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Demon Girls & Boys

von

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Auszeit

Auszeit
 


 

Seufzend ließ Laura den Kopf auf ihre Matheunterlagen fallen. Sie saß an ihrem Schreibtisch in ihrem Zimmer an der Coeur-Academy und lernte für die bevorstehenden Zwischenprüfungen. Diese waren am ausschlaggebendsten für die Noten am Ende dieses Halbjahres. Alle Schüler mussten immer in sechs Fächern eine Prüfung absolvieren. Davon war ein Fach die Kampfkunst bzw. die Magielehre, die sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Teil hatte. Das war laut der Lehrer und älteren Schüler auch die wichtigste Prüfung. Wenn man dort durchfiel, konnte man noch einen Wiederholungsversuch in den Ferien starten und wenn man den auch nicht schaffte war’s das und man durfte das Jahr wiederholen. Okay, es war eine Schule für antike Begabte, da war es eigentlich klar, dass diese Fächer die wichtigsten waren. Aber Laura fand die Regelung trotzdem ziemlich krass.

Die anderen fünf Fächer konnte man immerhin noch irgendwie ausgleichen, falls man in einem durchfallen würde. Darunter waren noch die Pflichtfächer Mathe und Damisch. Als viertes Fach durfte man sich eine der Sprachen aussuchen, die man belegte. In Lauras Fall war das natürlich Japanisch. Jeder nahm dort seine Muttersprache, denn an der Coeur-Academy wurden alle möglichen Sprachen aus den Regionen Damons unterrichtet, aus denen auch die Schüler kamen. Das stellte natürlich für Janine und Carsten ein Problem dar, denn diese beiden waren die jeweils einzigen aus ihrer Region, weshalb ihre Muttersprache an der Schule nicht gelehrt wurde. Okay, für Carsten war das genau genommen kein Problem, der konnte sowieso alles. Und Janine schien auch ein Talent für Sprachen zu haben, soweit Laura das beurteilen konnte.

Als fünftes Fach durfte man sich eine der Sportarten aussuchen, die man nachmittags immer belegte. Da Laura bekanntlich total unsportlich war kam für sie in dem Fall nur Reiten infrage. Das bekam sie noch so halbwegs auf die Reihe.

Das letzte Fach durfte man sich komplett frei aussuchen und Laura hatte sich natürlich für Kunst entschieden, in der Hoffnung ihr Manga-Zeichnen-Hobby würde sich jedenfalls so auszahlen können.

„Laaaaaauuuuuuraaaaaaa, kannst du mal über meine Aufgabe schauen? Ich bekomme da was ganz Anderes raus.“, kam von der anderen Seite des Raumes Arianes flehende Stimme.

„Klar.“ Laura ging zu ihrem Schreibtisch rüber und schaute über Arianes Aufgabe.

Die beiden Mädchen hatten sich darauf geeinigt, so oft es ging gemeinsam zu lernen. Das hatte eine gewisse Förderung der Motivation, weil sie so beide gleichzeitig leiden mussten, sich im Notfall vielleicht helfen konnten und auch noch über die Aufgaben und so weiter lästerten, wenn sie es nicht auf die Reihe bekamen. Jedenfalls in Mathe war das häufig sehr hilfreich.

„Du hast bei der Polynomdivision hier einen Vorzeichenfehler eingebaut.“, meinte Laura, als sie bemerkte, dass Nane einfach nur ein Minus vergessen hatte.

„Und das hat mein Ergebnis so verfälscht? Oh Mann, Mathe kann echt böse sein. Danke schön.“

„Kein Problem.“

Laura warf einen Blick auf die Uhr. „Oh, es ist schon so spät? Wir haben gleich Sport, Nane.“

„Oh nein, wie schrecklich, ich muss aufhören zu lernen!“, rief Ariane aufgebracht und schon waren ihre Mathesachen verschwunden. Da warf sie selbst einen Blick auf ihre eigene Uhr. „Stimmt doch gar nicht, wir haben noch zwanzig Minuten Zeit, bis die Stunde losgeht!“

Laura kicherte. „Oh nein, du hättest noch volle zehn Minuten zum Lernen gehabt.“

Ariane verdrehte die Augen, da fiel ihr noch etwas auf. „Moment, hast du nicht gleich Prüfung?“

Laura seufzte. „Ja, Reiten. Deswegen möchte ich auch etwas früher los.“

„Ach sooo. Und ich dachte schon, du wolltest Benni nach seinem Unterricht abfangen und mit ihm gemeinsam zum Sportplatz gehen.“

Laura wurde sofort rot. „Gar nicht wahr.“

Also… eigentlich schon wahr.

