommt.

„Nee, Sasuke, jetzt echt? Ein Mitglied von Akatsuki?“, fragt Naruto ungläubig nach, „und wir sollen ohne Kakashi und Sakura losgehen?“

„Sakura hat hier zu tun. Und was Kakashi angeht: wir sind doch keine kleinen Kinder mehr, auf die ein Sensei aufpassen muss. Ich bin inzwischen stärker als Kakashi. Außerdem ist das hier eine Privatmission.“

„Ne Privatmission? Was soll das denn heißen?“

„Dass es hier nicht um Konoha geht, sondern um jemanden, der meinem Bruder vielleicht helfen kann, schneller wieder gesund zu werden. Dieses Akatsuki-Mitglied ist eine Frau. Sie heißt Konan und Itachi mag sie. Ich will einfach nicht, dass er noch einmal zusammenbricht.“

„Wie jetzt, mögen?“, fragt Naruto. Er hat wieder kaum etwas kapiert.

„Okay, noch mal zum Mitschreiben für Idioten wie dich: mein Bruder ist in diese Frau verliebt. Er hatte heute Morgen ihr Bild in der Hand.“, ich versuche, die Haltung von Itachis Händen nachzuahmen, „genau so sah das aus, verstehst du? Er hat geschlafen und weiß nicht, dass ich es gesehen habe. Aber es war ziemlich eindeutig.“

„Und du willst sie jetzt suchen und herbringen, damit Itachi sich freut?“

„Ganz genau. Und jetzt komm, pack deine Sachen.“, dass ich kaum eine Ahnung habe, wo ich mit der Suche anfangen soll, verrate ich ihm vorsorglich noch nicht. Das kann ich Naruto immer noch sagen, wenn wir längst unterwegs sind. Erstmal geradeaus raus aus dem Tor. Da ist auf den ersten Kilometern nur ein gerader Weg ohne Abzweigungen.

Auf dem Weg in sein Zimmer stellt Naruto eine Frage, die ich mir selbst schon seit Wochen stelle und auf die ich noch keine richtige Antwort weiß:

„Sag mal, Sasuke, wie soll das jetzt weitergehen mit Itachi?“

Wie gesagt, ich weiß keine Antwort. Wir leben irgendwie so in den Tag hinein, wagen uns noch nicht in unser altes Haus zurück und beschäftigen uns meistens mit Lernen und Trainieren, wobei Itachi mehr lernt (so wie früher auch) und ich mehr trainiere. Er ist gesundheitlich so angeschlagen, dass er wirklich kaum trainieren kann. Erst einmal versuchen wir beide, wieder Fuß in Konoha zu fassen, zu lernen, normal miteinander zu reden und irgendwie die letzten zehn Jahre zu vergessen. Und wir warten auf unsere Eltern.

„Ich weiß es nicht genau.“, ist meine ehrliche Antwort, „irgendwie wird es sich wohl entwickeln.“

Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß ja noch nicht einmal mehr, wie ich mich selbst eigentlich sehe, wie ich bin oder wie ich nach all dem Hass jetzt werden soll. Dass ich „gut“ werden will, ist klar, aber wie genau das geht und wie das dann aussehen wird, davon habe ich noch keine Ahnung. Ich fühle mich orientierungslos. Wie ein junger Schmetterling, der gerade erst aus einem sehr schwarzen Kokon geschlüpft ist und noch nicht weiß, wie er seine Flügel auseinanderfalten und losfliegen soll. Früher, als ich noch ein kleiner Junge war, mochte ich Schmetterlinge gern und habe mich oft gefragt, wie es ihnen in ihren dunklen Kokons geht, bevor sie herauskommen und losfliegen können. Jetzt glaube ich, es zu wissen.

„Du hast uns ganz schön Sorgen gemacht, Sasuke.“, Naruto grinst mich an. Er ist wirklich ‘ne Klette. Zum Glück. Wie gesagt, ich glaube, ich mag ihn.

„Keine Angst, ich mach sowas nicht noch einmal.“, da bin ich mir ziemlich sicher. So ein Fehler passiert bestimmt kein zweites Mal.

„Hast du überhaupt einen Plan, wo wir hingehen?“

Na toll! Jetzt fragt Naruto schon und ich hab immer noch keine Ahnung! Das Beste wäre wohl, zuerst ins Hauptquartier der Akatsuki zu gehen. Die Sachen, die wir da finden können, werden Tsunade interessieren, selbst, wenn wir Konan nicht begegnen.

Und schon wieder ein Problem: wo liegt dieses verdammte Hauptquartier eigentlich? Wahrscheinlich irgendwo im Norden. Aber das reicht als Information lange nicht aus.

„Wir gehen zu Akatsuki, was sonst.“, antworte ich also.

„Und wo hatten die ihr Versteck?“, hat Naruto gerade seine scharfsinnigen fünf Minuten oder was?

Wer könnte uns verraten, in welcher Richtung das Hauptquartier ist? So eine riesige, extrem verregnete Stadt ist ja wohl kaum zu übersehen, wenn man erstmal lange genug in die richtige Richtung gegangen ist.

Bin ich jetzt bescheuert oder was? Es ist doch völlig klar, wer weiß, wo Akatsuki ist! Das liegt doch auf der Hand! Und ich bin zu doof, es zu erkennen?! Wir müssen doch nur ins Raum-Zeit-Loch und die Mitglieder ausfragen!

„Wir nehmen zuerst mal den Teleporter ins Raum-Zeit-Loch.“, sage ich. Diese Teleporter sind ganz neu. Es gibt sie hier erst, seit unsere Welt mit anderen Welten verbunden ist. Man kommt in zwei Sekunden von hier nach Alamos, wo das Raum-Zeit-Loch mit dem Gefängnis der Drachen liegt. Der Teleporter sieht aus wie eine Telefonzelle aus einer großen Stadt und innen gibt es silberne Schalter mit Symbolen. Der erste Schalter trägt die Buchstaben R, Z und L, die Abkürzung für Raum-Zeit-Loch. Darunter sind ein Diamant und eine Perle eingraviert. Ich öffne die Tür des Teleportraumes, halte aber die Tür einen Moment fest.

Genau diesen Weg wäre ich heute Nacht schon einmal fast gegangen. Aber nicht, um Informationen über Akatsuki zu bekommen. Ich hatte darüber nachgedacht, Orochimaru umzubringen. Als Rache für den Schmerz, den er Itachi und mir in den letzten Jahren zugefügt hat.

„Naruto? Wenn wir an Orochimarus Zelle vorbeikommen… dann halt mich bitte davon ab, ihn zu töten.“, die Worte kommen einfach aus meinem Mund.

Naruto sieht mich an, mit diesem Blick, den ich von ihm so gut kenne.

„Alles klar, Sasuke.“, sagt er und weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Er würde, genau wie ich, Orochimaru am liebsten sofort endgültig besiegen. Aber wenn ich mich zurückhalte, tut er es auch. Orochimaru sollte eigentlich dankbar sein, dass wir so stark und vernünftig sind, ihn noch eine Weile am Leben zu lassen. Aber so etwas wie Dankbarkeit kennt er nicht. Und lange wird er nicht mehr leben. Denn all der Hass, den ich früher auf Itachi gerichtet habe, gilt jetzt Orochimaru und irgendwann werde ich meine Rache bekommen.

Aber nicht heute. Denn heute geht es mir erst einmal nur darum, dass Itachi wieder gesund wird. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, denn schließlich habe ich ihn mit meinem Hass krank gemacht. Ich muss das wieder aufbauen, was ich zerstört habe. So ist die Welt. Jeder muss seinen Scherbenhaufen aufräumen, die Dinge wieder in Ordnung bringen. Wer das nicht tut, es noch nicht einmal versucht, wird besiegt.

Der Teleporter ist schnell. Vor Naruto und mir liegen die Raum-Zeit-Türme von Alamos. Das hier ist eine ganz andere Welt, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn dazu sind Teleporter schließlich da. Sie schaffen bisher ungeahnte Verbindungen zu anderen Welten.

Das Raum-Zeit-Loch liegt genau über den Türmen, aber es ist selbst von der Turmspitze aus nicht zu sehen. Da oben gelten andere Gesetze, die man nicht so einfach verstehen kann.

„Wollt ihr auf die Turmspitze?“, fragt eine fröhliche Frauenstimme von oben.

Ich blicke hoch. Über uns schwebt ein grüner Heißluftballon, in dem eine hübsche, junge Frau steht. Ich kenne sie. Ihr Name ist Arisu und sie bietet Flüge über der Stadt an. Als ich das letzte Mal hier war, hat sie mich auch hochgebracht, so dass ich nicht wieder wie beim ersten Mal die vielen hundert Stufen der Wendeltreppe zwischen den Türmen hochsteigen musste.

„Ach, du bist das, Sasuke!“, ruft Arisu, als sie mich erkennt. Ich bin ja einige Male hier gewesen, als Itachi noch im Raum-Zeit-Loch als Gefangener war.

Während wir in Arisus Ballon zur Turmspitze hinaufschweben, erkundigt sie sich, ob es meinem Bruder inzwischen besser geht.

„Er ist wieder im Krankenhaus.“, antworte ich, „und weil das nicht so weitergehen kann, suche ich jetzt eine Lösung für ihn.“

„Und dazu kommst du hier her?“

„Ich brauche Informationen über eines der Mitglieder von Akatsuki, das noch nicht hier ist.“

„Aha.“, Arisu weiß wohl, dass sie nicht weiter fragen darf. Die Informationen über Leute im Raum-Zeit-Loch sind geheim.

Wir erreichen die Turmspitze.

„Bis dann!“, ruft Arisu und schwebt mit ihrem Ballon wieder zum Platz vor den Türmen zurück.

Das Portal ist ein rundes, schwarzes Loch. Irgendwo hinten im Dunkel leuchten blaue und grellpinke Blitze auf. Dialga und Palkia. Der Zeitdrache und der Raumdrache. Sie sind so stark wie Bijuu-Geister.

Und sie haben Oracion, eine gebetartige Melodie, die jeden Hass und jede Wut besänftigen kann. Ich habe die Wirkung dieses Gebets schon im eigenen Körper gespürt. Es lässt, solange man es hört, jedes schlechte Gefühl verschwinden. Man hat dadurch einen, für hassgeprägte Menschen wie mich unendlich wertvollen Moment der Ruhe.

„Ich war noch nie hier oben.“, sagt Naruto und ich sehe an seinem Blick, dass er an die ehemaligen Akatsuki-Mitglieder denkt. Die Typen, die sich hinter dem Portal aufhalten und jetzt zwar gefangen, aber noch immer so böse wie zuvor sind. Unwillkürlich wandern meine Gedanken zu Orochimaru. Ich habe Kusanagi vorhin, als der Teleporter Naruto und mich in die hiesige Telestation gebracht hat, genau da abgegeben.

Drachen und Einsiedler

So. Das Raum-Zeit-Loch. Schon wieder. Und auch dieses Mal geht es mir um Itachi. Nur, dass er inzwischen wieder in Konoha ist.

„Wen willst du eigentlich fragen?“, fragt Naruto. Er sieht mit seinen blauen Augen, dem gelbblonden Haar und den orangenen Klamotten vor dem dunklen Hintergrund des Raum-Zeit-Loches wie ein heller Lichtschein aus.

Und stellt eine sehr gute Frage.

Dieser seltsame Tobi weiß sicher nichts. Als ich das letzte Mal hier war, hat er sich wie ein Kleinkind benommen und ist hier herumgehüpft, als wüsste er gar nicht, wer oder wo er überhaupt war. Angeblich soll er ja mit mir verwandt sein. Das hat er zumindest lautstark behauptet. Aber ich habe ihn noch nie gesehen und so einen Idioten gibt es in meiner Familie bestimmt nicht. Auch scheint ihm das niemand wirklich abzukaufen.

Dann ist da noch Deidara. Ich weiß nicht viel über ihn nur, dass er Lehmbomben benutzt, sich für einen großartigen Künstler hält und dass er Gaara besiegt hat. Er ist also stark und kämpft gern. Ich habe gerade wirklich keine Lust auf einen Kampf.

Aber kampfwütig sind sie hier alle. Es geht also darum, den Typen rauszufinden, der redet.

Der Nächste auf meiner Liste wäre Kisame. Auch bei ihm kommt man um einen Kampf nicht herum. Wenn man die Sache aus der Perspektive der Chakra-Elemente betrachtet, bin ich ihm gegenüber mit meinem Feuer im Nachteil. Genau wie Itachi. Und weil es hier um Itachi geht, habe ich mit Kisame außerdem noch eine Rechnung offen. Obwohl mein Bruder nicht viel darüber gesprochen hat, weiß ich aus dem wenigen, was er gesagt hat, dass er und Kisame sich nicht besonders gut verstanden haben. Kisame ist in allem das hundertprozentige Gegenteil von Itachi, es gibt einfach keine zwei Menschen, die so verschieden sind wie die beiden.

„Hey, Sasuke! Da vorne ist ein Anbu!“, reißt Naruto mich aus meinen Gedanken.

