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Requiem

Teil Drei der BtB Serie
von

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A comrade - a friend - left behind

Zahnräder innerhalb von Zahnrädern. Wände innerhalb von Wänden. Er stand bewegungslos und gestählt da; im Zentrum eines Ödlandes. Hier existierte nichts. Nichts zu gewinnen, nichts zu verlieren. Kein Gesicht, keine Seele, kein Name. 

 

Die Stimme des Souveräns war an seinem Ohr: „Kaika? Das ist nicht dein richtiger Name, nicht wahr? Dein richtiger Name steht auf der Liste der Proktoren…aber die Frage ist doch, welcher der Konoha Köter du bist?“

 

Stille.

 

Der Souverän schnalzte mit der Zunge. „Glaub bloß nicht, dass du mich täuschen kannst. Hier drin geht es nicht um Strategie. Das kommt erst später, zusammen mit dem Spielbrett. Es ist, wie ich es dem Jungen gesagt habe. Als erstes brauchen wir die Bestie. Als erstes brauchen wir das Tier. Verstehst du?“

 

Kaika hielt seinen Blick nach innen gerichtet, konzentrierte sich auf die Zahnräder, die Wände, das Ödland des Fühlens…fühlte nichts, sagte nichts, verriet nichts. 

 

Nichts. Nichts. Nichts. 

 

Der Souverän strich mit einer Hand über Kaikas nackten Bauch, umkreiste den Nabel mit einem krallenbewährten Finger, bis Blut hervor trat und zu tropfen begann. „Nein. Du verstehst es nicht. Alles, was ihr Köter wisst, ist, was man euch sagt. Mein kleiner Schattenninja hingegen, er weiß etwas, das du nicht weißt. Er weiß, dass dir die Optionen ausgegangen sind. Dir ist das Glück ausgegangen. Dir ist der Bezug verloren gegangen.“

 

„Und dir ist dein verfickter Verstand verloren gegangen.“

 

„Ha! Es wirkt mit Sicherheit so, nicht wahr? Für einundzwanzig Jahre eingesperrt zu sein reicht aus, um selbst den vernünftigsten Mann verrückt werden zu lassen. Aber ich fühle mich gerade überhaupt nicht verrückt. Was ist mit dir? Lass uns doch mal Therapeuten spielen. Wie fühlst du dich hierbei?“

 

Nichts. Nichts. Nichts. 

 

Ein gerinnendes Knurren von irgendwo hinter ihm und tief in einer Kehle; wie von einer Krankheit erstickt und nicht wirklich menschlich, nicht wirklich animalisch. Nicht wie irgendetwas, auf das Kaika jemals in seinem Leben vorbereitet gewesen war. 

 

Es spielte keine Rolle. 

 

Nichts spielte eine Rolle außer sein Schweigen. 

 

Er ließ sein ‚Fühlen‘ mit diesen Zahnrädern fort rollen und es von den Wänden abprallen. Zahnräder innerhalb von Zahnrädern, Wände innerhalb von Wänden – er konzentrierte sich einzig und allein auf seine Atmung, auf das Ödland in seinem Verstand.

 

Der Souverän lachte. „Ah, darauf konditioniert, deine Angst nicht zu zeigen? Also haben wir noch einen weiteren ANBU Agenten in diesem Durcheinander. Wie interessant. Danzō liebt es einfach, euch kleine KERN-Schlampen in meinen Käfig zu schicken, um in meiner Scheiße herum zu schnüffeln.“

 

Das zog Kaikas Blick etwas weiter nach oben. Seine Augen verengten sich. 

 

Der Souverän feixte. „Ja, das ist richtig, Schoßhündchen. Ich habe das deutliche Gefühl, dass Konoha das Versprechen an Kusagakure wieder einmal gebrochen hat. Scheiße, was rede ich. Das Versprechen an mich.“

 

Du warst es, der dieses Versprechen in der Sekunde gebrochen hat, als du dir diesen Jungen genommen hast, du kranker Hurensohn.“

 

„Ah, aber weißt du, ich habe eine lange bestehende Partnerschaft mit Sarutobi Hiruzen – schweigsam wie er heutzutage ist – und ich habe da noch eine schwerwiegende offene Rechnung mit den Nara.“ Ein klauenbewährter Finger winkte warnend. „Ich weiß es überhaupt nicht zu schätzen, von verwandten Geistern vergessen zu werden. Und die Nara und ich…“ Die Worte des Souveräns wurden mit einem Seufzen davon getragen; geradezu melancholisch, wenn man von der Gefahr absah, die in diesen schwarzen Augen brannte. „Ah, der Hokage ist ein grausamer, grausamer Bastard, dass er einen weiteren Schattenninja zu mir geschickt hat. Man hätte meinen sollen, er hätte seine Lektion das erste Mal gelernt.“

 

Ganz offensichtlich wusste der Souverän nichts von dem Tod des Sandaime. Das war eine Gelegenheit. 

 

Kaika runzelte die Stirn, schluckte Blut und krächzte: „Das erste Mal?“

 

„Vater und Sohn. Es ist fast schon poetisch. Ich hasse Poesie; aber ich liebe Ironie.“

 

Vater und Sohn? Nara Shikaku. Kaikas Verstand geriet bei der Schlussfolgerung daraus ins Taumeln. 

 

Der Souverän wedelte mit einer Hand. „Tz. Du bist zu jung, um davon wissen zu können. Spielt keine Rolle. Du wirst nicht interferieren. Aber du wirst mir deinen Namen sagen und du wirst mir sagen, wo du meinen kleinen Strategen versteckt hast.“

 

„Fick dich!“

 

„Ah, aber mir fällt da jemand ein, den ich gerade viel lieber ficken würde. Und ich habe da dieses köstliche Gefühl, dass du ihn vielleicht kennst.“ Der Souverän drehte sich um und ging neben einem Stahlkäfig in die Hocke, hob eine Kette auf, die zwischen die Stäbe führte und zerrte erbarmungslos eine blutige Gestalt aus der Dunkelheit; ein aufgegebener Seraph, herausgerissen aus der Hölle und hineingestoßen ins Licht. 

 

„Wach schon auf, Haustier.“ Die Hand des Souveräns krallte sich in langes aschblondes Haar und zog heftig daran, um ein Gesicht nach oben zu reißen, das von Blut und sturem Trotz gezeichnet war. Dunkle Wimpern hoben sich flatternd und violette Augen glühten. 

 

Gott, diese Augen…

 

Kaikas Herz zog sich zusammen. Ein schmerzhafter Stich der Angst, als die Zahnräder wirbelnd verschwanden und die Wände kollabierten; das Ödland bebte…

 

Und all das hart eingedrillte Training entfloh seinem Verstand. 

 

Raserei krachte durch ihn.

 

Wie ein Wahnsinniger warf er sich gegen seine Fesseln. „Du elender HURENsohn!“

 

„Oh ho!“, lachte der Souverän hoch erfreut. „Was ist denn das? Solch plötzliche Emotionalität und das von einem ANBU Agenten! Und alles nur wegen dieses traurigen Stücks Scheiße…“ Die Hand krallte sich fester, riss den blonden Kopf noch weiter nach hinten und legte eine Kehle bloß, die von der Metallmanschette und den Ketten wundgescheuert war. „Ich nenne ihn Koinu. Er befindet sich immer noch in der Phase der Welpenausbildung für die Shinjū Tests, weißt du. Ich liebe es einfach, wie der zusätzliche Begriff ‚Haustier Projekt‘ dem Ganzen einen völlig neuen Klang verleiht.“

 

„Bastard…“, fauchte Kaika, den Körper vor Zorn straff gezogen und heftig zitternd. 

 

„Ah, jetzt“, schnurrte der Souverän. „Da ist es. Sag mir. Was ist es, was du fühlst? Es ist animalisch, nicht wahr? Benenne es. Oder noch besser, gib mir deinen richtigen Namen.“

 

Knurrend hielt Kaika seine Zunge im Zaum und rollte sie hart hinter seinen Zähnen ein. 

 

Der Souverän seufzte und sah hinunter auf Koinu. „Ah, Köter. Zeit zu reden.“

 

Schweigen. 

 

„Na komm schon, Haustier. Sag mir den Namen dieses interferierenden Bastards. Ich kenne doch bereits den Jungen. Jetzt würde ich gerne noch sein Herrchen kennen lernen.“ Ein brutales Rucken an Haar und Kette. „REDE!“

 

Violette Augen flackerten, der geprellte Kiefer wie Eisen, während sich blasse Lippen bewegten. „Ich kenne ihn nicht.“

 

Eine vollkommen nutzlose Lüge. Sie hätten sich überall gekannt…zu jeder Zeit…in jedem Leben…

 

Eine dünne, gezackte Klinge, rostig von altem Blut, legte sich an Koinus rechten Mundwinkel und die Spitze grub sich hinein. „Einundzwanzig Jahre in dieser Scheißegrube eingesperrt zu sein hat mir einige Tugenden verliehen. Doch Geduld gehört zu meinem Bedauern nicht dazu. Also, ANBU Agent Kaika mit den Eiern aus Stahl; du gibst mir jetzt besser deinen wirklichen Namen, oder ich werde dieser Bitch hier jede Fähigkeit nehmen, jemals wieder einen Namen oder ein Geräusch hervor zu bringen.“

 

Kaika biss sich auf die Zunge, schmeckte Blut…

 

Der Souverän legte den Kopf schief, drehte die Klinge, ließ Haut aufplatzen und sandte einen dünnen Strom aus Rot tropfend über Koinus Kinn und die mit der Halsschelle versehene Kehle hinunter. „Sag mir deinen Namen, Ninja.“

 

Er lag bereits in Kaikas Rachen…Konsonanten und Vokale…bitter und verratend…

 

Violette Augen flammten warnend auf und befahlen ihm eindringlich, den Mund zu halten. 

 

Kaika biss hart die Zähne aufeinander und sein gequälter Blick war starr auf diese wilden lila-blauen Augen fixiert…seine Miene verdrehte sich, der Luftweg wurde abgeschnitten und sein Atem war nichts weiter als ein Ball aus Feuer in seiner Kehle…

 

Er wollte schreien…sprach mit seinen Augen… ‚Bring mich nicht dazu, das zu tun…‘

 

Violette Seen, hart und kalt wie Amethyst wurden kaum wahrnehmbar weich, bevor sie sich schlossen und sich blutige Lippen zu einem reuevollen Lächeln hoben. „Ich kenne ihn ni-“

 

Blut flog von der Schneide, als sie sich direkt durch Fleisch und Gesicht schnitt; und durch Kaikas zersplitterndes Herz. 

 

Verzweifelt schrie er seinen Namen heraus: „GENMA!“

 

 

Als wäre er erstochen worden erwachte Kakashi ruckartig durch den erstickten Schrei. 

 

Eine gerade eben noch dösende Katze stürzte aus dem Nest behelfsmäßiger Laken, kauerte sich in die hinterste Ecke des Tatami Raumes und fauchte mit peitschendem Schwanz und angelegten Ohren, das graue Fell elektrisiert mit Furcht. 

 

Furcht. 

 

Kakashis Sinne erwachten dadurch zum Leben; schwer und sauer in der Luft, salzig auf seiner Zunge, kalt und feucht in den Laken und zitternd in dem Körper, der neben ihm ausgestreckt lag.

 

Genma.

 

Kakashis Verstand wurde scharf wie eine Klinge und er vollkommen regungslos. Er war nur zu gut mit Albträumen vertraut und deswegen machte er auch keinerlei Anstalten, den anderen Mann zu berühren. Er hatte diese Nacht bereits genug Blut verloren. 

 

Nacht? Nein…

 

Ein schwaches pudriges Licht fiel schräg durch das Gerüst vor dem Fenster nach drinnen und durchzog den dunklen Raum mit den kalkigen Strahlen der Morgendämmerung. Seine Augen weiteten sich. Gott, er war über Nacht geblieben. Wie hatte er das passieren lassen können? 

 

Genma erschauerte neben ihm. „Stop…“

 

Kakashi wandte den Kopf und drehte sich langsam und so leise wie möglich, während er seine Arme aus den zerfetzten Noren Laken befreite, die Genma von der Gardinenstange gerissen hatte. 

 

Sanft sprach er in die schwere und bebende Luft. „Genma.“

 

Auf dem Rücken ausgestreckt flatterten Genmas Wimpern und sein Kopf schlug hin und her. Seine Wirbelsäule war scharf durchgedrückt und seine Muskeln straff gezogen, als er sich mit jedem qualvollen Atemzug wand. Unter allen anderen Umständen hätte Kakashi vielleicht das Gefühl gehabt, hier Zeuge eines intensiven und erotischen Traums zu werden, aber da war nichts Sinnliches an der Art und Weise, wie sich Genmas Finger in die Strohmatten krallten und sich seine Handgelenke drehten, als wären sie in phantomhaften Ketten gefangen, während sich seine Lippen ohne Worte bewegten, bis er ein zerfetztes „Bitte…“ keuchte.

