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Force of Nature

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderbaren Abend euch allen,

was soll ich sagen? Ich Schnecke habe sieben Monate für 13 Seiten gebraucht. Es tut mir aufrichtig leid, dass ich euch so lange habe warten lassen. Ich werde zusehen, dass sie letzten ein oder zwei Kapitel - ich bin mir bei der Anzahl noch nicht sicher - schneller gehen.
Dazwischen gekommen ist mir, ihr habt es gesehen, das Tatort Saarbrücken-Fandom, das mich wie ein Zug überrollt hat. Fragt nicht, warum ich kann es nicht erklären...vielleicht weil es Polizisten sind. ;)

Nun aber zurück hierhin. Hier ist er, der neue Teil. Ich hoffe, er gefällt euch. Komplett anzeigen

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Erste Male

Jean grollte, während sich seine Finger in den gelben Stoff des Hoodies vor ihm gruben und diesen eisern festhielten. Er grollte lauter, als erneut und unvernünftig daran geruckt wurde und stemmte seine nackten Füße in Erwartung weiteren Widerstands in den Boden.
 

„Ich habe gesagt, dass es okay ist“, grimmte er und der Junge am anderen Ende des Hoodies gab einen Laut irgendwo zwischen Verzweiflung und Ertapptheit von sich. Mit Recht, befand Jean, schließlich hatte der Übeltäter sich aus ihrem Apartment schleichen wollen.
 

Hinterrücks.
 

Angefangen hatte es damit, dass Logan ihm gegenüber angemerkt hatte, dass sie sich früher öfter zum Film schauen in ihrem Apartment getroffen hatten. Auf Jeans Frage hin, warum sie das nicht mehr taten, hatte er Übeltäter nur verschämt lächelnd mit den Schultern gezuckt und gemurmelt, dass er keinen Film schauen würde, wenn Jean Angst davor hatte. Obwohl Jean ihm daraufhin gesagt hatte, dass es okay war, wenn er hierblieb und die Anderen zu ihnen kamen, hatte sein unvernünftiger Kapitän natürlich nichts Besseres zu tun, als sich davonschleichen zu wollen. Aber nicht mit ihm.

Fast hätte Knox es geschafft, wenn da nicht die verdächtige Stille gewesen wäre, die Jean aus seinem Essay gerissen hatte. Das leise Prickeln, dass etwas nicht stimmte. In Evermore wäre es Gefahr gewesen. Hier? Er rümpfte die Nase.
 

Hier war es ein sich davonstehlender Striker im Kapitänsrang, der versuchte, sich dem Videoabend in ihrem Apartment zu entziehen, weil Jean gesagt hatte, dass er währenddessen im Schlafzimmer sein würde. Es war vollkommen okay für ihn, nicht jedoch für den Jungen, der zunächst versucht hatte, den Abend abzusagen, dann versucht hatte, mit Jean zu diskutieren, dass sie auch etwas Anderes machen konnten. Als auch das nichts gefruchtet hatte, waren sie hier gelandet.
 

Jean hatte ihn gerade noch so am Stoff seiner Kapuze erwischt und hielt ihn nun daran unnachgiebig fest, sorgsam darauf bedacht, den anderen Jungen nicht zu würgen.
 

„Jeremy Knox, du kommst sofort zurück“, sagte er streng, etwas, das vor Monaten noch undenkbar gewesen wäre. Auch jetzt noch zog sich sein Magen erschrocken und schmerzhaft zusammen und sein erster Instinkt war es, zurück zu weichen. Doch über diesen anfänglichen Impuls setzte Jean sich hinweg und blieb bei seinem spielerischen Necken und Aufhalten, hatte er doch beobachtet, dass Jeremy diese Seite an ihm sehr mochte. Nicht nur das, manchmal sah Jean in Jeremys Augen nicht nur Freude, wenn er streng war. Dort war auch Lust.
 

Hatte Jean erwartet, dass er Angst vor eben dieser Emotion haben würde, so täuschte er sich. In Evermore hatte sich dieser Ausdruck auf den Gesichtern seiner Vergewaltiger in seine Erinnerungen gebrannt. Auch jetzt noch träumte er von der Lust auf ihren Gesichtern.

Aber Jeremy war anders. Jeremy betrachtete ihn nicht, als wäre er Beute. Er nutzte seine Lust nicht als Waffe, sondern sie war ein Teil von ihm. Etwas, das ihn nicht diktierte. Jean war froh darum, auch wenn er sich fragte, wie Jeremy wohl aussehen würde, wenn er das mit ihm machte, was die beiden Männer in dem Video miteinander taten. Wie sehr konnte er ihm wohl die vielen Geräusche entlocken, die ihren Weg zu Jeans Unterleib fanden?
 

Eine Bewegung ließ Jean aus seinen Gedanken auftauchen und Jeremy drehte sich zu ihm um, soweit es Jeans Hand in seiner Kapuze eben zuließ. Seine blauen Augen blitzten und Jean sah jetzt schon, dass sein Kapitän etwas ausheckte.

„Was es auch ist, nein“, grollte Jean und legte seine Hände um die Hüften des anderen Jungen.

„Jean, aber ich…“

Bestimmt zog er Jeremy zu sich zurück in ihr Apartment und wollte schon die Tür zuwerfen, als Logan und Val hinter Jeremy auftauchten und sie beide fragend musterten. Der Geruch frisch gefärbter Haare drängte sich Jean entgegen und einen Augenblick lang warf dieser ihn zurück nach Evermore, hin zu Neil. Doch Val war nicht Neil, sie hatte keine Verzweiflung in ihren Augen. Sie weinte nicht vor Schmerz. Sie schrie nicht, während er ihre Wunden versorgte.
 