Ariane grinste sie wissend an. „Na gut, ich begleite dich noch bis zum Hauptgebäude.“

Während sie den großen Platz entlanggingen, dessen Gras saftig grün und mit lauter Gänseblümchen und Butterblumen geschmückt war, fragte Laura Ariane: „Du hast in Leichtathletik am Mittwoch deine Prüfung, oder?“
„Jap, leider.“ Ariane überlegte einen Moment. „Wobei… So schlimm wird das nicht.“
Laura schnaubte. „Will ich doch meinen, nachdem du beim letzten Sprint Anne Meterweit hinter dir gelassen hast.“

Das war eine lustige Geschichte. Ariane musste letzte Woche gegen Anne ein Rennen in der Leichtathletikstunde machen und hatte eine deutlich bessere Zeit als sie, auch wenn es genau genommen nur ein paar Millisekunden waren. Das Rennen an sich war zwar nicht so spektakulär gewesen, aber die Folgen beim Abendessen waren unterhaltsam genug. Denn natürlich mussten die Mädchen Anne damit aufziehen. Sie hatte gegen Ariane ein Rennen verloren!

Ariane lachte. „Anne mag vielleicht im Kämpfen viel stärker sein als ich, aber in Leichtathletik ist mir keiner gewachsen!“

Von hinten klopfte jemand Ariane auf die Schultern. „Wohl wahr Nane-Sahne. Aber im Schwimmen bin ich diejenige, die dich abzieht.“

„Pah, das wollen wir mal sehen, Lissi.“ Herausfordernd grinsend drehte sich Nane um.

Lissi, Susanne, Öznur und Janine waren zu ihnen aufgeschlossen, was vermutlich daran lag, dass Laura und Ariane inzwischen beim Hauptgebäude standen. Sie waren direkt am Ausgang, der den Naturwissenschaftsräumen am nächsten lag und die Magierinnen hatten zufällig gerade Bio gehabt. Wo Lissi auf einmal herkam, konnte Laura allerdings nicht sagen.

„Hehe, ich glaube, das läuft auf ein weiteres Rennen hinaus.“, meinte Öznur belustigt.

„Wenn du unbedingt verlieren möchtest, Nane-Sahne?“

Ariane hob beide Augenbrauen. „Denkst du im Ernst, du kannst mich schlagen?“

Lissi zuckte mit den Schultern. „Klar, immerhin herrsche ich über das Wasser.“

„Und mein Dämon ist ein Hai.“ Ariane schnaubte.

„Sag uns, wie’s ausgegangen ist.“, bat Janine Susanne belustigt.

„Oder dreh gleich ein Video!“, schlug Öznur begeistert vor. „Schlimm genug, dass Laura das letztens verpennt hatte!“

Susanne kicherte. „Ich habe mein Handy leider nicht dabei.“

„Dann geh’s holen!“, forderte Öznur sie spaßend auf.

„Was holen?“ Just in diesem Moment verließen Carsten und Benni das Gebäude. Vermutlich hatte Carsten noch auf ihn gewartet, da Benni im Nebenraum von den Magiern Chemie hatte.

„Susis Handy, damit sie auf Video aufnehmen kann, wie ich Nane-Sahne im Schwimmen fertigmache.“, erklärte Lissi begeistert die Situation.

Carsten lachte auf. „Oh ja, bitte. Man hat nie ein Handy dabei, wenn man dringend eines gebraucht hätte.“

Während sich Laura verwirrt fragte, ob er damit auf irgendwas anspielen wollte, bekam sie indirekt von Janine eine Antwort, die Carsten und Benni interessiert und belustigt anschaute. „Wie war Hauswirtschaftslehre, Benni?“

Und tatsächlich hatte Carsten mit seiner Aussage etwas andeuten wollen, denn er musste auf ihre Frage hin sofort loslachen. „Oh ja, Benni, wie war Hauswirtschaftslehre?“

„Du warst doch dabei.“, erwiderte Benni trocken.

„Hä? Jetzt sagt doch endlich, was los ist!“, forderte Laura sie auf, die schon vor Neugier platzte.

Endlich ließ sich Carsten dazu herab, auch die anderen einzuweihen. „Ich wollte mir in der Freistunde mal ein Unterhaltungsprogramm gönnen und habe Benni in den Hauswirtschaftslehre-Unterricht begleitet.“

Öznur verdrehte die Augen. „Du hast es ja auch nicht nötig, zu lernen.“

„War es denn jedenfalls interessant? Also, unterhaltsam?“, fragte Ariane grinsend.