 

Kakashis Augen weiteten sich angesichts dieses erstickten Flehens; vor allem wegen der Tatsache, dass er Genma noch nie um irgendetwas hatte flehen hören – weder unter Schmerzen, noch unter Lust. Nicht einmal auf dem Höhepunkt der Passion, die Genma in beiden Extremen zu finden schien. Zu hören, wie solch ein machtloses Wort bebend von den Lippen des Shiranui fiel…gesprochen wie ein zerfetztes Gebet, das all seine Defensiven betrog und ihn verletzlich zurückließ und roh und…

 

Menschlich…

 

Eine lange vergessene und selten gesehene Sanftheit überzog Kakashis Augen. Er drehte sich ein wenig mehr. „Genma.“

 

Bitte…“, krächzte der Shiranui noch einmal, verkrampfte den Kiefer und zog die Lippen zurück, als er Flüche zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen ausstieß. „Shit…steh auf…steh auf…

 

Auf dem Ellbogen lehnte sich Kakashi näher. „Genma.“ Lauter diesmal. „Du träumst.“

 

Um sich schlagend und mit in den Nacken geworfenen Kopf gingen Genmas Worte in keuchendem Atem verloren. 

 

„Genma“, noch lauter. „Genma, du -!“

 

Ein stranguliertes Brülllen und Genmas Augen flogen auf; das Weiß war zu allen Seiten sichtbar und die bronzenen Iriden wirbelten mit Hass, mit Horror, mit –

 

Weh…

 

Kakashi erstarrte in eiskalter Fassungslosigkeit. 

 

Gepackt von dem nächtlichen Terror schoss Genma mit solch explosiver Geschwindigkeit vom Boden nach oben, dass der Kopierninja überhaupt keine Chance zum Ausweichen hatte, nur zum Blocken. Die Finger des Shiranui schlossen sich wie die Eisenzähne einer Bärenfalle um seinen Unterarm. Es war eine Bewegung, die dazu gedacht war, die Luftröhre eines Gegners zu zertrümmern und heraus zu reißen. 

 

Kein Versuch, den Feind kampfunfähig zu machen – nur direkte Tötungsabsicht. 

 

Aber es ließ Genma offen. 

 

Rasch wie ein Herzschlag ließ Kakashi seinen rechten Ellbogen in die Beuge von Genmas ausgestrecktem Arm krachen, bevor er ihn aufwärts in die Unterseite des Kiefers des Shiranuis schnappen ließ. Der Kopf des Tokujō wurde nach hinten gerissen und ließ sowohl Angriff, als auch Traum zersplittern. 

 

„Genma!“

 

Ruckartig kam Genma zu Bewusstsein; desorientiert und geschockt. 

 

Und Kakashi nutzte das sofort aus. 

 

Er rammte einen rückwärtigen Handkantenschlag in die Seite von Genmas Nacken und folgte der Attacke mit seinem Körper nach unten, um den anderen Ninja auf dem Tatami Boden festzupinnen, indem er einen Unterarm gegen den Hals des Shiranui drückte. 

 

Rasch brachte er seine Lippen an das Ohr des Tokujō und murmelte scharf: „Shiranui, du bist in Sicherheit.“

 

Genma wurde schlagartig regungslos, bevor ihn sein Atem wie in einem Rausch verließ und Adrenalin in sein Zittern brach, um seine Haut mit kalten Schweiß zu überziehen. 

 

Da er deutlich spürte, wie die Anspannung ausblutete, stemmte sich Kakashi von seinem Arm auf die Handflächen und hoch genug, um über Genma zu schweben. Warmes, körniges Licht strich über sein unmaskiertes Gesicht und tauchte seine Konturen in Schatten, abgesehen von dem Durcheinander wilder silberner Strähnen, die in der anbrechenden Dämmerung golden umrandet waren. 

 

„Du bist in Sicherheit“, wiederholte Kakashi viel sanfter. 

 

Bronzefarbene Seen flammten auf und brannten mit solch verblüffendem Glanz und nackter Emotion, dass es Kakashi sofort in ein getroffenes Starren schubste. Und er brauchte noch einen Moment länger, um den nassen Schein in den Augen des Shiranui zu bemerken.

 

Silberne Brauen zogen sich weich zusammen. „Genma.“

 

Ganz falscher Zug. 

 

In einem Flackern erstarb das Licht in diesen Augen. 

 

Knurrend rollte sich Genma unter der Musterung dieses ungleichen Blickes heraus und wandte seinen Rücken wie einen Schild Kakashi zu; wie eine Wand, eine undurchdringliche Defensive. Während er sich auf einen Ellbogen stützte und sich seine Rippen abgehackt hoben, schob sich der Tokujō bebende Finger durch sein Haar.

 

„Was verfickt nochmal machst du immer noch hier?“, grollte er. 

 

Exzellente Frage.

 

Mit keiner Antwort; und folglich ging die Frage zum einen Ohr rein und direkt zum anderen wieder raus. 

 

Kakashi lehnte sich fort, hielt den Blick aber weiter auf Genmas Rücken gerichtet; eine Leinwand, die mit Narben überkreuzt und mit Hämatomen befleckt war. Seine Haut schimmerte vor Schweiß, der perlenförmig in winzigen Opalen über die kantigen Täler von Schulter und Wirbelsäule hinab rollten. 

 

„Genma…“

 

Muskeln kontrahierten, Atem wurde angespannt, ein Kampf der im Inneren ausgefochten wurde, als sich Genma steif aufgerichtet hielt gegen…

 

Gegen was?

 

‚Bitte…‘

 

Das zerbrochene Wort rasselte in Kakashis Hirn und drohte, zusammen mit all den anderen losen Murmeln, die in seinem Schädel herum rollten, Amok zu laufen. Ah, aber mit Sicherheit hatte auch etwas Wahnsinn im Mond der vergangenen Nacht gelegen. 

 

Nicht nur Wahnsinn…

 

Verspätet zuckte Kakashis Aufmerksamkeit von Genmas Körper zurück zu seinem eigenen. Und im Nu löste sich sein Verstand von der unmittelbaren Gefahr und richtete sich auf die dämmernde Erkenntnis, dass er…

 

Ich wurde verarztet…?

 

Naja, zumindest provisorisch. Streifen verlotterter Mullbinden waren über seinen schlimmsten Wunden angebracht. Das medizinische Klebeband war bereits alt und löste sich, aber es reichte, um die Kompressen an Ort und Stelle zu halten. Stirnrunzelnd fuhr Kakashi mit seinen Fingern über die verfärbte Haut seines Bauches und realisierte bei näherer Inspektion, dass das, was er für eine Infektion oder ein Hämatom gehalten hatte, tatsächlich die gelben Flecken von Jod waren. 

 

Und er hat mich nicht einmal geweckt, während er das gemacht hat…

 

Das hätte aber auch nicht überraschend sein sollen. Genma hatte ihn auch in der Vergangenheit nie geweckt. 

 

Das hier ist nicht die Vergangenheit.

 

Nein. Das hier war die Gegenwart; direkt zur Hölle gejagt. Zeit kroch in Zeitlupe durch Kakashi und jede einzelne Sekunde vergrößerte den Horror seines entsetzlichen Fehlers. Wann hatte Genma überhaupt die Zeit gehabt, sich um ihn zu kümmern? Oder die Koordination? Der Shiranui war komplett zugedröhnt gewesen und in den Boden gevögelt worden; am Ende war er kaum noch bei Bewusstsein gewesen. 

 

Schulbewusstsein legte sich über Kakashis Bewusstsein und er verzog das Gesicht. 

 

Gott…was habe ich getan?

 

Was hatte er nicht getan? Was hatte er nicht aufgehalten?

 

Genma setzte sich auf. 

 

Die plötzliche Bewegung verschreckte die vergessene Katze zu einem zitternden Ball präventiven Fauchens. Genma drehte den Kopf und ein Hauch von Sonnenlicht verfing sich wie ein glühender Halbmond am Rand seiner Iris und befeuerte sie wie ein Funke. Er bleckte die Zähne und fauchte zurück. 

 

Sofort verstummte der graue Kater und zog seine Augen zu zwei limonenfarbenen Schlitzen zusammen. 

 

Kakashi beobachtete dieses animalische Wechselspiel schweigend, vorsichtig…neugierig.

 

Und Genma drehte seinen Kopf ein Stückchen weiter, um Kakashi aus dem Augenwinkel für eine lange morbide Minute zu mustern, als versuchte er, den Verstand des anderen Mannes zu entschlüsseln – oder seine Motive. Er hatte noch immer nicht Genmas Frage beantwortet. Hatte sie einfach rhetorisch zwischen ihnen hängen lassen…zusammen mit all den ausgegrabenen Spannungen. 

 

Ein schwaches Feixen kräuselte einen von Genmas Mundwinkeln. „Immer noch hier? Hast du die Regeln von ‚Essen, Kämpfen, Ficken‘ vergessen?“

 

Ausgespien wie ein in Gift getränktes Senbon. 

 

Bedächtig hielt Kakashi sein Gesicht mit geschlossenem Sharinganauge im Schatten. Er schüttelte den Kopf. „Ich spiele nicht mehr nach diesen Regeln.“

 

Genma lachte ohne irgendeine Belustigung auf und der kalte Klang bekam durch den leichtesten Hauch eines Zitterns in seinem Atem Risse. „Jo, weil du ja inzwischen geläutert bist.“ Er kam auf die Füße; nackt und unverfroren und starrte unter schläfrigen Lidern auf den Kopierninja. „Bist letzte Nacht aber von diesem Wagon gestürzt, nicht wahr?“

 

Die Härchen an Kakashis Nacken stellten sich auf, doch er blieb stumm. 

 

Alarmierend langsam neigte Genma den Kopf. „Ein ziemlicher Rückfall“, spottete er und ließ seine Augen über das Gewebe wandern, das um Kakashis Hüften geschlungen war, bevor sein Blick in einem erhitzten, unzüchtigen Kriechen höher über die langen schlanken Konturen des ziselierten Körpers glitt, während er mit der Zunge schnalzte. „Schätze, das macht dich zu einem der ehemals Geläuterten.“

 

Scham kratzte unter Kakashis Haut wie ein brennendes Skalpell, doch sein graues Auge verschärfte sich zu der Ähnlichkeit eines Feuersteins. „Sagt der Suchtexperte.“

 

Der Widerhaken traf mitten ins Schwarze. Genmas Augen schnellten nach oben und die lüsterne Flamme erlosch schlagartig. Mit dem Kiefer mahlte er mit nervösen Zähnen von Seite zu Seite – da war kein Senbon, das er nutzen konnte, keine grausamen Worte, die er ausspeien konnte…nur die bittere Wahrheit zwischen ihnen; nackt und roh wie ihre Körper. 

 

Grunzend wandte sich der Shiranui ab und verließ den Raum durch ein zerschmettertes Fusama Paneel. 

 

Die Katze sprang hinter ihm her. 

 

Stille folgte; nur unterbrochen von dem Klacken von Keramik und dem klagenden Miauen eines verärgerten Stubentigers. Wasser lief, das Kratzen von Glas…

 

Irgendwo in dem Gebäude begann ein Baby zu brüllen. 

 

Lauschend setzte sich Kakashi langsam auf und zog seine Augen gegen die Lichtstrahlen zusammen, die schräg durch die Glastüren fielen. Heftig blinzelnd stierte er auf die ruinierte Wand aus Fusama Paneelen. Das gezackte Loch klaffte weit und ominös wie das Maul zu einer Raubtierhöhle. Ein passender Vergleich, wenn man bedachte, dass sie in wilder Raserei durch diese Paneele gekracht waren; sich gegenseitig zu Boden stoßend, um es wie Bestien miteinander zu treiben, bevor sie nach Tod und Sex und animalischer Tragödie riechend auf dem blutgetränkten Boden quasi das Bewusstsein verloren hatten. 

 

Kakashi seufzte und sein graues Auge schloss sich in einer Art Agonie. 

 

Es gab kein Leugnen, dass er mit dem Biest in seinem Blut hierher gekommen war. Er hatte versucht, einem Amoklauf zu entgehen, indem er lustvolle Entrückung gesucht hatte, hatte nach einem Licht gesucht, das in einem einsamen Fenster schien, nach einer alten Flamme in toten Augen, nach…

 

Einem Mann, den ich einst gekannt habe…

 

Einst gekannt hatte, einst benutzt hatte, benutzt, um sich gegenseitig Schaden zuzufügen; und immer während Nächten wie dieser letzten Nacht…wenn er nichts mehr war als ein Wolf in den Kleidern eines Menschen, verloren und heulend unter einem kalten blauen Mond.  

 

Muss irgendeine Art von Tier sein…hierher zu kommen…zu nehmen, was ich will…und genau zu wissen, wie ich es bekomme…

 

 

Und dann rollte er sich in dem Gemetzel zusammen und hatte nicht einmal den Anstand, die Knochen der Vergangenheit zu begraben, die er zwischen ihnen zerstückelt hatte. Er war ebenso rücksichtslos mit Genma umgegangen, wie er es während seiner vorherigen Raserei im Wald gewesen war. 

