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Aus der Romantik der Wissenschaft Chemie, Slash, Wissenschaft

Autor:  Major
Wie ist es eigentlich, ein neues Molekül zu finden?

Wie ist es, das selber hergestellt zu haben?

Wie ist dieses Gefühl?



Die Chemie ist noch lange lange nicht "fertig", täglich werden neue Stoffe hergestellt, die man dann untersuchen muss oder kann oder sollte...

Aber wie ist das eigentlich? Hat sich das schonmal jemand gefragt? Ich bin in meinem Studium leider nie dazu gekommen, darüber nachzudenken. Erst jetzt postwendend, wo ich das "hinter mir" und hoffentlich noch sehr viel vor mir habe, da weiß ich es.

Wie stellt Galileo das da? EXPLOSION! Es raucht, bunte Flüssigkeiten blubbern, ein älterer Mann mit krausem Haar hält einen Glaskolben hoch und ruft "Es ist vollbracht! Elisabeth, mach ein Foto! Es ist vollbracht!" Eine junge gutaussehende Frau in kurzem Rock, japanischen Seidenstrümpfen und Stöckelschuhen kommt mit einer Polaroid ins Labor gestürmt und macht ein Foto von ihrem Vater und seinem bunten Glaskolben. Sie umarmt ihn und gratuliert ihm. Natürlich würdigt sie des Kolbens keines Blickes, denn Frauen verstehen von so etwas nichts.

Nein, es ist nicht wie in Steampunkdarstellungen. Es ist ganz anders.

Eine junge, nicht gut aussehende Frau in Jeans mit Löchern und zerrunschten Schuhen sitzt fälschlicherweise vor dem Abzug, den Ellbogen im Abzug auf die Tischplatte gestützt und schaut gelangweilt die Schutzgasdestillation an. Die erste Ladung ist bereits überdestilliert und nun heizt sie höher, minutenlang auf genau einen Teil der Glasapparatur starrend, um den ersten Tropfen kondensieren zu sehen. Nach 20°C mehr ist er endlich da! Der Vorlagekolben destilliert vollständig in den zweiten Auffangkolben. Aber was passiert da? Das Innenraumthermometer verkrustet mit einem farblosen Zeug, das halb durchsichtig erscheint. Quecksilberchlorid? Dies war der brisante Stoff ein paar Reaktionsstufen vorher, weswegen sie sogar Ärger mit ihrem Doktorvater bekam. Sie war sich sicher, so oft gewaschen zu haben, dass er raus war. Und wenn er doch drin war, dann doch nicht in solchen Mengen, wie er jetzt am Thermometer klebte!
Sie ließ die Destillationsapparatur abkühlen, baute im Gasgegenstrom die beiden flüssigen Fraktionen ab und zog sich dann zwei Paar Handschuhe an. Der Kittel wurde bis oben hin zu gemacht und die Apparatur und das verkrustete Thermometer hinausgezogen. "Erinnere dich ans zweite Semester!", murmelte sie, denn dort machte sie analytische Nachweise, unter anderem auch auf Quecksilberionen, die sie am Thermometer vermutete. Mit Wasser spülte sie die Kruste in ein Becherglas und machte die Nachweise. Quecksilberiodid sollte es werden, ein sagenhaft strahlender orangeroter Stoff, der nicht übersehbar ist. Jedoch geschah ein gravierender Fehler, die Säure war zu konzentriert und das Iod fiel elementar aus - alles schwarz. 
Penibelst wurde sauber gemacht und die beiden flüssigen Fraktionen im Magnetresonanzspektrometer untersucht. Ernüchterung. Beide Fraktionen enthielten das gleiche Stoffgemisch. Idee hinter dem ganzen war, die beiden Stoffe, die unterschiedliche Siedepunkte haben, destillativ voneinander zu trennen, denn als Gemisch ist es unbrauchbar. 
Die erste Fraktion wurde wieder rückreagiert, die zweite verärgert in die Ecke gestellt. Die zweite Fraktion war sehr klein und war die hochsiedende, außerdem müsste man sie umständlich umfüllen, dazu war jetzt keine Zeit. Das Ende der Masterarbeit kam immer näher und alles, was bisher geklappt hatte, war Glasgeräte zu verdrecken und Unfälle mit Quecksilberchlorid zu bauen.

Tage vergingen. Monate vergingen. Irgendwann konnte der gesuchte Stoff, den diverse Japaner schon lange vorher hinbekommen haben, auch in deutschen Kolben gewonnen und eingesetzt werden. Die Reaktion auf dem Weg zur Zielgeraden der Masterarbeit lief, da konnte ein wenig Ordnung geschaffen werden. Die Ecken wurden ausgekehrt doch was war das? In dem Kolben der zweiten Fraktion waren viele, große, dicke, farblose Kristalle! Die beiden Stoffe, die darin sein sollten, sind Flüsskeiten, das musste also ein dritter Stoff sein. Das Quecksilberchlorid vom Thermometer? Ein Reaktionsprodukt aus dem Quecksilberchlorid?
Die Gunst der Stunde wollte genutzt werden und so wurde der Tag beim Kristallographen verbracht.
"Nein, also was da drin sein wird, das ist Kohlenstoff. Also als Butylgruppe. Und Quecksilber, schau auf jeden Fall nach Quecksilber! Und Germanium. Das ist drin."