„Stören wir?“, grinste Val anstelle dessen und Jean rollte mit den Augen.

„Nicht im Geringsten, kommt rein“, erwiderte er und stülpte seinem Kapitän die Kapuze über den Kopf, bevor dieser etwas sagen konnte.

„Es findet hier statt“, raunte er Jeremy ins Ohr und schob ihn sanft in Richtung Couch. „Hinsetzen.“
 

Groß und rund waren sie, die Augen, die zu ihm hochsahen. „Du musst das nicht tun, Jean, wirklich nicht“, startete Jeremy einen letzten Versuch, den Jean mit dem Schweigefinger auf den schmalen Lippen beendete.

„Was willst du trinken?“, fragte er anstelle dessen und Jeremy zog die Nase kraus.

„Du wirst uns hier nicht bedienen, soweit kommt es noch“, grollte er nun auch noch und Jean würdigte das keiner Antwort. Und ob er das tun würde, er hatte auch schon etwas Bestimmtes im Sinn.
 

Anstelle dessen bedeutete er Logan und Val, sich zu Jeremy zu setzen und ließ gleich auch noch Ellie und Ajeet hinein, die gerade im Türrahmen erschienen.

„Hey“, lächelte der Hüne von einem Torwart und winkte ihm. Ellie gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie hatte irgendwann damit angefangen, als Jean ihr nicht schnell genug aus dem Weg gegangen war. Seitdem hörte sie nicht mehr auf damit und er war sich bis jetzt noch nicht sicher, ob er wirklich so konsterniert darüber war wie am Anfang. Es fühlte sich schön an. Irgendwie.
 

Bestimmt schloss Jean hinter ihnen die Tür und kam wieder ins Wohnzimmer. Mit Verachtung sah Jean auf den Tisch, auf dem sich die ungesunden Mitbringsel stapelten und wütend stierte er Logan nieder, der seine viel zu süßen und viel zu zuckerhaltigen Brownies von ihrem Papier befreite.

„Das ist ungesund“, grimmte Jean. Logan sah zu ihm und zog provokativ langsam die Sprühdose mit Schlagsahne aus der mitgebrachten Tasche. Er stellte sie mit bedeutungsschwanger erhobener Augenbraue auf den Tisch und lächelte dunkel.

„Schonmal über eine Zukunft als Fitness-Guru nachgedacht, Moreau? Würde dir ausgezeichnet stehen.“
 

Jean hatte keine Ahnung, was ein Fitness-Guru war, aber wenn es aus dem Mund des Defensive Dealers kam, dann konnte es nichts Gutes sein, egal, wie sehr Val darüber kicherte.

„Das wäre was, die armen Leute“, fiel sie ein und vernichtend starrte Jean ihr in die Augen.

„Mit dir fange ich an“, drohte er spielerisch und hoffte, dass es nichts Schlimmes war. Anscheinend schon, wenn er ihr theatralisches Zurückfallen auf die Couch richtig interpretierte.
 

„Du wärst ein ausgezeichneter, gnadenloser Guru“, lachte Jeremy und erhob sich. Jean folgte ihm in die Küche und zog die Gemüsesticks mit Joghurtdip aus dem Kühlschrank, die er heute Nachmittag vorbereitet hatte.

„Hier, etwas Gesundes“, sagte er bedeutungsschwanger und Jeremy nahm den Teller mit einem dankbaren Lächeln entgegen. Er hauchte einen Kuss auf die andere Wange und ließ Jeans Gesicht damit doppelt prickeln.

„Du bist ein wunderbarer Mensch, Jean“, murmelte er und Jeans Bauchgegend kribbelte vor Wärme.

„Geh Fernsehen gucken“, sagte er anstelle den Worten, die ihm auf der Zunge lagen und Jeremy lachte. Dieses Mal erhielt Jean einen Kuss auf die Lippen und zog sich schließlich in das Schlafzimmer zurück.
 

~~**~~
 

Es dauerte keine halbe Stunde, da konnte Jean sich nicht mehr auf seinen Essay konzentrieren. Die Trojans auf der anderen Seite der Tür lachten, neckten und beleidigten sich und er sah eines ums andere Mal auf um ihnen zu lauschen. Am Anfang war es unterbewusste Angst gewesen, dass sie kommen und ihn holen würden. Unbegründet, aber präsent. Schneller, als er es sich erträumt hatte, war sie abgeklungen und hatte Neugier zurückgelassen. Neugier und Sehnsucht, sich nicht außen vor zu fühlen und sich nicht selbst zu isolieren.
 

Stückchenweise hatte Jean diesem Gefühl nachgegeben. Hatte gelauscht. War zur Tür gegangen und hatte dort gelauscht. Hatte durch das Schlüsselloch gespinxt. Dreimal hatte er seine Hand auf die Klinke gelegt und sie wieder zu sich gezogen.
 

Sein Herz raste, als er hinter der Tür stand und seine Erinnerungen ihn anschrien, dass es keine gute Idee war. Es klopfte wild in seiner Brust und einen Augenblick lang erschwerte ihm seine Angst das Atmen. Doch keiner von ihnen war wie die Ravens. Sie würden ihm nicht wehtun.
 

Das sagte er sich immer wieder.
 

Bevor er es sich anders überlegen konnte, öffnete Jean schließlich die Tür. Dass er sie vermutlich eher aufriss, sah er an den erschrockenen Gesichtern der Anwesenden, die ihn anstarrten, als wäre er der Tod persönlich. Jeremy griff hastig zur Fernbedienung und stoppte das Video.
 