 

Sex und Tod…ich vermische diese Monster nicht mehr…

 

Und dennoch war er hier, Jahre später und vom Kurs abgekommen; fiel in die Gosse einer alten Sünde – und zerrte Genma mit sich. Und was für ein alarmierend kurzer Fall es gewesen war, wenn man all die Jahre bedachte, die er zwischen sie geschoben hatte. 

 

„Dieses Gesicht hätte ich beinahe vergessen.“

 

Kakashis Kopf ruckte nach oben. Er fand Genma gegen den zerbrochenen Rahmen gelehnt vor und eine schwarze Hose hing tief an seinen verfärbten Hüften. Zwischen aufgeplatzten Knöcheln hielt er eine Shōchū Flasche und er hatte sich eine Stahlnadel zwischen seine Lippen geschoben, während seine Augen ebenso unlesbar blieben wie seine Miene. 

 

Für einen langen, durchdringenden Moment musterte er Kakashi. „Du bist immer noch ein verdammt gutaussehender Bastard, das muss ich dir lassen.“

 

Ein uraltes Gefühl der Zurückhaltung überkam Kakashi wie ein Hautausschlag, dem rasch eine weitere heiße Welle der Scham folgte. Gott, er hatte heute Nacht wirklich keine halben Sachen gemacht, oder? 

 

Hn. Wer A sagt, muss auch B sagen…

 

Klar und dieses B bestand aus Fleisch, Fühlen, Torheit...

 

Vor dem Licht zurückzuckend verhüllte er sein Gesicht wieder mit Schatten und strich sich mit den Fingern über die angespannte Linie seines Kiefers, während er nach seiner Maske suchte. Er entdeckte sie zerknittert zusammen mit seinem ärmellosen Rollkragenoberteil und den Standardhosen an der Türschwelle. 

 

Na klar. 

 

Zerfetzt, blutig und außer Reichweite – zu diesem Zeitpunkt nicht unähnlich seines gesunden Menschenverstandes. 

 

„Wenn du so nett wärst“, summte der Kopierninja mit seiner wohlklingenden Stimme, die etwas rostig um die Ränder herum, aber überzeugend genug war – zumindest hoffte er das. 

 

Genma grübelte über die Bitte nach und sein Senbon tickte dabei vor und zurück. Nach einer übertriebenen Pause – während der sich Kakashi noch bloßgelegter und roher fühlte als eine stinkende Wunde – ging der Tokujō endlich in die Hocke und hakte einen Finger in die Maske. Als er sich aufrichtete, stützte er das Ende der Flasche gegen einen scharfen Beckenknochen und drehte den Shōchū, um das Etikett zu zeigen. 

 

Kakashi erkannte die Marke und schüttelte den Kopf. 

 

Schmunzelnd schlich sich eine sardonische Kante in Genmas Worte. „Du kämpfst und du fickst, aber du lehnst mein Essen ab?“

 

„Das geht wirklich nicht als Essen durch.“

 

„Ist eins meiner Grundnahrungsmittel“, verteidigte sich der Tokujō und warf Kakashi die Maske zu. „Sogar Asuma hat das zu schätzen gewusst.“

 

Kakashi fing seine Maske mit zuckenden Brauen in einer Hand auf. Dieses Ornament der Trauer – zart wie fein geblasenes Glas – rückte etwas zu nah an die Kante des hohen Regals, auf dem er es abgestellt hatte. 

 

„Das hat er“, raunte Kakashi und zog sich die Maske über. 

 

Aber Asuma hatte auch noch nie jemanden aufgrund ihrer schlechten Angewohnheiten beurteilt – das hätte ihn nur zu einem Heuchler gemacht. Und trotz all der selbstverstandenen Schwächen des Sarutobi; er hatte nie nach Doppelstandards gelebt. Er hatte sein Leben nach einer Reihe seltsamer und oft widersprüchlicher Kodizes gelebt, auch wenn es weitaus ehrenhaftere waren als die, die Kakashi und Genma über ihr Gewissen gekritzelt hatten. Unauslöschlich wie ANBU Tinte; eine Narbe auf der Seele. 

 

‚Weißt du, was dein Problem ist, Shiranui? Du und Kakashi…ihr Typen glaubt nicht an zweite Chancen…‘

 

Kakashi presste die Lider aufeinander und rieb sich über die Falte zwischen seinen Brauen. „Genma, was letzte Nacht passi-“

 

„Sh.“

 

Er hob bei dieser abrupten Zurückweisung den Kopf und sah zu, wie sich Genma auf ihn zubewegte. Nicht mit der üblichen katzengleichen Anmut; der Fluss von Genmas Schritten war viel zu abgehackt und willkürlich für irgendeine Art von Heimlichkeit – was auf einen wunden Körper und einen immer noch nicht ganz nüchternen Verstand schließen ließ. 

 

„Keine Worte“, murmelte der Shiranui, ließ sich neben Kakashi fallen und hob in einer Benediktion die Flasche. „Eine Libation.“

 

Kakashi schmunzelte schwach, auch wenn die Maske es verbarg. „Eine Libation“, echote er. 

 

Achselzuckend drehte Genma mit einem raschen Rucken des Handgelenkes den Deckel von der Flasche. „Ist das Beste, was ich machen kann, bevor ich dich rausschmeiße. Du blutest verfickt nochmal meinen ganzen Teppich voll.“

 

Schwer vorstellbar, wie das in irgendeiner Weise einen Mann stören sollte, der an einem Ort lebte, der von allen möglichen giftiger Flecken und Verfärbungen befallen war, nach Schimmel und Gipsstaub roch und von Spinnweben und Rissen durchzogen war. 

 

„Und ich habe mich schon gefragt, was dich dazu veranlasst hat, Doktor zu spielen“, erwiderte Kakashi, schnappte sich die Flasche aus Genmas Griff und war überrascht, als die langen Finger nicht einmal wirklich mit Widerstand zuckten. „Obwohl; Jod in offene Wunden? Das ist schon ein bisschen primitiv.“

 

„Passt zur Stimmung.“

 

Etwas gedämpft neigte Kakashi den Kopf und räumte diesen Punkt ein – fühlte, wie er sich wie ein mit Widerhaken versehener Pfeil zwischen seine Rippen grub. „Touché.“

 

Ein leises Miauen erklang von der Tür her. 

 

Beide Ninja sahen hinüber und beobachteten den grauen Kater dabei, wie er mit krummem Schwanz an Kakashis Kleidern schnupperte und an dem zerknitterten Haufen scharrte. Das verhieß nichts Gutes. 

 

Genma fauchte und ließ das Senbon auf und ab zucken. 

 

Fasziniert von dem Winken aus Licht sah die Katze auf. 

 

Aufmerksam beobachtete Kakashi die Interaktion. „Ich wusste gar nicht, dass du ein Haustier hast.“

 

Das Senbon erstarrte, als sich Genma bei dem Wort ‚Haustier‘ versteifte. Doch genauso schnell, wie sie gekommen war, blutete die Anspannung aus ihm und er lehnte sich auf den Ellbogen zurück, während er die Katze durch seine Wimpern beobachtete. „Und ich wusste nicht, dass du immer noch den Mond anheulst.“ Er gestikulierte zu Kakashis geflickten Wunden. „Sieht aus, als hättest du mehr als nur deine eigenen Dämonen herauf beschworen.“

 

Summend stierte Kakashi auf den Hals der Flasche und schwenkte den Inhalt mit einem trägen Drehen seines Handgelenkes herum. „Der viel interessantere Part wird sein, diese Dämonen zur Ruhe zu betten…“ Er hielt inne; ihm gefiel die Zweideutigkeit seiner Worte und die weitaus persönlicheren Dinge überhaupt nicht, auf die sie anspielen konnten. Kopfschüttelnd suchte er nach einem Weg, es deutlicher zu machen. „Die Chūnin Prüfungen sind bereits gefährlich genug, auch ohne eine monströse Dosis ‚zu viel des Guten‘.“

 

Genma runzelte leicht die Stirn und hielt die Augen auf die Katze gerichtet. „Sollte ich wissen, wovon du redest?“

 

Überrascht spähte Kakashi zu ihm. „Die Chimären-Hybriden.“ Und als das nichts weiter auslöste als ein blankes Starren, bedachte Kakashi den Tokujō mit einem skeptischen Blick. „Na, du müsstest aber mit Sicherheit darüber Bescheid wissen. Du bist doch eine der Aufsichtspersonen. Außer, die Goei Shotai haben im Moment Vorrang.“

 

„Chimären-Hybriden“, lenkte Genma um und sein ausdrucksloser Ton nahm den leichten Biss von Ungeduld an…oder war da noch etwas anderes in seiner Stimme?

 

Für einen flüchtigen Moment betrachtete Kakashi den anderen Ninja. „Der neue Kampfbestand aus Kusagakure“, erklärte er. „Sie sind diese Woche angekommen. Obwohl es so scheint, als hätten sie die üblichen überlebensgroßen Monster gegen diese Chakra-verstärkten Kreuzungen eingetauscht.“

 

Und sie waren auch nicht von dem üblichen Lieferanten gekommen; da war kein offizielles Siegel des Daimyōs von Kusagakure gewesen. Egal wie sehr sich Kusagakure über die Jahre – bereits seit der Kriegszeit – isoliert hatte; es ehrte noch immer einen lange bestehenden Vertrag und eine Zusammenarbeit mit Konoha in Bezug auf die Forschung zur Chakra-Verstärkung und entsprechenden Experimenten. Sie lieferten außerdem essentielle Zutaten für die Nahrungspillen der Akimichi und die medizinische Forschungseinrichtung der Nara. Aber ihr wertvollstes Gut waren zweifelsohne die gigantischen Bestien wie die, von denen es im Wald des Todes zurzeit nur so wimmelte. 

 

Stirnrunzelnd kehrten Kakashis Gedanken zu diesem seltsamen Schweigen zurück, das die Luft ergriffen hatte. Genma erschien neben ihm sehr sehr still zu sein, während er kommentarlos absorbierte, was gerade gesprochen worden war. Seine Augen waren abgeschirmt und der leichteste Hauch einer Linie zog sich zwischen seine Brauen. 

 

Kakashi legte den Kopf auf die Seite und formte seine nächsten Worte mit Bedacht. „Ungewöhnlich, dass du nicht eingeweiht bist.“

 

Keine Erwiderung. Zumindest keine unmittelbare. Das Senbon zuckte von Seite zu Seite. „Kusagakure ist es nicht gestattet, sich an artübergreifenden Experimenten zu beteiligen“, sagte Genma letztendlich und klang dabei, als würde er eher laut nachdenken. „Nicht auf diesem Level.“

 

„Naja, das ist zumindest das, was in den Regelbüchern steht“, stimmte Kakashi zu. 

 

Und Kami wusste, wie viele Regeln Konoha aufgestellt hatte. Der Sandaime war unerbittlich gewesen. Deswegen wurde diese Entwicklung - trotz des hässlichen Ursprungs dieser von Orochimaru angestifteten Tierversuchspraktiken – über die Jahre hinweg überwacht, um sicher zu gehen, dass diese Experimente keinerlei ethische Vereinbarungen zwischen den Dörfern verletzten. 

 

Ja. Es gibt immer Regeln. 

 

„Aber nicht jeder spielt nach den Regeln“, hob Kakashi hervor. „Die Frage ist, ob Kusagakures Daimyō und das Konzil irgendetwas damit zu tun haben oder nicht. Denn wenn ja, dann verwandelt das einen simplen Regelverstoß in ein ganz anderes Faulspiel.“

 

„Es ist nicht so simpel. Wie steht die Godaime zu dieser Sache?“

 

Kakashi hörte auf, den Shōchū zu schwenken. Wie konnte es sein, dass Genma nichts davon wusste? Doch er antwortete, um keine Aufmerksamkeit auf seinen Argwohn zu lenken. „Sie setzt auf Zurückhaltung und Vorsicht. Wie es der Zufall will hat Kusagakure eine Einladung an unsere Shinobi geschickt, ihr Dorf unter dem Vorwand einer Mission zu untersuchen.“

 

Genma sah ihn misstrauisch an. „Vorwand?“

 

„Naja, ich vermute den schlimmsten Fall, also wie auc-“

 

„Vermute niemals.“

 

Kakashi hob eine Braue angesichts dieser barschen Unterbrechung, fuhr aber unbeirrt fort. „Wie auch immer, es könnte sich auch einfach nur um eine legitime Mission handeln. Sie bieten eine beträchtliche Belohnung, um das Problem zu lösen.“

 

„Legitime Mission basierend auf was?“

 

Kakashi musste einfach schmunzeln. Genma entging überhaupt nichts, was darauf schließen ließ, dass sein Hirn wieder in Gang kam. „Die Behauptung des Daimyōs ist, dass diese illegalen Experimente und der Handel das Werk einer Untergrundgruppierung sind.“

 

„Untergrundgruppierung…“

 

„So hat er es ausgedrückt. Er bestreitet seine Beteiligung, aber wir müssen das mit Sicherheit wissen.“

 

Denn das Letzte, was wir brauchen, ist ein weiterer Krieg…

 

Besonders mit Kusagakure. 

 

Erinnerungen drängten sich an die Oberfläche von Kakashis Verstand; verrottet und aufgebläht…wie die Schrecken, die unter der Kannabi Brücke begraben lagen. Sein Sharingan zuckte warnend. 