Wieder musste Carsten lachen. „Oh ja, und wie. Als wäre die Stichflamme nicht lustig genug gewesen, weil Benni das Fett in der Pfanne hatte zu heiß werden lassen. Er hatte es auch noch tatsächlich geschafft, dass seine Nudeln im Wasser Feuer fingen.“

Nun lachte auch der Rest der Mädchen lauthals los.

„Ist das physikalisch überhaupt möglich?“, fragte Ariane zwischen zwei Atemzügen, nachdem sie sich ein bisschen beruhigt hatte.

Carsten zuckte die Schultern. „Laut dem Lehrer ist das inzwischen schon Standard. Aber er schmeißt Benni trotzdem nicht raus, weil es einfach zu lustig ist.“

„Du hast Chemie doch erst in den zwei Stunden danach.“, witzelte Laura.

Benni verdrehte die Augen. „Du hast vor mir Prüfung.“, brachte er sie auf den Boden der Tatsachen zurück und redete sich so aus dieser dämlichen Situation raus.

Dummerweise gelang das, denn Janine meinte plötzlich. „Oh je, und ich bin sogar eine der ersten!“

Ariane drückte sie fest an sich. „Dann viiiiiel Glück, Ninie! Ich drück dir ganz fest die Daumen.“ Danach zog sie auch Laura kurz in ihre Würgeumarmung. „Und dir natürlich auch!“ Nach einem kurzen Blick auf Benni meinte sie schließlich: „Und dir auch, aber du hast das ja nicht nötig. Außer, du würdest in HL die Prüfung machen, hehe.“

Doch Benni ignorierte sie und machte sich auf den Weg zu den Ställen. Laura verabschiedete sich noch hastig von dem Rest und wünschte Lissi viel Erfolg für deren Prüfung, die sie, wie es der Zufall so wollte, gleich ausgerechnet in Schwimmen absolvieren würde. Danach gingen Janine und Laura Benni hinterher in Richtung Ställe und Reitplatz.

„Schön zu sehen, dass es Carsten wieder gut geht, oder?“ Janine lächelte zu Benni und Laura rüber.

Benni nickte.

Laura schmunzelte. „Hast du ihm deshalb eben nicht gekontert, als er sich mit der HL-Sache einen Spaß erlaubt hat?“

Benni antwortete nicht auf ihre Frage, aber Laura war sich ziemlich sicher, dass das der Fall war.

Überraschenderweise fand sie die Zeit eben trotz der Prüfungsphase richtig schön, regelrecht angenehm. Die Abendgesellschaft und Carstens schlimme Verletzungen lagen nun eine Woche zurück und Laura war einfach froh, dass sie endlich mal etwas Alltag genießen konnten. Carsten war auch wieder ganz der Alte, nur noch leicht rötliche Striemen auf seiner Haut erinnerten daran, dass er vor einer Woche nur knapp dem Tod entkommen war.

Alleine der Gedanke daran ließ Laura erschaudern. Bisher hatten sie wirklich unverschämt viel Glück gehabt. Was wäre passiert, wenn Jacob nicht die Tagebücher von Coeur gehabt hätte, oder wenn Nicolaus Benni vor seinem Tod nicht noch diesen einen Tipp hätte geben können? An sich war Carsten genau genommen ja nur am Leben, weil Benni da war. Seit jenem Moment, als Benni Jack auf der Abendgesellschaft davon abgehalten hatte, Carsten den Gnadenstoß zu verpassen, war er es auch gewesen der die nötigen Informationen in Erfahrung gebracht hatte, um Carsten zu retten.

Laura warf einen Seitenblick auf Benni, während sie den Stall betraten. Leider musste sie feststellen, dass er innerhalb der letzten Woche wieder stiller, in sich gekehrter geworden ist. Klar, sie konnte es ihm nicht verübeln. Auch wenn es seinem Vater anscheinend besser ging war Herr Weihe immer noch tot… Genauso wie Eufelia-Sensei.

Lissi hatte ja gemeint, dass Mars es inzwischen nicht mehr versuchen würde, an die Dämonenbesitzer heran zu kommen und es dafür nun auf den Erben des Yoru Clans abgesehen hatte. Laura fragte sich, was genau er vorhatte. Wollte er Benni tatsächlich in die Verzweiflung stürzen, indem er alle ihm wichtigen Leute ermordete?

Würde es ihm vielleicht sogar gelingen?!

Oder würde Benni nun auf Distanz gehen, in der Hoffnung, genau das zu verhindern?

