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Blood and Whine

Ist doch alles Käse!
von

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Stolz und Urteil

„Auf dem Mond?“, echote Dettlaff gerade ungläubig, als Regis sich wortlos zu uns setzte. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie die Zeit verflog, noch, wann der ergraute Vampir zurückgekehrt war. „Ja doch, wirklich! Aber atmen kann man dort nicht und es ist auch nicht einfach, dorthin zu kommen. Außerhalb der Atmosphäre – also einer Schicht, die die gesamte Erde umfasst und dafür sorgt, dass wir nicht wahllos herumschweben – können wir nicht atmen und das Fehlen der Schwerkraft kann zu einem schlimmen Muskelschwund führen“, ereiferte ich mich. Dettlaff schüttelte den Kopf, als erzähle ich ihm Unfug. „Wie ist das nur möglich?“ „Technologie“, antwortete ich ihm triumphierend grinsend, ehe ich mich in Regis‘ Richtung wandte. „Wie lief’s? Und wo hast du Geralt gelassen?“, erkundigte ich mich bei dem Vampir. Dessen Lächeln war der einzige Grund, wieso ich nicht vom Schlimmsten ausging. Wäre Geralt von der Herzogin ins Gefängnis gesteckt worden, hätte Regis unsere Unterhaltung sicherlich unterbrochen, um uns dies mitzuteilen, damit wir uns gemeinsam einen Plan überlegen konnten, um den Hexer zu befreien.

„Geralt beantwortet weiter Fragen Ihrer Gnaden. Sie ist nicht gerade erfreut darüber, dass Dettlaff entkommen ist“, erklärte Regis gelassen. Entkommen also. Damit hatten sie sich herausgeredet. Dass Annarietta natürlich erwartet hatte, Geralt brächte ihr, wie von ihr gefordert, den Kopf des Biests von Beauclair, war wohl uns allen klar. Nichts würde die Herzogin davon abbringen, Dettlaff für schuldig zu befinden, und war ich ganz ehrlich, verstand ich das sogar. Unschuldig war er sicher nicht, auch wenn er erpresst worden war und dies seine Taten erklärte. Allerdings konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass Dettlaff hier die Chance auf eine faire Verhandlung mit einem Urteil unter Berücksichtigung mildernder Umstände hatte. Rechtsprechung oblag hier offenbar im Fragefall dem hiesigen Herrscher, was besonders in diesem Fall jede Form einer objektiven Verurteilung absolut unmöglich lachte. Ich erinnerte mich zu gut daran, wie Annarietta ihrer Schwester Syanna im Spiel all ihre Taten vergeben hatte.

„Wie sie jedoch letztlich urteilen wird, bleibt abzuwarten. Ich habe darauf plädiert, dass es angemessen wäre, Dettlaff aus Toussaint zu verbannen, aber nicht seinen Tod zu verlangen, weil sein Eingreifen maßgeblich dazu beigetragen hat, die Bedrohung durch Krul abzuwenden und damit die Bewohner Beauclairs zu beschützen“, fuhr Regis ernst fort, während sein Blick von Dettlaff zu mir glitt. Nachdenklich nickte ich. „Ich hoffe nur, sie wird Geralt nicht ins Gefängnis werfen“, gab ich meine Bedenken offen preis. Regis‘ Miene verzog sich, doch nur einen Augenblick. „Hältst du es für möglich?“, fragte er einfach nur. „Definitiv“, antwortete ich, ohne zu zögern. „Aber wenn es dazu kommt, kann Rittersporn sich bei Anna Henrietta für ihn einsetzen und sie gewiss davon überzeugen, Geralt freizulassen.“ Einen Moment lang sah mich Regis eindringlich an, als prüfe er, ob ich hier von einer mir bekannten, möglichen Zukunft sprach oder nur Überlegungen in Worte fasste. Dann nickte der Vampir.
 

„Was ist mit Syanna?“ Dettlaffs Frage hatte ich erwartet, doch der drohende Unterton, in dem er sie stellte, ließ mich dennoch aufmerken. Wenngleich er bisher den Eindruck machte, als wolle er von seiner Rache absehen, war ich mir dessen doch nicht sicher genug, um nicht doch ein bisschen genauer hinzuhören, wenn es um dieses Thema ging. Offenbar ein Gedanke, den Regis teilte, denn er sah ziemlich besorgt aus, als er sich mit gerunzelter Stirn Dettlaff zuwandte. „Ihre Gnaden hat entschieden, dass Syanna begnadigt wird. Ihr wird jedoch auferlegt, für ein Jahr den Palast nicht zu verlassen, um sich auf diese Weise in ihre Rolle als Schwester Ihrer Gnaden einzufinden“, erklärte Regis mit einem leisen Seufzen. Im stand ins Gesicht geschrieben, dass er mit dieser Entscheidung nicht zufrieden war. In diesem Punkt war ich ganz bei ihm. Entgeistert starrte ich Regis an, der die Hände in seinem Schoß faltete. Dettlaffs Miene blieb steinern.

