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Demon Girls & Boys

von

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Eiskalte Wärme

  Eiskalte Wärme

 

 

 

Tatenlos und doch von Angst zerfressen starrte Laura auf den Teich des Parks, wo vor mehr als einer halben Stunde Benni und der Junge verschwunden waren.

Auf Carstens Anweisungen hin gab es keine Unterwassersuchtruppen, unter dem Vorwand man könne sowieso nichts ausrichten. Obwohl Carsten noch nicht einmal als erwachsen galt schenkte man seinen Hinweisen erstaunliche Beachtung.

Doch auch die Polizei wurde nun unruhig und meinte, sie würde keine weiteren vierzig Minuten schweigend das nicht geschehende Geschehen beobachten. Laura konnte die Polizisten nur zu gut verstehen. Wäre sie im Schwimmunterricht nicht immer eine absolute Niete gewesen, wäre sie garantiert Benni gefolgt.

Aber so lange Unterwasser… Das überlebt doch kein Mensch, dachte sie traurig und trotz ihres Vorhabens nicht zu weinen, kullerte bereits eine Träne über ihre Wange.

Carsten schien ihre mehr als bedrückte Stimmung bemerkt zu haben, was Laura aber eher peinlich als erleichternd fand.

Trotzdem klopfte er ihr aufmunternd auf die Schulter. „Das wird schon, vertrau mir. Wenn wirklich Energie mit im Spiel war, wie du vermutet hast, dann werden die beiden wieder zurückkommen. Ganz sicher.“ Und wieder war da sein unbeabsichtigter Tonfall, es ganz genau zu wissen. Und ob Laura wollte oder nicht, er beruhigte sie immer wieder.

Kleine Wellen, die etwa in der Mitte des Teiches entstanden und sich sanft schwingend an den Rand bewegten, ließen alle um ihn stehenden Leute neugierig aufblicken, aus Verwunderung, Ungläubigkeit und auch Hoffnung.

Kurz darauf tauchte der patschnasse Kopf des Jungen, der in den Fluten versunken war, nach Luft schnappend auf. Riesiger Jubel brach aus, als kurz darauf auch Benni auftauchte.

Einige Polizisten, die mit einem Boot die ganze Zeit lang über planlos auf dem Teich herumgekurvt waren, hoben nun den vor Eiswasser triefenden Jungen aus dem Wasser und ließen Benni sich über die Reling schwingen.

Unter dem ohrenbetäubenden Jubel der Beobachter fuhren sie zurück zum Festland.

Gemeinsam mit Laura kamen auch eine Frau mittleren Alters und ein junges Mädchen, etwa ein Jahr jünger als Laura auf das Boot zu gerannt und fingen die beiden patschnassen Jungs ab.

„Johannes! Oh mein Gott, geht es dir gut?!? Hast du dich verletzt?!? Wie konnte das nur passieren?!?“ Die Frau drückte das Kind an sich und schien den Knaben nicht mehr loslassen zu wollen.

„Mir geht’s blendend Mama! Ich war an einem Halloweenort, habe alle möglichen Monster gesehen, einen Kampf beobachten dürfen, mich mit einem voll coolen Vampir angefreundet und durfte über eine riiiiiiiiiiesige Mauer hüpfen!“, erzählte der Junge, Johannes, als er sich aus dem Klammergriff seiner Mutter befreit hatte, mit wilden Gestiken und völlig aufgebrachter Stimme.

Dann zupfte er an Bennis durchnässtem Pullover. „Und Onkel hat mich vor den Halloweenmonstern und dem komischen Mann gerettet.“

Johannes Mutter warf einen Blick auf Benni. „Vielen dank, dass Sie meinen Sohn gerettet haben. Wie kann ich mich nur dafür revangieren? Und entschuldigen Sie bitte seine etwas… eigentümliche Art Geschichten zu erzählen. Ach, wie kann ich mich nur bei Ihnen bedanken?“

Benni schüttelte den Kopf. „Lassen Sie gut sein.“

Doch die Frau verharrte auf ihrer Meinung. „Das geht nicht, ich kann Sie doch nicht einfach so unbeachtet lassen! Sie haben meinem Sohn das Leben gerettet!“

„Sie müssen nichts für mich tun.“, antwortete Benni wieder.

Johannes zupfte wieder an seinem Pulli. „Komm mich doch irgendwann mal besuchen, Onkel!“

Seine Mutter klatschte in die Hände. „Das ist eine sehr gute Idee!“ Hastig wühlte sie einen Zettel aus ihrer Tasche und kritzelte einige Zahlen und Buchstaben auf ihn. „Hier ist unsere Telefonnummer und Adresse. Falls Sie Zeit haben, rufen Sie doch bitte einfach an.“

Ausdruckslos nahm Benni den Zettel entgegen. „Danke.“

Die Frau lächelte ihn mit ihrem warmherzigen Mutterlächeln an. „Ich habe zu danken.“

Ein paar Polizisten brachten dem Jungen und Benni Handtücher. Benni lehnte ab, während die Frau begann, Johannes’ Wuschelschopf trocken zu rubbeln.

Laura, die die ganze Zeit ungeduldig darauf gewartet hatte, bis die Frau endlich mit ihren Danksagungen aufgehört hatte, um bloß nicht unhöflich zu erscheinen, begann damit, Benni aufgebracht in den Bauch zu boxen. „Du Idiot! Weißt du eigentlich, was für Sorgen ich mir gemacht hab?!? Tu so was nie wieder!“

Unbeeindruckt von Lauras Schlägen, packte Benni sie an beiden Handgelenken, was ihn aber nicht vor ihrem aufgewühlten Blick schützen konnte.

„Du hast doch gesagt, tu doch etwas.“, erwiderte er daraufhin.