„Jean, alles okay?“, fragte er und Jean nickte abgehackt. Nun, da er im Raum stand, wusste er nicht, was er tun sollte. Die Couch war belegt, der Platz davor auch. Einzig der Hocker war frei und den holte er sich nach kurzer Überlegung mit zittrigen Händen. Beinahe schon trotzig setzte er sich in entsprechender Entfernung zu seinem Team auf die unbequeme Sitzfläche und presste den Kiefer aufeinander.

„Was?“, grollte er, als sie immer noch schwiegen und ihn anstarrten als käme er von einem anderen Stern.

„Du schaust mit?“, traute Jeremy sich schließlich und Jean hasste den latenten Unglauben in seiner Frage, die Unsicherheit, die da mitschwang.

„Ja“, entkam es Jean gepresst und er verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Kennst du den Film?“, fragte Ellie und Jean schüttelte den Kopf, dankbar um die Überleitung, die die peinliche Stille überbrückte. Er starrte auf den Boden, weil er ihr Mitleid nicht sehen wollte. Die fragenden Blicke. Wieso sollte er den Film auch kennen? Er kannte fast gar nichts und das, was er kannte, hatte er beinahe vergessen.

„Nein.“
 

„Es ist ein Tanzfilm aus den Achtzigern. Sehr geistlos, aber Kult. Wir schauen ihn regelmäßig.“
 

Jeans Augen huschten nach oben und er sah, dass es ernst gemeint war. Sie sahen sich einen Tanzfilm an. Das erklärte die Musik, die er gehört hatte.

„Okay.“

„Cool für dich?“

Jean nickte und wagte es, Jeremys Blick zu erwidern. Das, was er darin sah, war ein breites Potpourri aus Emotionen, die Jean wie nichts durchdrangen und ihn mit Chaos ausfüllten. Da war soviel Positives, das er zu zerbersten glaubte.

Sein Kapitän lächelte so liebevoll, dass es Jean als Antwort trotz seiner Nervosität in den Mundwinkeln zuckte.
 

„Möchtest du lieber auf die Couch?“, fragte er und Jean schüttelte den Kopf. Nein, wollte er nicht. Der Hocker stand abseits und von hier aus konnte er schnell aus der Wohnung, wenn es notwendig sein würde. Nicht, dass dem der Fall wäre, aber er wollte sich einen Fluchtweg lassen.

„Es ist okay so.“
 

Herausfordernd hob Jean seine Augen und sah von Jeremy aus zu den anderen Trojans. Knapp deutete er auf den Fernseher. „Wolltet ihr nicht schauen?“, fragte er ungehalten und es war Logan, der mit einem vielsagenden Augenbrauenwackeln den Film weiterlaufen ließ.
 

Die Figuren bewegten sich, sprachen miteinander, agierten miteinander, doch das, worauf Jean sich in den ersten Minuten konzentrierte, waren die Hintergrundgeräusche und das Verhalten seines Teams. Angespannt saß er auf seinem Hocker, während ihm der Rücken von seiner verkrampften Haltung wehtat. Seine Augen huschten zwischen den Trojans und dem Bildschirm hin und her und erst nach weiteren langen und quälenden Minuten schaffte er es, sich zum Großteil auf den Film zu konzentrieren, dem nicht wirklich schwer zu folgen war.
 

Ganz und gar nicht.
 

So etwas sah sein Team? Das war…unsinnig und unlogisch. Es war kitschig und steif. Aber die Anwesenden schienen es zu mögen, ihnen gefiel es und Jean gewöhnte sich das Zusammenzucken nach dem dritten Seufzen und glücklichen Aufstöhnen ab. Dazu war er viel zu irritiert von der Handlung oder vielmehr des Nichtvorhandenseins derer.

Die Tanzszenen waren aber schön und die Musik vermittelte ihm ein Gefühl von Heimeligkeit.
 

Es dauerte vielleicht nur eine Stunde, aber es war der erste Film, den er mit seinem Team gesehen hatte. Er war nervös, immer noch, und seine Hände waren klamm vor Angst, doch er hatte es durchgestanden. Er war nicht gestorben, hatte keine Gewalt erlebt. Stolz ballte sich in Jeans Magen und strömte eine Zufriedenheit und Wärme aus, die ihresgleichen suchte.
 

Er hatte es geschafft. Er hatte seine Angst überwunden. Ob er Lust hatte, weitere Filme zu schauen, wusste Jean nicht. Solche wie diesen sicherlich nicht, aber vielleicht andere. Die Disneyfilme, die ihm sein Vater geschenkt hatte, vielleicht. Aber das stand in den Sternen. Jetzt erst einmal feierte er für sich diesen kleinen Erfolg, mitten im Trubel seines Teams.
 

Die Hand, die sich in seine stahl, gehörte unzweifelhaft Jeremy und Jean sah auf die schmalen Finger hinunter. Sacht umfasste er sie und sah hoch. Der blonde Junge kniete vor ihm und aufmerksam musterte er Jean, während Val und Ellie hinter ihnen zu singen begannen.

„Alles okay bei dir?“, fragte Jeremy und Jean nickte. Er zog die Hand des Jungen zu sich, der den Grundstein eben hierfür gelegt hatte und hauchte einen Kuss auf die rauen Fingerknöchel.
 

„Sucht euch ein Zimmer!“, spöttelte Val und Jean hob den Blick

„Dreh dich um und guck aus dem Fenster“, gab er grollend zurück.

„Wenn’s denn geputzt wäre!“
 

Das war es in der Tat nicht.
 