Tatsächlich. Vor der dritten Zelle steht ein Typ in Anbu-Uniform mit Maske und schiebt Wache. Wessen Zelle ist das denn?

„He, du, Anbu“, rufe ich über die schwebende Brücke, die das Portal mit der Zellenplattform verbindet.

Der Typ mit der weißen Maske dreht den Kopf in unsere Richtung.

„Vor wessen Zelle stehst du da?“, schreit Naruto.

Der Anbu schweigt. Wahrscheinlich ist das einer von denen, die nach strengster Anordnung nur dann sprechen dürfen, wenn sie Alarm geben.

Die Anbu und ihre Regeln… als Itachi damals bei der Truppe war, haben ihn diese Regeln dazu gebracht, mit sechzehn auszutreten und sich vorher mit dem Ältestenrat anzulegen. Ich weiß noch, wie stolz Papa deswegen auf ihn war. Unsere Familie hat sich noch nie besonders gut mit dem Ältestenrat verstanden. Papa fand es zwar nicht gut, dass Itachi aus der Anbu-Truppe ausgetreten war, aber der Ärger darüber stand hinter dem Stolz, sich mit Danzo angelegt zu haben, weit zurück.

Das waren solche Gelegenheiten, bei denen jeder im Dorf plötzlich bemerkte, dass Itachi keineswegs jemand war, der sich etwas unterordnete, was er als unfair empfand. Alle möglichen Ungerechtigkeiten regten ihn schon immer auf. Wenn er sah, dass irgendetwas gemein und ungerecht war, neigte sogar mein sonst so ruhiger, sanftmütiger Bruder zu Wutanfällen und ob der, den er dann dafür verantwortlich machte und anschrie, im Rang höher stand als er, war ihm ziemlich egal. Die sogenannte Strafe, die Itachi damals bekam, weil er sich mit dem Ältestenrat angelegt hatte, fiel ziemlich überflüssig aus: fünf Tage Hausarrest. So etwas war für Itachi, der sowieso am liebsten in seinem Zimmer am Schreibtisch saß, keine echte Strafe. Und Papa war so offensichtlich stolz auf ihn, dass aus dem Hausarrest nicht viel mehr als eine obligatorische Formalität wurde. Noch nicht einmal drei Tage Leseverbot hätten Itachi etwas ausgemacht, denn er kannte die meisten seiner Bücher ohnehin auswendig.

„Sasuke?“, wieder reißt mich Narutos Stimme aus meinen Gedanken.

Immer, wenn ich in letzter Zeit an Itachi denke, schweifen meine Gedanken ab und ich vergesse alles um mich herum.

Ich sehe Naruto an. Je länger wir uns hier aufhalten, desto angespannter wird er. Schließlich sind hier die Akatsuki-Mitglieder eingesperrt. Er weiß genauso gut wie ich, dass Itachi und Sasori in dieser Organisation die totalen Ausnahmen sind. Und dass noch immer mindestens drei Mitglieder frei herumlaufen.

Jetzt konzentrier dich mal, Sasuke! Du willst doch so schnell wie möglich diese Frau finden und deinem Bruder helfen, also reiß dich zusammen!

„Was wollt ihr denn hier?“, Darkrai schwebt auf uns zu.

„Wir suchen ein Mitglied von Akatsuki. Eine Frau namens Konan. Sie ist nicht hier, das wissen wir schon, aber vielleicht weiß einer von denen Typen hier, wo sie ist.“, antwortet Naruto.

Darkrai sieht uns an, besonders mich. Bei meinem ersten Besuch hier hat er mitbekommen, wie meine Anwesenheit dafür gesorgt hat, dass Itachi einen schlimmen Hustenanfall bekam.

„Wie geht es deinem Bruder?“, fragt er, als könne er meine Gedanken lesen.

„Er ist wieder krank. Deshalb suchen wir Konan. Sie kann ihm vielleicht helfen."

„Konan… hm, wir haben alles abgesucht und unsere Drachenhelfer haben zwei weitere Mitglieder gefunden, aber eine Frau mit diesem Namen war nicht dabei.“, Darkrai sieht aus, als würde er einen Moment nachdenken, dann spricht er weiter, „wir haben auch eine Menge auffälliger Typen gefunden, die mit Akatsuki nicht in erster Linie zu tun haben. Da war eine junge Frau dabei. Aber ihren Namen wissen wir nicht. Wir haben sie in einer Hütte bei einem recht merkwürdigen Einsiedler gefunden.“

„Ich weiß, wie sie aussieht. Jiraiya hat ein Foto von ihr gemacht, aber das habe ich nicht dabei.“, sage ich, „ich würde sie aber sicher erkennen, wenn ich sie sehe.“

Ihr blasses Gesicht, die geschminkten Lider und das Piercing an der Unterlippe werde ich sicher nicht vergessen. Schließlich ist diese Frau sehr wahrscheinlich die feste Freundin meines Bruders, also wahrscheinlich meine Schwägerin in spe.

„Ihr könnt ja zu dem Typen gehen und schauen, ob die junge Frau, die bei ihm ist, dieselbe ist, die ihr sucht.“, antwortet Darkrai.

Ich werfe einen kurzen Blick auf Naruto. In seinen blauen Augen wechselt „Ich will hier weg!“ mit „Ich will diese verdammten Akatsuki-Typen hier besiegen!“ Er hat Recht. Wir müssen jetzt hier weg und später, irgendwann, machen wir diese Typen endgültig platt.

„Wo ist dieser Einsiedler?“, will ich wissen.

Darkrai schwebt voraus, wir folgen ihm. Vor einer Art Landkarte auf einem großen Tisch zwischen den Zellenblöcken bleibt er stehen.

„Das ist eine Teleport-Landkarte. Sie funktioniert nur hier. Mit ihr kann man von hier aus zu jedem Ort gelangen, der auf ihr verzeichnet ist. Da wir schon da waren, wo dieser Typ sich aufhält, könnt ihr auch dorthin.“

„Was ist das für ein Typ?“, fragt Naruto.

„Wir wissen fast nichts über ihn, außer, dass er ein Ninja und wohl ziemlich stark ist.“

Das klingt ja interessant. Diese Drachenleute wissen also doch nicht alles. Dann finde ich das eben selbst heraus.

Der Punkt auf der Karte, auf den Darkrai zeigt, liegt ein Stück außerhalb des Feuerreiches, im legendär schlecht bewachten Gebiet um Ame Gakure.

„Hier.“, Darkrai hat etwas hinter seinem Rücken, „das wirst du brauchen.“

Wo hat dieses Wesen auf einmal Kusanagi her? Egal, hier oben stellt man solche Fragen nicht. Das ist das Raum-Zeit-Loch, hier herrschen wirklich ganz andere Gesetze als unten in der Stadt oder in meiner Heimatwelt.

Ich schiebe mein Schwert hinten in meinen Gürtel. Der ist nicht mehr das lilafarbene Seil, das Zeichen von Orochimaru, sondern ein ganz normales, breites Stoffband. Das Seil habe ich schon längst verbrannt und die Asche in den Wald gestreut.

„Bis dann.“, sagt Darkrai, berührt die Karte und innerhalb von Sekunden ist nicht nur er verschwunden, sondern auch das Raum-Zeit-Loch.

Wir stehen mitten im Wald. Kein Weg. Keine Wegweiser. Nichts. Die totale Wildnis. Der Himmel ist bewölkt und es sieht nach Regen aus.

Aber irgendwo, tief im Wald, sehe ich etwas schimmern.

„Ey, wo sind wir denn gelandet?“, fragt Naruto. Die Frage ist berechtigt. Wir stehen echt mitten im Wald und selbst mit Sharingan kann ich keinen ordentlichen Weg in der Nähe erkennen. Na klasse! Ich und Naruto allein in der unberührten Wildnis und gleich fängt es an zu regnen. Von weitem ist das Rauschen des berüchtigten Regens schon zu hören.

„Der hat was von Ame Gakure gesagt.“, bemerkt Naruto.

„Da soll es immer regnen, hab ich gehört.“, antworte ich.

Gehört ist wohl untertrieben. Wenn Naruto im Geschichtsunterricht aufgepasst hätte, wüsste er genau so gut wie ich, dass Ame Gakure eine extrem verarmte und vor allem vollkommen verregnete Ruinenstadt mit depressiven Bewohnern ist, die alle eine Dauererkältung und eine riesige Wut auf Konoha haben. Unsere Armee hat Ame im Endkampf des letzten Krieges schwer zerstört und die Leute hier sind zu arm und zu traurig, um es anständig wieder aufzubauen.

Ich denke kurz daran, dass wir ja ursprünglich zum Hauptquartier von Akatsuki wollten. Aber wenn Konan nicht dort ist, hat das keinen Sinn.

Meine Augen suchen weiter den Wald ab. Dort, wo das seltsame Schimmern ist, scheint ein Stück weiter eine kleine Hütte oder sowas zu stehen. Vielleicht ist das der Ort, den Darkrai meinte.

„Komm, Naruto, wir gehen mal in diese Richtung.“

„Und warum?“, er klingt schon etwas genervt.

„Na, weil wir hier mitten im Wald stehen und da vorne vielleicht was ist.“

„Und was?“, er ist mal wieder dumm wie Stroh.

„Na, eine Hütte oder so. Irgendwas, wo wir vielleicht einen Hinweis finden.“

Ich muss wieder an Itachi denken. Hoffentlich geht es ihm gerade einigermaßen gut.

Naruto scheint endlich kapiert zu haben, worum es hier geht und ist auf einmal Feuer und Flamme. Das ist so typisch für ihn, dass ich fast drüber lachen muss.

Nach mehreren hundert Metern stellt sich das Schimmern als eine etwa faustgroße, rosa Perle von Palkia heraus. Die Perle steckt in der Rinde eines Baumes, als wäre sie dort hineingewachsen. Die Drachen waren hier, es ist also der richtige Weg.

Nach einem weiteren Kilometer stehen wir mitten im Regen. Es wird deutlich kälter.

Aber dafür ist vor uns eine Hütte. Eine kleine, aber stabile Holzhütte mit zwei verhangenen Fenstern vorn, einer Tür und einem geschwungenen, mit bemoosten, blauen Dachziegeln gedeckten Dach. Hinter der Hütte steht eine riesige, uralte Eiche, deren Äste vernarbte, tiefe Risse haben. Vor fünfundzwanzig Jahren war hier Krieg. Der Baum hat bestimmt etwas abbekommen. Trotzdem ist es ein schöner Baum. Jemand, der sich mit Bäumen gut auskennt, muss sich um ihn gekümmert haben.

„Hier muss es sein.“, sagt Naruto, geht vor und klopft an die Tür der Hütte.

Von drinnen antwortet eine weibliche Stimme: „Wer immer es ist, er soll verschwinden! Ich bin gar nicht da!“

Was für eine freundliche Begrüßung! Aber das kann uns egal sein.

„Wie heißt du?“, rufe ich.

„Geht dich nichts an!“, ist die Antwort, „schwirrt ab, ich hab schlechte Laune!“

„Hey, du komische Alte!“, schreit Naruto, „wir wollen nur mal mit dir reden!“

Von drinnen sind Schritte zu hören, dann wird die Tür aufgerissen. Aber da ist gar keine zickige Alte! Stattdessen steht eine junge Frau mit weißem Gesicht, kinnlangen, schwarzen Haaren und silbernen Augen vor uns. Sie starrt Naruto an, als würde sie ihn kennen. Und dann bemerkt sie mich.

„Sa-sasuke? N-nee, oder? Sasuke Uchiha?“, stottert sie überrascht.

Kennt die mich etwa? Woher? Konan ist das nicht, so wie sie aussieht. Obwohl ihre Hautfarbe und die Form ihrer Augen ähnlich sind. Aber ihre Augenfarbe und ihre Haare sind ganz anders.

„Was ist denn hier los?“, fragt eine Männerstimme hinter mir. Ich drehe mich um und auch Naruto hört auf, die seltsame junge Frau anzustarren.

Aus dem Wald kommt ein Typ, der auf den ersten Blick wie ein Geist aus einer alten Gespenstergeschichte aussieht. Er ist vielleicht zwanzig Jahre alt und hat sehr langes, schwarzes Haar, das ähnlich absteht wie meines und in dem Blätter, Moosfetzen und andere, kleine Pflanzenteile hängen. Sein linkes Auge ist vollständig davon bedeckt. Sein wildes Aussehen erschreckt mich nicht weiter. Der Grund, warum ich nicht darum herumkomme, ihn erschrocken anzustarren, ist, dass er mir unheimlich ähnlich sieht. Denn nicht nur sein Haar sieht meinem in Farbe und Beschaffenheit ähnlich, sondern auch sein Gesicht und die Art seines Auftrittes. Seine Kleidung besteht aus einer einfachen, grauen Hose, einem ebenso einfachen Hemd und einer Arbeitsjacke. Der Stoff sieht ziemlich abgetragen aus, als ob der Typ viel im Wald arbeitet, sich aber nur selten neue Kleider kauft.