Laura riss sich aus seinem lockeren Griff. „Aber das hab ich nicht zu dir gesagt!“, brüllte sie ihn an und überforderte Benni (und sich selbst) vollkommen mit einer spontanen, stürmischen Umarmung.

Nun verschwand Lauras Aufregung allmählich und ersetzte sie durch Sorge. „Kannst du mir bitte verraten, warum du noch lebst? Kein Mensch hält so lange Unterwasser durch. Und was verdammt noch mal hast du mit deiner Hand gemacht?!?“

„Beruhige dich.“, antwortete Benni nüchtern.

Dieses Mal meldete sich Carsten zu Wort. „Laura war krank vor Sorge, wie soll sie sich da so schnell beruhigen? Ich kann es nur zu gut verstehen. Was du gemacht hast war lebensmüde.“

Benni löste sich aus Lauras Umarmung. „Ihre Sorge war überflüssig.“

Nur zu gerne hätte Laura ihm nun eine gescheuert. Wie zum Teufel konnte man nur so denken?!? Stattdessen schrie sie: „War sie nicht! Jedes normale Wesen macht sich um die, die ihm wichtig sind Sorgen, wenn ihnen etwas passiert! Sei es Mensch oder Vampir oder was es sonst noch gibt!“

Wütend drückte sie ihm seinen Mantel in die Hand machte auf dem Absatz kehrt und stampfte zu Öznur, die das Geschehen bislang nur beobachtet hatte.

„Jetzt weiß ich, was Carsten mal mit Güte gemeint hatte… Ich geb’ dir mal ’nen Tipp von ’ner Expertin: Nimm Rücksicht auf die Gefühle anderer. Das würde dich nicht nur äußerlich zum Schatz machen.“

Benni erwiderte jedoch nichts darauf.

Energisch schob Öznur Laura wieder in seine Richtung und packte Carsten am Ärmel seiner, beziehungsweise Bennis Jacke.

„Es gab da noch einen Laden, in den ich Carsten mitnehmen wollte. In einer dreiviertel Stunde treffen wir uns an der Bushaltestelle zur Schule. Bis dahin will ich, dass ihr das geklärt habt. Wenn nicht, dann will ich euch erst wieder in der Schule treffen, wenn ihr es geklärt habt!“

Carsten stöhnte auf. „Nicht noch ein Laden.“

Doch Öznur zog ihn mit sich und ließ Laura und Benni alleine zurück.

Ein Polizist tippte Benni auf die Schulter. „Cor-Kriminalamt. Falls Sie nichts dagegen haben, würde ich Ihnen gerne noch einige Fragen zum Vorfall stellen.“

„Da gibt es nicht viel zu berichten.“, meinte Benni.

„Aber- wir müssen doch den Fall aufklären. Haben sie denn nichts Verdächtiges bemerkt? Einen Anhaltspunkt für unsere Nachforschungen?“

Bennis Tonfall wurde leicht schroff und die unheimliche, fast königliche Autorität in seiner Stimme ließ den Polizisten zusammenschrecken. „Hören Sie, ich kenne den Grund für diesen Strudel nicht und das, was ich weiß, werden Sie mir sowieso nicht glauben. Also lassen Sie mich damit in Ruhe.“

Eingeschüchtert nickte der Polizist und zog sich zurück. Laura erkannte ihn wieder, es war derselbe, der auch von Carsten zurechtgewiesen wurde, allerdings auf eindeutig sanfterem Weg.

„Das war ganz schön respektlos.“, bemerkte Laura und wich einen Schritt vor diesem unheimlichen Jungen zurück. Er schien nicht gerade bester Laune.

Doch Bennis wilde fast mörderische Ausstrahlung legte sich wieder und er bekam wieder seinen ruhigen Ausdruck.

Für den Bruchteil eines Wimpernschlags schien Benni in einer lodernden Flamme zu stehen und mit einem schaurigen Zisch verdunstete das Wasser auf seiner Haut und die wie kleine Diamanten glitzernden Tropfen in seinen Haaren. Er war komplett getrocknet.

Trotzig drehte ihm Laura den Rücken zu, damit er nicht den Hauch von Bewunderung sehen konnte, den sie für seine so gezielte Beherrschung der Feuer-Energie hatte. Gerade war sie zu sauer auf ihn.

Eine Weile lang sagte niemand mehr etwas. Die Polizei machte immer noch ihre Untersuchungsarbeiten und sperrte nun den gesamten Teich ab, hielt aber einen Sicherheitsabstand zu ihr und Benni ein. Die Schaulustigen waren alle schon längst verschwunden und nichts konnte das Schweigen brechen.

„Wenn das so weitergeht, werden wir nie in die Schule zurückkommen können.“, bemerkte Laura und verschränkte dickköpfig die Arme vor der Brust. „Entschuldige dich doch einfach bei mir und die Sache ist gegessen. Oder erlaubt das dein Stolz nicht?“ Vielleicht klang sie etwas zu gemein, doch Laura war stinksauer und hatte keine Lust, mit Benni zu diskutieren. Da dieser auch so etwas meistens umging, hoffte sie, dass die Sache so schnell wie möglich geklärt war. Außerdem bekam sie Hunger, was bei einem Streit alles andere als hilfreich war.

Doch Benni schwieg weiterhin.

„Also ist es doch dein Stolz.“, stichelte sie weiter. Entweder die Diskussion würde sich doch ziehen, oder sie schaffte es damit, ihr Ziel schneller zu ereichen. Laura hoffte Zweiteres.

Doch Benni sagte immer noch kein Wort.

„Weißt du eigentlich, wie kindisch du dich benimmst?!?“, brüllte Laura in die entgegengesetzte Richtung. Sie bezweifelte, dass er aus Trotz handelte -oder besser gesagt nicht handelte- doch ihr fiel keine andere Beschreibung ein.