~~**~~
 

Jean hatte den heutigen Tag minutiös geplant. Er hatte unter der Hand mit Alvarez gesprochen, er hatte Renee in einer ruhigen Minute erwischt und Andrew in einer weniger ruhigen. Er hatte im Internet recherchiert, immer darauf bedacht, dass Jeremy von all dem nichts mitbekam und nur wusste, dass er sich den heutigen Tag freihalten sollte.
 

Die Vorbereitungen waren abgeschlossen und im Augenblick gab es für Jean nichts Anderes als warten. Er befand, dass das das Schlimmste war, auch wenn es keinen Grund gab, nervös zu sein. Seine Beraterin hatte ihn angerufen, sein Auto war da. Um ihn in Empfang zu nehmen, wurde er selbstverständlich abgeholt. Aber nicht nur er. Jeremy würde mitkommen und Jean würde ihn zu einem Date ausführen, so wie er es versprochen hatte.
 

Einem richtigen Date, für das er auch schon seinen Rucksack gepackt hatte nach Alvarez‘ Anweisungen. Beladen und schwer stand er in der Ecke des Flures und wartete wie Jean auch darauf, dass es Zeit war, ihr Apartment zu verlassen.
 

Jean warf einen Blick auf Jeremy, der entspannt und unwissend die letzten Reste seines Mittagessens vernichtete und ihm hin und wieder fragende Blicke zuwarf. Vermutlich war Jean nicht halb so heimlich, wie er dachte und er rollte innerlich mit den Augen. Vermutlich konnte sein aufmerksamer Kapitän die Nervösität an seinem ganzen Körper ablesen.
 

Jeremy merkte, dass er angestarrt wurde und sah hoch. Er schmunzelte mittlerweile mehr amüsiert als besorgt und erhob sich von dem Barstuhl, auf dem er gesessen hatte.
 

„Ich nehme an, du sagst mir immer noch nicht, was heute passiert?“, fragte er und Jean grollte.

„Nein. Lass dich überraschen.“ Wie oft er diese Antwort in den letzten drei Tagen gegeben hatte, wusste er nicht, aber er wurde nicht müde, sie auch weiterhin zu geben.

„Außerdem müssen wir gleich los.“ Das stimmte tatsächlich und Jean war mehr als dankbar, aber auch aufgeregt. Jeremy lächelte und seine Augen strahlten dabei. Trotz seinem wiederholten Nachbohren liebte Jeremy nach eigener Aussage Überraschungen mehr als alles andere.

„Also Schuhe anziehen?“, hibbelte er und Jean nickte, innerlich seufzend. Hoffentlich klappte alles.
 

Hoffentlich war er in der Lage dazu. Die letzten Tage waren gut gewesen und er hatte wenig Alpträume gehabt. Er fand sich zu Jeremy hingezogen und konnte sich nach wie vor vorstellen, weiter zu gehen als bisher. Aber vielleicht wollte Jeremy nicht?

Jean würde es wissen, wenn er fragte, das hatte Andrew ihm eingebläut. Einmal mehr, als dass es notwendig war. Zustimmung war wichtig, darüber offen zu sprechen auch. Ja, mittlerweile wusste Jean es.
 

Auch er zog seine Schuhe an und gemeinsam verließen sie ihr Apartment, hin zu ihrem Parkplatz, wo bereits der Chauffeurdienst wartete. Warum es ein solches Angebot gab, wusste Jean zwar immer noch nicht, aber er nahm ihn an diesem Tag dankend an, konnte er doch so in Ruhe seinen Plan durchführen.
 

„Spritztour, wie cool!“, grinste Jeremy neben ihm, mit einer Frage am Ende des Satzes und Jean atmete tief durch. Er war unwissend und hoffentlich blieb das auch so, bis sie das Autohaus erreicht hatten.

Hoffentlich sah man ihm seine Aufregung nicht an.

„Guten Tag die Herren“, grüßte ihr Fahrer sie und Jean nickte stumm, begab sich zu Jeremy auf die opulente Rücksitzbank.
 

Die Fahrt dorthin war ihm beim ersten Mal nicht so lange vorgekommen.
 

~~**~~
 

Als Dyani ihn begrüßte, war der Junge neben ihm schon weniger nichtsahnend als vorher, dafür hatte er nun hektische, rote Flecken in seinem Gesicht und seine Augen hörten nicht auf, groß und rund zu sein und von Jeans Beraterin zu Jean zu huschen.
 

„Wie geht es Ihnen, sind Sie aufgeregt?“, fragte Dyani Jean und er nickte. Nun, da sie hier waren und er sein erstes Auto quasi in Griffweite hatte, war sein Puls hochgeschnellt und er konnte seine krummen Finger kaum stilhalten.

„Sehr“, gestand er ein und sie lächelte beruhigend. Zu ihm, zu Jeremy, zu ihrem Computer, an dem sie die letzten Formalitäten mit Jean durchging um den Besitzübertritt einzuleiten.
 

„Wollen wir?“, fragte sie und Jean nickte. Er sah zu Jeremy, der anscheinend gar nicht fassen konnte, was geschah und bot ihm seine Hand an.

„Hier sitzen bleiben wird es nicht besser machen“, sagte er in einem Anflug trockenen, verzweifelten Humors und sein Kapitän rollte mit den Augen.

„Haha“, stöhnte er verzweifelt auf und Jean gestattete sich ein kleines Lächeln. Gemeinsam folgten sie nach draußen und da stand er, sein Wagen. Kupferroter Lack, passendes Leder, Flügeltüren, Sportausstattung.
 

Jean schauderte es vor Stolz und spätestens, als er den elektronischen Schlüssel für sein Fahrzeug erhielt, war es um ihn geschehen.
 