„Konan, wer sind denn diese Jungs?“, fragt er und seine Stimme klingt ähnlich wie die meines Vaters, „sie sehen aus, als sollten wir sie anständig behandeln.“

Diese genervte, durchgeknallte Frau da soll Konan sein? Itachis Freundin? Ich hab keine Ahnung, was ich von ihr halten soll. Irgendwie bin ich enttäuscht. Aus irgendeinem Grund hatte ich angenommen, Itachi hätte sich eine halbwegs nette Freundin gesucht.

Und sie wohnt hier, in der Nähe der lebenden Ruine Ame Gakure, bei einem einsiedlerischen, merkwürdigen Typen, der aussieht wie ich und eine Stimme wie mein Vater hat?

Naruto sieht noch verwirrter aus als ich. Ständig huscht sein Blick zwischen mir und dem Einsiedler hin und her.

„Sasuke?“, flüstert er, „kennst du den Typen?“

„Nein. Ich hab keine Ahnung, wer das ist.“, antworte ich ebenso leise.

„Sorry.“, sagt Konan und innerhalb von Sekunden sieht sie aus wie auf dem Bild. Kann sie sich verwandeln oder was? Ihre Augen sind braun, mit winzigen, silbrigen Sprenkeln, und sie sieht mich noch immer mit diesem seltsamen Blick an. Natürlich, sie hat mich wohl noch nie gesehen, weiß aber natürlich von Itachi, wer ich bin.

„Ich habe schon sehr lange keine jungen Ninjas aus Konoha Gakure mehr getroffen.“, sagt der Einsiedler, „kommt rein, Konan macht euch Tee.“

Konan öffnet die Tür so weit, dass wir an ihr vorbeigehen können.

„Entschuldigt bitte, dass ich heute so mies drauf bin. Das passiert mir immer, wenn es regnet. Ich kann Regen einfach nicht ausstehen.“, sagt sie und sieht mich dabei an. Ob sie mich wohl mag, weil ich Itachis kleiner Bruder bin? Oder kann sie mich nicht leiden, weil ich ihm so viel Schmerz zugefügt habe?

Zuerst einmal bekomme ich keine Antwort darauf. Konan zündet die absolut urzeitliche Deckenlampe an und beginnt, den angeordneten Tee zu kochen. Erst sieht es ziemlich normal aus. Aber als ich die Teetasse in meinen Händen halte, fällt mir der Geruch des Tees auf. Er riecht ganz genau wie Oma Yonekos Spezialmischung! Das geheime Rezept, das es nur in ihrem kleinen Teehaus gibt. Das, was sie bisher, soweit ich weiß, noch niemandem, der nicht aus Konoha stammt, verraten hat. Woher kennt Konan dieses Teerezept? Itachi hat es ihr sicher nicht verraten. Er kennt es, weiß aber genau, wie wichtig es für Oma ist, dass es geheim bleibt. Das alles hier ergibt noch keinen Sinn.

Naruto hält die Nase in den Dampf, der aus seiner Teetasse steigt.

„Mmmh, das riecht unheimlich gut.“

Ich rücke sofort mit meiner Frage raus: „He, Konan, woher kennst du diesen Tee? Das ist das Geheimrezept meiner Urgroßmutter.“

Konan antwortet nicht, stattdessen meldet sich der Einsiedler zu Wort:

„Ich kenne dieses Rezept schon seit vielen Jahren. Da ich die allermeiste Zeit allein lebe und nicht mehr viel mit der Welt zu tun habe, koche ich mir meinen Tee immer so. Die Kräuter, die man dazu braucht, wachsen nur in zwei Gegenden: hier und auf einer kleinen Lichtung im Wald von Konoha.“

Der Typ ist wirklich sehr seltsam. So, wie er aussieht, könnte er glatt mit mir verwandt sein und jetzt kennt er auch noch das geheime Teerezept meiner Urgroßmutter! Und woher kennt er die Teekräuter, die es in Konoha gibt? Über den genauen Ort im Wald, wo die wachsen, weiß wirklich nur Omas Teeclub Bescheid. Und Itachi natürlich. Ich selbst weiß nur, dass es da irgendwo so einen Ort gibt.

„Sasuke?“, fragt Konan, „warum bist du hier? Ich hab von den Drachen gehört, dass es Akatsuki nicht mehr gibt und dass du mit Ita wieder in Konoha lebst, aber was treibt dich her?“

„Itachi. Er ist in Konoha, aber es geht ihm nicht besonders gut. Ich hab die Gravur in seinem Ring gesehen und so bin ich auf dich gekommen.“

„Was? Er ist noch immer nicht wieder gesund?“, Konan springt erschrocken auf und kramt aus einer herumliegenden Tasche ein gerahmtes Bild von Itachi heraus, „was hat er denn?“

„Er ist auf der Straße zusammengebrochen. Shiawase-no-Jutsu.“, antworte ich.

Konan stützt den Kopf in die Hände und seufzt schwer.

„Ich hätte ihn nie alleinlassen dürfen! Er braucht mich doch so! Warum hab ich da an mich gedacht? Es war nicht der richtige Moment, um auszusteigen!“, sie klingt, als ob sie weint. Ich glaube, sie ist doch ein liebes Mädchen. Alles andere hätte mich auch wundern sollen. Schließlich ist Itachi doch ziemlich wählerisch, wenn es um Leute geht, die er nah an sich heranlässt.

„Ich bin hergekommen, um dich zu holen und zu ihm zu bringen.“, sage ich, damit sie sich wieder beruhigt. Ich kann es seit einer Weile nicht mehr ertragen, wenn jemand außer Itachi in meiner Anwesenheit weint. Es erinnert mich immer wieder an meine Wut auf mich selbst. Auch wenn Itachi weint, ist das so, aber irgendwie ist es bei ihm auch wieder anders.

„Itachi… mein geliebter Trauerspatz…“, sagt Konan leise, „bald bin ich wieder bei dir.“, sie ist ja fast genau so nah am Wasser gebaut wie er!

Ich hab eine Menge Fragen an sie. Aber die kann ich immer noch stellen, wenn wir wieder in Konoha sind. Erst einmal kommt es drauf an, dass wir hier wieder wegkommen. Bevor der Regen draußen zu heftig wird.

Und zu allererst will ich von diesem Einsiedler, der mir immer seltsamer vorkommt, eine Erklärung bezüglich des Tees haben:

„Das ist ein geheimes Teerezept meiner Urgroßmutter. Ich will auf der Stelle wissen, woher du es hast!“

Der Einsiedler, dessen Stimme irgendwie nicht zu seinem jugendlichen Aussehen passt, lacht leise. Auf einmal hat er Ähnlichkeit mit Itachi. Warum, verdammt noch mal, treffe ich hier in der tiefsten Wildnis einen Typen, der aussieht und redet, als wäre er mit mir verwandt? Es wäre echt ein sehr denkwürdiger Zufall, wenn er nicht das Geringste mit meiner einst so großen Familie zu tun hätte! Und ein noch viel größerer Zufall wäre es, wenn dieser Typ tatsächlich mit mir verwandt wäre! Aber das ist sehr unwahrscheinlich.

„Konan? Wie lange wohnst du schon bei dem?“, frage ich leise.

„Erst seit ein paar Wochen. Vorher war ich bei deiner Großmutter in Mosukao.“, antwortet sie. Ich habe keine Ahnung, wo diese Stadt liegt, aber wahrscheinlich in der Nähe von Afuriika und Arasuka. Jedenfalls sehr, sehr weit weg von Konoha und dem Feuerreich.

„Wie heißt der?“, frage ich weiter, natürlich flüsternd.

„Ich nenne ihn Izu.“, sagt Konan, „seinen Nachnamen kenne ich nicht.“

Der Einsiedler lacht wieder leise und senkt den Kopf, sodass die breite Haarsträhne nach vorn fällt. Darunter wird ein weißer Verband sichtbar, der sein Auge komplett verdeckt. Der Rest des Verbandes verschwindet unter seinem dichten, schwarzen Haar.

„Was ist denn da passiert?“, frage ich ihn und deute auf den Verband.

Der Typ, den Konan Izu nennt, sieht mich zum ersten Mal ganz direkt an. Es ist so, als würde ich in eine Art Spiegel blicken, nur dass sein Mund an der Oberlippe ein wenig anders ist. Diese Ähnlichkeit kann einfach kein Zufall sein und trotzdem habe ich keine Ahnung, wie er mir das erklären könnte. Ich habe ihn noch nie gesehen, ganz bestimmt nicht.

Nach einer Weile lächelt er, sieht mich noch ein paar Sekunden lang an und sagt dann: „Du siehst einem sehr hübschen Mädchen aus meiner alten Heimat ähnlich. Ihr seid doch aus Konoha, nicht wahr?“

Ich nicke. „Wie heißt das Mädchen? Vielleicht kenne ich sie.“

„Sie war eine Cousine von mir und nicht wenige Leute sagten damals, dass sie das hübscheste Mädchen im Dorf war.“, erzählt Izu, „aber sie hat sich immer nur für einen einzigen Typen interessiert. Das ist alles jetzt dreißig Jahre her, so lange lebe ich schon allein. Aber ich habe die Namen der Leute aus dem Dorf nie vergessen.“, es ist seltsam, ihm zuzuhören und ihn dabei anzusehen. Sein Äußeres ist das eines jungen Mannes, vielleicht ein paar Jahre jünger als Itachi, aber er redet wie ein älterer Einsiedler.

„Und? Wie hieß sie? Was ist mit deinem Auge passiert?“

„Du bist ungeduldig.“, sagt er, „euch jungen Ninjas kenne ich natürlich nicht, ich weiß nur, dass Tsunade Senju gerade Hokage ist. Diese junge Dame hier ist nämlich auch nicht sehr gesprächig.“, er zeigt auf Konan, die mit den Augen an Itachis Bild klebt, „wer ist denn dieser Itachi?“

„Das ist mein älterer Bruder. Er ist achtundzwanzig, wahrscheinlich kennst du ihn also nicht.“, antworte ich.

„Dein älterer Bruder? Na, wie schön, ich hatte auch mal einen. Er war zwar nur mein Halbbruder, aber da ich ihm sehr ähnlich sah, war es unwichtig, wie eng verwandt wir waren. Er war fünf Jahre älter als ich.“, er bricht ab, schweigt eine Weile und sagt dann: „Ich habe schon sehr, sehr lange nicht mehr mit einem Menschen aus Konoha gesprochen und schon gar nicht über meinen Bruder.“

„Sie hatten einen älteren Bruder?“, fragt Konan und legt Itachis Bild beiseite.

Izu schweigt eine Weile und nur sein kurzes, leises Lachen unterbricht es manchmal. Dann sieht er mich wieder an und ich bin mir sicher, dass ihm die Ähnlichkeit spätestens jetzt auch aufgefallen ist.

„Wie heißt du? Dass dein Vorname Sasuke ist, hat dein blonder Freund ja schon gesagt, aber wie ist dein Nachname?“, fragt er dann.

„Ich heiße Sasuke Ikuto Uchiha.“, antworte ich und lasse ganz kurz meine Sharingan aufleuchten. Ich bin eben noch immer derselbe Angeber.

Izu strahlt mich an.

„Was ist denn mit deinem anderen Auge?“, frage ich.

„Das… das habe ich verschenkt.“, antwortet er mit einem Lächeln, das ich nur zu gut von Itachi kenne, „an meinen älteren Bruder.“

Jetzt wird es aber richtig unheimlich! Seit wann kann man Augen denn bitte verschenken?! Obwohl ich schon so einiges gesehen habe (na vielen Dank auch, Kabuto!), kann ich mir darunter nicht allzu viel vorstellen.

„Wie… wie kann man denn ein Auge ...verschenken?“, frage ich verwirrt.

Izu sieht mich an und schweigt. Typisch Einsiedler. Und wie er mich ansieht, das kommt mir so bekannt vor! Es ist diese irre Ähnlichkeit. Die Form und die Züge seines Gesichtes und das dichte, schwarze Haar.

„Du hast was von einem Dorf gesagt. Meinst du damit Konoha?“, fragt Naruto, der bisher offenbar nicht wirklich zugehört hat

Er schweigt mich weiter an, als ob ihn die Fragen in Erinnerungen versetzen würden. Vielleicht ist das ja auch so.

„Jetzt sag schon!“, fordert Naruto, „woher kommst du?“

Izu lässt wieder dieses leise, wissende Lachen hören, bevor er mich ansieht und mir direkt ins Gesicht sagt: „Aus Konoha Gakure. Dort wurde ich vor dreiundvierzig Jahren geboren. Und zwar als Nachkomme einer der einflussreichsten Familien des Dorfes. Ihr kommt aus Konoha, also müsstet ihr wissen, um welche Familie es sich handelt. Besonders du, Sasuke.“

Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich denken soll. Mit den Senju und den Hyuuga ist er bestimmt nicht verwandt, die sehen ganz anders aus. Und wenn er Konoha vor dreißig Jahren, also kurz vor dem Krieg, verlassen hat, ist es vollkommen klar, dass ich noch nie von ihm gehört habe. Er kann also doch zu meiner Familie gehören...