Als Benni wieder nichts erwiderte, platzte Laura der Kragen. Wutentbrannt stapfte sie auf ihn zu, hob die Hand und legte ihre gesamte Kraft in den Schlag. Ein lauter Knall echote in dem Park und für einige Sekunden schien die Zeit in Dunkelheit verschluckt zu sein.

Laura hatte in Filmen schon oft gesehen, wie Mädchen Jungs geohrfeigt hatten und sie hatte es schon immer fasziniert, wenn ein Mädchen jemanden schlug, der größer und bei weitem stärker als es selbst war. Doch in diesen Sekunden erschrak sie vor sich selbst, hielt sich für eine Bestie. Man konnte nicht einfach der Person, die man mochte, eine runterhauen. Und sie erst recht nicht.

Benni hatte noch nicht einmal mit der Wimper gezuckt und obwohl Laura wirklich erstaunlich viel Kraft für ihre Verhältnisse benutzt hatte, färbte sich die getroffene Wange kaum rot.

Betroffen wich Laura einen Schritt zurück und senkte den Blick, als hätte sie den Schlag abbekommen und nicht er. Was war nur mit ihr los gewesen?!

Benni stand weiterhin gelassen da. Was auch immer zu diesem Zeitpunk in ihm vorging, er überspielte es meisterhaft.

Laura im Gegensatz dazu überhaupt nicht. „I-ich…“, stammelte sie, war aber kaum dazu in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Mal wieder sammelten sich Tränen in ihren Augen. „Tut mir…“

Bennis ruhiges Dasein machte sie nur noch nervöser. Was dachte er gerade? Wie fühlte er sich?

Es schien wie die Ruhe vor dem Sturm.

Schließlich hielt Laura dem nicht mehr stand. „Mach doch irgendetwas…“, bat sie und kniff die Augen zusammen, als erwarte sie einen Schlag mitten ins Gesicht.

„Was denn?“ Es war erstaunlich, wie normal Bennis Stimme klang, dass sie überhaupt zu hören war. Laura hätte erwartet, er wäre einfach gegangen und hätte sie alleine zurückgelassen. Oder er hätte ihr tatsächlich eine rein gehauen. Aber nicht diese Bennitypische Gegenfrage. Darauf hatte sie sich nicht vorbereitet.

„Keine Ahnung… Warum fragst du mich das?“

„Warum nicht?“

„Weil… Ach was weiß ich. Mach einfach irgendetwas!“ Laura hielt die Anspannung, die sich in ihr aufgebaut hatte nicht mehr aus. Irgendetwas schnürte ihren Hals zusammen und ein eisiger Windstoß ließ sie frösteln.

Was erwartete sie nun? Sie wusste es nicht.

Stoff raschelte, ein quadratisches Etwas wurde ihr in die Hand gedrückt. Irritiert schaute Laura auf, doch Benni mied ihren Blick. Die Schritte knirschten im Schnee, als er an ihr vorbei ging und sie wurden immer leiser, je weiter er sich von ihr entfernte.

Ihr Herz fühlte sich an als wäre es ein einziger Backstein.

Sie war so ein Idiot… Vorhin noch ist sie von Benni an dieser Stelle umarmt worden und eine Stunde später verpasste sie ihm eine Ohrfeige?! Nur, weil er nicht verstand warum sich ein Mensch Sorgen um jemand anderen machen konnte?!

Bedrückt betrachtete sie das Schächtelchen, was Benni ihr gegeben hatte. Eigentlich hatte sie nicht verdient, es zu öffnen. Außer, ihr würde eine Wolke Giftgas oder Menschen fressende Minimonster daraus entgegen kommen.

Doch die Neugierde übertraf schließlich doch noch ihre Gewissensbisse.

Laura atmete tief durch. Und hob den Deckel.

Der Inhalt bestand wenig überraschend weder aus giftigem Gas noch irgendwelchen abstrusen Gestalten, die sie sich in ihrer Fantasie zurechtgedacht hatte.

Zum Vorschein kam eine Kette. Vorsichtig nahm sie die Kette heraus, was sich als ziemlich schwierig herausstellte, da ihre halb erfrorenen Finger sich kaum bewegen ließen aber Laura andererseits große Angst hatte, dass sie in den Schnee fallen und verloren gehen könnte.

Als sie es schließlich doch geschafft hatte, hielt sie die silberne Kette mit ihrem Anhänger in die Höhe und betrachtete sie.

Das Kreuz hatte ein silbernes Glänzen und an seinen Enden waren je drei Halbkreise, die wie sich öffnende Blumen geformt waren.

Laura erkannte es sofort. Das etwas größere Gegenstück hatte sie einst als Kind im Wald gefunden und anschließend Benni zu seinem siebten Geburtstag geschenkt. Eines seiner einzigen Geschenke, wie sie inzwischen erfahren hatte.

Lauras Körper durchlief ein Frösteln. Eilig drehte sie sich um und rannte den Weg entlang, den Benni zuvor auch genommen hatte. So weit konnte er noch nicht gekommen sein, auch wenn die Geschwindigkeit von Lauras rennendem Gang und ihrer Auffassungsfähigkeit etwas zu langsam waren, um hoffen zu können, dass sie Benni noch einholen oder gar finden würde. Seinen Spuren im Schnee zu folgen, auf diese Idee kam sie erst gar nicht.

„Benni!“, rief sie zwischen zwei hektischen Atemzügen in die Richtung, in die sie rannte. Tatsächlich war das Glück doch ein Mal auf ihrer Seite.

„Benni!!!“, rief sie ihn, doch er hielt nicht an. Laura wusste nicht, ob er seine Schritte etwas verlangsamte. Wenn ja, war der Unterschied kaum merkbar.

