Der dritte und letzte Teil ▽・ェ・▽ノ”


 

Sind Hunde eigentlich schlauer als Katzen? Sind Katzen eigentlich schlauer als Hunde? Ein Gespräch mit dem Zoologen John Bradshaw.

 

 

 

 

 

Wie äußert sich das?

Katzen sind nicht von Natur aus freundlich zu Menschen. Wenn sie in den ersten achten Wochen ihres Lebens keinen Kontakt zu uns haben, ziehen sie sich von uns zurück. Wir vermuten, dass in Städten viele Männchen umherstreifen, die niemanden gehören. Sobald wir nämlich die DNA von Katzenjungen anschauen, können wir meist nur die Mutter zuordnen, der Vater findet sich selten.

 

Ist diese DNA auch der Grund, warum Katzen immer noch Vögel und Mäuse jagen - trotz Whiskas und Kitekat?

Sicher. Bis vor dreißig Jahren waren Katzen sogar auf Mäuse angewiesen, weil das gängige Futter kaum Vitamin B enthielt. Sie mussten jagen, um zu überlegen und gesunden Nachwuchs zu bekommen.

 

Ist es sinnlos, ein freiheitsliebendes Tier wie die Katze erziehen zu wollen?

Auf jeden Fall ist es sinnlos, Katzen zu bestrafen. Sie suchen Schutz beim Menschen; wenn sie ihn nicht bekommen, sind sie schnell weg.

 

Viele Katzenbesitzer ärgern sich, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommen und die Katze liegt breit auf dem Esstisch. Was tun?

Das Problem ist, dass Katzen sich in der Höhe wohler fühlen. Unten am Boden sind sie verwundbar. Oben haben sie den bessern Überblick.

 

Müssen sich Besitzer damit abfinden?

Nicht unbedingt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, sie herunterzulocken: mit einem leckeren Happen zum Beispiel. Ich hatte mit meinem Katzen immer das Problem, dass sie die Kugeln an unserem Christbaum angegriffen haben. Also habe ich sie mit einer Wasserpistole angespritzt, wenn sie sich den Kugeln näherten. Das wirkt, Katzen hassen Wasser. Die Katze darf aber nicht sehen, woher das Wasser herkommt - sonst funktioniert der Trick nicht. Auch Mausefallen helfen. Man spannt die Falle und legt sie mit dem Boden nach oben dorthin, wo die Katze nichts zu suchen hat. Bei Berührung schnappt die Falle zu, die Katze bekommt einen Riesenschreck. Und wird diesen Ort künftig meiden.

 

Was sagen Sie Hundebesitzern, die wissen wollen, wie sie ihren Liebling am besten trainieren und erziehen?

Schon in den Sechzigernjahren gab es den interessanten Befund: Wenn Hunde vom Besitzer gestreichelt werden, nehmen sie das als größere Belohnung war als irgendein Leckerli. Auch in der Beziehung unterscheiden sie sich von Katzen.

 

Viele Hunde reagieren aber nicht, wenn Herrchen oder Frauchen ruft. Bekommen sie zu wenig Lob?

Das Leben ist aus Sicht eines Hundes eine lineare Angelegenheit. Wenn er gelobt wird, bezieht er das auf seine letzte Handlung. Genauso bei Strafe: Strafe kann eine effektive Erziehungsmethode sein, um das Verhalten des Hundes zu ändern. Aber sie muss umgehend nach dem Fehlverhalten erfolgen. Leider wollen viele Menschen eher ihre Umgebung beeindrucken, wie gut sie ihren Hund im Griff haben. Sie gehen im Park spazieren, der Hund läuft davon und fällt ein Kind an. Wenn er dann zum Besitzer läuft, ruft der "Komm sofort her! Böser Hund! Böser Hund!" Der Hund bleibt auf halbem Weg stehen, weil er merkt, dass er geschimpft wird. Und rätselt, ob er besser stehen bleiben, weiterlaufen oder umkehren soll.

 

Warum? 

Er nimmt an, dass er geschimpft und bestraft wird, weil er zum Herrchen zurückläuft. Also bleibt er stehen.

 

Wie reagiert ein Besitzer dann am besten, wenn er sieht, dass sein Hund gerade ein Kleinkind anfällt?

Das ist natürlich ein Notfall. Ich würde trotzdem dafür plädieren, alles zu tun, damit dieser Fall nie eintritt. Hunde sollten den Umgang mit Kindern lernen, wenn sie noch klein sind. DAnn werden sie später besonnener reagieren.

 

Lässt sich wirklich jeder Hund so erziehen, dass er Kinder nicht anfällt? Auch jeder Pitbull?

Es gibt Hunde, deren Verhalten einfach nicht zu ändern ist. Man sieht ihnen ihre Aggression schon an. Aber genau darin liegt die Gefahr: Wir glauben, wenn ein Hund aggressiv aussieht, wird er uns auch angreifen. Das ist Unsinn. Die meisten Pitbulls beißen niemanden, das können sehr zutrauliche Hunde sein.

 

Manche sind aber wirklich aggressiv.

Schon klar. Und wenn ein Hund einmal gebissen hat, wird er das mit großer Wahrscheinlichkeit wieder tun. Die Frage ist: Was hat dazu geführt, dass er überhaupt gebissen hat? Und das hängt oft sehr damit zusammen, wie dieser Hund in der Vergangenheit behandelt wurde.

