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Meh...

Autor:  -Broeckchen-
Diese Woche mag irgendwie nicht gut anfangen...

Immer wenn sich meine Laune bessert, kommt was Unangenehmes um sie wieder zu dämpfen.
Schwindelgefühle sind noch immer da, wechselnde Intensität (allerdings hab ich jetzt ne gute Spur bekommen + Überweisung zu Dermatologen und HNO, hoffentlich findet sich die Ursache). Bei JPunkt weiß ich momentan nicht, was ich denken oder fühlen soll - keine Sorge, er hat nix verbrochen. Story ist wohl noch säuerlich auf mich, gut, wir hatten ja bisher auch i-wie keine Gelegenheit, das angefangene Gespräch bis zum Ende zu führen... aber ich wittere schon wieder diese Tendenz, die bisher alle unerwidert in mich Verschossenen hatten: Das (unbewusste?) Einfordern regelmäßiger Aufmerksamkeit als Erwiderung dessen, was sie mir entgegenbringen. Ganz offen, ich respektiere SpringHeeledJack ungemein dafür, dass er diese Tradition bricht.

Dazu noch (Für andere als die darin namentlich erwähnten aber wohl nicht wichtig):
Spoiler
Wenn ich sage, "Ich erwidere deine Gefühle nicht." wie soll ich dann diese Intensität des Kontakthaltenwollens erwidern? Mal abgesehen davon, dass ich dafür eh nicht so extrem der Typ bin... ich denke jeder, der meinen Blog liest kann ein Lied davon singen, das Möhrchen-Meldet-Sich-Gern-Monatelang-Gar-Nicht-Liedchen, ein echter Evergreen übrigens. Dann kommt Berlin dazu. Ich bin mit Berlin aufgewachsen, mit meinen Freunden und meiner Familie hier. Diese Menschen, dieser Ort sind für mich Zuhause. Und wenn ich woanders bin, sehne ich mich danach. Danach. Alles andere, auch wenn ich es sehr mag, ist nicht so eng mit mir verwoben wie mein Zuhause. Wenn ich die Wahl hätte zwischen einer Woche nur mit JPunkt in Wiesenburg und einer Woche vollkommen ohne ihn, aber dafür mit allen anderen in Berlin, ich würde Letzteres wählen. Es fühlt sich nicht nach Einschränkung an, mal jemanden mit da zu haben. Und ab und zu jemanden woanders zu besuchen ist auch nicht schlimm. Aber jeder, der mir an der Stelle aufmerksam zuhört merkt, dass ich mich vor der Planung von Besuchen, vor allem mehr als einmal im Monat, woanders sträube, weil ich Angst habe nicht in Berlin zu sein. Vor Treffen mit fremden Leuten statt meinen Freunden sträube ich mich ähnlich, weil ich meine Freunde gern sehen mag.
Das mal zur Erklärung an Story und auch an Keal, dem es entfernt ähnlich geht weil er mich gern treffen mag und es von meiner Seite aus immer nicht klappt. Es liegt nicht daran, dass ich euch nicht leiden können würde. Kommt ein Wochenende her nach Berlin und verbringt es mit mir und meinem Freundeskreis, unterhaltet euch mit den anderen genauso viel und wenig wie mit mir, schenkt mir dadurch trotz eures Besuches meine Quality Time mit ihnen und ihr werdet merken, dass sich alles leicht und locker planen lässt. Aber wann immer ich das Gefühl habe, mein Zuhause durch etwas Anderes ersetzen zu müssen, wird mein Zuhause den deutlichen Vorsprung haben, egal was die Alternative ist. Abgesehen von der Einnahme von Geldbeträgen in Millionenhöhe und dem Weltfrieden vielleicht.