„Du… du meinst… du bist vielleicht wirklich mit mir verwandt?“

„Wahrscheinlich. Ich höre nicht viel aus dem Dorf, dein Vorname ist mir unbekannt.“

„Und Itachis Namen? Hast du den nicht schon einmal gehört? Er ist ziemlich bekannt, weil er jeden Ninja-Rang bisher als Jüngster erreicht hat.“

„Na ja, vielleicht habe ich mal von ihm gehört. Aber viel bekomme ich nicht mit. Sag mal, wie heißen deine Eltern?“

„Ikue und Yoshio Uchiha. Und meine Urgroßmutter ist Yoneko Uchiha.“

„Ikue… sie ist deine Mutter?“

Ich nicke.

„Du siehst ihr wirklich ähnlich.“

„Das ist seltsam. Denn die meisten Leute sagen, dass Itachi ihr viel ähnlicher ist als ich.“

„Nicht die Art des Wesens, falls du das meinst, sondern dein Gesicht. Du siehst genauso aus, wie ein Sohn des Uchiha-Clans aussehen sollte.“, er greift nach dem Bild von Itachi, das neben Konans Knien liegt, „dein Bruder übrigens auch.“

Ich rechne im Kopf aus, wie alt Izu gewesen sein muss, als er Konoha verlassen hat: fünfzehn Jahre! Er war jünger als ich jetzt! Aber ungefähr im selben Alter wie ich war, als ich gegangen bin.

„Warum bist du denn aus Konoha weggegangen?“, frage ich und nenne ihn in Gedanken probeweise Izu Uchiha. Klingt irgendwie passend.

„Es gab eine Menge Streit. Deshalb musste ich weg. Bevor ich ging, habe ich mein Auge verschenkt.“

„Sag mal, wie geht denn sowas?“

Izu schweigt und aus seiner Haltung ist deutlich zu erkennen, dass er jetzt nichts mehr sagen wird. Wer dreißig Jahre lang schweigen konnte, kann es auch weiterhin tun.

„Denkst du nicht manchmal daran, zurückzugehen?“, fragt Naruto, dem die ablehnende Körpersprache anderer Menschen grundsätzlich egal ist.

Izu schüttelt den Kopf, steht auf und geht wortlos in den Regen hinaus.

„Na super!“, sagt Konan, „seit Tagen versuch ich jetzt schon, irgendwas aus ihm rauszukriegen, aber an den interessantesten Stellen blockt er immer wieder ab. Sowas nennt man wohl wirklich einen Einsiedler.“

Regenfrust

„Du kommst doch mit, oder, Konan?“

„Natürlich komm ich mit!“

„Bist du eigentlich… sauer auf mich? Weil ich doch Itachi so gehasst habe.“

Konan sieht mich an, wie man einen kleineren Jungen ansieht. Als wäre ich sechs oder so. Was ich in den Geschichten, die sie von Itachi über mich kennt, ja auch war.

„Nein.“, sagt sie dann, „ich wusste doch über alles Bescheid. Itachi hat dich nie vergessen und er hat dich immer geliebt. Was blieb mir anderes übrig, als dich auch gern zu haben.“

„Bleibst du? Ich meine, kannst du dir vorstellen, in Konoha zu leben?“

„Wenn ich darf?“

„Natürlich, vom mir aus.“, obwohl ich gern mit Itachi allein zusammengewohnt habe, fühlt sich der Gedanke, eine Frau ins Haus zu bekommen, gut an. Ich bin dann nicht mehr ganz allein für meinen Bruder verantwortlich.

Erst jetzt fällt mir auf, was Konan für Sachen trägt: eine lange Jacke aus glattem, dunklem Stoff und darunter dieselbe graue Hose und dasselbe dunkelgraue Shirt, das Itachi auch hat. Genau gleich geschnitten, definitiv keine Frauenkleidung. Irgendwie gefällt mir das. Dass eine hübsche Frau wie sie grauschwarze Männerkleidung trägt. Itachi hat sich schon immer die besten Mädchen ausgesucht, auch wenn alle bis auf Konan für ihn nur gute Freundinnen waren. Keine von denen, die bei uns früher ein und aus gingen, war oberflächlich oder zickig. Wenn ich mir da anschaue, was für Mädels mir hinterherlaufen… Ino wäre zum Beispiel so eine, ein Bild von einer Zicke. Zum Glück habe ich sie mit meiner Flucht damals nachhaltig vergrault. Und das Problem mit Sakuras Anhänglichkeit hat sich wohl von allein gelöst. Echt, danke Naru!

Naruto sieht nachdenklich aus. Er schaut zur Tür, wo Izu gerade rausgegangen und im Wald verschwunden ist. Irgendwas scheint ihn zu beschäftigen.

„Seltsam, der Typ.“, sagt er, „ob das mit seinem Auge wirklich stimmt?“

„Ich glaube schon, dass das wahr ist. Er hat jedenfalls nur noch ein Auge, mit dem er sehen kann.“

„Wer wohl sein älterer Bruder war?“, fragt Naruto.

„Oma Yoneko müsste ihn kennen. Aber sie ist ja noch nicht wieder da.“, antworte ich.

Nachdem wir noch eine halbe Stunde gewartet haben und Izu nicht wieder zurückgekehrt ist, fängt Konan an, Sachen in eine Tasche zu packen.

„Kommen die Typen vom Gefängnis her oder müssen wir den ganzen Weg laufen?“, fragt sie.

„Keine Ahnung.“, sagt Naruto.

„Ich glaube, wir müssen laufen.“, ich kann jedenfalls keinen Darkrai und keine Drachen sehen.

„Menno…“, jammert Konan, „schaut euch mal den Himmel an, Jungs!“

Ich blicke hoch. Der Himmel ist tiefgrau und komplett wolkenverhangen. Irgendwo kann ich schon wieder den Regen hören.

„Ich bin allergisch gegen Regenwetter.“, behauptet Konan.

„Wieso lebst du dann hier, in der Nähe von Ame Gakure?“, fragt Naruto.

„Weil Ame Gakure meine Geburtsstadt ist. Ich bin zwar als Kleinkind von hier weg, aber als ich jetzt nicht mehr wusste, wohin ich soll, bin ich hierhergekommen. Das Hauptquartier ist ja immer noch von den Drachen abgesperrt.“

Die ersten Tropfen fallen. Konan kramt aus ihrer Tasche einen Regenschirm, der jedoch nur für sie allein reicht. Die Frau ist verrückt, das seh ich jetzt schon. Aber Itachi liebt sie. Sie ist gut für ihn, also hat sie bei mir einen Stein im Brett.

„Wir müssen uns beeilen.“, sagt sie, „je länger Itachi leidet, umso langsamer dauert es, bis es ihm wieder gut geht.“

Na toll! Wir stehen mitten im Wald, das einzige Haus in der Nähe ist die kleine Hütte von Izu, den wir mit unserer aufdringlichen Fragerei dazu gebracht haben, uns quasi rauszuschmeißen, und weit und breit gibt es nichts als Bäume und Regenwetter. Ame Gakure ist noch ‘ne ganze Ecke weg und da sie Konoha-Ninjas dort nicht gerade besonders mögen, wäre es sinnlos, da aufzutauchen und nach einem Schlafplatz zu suchen.

„Sag mal, Konan, wie ist Ame so?“, will Naruto wissen.

„Grau, verregnet und total arm. Die halbe Siedlung ist seit dem Krieg kaputt und keiner baut es auf. Seit dem Kriegsende vor fast fünfundzwanzig Jahren ist Ame ein Dorf aus ärmlichen Wohnhütten und den Ruinen des Krieges. Ich war in letzter Zeit ein einziges Mal da. Es ist furchtbar. Aber die Leute sind sehr stolz und ziemlich wütend. Sie wollen keine Hilfe von den Ländern annehmen, die das Dorf während der großen Endschlacht zerstört haben.“, erzählt Konan, „ich werde jedenfalls nie wieder einen Fuß in dieses Dorf setzen. Sagte ich schon, dass ich Dauerregen hasse?“

„Das ist ja schrecklich…“, sagt Naruto, „der Krieg ist doch schon so lange vorbei.“

Zwischen den Bäumen, abseits des Weges, ist der Regen nicht so schlimm, weil die Blätter die Tropfen aufhalten. Aber der Himmel ist wirklich sehr dunkel. Das ist nicht nur so ein einfacher Regenschauer wie nachts in Konoha, sondern eben der berüchtigte Dauerregen von Ame Gakure, das diesen Namen sicher nicht umsonst hat.

Wir stellen uns an einer dicken, dicht belaubten Eiche unter. Um den Baum herum wird die Wasserwand immer dichter. Ame Gakure, das Dorf hinter dem Regen. So grau und unscheinbar, dass man es hinter dem dichten Dauerregen wahrscheinlich kaum sehen kann. Traurig.

Konan reagiert nicht deprimiert, sondern wütend: „Arrrrgh, wie ich dieses Wetter hasse! Ich will woanders leben, Konoha wäre echt toll! Da regnet es wenigstens nicht so oft. Und wenn doch, geh ich so lange nach Suna, bis der Regen aufhört!“

Okay, Merkzettel an mich selbst: meine Schwägerin in Spe verwandelt sich bei Regenwetter in eine wütende Jammerzicke. Merkzettel für Itachi: sorg bitte dafür, dass sie sich einkriegt!

„Hört das auch mal wieder auf?“, fragt Naruto frustriert.

Mir ist der Regen im Grunde egal. Aber dass man bei so einem Unwetter nicht weiterkommt, ist offensichtlich.

Nach einer geschlagenen Stunde sitzt Konan auf einer Matte nah am Stamm der Eiche auf dem dicht bemoosten Boden, hat die Arme vor der Brust verschränkt und zieht eine Schmollschnute. Sie starrt den Regen an, als würde das ihn dazu bewegen, sich in Luft aufzulösen. Naruto sitzt neben ihr und unterstützt sie dabei, indem er es ihr gleichtut. Die ganze Strategiearbeit hängt wieder einmal an mir.

„Worauf warten wir hier eigentlich?“, frage ich.

„Darauf, dass der Regen aufhört.“, antwortet Naruto.

Und Konan fügt desillusioniert hinzu: „Dieser Regen macht hin und wieder 'ne Pause, aber aufhören tut er nie.“

„Und wie lange dauert so eine Pause?“, versuche ich, das Gespräch etwas konstruktiver zu gestalten.

„Höchstens eine halbe Stunde.“, antwortet Konan und starrt weiter auf die Wasserwand vor uns.

„Tropf, tropf, runde Regentropfen…“, murmelt Naruto, offensichtlich extrem gelangweilt.

In meinem Kopf läuft bildlich gesprochen das Zahnradwerk an: Runde Tropfen, wie Perlen…

Die Drachenperle!

„Wie schnell bist du, Konan?“, frage ich, während sich in meinem Kopf ein Plan für die Rettung aus dieser blöden Lage zusammenspinnt.

„Ziemlich schnell. Ich bin ja Ninja und nebenbei gesagt auch ziemlich gut darin.“

„Und wann könnte die nächste Regenpause sein?“

„In vielleicht fünfzehn Minuten.“

Wo ist die Drachenperle? Als wir sie gesehen haben, waren wir einen Kilometer von Izus Hütte entfernt. Und es gibt nur den einen Weg durch diesen Wald. Ich kann ihn verschwommen durch den Wasserschleier hindurch sehen. Die Perle muss irgendwo da in der Nähe sein. Wenn wir den Pfad nehmen, der uns zur Hütte geführt hat, müsste ich die Perle mit meinen Sharingan finden können.

„Naruto, hör mir jetzt mal gut zu. Wenn wir die rosa Drachenperle von vorhin wiederfinden, können wir übers RZL zurück. Sie ist hier irgendwo in der Nähe, abseits des Weges.“

Er nickt.

„Konan, kennst du die Perle?“

„Ja. Die haben die Drachen hiergelassen. Meinst du, sie ist so eine Art Portal?“

„Vielleicht kann sie als eines funktionieren.“, denke ich laut, „es ist auf jeden Fall eine Chance, aus diesem regenverfluchten Wald rauszukommen.“

Der Regen wird langsam weniger. Okay, los jetzt, oder wir verschimmeln hier noch!

„Seit ihr geradeaus gelaufen?“, fragt Konan, „von der Perle bis zur Hütte?“

„Ja, so ziemlich.“, antworte ich.

„Dann ist es einfach. Wir sind noch nicht so weit von der Hütte weg. Izu ist wahrscheinlich wieder drin, den müssen wir erstmal einfach ignorieren. Wenn er noch was von uns will, soll er ‘ne Taube schicken. Wir gehen den Weg zurück, den ihr zwei Jungs hergekommen seid, finden die Perle und kommen raus aus diesem Mistwetter.“ erklärt sie.

Während wir, die unberechenbare Unterbrechung des Regens nutzend, zurück zur Hütte laufen, wird kein Wort gesprochen. Konan hat wohl eingesehen, dass nachträgliches Gejammer über das Wetter nichts bringt und Naruto scheint in Gedanken mit irgendwas sehr beschäftigt zu sein.