Aber noch verbrachte er zum Glück seine Zeit mit den Mädchen, Carsten und Laura. Und niemand von ihnen wiederum hatte auch nur im Geringsten vor Benni abzuweisen, weil sie Angst vor Mars hätten.

Immer noch in Gedanken versunken machte sich Laura daran, Peggy, ein wunderschönes schwarz-silbernes Einhorn, für ihre Prüfung fertig zu machen.

Peggy schien zu bemerken, dass sie gedanklich ganz woanders war und stupste sie mit seiner Nase an.

Laura schreckte auf. „Oh, ‘tschuldigung.“

Peggy schnaubte. Wollte er fragen, was mit ihr los war? Oh Mann, Laura würde sich auch so gerne mit Tieren verständigen können!

„Er sagt, du hast den Sattel verkehrt herum aufgelegt.“

Erschrocken zuckte Laura zusammen. Benni stand an die Tür gelehnt in der Box und beobachtete sie ruhig. „Und der Halfter sei zu eng, er bekäme noch Kopfschmerzen.“

„Oh nein! Tut mir leid, tut mir leid!“ Hastig machte Laura die Riemen vom Halfter weiter, bevor sie sich dem Sattel widmete, den sie, weiß Gott wieso, tatsächlich verkehrt herum aufgelegt hatte.

War sie so in ihren Gedanken versunken gewesen?!

Es war definitiv nicht die Prüfungsangst, die Laura im Moment so nervös machte, während sie alles in Ordnung und zu Peggys Zufriedenheit brachte. Okay doch, auch die. Aber zurzeit machte sich Laura einfach große Sorgen um Benni, auch wenn sie bisher nicht mit ihm darüber gesprochen hatte…

Benni schien zu bemerken, dass Laura irgendetwas bedrückte. „Was hast du?“

„Ich bin nur nervös.“, wich sie ihm aus. Nervös war sie sowieso. Vor jeder Prüfung aufs Neue. Sie hatte ihn also nicht angelogen, sie war wirklich nervös!

„Und ich sollte schon mal los. Bald bin ich an der Reihe und ich muss Peggy noch etwas einreiten. Komm Peggy.“

Laura nahm die Zügel und wollte mit Peggy an Benni vorbei die Box verlassen, doch er packte ihren Arm und hielt sie damit zurück. „Das ist nicht nur Prüfungsangst.“

Laura wich seinem Blick aus, doch Benni ließ nicht locker. „Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“

„Was?!? Nein, natürlich nicht!“, rief Laura erschrocken. „Ich äh… Ich weiß nur nicht, wie ich das sagen soll…“

Benni nahm Laura Peggys Zügel aus der Hand und meinte nur zu dem Einhorn: „Sei so nett und warte außen. Wir kommen gleich mit Flicka nach.“

Peggy schnaubte und trabte aus dem Stall.

Irritiert musterte Laura Benni. „W-was? Wie… Wie meinst du das?“

„So, wie ich es Peggy geschildert habe.“

„Ja, aber…“

„Nichts aber. Ich komme mit.“ Mit diesen Worten ging Benni zu Flickas Box.

Laura hatte keinen Plan, wie sie Bennis Worte und die folgenden Taten deuten sollte. Hatte er echt vor, vor ihrer Prüfung noch mit ihr auszureiten? Das hatten sie noch nie gemacht!

Doch schon war Benni wieder da, wobei er Flicka nur den Halfter angelegt hatte.

„Keinen Sattel?“, fragte Laura interessiert.

„Sie hasst den.“, erklärte Benni trocken. Flicka gab zur Bestätigung ein Wiehern von sich.

„Und… Das ist wirklich dein Ernst?“, fragte Laura verunsichert. „Also… Du möchtest wirklich mit mir ausreiten?“

“Natürlich.”

Laura wurde knallrot. „Ist das nicht langweilig?“
„Weshalb?“ Benni verließ mit Laura und Flicka den Stall, wobei er Flicka nicht am Zügel nahm. Diese lief einfach so neben Benni her. Stattdessen war es Laura, die er am Arm gepackt teils mitschleifen musste.

Nicht, weil Laura keine Lust hatte mit Benni auszureiten. Oh nein, sie freute sich eigentlich total darauf! Aber… Benni wollte mit ihr ausreiten???

Tatsächlich wartete Peggy seelenruhig vor dem Stall auf sie und kam Laura entgegen.

Sie hievte sich auf das Einhorn und beobachtete, wie sich Benni trotz fehlendem Sattel auf Flickas Rücken schwang, ohne ihr auch nur irgendwie weh zu tun.

