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Die Sonne scheint für alle

von

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XV.

 

Lucifer fühlt sich, als würde er geradezu dahinschmelzen. Urgh. Jetzt weiß er wieder, wieso er es nicht mag, wenn man ihm so durch die Haare fährt. Es fühlt sich auf Dauer einfach nur viel zu gut an. Und das ausgerechnet bei Mao! Er erinnert sich noch zu gut an dessen riesige Pranken, wie sich diese um seinen Kopf legten und Druck ausübten – nicht viel, gerade genug, um ihn daran zu erinnern, wer hier größer und stärker war.

Und jetzt sind es ausgerechnet diese Finger – wenn auch in einer kleineren Version – die so sanft durch seinen Skalp fahren und ihm ein angenehmes Schaudern über den Rücken jagen.

Ja, spinnt er denn total?

Hastig stemmt sich Lucifer in die Höhe – etwas zu schnell, denn ihm wird sofort schwindelig. Sofort sind Maos Hände da, die ihn halten und stützen und als ihm Mao dann einen Arm um die Schultern legt, wehrt sich Lucifer nicht, und läßt sich stattdessen ergeben gegen ihn sinken. Mao ist warm, seine Schultern sind breit und seine Arme stark und so sehr Lucifer es auch hasst – er fühlt sich in diesem Moment einfach nur sicher. Er weiß nicht, woher dieses Gefühl plötzlich kommt, denn das hier ist Mao (!!), aber es ist andererseits auch ein schmerzlich vermisstes Gefühl, etwas, wonach er sich sein ganzes Leben lang sehnte und das ihm immer versagt blieb.

Sein Hirn muss bei diesem Sturz wirklich mehr abbekommen haben als gedacht.

Mao seinerseits versucht ganz ruhig zu bleiben, ruhig und geduldig, während er wartet, bis sich Lucifer neben ihm in eine für ihn angenehme Position zurechtgerückt hat. Er vermisst das Gewicht seines Kopfes auf seinen Oberschenkeln, doch dasselbe Gewicht auf seiner Schulter und der sanfte Druck von einem warmen Körper, der sich an ihn presst, gefällt ihm sogar noch etwas besser. Wieviel Vertrauen auch immer zerstört war, es scheint noch genug vorhanden zu sein, damit sich Lucifer wie ein Kätzchen neben ihm zusammenrollt.

Ausgerechnet Lucifer, der distanzierteste Charakter, den er kennt.

Doch Mao wird sich nicht beschweren. Kein Ton kommt über seine Lippen, denn er will diesen kostbaren Moment nicht zerstören.

Das macht jemand anderes für ihn. Der Wind weht ein Poltern, gefolgt von einem unterdrückten Fluch zu ihnen hinüber.

Erschrocken schreckt Lucifer auf. „Ist das etwa...?“

„Ja“, seufzt Mao ergeben, während er sich widerwillig erhebt. Und Lucifer dann auffordernd die Hand entgegenhält. „Das war Emilia. So stolpert nur sie die Treppe hinauf.“

 

 

Man hört Emilias wütendes Gezeter schon von Weitem, aber so sehr er es auch versucht, kann Lucifer kein einziges Wort verstehen. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass ihre Stimme an seinen Nerven kratzt wie Fingernägel auf einer Schiefertafel und sein müdes Hirn da lieber abschaltet. Er folgt Mao so schnell wie er kann, als dieser die Treppe hochrennt und dabei immer zwei Stufen auf einmal nimmt. Lucifer hat keine Lust auf diese Begegnung, aber etwas in ihm drängt ihn zur Eile. Das Wissen, dass Alciel dieser Furie ganz allein gegenübersteht, erweckt etwas in ihm, das er schon sehr lange nicht mehr gespürt hat.

„Was ist hier los?“

Mit einem Ruck öffnet Mao die Tür zu Apartment 201.

Seine Stimme ist nicht besonders laut, aber von einer Schärfe und Autorität, die sogar Emilia mitten im Wort stocken läßt. Doch nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann hat sie sich wieder gefaßt.

„Was hier los ist? Dein Schoßhündchen hat Rika verletzt, das ist hier los!“

Ihr anklagend ausgestreckter Zeigefinger erdolcht eine Million unschuldiger Luftmoleküle, während sie auf Alciel deutet. Der steht ein paar Schritte von ihr entfernt, neben ihm liegt der Staubsauger und er trägt sein Bandana, wie er es sich immer beim Putzen angewöhnt hat, dazu seine grüne Schürze und hat die Fäuste in die Hüften gestemmt.

Er ähnelt wirklich jeden Tag mehr einer Hausfrau, stellt Lucifer bei diesem Anblick unwillkürlich fest.

Und obwohl ihn Emilias Auftauchen absolut überrumpelt hat, strahlt der blonde Dämon immer noch diese Ruhe und Kraft aus, die Lucifer an ihm so bewundert. Er ist kein geborener Häuptling, er wurde zu einem gemacht und dasselbe gilt für sein Dasein als General und egal, wie verunsichert er sich innerlich vielleicht gerade fühlen mag, lässt er nichts davon an die Oberfläche.