In der Hütte brennt Licht. Izu ist also wieder da. Aber wir haben keine Zeit, zu ihm zurückzugehen und noch einen Versuch zu starten, ihn auszufragen. Wobei er wahrscheinlich eh abblocken wird.

„Wo seid ihr her gekommen?“, fragt Konan und schaut kurz auf ihre schwarzen Schuhe, die vom aufgeweichten Waldboden eine Menge Schlammspritzer abbekommen haben. Zum Glück trägt sie Ninjaschuhe. Was Klamotten angeht, ist sie direkt vernünftig.

Im Gegensatz zu mir. Mein Hemd fühlt sich klamm und unangenehm kalt an. Da bist du jetzt aber echt selbst schuld dran, Sasuke!

Wir schlagen den Weg ein, den ich vorhin mit Naruto hergekommen bin. Von da an gilt: so schnell, wie man als Ninjagruppe von drei Leuten vorankommt.

Die Bäume fliegen vorbei, ich spüre den vom Regen aufgeschwemmten Waldboden unter den Füßen und dass meine Hose unten schon genauso viele Schlammspritzer hat wie Konans. Naruto ist oben in den Baumkronen unterwegs. Auf seiner orangenen Hose würde Schlamm sehr auffallen und Sakuras Reaktion darauf will ich mir lieber gar nicht vorstellen.

Und dann ist sie direkt vor mir, die Drachenperle, steckt natürlich noch immer in demselben Baumstamm, wie eine Kanonenkugel, die in den Baum eingeschlagen ist und dann von seiner Rinde gefangen genommen wurde.

Ein einziges Berühren der Perle reicht aus, um uns alle drei zurück ins RZL zu befördern. Ich hatte Recht.

Darkrai scheint auf uns gewartet zu haben.

„Du hast es nicht gebraucht.“, sagt er und zeigt auf Kusanagi.

„Hast du das gewusst?“

Keine Antwort. Das schwarze Rauchwesen hüllt sich wie so oft in Schweigen.

„Ihr könnt direkt von hier nach Konoha zurückkehren.“, verkündet er nach einer ganzen Weile, „neben dem Eingangstempel ist ein Teleporter.“

Eine Seite an ihm, die ich noch nicht kannte

Als wir wieder vor dem Haupttor von Konoha sind, bleibt Konan ein Stück hinter uns stehen. Ihre Augen leuchten ganz seltsam.

„Hey, was ist los?“, frage ich.

Sie steht da, schließt die Augen und hebt die Arme ein Stück, so als wollte sie sich in eine Friedenstaube verwandeln und geradewegs über die Mauer fliegen. Naruto sieht sie fragend an.

„Ich träum seit über zehn Jahren davon, hier durch das Tor zu gehen, um in diesem Dorf zu leben.“, antwortet Konan mit einem verträumten Lächeln und ohne ihre Augen zu öffnen oder die Arme sinken zu lassen, „diesen Moment muss ich ganz fest in mein Gedächtnis einbrennen.“

„Wie viel Uhr ist es eigentlich?“, fragt Naruto. Nach der fast abendlichen Dunkelheit in der Regen-Region um Ame blendet das helle Licht von Konoha fast ein wenig und das Zeitgefühl ist etwas durcheinander.

Keiner von uns hat eine Armbanduhr oder so ähnlich dabei.

Naruto und ich gehen schon durch das Tor, während Konan noch einen Moment engelsgleich mitten auf der Straße steht und unsere berühmte Waldluft einatmet. Als ich wieder hergekommen bin, hab ich nicht so eine Szene gemacht.

„Schwägerin, oder was immer du auch für mich bist, beweg dich!“, rufe ich ihr zu. Ich geb' ja zu, dass ich ungeduldig bin!

Die feste Freundin meines Bruders öffnet endlich die Augen, kriegt sich wieder halbwegs ein und folgt uns ins Dorf, allerdings mit einem Blick wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal in die Stadt mit dem großen Vergnügungsviertel geht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich diese Frau mögen oder sie doch ziemlich seltsam finden soll. (Und so nebenbei hasse ich die Stadt mit dem Vergnügungsviertel!)

Vor dem Krankenhaus kommt uns Sakura entgegen.

„Na, seid ihr wieder da? Das ging aber schnell!“, sagt sie.

„Ja, die Teleporter sind echt gut.“, erwidert Naruto, „aber nur für sowas. Es geht doch nichts über eine schöne, lange Mission. Allerdings nicht im Regen…“

„Im Regen?“, fragt Sakura.

„Frag nicht. Ame Gakure.“, ich hab echt keine Lust, unser Regenabenteuer und die Izu-Episode jetzt vor Sakura auszubreiten. Dass dieser Einsiedler tatsächlich mit mir verwandt sein soll, kann ich mir nämlich noch nicht so recht vorstellen.

„Und wer ist das?“, sie zeigt auf Konan.

„Das ist Itachis Freundin.“, antworte ich knapp und dränge an Saku vorbei ins Krankenhausgebäude.

"Verlobte bitteschön, Sasuu.", korrigiert mich Konan sofort.

„Warte, Sasuke!“, ruft Saku mir hinterher, „Tsunade ist grade bei ihm!“

Wir müssen also vor dem Krankenzimmer warten. Ich kann durch die geschlossene Tür hören, wie Tsunade mit Itachi redet, aber ich verstehe kein Wort.

Konan läuft den Gang hoch, dreht sich um, läuft zurück, kratzt nervös den orangefarbenen Lack von ihren blassen Fingernägeln und redet undeutlich vor sich hin. Wie lange hat sie Itachi wohl nicht mehr gesehen?

„Ey, wieso dauert das so lange?“, fragt Naruto ungeduldig.

Die Tür geht auf. Konan bleibt schlagartig stehen.

„Itachi geht es soweit wieder gut. Ihr könnt jetzt zu ihm.“, sagt Tsunade. Sie trägt einen Krankenhauskittel und darüber ihre übliche grüne Jacke. „er hat gute Chancen, ganz gesund zu werden, aber nur, wenn ihr gut auf ihn aufpasst. Ich hatte selten einen so rückfallgefährdeten Patienten. Aber er erholt sich immer sehr schnell, oder? Ich habe mit Harumi, der Ärztin vom RZL gesprochen. Sie sagt, dass es Itachi wohl immer, egal wie heftig ein Anfall war, recht schnell wieder besser geht. Er hat trotz allem gute Selbstheilungskräfte.“

Sie sieht mich an, mit diesem klaren, deutlichen Blick und erst sieht es so aus, als wolle sie mich ermahnen, noch vorsichtiger mit meinem Bruder umzugehen. Aber dann lächelt sie. „Sasuke, du machst das großartig. Itachis Rückfall gestern war nicht deine Schuld, sondern eine späte Folge davon, dass er so lange krank war und es verstecken musste. Du brauchst dir also keine Vorwürfe zu machen.“

„Kann ich irgendwas tun?“

„Das tust du schon. Du bist für ihn da. Und Itachi spürt das.“, die Art, wie Tsunade mich ansieht, gibt mir das Gefühl, hier wirklich dazu zu gehören. Und so, wie sie über Itachi spricht, hat sie wohl auch ihn inzwischen akzeptiert.

Konan ist nicht mehr zu halten. Sie stürzt an Tsunade vorbei.

Erst eine ganze Weile später wage ich mich als Nächster ins Zimmer. Mit dem Gefühl, vorsichtig sein zu müssen, weil dieser Moment für meinen Bruder und seine Freundin sicher wichtig ist, gehe ich um den Wandschirm herum, der dafür sorgt, dass man Itachis Bett von der Tür aus nicht sehen kann.

Und das, was ich sehe, treibt mir vor Glück fast Tränen in die Augen:

Konan sitzt auf der Bettkante vor Itachi. Er hat sie ganz eng und fest umarmt, die Augen geschlossen und einen Ausdruck der vollkommensten Liebe, die ich je gesehen habe, im Gesicht. Es ist so still, dass ich ihn einen Satz sagen höre, der definitiv nur für Konans Ohren bestimmt ist: „Ich lass dich nie wieder los…“

Hat er überhaupt bemerkt, dass ich hier stehe? Er wirkt so versunken, als würde seine Welt in diesem Moment nur aus ihm und Konan bestehen. So hab ich Itachi noch nie gesehen. Ich habe ihn schon todtraurig, glücklich und verletzt erlebt, kenne seine Kampfseite, die Fassade und einige seiner geheimsten Ängste. Aber das, was ich hier und jetzt sehe, ist etwas ganz anderes. Eine Seite, von der ich nicht mal wusste, dass er sie hat. Ich habe ihn noch nie als jemanden gesehen, der auch auf solche Weise empfindet. Schließlich hatte er früher keine Freundin in dem Sinn. Immer nur seine Kindheitsfreundinnen, für die er nichts als Freundschaft empfand.

Hatte ich angenommen, er brauche das nicht? Dass er da anders als andere und seine Askese dermaßen eisern sei, dass ihn so etwas längst nicht mehr interessiere?

„Ähem…“, mehr bringe ich nicht raus.

Er öffnet die Augen, strahlt mich über Konans Schulter hinweg an und seine Lippen formen ein stummes „Danke.“

„Hab ich doch gern gemacht, Bruder.“, ich bringe tatsächlich ein Lächeln zustande, „echt.“

„Hab dich lieb, Sasuke.“, selbst seine Stimme klingt anders, irgendwie weicher als sonst.

„Und ich lieb dich, Itachi.“, mischt sich Konan ein und löst sich ein wenig aus Itachis Umarmung. Allerdings nur, um ihre Arme um seinen Hals zu legen und ihn mitten auf den Mund zu küssen.

Ich spüre das Blut schlagartig heiß in meine Wangen steigen und blicke reflexartig zur Seite aus dem Fenster. Im Augenwinkel kann ich sehen, dass Itachi den Kuss erwidert und rückwärts mit Konan zusammen ins Kissen sinkt. Meinen Bruder zum ersten Mal dabei zu sehen, wie er eine zugegeben wirklich hübsche Frau küsst, die seine Verlobte ist und von der ich bisher überhaupt nichts wusste, zählt sicher zu den merkwürdigsten Momenten meines Lebens. Einerseits bin ich überglücklich, dass es Itachi wieder gut geht, andererseits ist dieses Bild so ungewohnt für mich, dass ich am liebsten im Boden versinken würde. So leise, wie es geht, schleiche ich mich aus dem Zimmer.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragt Naruto draußen.

„Was… ähm, wieso?“

„Du bist knallrot, Sasuke.“, er grinst, wahrscheinlich froh, dass er mich mal in einem Aus-der-Reserve-Moment erwischt hat, „also, was ist los?“

„Mein Bruder… seine Freundin… Krankenhausbett. Kuss.“, ich bringe noch nicht einmal einen vernünftigen Satz zustande. Sasuke, krieg dich ganz schnell wieder ein!

Naruto macht ein nachdenkliches Gesicht. Der Gedanke, dass Itachi da drin mit Konan rumknutscht, ist wohl für alle, die seine dunkle Fassade kennen, ziemlich schwer vorstellbar.

Noch später, abends, setzen die beiden dann noch eins drauf.

Nachdem ich mit Naruto erstmal ein paar Nudelsuppen gegessen habe, um den Moment, der eigentlich gar nicht so schlimm war (schließlich habe ich mit eigenen Augen gesehen, dass Itachi echt glücklich ist und offensichtlich mehr Selbsterhaltungtrieb hat, als ich dachte) zu verarbeiten, und dann den verbliebenen Teil des Abends an diesem langen Tag in meinem Zimmer verbracht habe, kommt es noch einmal zu einer Situation, die durch so gut wie nichts mehr zu toppen ist:

Ich stehe im Bad, bin wohl der letzte, denn Itachi ist längst in seinem Zimmer verschwunden. Konan wollte eigentlich erst einmal in einem Hotelzimmer schlafen, aber ihre weibliche Kosmetik auf unserem sonst eher puristisch bestückten Badezimmerregal zeigt unübersehbar, dass sie hier ist und sich bereits als Bewohnerin unserer kleinen Wohnung sieht.

Es ist zehn Uhr, spätabends oder nachts, wie man es halt nennen will. Und als ich nach dem abendlichen Badezimmerbesuch in meinem Bett liege und am liebsten sofort einschlafen will, höre ich es:

„Haahhhh...“

Zuerst erkenne ich weder die Art des Geräusches, noch, woher es kommt. Doch beim zweiten Mal wird mir klar, dass es von nebenan kommt und dass es sich um Itachis Stimme handelt.

„Mmmm… nnnnhh…aahhhh…“ Und Konan.

Ich ziehe mir die Bettdecke über den Kopf, versuche, nicht hinzuhören, nicht dran zu denken und vor allem, mir nichts vorzustellen. Aber die Tatsache, dass ich ein Junge und achtzehn Jahre alt bin, macht es mir denkbar schwer.