Als Laura ihn erreichte, hielt sie ihn am Ärmel seines Mantels fest.

„Warte doch.“, brachte sie keuchend hervor. Verdammt noch mal, wenn jedenfalls ihre Ausdauer mal nach ihrem Wunsch handeln würde. Aber nein, dieses verflixte Karystma musste ja ausgerechnet ihre Lunge angreifen. Wobei die anderen Organe wohl genauso, vielleicht sogar noch unbrauchbarer wären, würden sie unter dem Einfluss der Krankheit stehen.

Immerhin war Benni stehen geblieben, als sie ihn am Ärmel gepackt hatte.

Er war auch komplett widerstandslos, als Laura ihn zu sich umdrehte und an seinem Hals nach dem tastete, bis sie es endlich gefunden hatte.

Sie zog die silberne Kette aus dem Ausschnitt seines Pullis und musterte sie neugierig. Es war tatsächlich dasselbe Kreuz, das sie ihm geschenkt hatte und dessen Gegenstück sie nun in der Hand hielt.

Laura schaffte es, die Anspannung, die sich in ihr ausgebreitet hatte, zumindest zur Hälfte herunterzuschlucken. „Du hast es tatsächlich noch…“

Benni zuckte mit den Schultern. „Sollte ich nicht?“

„D-Doch, aber ich dachte- … Danke.“ Laura strich über seinen inzwischen trockenen Pulli, doch Benni wich vor ihr zurück, wie als wäre sie elektrisch aufgeladen und hätte ihm einen Stromschlag verpasst.

Beschämt ließ Laura die Hände sinken. „’Tschuldigung…“

Doch als sich Benni wieder umdrehen wollte, um weiter zu gehen, hielt Laura ihn erneut zurück.

„Warte noch! Kannst du… ähm… mir die Kette… anlegen?“ Lauras Atem stockte. Sie bekam Probleme Luft zu holen, doch daran war dieses Mal nicht die Krankheit schuld.

„Kannst du das nicht selbst?“ Dieses Mal sah Benni ihr nicht in die Augen, sondern beobachtete vereinzelte Schneeflocken, die vor ihm zu Boden gleiteten.

Laura wurde wieder kochend heiß. „Doch…schon… Aber … also gerade nicht, weil… äh…“

Sie hielt ihm die Kette entgegen, konnte sie aber kaum ruhig halten. Ihre Finger waren ebenso gerötet wie ihre Ohren und zitterten genauso wie ihr frierender Atem.

Laura wusste nicht, ob Benni zögerte oder ob es ihre Einbildung war. Doch schließlich nahm er die Kette an sich. Als seine Finger ihre Hand berührten, spürte sie einen kurzen Moment, wie Feuer-Energie sie in eine wohlige Wärme hüllte.

„Hast du keine Handschuhe oder eine Mütze?“, fragte er nur, wobei sich Laura nicht sicher war, ob er das rhetorisch meinte.

„Ähm nein… ich glaube die habe ich in Yami vergessen.“, antwortete sie dennoch.

Benni erwiderte nichts darauf, was aber genauso gut ‚Das ist mal wieder typisch für dich‘ bedeutete. Stattdessen trat er mit der Kette in der Hand hinter sie.

Nun verstand Laura, was Ariane ihr erzählt hatte. Überraschend sanft schob Benni ihre Haare beiseite. Er legte ihr die Kette um und schloss sie an ihrem Nacken. Laura erschauderte bei der leichten Berührung, obwohl sie sich gemütlich warm anfühlte. Etwas länger als eigentlich erforderlich verharrten seine Hände auf ihrer bloßen Haut und zogen sich schließlich zurück.

„Komm, sonst verpassen wir den Bus.“, meinte Benni und ging wieder voraus.

Laura hatte ihre Schwierigkeiten, seinen schnellen und doch unangestrengten Schritten zu folgen, doch sie erreichten den vorletzten Bus zur Coeur-Academy, wo sich Öznur und Carsten bei ihrer Ankunft hämisch angrinsten.

 

„Wir sollten die Direktoren über das Geschehen informieren.“, schlug Carsten vor, als er, Laura, Öznur und Benni den Bus an der Coeur-Academy Haltestelle verließen.

Öznur legte die Stirn in Falten. „Wieso denn?“

„Wegen der Energie. Ich weiß nicht, was genau passiert ist, aber es könnte sein, dass einer der Dämonenbesitzer aus der Reihe tanzt, oder so ähnlich…“, erklärte Carsten und wandte sich an Benni. „Du hast gemeint, Lauras Cousin hätte seine Finger mit im Spiel?“

Laura zuckte schon einzig bei der Erwähnung von Lukas zusammen. Was hatte ihr idiotischer Cousin dieses Mal bloß wieder ausgeheckt?

Benni nickte als Antwort nur.

In Gedanken versunken strich Laura den Umriss des Kreuzes unter ihrem Pulli nach, das Benni ihr geschenkt hatte. Wenn sie an das im Park dachte, wie sanft Bennis starke Hände sie am Nacken berührt hatten, bekam sie immer noch eine wohlige Gänsehaut an den Armen. Doch Benni schien das Geschehen kalt gelassen zu haben. Jedenfalls wirkte er ganz normal, im Gegensatz zu Laura, die ihm nun noch öfter Seitenblicke zuwerfen musste.

Öznur verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schaute hinauf in den grauen Himmel. „Ernsthaft, was ist denn das für ein Valentinstag? Die einzigen, denen heute etwas Romantisches passiert ist, sind Laura und Lissi. Na gut… Weiß Gott, mit wem Lissi unterwegs ist…“

Sie zwinkerte Laura aufmunternd zu.