Stundenlang durfte ich mir anhören, dass Quecksilberverbindungen gefährlich sind und die eine Professorin am Gebrauch von Dimethylquecksilber gestorben ist. Weiß ich doch alles. Aber der Kristallograph redet gerne und misst den Kristall nur, wenn man ihm Recht gibt. Wenn er einem nicht gerade das Verfahren der Röntgenbeugung erklärt, ist das meistens auch sehr unterhaltsam, also nicht schlimm.

Ich ließ den Kristall bei ihm und hörte einige Tage nichts mehr davon. Der Chef wird bestimmt sauer, wenn er die Quecksilberatome in der Strukturlösung sieht, die da raus kommt. Aber dann war der Tag der Tage gekommen, plötzlich stand der Kristallograph im Raum und meinte
"Da stimmt etwas nicht, ich bekomm die Struktur nicht gelöst. Ich finde keine Butylgruppen und da ist auch kein Quecksilber. Und Germanium ist da auch nicht. Was hast du da rein getan? War das Silizium oder Aluminium oder war das Phosphor?"
Er zeigte mir eine komplizierte Struktur, überall Bällchen und Striche. Was war da geschehen? Wer hatte etwas falsch gemacht? Ich holte mein Laborjournal heraus und erklärte ihm jeden Einzelschritt. Plötzlich rief er "Aluminium!" und rannte davon. 
Verwirrt schaute ich ihm nach. Und ein bisschen deprimiert, denn weder Germanium noch Quecksilber waren dabei. Was auch immer da geschehen war.

Einen Tag später war er dann wieder da mit der gelösten Struktur. "Ja, es war Aluminium, jetzt passt alles!" und mir wurde klar, was passiert war... ich hatte unsauber gearbeitet, mir war das ganze Fett in den Kolben gelaufen und ich hatte diverse Salze nicht richtig entfernt. Und dann reagierte das Fett plötzlich mit meinem Salzmüll, destillierte rüber und kristallisierte aus.
Als mein Chef den Ausdruck der Struktur sah, lachte er und meinte "Jetzt müssen Sie das nur noch reproduzieren" und ging wieder. Er nahm die Struktur nicht ernst, weil sie so komisch ist. Mich gedoch verärgerte sie fast ein bisschen, denn sie gehörte nicht zu meinem Thema, sie war reine Zeitverschwendung! Und sie ist Zeuge meiner Unfähigkeit!



Ungefähr ein Jahr ist das her. Inzwischen arbeite ich fieberhaft daran, Müll zusammen zu kochen, um das Zeug noch einmal im Kolben zu haben. Um es zu reproduzieren, um etwas vollkommen fachfremdes zu haben, um Aluminiumchemie zu machen! Aluminium ist nicht meine Gruppe, das macht es so spannend. Ich kippe extra Fett in den Kolben, ich kippe Aluminiumverbindungen dazu, bisher verzichte ich aber auf Quecksilberreagenzien. Und dann wird gekocht. Danach wird sublimiert, um die Kruste wieder zu kriegen. Aber bisher war nichts. "fehlgeschlagen" steht in meinem Laborjournal. Fehlgeschlagen? Ich schaute in meinen Kolben....... KRISTALLE!
Whooohooo! Kristallekristallekirstalle! Mitten im übrig gebliebenen Fett!
Sie sehen ganz anders aus. Die ersten waren mehr so Fünfecke, diese sind Kreuze, ganz fein. Aber ich bin trotzdem gespannt, was es ist. Und ich werde nicht aufgeben! Ich will dieses Molekül wieder haben! Diesmal sehe ich es als Freude an und nicht als Zeuge meiner Dreckigkeit. 



"Dann machen Sie mal, das kann man gut veröffentlichen. Und dann bekommen Sie auch ein Sternchen." - "Ein Sternchen? So wie damals im Kindergarten? Wenn man einen Tag lang kein Schimpfwort sagte, bekam man ein Sternchen und bei ganz vielen Sternchen gabs ein Spielzeug." - "Genau. Nur dass Sie mit ganz vielen dieser Sternchen eine Professur bekommen."