Sie tun es. Genau wie Naruto und Sakura. Und wie der Rest der Welt, der jemanden hat, um es zu tun. Ich hab das alles so viele Jahre lang ausgeblendet, dass ich jetzt nicht sofort damit klarkomme. Mein Herz ist viel zu kalt dafür und ich hab kein Mädchen, an das ich denken kann.

Selbst die Bettdecke reicht nicht aus, um die Geräusche aus dem Zimmer meines Bruders auszublenden. Und mein Gehirn, dessen Hormone oder was auch immer idiotischerweise nicht so eingefroren wie mein Herz sind, produziert schon erste Bilder eines endlos peinlichen Kopfkinos.

Hör auf, Sasuke!

Es hilft alles nichts. Ich hab früher, so mit zwölf, mal aus Versehen in einem Film zu sehen bekommen, wie diese Sache ungefähr abläuft (vielen Dank auch, Sensei Kakashi!). Und jetzt spinnt mein Kopf aus dem, was ich jetzt höre und dem, was ich damals gesehen habe, ein Bild von dem zusammen, was im Zimmer nebenan gerade abgeht. Die Wände in dieser Wohnung sind einfach zu hellhörig.

Ich ziehe mir das Kissen über den Kopf und warte. Um wirklich nichts mehr zu hören, muss ich mich ein wenig bewegen, damit das Rascheln des Kissenbezuges an meinem Ohr jedes Geräusch aus Itachis Schlafzimmer übertönt.

Nach einer Weile wage ich mich wieder unter dem Kopfkissen hervor und atme tief ein. Unter der Decke wird die Luft ziemlich schnell knapp.

Nebenan ist es ruhig geworden. Kein aufgeregtes Atmen ist mehr zu hören. Nur wenn ich ganz still liege und genau hinhöre, dringt leises Flüstern durch die Wand, von dem ich jedoch kein einziges Wort verstehe. Aber auch so weiß ich, worum es wahrscheinlich geht. Itachi ist sehr glücklich, er hat eine Frau, die er liebt und die ihn auch liebt. Ich bin nicht mehr ganz allein für ihn verantwortlich.

Ein Brief nach weit weg

Am nächsten Morgen ist alles wie immer. Jedenfalls zuerst.

In der Annahme, dass Itachi wie üblich vor mir aufgewacht ist und schon in der Küche steht, um uns wie jeden Tag in den letzten Wochen das Frühstück zu machen, stehe ich auf und wundere mich erst auf dem Flur darüber, dass es völlig still in unserer Wohnung ist. Keine zischende Pfanne mit Spiegelei und kein klapperndes Geschirr. In der Küche ist niemand.

Schlagartig fällt mir wieder ein, dass wir jetzt eine Frau im Haus haben. Aber auch von ihr ist nichts zu sehen. Schlafen die zwei etwa noch?

Von der Küche aus sind es drei Schritte bis zu Itachis Zimmertür. Nachdem er einige Rückfälle hatte, schließt er nicht mehr ab, damit ich, wenn es dazu kommt, schnell bei ihm sein kann.

Die Tür quietscht leise, als ich sie einen kleinen Spalt breit aufschiebe und ins noch dunkle Zimmer spähe. Die Rollläden sind zu. Offensichtlich schlafen Itachi und Konan beide noch. Das Licht, das vom Küchenfenster aus den Flur beleuchtet, fällt als schmaler Streifen in die Dunkelheit, quer über Itachis Bett.

Warum ich jetzt nicht einfach die Tür zuschiebe und mich um meinen eigenen Kram kümmere? Neugier, wahrscheinlich. Und der Gedanke, dass ich genau wie die beiden hier wohne und wir sowas wie eine Familie sind. Mein Bruder, seine zukünftige Frau und ich. Die Keimzelle, aus der ein neuer, stärkerer, nach all dem wirklich unbesiegbarer Uchiha-Clan wachsen wird. Wenn Mama und Papa erst wieder da sind. Und alle anderen…

Der Gedanke daran, meine Eltern bald wieder zu sehen, erfüllt mich mit Euphorie. Mir schießt irgendein Glücksstoff ins Blut und meine Lippen bilden von ganz allein ein Lächeln. Wenn Itachi jetzt wach wäre, würde ich ihm um den Hals fallen, mich wieder und wieder entschuldigen und ihm dafür Danke sagen, dass er die ganzen Jahre für mich durchgehalten hat.

Meine Hand schiebt die Tür fast von allein etwas weiter auf, der Lichtstreifen wird breiter und beleuchtet das Kopfteil des Bettes. Itachi lächelt im Schlaf, hat seinen Kopf an Konans weiße Schulter gelehnt und sein rechter Arm liegt auf ihr und der Bettdecke. Sonst ist nicht viel zu sehen, nur, dass beide wahrscheinlich nichts anhaben. Natürlich. Wenn ich da so an gestern Abend denke...

Es fühlt sich immer noch ein bisschen seltsam an, Itachi so mit seiner festen Freundin zu sehen, die er wahrscheinlich sogar heiraten wird. Aber ich werde mich dran gewöhnen. Und es fühlt sich gut an, nicht mehr so ganz allein für Itachis Glück und Gesundheit verantwortlich zu sein. So sehr ich auch bestrebt bin, so viel wie möglich bei ihm wieder gut zu machen: ich habe mich dabei hilflos und überfordert gefühlt. Eine ganze Nacht lang lag die Verantwortung mit ihrem ganzen Gewicht auf meinen Schultern. Jetzt ist Konan da und trägt sie mit. Und Itachi sieht glücklich aus. Da ist noch immer ein gewisser trauriger Zug auf seinem Gesicht, aber er sieht schon sehr viel entspannter aus als an seinem ersten Tag in dieser Wohnung.

Ich gehe in die Küche und schalte den Herd an. Heute werde ich mal versuchen, Frühstück zu machen. Kann ja wohl nicht so schwer sein, ein bisschen Rührei und Reis zu kochen.

Dachte ich.

Aber als sich das Ei gefährlich dunkel verfärbt und eine bedenkliche Rauchwolke über der Pfanne aufsteigt, während ich den Reis in den Dämpfer fülle und es schon anfängt, etwas verbrannt zu riechen, muss ich leider zugeben, dass Kochen längst nicht so einfach ist, wie es aussieht. Ich reiße das Fenster auf, versuche, das Ei zu retten und lasse den Reis stehen. Gerade, als das Ei zumindest noch zur Hälfte erhalten ist, macht der Reisdämpfer ein ziemlich alarmierendes Geräusch.

Ruhig bleiben, Sasuke! Du willst Itachi und seiner Freundin doch einfach nur ein Frühstück machen. Das wirst du ja wohl noch schaffen, oder?

Das Ergebnis ist mehr als armselig: weißer Matsch, der mal Reis war, und dunkelbraunes Rührei, das eigentlich gelb sein sollte.

Merkzettel an mich: ich kann nicht kochen.

„Sasuke?“, Itachi steht plötzlich hinter mir. Fertig angezogen, aber mit noch offenem Haar. So lautlos aufzutauchen, das kann wohl nur er.

„Tut mir leid…“, mehr fällt mir angesichts einer leicht verqualmten Küche und meiner miesen Kochkünste nicht ein.

„Wasnlos, Ita?“, fragt Konan aus dem Schlafzimmer.

Itachi lacht leise. „Sasuke wollte uns Frühstück machen.“

„Das ist ja süß! Aber warum riecht es hier dann so verbrannt?“

„Weil es ein Versuch war.“, antworte ich, zugegebenermaßen zerknirscht. Ich hatte mir schon vorgestellt, wie die beiden sich über mein selbstgekochtes Essen freuen würden.

Konan kommt, nur mit einem lila Seidenkimono bekleidet, in die Küche.

„Jungs, lasst mich da mal ran.“, sagt sie und macht den Kühlschrank auf, „Tofu, Yuba, noch mehr Ei und ‘ne Flasche Soyasoße…“

„Koco, ich…“

„Ja, Ita, ich weiß auch, dass du kochen kannst.“, erwidert sie und bindet sich die kinnlangen Haare mit einem schmalen Haargummi zusammen, „aber ich will jetzt das Essen machen.“

Zwanzig Minuten später, die Itachi und ich damit verbracht haben, am Küchentisch zu sitzen und zuzusehen, beziehungsweise zuzuhören, hat Konan aus meinem Rührei-Unfall, einem großen Stück Tofu und der Soyasoße ein vernünftiges Frühstück geschaffen, Tee gekocht und den Reismatsch zu Suppeneinlage für heute Mittag verarbeitet.

„Na, was sagt ihr dazu?“, fragt sie, als sie uns das Ergebnis vorsetzt.

„Riecht gut.“, antwortet Itachi, steht auf und gibt Konan mit einer schlafwandlerischen Sicherheit, bei der ich mich schon frage, wie blind er wirklich ist, einen Kuss auf die Wange.

„Kannst du wieder was sehen?“, frage ich, ein wenig hoffnungsvoll.

„Nein. Aber ich kenne sie.“

Schade. Es wäre so schön, wenn er wieder sehen könnte. Ich erinnere mich an eine Szene, die es früher jeden Tag bei uns zuhause gab: Itachi, der schon morgens, wenn ich in sein Zimmer kam und er noch im Bett lag, ein Buch vor der Nase hatte. Manchmal verschwand er tagelang hinter Büchern und die anderen Jungs in seinem Alter haben ihn dafür ausgelacht. Zumindest so lange, bis sie dumm genug waren, ihn herauszufordern.

„Gibt es irgendwas, das dafür sorgen könnte, dass du wieder sehen kannst?“

Itachi antwortet zuerst nicht, dann sagt er leise: „Mama könnte das.“

„Essen, Jungs!“, unterbricht Konan unserer sehnsüchtigen Gedanken an Mama.

Itachis Freundin gefällt mir immer besser. Sie macht meinen Bruder glücklich, übernimmt einen Teil meiner Verantwortung und rettet unser Frühstück. Außerdem ist sie hübsch und trotz ihrer offensichtlichen Verrücktheit ein guter Mensch. Sie passt in diese Wohnung, zu Itachi und mir.

Nach dem Frühstück kommt er in mein Zimmer und nachdem er eine Weile schweigend neben mir auf meiner Bettkante gesessen hat, nochmal auf das Thema „Mama und Papa“ zu sprechen:

„Sasuke, wenn du dich bereit fühlst… du kannst ihnen jederzeit schreiben, das weißt du, oder?“

Ob ich mich schon danach fühle? Ob ich Mama und Papa gegenübertreten kann? Nach zehn Jahren, in denen ich fest glaubte, sie seien tot?

„Ich weiß es nicht.“, antworte ich, „… und du?“

Itachi schüttelt den Kopf. Für ihn ist es mindestens genauso schwer wie für mich. Irgendwann müssen wir da durch, aber die Angst vor dem, was bei einem Wiedersehen mit unseren Eltern an Gefühlen hochkommen wird, sorgt dafür, dass wir uns beide nicht sicher sind, wann es so weit sein soll.

„Sie wissen noch gar nichts. Vielleicht spürt Mama, dass es uns beiden wieder gut geht, aber ich habe ihr noch nicht geschrieben.“, sagt er und erinnert mich damit daran, dass Mama fast genau so sensibel ist wie er. Ich hatte es tatsächlich fast vergessen.

Die Tränen springen mir von selbst in die Augen, ich stehe auf, wortlos, weil jedes Wort die Tränen fließen lassen würde, und gehe zu meinem Schreibtisch. In der rechten Schublade ist Papier, das man auch zum Briefeschreiben verwenden kann.

Itachi steht auf und geht hinaus. Als er die Tür hinter sich zu schiebt, fallen zwei Tropfen auf die Dielen und ziehen als runde, dunkle Flecken ins Holz ein. Warum ist es so schwer, Tränen offen zu zeigen?

Der Rest des Vormittags ist ein einziges Gefühlsdurcheinander. Ich sitze am Schreibtisch, vor mir ein Blatt Papier und in meiner Hand ein Stift mit deutlichen Knabberspuren an der Spitze. Blöde Angewohnheit.

Wie fängt man so einen Brief an? Wie schreibt man seiner Mutter, die man überzeugt für tot gehalten hat, dass sie zurückkommen kann, weil die Gefahr vorbei ist? Wie finde ich Worte, in denen sie den acht Jahre alten Sasuke wiedererkennt, den sie damals zurücklassen musste? Wie war ich überhaupt?

Fragen, auf die ich allein keine Antwort finde. Und das leise Gespräch nebenan scheint sich um dasselbe Thema zu drehen. Itachi versucht auch, einen Brief zu schreiben und weiß genauso wenig, wie er es anfangen soll. Aber er hat Konan. Ich bin allein mit meinen Gedanken.

"Liebe Mama…"

Nein, irgendwie geht das so nicht. Aber wie dann? Ganz ohne Anfang? Dann vielleicht so:

"Mama, ich bin’s, Sasuke, dein Sohn, den du vor zehn Jahren allein zurücklassen musstest. Ich wollte nur sagen, ich liebe dich, Mama und du kannst wieder nach Konoha zurückkehren."