 

Denk jetzt nicht daran... 

 

Außerdem gab es Dringlicheres zu bedenken – wie zum Beispiel den Ausdruck auf Genmas Gesicht. Jeder Farbe beraubt und mit eingefrorener Miene sah der Shiranui ebenso blass und ausgezehrt aus wie eine gebleichte Statue, während seine glasigen Augen auf einen Punkt weit jenseits der ruinierten Wände stierten. 

 

Stirnrunzelnd setzte Kakashi die Flasche ab. „Ist alles in Ordnung?“

 

Und Genma erholte sich so schnell, dass sich Kakashi ernsthaft fragen musste, ob er sich den getroffenen Gesichtsausdruck nicht eingebildet hatte. Der Shiranui setzte sich auf und schob das Senbon an eine Seite seines Mundes, während er die Flasche aus den Fingern des Kopierninjas schnappte. Mit nach vorn fixierten Augen nahm er einen raschen Schluck. 

 

„Du weißt eine Menge darüber“, murmelte er. 

 

„Ursprünglich war ich beauftragt, diese Mission anzuführen.“

 

„Wer führt sie jetzt?“

 

„Hyūga Neji. Ich glaube, dass auch Team 10 der Mission zugeteilt wurde.“

 

Genmas Bauch verkrampfte sich; ein plötzliches Rucken von Muskeln, das Kakashis Aufmerksamkeit auf sich zog. 

 

„Team 10?“, raunte der Tokujō. „Bist du dir sicher?“

 

„Jo.“ Kakashi machte eine Pause und entschied sich dazu, dass es an der Zeit war, Antworten gegen ein oder zwei Erklärungen einzutauschen. Die Lider argwöhnisch zusammengezogenen sah er zu dem Shiranui. „Wie kann es sein, dass du nichts davon weißt? Du hättest informiert werden müssen.“

 

Mit zu Schlitzen verengten Augen und nach unten hängendem Senbon stierte Genma für einen weiteren Moment geradeaus. Dann zuckte er mit den Achseln und nahm einen weiteren Schluck des Shōchū. „Wenn ich es nicht weiß, dann muss ich es auch nicht wissen.“

 

Kakashi runzelte heftig die Stirn und sah zu, wie sich die Sehnen in Genmas Hals straff zogen und lösten, als er schluckte und all die Worte hinunter spülte, die er ohnehin nicht sagen würde. Es erinnerte Kakashi an all die Worte, die er vorhin hatte schlucken müssen. Er hatte zugestimmt, seine Befragung zu beenden und all die Verschwörungstheorien aufzugeben, die wie ein toxisches Sargtuch um Genma zu hingen schienen. 

 

Und es fordert seinen Tribut…

 

Es zeigte sich in der Art und Weise, wie der Shiranui sein Doppelleben lebte – begrenzt, gefährlich, ständig am Rand der einen oder anderen Droge. Es hielt ihn nicht davon ab zu funktionieren, was Kakashi unweigerlich dazu brachte, sich zu fragen, von was für einem Fühlen es ihn abhielt. 

 

Er blinzelte Genma an, als würde er durch Rauch blicken. „Hilft es?“

 

Die Frage hätte sich auf jedes mögliche Gift beziehen können; die Lügen, die Drogen, den Alkohol, den herunter gekommenen Zustand seines Lebens. Seufzend legte Genma seine Arme auf seinen aufgestellten Knien ab und ließ seinen Kopf nach hinten kippen, um durch halb geschlossene Lider hinauf auf das kreuzförmige Gitter aus pudrigem Licht zu stieren, das durch die Fenster schimmerte. Es fiel auf ihn wie das Muster eines Netzes – oder eines Käfigs. 

 

„Spielt keine Rolle“, murmelte er und dieses weit entfernte Licht flackerte hinter seinen Augen. „Bin immer noch hier.“

 

Für einen langen Augenblick musterte Kakashi ihn und Kummer stahl sich über sein Gesicht und in seine Stimme. „Ja“, wisperte er heiser. „Du bist nie gegangen.“

 

Genma knirschte mit den Zähnen über sein Senbon und seine Knöchel verkrampften sich um den schlanken Hals der Flasche. „Spielt keine Rolle“, sagte er noch einmal. „Was eine Rolle spielt, ist, dass ich aufstehe und weiter mache.“ Er schniefte kurz und nahm einen langen Schluck des Shōchū, bevor er sich mit dem Handrücken über den Mund wischte. Seine Stimme war spröde wie Rost. „Und jetzt musst du verschwinden.“

 

Selbst wenn Kakashi Worte gefunden hätte, um darauf zu antworten, Genma wartete nicht darauf, sie zu hören. Der Shiranui stemmte sich kalt und abwesend auf die Füße. Und Kakashi konnte sehen, wie sich all die Defensiven des Mannes wieder an ihren Platz begaben und ihn gegen all die harschen Komplikationen und unanfechtbaren Brutalitäten des menschlichen Daseins schützten. 

 

Was für ein Urteilsspruch…

 

Besonders, wenn er derjenige war, der hierher gekommen war, um seine eigene Menschlichkeit nieder zu heulen…

 

Und nun war die Stunde des Wahns vorbei – und ließ was zurück? Noch mehr Schaden? Eine neue Richtung? Einen Sinn von Verständnis von diesem Mann, von dem er dachte, ihn einst gekannt zu haben?

 

Ein Mann, den ich zurück gelassen habe…

 

Ein Kamerad, der zwischen den Gräben lag und langsam verblutete…

 

‚…die, die ihre Kameraden im Stich lassen, sind schlimmer als Abschaum! Und wenn ich sowieso als Abschaum angesehen werde, dann kann ich auch genauso gut die Regeln brechen!‘

 

Das Gewicht dieser Worte saß schwer in Kakashis Herz und häufte sich mit jedem weiteren Tod noch mehr an…es erinnerte ihn an eine Schuld, die im Voraus beglichen und nicht zurück gezahlt werden musste. Was nützte es schon, die Toten zu ehren und darüber die Lebenden zu vergessen? Und als er dabei zusah, wie Genma davon driftete, spürte Kakashi, wie das Gefühl einer verlorenen Perspektive zu ihm zurück schwebte. 

 

Ja, Zeit, aufzustehen und weiter zu machen…

 

Was bedeutete, ein letztes Mal zurück zu kehren; für den lange verlorenen Freund, den er zurück gelassen hatte.

 
 

~❃~
 

 

Dahinter. Darüber. Darunter. Überall. Er konnte ihre Chakrasignaturen wahrnehmen; schwach wie ein Schattenspiel hinter den Mauern. Sie versuchten nicht einmal, ihre Präsenz vor ihm zu maskieren. Und das, wenn schon nichts anderes, sprach Bände über die Arroganz von Danzō Shimura. 

 

Inoichis Lippen verzogen sich angewidert. 

 

‚Die Geister versammeln sich. Du verstehst.‘

 

Geister. Was für ein passender Euphemismus für all diese unbekannten involvierten Agenten. Inoichi hatte genug geopfert, um das Gefühl zu haben, er hätte Brocken seiner verdammten Seele dabei verloren; Geist? Sicher. Dieses Wort passte wie ein gut eingetragener Handschuh. Was für eine Schande, dass es nicht das Blut von seinen Händen hatte fernhalten können.

 

Und den Händen von wem sonst noch?

 

Wer waren die anderen ‚Geister‘, denen der Dritte diese Sache anvertraut hatte? Wen sonst hatte Danzō dazu manipuliert, die Wünsche des Sandaime zu erfüllen, während er gleichzeitig seine eigenen Pläne voran getrieben hatte? Bei wie vielen anderen hatte das Konzil zugestimmt, sie in den Kreis einzuweihen? 

 

Einundzwanzig Jahre des Schweigens…und jetzt…?

 

Und jetzt hatten die jüngsten Aktivitäten von Kusagakure die Vergangenheit an die Oberfläche getreten wie ein Hornissennest. Diese verdammten Chimären-Hybriden. Inoichi hielt inne, wandte sich um und begann, in die andere Richtung zu laufen, um sich davon abzuhalten, zu viel zu analysieren und zu vermuten. Er hatte keine Fakten, keine Zahlen, keinen verfickten Schimmer; nur einen kalten harten Stein, der in seinen Eingeweiden hockte; schwer wie der flache rechteckige Tisch, den er seit den letzten dreißig Minuten umkreiste. Man ließ ihn jetzt schon seit fast zwei Stunden ohne ein Wort oder Wasser in dem kahlen Vorraum warten. 

 

Wie ein Krimineller, dem der Hintern heiß gemacht werden soll. 

 

Es lag eine gewisse Ironie darin, wenn man bedachte, dass er Shikaku und Chōza unter dem Vorwand zurück gelassen hatte, dass er von der Folter und Verhörabteilung gerufen worden war. 

 

Keine komplette Lüge und keine vollständige Wahrheit. 

 

Wahrheit…

 

Das Wort echote von den Wänden seines Verstandes; zusammen mit dem Geräusch von Schritten, die den kalten Betonflur entlang hallten. Wahrheit begraben in Täuschung, die süße Blume innerhalb der bitteren Saat. 

 

‚Die Blume von morgen ist die Saat von heute.‘

 

Ja, er wusste alles darüber, das zu ernten, was man säte. Er nahm die Gespenster dieser Reue ebenso sehr wahr wie er die KERN Agenten wahrnahm, die ihn von allen Seiten beschatteten wie Ratten, die durch die Lüftungsschächte und Kanalisation krochen. 

 

Kami, was für eine Art zu leben. 

 

Was für eine Art zu sterben…

 

Dieser Gedanke versäuerte ihm die Stimmung und ließ seine Erinnerungen gerinnen, bis sie sich zu Knoten in seinem Blut verdichteten, Venen und Arterien blockierten und sein Herz mit Spasmen ungelöster Reue quälten…und mit unanfechtbarer Schuld…

 

 

„KERN? KERN?!“ Schlagartig kam er auf die Füße und katapultierte seinen Stuhl dadurch krachend nach hinten, während er den jungen Mann mit einem anklagenden Blick aufspießte. „Hast du deinen gottverdammten Verstand verloren?!“

 

Violette Augen senkten sich gerade so zur Seite. „Ich antworte, wie ich muss, Inoichi-san.“

 

„Du wirst genau das antworten, was ich dich frage.“

 

„Ich antworte, wie ich muss.“

 

„Wenn das das einzige ist, was aus deinem Mund kommt, dann werde ich die Antworten direkt aus deinem Verstand reißen.“

 

Ein schwaches Lächeln. Traurig. Reuevoll. „Ich glaube nicht, Ojisan. Dafür hast du mich viel zu gut unterrichtet.“

 

„Mein Gott, Junge. Was zur Hölle hast du getan?!“

 

„Was ich tun musste.“

 

„Nach allem, was ich dir beigebracht habe? Nach allem, was dir von dem Dritten gesagt worden ist? Nach ALLEM, was du von mir gelernt hast?“ Er musste aufhören, musste Luft gegen dieses krampfhaft verdrehte Gefühl einsaugen. „Mein Gott, nach all dem…liegt deine Loyalität bei DANZŌ?“

 

Nicht einmal ein Zucken in diesem ernsten Kiefer. Die kühnen Winkel des Gesichtes waren so hart und stolz wie Inoichis eigene Züge; die starken hageren Yamanaka-Gene. Fort war die Weichheit der Jugend, nicht länger ein Junge, nicht länger ein Kind…nicht länger der junge Mann, den er unter seine wegweisende Fittiche genommen hatte…

 

Inoichi schüttelte den Kopf. „Warum…?“

 

„Ich habe das nicht getan, um dich zu hintergehen.“

 

„Und doch hast du das. Kami…das hast du…“

 

„Das war nicht meine Intention.“

 

„Intention?“ Inoichi stieß ein bellendes Lachen aus. „Gib diesem Wort einen Abschiedskuss, Söhnchen. Du hast gerade alle deine Intentionen aufgegeben! Dein Leben aufgegeben! Deine Familie! Deine schiere Identität! Du hast dich selbst zu einem Instrument eines skrupellosen Extremisten gemacht!“

 

„Das ist nicht, was ich-“

 

Inoichis Handfläche donnerte wie ein Richterhammer nach unten. „Ich verbiete dir, das zu tun.“

 

„Mir verbieten?“ Jetzt zuckten diese violetten Augen nach oben. „Du bist vieles für mich. Aber du bist nicht mein Vater.“

 

„Nein.“ Inoichi klopfte feste mit einer Faust auf sein Herz. „Aber ich bin dein Blut. Und ich war dein Sensei. Und ich könnte dich auch nicht mehr lieben, wenn du mein eigener Sohn wärst. Aber wenn du das tust, dann zerbrichst du diese Bande. Verstehst du das?“ Er machte eine Pause, die lange genug für eine Antwort war, aber als keine kam, fügte er mit kühler Endgültigkeit hinzu: „Wenn du das tust, dann bist du für mich gestorben.“

 