Laura schüttelte den Kopf. Was hatte Öznur eigentlich erwartet, als sie Benni und Laura alleine gelassen hatte? Dass er sie küssen würde?!? Man hatte das Mädchen Fantasie.

Öznur senkte seufzend den Kopf. Sie hatte es doch wirklich erwartet…

„Außerdem hast du Nane vergessen. Sie hat ein Date mit dem Fernseher.“, ergänzte Laura. Warum wollte sie eigentlich Öznur aufheitern? Vielleicht, weil auch sie ziemlich traurig wirkte. Immerhin war ein Valentinstag ohne einen besonderen Menschen an seiner Seite auch nur ein normaler Tag wie jeder andere.

Der Versuch gelang Laura auch. Öznur lachte: „Ich dachte, sie wäre mit der Speisekammer zusammen.“

Nun musste auch Laura lächeln. Sie erinnerte sich nur zu gut an Arianes gespielt warnenden Gesichtsausdruck, der schon zu echt schien, um wahr zu sein.

„Wir müssen mal nachsehen, wer von unserer Gruppe sonst noch hier rumlungert. Am besten alle wissen darüber bescheid.“, schlug Carsten vor.

So machten sie sich auf die Suche nach den übrigen Dämonenbesitzerinnen.

Ariane war, wie erwartet, bei ihrem Fernseher mit Harry Potter und nur schwer vor die Tür zu bekommen. Anne fanden sie in der Turnhalle und Susanne und Janine in der Bibliothek, was beides auch keine große Überraschung war. Nur Lissi konnten sie nirgendwo finden.

„Ist wohl auch besser so. Die kann einem jedes ernste Gespräch versauen.“, meinte Anne zynisch und erntete dafür einen vorwurfsvollen Blick von deren Zwillingsschwester, die als einzige wohl der Ansicht war, Lissi könne sich auch vernünftig verhalten.

Öznur legte nachdenklich ihren schlanken Zeigefinger an die vollen roten Lippen. „Können wir die Direktoren echt am Valentinstag stören? Ich meine… Die sind doch verheiratet… Äh, wären die da nicht auch gemeinsam unterwegs?“

Öznurs Frage ignorierend ging Benni zu dem Gebäude der Büros, westlich des anmutigen Barockhauptgebäudes neben dem Jungenwohnheim.

Carsten antwortete Öznur mit einem Schulterzucken und folgte Benni.

Wie vor einigen Wochen folgten sie ihm in das Büro der Schülervertretung und setzten sich auf die schwarzen Ledersofas. Doch dieses Mal wussten sie über das Geheimnis ihrer Sitznachbarn bescheid.

Schweigend saßen sie da, während Benni im Direktorrat verschwand und kurz darauf mit der Direktorin und dem Direktor zurückkam.

Sie sahen nicht gerade gestört aus, so wie Öznur es umschrieben deutlich vermutet hatte. Der Direktor wirkte eher dankbar, da er offensichtlich vor einem Haufen Papieren gerettet wurde.

Die Direktoren nahmen wie einst auf dem gegenüberliegenden Sofa Platz, während Benni sich hinter den Tisch des Schulsprechers setzte.

Laura musterte seine Arbeitsfläche. Sie war leer und folglich auch ordentlich. Nur einzelne Papiere lagen in einem geordneten Stapel an dem Rand des Tisches, irgendwelche Formulare. Laura erkannte sowas sofort, denn Formulare sahen meist so aus, als würde keiner sie anrühren wollen. Eigentlich wirkte Bennis Tisch einsam, so wie er dastand. Nur ein Tisch, ohne einen Sinn, außer seiner Aufgabe als Schreibunterlage nachzugehen.

Das erste, was zu hören war, war Herr Bôss‘ Lachen. „Wisst ihr eigentlich, dass ihr genau so wie beim ersten Mal sitzt? Nur Fräulein Tieges die Zweite fehlt.“

„Entschuldigen Sie bitte, Lissi hatte leider keine Zeit.“, entschuldigte Susanne ihre Schwester.

Der Direktor verdrehte die Augen. „Man, seid ihr höflich… Übrigens: Ihr müsst nicht alle so wie letztens sitzen, Eiskalter Engel.“ Es klang beinahe wie ein Vorwurf, dass Benni sich wieder nicht zu ihnen gesetzt hatte. Doch der Eiskalte Engel erwiderte eiskalt gleichgültig den auffordernden Blick des Direktors.

Laura fragte sich immer noch warum. Natürlich war Benni nicht gerade gesellig, doch als sie sich ihren Sitz genauer ansah erkannte sie den vermutlichen Hauptgrund. Das Sofa war mit echtem Leder überzogen. Benni würde sich nie im Leben daraufsetzen.

Herr Bôss gab seinen Sozialisationsversuch mit einem Seufzer auf.

„Also, was habt ihr so Dringendes zu berichten?“, fragte die Direktorin.

Dieses Mal erzählte nicht Benni das Vorkommnis in der Unterwelt, sondern Carsten und wurde nur ab und zu von dem eigentlichen Augenzeugen ergänzt, falls er etwas Wichtiges vergaß. Oder eher vergessen hätte, denn Benni sagte gar nichts. Carsten schaffte es, seine knappe Erzählung komplett wiederzugeben, ohne auch nur ein Detail zu vergessen. Nachdem Carsten den Bericht beendet hatte, herrschte zeitweiliges Schweigen.

Dank seinem Taktgefühl hatte er jedoch Lukas ausgelassen und auch Öznur erwähnte durch seine strikte Ermahnung zuvor nichts von dem Täter. Immerhin zählte Lukas zu Lauras Familie und war für ihren Vater fast so etwas wie sein eigener Sohn. Wenn eine Anklage oder etwas dergleichen vorliegen würde und er herausfände, dass Benni und ein kleines Kind die einzigen Zeugen wären, würde er natürlich seinem Neffen eher trauen und jedenfalls für Benni hätte das nicht gerade schöne Folgen.