Die Erste, die das brütende Schweigen durchbrach, war ich. „Ist das ihr verfickter Ernst!“, platzte es aus mir heraus. Ich versuchte gar nicht erst, zu verbergen, wie wütend mich das machte. Regis öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ich fuhr unbeirrt fort. „Erst erpresst diese verlogene Schlampe sich durch, plant die Ermordung von vier Männern und ihrer Schwester“, zeterte ich wild gestikulierend, „und zur Belohnung wird sie von genau dieser Schwester jetzt in einen hohen Adelsstand gesetzt, damit sie auch ja richtig viel Einfluss in Toussaint bekommt!“ Regis und Dettlaff starrten mich beide gleichermaßen überrascht an. Da nun niemand mehr versuchte, mich aufzuhalten, wetterte ich jetzt erst recht gnadenlos weiter. „Mal ehrlich? Wer hat der bitte ins Hirn geschissen? Sieht Anna Henrietta denn nicht, was sie da tut? Glaubt sie wirklich, dass das gut geht? Wäre ich einer ihrer Berater oder ein Bewohner Toussaints, würde mir das auf jeden Fall mächtig stinken“, keifte ich, nun mit Blick in Richtung der Stadt, stellvertretend für die herzoglichen Schwestern. „Jeder andere an Syannas Stelle wäre doch garantiert zum Tode verurteilt worden. Tolle Rechtsprechung, total fair“, wurde ich nun sarkastisch und schnaubte abfällig. Regis sah mich inzwischen tadelnd an, sodass ich von selbst leiser wurde, aber dennoch murrte: „Läuft das hier immer so? Dann ist es wirklich kein Wunder, dass die Herrscher hier sterben wie die Fliegen. Vielleicht haben sie’s nicht besser verdient, als dass man ihnen einen Dolch in den Rücken jagt.“

Pikiert hüstelte Regis. „Wenngleich ich mit dieser Entscheidung durchaus auch nicht konform gehe, hätte ich nicht von dir erwartet, dass du eine derart... blumige Ausdrucksweise dafür findest. Selbst Geralt wäre beeindruckt gewesen“, amüsierte sich Regis hörbar, während sein Blutsbruder noch immer etwas verwirrt wirkte. Offenbar brauchte Dettlaff einen Moment, um mein Schandmaul zu verarbeiten. Bisher hatte ich mich, fand ich zumindest, wirklich sehr vorbildlich benommen, doch bei der Scheiße, die hier jetzt schon wieder abging, war mir einfach der Kragen geplatzt, obwohl ich ja geahnt hatte, was passieren würde. Der Teil mit dem „in die hohe Gesellschaft integrieren“ war allerdings auch für mich neu gewesen. Scheiß-Syanna, Scheiß-Annarietta. Die hatten sich wirklich verdient und wenn Syanna ihre Schwester nun doch töten sollte, hätte ich ganz bestimmt keine Gewissensbisse!
 

„Sie ist halt ne olle Schlampe“, brummte ich leise, mich wieder beruhigend. Es war ja nicht so, als hätte ich nicht schon gewusst, dass Anna Henrietta ihrer Schwester vergeben würde. Es ärgerte mich nur trotzdem. Mich darüber aufzuregen, half allerdings auch niemandem weiter. Meine Meinung interessierte die Herzogin einen Scheiß, ganz abgesehen davon, dass sie sich die vermutlich nicht einmal anhören würde. Vor meinem inneren Auge konnte ich Syanna sehen, wie sie mir schadenfroh ins Gesicht lachte, weil sie ihrer gerechten Strafe entging und obendrein noch mit einem Adelstitel belohnt wurde. All das hätte sie auch haben können, wenn sie, anstatt diese Intrige und die Morde zu planen, ihren Arsch einfach direkt zum Palast bewegt hätte, um sich mit ihrer Schwester wieder zu vereinen. Missmutig rümpfte seufzte ich und sah dann zu Dettlaff, dessen steinerne Miene mir fast noch mehr Sorgen machte, als wäre er aufbrausend und laut geworden.