....... Actinidenmetallorganik, ich komme! *Müll kochen geh mit Fett zusammen*

Datum: 27.10.2012 06:30
Du musst unbedingt in allen möglichen Einzelheiten und mit genauer Abfolge jedes Schrittes beschreiben, was du da gemacht hast. *bei der Kristallzufallssuche mithelfen will* Wenn du das aufgrund Patentschutz nicht öffentlich darfst, mach's halt per ENS. (*gerne eine Geheimhaltungsverpflichtung dafür unterschreibt, wenn's notwendig ist*) Das L. braucht nämlich nach dieser ganzen Anime/Manga-Verbots-Sache mal eine kleine juristische Auszeit und etwas sinnvolle Chaoschemie, die vielleicht sogar noch die Forschung voran bringt, wäre dafür natürlich genial^^

Warum ist Quecksilber(II)Iodid sehr giftig, wenn es doch nahezu unlöslich in Wasser ist und die giftigen Hg2+ Ionen nicht frei rumfleuchen dürften? HgS hat ja als unlösliches Hg-Salz gar kein Gefahrenkennzeichen...

Und warum hast du Ärger mit dem HgCl2 bekommen? Du hast das doch nicht etwas irgendwohin gekleckrt, oder^^

Was Galileo angeht, kann man eigentlich nur noch sagen, dass RTL die ganze Sache noch blöder kann: http://rtl2now.rtl2.de/die-zollfahnder-hart-an-der-grenze/bombenbau.php?container_id=101291&player=1&season=1 (Falls du's mehr als eine Minute aushältst... Der Wettbewerb zum Erkennen der meisten Chemie und Jusfehler in dem Dingens läuft noch^^)

Übrigens, weil wir's gerade von Kristallen haben. Aus dem Dingens von der Thiocynanatreihe, das m.E noch immer Kupersulfitlösung sein muss, sind mittlerweile wunderschöne orange-braune Kristalle ausgefallen^^ Willst du Bilder davon haben?

*etwas noch nicht verstanden hat* Du schreibst oben von „Doktorvater“, dann aber weiter von „Masterarbeit“. Na wass den nu? Wo stehst du wissenschaftlich gesehen? Vor dem Doktorat, mittendrin oder schon fertig?
"Nicht jedes seltsame Verhalten ist auf sexuellen Missbrauch zurückzuführen" (Zürcher Kantonspolizist)
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I refuse to testify…
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Datum: 27.10.2012 13:37
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Datum: 27.10.2012 16:49
Ich studiere jetzt auch gezwungenermaßen Chemie und werde versuchen, das alles im Laufe meines Lebens nachzuvollziehen.
Ich schätze, ich werde scheitern... :')
"' __________
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This is Nudelholz. Copy Nudelholz in your Signature to make better Kuchens and other Teigprodukte
by Zwergvampir
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Datum: 27.10.2012 18:49
also die Zollfahnder sind mir sympathisch.

Ich hab auch so eine große Modelleisenbahn
in meinem Seminarraum, um mit Feuerwehrautos zu spielen,
wenn mal keiner kommt.

Die Serie ist aber politisch völlig inkorrekt.
Die haben zwar eine Frau (nur eine?!) aber
keinen Quoten-Schwarzen.

Und diese Warteszenen sind völlig unrealistisch.
Aber ok, das ewige Internet-Pornogucken
in dem dunklen Van können die natürlich nicht zeigen.
Im Fernsehrat sitzen ja noch Kirchenvertreter.

Das Hauptquartier der "Terroristen" ist eine Kellerbar
voller Schnapsflaschen, und auf dem Wohnzimmertisch
steht literweise Alkohol. Kommentar
Zollfahnderin: "Das hat mit Chemikalien nichts zu tun!"

unten: "typisches Jugendzimmer. Klamotten, Alkoholflaschen,
nackte Frau an der Wand, Gewehrgranaten..."

und selbst an Fanservice für die Hausfrau hat man gedacht.
ZUFÄLLIG stehen alle Modellathleten-Zöllner
der "ZUZ" mit nacktem Oberkörper in der Umkleide,
als der Einsatzbefehl kommt... LOL

OMG.
Die "Jugendlichen" sehen aus wie Ende 20 --
und haben immer noch kein Abitur?
Beim Verhör im Wald: Zollfahnder eindringlich
zum Täter: "welche Schule, welche Schule, welche Schule??"
die Eltern stehen daneben... die wissen natürlich NICHT,
auf welche Schule ihr Sohn geht... ?

Team 1 auf der Suche nach der Theatergruppe:
"Wir sind in der 1. Etage. Hier sind mehrere Räumlichkeiten."
Ach.

Damit dürfte die Zielgruppe der Serie klar sein :D


hier statt RTL noch was Erbauliches für unsere Kristallfreunde!

http://8.asset.soup.io/asset/3800/4488_84ef.jpeg
"Safe? No you aren't safe. There are a billion things out there ready to burn your whole world, but if you want to think you are safe just so you can sleep at night, then you're safe, but not really."- The Doctor


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