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Kellnerstories - der schlimmste Job der Welt. Alltag, Job, Kellner

Autor:  Ladeniel
Heyho und willkommen zur Wiederaufnahme eines echt uralt gewordenen Blogs. (Für Interessierte: Supercat und Miso sind immer noch da und erfreuen sich des Lebens.)

Ich möchte an dieser Stelle gerne ein bisschen über meinen Job als Kellnerin reden. Der Titel des Blogs ist irreführend und im Grund nur Clickbait - ich liebe diesen Job, er ist der beste Job der Welt.

Kurze Chronik: Ich habe zweieinhalb Jahre in einer kleinen Kneipe Teilzeit gearbeitet, sechs Monate Vollzeit in einem großen Restaurant und nun arbeite ich wieder Teilzeit in einer Bar.

Der Inhalt dieser Blogreihe wird sich wie folgt aufbauen: Ich erkläre einenTeil des Lebens als Kellner, gehe auf meine Meinung dazu ein und gebe daraufhin ein paar Anekdote dazu zum Besten.

Heute: Trinkgeld

Trinkgeld ist bekannterweise das, was Servicekräfte (= richtiger Name für Kellner*innen) über den Preis der Rechnung hinaus bekommen, sei es für ihren Service, das Essen und/oder andere Attribute. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie das Trinkgeld am Ende des Tages geteilt wird, sei es, durch die Anzahl der arbeitenden Personen, nach einem bestimmten Prozentsatz oder es ist so, dass ein bestimmter Betrag abgezogen wird, der danach an Küche, Bar und Spüle verteilt wird. So oder so ist es aber sicher, dass alle arbeitenden Personen sich an Trinkgeld erfreuen.

Meine Meinung dazu
Zu allererst: Wenn du mir kein Trinkgeld gibst, halte ich dich nicht für einen schlechten Menschen.
Es gibt Leute, die kein Trinkgeld geben. Wenn du nicht viel Geld hast, gibst du kein Trinkgeld. Das ist vollkommen okay, weil ich nicht die Meinung vertrete, dass du etwas geben musst, um mir zu beweisen, dass du dir auswärts Essen/Trinken leisten kannst. Ich sehe auf der Arbeit oft junge Leute, die womöglich noch in die Schule gehen, sich zu viert eine Pizza teilen und am Ende passend zahlen. Kein Problem.

Es gibt kulturelle Unterschiede. Wenn du aus einem Land kommst, in dem es als unhöflich gilt, Trinkgeld zu geben, werde ich dich dafür nicht abwerten, wenn du keins gibst.

Wenn du mir kein Trinkgeld geben möchtest, weil dein Essen nicht geschmeckt hat oder dein Getränk nicht so war, wie du es erwartet hast, finde ich das zwar unangenehm, weil ich weder das eine noch das andere zubereitet habe (ich bin Kellnerin) und weil ich dich bei beidem kurze Zeit später gefragt habe, ob alles in Ordnung ist und du mir in jedem Fall hättest mitteilen können, was dir missfällt, aber ich denke mir, dass du dein Unwohlsein in mangelndem Trinkgeld ausdrückst und das ist eigentlich nachvollziehbar.

In diesen Fällen gilt für mich: Das machen relativ wenige Leute. Außerdem bekomme ich meinen Lohn unahängig vom Trinkgeld und anders als in den USA muss ich glücklicherweise nicht auf Trinkgeld hoffen, sondern kann das als Bonus werten. (Das trifft nicht auf alle meine Kollegen zu, einige setzen in puncto Lebensführung tatsächlich auf Trinkgeld. Ich will nicht für alle sprechen.)


Anekdoten

Nummer Eins:

(ich komme an einen Tisch, der die Rechnung verlangt hat)
Ich: Sie möchten bezahlen... (lege die getrennten Rechnungen vor den Leuten hin)
Gäste 1+2: (bezahlen die Rechnungen mit Trinkgeld)
Ich: Vielen Dank, dankeschön.
Gast 3: (hat mich schon den ganzen Abend mehrfach unter Beschlag nehmen wollen und mir einige "grenzwertige" Komplimente gemacht) Okay, dann hätte ich noch gern deine Nummer.
Ich: Das ist leider nicht möglich. (lächle und halte meinen beringten Finger in die Höhe)
Gast 3: Aber ich war den ganzen Abend so nett zu dir.
Ich: Aber ich bin trotzdem... verlobt.*
Gast 1: Du hast sie doch gehört, sie will dir ihre Nummer nicht geben!
Gast 2: Jetzt lass sie doch, bezahl einfach!
Gast 3: Ja, okay. Ich brauch noch etwas.
Ich: Dann komme ich einfach in ein paar Minuten nochmal vorbei, okay?
Gast 1: Das wäre sehr lieb, danke!
...
Ich: So, seid ihr soweit?
Gast 3: Ja, hier. (bezahlt abgezählt passend)
Ich: Vielen Dank!
Gast 3: Das wäre nicht so passiert, wenn ich deine Nummer bekomme hätte. (lächelt und zieht die Augenbrauen hoch)
Ich: Das ist vollkommen in Ordnung, ich wünsche noch einen schönen Abend!