Lucifer spürt, wie diese kalte, stille Wut in ihm aufflackert und das Gefühl, sich schützend vor Alciel zu stellen, wird geradezu übermächtig.

Emilias laute Stimme bringt ihn wieder zurück ins Hier und Jetzt.

Er. Hasst. Sie. So. Sehr.

Bitch!

„Rika ist todunglücklich, weil dieser Baka keine Ahnung davon hat, wie man sich bei einem Date benimmt! Du kommst jetzt mit und bringst das wieder in Ordnung, kapiert?“

„Jetzt?“ will Mao ungläubig wissen, der mit zwei großen Schritten in den Raum getreten ist und allein dadurch Emilias Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat – vielleicht ist aber auch die Tatsache, dass er wieder teilweise seine Dämonengestalt annahm, nicht ganz unschuldig daran.

Nicht, dass sie sich durch die zwei Meter, die spitzen Ohren oder die Fangzähne und den anderthalb Hörnern einschüchtern läßt. Ganz im Gegenteil. Ihr langes, rotes Haar beginnt sich an den Wurzeln schon bedrohlich silbern zu färben - ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Heldin in ihr hervorbricht.

„Natürlich jetzt! Sofort! Oder denkt ihr, ich opfere meine Mittagspause aus Spaß?“

„Nun mal langsam, Emi...“, beginnt Mao in einer Mischung aus Drohung und Beschwichtigung, doch bevor er weiterreden kann, wird er von Lucifer unterbrochen.

„Ja, Emilia, ganz langsam.“ Betont gemächlich schlendert der gefallene Engel an ihr vorbei und bleibt genau zwischen ihr und Alciel stehen.

„Es ist nicht Alciels Schuld, wenn Rika sich etwas einbildet, sondern deine. Schließlich war das mit dem Date doch deine glorreiche Idee. Wieso willst du sie überhaupt so unbedingt verkuppeln? Was erhoffst du dir dadurch? Denkst du wirklich, Alciel würde die Seite unseres Königs jemals wegen einer Menschenfrau verlassen?“

„Lucifer...“

Sie zischt aufgebracht und macht einen großen Schritt auf ihn zu. Um sie herum wallt eine Aura Heiliger Energie auf, mit der besonders Lucifer unangenehme Erfahrungen gemacht hat. Der sengende Schmerz von ihrem aus genau dieser Energie bestehendem Schwert durchbohrt zu werden, ist ihm plötzlich wieder allgegenwärtig.

Lucifer wird um eine Nuance blasser, er weicht aber keinen Zentimeter zurück.

„Du bist eine Heuchlerin, Emilia Justina.“ Herausfordernd funkelt er sie an. „Spielst dich hier als Rikas besorgte Freundin auf und hast dabei doch alles andere als ihr Glück im Auge. Ein Dämon und ein Mensch? Mach dich nicht lächerlich. Du weißt, dass das überhaupt nicht funktionieren kann. Dämonen und Menschen sind völlig inkompatibel. Also spar dir diese Scharade und mach dich vom Acker.“

Emis rechte Hand zuckt zu ihrer linken Hüfte und plötzlich ist die Luft von einem weißen Schimmern erfüllt, ein strahlender Blitz und sie hält Betterhalf, ihr Heiliges Schwert zwischen ihren Fingern. Aber bevor sie damit zum Schlag ausholen kann, steht Mao zwischen ihr und Lucifer. Obwohl er sich immer noch auf seine zwei Meter große Form beschränkt, verströmt er plötzlich eine solche starke Aura dunkler Macht, dass die Heldin unwillkürlich eine Gänsehaut bekommt.

„Das reicht jetzt, Emi.“ Seine Stimme ist völlig ruhig und beherrscht, doch das Feuer in seinen rötlichen Augen ist eine deutliche Warnung. „Es ist besser, du gehst jetzt.“

Emi will zuschlagen, doch plötzlich ist es, als würde sich die Luft um ihren Schwertarm herum verdichten. Ihre Muskeln sind auf einmal wie gelähmt und Betterhalf scheint plötzlich so viel zu wiegen wie hundert Pferde.

Damit konfrontiert fällt ihre Wut flackernd in sich zusammen. Sie zögert, Betterhalf noch immer halb erhoben und mustert ihn aus zusammengekniffenen Augen.

„Irgend etwas ist anders an dir.“

Er legt den Kopf schief und kratzt sich an seinem abgebrochenen Horn. Dabei spielt um seine Lippen ein kleines, boshaftes Lächeln, nicht viel, aber genug, um seine spitzen Eckzähne gefährlich aufblitzen zu lassen.