Zögern; ein Hauch eines schwindenden Lichtes in diesen verschlossenen Augen. „Dann habe ich als toter Mann meiner Familie nichts weiter zu hinterlassen als dieses eine Geschenk.“ Er griff in die Tasche, die schräg über seiner Brust hing und zog eine Rolle hervor, die er auf den Tisch legte. „Ich habe es für Ino gemacht. Bitte gib es ihr. Das ist alles, worum ich bitte.“

 

Inoichi stierte das Papier an, als wäre es Gift. „Was? Du erwartest von mir, dass ich das an meine Wand hänge wie eine Art Hommage an deine Erinnerung? Nein. Du bekommst keinen Platz in unseren Erinnerungen. Nicht, wenn du diesen Weg wählst.“

 

„Es ist meine Pflicht.“

 

„Bullshit! Das bist du, wie du dein Leben weggibst und zwar in die Hände eines radikalisierten Kreuzzüglers. Als du dich für ANBU entschieden hast, habe ich dich unterstützt. Ich wollte dich vor diesem Pfad bewahren, aber ich habe dich nie davon abgehalten, ihm zu folgen. Gott, ich war sogar stolz darauf, dass du deinen Überzeugungen treu geblieben bist. ANBU konnte ich ertragen. ANBU konnte ich verstehen. Aber KERN?“

 

„Das stimmt. Du verstehst es nicht. Und wenn ich dich dazu bringen könnte, zu verst-“

 

„Ich will es nicht hören. Ich will kein Teil von Danzōs Intrigen sein. Nicht jetzt. Niemals. Ich werde nicht nochmal diese Art von Blut an meinen Händen haben. Du wählst Danzō oder du wählst uns. Es gibt keinen Mittelweg.“

 

„Ich kann hierbei keinen Rückzieher machen.“

 

„Warum?!“

 

Die kleinste Bewegung der Kehle, ein Zucken von Sehnen, bevor sich die Lippen anspannten und die einst so melodiöse Stimme kalt und stahldurchzogen erscholl. „Weil wir uns nicht alle aus dem Staub machen können.“

 

„Oh, du hast dich nur zu gut aus dem Staub gemacht. Du hast deine Bande zu diesem Clan zerschnitten und dich mit einem gottverdammten Kult aus dem Staub gemacht.“

 

„Das ist mein Weg.“

 

„Dann bist du für mich gestorben.“

 

Nichts. Keine Miene, keine Erwiderung. Gemessen an der Reaktion, die er zeigte, war er vielleicht bereits gestorben. „Dann sag Ino, dass ich gestorben bin, als ich meine Pflicht getan habe, Ojisan…“

 

„Verdammt seist du, Junge, wage es nicht, mich so zu nennen! Und wage es nicht, den Namen meiner Tochter auszusprechen. Ab jetzt bist du für sie genauso gestorben wie für mich.“ Er schüttelte den Kopf und seine seegrünen Augen brannten vor Zorn. „Du willst alles auslöschen, was du bist und das für einen militanten Bastard; dann tu es. Aber dein verschwendetes Leben wird nirgendwo in der Nähe meiner Familie begraben werden. Nicht in ihren Herzen und auch nicht in ihren Köpfen.“

 

Ein plötzlicher Ausbruch von Emotionen, ein Riss in der überfrosteten Miene…und der Junge, den Inoichi einst gekannt hatte, brach sich Bahn, als sein Gesicht zuckte, als wollte er den Strom an Gefühlen aufhalten, die nach außen sickerten und sich in violetten Augen sammelten. „Das würdest du tun…?“, krächzte er. „Mich aus ihren Erinnerungen löschen?“

 

Und Inoichi verhärtete sein Herz, verschloss seinen Geist. „Innerhalb eines Herzschlages.“

 

„Eines Herzschlages? Hast du so lange gebraucht, dich für das Auslöschen zu entscheiden, als du Shikak-“

 

„Halt den Mund!“, explodierte Inoichi, stürzte um den Tisch und jeder Muskel zog sich mit gezügelter Brutalität straff, als seine Augen loderten und seine Nasenflügel bebten. „Kami helfe mir, ich bring dich um.“

 

„Siehst du es?“ Ein Lachen, das keinen Humor in sich hielt, erstickt und kehlig. „Liebe oder zerbrochene Bande. Loyalität oder Verrat. Richtig oder falsch. Gut oder böse. So festgelegt für dich. So schwarz und weiß. Ich habe dich immer für deine Werte geliebt, aber Gott, wie ich dich gerade für deinen kurzsichtigen Blick auf die Welt hasse!“

 

„Mich hassen? Mit Sicherheit musst du mich über alle Maßen hassen, um das zu tun. Hierher zu kommen und mir alles ins Gesicht zu schleudern, was ich dir jemals beigebracht habe!“

 

„Es ist NICHT schwarz und weiß! Es ist nicht so simpel!“

 

„Oh du hast es so simpel gemacht. Du hast dir zusammen mit Danzō dein Grab geschaufelt und jetzt kannst du darin verrotten. VERSCHWINDE! Und komm ja nicht wieder zurück!“

 

Er war niemals wieder zurück gekommen…

 

Inoichi blieb stehen; einen Schritt zurück gestoßen von der Wucht seiner Erinnerungen und der Reue, die sie begleitete. Er stützte eine Hand gegen den Tisch, als würde er gegen einen Schwindel ankämpfen. Über ihm surrte die Lüftung und das Gesindel huschte davon; ihre maskierten Signaturen pulsierten in seinen Verstand hinein und wieder hinaus, bevor sie verschwanden. 

 

Überrascht hob sich sein Kopf. 

 

Sieht aus, als würden die Ratten das Schiff verlassen…

 

Kaum hatte er diesen Gedanken beendet, da glitt die dicke Tür auf und vier KERN Agenten schwappten herein. Ohne ein einziges Wort bewegten sie sich durch den Raum, um sich in allen vier Ecken wie Wachposten zu positionieren. 

 

Inoichis Augen verengten sich. 

 

Was zur Hölle?

 

Eine weitere Chakrasignatur flackerte in seinem Verstand auf. 

 

Gerade drehte er den Kopf, als ein spindeldürrer Mann durch die offene Tür geschlurft kam; die Arme hatte er um einen farbcodierten Stapel flatternder Papiere und einige Ordner geschlungen. 

 

„Inoichi-san“, sagte der Mann, während er sich setzte. 

 

Rasch musterte er den Mann von Kopf bis Fuß, nahm das schilfartige weiße Haarbüschel, die breite, glänzende Stirn und die dunklen Perlaugen in sich auf, die weit voneinander entfernt in einem flachen insektengleichen Gesicht saßen. Eine randlose Brille vergrößerte den hektisch zuckenden Blick, als er zwischen den KERN Agenten und Inoichi hin und her huschte, aufzeichnete und bewertete. 

 

Shikakus Seelenklempner…

 

Inoichi erkannte ihn nicht zuletzt an den Mantis-gleichen Zügen. Shikaku sprach nie darüber. Und Inoichi fragte nie. Er kannte nur einen einzigen Fakt. Einen Namen. 

 

Dr. Mushi.

 

Endlich ein Mann, von dem er nicht überrascht war, ihn zu sehen. 

 

Aber die Vorhersehbarkeit der Anwesenheit des Arztes trug überhaupt nichts dazu bei, Inoichis wachsendem Unbehagen den Biss zu nehmen. Er sah zu, wie der Psychiater mit einem scharfen kalkulierten Schnappen seines Zeigefingers durch die Papiere blätterte und all die Fußnoten, Fakten und Zahlen durchging, die Inoichi nicht hatte. 

 

Hierbei kann es nicht um Shikaku gehen…er ist seit einundzwanzig Jahren stabil…

 

Einundzwanzig Jahre. Sie waren wie Sand durch ein sehr kleines Stundenglas gelaufen. Ein Tag nach dem anderen; so hatte er versucht, sein Leben zu leben. Denn es gab keine Garantien und nichts war selbstverständlich. 

 

Und trotzdem…wusste ich irgendwie immer, dass dieser Tag kommen würde…

 

Es hatte ihn seit Jahren heimgesucht wie ein Schatten auf seiner Seele. Stirnrunzelnd verlagerte Inoichi sein Gewicht zwischen beiden Füßen, als könnte er so das schwere Gefühl abschütteln, das sich festsetzte. 

 

„Geht es dir gut, Inoichi-san?“, fragte Dr. Mushi über den Tisch hinweg und sah dabei über die Ränder seiner Linsen. „Ich kann mir vorstellen, dass das hier sehr schwer für dich sein muss.“

 

Inoichi machte sich kaum die Mühe, sein Schnauben zu unterdrücken. Was für eine Aussage. Was für eine Art und Weise, das Messer zu drehen. Er bedachte den Doktor mit einem schmallippigen Lächeln und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die Türöffnung, als der Klang eines Stockes auf Beton durch den Gang hallte; ein stetes klack-klack-klack. Es ertönte wie das nervtötende Tropfen von Wasser. Ein Niesel vor dem Platzregen. 

 

Inoichi sog scharf die Luft ein und sah zu, wie die Silhouette eine Form annahm. 

 

Danzō erschien im dunklen Maul der Tür und sein Blick driftete durch den Raum wie ein kalter Wind. Er führte mit seinem Stock und seine Schritte waren steif. Flankiert wurde er von seinen unerschütterlichen Begleitern; Fū und sein KERN Partner, ein Mann, der in die schwere Kleidung eines Aburame Shinobi gehüllt war. 

 

Inoichi schenkte den beiden keinerlei Beachtung, sondern hielt seinen Blick auf Danzō gerichtet. 

 

Der Shimura lehnte sich schwer auf seinen Stock und seine Schritte waren so gestelzt und sein Näherkommen so langsam, dass man meinen könnte, er hätte starke Schmerzen. Doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Und Inoichi hatte keinerlei Absicht, auf diesen gebrechlichen Trick herein zu fallen. Er folgte dem langsamen Orbit, den Danzō um den Tisch herum beschrieb und beobachtete, wie sich der Shimura wie ein Raubvogel um den Beuteplatz bewegte. Letztendlich ließ er sich auf dem Stuhl direkt gegenüber der Tür nieder. 

 

Nach einer langen Pause ergriff Danzō das Wort: „Setz dich hin, Inoichi.“

 

Inoichi erwiderte nichts, stand einfach nur da und betrachtete ihn ruhig. 

 

Danzō hob sein vernarbtes Kinn. Und das signalisierte das langsame Gleiten der Tür; es schloss die Außenwelt ab und ließ nur den kalten Hohlraum des Zimmers zurück, sowie das kränkliche ockerfarbene Leuchten der schwächlichen Deckenlampen.

 

Was? Das war’s?

 

Mit tief gerunzelter Stirn scannte Inoichi den Tisch. 

 

„Was ist?“, fragte Dr. Mushi und fing sich dadurch einen scharfen Blick von dem Yamanaka ein. „Hast du sonst noch jemanden erwartet?“

 

Da er dachte, dass eine beiläufige Erwiderung die beste Art zu spielen wäre, setzte Inoichi ein weiteres dünnes Lächeln auf und ließ seine Stimmt mit einem trockenen Tonfall hervor rollen. „Ist nicht gerade die Aufmachung, die ich mir vorgestellt habe.“

 

Danzōs nach unten gezogener Mund verdrehte sich zu etwas, das vielleicht ein Schmunzeln sein sollte. „Nur Narren setzen alles was sie haben auf eine Karte, Inoichi-san.“

 

Innerlich überrascht behielt Inoichi eine neutrale Miene bei. Er hatte nicht vorgehabt, mit seinem Spiel der Unverschämtheit an irgendwelche Informationen zu kommen. Das nannte man wohl Glück. Denn jetzt wusste er mit Sicherheit, dass es da zumindest noch eine weitere Person – wenn nicht sogar mehrere – gab, die in dieses Treffen hätten eingeweiht werden sollen. 

 

Während er in das eine sichtbare Auge des Shimura stierte, tat Inoichi mit einem Neigen des Kopfes so, als würde er diesem Punkt nachgeben. „Ich nehme an, wir sind hier, um über Nara Shikaku zu sprechen.“

 

„Setz dich hin“, wiederholte Danzō. 

 

Sofort versteifte sich Inoichis Wirbelsäule. Er machte keinerlei Anstalten, sich zu fügen. 

 

Mushis glänzende Augen musterten ihn; ein Funkeln von Ränkespiel hinter den runden Linsen, als würde er versuchen herauszufinden, was für ein tief verwurzeltes psychologisches Problem diese Rebellion verursachte. 

 

Gott, ich hasse Seelenklempner…

 

Noch einmal ergriff Danzō das Wort und seine Stimme war dabei eine schonungslose verbale Faust. „Setz dich hin, Inoichi.“

 

Inoichi hätte sich vielleicht noch an einem weiteren Moment des Trotzes versucht, aber die kalte Furcht in seinem Inneren überwog alles; selbst seine Entschlossenheit, stehen zu bleiben. Langsam zog er sich einen Stuhl heran und ließ sich schwer darauf nieder. 