Nach einigen Sekunden jedoch seufzte auch er resigniert. „Es spielt keine Rolle“, meinte der Vampir leise und schloss die Augen. Wortlos griff ich nach seiner Hand und drückte diese. Eine Geste, die auch Regis ausführte, der Dettlaffs andere Hand in seine nahm. Der ergraute Vampir und ich tauschten einen vielsagenden Blick. „Hör mal“, meinte ich schließlich, „Ich weiß, das sagt sich viel einfacher, als es ist, aber ich finde, dass Syanna es nicht verdient hat, dass du ihr noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit widmest. Sie ist es nicht wert, auch nur einen weiteren Gedanken an sie zu verschwenden.“ Dettlaff erwiderte nichts und auch Regis blieb stumm, sodass wir drei einfach nur schweigend beisammen saßen, Dettlaff in unserer Mitte, der dreinsah, als wüsste er nicht, wohin mit sich. Ihm stand ins Gesicht geschrieben, wie sehr ihn das ganze Geschehen noch immer peinigte und sicher noch lange peinigen würde. Wer könnte es ihm auch verübeln? Was ihm angetan wurde, trüge jeder ein Leben lang mit sich herum.

„Sie hat es nicht verdient“, murmelte ich irgendwann leise. „Sie hat dich nicht verdient und dass du all das für sie bereit warst zu tun.“ Regis nickte zustimmend. „Mein Freund, was dir widerfahren ist, steht wahrlich nicht stellvertretend für alle Menschen. Geralt berichtete mir vom Fluch der Schwarzen Sonne und einer Prinzessin, die er einst traf, und die ebenfalls unter diesem Bann stand, ebenso wie Syanna“, erklärte er ruhig. Dettlaff reagierte kaum darauf. Sein Blick war auf seine Knie fixiert, auf denen auch seine Hände lagen, die Regis und ich auch jetzt noch hielten. Eine kleine Geste, doch alles, was wir im Moment für Dettlaff tun konnten. „Offenbar sind jene, die unter diesem Fluch geboren werden, einem Mutanten nicht unähnlich. Ein Zauberer, der diese Verfluchten untersuchte, habe ihm davon erzählt“, sprach Regis beruhigend weiter. „Diese Frauen neigen dazu, grausam zu sein, rachsüchtig und kaltherzig“, endete Regis schließlich mit seiner Erzählung zu Renfri. Er nannte deren Namen zwar nicht, doch ich kannte die Geschichte ja auch, wie Geralt zum Schlächter von Blaviken geworden war und das alles wegen einer Prinzessin namens Renfri, die auch unter diesem verschissenen Fluch gestanden hatte. Erst hatte sie mir leidgetan, doch dann hatte sie, genau wie Syanna, Entscheidungen getroffen, für die in meinen Augen keine Rechtfertigung gab.
 

Es war Regis, der sich zuerst erhob. „Die Herzogin wird morgen das Urteil verkünden, doch es kann kein Zweifel bestehen, dass sie das Biest von Beauclair zum Tode verurteilen wird“, meinte er leise, doch jedes Wort schnitt, als hätte er es geschrien. Natürlich war sicher auch Dettlaff klar gewesen, dass für ihn diese Sache damit noch nicht ganz durchgestanden war, doch es zu hören, musste schlimm sein. Mich ärgerte es eher. „Tch und was will sie tun? Dettlaff einfangen und dann was? Ihn in eine Zelle sperren?“, spottete ich sarkastisch. Anna Henrietta hatte doch keine Ahnung, worauf sie sich damit einließe und wie mächtig ein höhrer Vampir war. „Möchte sehen, wie sie das versucht“, fügte ich brummig hinzu und drückte Dettlaffs Hand bestätigend. Er sollte bloß nicht auf die Idee kommen, er habe eine Strafe verdient. Vielleicht mochte das irgendwo stimmen, doch er war in erster Linie ein Opfer von Syannas Intrige gewesen, nicht nur ein Täter. Wenn Syanna so davonkam, war es doppelt unverschämt, dass Dettlaff bestraft werden sollte. Es war so absurd und so falsch. Zweifellos hatte Dettlaff für seine Entscheidung, zu töten, auch wenn er erpresst worden war, Strafe verdient, doch nicht so. Und schon gar nicht, während Syanna, diese verfluchte Intrigantin, ihren selbstgefälligen Arsch auf Seidenkissen platzierte.