„Oh, wirklich? Vielleicht mag ich es auch einfach nicht, wenn du meine Familie bedrohst?“

Sie schnaubt nur und konzentriert sich. Aber erst, als ihr Blick von Mao zu den beiden Dämonen hinter ihm schweift, sieht sie es. Lucifer steht noch immer einen Schritt hinter ihm und funkelt sie aus seinen violetten Augen böse an, die Hände auf Hüfthöhe, die Finger gespreizt, bereit, einen Zauber zu wirken und Ashiya hat sich inzwischen einen Fußbreit schräg vor ihn geschoben, den rechten Arm ausgestreckt, als wolle er Lucifer hinter sich schieben – oder ihn davon abhalten, anzugreifen. Auch Ashiya steht nun in seiner Dämonengestalt vor ihr und die Spitzen seines gegabelten Schwanzes zeigen drohend in ihre Richtung.

Und zwischen ihnen, zu ihren Füßen, wirbelt, wie feiner, goldglitzernder Rauch, eine Art von Energie, wie Emi sie noch nie gesehen oder gespürt hat. Sie scheint alle drei miteinander zu verbinden und Maos Magie zu verstärken.

Kommt ihr ihr heiliges Schwert deshalb plötzlich so unendlich schwer vor?

Hinter ihr ertönt plötzlich eine leise, sanfte Stimme.

„Emi-san, wieso bedrohst du diese Dämonen?“

Überrascht wirbelt die Angesprochene herum. Auf der Türschwelle steht Crestia Bell, heute in einen besonders schönen Kimono gekleidet und die Hände auf sehr japanische Art und Weise vor sich gefaltet.

„Suzuno... das ist doch wohl klar: weil sie Dämonen sind!“

Crestias ruhiger Blick wandert von einem zum anderen und dann wieder zu ihr zurück.

„Haben sie etwas angestellt?“

„Er …“, wütend zeigt sie mit ihrer freien Hand auf Ashiya. Zu gerne würde sie dafür ihre Schwertspitze benutzen, doch Betterhalf ist immer noch unendlich schwer. „Wegen ihm ist Rika total unglücklich! Er hat ihr das Date ruiniert!“

Crestia blinzelt einmal und legt dann den Kopf etwas schräg, während sie darüber nachdenkt.

„Oh …“, meint sie schließlich gedehnt, „das Date.“

„Ja, genau, das Date. Dafür verlange ich, dass er sich bei Rika entschuldigt.“

„Aber Emi, es war nicht dein Date. Diesen Kampf muss Rika austragen, nicht du.“ Crestias ruhige, weise Worte wirken auf Emilia wie ein Eimer kaltes Wasser.

„Außerdem“, fährt Crestia tadelnd fort, „ist Rika ein Mensch dieser Erde. Du solltest sie nicht in unsere Angelegenheiten mit hineinziehen. Und … du solltest niemals jemanden gegen seinen Willen verkuppeln wollen, schon gar nicht, wenn einer der Betroffenen sein Herz schon einem anderen geschenkt hat.“

„Huh? Aber...“ sie begegnet Crestias ernstem Blick und plötzlich fällt es ihr wie Schuppen von den Haaren. Ungläubig reißt sie die Augen auf.

„Oh“, macht sie leise und verstört und wiederholt dann etwas lauter: „Oh.

Und dann schämt sie sich, dass sie das überhaupt in Betracht zieht, aber Crestia hat es gesagt. Und sie irrt sich in solchen Dingen nie. Also Mao und Ashiya? Huh, sowas dachte sie sich ja schon immer. Emilias Wangen färben sich zu einem adretten Pink und für einen Moment huscht ihr Blick zwischen den drei Dämonen hin und her.

„Urg“, macht sie dann, wirbelt sie– noch eine Nuance röter – auf dem Absatz um und stiefelt zur Tür. Als sie auf Crestias Höhe ist, dreht sie sich noch einmal um und deutet wieder drohend mit dem Zeigefinger auf Ashiya.

„Du entschuldigst dich trotzdem bei Rika, kapiert?“

Mit diesen Worten rauscht sie davon. Erst, als das Klappern ihrer hohen Absätze auf der Außentreppe verklungen ist, geht so etwas wie ein erleichtertes, kollektives Aufatmen durch den Raum.

„Es tut mir leid, wenn wir dich gestört haben, Suzuno“, entschuldigt sich der Dämonenkönig bei ihrer Nachbarin, während er wieder in seine Menschengestalt zurückkehrt.

„Das ist schon in Ordnung, Mao. Das war nicht eure Schuld. Lucifer – du hast Nasenbluten.“

„Was?“ Verdutzt hebt Lucifer die Finger seiner linken Hand unter seine Nase und starrt dann auf seine rotglänzenden Fingerspitzen. „Oh, verdammt.“

Ashiya gibt einen entsetzten Schrei von sich, ist mit einem großen Schritt am Kühlschrank, reißt ihn auf und kommt dann mit einem Kühlbeutel zu ihm zurück. Mao hat Lucifer inzwischen sanft dazu genötigt, sich hinzusetzen.

„Kopf senken“, befiehlt Ashiya, während er den Kühlbeutel in Lucifers Nacken presst.

Crestia beobachtet die zwei noch eine Weile, wie sie wie aufgeregte Mutterhennen um Lucifer herumwuseln, lächelt wissend und geht dann wieder zurück in ihre Wohnung.

 

 



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