 

Es entstand eine kurze, beinahe schon neugierige Stille am anderen Ende des Tisches, als sich Danzōs kalt kalkulierendes Auge wie ein Pfeil auf Inoichi richtete. „Solch ungerechtfertigtes Misstrauen, Inoichi.“

 

„Von wem ausgehend?“, forderte Inoichi heraus und ging sofort in die Defensive. „Du zitierst mich hierher und lässt mich für zwei Stunden warten, obwohl du genau weißt, dass der Grund, aus dem du mich gerufen hast, die Diskussion einer Angelegenheit ist, die gar nicht anders kann, als mich zu beunruhigen.“

 

„Beunruhigen?“, echote Danzō mit all der Unschuld eines durchtriebenen Kindes. „Wieso das? Gibt es dafür einen Grund?“

 

Inoichis Augen zogen sich bei dem ködernden Tonfall zu Schlitzen zusammen. „Shikaku ist jetzt schon seit einundzwanzig Jahren stabil.“

 

„So ist es“, schaltete sich nun Dr. Mushi ein und plusterte sich dabei auf wie ein Professor, der begierig darauf war, seine Erkenntnisse mit einem Wissenschaftskomitee zu teilen. „Tatsächlich hat sich seine Biochemie nach der Geburt seines Sohnes vollkommen stabilisiert. Seitdem hat er bemerkenswerte Fortschritte gemacht.“ Und wie um seine Aussagen empirisch zu unterstützen, blätterte Mushi mit dem Daumen durch ein paar Notizblätter, bevor er ein Papier hervor zog. „Ich wurde gerade eben erst über seine Begegnung mit den Kusagakure Chimären unterrichtet und ich muss sagen, dass es äußerst vielversprechend ist zu sehen, dass alle psychologischen Trigger weiterhin ruhen. Keine Symptome der Vermeidung oder Übererregbarkeit. Wirklich sehr vielversprechend.“

 

„Ich denke, du hast deinen Punkt deutlich gemacht, Doktor“, sagte Danzō. 

 

Inoichi bemerkte die Öffnung und grätschte rasch hinein. „Was den Sinn, mich hierher zu bestellen, in Frage stellt. Shikaku ist nicht abgerutscht. Nicht ein einziges Mal. Ich würde nicht zulassen, dass das passiert.“ Er spießte Danzō geradezu mit einem erhitzten Blick auf. „Du hast vor dem Sandaime geschworen, dass du KERN von ihm fernhalten würdest. Alles, was die Oberflächenaktivitäten von Kusagakure betrifft, wurde in meinen Händen gelassen.“

 

Danzō besaß ernsthaft die Frechheit, belustigt auszusehen. „Territorial wie immer, Yamanaka. Aber wie es uns die Vergangenheit lehrt, können wir die Menschen oder die Pläne, die wir schützen wollen, nicht immer kontrollieren.“

 

Elender Hundesohn. 

 

Inoichi krallte seine Finger in den Arm seines Stuhls, um sich davon abzuhalten aus seinem Platz zu schnellen. Er konnte fühlen, wie die kalten Insektenaugen von Dr. Mushi mit der morbiden Faszination eines Wissenschaftlers, der ein menschliches Experiment begutachtete, über ihn huschten.

 

„Du machst dir Sorgen um deinen Freund“, stellte der Doktor fest. 

 

Inoichi funkelte ihn zornig an. „Du hast einen wirklich großartigen Sinn für das Offensichtliche, Doktor.“

 

„Dann schieb deine Besorgnis beiseite“, sagte Danzō. „Wir sind nicht hier, um über Nara Shikaku zu diskutieren.“

 

Argwöhnisch wurden Inoichis Augen schärfer, als sie zu Fū zuckten. „Und der Zweck deiner kleinen Fehlleitung auf der Lichtung?“

 

Danzō schmunzelte. „Der Zweck war, deine Aufmerksamkeit zu bekommen, Yamanaka.“

 

Der Schlag und bittere Beigeschmack von Manipulation trafen Inoichi mitten ins Innerste und drohte, die kühle Schale aus Logik aufzuknacken, die er stets über sein vulkanisches Temperament gelegt hielt. Danzō hatte ganz genau gewusst, wie er ihn spielen musste. Es gab nur eine einzige Sache, die jemals erfolgreich gegen ihn eingesetzt worden war. Seine Familie. Und er betrachtete den Nara und den Akimichi als einen komplexen Teil dieses Kreises. 

 

„Shikakus Stabilität interessiert mich nicht“, stellte Danzō klar; ein Echo der Worte, die er vor Jahren gesprochen hatte. „Das hat sie noch nie in Bezug auf diese Angelegenheit. Mein einziges Interesse an Kusagakure besteht darin, in ihrer Untergrundpolitik Fuß zu fassen.“

 

„Ganz genau“, argumentierte Inoichi. „Ihre Untergrundpolitik, nicht das, was über der Oberfläche vor sich geht.“ Doch noch während er es sagte, spürte er die Risse in seiner Überzeugung. Energisch hielt er seinen Zweifel von seinem Gesicht fern und hielt ihn tief in seiner Brust verschlossen. Es würde sicher nicht angehen, dass er Danzō glauben ließ, er wäre in irgendeiner Art willens, bei diesem Treffen mitzumachen. 

 

„Was unterhalb lauert, bleibt nicht immer unter der Oberfläche begraben“, erwiderte Danzō. Mit einer Hand winkte er dem Doktor zu. „Sag es ihm.“

 

Angesichts dieses erniedrigenden Ruckens von Danzōs Handgelenk runzelte Dr. Mushi die Stirn, fügte sich aber nichtsdestotrotz und sammelte seine Notizen zusammen. „Vor einem Monat wurde ich gerufen, um einen Shinobi zu untersuchen, der dabei erwischt wurde, wie er sich durch das Untergrundsystem, das nur ANBU bekannt ist, in das Dorf geschlichen hat. Wir haben einen Spion vermutet.“

 

Inoichi richtete seinen Blick direkt auf den Arzt. „Warum wurde er nicht für eine Befragung zu Ibiki gebracht?“

 

Mushi schüttelte den Kopf. „Das war nicht nötig. Wie sich herausstellte, war es einer von unseren Leuten.“

 

„Einer von meinen“, korrigierte Danzō. 

 

Inoichis Kiefer verkrampfte sich bei dieser Behauptung. „KERN.“

 

Mushi nickte. „Ein verdeckter Agent in ziemlich ernstem, geradezu katastrophalem Zustand.“ Er zog einige Notizen zurate und blätterte durch medizinische Berichte. „Misshandelt, ausgelaugt, unterernährt, an einer einsetzenden Sepsis und einem unregelmäßigen Chakra Rhythmus leidend. Was mich allerdings verblüfft hat, war, wie klar er zu sein schien, zumindest anfangs. Er bat immer wieder um medizinische Hilfe, bevor man ihm gestatten sollte, dem Hokage zu berichten.“

 

Inoichis Brauen hoben sich zusammen mit ein paar roten Flaggen. Warum sollte ein KERN Agent nach dem Hokagefragen? Sie unterstanden einzig und allein Danzō. Ebenso war es unerhört für einen Agenten, medizinische Hilfe zu verlangen, wenn er luzide genug war, um Bericht erstatten zu können. Alle ANBU Agenten – egal ob KERN oder nicht – mussten ihren Vorgesetzten umgehend Bericht erstatten; völlig ungeachtet des Zustandes, in dem sie sich befanden. Sie konnten ihre Lungen aushusten oder ihre Eingeweide auf dem Boden verteilen, während sie ihre gesammelten Informationen weitergaben; die kalte Tatsache blieb, dass die Informationen immer mehr Wert und wichtiger waren als das Leben des Agenten. 

 

Mushi schmunzelte grimmig über Inoichis perplexes Stirnrunzeln. „Ich weiß. Äußerst ungewöhnlich. Aber er war absolut unnachgiebig. Natürlich hat mich dieser Bruch mit dem Protokoll von KERN alarmiert.“ Ein Hauch von Bedauern zog die Haut zwischen den ausgedünnten Brauen des Arztes zusammen. „So grausam die Taktik auch war; ich habe ihm gesagt, ich würde ihm erst medizinische Hilfe holen, wenn er mir ein paar Antworten gibt.“

 

Schnaubend ruckte Inoichis Braue schräg nach oben. „Offensichtlich hattest du den Folter und Verhör Part gut im Griff.“ Er ignorierte den verletzten Blick des Doktors. „Und? Hat er geredet?“

 

Seufzend tippte Dr. Mushi mit einem Finger auf den Bügel seiner Brille. Die Linsen blitzten weiß auf und verdeckten seine gesenkten Augen. „Nein; während seines Verhörs erlitt er einen septischen Schock und wurde zwei Wochen lang auf der privaten Intensivstation von ANBU untergebracht, bevor ich gerufen wurde, um ihn erneut zu untersuchen.“ Er durchwühlte seine Notizen und umfasste einer seiner Linsen mit den Fingern wie ein Monokel. „Wie auch immer; kaum war er medizinisch stabil, da weigerte er sich zu kooperieren. Ich konnte nichts aus ihm heraus bekommen. Er bestand immer nur darauf, den Sandaime zu sehen-“

 

„Den Sandaime?“, echote Inoichi ungläubig. 

 

Mushi nickte ernst. „Ihm war nicht klar, dass Hiruzen-sama vor mehr als zwei Jahren verstorben war. Und lass mich dir versichern, dass das kein Fall von Amnesie war. Er war geschockt, ich wage sogar zu sagen, er war traurig und bestürzt. Ungewöhnlich emotional für einen KERN Agenten.“

 

Seltsam.

 

Und frustrierend. Aber er konnte nicht darüber nachfragen, wenn Danzō auf der anderen Seite des verdammten Tisches hockte. Seufzend rieb sich Inoichi über den Kiefer und stieß einen Atem zwischen den Fingern aus. „Er muss wirklich sehr tief undercover gewesen sein, wenn er nicht wusste, dass der Hokage tot ist.“

 

„Ja. Der Agent wurde seit über zehn Jahren als ansässiger Spion in Kusagakure eingesetzt“, erklärte Mushi und spähte kurz nach Bestätigung suchend zu Danzō. „Seine Mission bestand darin, deren Untergrund Operationen im Auge zu behalten, ja?“

 

Schon wieder wanderte eine von Inoichis Brauen nach oben. „Untergrund Operationen?“

 

„Untergrund Projekt“, korrigierte Danzō und seine nächsten Worte erschollen wie eine Totenglocke. „Projekt Shinjū. Ich bin mir sicher, du erinnerst dich.“

 

In der Stille, die diesen Worten folgte, verschwand sämtliche Farbe schneller aus Inoichis Gesicht als die Luft aus seinen Lungen. 

 

Erinnern?

 

Kami, er hatte einundzwanzig Jahre damit verbracht, sich zu erinnern. Er musste seine Hände gegen die Tischkante stemmen, um sich gegen den Ansturm an Erinnerungen zu wappnen. 

 

‚Oh Gott nein. Shikaku…was…was hast du getan?‘

 

‚Das ist meine Natur.‘

 

Inoichi drehte den Kopf zur Seite, als hätte man ihn geschlagen und presste die Lider aufeinander, bevor er seinen Blick auf Höhe mit Danzōs brachte. Seine Stimme war ein gefährliches Grollen. „Projekt Shinjū ist vor einundzwanzig Jahren beendet worden.“

 

„Nicht wirklich, Yamanaka.“

 

Mit äschernem Gesicht und am Rande eines üblen Brechreizes verkrampfte sich Inoichis Griff um den Tisch. „Wovon zur Hölle redest du? Das war die Mission von KERN.“

 

Vollkommen unempfindlich gegen das anklagende Starren neigte Danzō den Kopf und sein einzelnes Auge war dabei dunkel und tot wie Stein. „Nein, Inoichi. Projekt Shinjū zu beenden war eure Mission. Deine, Chōzas und Shikakus. Und was für ein Chaos ihr daraus gemacht habt. Du solltest dankbar dafür sein, dass Hiruzen das meinen Händen übergeben hat, um zumindest noch irgendetwas aus dieser Katastrophe zu bergen.“

 

Und mit diesen Worten hätte Danzō auch nicht härter oder schmutziger zuschlagen können, wenn er eine rostige Klinge direkt durch Inoichis Brustbein gerammt hätte.

 

Bergen?“, raunte Inoichi fassungslos. „Was zur Hölle hätte aus dieser Einrichtung geborgen werden können, außer die Opfer der Experimente, die dort stattgefunden haben? Und selbst wenn; am Ende ihrer Qualen waren sie ja nicht einmal mehr wirklich menschlich. Was sollte man wollen mit…“ Er brach ab und seine Augen wurden groß. 

 

Danzō sagte nichts. 

 

Entsetzt schüttelte der Yamanaka in schierer Fassungslosigkeit den Kopf. „Götter, du bist nicht besser als Orochimaru.“

 

„Inoichi“, warnte Mushi.