Bedrückt senkte Regis den Blick. Ich seufzte. „Sie wird verlangen, dass Geralt Dettlaff tötet. Wir alle wissen das. Dafür hat sie ihn ja überhaupt erst hierher beordert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dieses Mal besser zuhört, wenn Geralt versucht, ihr zu erklären, dass er das gar nicht kann.“ Dettlaff zuckte nicht einmal, während ich sprach. „Es gibt doch einen Katakan nicht unweit von hier“, fuhr ich zögerlich fort. Jetzt horchte Dettlaff auf, die Miene misstrauisch, doch ich ließ mich davon nicht aufhalten. „Er hat schon mehrere Leute getötet und er wird weitermorden. Früher oder später würde er so oder so auf Geralts Auftragsliste arbeiten. Wenn er Annarietta seinen Kopf brächte...“ Ich beendete meinen Satz nicht, doch sicher war beiden Vampiren klar, was ich damit implizieren wollte. Wenn es uns gelang, der Herzogin vorzugaukeln, Geralt habe den Job erledigt, würde es keine weitere Hetzjagd gegen Dettlaff geben und der Hexer würde auch nicht Ziel des Zorns der Herrscherin. Alle wären glücklich und das Volk würde sich auch wieder sicher fühlen, wenn die Herzogin verkündete, das Biest von Beauclair wäre tot. In meinen Augen war das nicht einmal gelogen. Das Biest von Beauclair war ein Geschöpf gewesen, das aus Syannas Intrigen geboren worden war und nur durch sie am Leben gehalten und wenn es noch jemanden gab, den man als Biest von Beauclair bezeichnen konnte, dann wohl Syanna, nicht Dettlaff!

„Niemand wird für mich sterben“, zischte Dettlaff plötzlich neben mir. Er funkelte mich wütend an, doch als ich von ihm zu Regis sah, war ich mir sicher, dass zumindest Regis meinen Vorschlag guthieß. „Hör mal“, versuchte ich es beschwichtigend. „Für diesen Katakan gibt es bereits einen Aushang. Geralt wird ihn früher oder später jagen, definitiv. Aber sein Tod kann etwas Gutes bewirken und dafür sorgen, dass niemand mehr nach dir sucht und die Bewohner der Stadt sich nicht länger vor einem Monster fürchten, das es gar nicht gibt“, argumentierte ich betont ruhig. „Wir müssen das nicht jetzt entscheiden, aber... wir sollten es nicht auf die lange Bank schieben. Anna Henrietta wird ziemlich sicher bereits wettern und fluchen, damit Geralt die Jagd beginnt, egal, was der sagt. Sie ist niemand, der einfach vergibt und es fällt ihr leichter, die Schuld in einem Fremden zu sehen als in ihrer Schwester“, seufzte ich leise und spürte, wie dieses Mal Dettlaff meine Hand drückte. Besonders, wenn dieser Fremde in ihren Augen allein durch seine Spezies ein Monster war, fügte ich in Gedanken hinzu, sprach die Worte aber nicht aus.
 

Abrupt stand nun auch Dettlaff auf, sodass ich seinem Beispiel folgte. Regis warf einen Blick über die Schulter über den Friedhof, dann sah er zu Dettlaff, schließlich zu mir. „Vielleicht solltest du deinen Vorschlag Geralt unterbreiten. Ich könnte mir vorstellen, dass er den Autrag, das Biest von Beauclair zu jagen, abgelehnt hat“, sinnierte Regis mit dem Anflug eines Lächelns. Gerne hätte ich ihm zugestimmt, doch ich schüttelte den Kopf. „Die Wahl wird er wahrscheinlich nicht gehabt haben. Aber ich bin sicher, wir können ihn davon überzeugen, sich des Katakans anzunehmen. Die Belohnung, die die Herzogin ausgesetzt hat, ist bestimmt stattlich und als Hexer kann er die doch sicher gut gebrauchen“, versuchte ich, etwas Positives an alledem zu sehen, während Regis und Dettlaff beredte Blicke tauschten, die ich nicht zu deuten wusste. Was immer sie über ihre Blutsbande verband und ihnen ermöglichte, sich auch ohne Worte zu verstehen, es schloss mich aus. „Wir ziehen uns vorerst zurück. Es ist besser, wenn in Beauclair erst einmal Ruhe einkehrt“, ließ mich Regis schließlich teilhaben. Dettlaff schwieg und wich meinem Blick aus.