Seit die Weitweger Ärzting zu mir gesagt hat, dass sie mein Heimweh als mögliche Ursache für das viele Kranksein verdächtigt, grüble ich auch darüber nach. Wenn das so ist, dann ist der Plan in Trier zu studieren ein Münzwurf. Entweder das mit Weitweg liegt nur daran, dass ich dort keine neuen Freunde finden konnte (Veranstaltungen wie Lesebühne und Theater, die es durchaus gibt, finden alle erst abends statt, da muss ich aber schon ins Bett) und in Trier werde ich dadurch, schnell Anschluss zu finden, mein Heimweh auch zuverlässig überwinden. Oder ich werde mein Zuhause vermissen, viel krank werden und den Studiengang schließlich viel zu früh hinschmeißen, weil ich es so nicht auf die Reihe kriege. Tja, was?
Ich habe mich nun an eine Studienberatungsfirma gewandt, die sich mal an meiner Schule vorgestellt hat, und mir von denen eine Kostenvorschau schicken lassen. Wäre ganz schön teuer, aber vielleich die Sache wert, denn entweder können die mir womöglich gute Finanzierungswege aufzeigen, mir einen alternativen Studiengang auftreiben oder mir wenigstens klar machen, dass dieser Weg der einzig wahre zu meinem Traum ist. Ich rufe heute außerdem auch nochmal beim Arbeitsamt an, um dort mit dem Herren zu sprechen der mit mir die erste Berufsberatung gemacht hat, mit Sicherheit kann er mir auch einigen Input dazu liefern. Wenn mir das nicht reicht, können sich alle von euch, die mir was zum Geburtstag schenken wollen, dafür vormerken: Ich wünsche mir ne Beratung bei Campus Mondi. Wenn jeder 10 Euro dafür in nen Spartopf werfen würde, der mich beschenken mag, würde mich das schon sehr glücklich machen, dann kann ich mir vielleicht wenigstens ne Einzelstunde leisten.
Große Hoffnungen hat mir der Herr von Campus Mondi allerdings nun auch wieder nicht gemacht. Wie gesagt, alles irgendwie meh.

Trotzdem bin ich in einer merkwürdigen Zwischenstimmung. Auf der einen Seite fühle ich mich niedergeschlagen, oder eher irgendwie gedämpft, fast betäubt. Auf der anderen Seite gibt mir dieser Mangel an Emotionalität gerade die Klarheit, den Überblick zu behalten und mich zu organisieren. Ich habe heute schon vor der Mittagsstunde mit CM geredet, einen Arztbesuch gemacht, meinen HNO-Termin vereinbart und mein ausgeliehenes Video zurückgegeben sowie die Wohnung aufgeräumt. Eine Email mit Suchhilfe zu irgendwas an Mama ist auch schon abgeschickt, und ich weiß genau: Sobald ich mit diesem Artikel hier fertig bin rufe ich beim Arbeitsamt an und zwar ohne wenn und aber. Normalerweise neige ich dazu, mich solange darum zu drücken wie es noch nicht dringend ansteht, aber heute mache ich alles irgendwie... geordneter.

Und obwohl ich mich irgendwie demotiviert fühle, habe ich meine Prioritäten heute unglaublich fest im Blick. Sie sind mir sonst immer unterschwellig klar, aber heute weicht irgendwie meine ganze sonstige Persönlichkeit davor zurück, es scheint sonst nichts mehr in mir zu geben. Ich will ins Game Design. Ich will mein FSJ bis zum Schluss durchziehen. Ich will eigenständig sein.
Das alles ist in mir in letzter Zeit immer mehr gewachsen, gerade durch das FSJ, ein Stück weit durch die Isolation, durch das alleine wohnen und das Geldverdienen. Auch die depressiven Phasen haben mich in Richtung dieser Klarheit geformt. Das klingt vielleicht seltsam... aber ich versuche es zu erklären (das dauert aber etwas länger und ist was, was man in Ruhe lesen sollte, wenn man mich wirklich näher kennenlernen will):

