Zum Inhalt der Seite



Der Straßenkehrer

Autor:  PsychoToad
Düdeldü, eine Kurzgeschichte von mir:

Till war Straßenkehrer und in seinem ganzen Leben nie etwas anderes gewesen. Jeden Morgen wenn er aufstand nahm er als erstes die unmodische, alte Brille zu Hand und blickte hinaus auf die Straße. Und jeden morgen fluchte er darüber, was sich im Laufe der Nacht wieder an Dreck angesammelt hatte. Dieser Ablauf blicken-fluchen war ebenso Bestandteil seines allmorgendlichen Rituals wie der Kaffee den er zwar schwarz trank, aber in den er jeden Morgen das trockene Schwarzbrot vom Vorabend einbrockte und die Morgentoilette, die aus kaltem Wasser das er sich ins Gesicht klatschte sowie Not dürfigem Zähneputzen bestand. Eine anschließende Mundspülung führte er seit jeher mit dem hochprozentigen Kräuterschnaps vom alten Eibner, der 2 Häuser weiter wohnte, durch. Danach trat er vor die Haustüre, würdigte den Briefkasten im Vorbeigehen keines Blickes, da dieser sowieso selten etwas anderes als Spinnweben für ihn bereithielt und griff zum Besen. Es war etwa fünf Uhr in der früh und außer einigen Fabrikarbeitern die sich auf den Weg zu Frühschicht machten und arbeitenden Frauen, die vor Arbeitsbegin noch schnell das Frühstück für die Kinder beim Bäcker holten, war weit und breit niemand zu sehen. Till kehrte die ganze Luisenstraße von der Ecke Mangoldgasse bis hin zu großen Kreuzung, die den Übergang zwischen ihrem Proletarischen Viertel und dem kleinbürgerlichen Stadtkern markierte, eine Strecke von insgesamt etwa 300 Metern. Da er die Straße jeden Tag von Unrat säuberte, stellte diese Strecke für ihn trotz seiner körperlichen Beschwerden kein Problem dar. Seit er aus dem Krieg, mit von Granatsplittern durchbohrten Beinen zurückgekehrt war und man ihn für Arbeitsunfähig erklärt hatte, kehrte er, als Ausgleich für die Invalidenrente die er erhielt, jeden Tag humpelnd und fluchend die Luisenstraße. Früh um sieben kam zum ersten mal Leben in die Straße, als die Hausfrauen ihre Tageseinkäufe beim Bäcker Metzger und im Gemischtwarenladen taten. Gegen 8 Uhr wurde es wegen den Schulkindern so hektisch, das Till fluchend und auf die Jugend von heute schimpfen, seine Tätigkeit unterbrechen musste und er auf einer Bank platznahm. Sowieso schimpfte Till gerne, auf alles und jeden, am liebsten aber auf seinen alten, abgenutzten Reisigbesen, der ihm das Tagewerk schwer machte und der ihm üble Rückenschmerzen verschaffte. Nach 11 Uhr war die Straße wie leergefegt und das obwohl Till gerade einmal die halbe Strecke geschafft hatte. Um Punkt 12 Uhr, als er wie jeden Tag bei haus nummer 14a angekommen war, machte er Mittag. Dazu holte er sich beim Bäcker ein Brötchen und lies dieses beim Metzer mit Schinken belegen. Wie immer schimpfte er auf Gott, die Welt und seinen alten Besen, wenn auch nur um ins Gespräch zu kommen. Hierbei erfuhr er alle wichtigen Nachrichten im und ums Viertel. Außerdem las er beim Bäcker die Schlagzeile der Zeitung, doch meist hatte er sie beim Verlassen des Ladens schon wieder vergessen. Ihn kümmerte nicht, was irgendwelche Politiker untereinander für Machtspielchen trieben und es interessiert ihn kein bisschen, ob irgendwo ein Kreuzfahrtschiff sank. Gegen 17 Uhr am Nachtmittag, war er am Ende der Straße angelangt, wo er sich im Gemischtwarenladen die Zutaten für sein Abendessen zusammensuchte und erzählte, wie gut doch ein neuer Besen wäre, doch das er sich mit seiner Rente nur seinen alten, kaputten leisten könne. Dann ging er nach Hause und stellte seinen Besen an die Hausecke. Nach dem Abendessen saß er oft noch in seiner Wohnung und dachte darüber nach, wie das Leben wohl sei, wenn er kein Straßenkehrer wäre, doch ihm fielen, weil er von seiner Arbeit müde war, bald die Augen zu. Wann immer er dann wieder erwachte, sprach er sein Nachtgebet und legte sich in sein Bett.
So verbrachte er jeden Tag, bis auf einmal, als er, beim Griff zu seinem Besen stutzte. Wo er gestern Abend sein altes kehrgerät hingestellt hatte, stand nun ein neuer Reisigbesen. Auf einer Karte stand: Von allen Bewohnern der Luisenstraße, zum Dank für Ordnung und Sauberkeit. Till war gerührt und machte sich froh pfeifen statt fluchend ans Werk. Bei jedem Anwohner den er sah, bedanke er sich herzlich und er wünschte den Schulkindern zum ersten Mal einen guten Morgen, so dass diese gar nicht wussten wie ihnen geschah. An diesem Tag war er bereits um 13 Uhr mit seinem Tagwerk fertig, so dass er vergnügt nach Hause ging und längst überfällige Reparaturen erledigte. Bereits am übernächsten Tag ging ihm der Gesprächsstoff aus, da er sich längst beim ganzen Viertel bedankt hatte und er nun auch nicht mehr schimpfen wollte. Am Ende der Woche war aus seiner Baracke wieder ein recht ansehnliches Häuschen geworden. Alle Leute sprachen darüber wie gut es dem Till nun ging und wenn man ihn sah, wie er vor dem Fenster saß und nachdachte, war man sich einig, ein gutes Werk getan zu haben. 2 Wochen nachdem Till den neuen Besen bekommen hatte, kehrte er zum ersten mal nicht die Straße, es gab auch kein Fleckchen mehr, dass er hätte säubern können und so sagten die Leute sich, das er sich nach all den Jahren, eine Auszeit wohl verdient hätte. Später fand man ihn, er hatte sich zuhause am Dachbalken erhängt.


Zum Weblog