Ich nickte und schluckte schwer. Dann hieß es nun wohl Abschied nehmen. Vielleicht käme Regis zurück, aber ich glaubte nicht, dass das auch für Dettlaff galt. Und selbst wenn sie beide wiederkämen, wann wäre das? In zehn Jahren? In zwanzig? Für ihresgleichen war das kein so unendlich langer Zeitraum, doch für mich sah das anders aus. Wer wusste schon, wo ich in zehn Jahre wäre und was ich dann täte? Vielleicht wäre ich dann auch gar nicht mehr hier, sondern hätte einen Weg zurück nach Hause gefunden. Wobei ich inzwischen gar nicht mehr wusste, ob das wirklich das Beste wäre. Wie lange war ich nun hier? Ein halbes Jahr? Mir schien es unendlich viel länger, weil so viel passiert war. Ich hatte mich an das Leben hier gewöhnt, wenn ich auch überall mächtig aneckte. Zurück in die Moderne zu gehen, wäre erstmal ein ziemlicher Kulturschock. Und ich würde sie vermissen, diejenigen, die mir hier ans Herz gewachsen waren. Nicht nur Regis und Dettlaff, sondern auch Geralt und natürlich die Winchesters. „Passt auf euch auf, ja?“, bat ich die zwei Vampire. „Natürlich. Bis bald, erwiderte Regis mit einem milden Lächeln, ehe sich erst Dettlaff, dann er in Nebel auflösten, während mir nur blieb, den beiden Rauchschwaden nachzusehen.
 

Kaum waren die zwei Vampire davongerauscht, hörte ich auch schon Geralts Stimme. „Wusste nicht, dass ich so einschüchternd bin“, kommentierte er trocken, als er die letzten Schritte herantrat, um neben mir stehen zu bleiben. Eine Weile lang sah er einfach nur in die Richtung, in der der Rauch verschwunden war. Der Ausblick auf die Felder war wirklich schön, doch so richtig genießen konnte ich es heute nicht. Regis‘ Worte hatten mir zwar Hoffnung gemacht, dass er zurückkehren würde, doch ich wollte keine zu hohen Erwartungen haben, um nachher nicht enttäuscht zu sein. Mit einem schweren Seufzer wandte ich mich Geralt zu. „Wie lief’s bei den Bitches?“, fragte ich ihn direkt ohne Umschweife. Fragend hob der Hexer eine Braue. „Bitches? Das ist dann wohl eine Beleidigung aus deiner Zeit“, brummte er, grinste dann jedoch. Oh je, was brachte ich ihm hier nur bei. „Also?“, hakte ich nach, um davon abzulenken. Geralt musterte mich kurz, antwortete jedoch nicht.

Ungeduldig stemmte ich die Hände in die Seiten. „Ach komm“, ergriff ich wieder das Wort. „Lass mich raten: Anna Henrietta will, dass du ihr Dettlaffs Kopf bringst, richtig?“ Eigentlich hätte Geralt gar nicht antworten brauchen, ich konnte die Antwort in seinem Blick sehen. Klar hatte sie das. „Ein Nein hat sie wohl nicht akzeptiert“, fuhr ich fort, als Geralt nichts erwiderte. Ein bisschen genervt sah er schon aus. „Du weißt also schon alles“, bemerkte er kurz angebunden. „So ähnlich“, meinte ich ausweichend, „aber vielleicht habe ich eine Lösung für das Problem Anna Henrietta. Wenn du keine Ergebnisse bringst, wird sie bestimmt nicht gnädig mit dir sein.“ Geralts Miene verzog sich kurz, er verschränkte die Arme, sagte jedoch nichts, sondern sah mich nur abwartend an. Triumphierend grinste ich und eröffnete ihm meinen Plan. Der war zugegeben nicht wirklich mein Verdienst, weil er auch im Spiel eine Rolle spielte, aber das war im Moment nicht weiter wichtig. Wichtiger war vielmehr, dass es funktionieren würde. Nicht einmal Syanna könnte den transformierten Dettlaff von einem Katakan unterscheiden. Wir könnten sie also beide täuschen.

„Regis und Dettlaff?“, fragte Geralt schließlich. „Sind gegangen. Aber ich kann dir nicht sagen, wohin oder wie lange“, antwortete ich schulterzuckend. „Was hast du jetzt vor? Willst du erstmal nach Corvo Bianco?“, wollte ich von dem Hexer wissen. „Mal sehen“, erwiderte er vage. „Und du, Daelis?“ „Ich? Äh...“ Ich stutzte. Darüber hatte ich mir noch nicht weiter Gedanken gemacht. Zumindest nicht so richtig. „Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Vielleicht lässt du mich ja für dich auf deinem Weingut arbeiten?“, schlug ich halb ernst, halb im Scherz vor. „Ansonsten würde ich natürlich gerne Regis und Dettlaff helfen, aber ich glaube nicht, dass die beiden ausgerechnet einen Menschen dabei haben wollen, wenn sie ihre Vampirgespräche führen.“ Geralt gab ein leises Geräusch von sich, das an ein Lachen erinnerte. Gespielt beleidigt stieß ich ihm in die Seite. „Guck nicht so. Ich versuche ja, meinen Platz zu finden. Also, wie sieht’s aus? Du kannst doch bestimmt wen brauchen, der den armen Barnabas-Basilius unterstützt“, zwinkerte ich in Geralts Richtung. Der Hexer ächzte nur leise. „Dich werd ich wohl echt nicht mehr los.“ „Blödmann.“
 