So umschrieb Carsten Lukas als ‚einen verrückten, blauhaarigen Geisteskranken’. Und traf damit genau ins Schwarze, wie es für ihn üblich war.

Die Direktorin ergriff schließlich die Initiative. „Wir müssen diesen Verbrecher unbedingt festnehmen. Wie du schon gesagt hast, es ist unwahrscheinlich, dass er tatsächlich alle Fäden in der Hand hält, aber vielleicht kann er bei einem Verhör wichtige Informationen verraten…“ Sie wandte sich an Benni. „Kannst du ein Phantombild des Verbrechers zeichnen?“

Benni erwiderte ihre Frage mit seinem typischen ausdruckslosen Pokerface. Doch der Direktor lachte sofort wieder drauf los.

Als er daraufhin von seiner Frau einen wütenden Blick erntete, erklärte er: „Hast du noch nie in das Zeugnis deines ‚Vertreters der Schulgemeinschaft’ geschaut? Er mag zwar sehr intelligent sein, aber wenn er was nicht kann, dann ist es zeichnen. Oh, und kochen… oder putzen… oder Wäsche waschen-“

Seine Aufzählungen wurden von einem weiteren Lachanfall unterbrochen.

Laura fragte sich, ob es erlaubt war, dass ein so heiterer Mann Direktor einer Eliteschule sein konnte.

Die Direktorin verdrehte die Augen. „Er soll sie ja auch nur leiten. Bei der Polizei.“

Carsten runzelte die Stirn. „Sie wollen so etwas wirklich den… nun ja, den…“

„… normalen Menschen überlassen?“, kam Anne ihm zu Hilfe.

Frau Bôss seufzte. „Wohl wahr. Nein, das geht nicht. Damit riskieren wir, dass euresgleichen noch mehr gejagt werden…“

Öznur erhob die Stimme, sie klang leicht hysterisch. „Gejagt?!“

Der Direktor nickte. „Ja, eure Vorgänger wurden von mehreren Arschlöchern gejagt, was sogar teils von manchen Regionen Damons unterstützt worden ist. Ganz vorne an der Spitze waren… Hm… Also Terra ist ja überall dabei, wo es Mord und Todschlag gibt. Dann auch noch Mur, wobei die dort immer noch nach der Besitzerin fahnden, und natürlich Yami. Ich sag’s ja, die Finsternis ist echt komisch.“

Ariane stützte sich auf dem Kinn ab. „Das erklärt wenigstens, warum wir alle gleich alt sind.“

„Aber warum sind hier bitte schön nur Mädchen?!? Ich meine, als Dämonenbesitzer, gibt’s da keine Jungs?“, fragte Öznur genervt.

Dieses Mal lachte der Direktor zwar nicht, aber er grinste vielsagend. „Doch, zum Beispiel dieser Junge, den ihr geangelt habt.“

„Und Eagle auch.“, ergänzte Carsten nicht gerade begeistert.

„Stimmt, der Häuptlingssohn aus Indigo. Unter den Jungs sind übrigens auch andere Wesen. Könnte ganz schön bissig werden…“, meinte der Direktor und schmunzelte. „Aber, dass ihr alle gleichalt und nur Mädchen seid, hat einen anderen Grund: Die Dämonen vermuten, dass sie so euer Band stärken können. Viele der Ex-Besitzer kamen nicht gerade gut miteinander aus und na ja, das hat sie halt ins Verderben gestürzt. Ist auch verständlich, ich meine, stellt euch vor, die da neben mir wäre eine Dämonenbesitzerin. Wie fändet ihr das?“, fragte Herr Bôss in einem neckischen Ton, doch die Direktorin sah das wohl eher als Beleidigung und warf ihm einen wütenden Blick zu.

Laura seufzte. Sie fragte sich, warum die beiden trotz ihrer total miserablen Kommunikation noch verheiratet waren. Vielleicht gab es aber doch noch etwas wie Liebe. Wenn ja, dann sah man das nicht wirklich. Jedenfalls von der Seite der Direktorin konnte sie keinen Hauch davon entdecken.

„Meinen Sie damit, dass alle ehemaligen Dämonenbesitzer tot sind?“, fragte Susanne. Ein Anflug von Angst war in ihrer Stimme zu hören.

„Fast alle. Für gewöhnlich verlässt der Dämon den Körper seines Besitzers, wenn dieser stirbt, oder wenn er unter keinen Umständen überleben wird.“, erklärte die Direktorin.

Janine fasste wieder Hoffnung. „Was meinen Sie mit fast alle?“, fragte sie mit ihrer herzerweichenden Stimme, die jedem nur Gutes wünschte.

„Wenn ich das mal so dreist behaupten darf: Der Rote Fuchs war wohl der schlauste Dämon. Jedenfalls hatte er seine Besitzerin verlassen und ihr im Exil zur Flucht verholfen. Wir wissen das, weil wir damals nicht ganz unbeteiligt an ihrem Schutz waren, aber leider ist der Kontakt abgebrochen… Sie war damals noch ganz jung und müsste heute etwa im Alter des Eiskalten Engels sein…“, meinte der Direktor und warf Benni einen prüfenden Blick zu. „Aber ich würde schon gerne wissen, was es mit der Energie so auf sich hat. Kannst du nichts Genaueres dazu sagen? Nur Energie hilft nicht wirklich weiter. Wie hast du dich gefühlt, als du sie wahrgenommen hast? Als Dämonenverbundener erkennt man meist instinktiv, was für eine Energie es ist.“

„Das weiß ich nicht.“, meinte Benni nur.