 

„Ist schon in Ordnung, Doktor“, erwiderte Danzō. „Ich bin es gewohnt, dafür vor Gericht gestellt zu werden, diffizile Anweisungen zu geben, die nur meine Leute ausführen können. Selbst dann, wenn diese diffizilen Anweisungen dem Wohle des Dorfes dienen.“

 

„Dem Wohle des Dorfes?“, knurrte Inoichi und seine Stimme hob sich zusammen mit dem Feuer in seinem Bauch, das sich über den eiskalten Schock stahl. „Für das Wohl des Dorfes war es deine Pflicht, diese Einrichtung zu schließen. Würde dir dieses Dorf auch nur ein winziges Bisschen bedeuten, dann hättet ihr jeden Quadratzentimeter dieser Einrichtung abgeriegelt, verbrannt und begraben.“

 

„Du glaubst, dass Hiruzen es begraben haben wollte.“

 

Inoichis Atmung erstarb. Er zog den Kopf zurück; sein Verstand völlig paralysiert von dieser ungeheuerlichen Behauptung. „Was?“ Er erstickte fast an dem Wort und hustete es kopfschüttelnd auf einem rauen Lachen heraus. „Ich glaube dir nicht.“

 

„Nein. Das würde deine moralische Überlegenheit kompromittieren. Und wie hoch und mächtig die über der Oberfläche doch sind und diejenigen verdammen, die darunter arbeiten.“ Auch Danzō schüttelte den Kopf. „Kein Wunder, dass das größte Versagen von Hiruzens kostbaren Ino-Shika-Cho aus den Aufzeichnungen gestrichen wurde. Gott bewahre, dass ihr als irgendetwas anderes als als Helden gefeiert werdet.“

 

Säure in alte Wunden und Inoichis Augen glühten wie oxidiertes Kupfer. „Sagst du mir gerade, dass Pojekt Shinjū niemals lahm gelegt wurde?“ Und bei Danzōs Schweigen spürte Inoichi das Frösteln einer Skeletthand, die seine Wirbelsäule hinunter strich. „Götter…kommen diese Chimären von dort? Ist das die Untergrund Aktivität, die ihr all die Jahre überwacht habt?“

 

Danzōs Auge blieb dunkel und unergründlich; da war nicht einmal der Hauch einer Emotion oder ein Funke von Intention. „Die einzigartige Position von KERN erfordert es, dass er mit allen Ebenen der Unterwelt in Verbindung steht, Inoichi. Nur gleichgesinnte Individuen mit der Stärke, das zu tun, was für das Wohle dieses Dorfes notwendigist, könnten die Art von Opfer verstehen, die es braucht, um diese tieferen Ebenen zu infiltrieren. Dich und dein Team geschickt zu haben war ein Fehler. Einer, den Hiruzen bereinigt hat, indem er diese Angelegenheit in meine Hände gelegt hat.“
 

„Was? Sodass du Agenten dorthin schicken konntest, um Zuschauer bei menschlichen Experimenten zu sein wie bei einem kranken Sport?“, spie Inoichi aus und ein brutaler Druck begann sich in seiner Brust zu bilden, als seine Lungen wie Blasebälge arbeiteten und seinen Zorn noch weiter anfachten, obwohl er darum kämpfte, ihn einzudämmen. „Der Sandaime hätte das niemals gebilligt! Er hätte niemals ein Projekt unterstützt, das von einem Psychopathen entwickelt wurde; ein Projekt, das Nara Shikaku beinahe sein Leben gek-“

 

„Inoichi-san, bitte“, unterbrach Dr. Mushi ihn sanft und faltete seine Finger über den Akten. „Diese Situation ist viel zu persönlich für dich, als dass du die komplizierte Politik begreifen könntest, die darin involviert ist. Projekt Shinjū mag ja das geistige Kind eines Psychopathen gewesen sein, aber die innovativen Fortschritte, die Shuken in der Chakra Entwicklung gemacht hat – sowohl auf physiologischem, als auch psychologischem Gebiet – haben es uns ermöglicht, unsere eigenen Forschungen zu erweitern und zu entwickeln, bis-“

 

Forschung?“, fauchte Inoichi und seine Stimme zischte dabei wie Dampf zwischen seinen Zähnen hervor. „Ist es das, was Nara Shikaku für euch ist? Verfickte Forschung?“

 

Die im Raum stationierten KERN Shinobi regten sich langsam angesichts der sich aufbauenden Spannung und ihre Finger zuckten; bereit dazu, jederzeit nach ihren Klingen zu greifen. Danzō drehte nur marginal den Kopf und sein nonverbaler Befehl ließ sie sofort wieder erstarren. 

 

Inoichi ignorierte sie; seine Rage war einzig und allein auf den weißhaarigen Therapeuten gerichtet. „Du solltest sein Arzt sein!“, knurrte der Yamanaka und umklammerte die Kante des Tisches, während er den Körper nach vorn neigte wie bei einer Balliste, die kurz vor dem Abschuss stand. „Kami, hast du in den letzten einundzwanzig Jahren überhaupt irgendetwas für Shikaku getan, oder hast du nur eine verfickte Fallstudie um sein Trauma herum aufgebaut?!

 

Dr. Mushi schreckte in seinem Stuhl zusammen und zog sich zurück, als wäre er physisch angegriffen worden. „Auch wenn ich verstehen kann, dass du einen solchen Irrglauben hegst, Yamanaka-san, lass mich dir versichern, dass ich niemals die geistige Gesundheit meines Klienten kompromittieren oder ausnutzen würde, um-“

 

Inoichi ließ seine Hand nach unten donnern und schnitt sie in einem brutalen Schwung über den Tisch, bevor er sich halb aus dem Stuhl und über den Zwischenraum lehnte. „Erspar mir deine scheinheiligen Zusicherungen, du widerliches kleines Stück Scheiße! Hast du überhaupt irgendeine Ahnung, was Shikaku durch die Hände dieses Monsters angetan worden ist? Hast du irgendeine Ahnung, was Shuken getan hat? Hast du irgendeinen gottverfickten SCHIMMER von dem, was vor sich gegangen ist, in diesen-“

 

Opfer“, unterbrach Danzō ihn und seine Stimme dröhnte über Inoichis. „Das ist, was vor sich gegangen ist. Das ist es, was bei Shinobis, die aus den Schatten heraus arbeiten, jeden Tag und jede Nacht vor sich geht. Nur wird es für manche von uns keine Wiederkehr aus dieser Finsternis geben. Keine unterdrückten Erinnerungen. Keine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Kein Hokage, der seine schützende Hand über uns hält und keine manipulierten Berichte.“

 

Fassungslos sackte Inoichi zurück in seinen Stuhl; bestürzt, entsetzt. „Wie kannst du es wagen, das, was Shikaku zugestoßen ist, dafür zu nutzen, deine Taten zu rechtfertigen“, knurrte er und der Beschützerinstinkt für seinen Freund stieg in ihm auf wie ein rachsüchtiger Geist, der aus den dunkelsten und heimgesuchtesten Winkeln seines Herzens auftauchte. „Nein. KERN braucht keine manipulierten Berichte, weil sie nicht für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Sie müssen sich gegenüber niemandem verantworten, oder irgendetwas anderes beschützen als dich.“

 

Danzōs Auge zog sich finster zusammen. „Alles, was ich tue, mache ich für das Dorf“, sagte er leise. „Erinnere mich nochmal daran, was damals deine Motive waren? Unser Dorf vor einem Monster wie Shuken zu schützen? Oder Nara Shikaku davor zu bewahren, ein solches zu werden?“

 

Explosionsartig schnellte Inoichi auf die Füße. „Du dreckiger BASTARD!“

 

Von allen sechs KERN Agenten bewegte sich nur einer. 

 

Fūs Angriff war ein Schemen und sein Tantō ein weißer Streifen. 

 

„STOP!“, bellte Danzō. 

 

Der Schlag traf nie sein Ziel. 

 

Inoichi riss den Kopf zurück. Die Klinge zitterte eine Haaresbreite von seinem Gesicht entfernt. Zornfunkelnd stierte er in bernsteinfarbene Augen und seine Stimme war ein bebendes Grollen. „Du nimmst lieber diese Klinge aus meinem Gesicht, Junge, bevor ich dir Kopfschmerzen verpasse, die dich wünschen lassen werden, du hättest nicht einmal daran gedacht, sie zu ziehen.“

 

Fūs Griff um das Heft der Waffe verkrampfte sich, bis Danzō eine Hand hob und seine Finger in einer zurückrufenden Geste drehte. Fū löste sich und trat zurück hinter den Stuhl seines Meister; gefügig wie ein gut trainierter Kampfhund.

 

Stille legte sich mit einer Regungslosigkeit, die im Licht der plötzlichen Gewalt sowohl kalt und ernüchternd war, über die Luft. Der Zorn sprudelte mit vulkanischer Hitze in Inoichi; ein rauchender Krater in seiner Seele, der seinen Verstand und sein Urteilsvermögen bewölkte…

 

‚Behalte einen kühlen Kopf und einen agilen Verstand, alter Freund.‘

 

Shikakus Worte drifteten durch ihn, wischten den Rauch beiseite und ließen Asche und Schlacke zurück. Inoichis Augen schwelten mit einem inneren Konflikt und unterdrückte Rage grub sich in sein Gesicht. 

 

Und Danzō erwiderte den Blick mit einer unlesbaren Miene, bis sich seine Mundwinkel mit den Ansätzen höhnischen Spotts vertieften. „Tz. Was für Emotionalität. Du enttäuschst mich, Yamanka.“

 

Dr. Mushi, der während ihres Austausches ein stummer Beobachter gewesen war, griff nun seinerseits ein. „Inoichi-san, während deine Befürchtungen und dein Schmerz im Zusammenhang mit dem Shinjū Projekt und der Involvierung von KERN darin verständlich sind, ist doch nicht alles so schwarz und weiß, wie du es gerne hättest.“

 

‚So schwarz und weiß. Ich habe dich immer für deine Werte geliebt, aber Gott, wie ich dich gerade für deinen kurzsichtigen Blick auf die Welt hasse!‘

 

Zerrissen von der tiefen Narbe, die diese Worte auf seinem Herzen hinterlassen hatten, presste Inoichi die Lider aufeinander und fühlte, wie sein Puls heftig in seiner Kehle hämmerte. Gott, einundzwanzig Jahre auf dem langen und kurvenreichen Weg zur Genesung und die Furcht, der Schmerz, die Sorge waren immer noch so roh wie immer. 

 

Es muss so sein…sodass wir uns erinnern können.

 

Erinnern. Erinnern, was geschehen war, sodass Shikaku vergessen konnte. 

 

‚Und wenn er mich bittet, ihn zu erinnern?‘

 

‚Das darfst du nicht.‘

 

‚Aber ich…‘

 

‚Yoshino. Wir müssen uns für ihn erinnern, sodass er vergessen kann.‘

 

Ja. Sie mussten sich erinnern. Immer. Denn es durfte niemals zugelassen werden, dass das, was Nara Shikaku zugestoßen war, jemals wieder irgendjemandem anderem widerfuhr. 

 

Niemals wieder.

 

Mit aller Kraft verbannte Inoichi diese Gespenster zurück in die Tiefen seines Herzens und zwang sich dazu, sich zusammen zu reißen. Nach einem langen Atemzug setzte er sich wieder und ließ die Lava, die durch seine Venen strömte, zu einer dünnen Magmakruste erkalten. 

 

Als er seine Augen wieder öffnete, waren sie ruhig und klar. „Sag mir einfach, warum zur Hölle ich hier bin und was verfickt nochmal du von mir willst.“

 

„Informationen“, erhellte Danzō ihn kühl. „Informationen über Kusagakure, die mir gehören und mir dennoch verweigert wurden. Informationen, bei denen du mir helfen wirst, sie zu beschaffen.“

 

Inoichi hob die Brauen und ein halb gedämpftes Schnauben verfing sich in seiner Kehle. „Wie bitte?“

 

Danzō ruckte mit seinem Kinn zu Dr. Mushi. „Erklär es ihm.“

 

Mushi seufzte. „Wie ich bereits vorhin erwähnt habe, Inoichi-san, hat sich dieser KERN Agent geweigert zu kooperieren, oder von seinen Erkenntnissen zu berichten, weswegen wir gezwungen waren…“ Hier machte Dr. Mushi eine Pause und senkte den Kopf, da er offensichtlich nicht mehr in der Lage war, weiter zu sprechen. 

 

Eine knappe Geste von Danzō genügte und Fū trat nach vorn, um den abgebrochenen Satz des Arztes mit einer Stimme aufzunehmen, die ebenso neutral und unbekümmert war wie seine Miene. „Ich habe seinen Verstand invadiert, um die Informationen zu extrahieren.“

 

Inoichi versteifte sich auf seinem Stuhl und spürte die Bitterkeit von Reue wie ein Magengeschwür in sich. Er war es gewesen, der Fū diese Ninjutsu Technik beigebracht hatte.

 

Hn. Mit den Konsequenzen muss ich wohl leben.

 

Er gestattete der Vergangenheit ihre bittere Schuld und zwang sich dazu, zu fragen: „Und war es erfolgreich?“

 

Danzō stieß ein seltsames Geräusch aus dem Rachen aus. „Wohl kaum.“

 

Inoichi blinzelte; er war sich nicht sicher, ob er von Fūs Scheitern überrascht sein sollte, oder aber beeindruckt von der Stärke dieses mysteriösen Agenten. „Er hat sich widersetzt?“

 

„Er wurde vollkommen nutzlos für mich.“

 

Mushis Miene verdüsterte sich über diese grausame und ungehobelte Einschätzung. „Er hat einen psychotischen Schub erlebt.“

 

Shit. Was hat sich in seinem Verstand abgespielt, das so etwas verursachen würde?