„Ist er zu Ihrer Zufriedenheit?“, fragte Dyani und Jean nickte ihr mit brennenden Wangen zu. Es war wundervoll, besser als er es sich vorgestellt hatte. Es war großartig und wunderschön. Er war wundervoll. Jean verliebte sich mit jeder Sekunde mehr in sein Auto, das nur ihm gehörte. Das er fahren würde.
 

Als Jeremy und er einstiegen und das erste Mal der Motor unter seinen Händen zum Leben erwachte, wusste Jean, dass das hier sein Wagen war. Etwas, das perfekt zu ihm passte.
 

Dyani entließ sie und er fuhr vorsichtig vom Hof, seinen schweigenden und staunenden Kapitän neben sich, der gar nicht genug von den Eindrücken bekommen konnte, die auf ihn einströmten.
 

„Das ist deiner“, sagte er so verwundert, als wäre er nicht dabei gewesen, als Jean den Kaufvertrag unterschrieben hatte.

„Ja“, erwiderte Jean ebenso verwundert, als hätte er ihn nicht schon vor Monaten unterschrieben.
 

„Und nun, Jeremy Knox, Kapitän der USC Trojans, entführe ich dich zu einem Überraschungstag“, lächelte er dunkel und das Entführungsopfer war ganz und gar überhaupt nicht erschrocken über seine heimlich und heimtückisch geplante Tat.
 

~~**~~
 

Mit offenem Verdeck zu fahren, war…unbeschreiblich. An der Küste entlang zu fahren, den Fahrtwind in den Haaren, das Geräusch des Sportwagens unter sich, vor sich, hinter sich, war…eines der schönsten Erlebnisse, die Jean jemals gehabt hatte.
 

Er hatte eine Gänsehaut und diese kam nicht nur davon, dass sich sein neues Auto, sein Sportwagen anfühlte, als würde er in seinem eigenen, persönlichen Flugzeug sitzen. Er genoss diese Freiheit, die er früher niemals nicht für möglich gehalten hatte. In einem Auto sitzen und selbst fahren? Unmöglich. Mit einem anderen Jungen, seinem Freund, hier sitzen? Ebenfalls vollkommen unmöglich. Er hatte gedacht, dass er in Evermore sterben würde und beinahe wäre das auch der Fall gewesen.
 

Beinahe.
 

Und nun hatte ihn die Sonne Südkaliforniens so vollkommen durchdrungen, dass Jean beinahe überquoll vor Glück und Leichtigkeit. Es war etwas nie Dagewesenes, etwas, das er so in seinem Leben noch nie gespürt hatte.
 

Schuld, nicht zuletzt, war auch der blonde Junge, der glücklich grinsend neben ihm saß und dessen halblange Haare wild im Wind wehten. Auch das war etwas Neues für Jean. Seine tiefen, wunderbaren Gefühle für den Kapitän der USC Trojans, die ihn nicht unglücklich, sondern zufrieden und aufgeregt machten.
 

Und heute auch nervös, hoffte er doch, das alles so klappte, wie geplant.
 

„Wohin entführst du mich?“, fragte Jeremy zum bestimmt zehnten Mal und Jean rollte mit den Augen. Als wenn die Antwort jetzt eine andere wäre.

„Wir cruisen“, erwiderte er. Das Wort hatte er von Alvarez gelernt. Cruisen – ohne Ziel in der Gegend herum zu fahren und Landschaft zu gucken. Das Fahren genießen. Je nach Wagen mochte Jean das lieber oder eben auch nicht, jetzt gerade? War es wunderbar.

„Wohin?“

„Zum Ziel.“

„Wo ist das?“

„In Amerika.“

Ein schmollender Laut drang an Jeans Ohren und er konnte sich ein verliebtes Lächeln nicht verkneifen.
 

~~**~~
 

„Hast du die Augen zu?“

„Jaa.“

Kritisch musterte Jean seinen Kapitän, der ungeduldig hin und her wippend neben ihm stand und bei dem Jean den Verdacht hatte, dass er immer dann, wenn er nicht hinsah, linste. Zuzutrauen wäre es Jeremy und es wäre auch nicht so, als hätte Jean das nicht schon erlebt. Von Jeremy bei anderen. Immer mal wieder.

„Wirklich?“, fragte er streng und der blonde Junge zog die Schultern hoch. Er maulte und blies schließlich wie ein Ballon überschüssige Luft aus.

„Echt, versprochen!“
 

Jean ließ es durchgehen und seufzte. Er besah sich sein Arrangement und richtete noch die letzten beiden Schalen, bevor er zu Jeremy trat und seine Hand sacht in die schwielige des anderen Jungen schob.

„Oh.“ Jeremy grinste, immer noch mit geschlossenen Augen und folgte blond Jeans Zug.

„Einen Schritt nach vorne, jetzt noch einen“, lotste er seinen Kapitän und bedeutete ihm schließlich mit beiden Händen auf seinen Oberarmen, stehen zu bleiben.
 

„Jetzt kannst du die Augen aufmachen“, gab er den Startschuss und kaum waren seine Worte verklungen, huschten Jeremys blaue Augen wild hin und her, die schmalen Lippen zu einem runden, staunenden O verzogen.
 

Nun doch ein wenig nervös beobachtete Jean das Mienenspiel seines Kapitäns. War es gut, was er getan hatte? War es ausreichend? Freute Jeremy sich? War es zu kitschig? War es zu aufdringlich? Vielleicht wollte er ja gar nicht und Jean…
 

„Ist das wunderschön“, komplimentierte eben jener Jeans von Kerzen umsäumte, große Picknickdecke, auf der kleine Schälchen mit gesundem und ungesundem Essen verteilt hatte. Alles, was in seinen Rucksack gepasst hatte, hatte er mitgenommen…einschließlich Kondomen. Die waren jedoch noch gut versteckt und Jean war viel zu nervös jetzt schon um auch nur einen Ton darüber zu sagen.
 