Gemeinsam holten wir die Winchesters aus der Gruft, die inzwischen wach und putzmunter waren. Dean kam uns bereit an der Treppe entgegen, aufgeregt krächzend, bevor er und sein Bruder beide um Geralt und mich herumsprangen wie zwei Hundewelpen. Zwei sehr große Hundewelpen, denn sie konkurrierten mittlerweile locker mit einem Husky, wenn es um die Größe ging. „Solltest die beiden langsam loswerden“, hörte ich Geralt leise murren, doch er beschwerte sich nicht, als wir gemeinsam nach Corvo Bianco ritten. Während ich hinter Geralt auf Plötzes Rücken saß, flogen Sam und Dean hinter uns her. „Wenn du also weißt, was die Herzogin von mir verlangt“, begann Geralt nach einer Weile unvermittelt, „weißt du auch, wie diese Nummer weitergeht.“ Er warf einen Blick über die Schulter zu mir und nickte. „Ja. Du solltest ihr den Kopf des Katakans bringen, glaub mir. Was passiert, wenn du das Biest nicht töten kannst und ihr das erzählst, würde dir nicht gefallen“, erklärte ich ausweichend. Bisher hatte ich nie etwas ausplaudern können, das noch nicht passiert war, darum versuchte ich es auch jetzt gar nicht erst. Ich hoffte ja eh, dass Geralt meinen Vorschlag annahm und ihm damit erspart blieb, einige Wochen im Gefängnis von Toussaint zu schmoren, bevor ihn Rittersporn auf Regis‘ Bitten hin da rausholte.

Geralt brummte nur leise, dann wechselte er das Thema. „Werd dich bei Marlene und Barnabas-Basilius absetzen. Die werden schon was für dich zu tun finden.“ „Danke, Geralt. Du wirst es nicht bereuen. Aber eine Sache ist da noch...“, begann ich und konnte förmlich sehen, wie der Hexer mit den Augen rollte, wenngleich ich nur auf seinen Hinterkopf starrte. „Bitte stell Kontakt zu Yennefer her, wegen dieser Zeitreisegeschichte. Wenn ich es sein werde, die Theodor in der Zeit zurückschickt, kann ich vorher jede Unterweisung in Magie gebrauchen, die ich bekommen kann“, bat ich, doch Geralt schnaubte nur und meinte: „Du wirst es nicht sein.“ „Wies kannst du dir da so sicher sein, Geralt? Irgendwer muss es tun und da wir nun wissen, was der Preis für einen solchen Zauber ist“, protestierte ich sofort, doch der Hexer schnitt mir das Wort ab. „Theodor hat das Buch mitgenommen, um die Zauberin aufzusuchen, die ihn zurückschicken wird. Du bist es nicht“, brummte er, als wäre das völlig selbsterklärend. Entgeistert starrte ich ihn an, auch wenn er es nicht sehen konnte. „Was...?“

Verdammt, ich hatte wirklich nicht darauf geachtet, ob das Buch noch da war. Wie konnte ich nur etwas so dermaßen Wichtiges vergessen? Ja, ich war zweifellos übermüdet und etwas neben der Spur, aber ausgerechnet das Zauberbuch nicht mehr auf dem Schirm zu haben, war wirklich peinlich. Außerdem erklärte das alles noch immer nicht, wie diese Sache sich nun auflösen sollte. Es war einfach total naheliegend und logisch, dass ich den Zauber wob, der Theodor zurückschickte. Das passte einfach perfekt zusammen. Es hätte erklärt, wieso er ausgerechnet zu mir kam, um mir das Buch zu geben, und, wieso ich überhaupt hier war. Zugegeben war der letzte Punkt allein meine Interpretation, doch etwas Besseres hatte ich nicht. „Aber wer tut es dann? Wieso sollte jemand bereit sein, sein Leben dafür zu opfern?!“ Der Hexer vor mir schwieg einfach. Aufgeregt griff ich ihm an die Schulter. „Geralt! Wer tut es!?“, verlangte ich zu wissen, doch eine Antwort erhielt ich nicht, gleich wie sehr ich darauf pochte, es wissen zu müssen.
 