Benni warf Laura einen fragenden Blick zu. „Also?“

Verlegen schaute sie auf Peggys silbern glänzende Mähne. „Also was?“

„Wo möchtest du lang?“

„Ähm… Keine Ahnung…“ Verunsichert erwiderte Laura endlich Bennis Blick. „Möchtest du wirklich mit mir ausreiten?“

Benni seufzte. „Sagte ich doch schon. Ja. Und davon abgesehen: Du musst bis zur Prüfung sowieso noch an deiner Haltung arbeiten.“

Er steuerte mit Flicka auf einen Waldweg zu, der weg von der Coeur-Academy führte und ohne Lauras Befehl begann Peggy den zweien zu folgen.

Als sie den Weg durch den Wald erreicht hatten, fragte Benni schließlich: „Was belastet dich so? Und bitte hör auf, mir auszuweichen.“

Laura seufzte. Benni war einfach viel zu stur. Andererseits… Es war eigentlich schon richtig, dass sie ihre Sorgen mit ihm teilte. Besonders, weil er ja derjenige war über den sie sich Sorgen machte.

„Ich habe einfach Angst.“, antwortete sie.

„Vor was?“

„Dass… dass du dich wieder von uns allen abwenden wirst.“ Endlich schaffte sie es, ihm dabei in die Augen zu schauen. „Erst Eufelia-Sensei, dann Nicolaus und als wäre das nicht schon genug auch noch beinahe dein Vater. Und von Carsten will ich gar nicht erst anfangen. Es ist eindeutig, was Mars damit bezwecken möchte! Aber… ich mache mir Sorgen, dass er sein Ziel tatsächlich erreichen könnte.“

Dieses Mal wich Benni ihrem Blick aus. Er schien nach irgendeiner Antwort zu suchen, doch schließlich schüttelte er den Kopf und meinte nur: „Deine Sitzhaltung muss aufrechter sein. Das kostet dich sonst einige Punkte.“

Zerknirscht verbesserte Laura ihre Sitzhaltung. Also war nun er es, der diesem Thema auswich.

„…Seine Beerdigung war letzten Freitag, oder?“, fragte sie nach einer Weile.

Ohne ihr in die Augen zu schauen nickte Benni.

„Warum bist du nicht hingegangen?“

Benni seufzte. „Ich konnte ihr nicht unter die Augen treten.“

„Ihr?“ Verwirrt musterte Laura ihn. „Deiner Mutter?“

Zögernd nickte er. „Wir sollten zurück, deine Prüfung fängt bald an.“

Laura biss sich auf die Unterlippe. Das kann doch nicht wahr sein!

Natürlich verstand sie, dass Benni das Thema lieber bleiben ließ. Doch sie konnte das nicht so einfach abhaken. Einfach aus dem Grund, weil es ihm offensichtlich immer noch so schlecht deswegen ging.

Benni hatte Flicka bereits gewendet und nun standen sie nebeneinander. Laura atmete tief durch. Irgendwie wollte sie ihm zeigen, dass sie für ihn da war. Vielleicht waren die Wunden noch zu frisch, als dass er sich ihr komplett anvertrauen könnte. Aber trotzdem konnte sie das nicht einfach so ignorieren.

Laura beugte sich zu ihm rüber und wollte ihm einen Kuss geben. Doch sie verlor ihr Gleichgewicht, rutschte aus dem Sattel und flog mit dem Gesicht voran Richtung Erde.

„Aaauuuuuaaaaaa!!!!“ Laura rieb sich das schmerzende Knie. Hä? Knie? Sie hätte doch eigentlich voll auf die Nase fliegen müssen!

„Alles in Ordnung?“ Benni saß immer noch auf Flickas Rücken und beobachtete sie, teils besorgt und teils amüsiert. Derweil wieherte Peggy ununterbrochen, als würde er gerade den Lachanfall seines Lebens haben.

Mühsam richtete sich Laura auf und stellte verbissen fest, dass ihre weiße Reiterhose durch den Dreck nicht mehr so weiß war. Warum mussten diese verdammten Hosen eigentlich weiß sein?!? Schwarz war doch viel praktischer!

„Ja, ja… Alles in Ordnung… Irgendwie…“, stammelte Laura und stellte fest, dass der Schmerz in ihrem Knie immerhin schon nachgelassen hatte. Sie seufzte. „Toll, so kann ich doch nicht in die Prüfung!“

Benni schüttelte den Kopf. „Was wolltest du überhaupt?“

Laura schnaubte und wurde natürlich knallrot. „Kannst du dir das nicht denken?“

Natürlich konnte er sich das denken.