„Wunderwunderschön“, wiederholte Jeremy und drehte sich zu ihm. Er grinste bis über beide Ohren und trat langsam an Jean heran. Sich auf die Zehenspitzen stellend hauchte er ihm einen Kuss auf die Wange und Jeans Lippen verzog ein nervöses Lächeln.

„Gefällt es dir?“

„Mit Sicherheit.“

„Willst du dich auch setzen?“

„Ich dachte, du fragst nie!“
 

Aufgeregt ließ sich Jeremy auf der Decke nieder, den Blick in Richtung Ozean gewandt, der seine ruhigen Wellen in einem gleichmäßigen Rauschen an den Strand unweit von ihnen schickte. Hinten am Horizont ging die Sonne in roten, sachten Tönen unter und tauchte den warmen Tag in einen heraufziehenden Sommerabend.
 

Jean folgte Jeremy wesentlich langsamer und setzte sich neben ihn. Aufgeregt fingerte er an dem Rand der Decke und sah vorsichtig zu Jeremy, dessen schönes Gesicht von der Abendsonne erhellt wurde.

„Es ist toll, mit dir hier zu sitzen, Jean“, sagte Jeremy schließlich ruhiger, als Jean es anhand seiner Mimik geglaubt hätte. „Es ist toll, dass wir beide hier sind, zusammen, dass du…hier bist.“
 

Zu seinem Horror sah Jean, wie sich ein leichter Tränenfilm in Jeremys Augen bildete. Er wollte keine Trauer in seinem Kapitän hervorrufen, nicht jetzt, nicht hier. Er wollte, dass dies ein schöner Abend wurde.

„Jeremy, es tut mir leid, ich…“, begann er hilflos, doch da war wieder dieser eine Finger, der sich auf seine Lippen legte.

„Nicht entschuldigen, Jean. Bitte nicht. Du bist hier. Wir sind hier. Und das ist so schön, dass ich weinen muss. Nicht deine Schuld. Eigentlich ist es überhaupt keine Schuld, sondern so etwas Wunderbares, das es tief in mir drin zieht.“
 

Jean nickte beflissentlich und seine Lippen wurden wieder freigegeben.
 

„Es war eine gute Entscheidung zu bleiben“, sagte er leise und sie beide wussten genau, was er meinte. Jeremy lehnte seinen Kopf an Jeans Schulter und wenn er die punktuelle Feuchtigkeit spürte, die von Jeremys Augen auf sein Shirt tropfte, dann schwieg er darüber und nahm seinen Kapitän liebevoll in den Arm.
 

Seinen hungrigen Kapitän, wie es sich herausstellte, als dieser wie ein ausgehungertes Vogelküken hochsah und den Mund aufsperrte. Erst nach ein paar Sekunden begriff Jean, was er zu tun hatte und schnaubte. Er griff zu einer der gesunden Apfelspalten und steckte sie Jeremy zwischen die wartenden Lippen.
 

„Das ist gesund!“, beschwerte sich dieser mit vollem Mund und Jean hob die Augenbraue.

„Das ist schlecht, weil…?“

„Ich habe auch ungesundes Zeug gesehen!“

Soviel zu seinem Plan, Jeremy langsam an eine andere Ernährung heranzuführen…
 

Jean hob bedeutungsschwanger einen der süßen Schokoladensticks hoch und Jeremy haschte mit den Lippen danach. Schneller als Jean gucken konnte, war er weg und das hungrige Vogelküken wollte mehr.
 

Wer war Jean, das zu verweigern?
 

~~**~~
 

Es war dunkel, als sie im Schein der sacht flackernden Kerzen nebeneinander auf der Decke lagen und gemeinsam in die Sterne sahen. Schulter an Schulter, die Hände eng miteinander verschränkt.

„Ich hätte nicht gedacht, das hier einmal erleben zu dürfen“, sagte Jean. „Mit dir. Am Strand. Unter freiem Himmel. Ich hätte nicht gedacht, dass es ein Team gibt, die so sind…wie ihr.“

„Wir.“

Mit gerümpfter Nase drehte Jean Jeremy den Kopf zu und küsste die verführerische Nasenspitze. „Na gut, wir.“

„Du Trojans-Backliner, du.“

„Du Kapitän, du.“

Jeremy lachte. „Ist das ein Lob oder eine Beleidigung?“

„Kommt auf die Tageszeit drauf an.“

„Ach?“
 

Jeremys Lippen haschten nach seinen und Jean ließ sich durch den Kuss ablenken, der so viel Verschiedenes in ihm regte. Die Aufregung, die sich über die letzten Stunden, die sie hier verbracht, gegessen und geredet hatten, gelegt hatte, kam nun wieder hoch. Schmerzhaft schnell nahm sein Herz Fahrt auf.

Als sie sich soweit voneinander lösten, dass sie beide wieder Luft bekamen, bettete Jean seine Stirn an Jeremys und seufzte.

„Ich würde dich gerne berühren“, flüsterte er und beinahe ging es in dem Rauschen der dunklen Wellen unter. Jeremy nickte schweigend und hob seine Hand. Sacht kraulten die Finger über Jeans Wange.
 