Als wir Corvo Bianco erreichten, erwartete Marlene uns schon. „Herr Geralt, wir haben Euch schon erwartet“, begrüßte sie zuerst Geralt, ehe sie mich einer Musterung unterzog. Da ich noch immer das gleiche Kleid trug wie während des Angriffs und obendrein darin geschlafen hatte, machte ich wohl nicht den allerbesten Eindruck. Der Stoff war schmutzig und knittrig, womit er in etwa so aussah, wie ich mich fühlte. „Lady Daelis, nehme ich an?“, begrüßte mich die alte Frau, deren Anblick mein schlechtes Gewissen sofort schürte. Während der ganzen Geschichte hatte ich keinen Gedanken an sie verschwendet. Dass Geralt das Rätsel um ihren Fluch dennoch gelöst hatte, freute mich natürlich, aber ich bereute trotzdem, ihm nicht vorher einen Tipp in diese Richtung gegeben zu haben, um sicherzustellen, dass Marlene überlebte und nicht den Tod durch Geralts Silberklinge fand. „Dann kommt doch erst einmal rein, ihr Lieben. Ihr seht hungrig aus“, scheuchte Marlene uns schon fast, als ein junger Mann herantrat, der unsicher neben Plötze innehielt. Geralt nickte ihm knapp zu, ehe er absaß und dann mir aus dem Sattel half.

Derweil hatte uns auch Barnabas-Basilius bemerkt. Der Haushofmeister trat gerade aus der Tür, als mich Geralt auf dem Boden absetzte. Mit einem Kreischen landete nun auch Dean neben mir, während Sam weiter in der Luft seine Kreise zog und damit den jungen Mann, der jetzt nach Plötzes Zügeln griff, sichtlich verunsicherte. „Herr Geralt, Dame Daelis. Es erfreut mich, Euch unversehrt und wohlauf in Corvo Bianco zu begrüßen“, wandte er sich mehr an Geralt als an mich. „Wenn Ihr erlaubt, werde ich der Dame das Bad vorbereiten.“ Geralt brummte zustimmend, erhob dann aber doch das Wort. „Ziemlich was los hier heute“, bemerkte er, was Barnabas-Basilius dazu veranlasste, seine Haltung zu straffen. „Angesichts des Massakers der vergangenen Nacht und Eurer bedeutenden Rolle dabei, dem ein Ende zu setzen, habe ich mir erlaubt, eine kleine Feierlichkeit zu planen, um Euren Sieg gebührend zu ehren.“ Geralts Ächzen ignorierten wir tatsächlich alle geflissentlich. Marlene tat, als habe sie es nicht gehört und wandte sich mir zu, während Barnabas-Basilius berichtete, dass es auf das Anwesen keine Angriffe gegeben hatte und es darüber allerlei Gerüchte unter den Bediensteten gab.

„Komm Liebes, wir sorgen erst einmal dafür, dass du dich waschen kannst und besorgen dir etwas Sauberes zum Anziehen“, meinte die alte Frau, als sie eine Hand auf meinen Rücken legte und mich auf diese Weise in Richtung des Hauptgebäudes schob. Als Sam nun auch landete, um wie sein Bruder neben mir herzulaufen, schmunzelte Marlene nur. „Von Euren Begleitern haben wir hier auch schon gehört. Was waren sie noch gleich?“ „Greifen“, antwortete ich perplex. „Sie äh... sie wachsen noch“, fügte ich dann etwas unsicher hinzu, doch auch jetzt blieb Marlene gelassen und lachte nur leise. „Dann sollten wir die kleinen Schätze wohl besser auch gleich füttern.“ Eines musste ich ihr lassen: Sie war wirklich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. „Gleiches gilt allerdings auch für Euch. Ihr seht erschöpft aus. Ich werde Euch eine gehaltvolle Suppe machen. Dann fühlt Ihr Euch gleich besser“, plauderte die Erbin von Trastamara gut gelaunt weiter. „Duz mich doch einfach, ja?“, unterbrach ich sie, ehe Marlene weitersprechen konnte. Die alte Frau stutzte, lächelte dann aber. „Ich heiße Marlene. Willkommen auf Corvo Bianco.“
 