Spoiler
Bevor ich aus Berlin herausgezogen bin, lebte ich bei meinen Eltern und ging zur Schule. Mein Leben war dadurch sehr stark fremdbestimmt. Das Gesetz verpflichtete mich zur Schulbildung und sicherte sie so auch, meine Eltern versorgten mich und nahmen mir damit sehr viel Verantwortung ab. Alles war gesichert. Wie bei einem Kleinkind, das auf allen Vieren krabbelt: Absolut sicher. Eine Sechs war eine kleine Tragödie, aber letzten Endes doch nur eine Zahl. Ein paar Monate kein Einkommen bei meinen Eltern waren brenzlig, aber letzten Endes hätten sie sich eher selbst totgehungert, als mich nicht zu ernähren.
Dann begann ich das Freiwillige Soziale Jahr. Um das zu tun, musste ich mich vollständig und von allem irgendwie abnabeln. Es gab einen Wohnortwechsel, dadurch wurde ich von meiner Familie und meinem Freundeskreis getrennt. Miete, Ernährung, Strom, Gas, Wasser liegen nun alle in meiner Verantwortung (wenn auch unter aberwitzig leichten Bedingungen). Selbst meine Hobbies, von Pen & Paper bis LARP musste ich zeitweilig zur Umstellung ganz aufgeben, und konnte sie dann auch nur bedingt wieder aufnehmen. Sogar im Internet brauchte ich erstmal eine Auszeit. Das Kleinkind stellt sich auf die Beine, und das war etwas, was es noch nie zuvor getan hatte. Sicher, drum herum ist der Laufstall, aber trotzdem handelt es sich um etwas, was noch nie zuvor gemacht wurde, um etwas Eigenes, Neues, Brenzliges, und teilweise wirklich gefährliches. Aber gleichzeitig lernt man dabei eine neue Perspektive kennen. Mit Stolz trage ich die Uhr, die ich mir von meinem ersten Gehalt gekauft habe, zeige das Handy herum, das zu meinem ersten von mir selbst bezahlten Vertrag gehört - nicht weil diese Dinge Luxus sind, sondern weil ich sie mir verdiene. Mir etwas zu verdienen macht mir Spaß und erfüllt mich, es macht mich glücklich und weckt in mir endlich und unbezähmbar den Wunsch, das später auch zu tun. Vorher habe ich mich immer nach der absoluten Sicherheit gesehnt, die ich genoß, nun möchte ich mir diese Sicherheit verdienen.

Zusätzlich habe ich neue Fähigkeiten erlernt, die mir unter Garantie von Nutzen sein werden - quasi das Festigen der Beinmuskeln des Kindes. So zum Beispiel eine Art Arbeitsmodus. Ihr habt ja keine Ahnung, wie extrem kreativ ich bei der Arbeit bin. Mein Körper kann schleifen, abbrennen und Maschinen mit Holz füttern, während mein Geist völlig andere Bahnen zieht und Unmengen an kreativer Energie freisetzt. 90% aller Ideen zu meinem Engel-Plot hatte ich beim Arbeiten. Es ist eine Kreativitäts-Meditation. Zuvor habe ich das zwar schon beim Solitaire-Spielen und Staubsaugen kennengelernt, aber diesen Zustand über 9 1/2 Stunden zu halten und dabei auch Arbeit zu verrichten, die hohe Konzentration erfordert, hat sich erst jetzt herausgebildet. Ich kann meine Wahrnehmung auch so weit abstumpfen, dass ich nicht mehr merke, wie die Zeit vergeht. Eine Art Standby-Modus. Dieser Modus erlaubt es mir, Ablenkungen auszublenden. Wisst ihr, was das für mich bedeutet?

Es bedeutet, dass ich mein ADS in den Griff bekomme.