Auch nicht gut.

Einfach das schreiben, was mir durch den Kopf geht?

Aber was geht mir durch den Kopf? Es sind Gedanken, kaum Worte, höchstens Wortfetzen, die nicht für Sätze taugen. Nicht greifbar und deshalb auch nicht aufzuschreiben.

Versuch es wenigstens, Sasuke!

Also gut. Ich schreibe alles auf, was mir einfällt. Versuche, meine Gedanken in Worte zu fassen.

"Mama, ich weiß, dass du lebst. Akatsuki gibt es nicht mehr und Itachi war eine Zeit lang im Gefängnis. Ich habe mit ihm gesprochen, zwischen uns ist alles wieder gut. Er ist sehr krank gewesen, aber Konan, seine Freundin, ist jetzt hier bei uns und kümmert sich um ihn. Wir wohnen zu dritt in einer kleinen Wohnung in Konoha und werden wohl alle rehabilitiert. Ich habe Freunde, ein tolles Team und will wieder zu diesem Dorf gehören. Mama, ich liebe dich, du hast mir so sehr gefehlt! Und Papa auch..."

Das Papier bekommt dunkle Flecken, die gleichen wie vorhin der Holzboden. Meine Tränen. Ich wische mit dem Hemdärmel über meine Augen. Mama…

Ich lasse das Papier liegen, lege mich ins Bett und bleibe dort unter der Decke, bis mittags Sakura mit Beilagen für unser Mittagessen vorbeikommt.

Krötentheater

Von Izu sagt keiner mehr ein Wort. Es scheint, als hätte es keinen Sinn, über ihn zu sprechen. Als würde das Geheimnis dieses merkwürdigen Einsiedlers den Wald von Ame Gakure nicht verlassen können. Seiner Reaktion nach hat er auch nicht die geringste Absicht, nach Konoha zurückzukehren. Er scheint zufrieden mit seinem einsamen Leben zu sein.

Außerdem haben wir über anderes nachzudenken. Und auch, dass Izu vielleicht entfernt mit uns verwandt ist, hat erst einmal keine Bedeutung. Schließlich ist der Uchiha-Clan immer eine sehr große Familie gewesen. Ich bin damit aufgewachsen, längst nicht alle meine Verwandten wirklich zu kennen.

Es vergehen ganze drei Wochen, die ich größtenteils auf den Trainingsplätzen verbringe. Mit Naruto, Sakura und Kakashi.

Jiraiya ist auch ab und zu dabei. Er versucht, mich von den verbotenen Jutsu, die ich natürlich nicht mehr benutzen darf (und auch nicht mehr will), zu trennen. Obwohl er ja eigentlich Narutos Privatsensei ist, kümmert er sich jetzt vermehrt um mich. Vielleicht, weil er Orochimarus Charakter und Kampfstil genauso gut kennt wie ich und deshalb bei mir gut dagegen arbeiten kann. Durch dieses Zusatztraining bei Jiraiya verändert sich auch mein Kampfstil. In den letzten drei Jahren habe ich natürlich Elemente von Orochimaru übernommen. Und da Jiraiya keinen Schlangen- sondern Krötenstil benutzt, wird mein Stil jetzt Narutos ein wenig ähnlich.

Als ich mich nach einem besonders idiotischen Krötentheater beschwere, dass dieser Kinderkram einfach nicht zu mir passt, antwortet Jiraiya: „Weißt du, Sasuke, ich will gar keinen zweiten Naruto aus dir machen oder dafür sorgen, dass Kröten ab sofort deine Lieblingstiere sind. Du bist vollkommen anders als Naruto und daran muss man auch gar nichts ändern. Aber wenn es dein Ziel ist, dich zu verändern, besser mit den Menschen um dich herum klar zu kommen und frei von den Schatten deiner Vergangenheit zu leben, dann musst du jetzt bereit sein, Dinge zu tun, die vielleicht nicht deinem gewohnten Charakter entsprechen. Beim Training auch mal Spaß zu haben, es nicht so streng zu sehen und dich zu lockern, wird dir helfen, dein Herz aufzuwärmen.“

„Aber mit diesen Kröten durch die Gegend zu springen, macht mir überhaupt keinen Spaß. Es bringt also nicht mal das, was es soll. Ich kann einfach nicht mit Gamakichi und Gamatatsu. Außerdem gehören die beiden zu Naruto.“

„Dann freu dich doch darüber, dass er sie dir geliehen hat. Das bedeutet, dass er dir wirklich vertraut. Ihr seid gute Freunde, deshalb bist du doch wieder hier.“

„Ich hätte auch woanders hingehen können…“, sage ich leise und habe selbst keine Ahnung, wieso. Vor allem, weil es nicht stimmt.

„Bist du aber nicht. Weil Naruto dein Freund ist. Er hat sich die letzten Jahre sehr um dich bemüht und dich nie vergessen.“, Jiraiya lächelt mich an und die beiden Kröten nicken bestätigend.

„Mein Freund…“, natürlich weiß ich, wie wichtig ich Naruto bin. Wie viel er trainiert hat, um mich da rauszuholen. Dass er sich um mich mehr Gedanken gemacht hat als um jeden anderen. Ich frage mich nur, womit ich das verdient habe. Vom ersten Tag an habe ich mich wie ein asozialer Vollidiot benommen und trotzdem hat Naruto beschlossen, mein Freund zu sein.

„Hast du eigentlich je gelernt, dich zu entspannen, Sasuke?“, fragt Jiraiya auf einmal und an dem verwegenen Leuchten in seinen Augen kann ich genau sehen, was er vorhat. Nee, oder?

Wenig später sitze ich im heißen Wasser der Heilquellen und versuche angestrengt, so zu tun, als sein Jiraiya nicht da.

Er klebt förmlich an der hölzernen Trennwand und sucht seit zehn Minuten nach einem bestimmten Astloch. Was tue ich hier eigentlich? Ich sitze mit einem bescheuerten Typen von Mitte fünfzig in einem Onsen und soll mich entspannen, während er mit mäßigem Erfolg versucht, einen Blick auf die nackten Mädchen zu werfen, die auf der anderen Seite der Trennwand baden. Wie hat Naruto das nur zweieinhalb Jahre lang ausgehalten?

„Jaaa, ich hab’s gefunden!“, jubelt Jiraiya und klebt noch mehr an der Wand.

„Du bist echt peinlich.“

„Und du bist total verspannt, Sasuke! Komm her, die Mädchen sind toll!“

„Hast du mit Naruto auch nur solchen Mist unternommen?“

„Das ist kein Mist, das ist Recherche.“

„Ja, nee, ist klar…“, irgendwelche Mädchen anzugucken, egal warum, ist das letzte, was ich jetzt tun würde. Die interessieren mich einfach nicht und außerdem bin ich, was das angeht, ziemlich auf Anstand. Ja, wer hätt's gedacht, Sasuke hat auch seine Prinzipien!

„Mädels, ihr Süßen, kommt aus dem Waaasseeer!“

Ich stehe auf, steige aus dem Wasser, binde mir mein Handtuch um und will gehen. Das ist mir echt zu blöd. Er hat gesagt, dass er mich trainiert, aber alles, was dabei rausgekommen ist, waren zwanzig Minuten Aufwärmübungen mit Gamatatsu, dem gefräßigsten Riesenfrosch aller Zeiten, und das hier.

„So lernst du es nie, Sasuke.“, auf einmal gilt Jiraiyas Aufmerksamkeit wieder mir und nicht den kichernden Mädchen.

„Dann trainier‘ mich. Bring mir neue Jutsu bei oder sorg dafür, dass ich die Schlangenjutsu nicht mehr einsetzen kann! Irgendwas, das mich weiterbringt, verstehst du?“, und weil mich dieses ganze Onsentheater unsäglich auf die Nerven geht, kommt noch ein Satz über meine Lippen, der ziemlich gemein ist: „Orochimaru hat mich genauso behandelt. Wenn ich trainieren wollte, hatte er meistens keine Zeit, keine Lust oder war mit irgendwas anderem beschäftigt.“

Jiraiya sieht mich an, fragt sich wahrscheinlich, ob ich sowas wie einen Rückfall habe oder ob wieder sonst irgendwas mit mir nicht stimmt. Ich weiß ja selbst nicht, warum ich das gerade gesagt habe.

„Orochimaru, Tsunade und ich, wir drei waren früher Freunde, das weißt du ja. Wir waren ein Team und uns dadurch in einigen Punkten natürlich ähnlich. Das will ich auch gar nicht abstreiten.“, er sieht überhaupt nicht beleidigt aus, „und ich weiß auch, dass ich nicht der ideale Sensei für dich bin, wenn es darum geht, dass du stärker wirst. Du harmonierst sehr viel besser mit Kakashi. Aber ich trainiere dich ja auch nicht, damit du stärkere Jutsu oder mehr Ausdauer bekommst, denn von beidem hast du mehr als genug. Der Grund, warum ich mich jetzt um dich kümmere, ist ein anderer.“, er sieht mir direkt in die Augen und fährt fort, „du hast unter ziemlich extremen Bedingungen trainiert und durch das, was du durchgemacht hast, hat sich natürlich auch dein Charakter in eine bestimmte Richtung entwickelt. Das ist ganz natürlich. Aber wenn du Naruto oder Itachi ähnlicher werden willst, wirst du dein bisheriges Verhalten von Grund auf überdenken und aufarbeiten müssen. Du musst also etwas tun, das so gar nicht zu deinem jetzigen Selbst, das du ja verändern willst, passt. Sozusagen einen neuen Weg in deinem Bewusstsein einschlagen. Deshalb dieses überdeutlich unangepasste Trainingsprogramm. Du wirst zwischen diesem und deinem alten Verhalten eine Mitte finden und wenn du sie gefunden hast, weißt du, wer du bist.“

„Und wann wird das sein?“, frage ich.

„Das kommt ganz darauf an, wie schnell du dich veränderst. Du hast bereits einen großen Schritt hinter dir. Schließlich hast du Itachi verziehen und ihr wohnt zusammen.“

„Aber ich fühle mich immer noch so… kalt, verstehst du?“

„Wenn du dich warm fühlst, hast du’s geschafft. Bis dahin…“, wieder leuchtet diese gewisse Verwegenheit in seinen Augen, „übst du noch ein bisschen mit Gamatatsu.“

Eine halbe Stunde später hat er sich endlich von den Mädchen losgeeist. Ich bin längst raus aus dem Wasser und habe schon etwas gegessen.

„Na?“, er grinst mich an, hat sich endlich angezogen und scheint noch immer auf dem Schirm zu haben, dass ich noch mit Gamatatsu trainieren soll.

Du meine Güte, wie hat Naruto das nur durchgehalten? Na ja, in Sachen Blödsinn ist er ja sehr viel offener als ich, aber diese Frauengeschichten müssen ihn doch genauso genervt haben.

„Gamatatsu wartet schon.“, sagt Jiraiya, „ich hab ihm eine Menge Naschzeug hingestellt, du musst dich also nicht darum kümmern.“

Die Sannin haben sie wohl irgendwie nicht mehr alle. Selbst Tsunade ist ja ziemlich schräg.

Als ich dann mit Narutos beiden Lieblingskröten wieder auf der großen Wiese stehe, fängt dasselbe Theater wie in den letzten Tagen von neuem an: Gamakichi sitzt auf einem großen Stein und will mich rumkommandieren. Und Gamatatsu fragt bei allem, was er nicht kennt, ganz ernsthaft: „Kann man das essen?“

Geht’s noch?! Ich kann einfach nicht mit Kröten! Mit Schlangen auch nicht, deshalb hab ich meine, die ich aus dem Versteck mitgenommen hatte, auch in der Ninjatier-Station untergebracht. Vertraute Geister scheinen allgemein nicht mein Ding zu sein.

„Du musst dir schon Mühe geben, Sasuke.“, sagt Jiraiya. Er hat die Ruhe weg, steht am Rand der Wiese und schaut zu.

„Wir wollen lieber Naruto!“, quietscht Gamatatsu.

„Ihr habt jetzt aber nicht Naruto vor euch, sondern Sasuke, verstanden? Also strengt euch gefälligst an!“, kommandiert Jiraiya.

„Ich hab Hunger. Und ich bin müde.“, motzt Gamakichi.

Wie Manda. „Sssszzzz, ichch hab keine Lussst zum Üben, Sssassukee.“ Ich hasse dieses Vieh!

Und die Kröten stellen sich stur. Als Vertraute Geister von Naruto sollten sie eigentlich wissen, dass ich sein bester Freund bin. Oder zählen sie mich von Anfang an zum Schlangengefolge? Kröten und Schlangen scheinen sowas wie natürliche Feinde zu sein. Und ich stand, bescheuert wie ich bin, zuerst auf der falschen Seite.

„Ihr benehmt euch wie kleine Kinder.“, stellt Jiraiya fest. Das sagt gerade er!?