Marlene sollte absolut Recht behalten. Schon als ich aus der hölzernen Wanne stieg, fühlte ich mich wie neu geboren. Zwar konnte ich mich nicht gerade für das vermutlich als hübsch geltende Kleid begeistern, das mir Marlene rausgelegt hatte, doch ich schlüpfte ohne zu Murren in das dunkelgrüne Kleidungsstück, allein schon, weil es nicht vor Dreck starrte und nach Schweiß und Blut stank. Schon als ich das Bad verließ, konnte ich hören, dass draußen irgendetwas vor sich ging. „Ah, sehr hübsch. Es passt also“, lenkte Marlene meine Aufmerksamkeit vom Fenster auf sich. Verdattert nickte ich. „Ja, Dankeschön fürs Leihen.“ Marlene winkte ab. „Behalt es nur, Liebes. Jetzt komm erstmal mit nach draußen. Die Männer haben schon Bänke aufgestellt und das Essen ist auch gleich soweit.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, schob sie mich auch schon in Richtung der Eingangstür.

Auf dem Hof standen tatsächlich schon mehrere Tische und Bänke sowie eine Handvoll einfacher Schemel, auf denen einige Leute saßen, wohl die Bediensteten Corvo Biancos. Mehrere Flaschen standen auf einem Tisch und zwei Männer stießen gerade mit ihren Humpen an. Mittendrin entdeckte ich Geralt, der nicht so richtig aussah, als wäre er in Feierstimmung. Zu seinen Füßen lagen Dean und Sam, die sich am allgemeinen Tohuwabohu überhaupt nicht zu stören schienen. „Hey“, sprach ich den Hexer an, als ich mich neben ihm auf der Holzbank niederließ. „Sind ja alle mächtig gut gelaunt hier.“ Geralt brummte leise. War ja mal wieder typisch. Dann machte ich wohl den Alleinunterhalter. „Was ziehst du so eine Schippe? Es gibt doch wirklich guten Grund zu feiern. Wir haben alle überlebt, Krul ist bezwungen, Dettlaff und Regis in Sicherheit“, versuchte ich, Geralt aus der Reserve zu locken, der mich nun mit erhobener Braue ansah. Ich seufzte. Es war ja nicht so, als verstünde ich nicht zu gut, was sein Problem war. Nicht nur, dass Theodor sich opfern würde, wenngleich das Geralt vermutlich noch relativ egal war, es waren auch viele Menschen in der vergangenen Nacht gestorben und ein Zauberer würde es auch noch, um Theodor in der Zeit zurückzuschicken, damit er für mich sterben konnte.

„Zerbrich dir nicht das Hirn. Krul war ein Vampirproblem“, brummte Geralt gerade laut genug, dass ich ihn verstehen konnte, aber leise genug, damit niemand versehentlich mithörte. „Ist nur gerecht, wenn ein Vampir dafür den Kopf hinhält. Du hast genug getan.“ Sah man mir so einfach an, was ich dachte? Scheinbar. Ich wusste, er meinte es gut, doch so richtig konnte er meine Zweifel damit nicht zerstreuen. „Vielleicht hast du Recht“, gab ich zu. „Aber dennoch...“ „Nein, Daelis. Kein dennoch. Hexer werden wenigstens dafür bezahlt, ihr Leben zu riskieren, um Monster zu töten. Du nicht. Dass du überhaupt noch lebst, grenzt an ein Wunder. Obendrein steht ein ziemlich mächtiges Wesen tief in deiner Schuld, so wie ich das sehe“, unterbrach Geralt mich harsch. Entgeistert starrte ich ihn an. „Ach? Theodor vielleicht? Wohl kaum“, gab ich sarkastisch zurück und ließ die Schultern hängen. Geralt schüttelte nur seufzend den Kopf. „Trink was und feier lieber. Es ist vorbei und du kannst es nicht ändern. Sei froh, dass so viele überlebt haben“, ächzte der Hexer und schob mir im gleichen Zuge seinen Humpen zu, an dem ich nur kurz schnupperte. Bier. Angewidert verzog ich das Gesicht und schob das Gefäß zurück. „Bleh, lass gut sein“, wehrte ich ab und erntete damit ein herzhaftes Lachen seitens Geralt, der demonstrativ einen Schluck aus seinem Humpen nahm.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgaben:
(2) Werden sich die Schwestern versöhnen? Hier kannst du entscheiden, ob die Herzogin ihrer Schwester verzeiht. Wenn nicht, heißt es Gericht und Verurteilung. Natürlich darf Dettlaff ein Wort dazu sagen.

(5) Die Stadt wird neu aufgebaut, versuche zu helfen oder gehe Geralt auf die Nerven. Feiert ein kleines Fest. Dieser Tag wird leider dein Abschiedstag sein. Komplett anzeigen

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