Benni verdrehte die Augen, kam aber zu ihr runter. Sanft strich er ihr einige Strähnen aus dem Gesicht und fragte: „Bereite ich dir solche Sorgen?“

Verlegen wandte Laura den Blick ab, nickte aber. „Ich würde dir so gerne helfen…“

„Das tust du bereits. Alleine durch deine Anwesenheit.“ Benni küsste sie ganz kurz auf die Lippen, was Laura noch roter werden ließ als sie zuvor bereits war.

„Wenn du dich jetzt beeilst, kannst du dich noch vor der Prüfung umziehen.“, meinte er und schwang sich wieder auf Flicka.

Laura nickte langsam und mühte sich wieder auf Peggy, der sich inzwischen endlich eingekriegt hatte.

Sie galoppierten den Weg zurück und Laura hatte ziemlich Mühe damit, mit Bennis Tempo mitkommen zu können und gleichzeitig auch noch den hängenden Ästen auszuweichen. Irgendwie schaffte sie es aber tatsächlich, unbeschadet am Campus anzukommen. Von ihrer peinlichen Aktion zuvor mal abgesehen. Aber hey, immerhin schien sie Benni tatsächlich damit geholfen zu haben! Das war doch was!

Als sie bei den Ställen ankamen, kam ihnen auch schon Janine entgegen. „Da seid ihr ja, ich habe euch schon gesucht!“ Besorgt betrachtete sie Laura. „Ist alles okay? Was ist passiert?“

Laura seufzte beschämt. „Ich bin vom Einhorn gefallen…“ …Nachdem ich versucht habe, Benni zu küssen…

„Immerhin landen Katzen auf ihren Pfoten.“, kommentierte besagter Benni, „Das hat dir eine Kopfverletzung erspart.“

„Meine Hose ist trotzdem im Eimer.“

Janine kicherte. „Komm schnell mit, du kannst meine anziehen.“

Laura atmete erleichtert auf. „Vielen Dank.“

Sie stieg von Peggy ab, der bei Benni und Flicka blieb, während Janine und Laura in Peggys leerstehende Box gingen, um dort die Reithosen zu tauschen.

Laura war dankbar, dass Janine sie nicht nach der Ursache fragte, warum sie überhaupt vom Pferd gefallen war. Stattdessen fragte sie Janine: „Wie lief deine Prüfung eigentlich?“

„Ziemlich gut.“, antwortete Janine zufrieden. „Eine Latte hatte Sunny zwar runtergerissen, aber das war zum Glück nicht allzu dramatisch, immerhin sind wir ja noch Anfänger.“

„Das ist doch schön.“

Das Timing war perfekt, denn gerade als Laura mit Peggy am Reitplatz ankam, wurde auch schon ihr Name aufgerufen. Ihr war zwar etwas unwohl bei der Sache, dass nicht nur Janine, sondern auch Benni ihr bei der Prüfung zuschauten, aber trotzdem lief sie auch für Laura ganz zufriedenstellend.

Als sie den Parcours wieder verließ, warteten die beiden bereits auf sie.

„Nochmal danke für die Hose.“

Janine winkte ab. „Das ist nun wirklich nicht der Rede wert.“

Laura ging zurück in den Stall und machte sich daran, Peggy das Zaumzeug abzulegen und ihn abzuduschen, während sie und Janine sich über die Prüfungen unterhielten.

„Immerhin haben wir für diese Woche erstmal unsere Ruhe.“, bemerkte Laura. Denn pro Woche wurde immer nur eine Prüfung absolviert. „Als nächstes kommt Fremdsprache, oder?“

Janine nickte. „Du hast dich für Japanisch entschieden, nehme ich an.“

„Jap. Und du? Deine Muttersprache ist eigentlich Russisch, oder?“, erkundigte sich Laura neugierig.

Janine nickte. „Nur leider wird das hier ja nicht unterrichtet…“

Laura fühlte sich etwas unwohl darüber zu sprechen und konzentrierte sich unnötig stark darauf, Peggy mit einem Möhrchen für getane Arbeit zu belohnen. „Bei solchen Sachen merkt man das besonders, dass man der einzige seiner Region ist, oder?“

„Schon… Aber auch in Geschichte und Powi. Es ist schon erschreckend, was man in Mur alles erfährt, beziehungsweise, was sie einem alles verschweigen.“

„Und in welcher Sprache lässt du dich nun prüfen?“

„In Englisch.“, antwortete Janine. „Die zweite Sprache die ich belegt habe ist Deutsch und das wäre lebensmüde.“

Laura lachte auf. „Oh ja, das habe ich von einigen bereits gehört.“

Nachdem Peggy wieder sauber, satt und zufrieden auf der Weide sein Leben genießen konnte, gingen Laura und Janine wieder raus, um Benni bei seiner Prüfung zuzuschauen. Dieser wartete mit Flicka bereits, dass man ihn endlich aufrief, welche zu ihrem sichtlichen Widerwillen für die Prüfung einen Sattel tragen musste.