Mir wird das langsam echt zu blöd. Wenn diese Kröten nur Naschzeug und Naruto im Kopf haben, können sie mir gestohlen bleiben. Ich hab zwar ungefähr kapiert, was Jiraiya damit bezwecken will, mich mit diesen dicken, schleimigen Riesenfröschen zusammen trainieren zu lassen, aber wenn die nicht wollen, hab ich auch keine Lust.

„Ich hab Hunger.“, motzt Gamatatsu. Haben die beiden auch noch nen schlechten Tag oder was?

„Tja…“, sagt Jiraiya, „dann…“ er holt eine größere Schriftrolle hervor, schließt noch einmal die Fingerzeichen für das Jutsu des Vertrauten Geistes und beißt sich für die Blutprobe in den Daumen. Die Folge ist eine weiße Wolke von der Größe eines Berges.

„O-oh…“, quietscht Gamatatsu, „das ist Papa…“

Die beiden „kleineren“ Kröten machen sich aus dem Staub.

Gamabunta? Nee, oder? Der kann mich bestimmt noch viel weniger ab! Schließlich hasst er Manda noch mehr als ich, geht aber sicher davon aus, dass ich diese eklige Riesenschlange herumkommandieren könnte, wenn ich will.

„Was willst du von mir, Jiraiya?“, donnert Gamabuntas mehrlagige Stimme über die Wiese.

„Da deine beiden Söhne sich stur stellen und nicht ordentlich mitarbeiten, habe ich dich gerufen. Ich habe wieder einen Schüler übernommen und ich denke, dass das ein interessantes Training werden könnte.“, sagt Jiraiya.

Gamabunta dreht den Kopf und sieht mich an.

„Sasuke Uchiha?“, fragt er und seine riesigen Krötenaugen verengen sich zu schmalen Schlitzen. Ich hab’s gewusst. Er kann mich nicht ab.

„Ja. Ich will endlich einen vernünftigen Ninja aus ihm machen und du wirst mir dabei helfen. Mit dem Respekt solltest du kein Problem haben, der Junge ist stärker als Kakashi.“, antwortet Jiraiya, bevor ich irgendwas sagen kann.

Gamabunta sieht eindeutig nicht zufrieden aus. Wahrscheinlich sieht er in mir einen zweiten Orochimaru. Als ob das Team Kakashi die jüngere Version der Sannin wäre. Auf Sakura und Naruto mag das mit Tsunade und Jiraiya ja passen. Aber ich lasse mich nicht von irgendeiner blöden Riesenkröte mit Orochimaru vergleichen! Der Typ hat meine Kindheit auf brutalste Weise abgebrochen, fast meinen Bruder umgebracht, über drei Jahre meiner Lebenszeit verschwendet und Hokage Sarutobi ermordet! ICH BIN NICHT WIE ER, KAPIERT?! Seine verdammte Macht interessiert mich nicht!!

„Der Junge hat Manda.“, sagt Gamabunta.

„HAB ICH NICHT!! ICH BIN MIT DIESEM SCHEISSVIEH NIE KLARGEKOMEN, ES HAT NOCH NICHT MAL BEIM TRAINING AUF MICH GEHÖRT UND ALS ICH OROCHIMARU VERLASSEN HABE, HAB ICH DEN VERDAMMTEN VERTRAG ZERRISSEN, KAPIERT?!“

Ich weiß gar nicht genau, warum ich jetzt so wütend bin. Weil die blöde Manda durch ihre bloße Existenz nachträglich meinen Ruf zerstört und der Gedanke an Orochimaru meine Rache, die sich jetzt allein gegen ihn richtet, wieder aufweckt oder weil diese unterbelichtete Kröte tatsächlich zu glauben scheint, dass ich noch immer ein Anhänger dieses gewissen Jemands bin, DEM ICH AM LIEBSTEN DEN HALS UMDREHEN WÜRDE!!

„Jetzt krieg dich wieder ein, Sasuke.“, Jiraiya steht auf einmal hinter mir.

„Wenn dieses Krötenvieh aufhört, mich zu beleidigen, gerne.“, zische ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Du meine Güte!“, seufzt Jiraiya, „wenn ich gewusst hätte, dass ihr euch so anstellt…“

Und ich werde jetzt mal was klarstellen:

„Hör mal, du Oberkröte! Merk dir das ein für alle Mal, ja? Ich bin Sasuke Uchiha, Erbe des stärksten Clans von Konoha! Okay, meine Eltern sind noch nicht wieder da, aber die kommen bald zurück und alle anderen auch! Außerdem habe ich, wie du weißt, noch einen großen Bruder! Also hör auf, mich über Orochimaru zu identifizieren, klar? Das ist vorbei! Genau genommen hat der Typ mich entführt, also tu nicht so, als wäre ich diesem Mistkerl gegenüber irgendwie loyal oder so! Ich will ihn umbringen und irgendwann werde ich das auch tun!“

„Beweis es!“, donnert Gamabunta.

Ich reiße den Kragen meines Hemdes zur Seite, da, wo die Überreste des Fluchmals meine Haut dunkel verfärbt haben. Für jemanden, der nicht weiß, was dort einmal war, sieht es wahrscheinlich aus wie eine schlecht weggeätzte, ehemals kreisförmige Tätowierung.

„Er hat mich gebissen, klar! Ich bin NICHT freiwillig zu ihm gegangen! Ist dir das Beweis genug?“, schreie ich.

Die riesige Kröte sieht mich zweifelnd an, bläst eine Rauchwolke aus der Pfeife über die Wiese und scheint darüber nachzudenken, ob ihm mein Beweis auch glaubwürdig genug ist.

„Jetzt reißt euch mal zusammen.“, sagt Jiraiya.

„Ich brauche Bedenkzeit.“, behauptet Gamabunta nach einer Weile, „heute wird das nichts mehr.“

Alter, ich würde, wenn's sein muss, sogar Sake mit dir trinken und du willst Bedenkzeit?!

„Tja, Sasuke, da kann man nun wirklich nichts machen.“, sagt Jiraiya, „am besten verschieben wir das Ganze mal auf nächste Woche, okay?“

„Ich lege keinen Wert drauf, mit so einem eingebildeten Riesenfrosch zu trainieren.“

„Gamabunta ist eigentlich in Ordnung. Okay, ab und zu ist er launisch, aber ein Typ wie du sollte eigentlich mit ihm klarkommen. Außerdem, das habe ich dir ja vorhin schon lang und breit erklärt, würde es dir gut tun, mal in eine ganz andere Richtung zu gehen, als du es gewöhnt bist.“

„Ich weiß. Und ich will auch trainieren. Ich will irgendwann so stark sein wie Itachi, damit ich ihn beschützen kann. Aber wenn Gamabunta wirklich nur einen ehemaligen Anhänger von Orochimaru in mir sieht, hat es keinen Sinn, mit ihm trainieren zu wollen.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Vorschau aufs nächste Kapitel:
wieder Briefe, noch mehr Tränen und die Suche nach einem neuen Zuhause...


Übrigens: vielleicht ist es einigen von euch schon aufgefallen, dass ich Sasuke oft in Situationen bringe, die nicht ganz ins Bild passen, das man so von ihm hat. Ich mag es einfach, ihn in eine Lage zu bringen, die von ihm verlangt, sich anders als sonst zu verhalten.


liebe Grüße,
eure Haru Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (18)
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Von:  SasuHina-4ever
2019-05-15T11:24:52+00:00 15.05.2019 13:24
hei interesante Geschichte habe jetzt den ersten teil und diese geschichte gelesen und finde beide sehr interesant. ich hoffe das die geschichte noch weiter geht und nicht abgebrochen wird. Liebe Grüsse und einen Traumhaften Tag Mittag Abend oder Nacht.
Antwort von: Harulein
15.05.2019 14:48
*auf Datum der FF guck*
mh, na ja ... ehrlich gesagt schreibe ich schon einige Jahre nicht mehr an diesen Geschichten. Ich bin da in einer Weise "raus", von der ich nicht weiß, ob es je wieder in der Form wieder kommt.
Außerdem schreibe ich inzwischen sehr viel für ein ganz anderes Fandom ...
Trotzdem danke fürs Kommi. ^^
Antwort von:  SasuHina-4ever
15.05.2019 16:19
Danke furs antworten war mir schon klar das es nicht mehr weiter geht ist nur ein bischen schade hätte gern noch erfahren wie es mit Sasuke und seinem clan weiter geht.
Von: abgemeldet
2016-07-16T08:30:27+00:00 16.07.2016 10:30
Hii
Mein absolutes lieblings Fanfiction.
Würde mich mega freuen wenn es weiter geschrieben würden.

lg crazy-Shinigami


Von:  Sandra-Lavi-Bookman
2013-05-02T22:13:31+00:00 03.05.2013 00:13
Hey, tut mir leid, dass erst jetzt hier weiter gelesen habe.^^
Also mir gefällt dieses Kapitel wirklich sehr.
hihi Jiraiya versucht Sasuke etwas bei zubringen, die Idee ist echt gut und deine Umsetzung ist einfach super.

hehe und weiß du was? Mit deinen FF´s bzw. manchen Kapiteln, regst du total mein Denkvermögen an und mein Kopfkino springt an und dann hab ich plötzlich neue Ideen im Kopf. :D

lg Sandi
Antwort von: Harulein
03.05.2013 10:08
Ist ja toll ^^ arigatou <3
Von:  Onlyknow3
2013-04-28T09:26:31+00:00 28.04.2013 11:26
Freue mich darauf.Die Geschichte hat Suchtpotential.

LG
Onlyknow3
Antwort von: Harulein
28.04.2013 12:42
Awww, dankeee ^_^
Von:  Onlyknow3
2013-04-27T20:27:05+00:00 27.04.2013 22:27
Ja das ist typisch Jiraiya,erst den Frauen nach zu steigen und dann auch noch die Frösche auf Sasuke los zu lassen.Das ist wohl sein Weg des Ninja,wenn man so will.Sasuke muss sich da wohl noch auf mehr einstellen.Mach weiter so,diese Geschichte ist echt super geschrieben und sie gefällt mir.Ich freue mich auf ein neues Kapitel.


LG
Onlyknow3
Antwort von: Harulein
28.04.2013 11:14
Geht auch bald weiter...
Von:  Onlyknow3
2013-04-27T19:57:12+00:00 27.04.2013 21:57
Gefühle in Worte zu fassen ist manch mal leichter als sie aus zu sprechen,so ist es Nachvollziehbar das sich Sasuke schwer tut mit dem Brief.Jetzt kann es nur noch gut werden,Sasuke hat sich überwunden zu schreiben und seine Eltern werden sich freuen von Ihm und Itachi zu hören.
Weiter so,das ist ein sehr Emotionales Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von: Harulein
28.04.2013 11:13
Danke^^ ja, ich schreib am liebsten so gefühlvolle Sachen.
Von:  Onlyknow3
2013-04-27T19:35:07+00:00 27.04.2013 21:35
Da könnte man denken das Sasuke neidisch ist auf das Glück das sein Bruder hat mit Konan.Itachi hat sich das verdient mit ihr zusammen zu sein.Sasuke muss lernen das er das auch haben kann wenn er sich darum bemüht bin.Weiter so,freue mich auf die nächsten Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von: Harulein
28.04.2013 11:13
Sasuke kriegt das mit den Mädchen auch noch hin. Aber erst ne Weile später...
Von:  Onlyknow3
2013-04-27T19:12:57+00:00 27.04.2013 21:12
Na ja Regen mögen die wenigsten Menschen.Somit ist Konan nicht allein,das sie gleich bereit war mit zu kommen um Itachi zu helfen,das gefällt mir mach weiter so.

LG
Onlyknow3
Antwort von: Harulein
28.04.2013 11:12
Ja, Konan ist leidenschaftliche Regenhasserin. Deshalb geht sie auch gern mit nach Konoha, weil da ja meistens schönes Wetter ist.
Von:  Onlyknow3
2013-04-27T18:48:39+00:00 27.04.2013 20:48
Das könnte doch Obito sein der ein Freund von Kakashi und dessen Team-Mitglied war?Das heraus zu finden hoffe ich in den nächsten Kapiteln.Vielleicht nennt er auch Kakashi seinen großen Bruder weil sie sich sehr nahe standen.Taj das wäre des Rätsels Lösung.Super,es wird immer besser,mach weiter so.

LG
Onlyknow3
Antwort von: Harulein
28.04.2013 11:09
Nee, Obito kommt hier gar nicht vor. Es geht zwar um die Geschichte des Uchiha-Clans, aber auch Tobi ist hier nicht Obito.
Von:  Onlyknow3
2013-04-27T18:05:55+00:00 27.04.2013 20:05
Sehr gute Entscheidung von Sasuke,zum einen sich Informationen zu holen bei den Akatsuki-Mitgliedern,und zum zweiten sein Schwert nicht mit zu nehmen.Das Naruto bei ihm ist gibt ihm zusätzliche Sicherheit nichts falsches zu machen.Bin gespannt,ob er die Informationen über Konan bekommt.Weiter so.

LG
Onlyknow3
Antwort von: Harulein
27.04.2013 20:18
Danke für's Kommi ^^


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