*[Anmerkung: Ich bin nicht verlobt, trage aber einen Ring von meinem Freund, den ich gelegentlich als Verlobungsring verkauft habe. Ich Nachhinein würde ich das nicht mehr tun, weil ich denke, dass ich es begründen kann, warum ich meine Nummer niemandem geben will, auch ohne meinen Freund vorschieben zu müssen.]


Nummer Zwei:

Ich: (komme an einen Tisch der die Rechnung verlangt hat uund lege die Gesamtrechnung hin, die Unterhaltung findet komplett auf Englisch statt)
Gast 1 (asiatischer Herkunft): Ich bezahle! (bezahlt passend)
Ich: Vielen Dank, ich wünsche noch einen schönen Abend!
Gast 1: Danke, ebenso!
...
Gast 1 und Gast 2 unterhalten sich angeregt.
...
Gast 1: (ruft mich zum Tisch zurück) Entschuldige Sie vielmals, mein Freund hier hat mir gerade gesagt, dass es bei Ihnen in Deutschland Sitte ist, Trinkgeld zu geben. Ich komme aus Korea, dort ist es eine Beleidigung, mehr Geld zu geben, als auf der Rechnung ausgeschrieben. (legt einen Haufen deutscher Münzen auf den Tisch). Bitte, nehmen Sie sich, was Ihnen zusteht.
Ich: Also, Sie müssen nichts geben, das ist kein Problem...
Gast 1: Aber ich möchte das gerne, wie viel gibt man denn so?
Gast 2: Man gibt etwa 10 Prozent.
Gast 1: (sucht 10 Prozent aus den Münzen heraus und gibt noch einmal 10 Prozent extra) Es tut mir sehr leid, bei uns ist das sehr anders!
Ich: Das ist sehr freundlich, vielen Dank, ich wünsche Ihnen alles Gute!


Nummer Drei:

(Ich habe mich mit dem Gast ein wenig unterhalten, weil er nach einer abendlichen Anlaufstelle gesucht hatte, in der er ein wenig Musik höen könnte. Er hat mir einige Komplimente gemacht, jedoch ohne aufdringlich oder unangenehm zu werden)
Gast 1: (kommt direkt von der Toilette zum Tresen und sieht mich) Oh, ich würde gerne zahlen, bitte!
Ich: (gebe ihm die Rechnung) Das sind 5,90 bitte.
Gast 1: (sucht in seinem Portemonnaie, sucht dann in seinen Taschen) Oh... oh, das tut mir leid... (gibt mir 6,50 in teilweise Rotgeld)
Ich: Das ist doch gar kein Problem, vielen Dank.
Gast 1: (sichtlich beschämt) Du denkst jetzt bestimmt, ja, erst labert der und dann...
Ich: Ach was, ist doch alles gut, dankeschön! Ich wünsch dir noch einen schönen Abend!

---

Das waren also meine Ansicht zu Trinkgeld und drei wahre Episoden aus meinem Kellnerleben... letztendlich kann ich nur sagen: Unabhängig davon, wie viel Trinkgeld ich bekomme - es ist jedesmal cooler, wenn der jeweilige Gast einfach angenehm und freundlich ist. Einen unauffälligen und nicht anzüglichen Gast mag ich einfach viel lieber als jemanden, der mir blöde Sprüche drückt und daür einen Zehner da lässt . Wir sind Kellner*innen, wir bringen euch Getränke und nicht unsere Körper. Meine Kolleg*innen sehen das übrigens ähnlich. Wir dürfen nicht unfreundlich werden ohne wirklich hart konkreten Grund - aber das heißt nicht, dass wir Anzüglichkeiten gerne hinnehmen, weil am Ende vielleicht wa für uns herausspringt.

An alle netten Gäste unter euch: Großes Shoutout, wir zehren jeden Tag von euch und ihr seid der Grund, warum nser Job immer noch der beste der Welt ist!