„Jederzeit gerne, Jean.“
 

Jeremy würde ihn nicht ohne seine ausdrückliche Zustimmung berühren, das wusste Jean. Es machte die Sache nun aber nur schwieriger, da er ja wollte, dass sie sich beide berührten. Auf die romantische Art, wie es auch andere taten. Jean dachte an Layla und Alvarez. Sie fragten gar nicht, sie berührten sich einfach. Logan und Val auch. Also war es normal, das einfach zu tun. Aber es kam Jean komisch vor, Jeremy nun einfach so anzufassen. Das war auch nicht der Sinn der Sache. Er räusperte sich.
 

„Ich würde dich gerne so berühren, wie man sich berührt, wenn man Sex hat“, drückte er ungelenk aus und verzog das Gesicht. „Und ich würde mich freuen, wenn du mich ebenfalls so berührst.“ Da hatte er es, seinen gestelzten Wunsch nach Intimität.

Jeremy blinzelte und selbst im Dunkeln erkannte Jean, dass der andere Junge rot wurde. Wunderbar. Jean schluckte. Vielleicht wollte Jeremy gar nicht?

„Oh.“

Ja, das war wohl ein Oh wert.
 

Jeremy setzte sich auf und Jean sah ihn mit großen Augen an. „Möchtest du mit mir schlafen?“, fragte der blonde Junge sanft und Jean spürte heiße Röte und brachiale Nervösität in sich hochsteigen. Er nickte mit seiner Unterlippe zwischen den Zähnen.

„Hier…?“, hakte Jeremy sanft nach und Jean schluckte.

„Nur wenn du auch willst und Lust hast und…ich…also…“ Er verhaspelte sich und verbot sich das Reden. Das war ja unerträglich. Jean starrte auf seine verschränkten, krummen Hände, die nun durch Jeremys bedeckt wurden.

„Ich will, Jean. Ja, ich will. Aber nur das, was du willst und wozu du bereit bist.“ Jeremy hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und Jean nahm das zum Anlass, ihm schamlos seine Lippen anzubieten.
 

Er atmete zitternd ein, als Jeremy fragend ihren Kuss vertiefte. Ja, tausendmal ja, erwiderte Jean stumm und vergrub eine Hand in Jeremys blonden, offenen Haaren, die so zerzaust und weich von ihrer Fahrt und ihrem Abend am Strand waren.

Jean spürte, wie Jeremy grinste und ihn mit sich auf die Decke zog, auf sich drauf. Wie so oft war sein Kapitän und Freund bedacht auf Jeans Bedürfnisse und Ängste und antizipierte das, was Jean gut tat.
 

„Wie macht man das nun?“, fragte er, als sie sich kurz voneinander lösten, die Lippen feucht und geschwollen, ein wenig außer Atem. Jeremy lächelte sanft.

„Wenn du die Klamotten ausziehen möchtest, dann wäre das ein guter Anfang. Wenn nicht, ist das auch okay. Wenn du mich berühren möchtest, dann kannst du das über oder unter meiner Kleidung tun, wie du es magst. Wenn ich dich berühren darf, dann musst du mir auch sagen, ob es über oder unter deiner Kleidung sein soll.“
 

Damit konnte Jean arbeiten und er zog sich langsam, vorsichtig sein Shirt aus. Jeremy hatte ihn schon so oft ohne gesehen, da war es im kerzenbeschienen Dunkeln mit Sicherheit keine Neuerung, was er hier tat. Und dennoch war es besonders. Das hier war besonders und Jeans Wangen wurden mehr als heiß, als Jeremy seinem Beispiel nun folgte.
 

So lagen sie sich schlussendlich gegenüber, ihre Hände auf ihren Herzen.
 

„Darf ich?“, fragte Jean und Jeremy nickte mit einem sachten Lächeln voller Liebe.

„Immer.“

Einen Moment noch zögerte Jean, dann schickte er seine Finger auf eine scheue Reise, auf Wanderschaft, ließ sie über Jeremys Brustkorb gleiten, über seine harten Brustwarzen, über die wunderschönen Muskeln, die ihr Sport mit sich brachte. Über die weiche Haut.

„Du bist wunderschön“, murmelte Jean und Jeremy kicherte.

„Schau dir den an, der das sagt“, erwiderte er und leckte sich über die Lippen. „Darf ich…dich auch berühren?“
 

Jean nickte und spürte sorgfältig Jeremys Fingern nach, die so viel Schlimmes und Schönes in ihm anstellten. Sein Kapitän elektrisierte ihn, er brach ihn auf, er erdete ihn mit seiner Berührung. Es war das Schönste und gleichzeitig auch das Schlimmste, was Jean in der letzten Zeit gespürt hatte. Es verwirrte ihn und er liebte diese Verwirrung. Durch und durch.
 

Jean beugte sich Jeremy entgegen und seufzte glücklich, als dessen Finger sich seinem Hosenbund näherten, dann jedoch innehielten. Fragend sah Jeremy hoch und Jean folgte mit seinen eigenen Fingern.
 

„Ist das okay für dich?“
 

Jean glaubte, dass es das war und er schluckte. Das letzte Mal, als er sich nackt einem anderen Jungen gegenüber befunden hatte, war das nicht freiwillig gewesen. Er war dazu gezwungen worden und ihm waren Schmerzen zugefügt worden. Doch das hier war anders. Das hier tat er freiwillig. Aber wusste das sein Körper auch?
 

Jean testete sich selbst, als er nun mit trockenem Mund dabei zusah, wie Jeremy sich seine Shorts und Boxer Briefs von den Hüften zog, langsam genug, dass Jean schauen konnte. Dass er sich sicher sein konnte, wie er darüber dachte, Jeremy nun erneut vollkommen nackt zu sehen. Halb erregt, ihm körperlich nah. Jean schluckte, mehrfach, und schob dann seine Hände unter den Bund seiner eigenen Hose.
 