„Viel Erfolg euch beiden.“ Laura lächelte sowohl Benni, als auch das edle schwarze Einhorn an.

Flicka schnaubte irgendetwas, woraufhin Benni meinte: „Ich habe genauso viel Lust darauf wie du. Wir müssen uns einfach beeilen, dann ist es schneller vorbei.“

Just in diesem Moment wurde sein Name aufgerufen und Benni betrat auf Flicka den Parcours.

Laura traute sich gar nicht zu blinzeln, während sie beobachtete, wie Benni fehlerfrei, um nicht zu sagen perfekt den Parcours abritt und noch dazu eine so professionelle Ausstrahlung hatte, dass man niemals denken würde er wäre nur ein Schüler. Als er nach kurzer Zeit fertig war, verkündete ihr Lehrer Herr Karosu Bennis Zeit und fügte hinzu, dass er den Schulrekord gebrochen habe. Die am Rand stehenden Schüler applaudierten, während Benni, wie immer mit seinem neutralen Blick, wieder zu ihr und Janine rüberkam.

Janine kicherte. „Herzlichen Glückwunsch.“

„Das ist also dein Geheimnis. Ihr habt beide keine Lust und wollt einfach, dass alles schnell vorbei ist?“ Laura lachte.

Benni zuckte nur mit den Schultern.

Da sie durch die Prüfung der anderen sonst keinen Sportunterricht mehr hatten, beschloss Laura, auf Benni zu warten, bis er Flicka Gammel-fertig gemacht hatte. Janine hatte sich nach Bennis Prüfung verabschiedet. Sie wollte zum Schwimmbad und schauen, ob Ariane und Lissi ihr Rennen bereits gemacht hatten. Selbstverständlich in der Hoffnung, es noch mitansehen zu dürfen.

Als Benni aus dem Stall kam, nahm er einfach Lauras Hand und ging mit ihr zum Wald. Inzwischen war es schon normal, dass sie vor oder eigentlich eher nach dem Abendessen einen Spaziergang im Wald machten.

Meistens war es dann immer Laura, die ununterbrochen am Erzählen war oder sich über die Prüfungszeit oder Mars oder sonst was aufregte. Außer, sie stellte Benni mal eine Frage zu einem Baum oder einer Pflanze, an der sie vorbeikamen. Dann war er es, der einen ewigen Monolog zu führen begann. Was Laura unglaublich süß fand. Sie wusste zwar, dass Benni die Pflanzen- und Tierwelt sehr am Herzen lag, doch wenn man ihm mal die Möglichkeit bot dieses Wissen zu teilen, wurde man sich erst bewusst, wie sehr er die Natur eigentlich liebte.

Doch dieses Mal sagte keiner von ihnen ein Wort. Sie genossen einfach die ruhige, friedliche Atmosphäre.

Plötzlich hielt Benni an. „Ich möchte dir was zeigen.“

Er hob einen faustgroßen Stein vom Boden auf und warf ihn Laura zu. Überrascht versuchte Laura ihn zu fangen aber er rutschte ihr aus der Hand. Trotzdem schaffte sie es ihn beim Fall noch irgendwie zu erwischen.

„Ein Stein?“, fragte Laura verwirrt.

„Wirf mich damit ab.“, forderte Benni sie auf.

Erschrocken schaute Laura ihn an. „Waaas?!?“

„Mach einfach.“

Laura schluckte schwer, tat aber dennoch, was Benni von ihr verlangte. Sie zielte auf ihn und warf. Doch bevor der Stein Benni berühren konnte, loderte eine finstere Aura auf und der Stein fiel sofort auf den Boden.

Erstaunt schaute Laura ihn an. „Woha! Wie hast du das gemacht?“

„Mithilfe der Finsternis-Energie.“, erklärte Benni. „Mit ihr kannst du die Energie eines sich bewegenden Gegenstandes absorbieren. Mit einiger Übung kannst du sogar den Gegenstand an sich einfangen.“

„Wie ein schwarzes Loch?“, fragte Laura fasziniert.

Benni nickte.

„Ah! Also kannst du die Pistolenkugeln auffangen, weil du ihnen davor die Energie ausgesaugt hast!“

„Sozusagen.“

„Wie cool!!! Kannst du mir das beibringen?!?“ Begeistert schaute Laura ihn an.