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Datum: 26.08.2016 08:17
oh, das sind interesssante und fuer mich lehrreiche Ansichten. Ich tue mich hier im Hotel (im Ausland) etwas schwer mit dem Trinkgeld, weil man mir sagt, hier sei das schon eingepreist, zudem bezahle ich ja eh erst wenn ich auschecke. Ich will aber, habe aber keinen Schimmer mit welcher Summe ich Wertschaetzung ausdruecke ohne einen auf dicke Hose zu machen.
Datum: 26.08.2016 12:37
So wie du das umschreibst, ist der Job nicht wirklich schlimm für dich, da du die Situationen, die du umschreibst gut gemeistert hast.
Ich könnte so etwas nicht.
Trinkgeld geben macht mich immer verlegen.
Ich bin nicht so gut in Mathe und kann aus dem Kopf raus keine 10Prozent geben.
Darum zahl ich meist in Scheinen und sag "stimmt so".
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Datum: 26.08.2016 18:48
Die Asiaten waren ja doch iwo putzig XD
Kenne das aber wenn man bei sowas noch sehr unsicher ist.
"Römisch, Lateinisch...das ist für mich alles Griechisch!"
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Datum: 26.08.2016 21:54
Das es in Asien wohl unüblich ist, Trinkgeld zu geben habe ich jetzt auch schon öfter gehört und selbst erlebt, deine Anekdote dazu ist aber wirklich süß :D

Auf der einen Seite find ich das eigentlich schön, weil einfach der generelle Zwang - egal ob man es gern macht/ungern oder es sich leisten kann - wegfällt, was 'dazu' geben zu müssen. Andererseits ist es aber natürlich auch echt schön, eine 'Belohnung' zu bekommen, einfach weil man nett war und der Service gepasst hat.

Ich kann dir aber in einem Punkt nur zustimmen: ich arbeite auch im Service (Spielhalle) und hab 100mal lieber einen netten Gast oder eine insgesamt angenehme Schicht als einen Berg von Trinkgeld. Bezahlt werde ich sowieso, ob mir jemand noch was zusätzlich gibt oder nicht. Von meinen Kollegen kann ich nur sagen, dass sie das ähnlich sehen.
Das einzige was wir da relativ unverschämt finden sind Gäste, die den Service über Gebühr beanspruchen (und damit meine ich vor allem auch außerhalb unserer Aufgabenfelder!) und sich dann nicht mal die Mühe machen, auch nur einen Euro dazulassen, weil sowas als selbstverständlich angesehen wird.


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Datum: 27.08.2016 10:27
Nummer 1:
Was erblödet der sich?!? Ich denke, ich hätte ihn zumindest drauf aufmerksam gemacht, dass KellnerInnen ihm "Getränke und nicht ihren Körper" bringen (was u.a. der Grund dafür sein mag, dass ich nicht mehr kellner - ein Job in dem ich nicht offen sagen darf, wenn jemand frech/unverschämt/... ist, weil er ja Kunde ist, den will ich nicht machen müssen. Denn das gipfelt, extrem ausgedrückt, doch wieder darin, dass sich Gäste durch das Zahlen von Geld Gefälligkeiten erwerben - und sei es nur das "Recht", sich wie offene Hose zu benehmen).

Eins noch, auch wenn du bereits drauf hingedeutet hast: Ich würde "Ich habe einen Freudn/bin verlobt/..." als Ausrede vermeiden, weil das bei Leuten das Bild durchsetzt, dass (ungehobeltes) Baggern bei Singles durchaus ok ist, dass die keinen triftigen Grudn haben "Nein!" zu sagen, und dass entsprechend ein "ich möchte einfach nicht!" als triftiger Grund nicht ernstgenommen wird.

Nummer 2:
Das ist ja mal eine süße Anekdote, so wünscht man sich die Gäste öfter. ^___^

Nummer 3:
Auch ein schönes Erlebnis - mir gefällt es generell total, wenn Leute sich und anderen gegenüber auch mal Unsicherheiten eingestehen können, und offen damit umgehen, ohne weinerlich oder unangenehm zu werden. Und wie du bereits sagtest, gab es an seinem Handeln ja überhaupt nichts verwerfliches.
And crawling, on the planet's face...
Some insects... called the human race...
Lost in time... And lost in space...
And meaning.
...meaning...
Datum: 28.08.2016 21:55
Ich habe mal als Gast eine Story erlebt, wo sich die Kellnerin ähnlich gut geschlagen hat wie du hier.
Das war zur Fasnet im Baden- Württemberg. d.h es war allgemein eine sehr "hochprozentige" Zeit.

Wir waren in einer Gruppe Pizza essen, einige am Tisch waren vom Alkoholgehalt aber schon jenseits von gut und böse.
Einer aus meiner Gruppe hat die ganze Zeit permanent aufdringlich die Kellnerin angebaggert, obwohl die offensichtlich kein Interesse hatte.
Aber er kapierte es einfach nicht.
Als er schlieslich zum wiederholten mal nach ihrem Namen fragte, antwortete sie ganz cool: "Nenn mich einfach Bedienung". Der ganze Tisch brach wegen der Abfuhr in schallendes Gelächter aus. Nur der unverbesserliche Flirter kapierte es nicht und erklärte, das das ein sehr schöner Name sei.


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