 

Es erfreute Inoichi beinahe schon, daran zu denken, dass Danzō wegen derselben verdammten Frage schlaflose Nächte durchleiden musste. Langsam lehnte er sich ein Stück nach hinten und verdaute diese Information stirnrunzelnd. „Ich nehme an, dass dieser Schub vorbei ist?“

 

Mushi schüttelte den Kopf. „Normalerweise wäre das der Fall, ja. Psychotische Schübe dauern in der Regel einen Tag Minimum bis zu maximal einem Monat. Doch unglücklicherweise geriet der Zustand des Agenten in einen Kontrollverlust. Innerhalb einer Woche war er katatonisch und vor drei Tagen verschlechterte er sich bis zu einem Zustand, der nur als vegetativ bezeichnet werden kann.“

 

Inoichis Brauen schossen nach oben, bevor sie sich in einem perplexen Stirnrunzeln zusammenzogen, während seine Gedanken um diese regelwidrigen Informationen kreisten. Von Katatonie direkt in ein Wachkoma abrutschen? Das war ein höllischer medizinischer Satz – und ein unmöglicher noch dazu. 

 

Ratlos schüttelte Inoichi den Kopf. „Hat er eine Kopfverletzung erlitten, als er misshandelt wurde? Du sagtest er litt an einer Septikämie? Vielleicht hat die Blutvergiftung eine Art Entzündung im Gehirn ausgelöst?“

 

Doch Mushi reagierte auf beide Vermutungen negativ. „Nein. Das ist es ja, was es so bizarr macht. Es gab keinerlei Anzeichen eines Schadens am Kortex und keine Hinweise auf eine Hirnkrankheit. Keine Toxine, keine Tumore, kein Trauma, nichts. Nicht einmal ein Hauch einer neurologischen Störung. Überhaupt keine medizinische Erklärung für diese plötzliche Bewusstseinsstörung. Wir haben uns entschlossen, seine Verfassung als Zustand einer ‚Stase‘ zu bezeichnen.“

 

Danzō sah gelangweilt aus. „Komm zum Punkt, Doktor.“

 

Stirnrunzelnd überflog Mushi einen Block voll mit unverständlichem Gekritzel und paraphrasierte die Informationen rasch in einem einzigen Satz. „Ich bin der festen Annahme, dass seine Stase vollständig selbstverursacht ist.“

 

„WAS?“ Inoichi setzte sich auf und brachte seine zusammengefalteten Hände auf den Tisch. „Selbstverursacht? Aber das könnte nur bedeuten…“ Abrupt brach er ab und ein absackendes Gefühl ergriff von ihm Besitz. 

 

Oh Gott nein…

 

„Ja“, sagte Fū. „Er hat das geheime Kinjutsu des Yamanaka Clans genutzt, um seinen Verstand vollständig herunter zu fahren. Das Kinjutsu, das du entwickelt hast, Inoichi-san.“

 

Überhaupt nicht stolz auf diese Offenbarung oder dankbar für den faszinierten und bewundernden Blick, mit dem der Arzt ihn bedachte, ließ sich Inoichi in seinem Stuhl nach hinten sacken, rieb seine Handflächen aneinander und war entsetzt darüber, als er feststellen musste, dass sie schwitzten. Er fühlte sich eiskalt. Taub. Krank und speiübel bis ins Mark. 

 

Nein. Nein. Das kann nicht sein…

 

„Jetzt verstehst du, was du mir schuldest“, sagte Danzō mit einer Stimme, die so leise war, dass sie ein Frösteln auslöste. „Dieser Agent hatte essentielle Informationen im Wert von zehn Jahren über das Shinjū Projekt in seinem Verstand begraben. Informationen, die mir gehören.“

 

Gelähmt vor Schock stierte Inoichi nur blicklos auf die Mitte des Tisches. Er schien nichts wahrzunehmen außer diese Furcht, die ihre Ranken um sein Herz schlang. 

 

Spion…Agent…

 

Nicht ein einziges Mal hatte Danzō einen Namen erwähnt. 

 

Gott, nein…es kann nicht sein…

 

Er spürte sein Herz in seiner Kehle…oder war das der Name, den er seit über zehn Jahren nicht mehr ausgesprochen hatte…verbannt in die hintersten Winkel seines Geistes, denn…

 

‚Du bist für mich gestorben.‘

 

Inoichi schluckte schwer und erkannte kaum den Klang seiner Stimme wieder, als sie in die Stille krächzte. „Der Agent…wer ist er?“

 

„Wer er ist, ist nicht von Belang. Was von Belang ist, ist, dass er dachte, er könnte mich hintergehen, indem er in die Dunkelheit entschlüpft.“ Danzō lehnte sich leicht nach vorn und sein dunkles Auge war dabei eine brennende Glut in seinem Schädel. „Was von Belang ist, Inoichi, ist, dass du ihn aus dieser Finsternis wecken und all die Geheimnisse offen legen wirst, von denen du ihm beigebracht hast, wie er sie verstecken kann.“

 

____________________

Glossar:

Shinjū: Kann im Japanischen je nach genutztem Kanji zwei Bedeutungen haben; zum einen 'Göttliche Bestie' oder eine Art gemeinsamen Suizid (in der Regel begangen von zwei Liebenden, die nicht zusammen sein können) - beide Bedeutungen werden in 'Under these Scars' relevant sein.

Kaika: Eine Art Feuer mysteriösen oder verdächtigen Ursprungs - ähnliche Bedeutung wie 'Shiranui'

Shuken: Bedeutet soviel wie 'Souverän' (Extra Kekse für jeden, der diese Verbindung hergestellt hat ;) ), Herrschaft oder Überlegenheit

Kinjutsu: Verbotenes Jutsu

Septikämie: Blutvergiftung

Psychotischer Schub: Eine Art Veränderung der Realitätswahrnehmung. In der Regel nimmt der Betroffene nur noch eine Parallel- oder Scheinwelt wahr, die nicht wirklich existiert
 

Uff...ich könnte einen ganzen ROMAN nur zu diesem einen Kapitel schreiben...

Es ist ein Kapitel, in dem zum ersten Mal wirklich VIELE und äußerst wichtige Informationen mit dem Leser geteilt werden. Auch die ein oder andere Frage wird hier bereits beantwortet und ihr bekommt sogar einen äußerst wichtigen Namen. Außerdem wird der Zusammenhang zwischen dem, was Shikaku, und dem, was Shikamaru zugestoßen ist, viel viel deutlicher, oder nicht? 

Ich weiß, das Kapitel ist sehr lang, aber ich konnte es einfach nicht unterteilen, da der Zusammenhang zwischen beiden Szenen einfach viel zu groß und wichtig ist. Ich muss mich wirklich zusammenreißen, hier jetzt nicht anzufangen, über diesen mysteriösen ANBU Agenten zu sprechen, der aufgetaucht ist und seinen Verstand in einen Shutdown herunter gefahren hat. Oder über das, was Shikaku zugestoßen ist und in was für einer Verbindung Inoichi dazu steht. Oder wie Genma in die Angelegenheit mit Shikamaru verwickelt ist...Gott es gibt so viel zu diskutieren und ich hoffe so sehr, dass ihr vielleicht die ein oder andere Frage oder den ein oder anderen Gedanken zu diesem Kapitel habt, denn Gott, mich juckt es so danach, über dieses Kapitel zu diskutieren und vielleicht kann ich das ja mit der/dem ein oder anderen von euch auch tun ;) Würde mich bei diesem Kapitel auf jeden Fall noch mehr als bei allen anderen freuen, zu erfahren, was ihre davon haltet! *-* Also bitte lasst mir ein paar Worte da! :) 
 

Ahja und das war auch schon das letzte Kapitel von 'Requiem' ;) es folgt noch ein Epilog und dann wird es nächste Woche mit 'Under these Scars' losgehen. Ich bin schon so aufgeregt *-*
 

Vielen Dank auf jeden Fall wieder an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Scorbion1984
2021-11-08T20:20:25+00:00 08.11.2021 21:20
Hallo,ich bin von den ganzen Informationen total erschlagen.
Man ist das ein Sumpf in dem die ganzen Ninjas waren.
Kein Wunder wenn die alle einen seelischen Schaden aufweisen.
Danzo ist natürlich wieder voll beim mitmischen .
Immer seine Antwort, er tue alles nur zum Wohle Konohas ,Pustekuchen alles nur für seine Machtverhältnisse.
Das ist schon ein eiskalter ,hinterhältigen Vogel.
Antwort von:  _Scatach_
13.11.2021 14:10
Hey :)

Ja, man bekommt wirklich sehr sehr viele Informationen in diesem Kapitel, das stimmt. Aber das musste ja auch irgendwann mal sein, oder? :D
Es ist tatsächlich wenig verwunderlich, dass man psychisch angeknackst ist, wenn man in einem solchen Umfeld lebt. Danzōs Behauptung, er tue alles nur zum Wohle des Dorfes ist wirklich enorm heuchlerisch, auch wenn er wahrscheinlich wirklich der Meinung ist, dass er das tut! Er ist wirklich ein Charakter, den man aus tiefstem Herzen verabscheuen kann.
Von:  swetty-mausi
2021-11-08T19:56:48+00:00 08.11.2021 20:56
Hallo Scatach,

ein sehr aufschlussreiches Kapitel. Man merkt das du in diesen Kapitel sehr viel,mühe und fleiß rein gesteckt hast. Ich finde es toll die Länge des Kapitel. Es werden einige Fragen geklärt sind aber wieder neue Fragen offen. Es ist einer deiner besten Kapitel.

Antwort von:  _Scatach_
13.11.2021 14:07
Hey :)

Awww, vielen Dank! Es freut mich wirklich sehr, wenn man als Leser/in merkt, wie viel Mühe ich ein Kapitel stecke! Und vielen Dank für dieses Komplimente ass es eines der besten Kapitel ist! *-*
Von:  SasukeUzumaki
2021-11-08T18:08:28+00:00 08.11.2021 19:08
Hey Scatach 😊

Wow was für ein informatives Kapitel. So viele neue Einblicke und ich dachte es kann nicht noch spannender werden. 😱

Kaika aka Genma ist also doch tiefer in die Sache mit Shikamaru verwickelt wie am Anfang gedacht. 🤔 Kein Wunder das seine Psyche am ar*** ist, wenn er so viel Mist erlebt.

Shikaku und Genma sind beide bei diesem komischen Dr. Mushi in Behandlung. Denke mir da nur zum Glück geht Shika da nicht auch noch hin. 😣 Ich mag diesen Doktor nicht. Der steht bestimmt voll unter Danzos Befehl.

Dieser Kern Agent. Ich denke ich weiß wer er ist und ich ahne schlimmes für den nächsten Teil. Da wirds sicher tief unter die Narben gehen und ich denke nicht nur bei Shikamaru sondern auch bei seinem Vater und auch bei einigen mehr.

Aber ich frage mich wirklich was an den Naras so besonderes ist, das der Typ aus Kusa so interessiert an ihnen ist.

Ich bin echt krass gespannt und bin extrem heiss auf den 4.ten Teil und kann es kaum erwarten wenn es nächste Woche losgeht. 😍

Freue mich auf den Epilog.

Liebe Grüße ❤

SasukeUzumaki
Antwort von:  _Scatach_
13.11.2021 14:04
Huhu :)

Ja, in diesem Kapitel bekommt ihr wirklich mal einige Informationen - was bei der BtB Serie ja wirklich äußerst selten der Fall ist :D Freut mich aber, dass ich nochmal eine Schippe drauflegen konnte, was die Spannung angeht :)
Oja, Genma steckt sehr tief in dieser Angelegenheit mit Shikamaru drin! Seine Psyche hat auf jeden Fall mehr als einfach nur einen Riss. Er kann einem wirklich sehr sehr leidtun.

Ich kann sehr gut verstehen, dass du den Arzt nicht magst, muss aber auch betonen, dass er nicht ganz so der üble Kerl ist, wie er hier vielleicht wirkt ;) Ich will ihn nicht komplett in Schutz nehmen, aber er ist nicht einfach nur ein Arsch :D

Ja, es ist glaube ich schon ziemlich offensichtlich, um wen es sich bei dem KERN Agenten handelt. Und es wird sehr tief unter die Narben von einigen Leuten gehen im letzten Teil. Nicht nur unter die von Shikamaru, da hast du vollkommen recht.

Es geht nicht um die Nara im Allgemeinen als Clan, sondern im speziellen um Shikaku und Shikamaru. Es hat viel mit ihrer Intelligenz zu tun. Aber es kommt noch raus, warum dieser Kerl so ein Interesse an den beiden hat ;)

Awww, ich freu mich so ABARTIG, dass du schon so gespannt bist auf den vierten Teil!! *-* <3

Vielen vielen Dank für dein liebes Review und ganz liebe Grüße,
Scatach


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