Benni nickte. „Aus diesem Grund sind wir hier.“

Laura würde am liebsten Freudensprünge machen, wäre sie nicht so schüchtern. Sie war immer noch eine Niete im Kämpfen, obwohl sie inzwischen viel besser beim Training mitmachen konnte, da der Schwarze Löwe ihren Energievorrat nicht mehr manipulierte. Laura hoffte jedenfalls ihre Finsternis-Energie so gut beherrschen zu können, dass die Gruppe sie nicht mehr als Last betrachten müsste.

„Okay, also zeig mir, wie du das machst!“, forderte Laura Benni enthusiastisch auf.

Benni hob den Stein wieder auf. „Du musst es dir lediglich vorstellen und anschließend mindestens genauso viel Energie einsetzen, wie der Stein in diesem Moment an kinetischer Energie besitzt.“

„Wieso denn mindestens genauso viel?“, fragte Laura irritiert.

„Wenn du zu wenig Energie einsetzt behält der Stein die restliche und fliegt weiter. Du musst sie ausgleichen. Im Idealfall setzt du denselben Energiebetrag ein, den der Stein besitzt. So nimmst du genau die Energie in dir auf, die du angewandt hast. Dadurch verlierst du keine.“, erklärte Benni.

Laura blickte trotzdem noch nicht ganz durch. „Wenn ich also genauso viel Energie einsetze, wie der Stein hat, wäre es also so, wie als hätte ich gar keine Energie eingesetzt?“

Benni nickte. „Jedenfalls geht die Energiedifferenz gegen Null.“

„Wow, kein Wunder, dass du in Physik Prüfung machst.“, bemerkte Laura nur. Eigentlich war es beeindruckend, dass Benni mithilfe der Physik so viel Ahnung über ihre Kräfte hatte. Aber Laura war damit ein bisschen überfordert.

„Also wie finde ich heraus, wieviel ‚kinetische Energie‘ dieser Stein hat?“, fragte sie.

„Durch ausprobieren. Irgendwann entwickelst du ein Gespür für die Energien der Gegenstände.“

Die nächste halbe Stunde verbrachten sie damit, dass Benni den Stein in die Luft warf und Laura versuchte, ihm im Flug die Energie wegzunehmen, sodass er zu Boden fiel. Erst hielt Laura es für unmöglich, das jemals zu lernen. Sie fühlte sich, als würde sie mit geschlossenen Augen versuchen eine Zielscheibe mit einem Dartpfeil zu treffen, bei der sie keine Ahnung hatte wo sie sich überhaupt befand. Mal setzte sie viel zu wenig Energie ein und mal viel zu viel. Aber mit Bennis Tipps konnte sich Laura tatsächlich so langsam an den richtigen Energiebetrag herantasten.

Nach dieser halben Stunde war Laura allerdings ganz schön ausgelaugt. Erschöpf setzte sie sich unter einen Baum und lehnte sich gegen dessen Stamm. Sie hatte das Gefühl, ihre Knie bestünden aus Wackelpudding. Vollkommen fertig wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.

Wie konnte das eigentlich sein? Sie hatte die ganze Zeit nur rumgestanden und Energie eingesetzt und war trotzdem so platt!

Benni setzte sich neben sie und reichte ihr eine Wasserflasche.

„Du hast dich für deine ersten Versuche sehr gut geschlagen.“, meinte er, während Laura die Hälfte der Flasche in einem Zug austrank.

„F-findest du?“ Überrascht und auch verlegen schaute sie ihn an. Sie war der Ansicht gewesen, sie hätte sich genauso ungeschickt angestellt wie beim Kampftraining.

„Ich hatte damals mindestens eine Woche gebraucht, um zu lernen was du in dieser halben Stunde gemeistert hast.“

Lauras Wangen wurden noch roter, als sie durch ihre Erschöpfung ohnehin schon waren. „Du hast dir das alles aber auch selbst beibringen müssen. Ich habe einen guten Lehrer, der mir hilft.“

„Wirklich? Wer?“ Benni nahm ihr die Flasche aus der Hand, um selbst einen Schluck zu trinken.
Laura boxte ihm gegen die Schulter. „Wer wohl?“

Sie lehnte sich gegen ihn und nachdem Benni die Flasche im Rucksack verstaut hatte, legte er einen Arm um ihre Schultern.

Entspannt schloss Laura ihre Augen und atmete Bennis vertrauten Duft ein. „Ich liebe diese Momente mit dir…“

Benni erwiderte zwar nichts darauf, gab ihr jedoch einen Kuss auf den Scheitel und lehnte seinen Kopf gegen ihren.



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