Seit ich arbeite habe ich zunehmend das Gefühl, dass ich lerne, damit umzugehen. Zum ersten Mal in meinem Leben beginne ich mich normal zu fühlen, beginne ich mich zu fühlen, als sei ich kein Tropfen Öl auf dem Wasser. Die Mitarbeiter respektieren den unbeholfenen Eifer, mit dem ich zu lernen und zu arbeiten versuche, und ich mache Fortschritte, die sie mit einem anerkennenden Nicken wertschätzen. Ich bin noch immer ein Müh langsamer, schwächer und schwerer von Begriff als der Schnitt, aber ich werde fokussierter und selbstsicherer, und ich werde schneller, stärker und geistesschärfer. Das liegt nicht nur an der Arbeit selbst, das liegt auch daran, dass ich Dinge abschließe, Erfolgserlebnisse habe, und Sachen von Anfang bis Ende tue. Der erste Schritt zu diesem Bewusstsein war mein Abitur. Hätte ich es nicht abgeschlossen, wäre ich jetzt ein anderer Mensch, wenn ich überhaupt noch da wäre. Das FSJ ist der zweite Schritt. Ich habe meine Miete abbezahlt: Ich habe etwas zu Ende gebracht. Ich habe 140 Holzstangen gekittet: Ich habe etwas zu Ende gebracht. Ich schließe das FSJ im August ab: Ich habe etwas zu Ende gebracht. Etwas Großes und Kompliziertes.
Jedes Mal, wenn ich so etwas tue, ist das ein Schritt auf zwei Beinen. Und auch wenn meine Beine von Natur aus schwächer sein mögen als die anderer Leute, stärkt das meinen Willen, weiterzulaufen.

Die Anfälle von Depressiven Phasen sind dabei weitere Hindernisse, und obendrein die größten. Der Wille versetzt Berge, es ist nicht schwer etwas Schwieriges zu tun, wenn man an sich glaubt. Aber wenn man nicht an sich glaubt, ist schon etwas Leichtes scheinbar unüberwindbar.
Auch da hilft mir mein Arbeitsmodus. Der Körper steht auf, macht sich bereit, geht los und schon bin ich in der Werkstatt, ohne zurück. Und plötzlich ist der Tag geschafft - und ich bin stolz auf mich, denn ich habe etwas zu Ende gebracht (eine Fähigkeit die mir vorher völlig abging). Diese Erfahrung stärkt mich. Und so helfen mir meine Krisen, mich weiter zu entwickeln, so mache ich mich selbst stark, indem ich mich an mir selbst abwetze. Man könnte sagen, ich mache mich durch meine Schwächen stärker. Dazu muss ich mir meine Schwächen übrigens auch erlauben. Darum kämpfe ich mit harten Bandagen um mein Recht zu weinen, zu wüten, einfach "laut zu fühlen". Ich gebe mich nicht der Illusion hin, ein starker Mensch zu sein, der alles im Griff hat oder es in diesen bekommt. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, irgendetwas zu sein, was ich oder jemand anders irgendwo einordnen kann. Es gibt Auflagen, die ich mich zu erfüllen bemühe: Mich nie selbst zu verletzen oder umzubringen, meine akute Wut nie über langfristige Zuneigung siegen zu lassen, mich dafür einzusetzen, dass es den Menschen um mich herum besser geht - oder ihnen auf dem Weg dorthin wenigstens nicht im Weg zu stehen, für andere da zu sein, wenn sie mich wirklich brauchen, aber auch kritisch darüber zu reflektieren, wann sie sich das nur einbilden, keine Drogen zu nehmen... Das ist, was ich sein will und anstrebe. Und diese Richtlinien und Prinzipien erhalten immer mehr Klarheit und Festigkeit, es fällt mir in vielen Fällen zunehmend leichter, sie zu verwirklichen.
Trotzdem ist das alles nicht deckungsgleich mit dem, was ich als "Ich" bezeichne.

Ich habe also kein inneres festes Bild von mir selbst. Keine Vorlage von mir, an die ich mich in meinem Verhalten anpasse. Ich tue, wonach ich mich gerade fühle. Dass ich dabei, mit diesem scheinbar doch relativ einzigartigen Konzept - oder Mangel an Konzept - von einem "Ich" Erfolg erziele, dass ich mich weiterentwickle und zunehmend wohler mit mir und meinen Handlungen fühle, mir Anerkennung verdiene und Selbstständigkeit erarbeite, ist für mich... Richtig.


So, nun muss ich aber zum HNO-Termin. Auf dem Weg dahin rufe ich das Amt an - dank meines selbst organisierten neuen Vertrages ja kein Problem.
Hey Möhrchen. Ich kann dich immer besser leiden. ;3


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