Lauras Blick wanderte automatisch zu Carsten. Sie erkannte einen kritischen Blick in seinen exotischen lila Augen, doch er entgegnete nichts. Vielleicht auch nur deshalb, weil er seinem besten Freund vertraute.

Sie wiederum glaubte Benni ohne wenn und aber. Zu diesem Zeitpunkt war er wohl eher damit beschäftigt gewesen, nicht zu ertrinken. Da konnte er sich nicht wirklich auf seine Gefühle konzentrieren… Sofern er tatsächlich welche hatte, manchmal bezweifelte selbst sie das. Außerdem konnte er ja überhaupt nicht lügen. Wenn er es nicht wusste, wusste er es somit nicht.

Nun schien der Direktor eher zu Benni als zu dem Rest der Gruppe zu sprechen. „Also wir können jetzt auch nicht wirklich helfen, ich glauben da solltet ihr mal einen Meister fragen.“

Anne hob eine Augenbraue. Mann, so was wollte Laura auch schon immer können. „Aber ihr seid doch ein Meister-“

Mit einer abwehrenden Gestik schnitt er ihr das Wort ab. „Ich meine einen, mit viel Lebenserfahrung und Wissen über die Dämonen. Von mir aus könnt ihr schon kommenden Sonntag hin. Außer eurem mysteriösen Widersacher der Dämonenbesitzer sammelt wird wohl niemand etwas dagegen haben.“

Mit diesen Worten standen die beiden Direktoren auf und verließen den Raum.

 

„Also auf jeden Fall sollten die beiden zur Eheberatung.“, schlussfolgerte Öznur, auch wenn das nicht gerade hilfreich für ihr gegenwärtiges Problem war.

„Wer ist denn jetzt dieser Meister?“, löcherte Anne Benni, doch natürlich antwortete er nicht.

„Zieh dich am Sonntag einfach warm an, wir werden wohl wandern gehen müssen.“, meinte Carsten.

Laura ahnte schlimmes.

Janine überlegte. Sie war weitaus gesprächiger geworden, auch wenn sie ihre Schüchternheit wohl immer beibehalten würde. „Was machen wir nun eigentlich mit Lissi?“

Wie wenn man vom Teufel sprach, kam Lissi ihnen auf dem großen Platz entgegengerannt. Sie hatte offensichtlich gute Laune. „Hey ihr Süßen, wo seid ihr denn alle gewesen?“, rief sie ihnen schon von weitem zu und winkte zur Begrüßung.

Wieder machte Anne dieses coole Augenbrauenheben. „Mit welchem Pfeil hat Amor dich denn heute erwischt?“

„Na ja, ihr wisst doch, bald ist die Faschingsparty. Und da hat mich Kaito eingeladen!“

„Faschingsparty? Ach du Scheiße.“

„Also Anni-Banani, nein, das ist super! Kannst du dir das eigentlich vorstellen? Eine richtige Party an einer Schule! Es gibt sogar Alkohol.“, entgegnete Lissi und stemmte empört die Hände in die schmale Taille.

„Nur für die Volljährigen.“, entgegnete Carsten.

„Woher weißt du denn das?“, fragte Ariane kritisch.

„Vielleicht, weil das ein Gesetz ist?“, gab Carsten sarkastisch zurück. „Außerdem muss der da auch bei der Organisation helfen.“ Mit ‚der da’ zeigte Carsten auf den geistig abwesenden Benni.

„Wann ist denn die Feier?“, fragte Öznur neugierig.

„Steht auf dem schwarzen Brett.“, sagte Benni.

Da niemand wirklich zufrieden mit dieser Aussage war, ergänzte Carsten beschwichtigend: „Am Rosenmontag.“

Öznur stöhnte auf. „Super, bis dahin finde ich doch nie eine Begleitung.“

„Wir können ja als Gruppe hingehen. Ist doch viel lustiger. Außerdem lernen wir uns so auch etwas besser kennen.“, meinte Ariane.

Lissi warf ihr einen verwirrten Blick zu. „Im Vollsuff?“

Susanne hob tadelnd den Zeigefinger. „Komm mir bloß nicht auf falsche Gedanken. Außerdem wirst du bei einem Verstoß gegen die Schulordnung bei dem nächsten Event ausgeschlossen.“

Lissi überlegte und sagte dann mit gekonnter Girliestimme: „Na gut. Es kommt also darauf an, was das nächste Event wird.“

Ariane unterdrückte ein Lachen. „So kann man es natürlich auch sehen.“

Während die Gruppe weiterhin über Recht und Ordnung diskutierte, fasste Laura all ihren Mut zusammen und zog Benni mit sich zum Brunnen, außerhalb der Hörweite ihrer Kameraden.

„Was ist denn?“, fragte Benni nüchtern. Natürlich erkannte er, dass sie ihn um etwas bitten wollte. Und da die Sonne gerade am untergehen war, wurden ihre Wangen noch roter als erwünscht, wenn ihre Verlegenheit überhaupt erwünscht wäre.

Laura rieb sich die frierenden Hände. Sie zitterte vor Kälte am ganzen Körper. Sie konnte eigentlich nicht glauben, dass Sonnenlicht auch so kalt sein konnte.

„Ich wollte wissen… Ob du… äh… ob wir… du… zu der Feier gehst.“, brachte Laura hervor. Warum musste sie eigentlich die Initiative ergreifen? In den Mangas machten das doch immer die Jungs, oder? Jedenfalls meistens.

„Nein.“ Bennis Antwort hatte denselben neutralen und doch klaren Klang wie immer und doch hatte Laura das Gefühl, jemand habe ihr eine Kugel ins Herz geschossen.