 

Also geschlagen wurde?

Es kann auch sein, dass der Hund überhaupt nicht erzogen wurde. Grundlose Aggression ist bei Hunden selten. Schon gar nicht lässt die Rasse den Schluss zu, ob ein Hund beißt oder nicht. Selbst Golden Retriever beißen manchmal zu. Ich halte wenig von Verordnungen und Gesetzen, die letztlich nur darauf gründen, dass bestimmte Hunderassen wie Staffordshire Bullterrier aggressiv ausschauen. Gegen andere Hunde, die uns weniger bedrohlicher erscheinen, erlassen wir keine Verordnungen. Das ist im Grunde Rassismus.

 

Beruht die Idee, Hunde hart ranzunehmen, auf unserer falschen Vorstellung, es handle sich um domestizierte Wölfe?

Ich würde eher sagen, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Wir haben Hunde lange für aggressive Lebewesen gehalten, die es zu dominieren gilt. Das trifft aber weder auf Hunde noch auf Wölfe zu, wie wir heute wissen.

 

Heißt artgerechte Haltung also, den Hund auf keinen Fall zu bestrafen?

Natürlich muss man Hunde bestrafen, um Fehlverhalten zu korrigieren und sie zu erziehen. Einem Hund Schmerzen zuzufügen, was früher viele Hundetrainer empfahlen, führt aber nur dazu, dass einen der Hund über kurz oder lang fürchtet oder hasst.

 

Wie lernt ein Hund, nicht jeden Besucher an der Haustür anzuspringen?

Das tut er meist, weil er um Aufmerksamkeit buhlt. Sie müssen mit Freunden zusammenarbeiten und wenn der Hund sie anspringt, sollen sie bitte Arme anlegen, das Gesicht zur Wand wenden und dem Hund keinerlei Beachtung schenken. Beim ersten Mal wird er Hund alle Register ziehen, um die Aufmerksamkeit doch irgendwie zu erlangen. Aber nach ein paar Mal wird er damit aufhören. Das meine ich mit Bestrafung: Der Hund bekommt nicht die Belohnung, die er erwartet. Aber er wird nicht geschlagen.

 

Nachdem Sie sich so lange mit den Verhalten von Hunden und Katzen beschäftigt haben, was verstehen Sie immer noch nicht?

Was Hunde angeht, wurden sehr viele Fragen in den vergangenen Jahren beantwortet. Anders bei Katzen, da gibt es immer noch wenig Forschung. Ich frage mich zum Beispiel, warum Katzen mit manchen ihrer Artgenossen sehr gut auskommen und mit anderen nicht.

 

Warum interessiert Sie das?

Aus praktischen Überlegungen heraus: Viele Menschen leben auf immer engerem Raum zusammen, und es gibt auch immer mehr Katzen. Also wird auch für die der Platz eng. Die Menschen ziehen viel mehr um als früher und nehmen ihre Katzen mit. Damit ändert sich ständig die Nachbarschaft. Katzen sind nicht sehr gut angepasst an diesem Lebensstil. Wenn sie dann auch noch mit anderen Katzen zu tun haben, finden sie das eher unangenehm. Mich würde interessieren, ob sich das ändern lässt. Wenn heute zwei Nachbarn zu mir kommen und erzählen, dass sich ihre Katzen die ganze Zeit bekämpfen, kann ich nur raten: Einer der beiden sollte sich von seiner Katze trennen. Oder sie sollten vereinbaren, ihre Katze nur ins Freie zu lassen, wenn die andere in der Wohnung ist. Was Schlaueres fällt mir da nicht ein.

 

Würden Sie sagen, dass Hunde und Katzen heute ein schönes Leben haben?

Es sind vor allem gut Zeiten für Katzen. Menschen schätzen sie heute viel mehr als in früheren Zeiten. Im Mittelalter wurden Katzen genauso verfolgt und verbrannt wie Hexen. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurden überzählige Katzenbabys einfach ertränkt. Katzenfutter war bis vor Kurzem minderwärtig. Das alles hat sich zum Guten geändert. Was Hunde angeht: Sie bedeuten natürlich mehr Arbeit und Umstände. Wer einen Hund hat, wird immer vor dem Problem stehen: Kann ich mein Tier mit in die Arbeit nehmen? Und die Frage bleibt: Wie werden wir damit fertig, dass unsere Hunde nicht gern allein sind? Hunde lieben es, in großen Familien zu leben, weil dann meist jemand zu Hause ist. Nur gibt es solche Familien leider immer seltener.

 

 

 

John Bradshaw ist Professor für Antrozoologie an der Universtät Bristol in England. Seit drei Jahrzehnten untersucht er das Verhalten von Hunden und ihrer Besitzer. Vor einigen Jahren hat er sich auch der Erforschung der Katzen zugewandt. Darüberhinaus sieht er es als seine Aufgabe, sein Wissen mit den Besitzern zuteilen, damit sie besser mit ihren Haustieren umgehen. Er veröffentlichte Bücher über das Verhalten von Hunden und Katzen, die in zwölf Sprachen übersetzt wurden, und erreichte mit Fernsehserien, die er konzipierte, in seiner Heimat ein Millionenpublikum.

 

 

Quelle:

s.graphiq.com

grupomagma.net

Süddeutsche Zeitung Magazin (Zeitpunkt weiß ich leider nicht mehr genau, dürfte aber März bis Juni rum gewesen sein)