Vielleicht hat er mich nicht wirklich verstanden, machte Laura sich Hoffnungen. Ich versuche es etwas direkter.

Ihr Herz pochte wie ein verzweifelter Vogel, wenn er mit seinen Flügeln schlug. Er wollte nicht abstürzen, doch war zu verletzt, als dass er noch fliegen könne. „Dann… Willst du vielleicht mit… uns kommen?“ Laura biss sich auf die Zunge. Das ‚mir’ hatte sie nicht auf die Reihe bekommen.

Benni schüttelte den Kopf. Es war noch nicht einmal ein entschuldigender Ausdruck in seinem Gesicht. Öznur hatte Recht, bisher war er tatsächlich nur äußerlich ein Schatz, jedenfalls von dem, was sie von ihm mitbekam.

Oder hatte er sie doch einfach nicht richtig verstanden? Wobei Benni doch eigentlich total scharfsinnig war. Er hätte das eigentlich sofort erkennen müssen, lange bevor die Frage überhaupt in der Luft schwebte.

Bevor Laura einen neuen Versuch starten konnte, ging Benni rüber zu Carsten. Sie wechselten einige wenige Worte und gingen dann zum Jungen-Wohnheim.

Laura stand nur noch wie der letzte Depp herum und starrte in den Brunnen. Er schien so bodenlos, wie Bennis linkes, schwarzes Auge. Ein Abgrund, in den man sich verlor und nie wieder herausfand. So war es tatsächlich. Sie fühlte sich von seinem Blick gefangen, doch jedes Mal, wenn sie miteinander sprachen hatte sie Angst, auf dem Boden aufzukommen während sie sich gedankenlos reinstürzte.

So wie eben. Benni konnte das nie und nimmer nicht bemerkt haben, also hatte sie wohl eine Abfuhr bekommen.

Eine Hand wedelte vor ihren Augen herum. „Damon an Laura!“, rief Ariane ihr ins Ohr.

Laura schreckte hoch.

„Zum Glück! Du warst völlig weg. Was war denn eben?“, fragte Ariane teils erleichtert, teils neugierig. Nicht nur sie, auch die übrigen Mädchen warfen ihr einen Blick gemischt aus diesen Gefühlen zu.

Doch statt zu antworten merkte Laura, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten, obwohl sie sie mit aller Kraft zu unterdrücken versuchte. Wie oft musste sie heute verdammt noch mal noch heulen?!?

Ariane legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Hey, alles okay? Es ist doch nichts passiert, hoffe ich.“

Laura schüttelte den Kopf. „Nein, es ist gar nichts passiert.“, brachte sie zwischen zusammengepressten Lippen hervor.

„Oh je, das klingt gar nicht gut.“, meinte Öznur.

„Was hast du denn jetzt wieder angestellt?“, fragte Anne

„Anne!“, riefen Ariane und Öznur drohend.

„Sie hat schon Recht, ich hätte ihn nicht fragen dürfen… Was hab ich mir dabei eigentlich gedacht?“, fragte Laura eher sich selbst.

„Ihn nicht fragen? Wen hast du gefragt? Beziehungsweise was hast du ihn gefragt?“, fragte Öznur. Diese Fragen konnten sich vor Andeutungen kaum noch retten.

Laura atmete tief durch. Noch hatte sie ihre unendlich scheinenden Augenwasserreserven unter Kontrolle, es fragte sich allerdings, wie lang noch.

„Ich habe Benni gefragt, ob wir zur Feier gehen.“

„Wirklich? Das hat dich doch sicherlich viel Überwindung gekostet! Klasse, dass du dich das getraut hast!“, rief Ariane begeistert, hielt kurz darauf aber inne.

„Er hat dich abgewiesen?“, fragte Susanne ungläubig.

Laura nickte. Eine einzige Träne stahl sich aus ihrer Aufsicht und fiel auf den dunklen Schnee. Die Sonne war größtenteils hinter den Bäumen verschwunden ließ deren Schatten unheimlich lang und dunkel erscheinen. Laura setzte sich in Bewegung zum Mädchenwohnheim. Sie wollte dem Verhör entkommen, aber natürlich ließen die Mädchen nicht locker.

„Was genau hast du gefragt? Vielleicht hat er dich falsch verstanden?“

„Wie klang seine Stimme?“

„Wie hat er geguckt, als du ihn gefragt hast?“

Wie ein Wespenschwarm schwirrten die Fragen um Laura herum. Sie achtete darauf, sich an keiner zu verschlucken, doch sie hatte das Gefühl, all ihre Sinne würden durch die Stiche betäubt werden.

„Es reicht!“, platzte Ariane dazwischen.

Die Mädchen starrten sie entgeistert an. So kraftvoll, beinahe aggressiv hatte Ariane noch nie geklungen. „Ihr geht jetzt mit Laura auf unser Zimmer und kümmert euch um sie, so wie wahre Freunde das tun! Löchert sie nicht mit Fragen, verdammt noch mal, sowas kann doch niemand vertragen! Und ich knöpfe mir mal diesen kaltherzigen eiskalten Engel vor!“

Entschlossenen Schrittes stapfte Ariane davon, perplexe Mädchenaugenpaare sahen ihr nach.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen!
Ich hoffe, die Abenteuer von Laura und dem Rest der Chaos-Truppe haben euch bisher gefallen. :)
Da manche Kapitel doch etwas zuuu lang geworden sind, habe ich bei der Überarbeitung beschlossen, sie aufzuteilen. ^^“ Das hier ist das erste dieser Kapitel, was ursprünglich zu „Die Lehrmeisterin“ gehört hatte. Ich hoffe, die Kapitel-Nummern kommen jetzt nicht zu sehr durcheinander. XD Komplett anzeigen

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