Langsam, Stück für Stück, zog er sie hinunter, entblößte sich freiwillig. Zeigte sich verletzlich, schutzlos, ohne Barriere zwischen sich und einem anderen Jungen, der ihn begehrte.

Es war kein anderer Junge, hielt sich Jean vor Augen, sondern Jeremy. Der Mensch, für den er sich entschieden hatte.
 

Freiwillig.
 

Jeans Herz schlug bis zum Hals, er Jeremy in die Augen starrte und seinen Augen dann erlaubte, nach unten zu gleiten. Kurz nur, als hätte er nicht das Recht dazu. Als würde Jeremy über ihn herfallen, wenn er es täte.

Er sah, dass Jeremy bereits angetan war von ihrer Intimität und Jean sog ruckartig die Luft ein. Wie wäre es, einander zu berühren?
 

„Willst du mich anfassen?“, fragte Jeremy, als hätte er seine Gedanken gelesen und mit plötzlich trockenem Mund nickte Jean. Ja, er wollte.

„Willst du das auch bei mir?“

„Wenn du es möchtest.“

Irgendwie schon. Aber… „Hörst du auf, wenn es nicht geht?“, fragte er nach, brauchte er die Versicherung und Jeremy nickte sanft.

„Jederzeit. Du entscheidest, was du willst und was nicht, Jean.“
 

Er erwiderte nichts mit Worten, sondern ließ seine Hände sprechen, seine Finger, die sich Nähe suchend auf Jeremys Haut legten. Die von seinem Oberkörper über seine Hüften tasteten, von dort nach unten, scheu und fragend. Die weiche Textur Jeremys ähnelte Jeans sehr und er war überrascht, wie sich der Schwanz eines Anderen in seiner Hand anfühlte. Wie sich Jeremy in seiner Hand anfühlte.
 

Es war erregend, schön und beängstigend zugleich, zu spüren, wie Jeremy hart wurde und wie sehr auch Jean von der Lust ergriffen wurde, die sich in seinem Unterleib, seinem Rückenmark, seinem ganzen Körper manifestierte.
 

„Geht es dir gut, Jean?“, fragte der blonde Junge und Jean nickte mit trockenem Mund.

„Ich staune“, erwiderte er ehrlich und lächelte. Glück stahl sich in seine hochgezogenen Lippen und ließ Tränen in seinen Augen hochsteigen. Ein feiner Film war es, der ihm einen Moment lang Jeremys Anblick erschwerte.
 

„Du bist so schön. Du bist so unglaublich“, murmelte Jean und stahl sich einen kleinen Kuss. Jeremy lächelte, das spürte Jean und er schnaubte, als seinem Kapitän ein unwillkürliches Stöhnen entwich.

„Darf ich dich auch berühren?“, wisperte er und Jean nickte mit wild klopfendem Herzen. Vorsichtig, scheu gar, streiften die schwieligen Finger des anderen Jungen zuerst über seine Hüftknochen, dann über seine Behaarung, bevor sie hauchzart und jederzeit bereit, sich zurück zu ziehen, sich um seinen Schaft legten und Jean so gewaltig zusammenzucken ließen, als hätte Jeremy ihn verbrannt.
 

Mit großen Augen starrte dieser zu ihm hoch. „Es tut mir leid, Jean, ich…“, begann er und wollte seine Hand schon zurückziehen, als Jean sie eisern hielt.

„Nein. Nein…warte. Es war nur ein Reflex. Mir gefällt deine Hand auf mir. Wirklich.“ Beinahe schon bittend war sein Ton und Jeremy schluckte.

„Okay?“

Jean lächelte. „Sehr okay.“

„Okay. Sehr okay.“

„Jeremy Knox.“

„Ja, Jean Moreau?“

„Hör auf, Papageien nachzuahmen.“

„Mach ich nicht.“
 

Jean erstickte jeden Widerstand erneut mit einem Kuss und bewegte seine Hand probeweise, ganz zu Jeremys offensichtlicher Erregung. Motiviert erwiderte der blonde Junge die Aufmerksamkeit und gemeinsam berührten sie sich, fassten sich an, bedachten ihre Körper mit zärtlicher Aufmerksamkeit.
 

Immer wieder zuckte in Jean die Angst hoch, die geboren worden war durch fünf Vergewaltigungen. Immer wieder wollte sie ihm weismachen, dass Jeremy vielleicht, eventuell nicht aufhören würde, wenn er nein sagte. Doch Jean war stärker als die Angst und konzentrierte sich auf alles Positive, alles Wunderschöne, alles Tolle an dem Jungen neben ihm, an dem Rauschen der Wellen unweit von ihnen, an dem sachten Kerzenschein in ihrer menschenleeren, einsamen Bucht.
 

Er konzentrierte sich auf die Gegenwart und die Zukunft und darauf, dass er wieder er sein durfte, sein konnte, dass er ein Mensch war, kein Gegenstand. Ein Mensch, der Lust empfand, zum ersten Mal in seinem Leben mit einem anderen Menschen, einem Menschen, den er sich freiwillig ausgesucht hatte. Ein Mensch, der seinem Orgasmus näher und näher kam, immer unaufhaltsamer und drängender.
 

Ein Mensch, der sich fallen ließ und Jeremy die Chance gab, sich ebenso fallen zu lassen, ganz tief in ihrer beider Verbundenheit hinein.
 

~~~~~
 

Wird fortgesetzt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Niua-chan
2022-07-13T19:53:26+00:00 13.07.2022 21:53
Was soll ich nur schreiben. Es ist einfach schön und wundervoll zu lesen wie viel Stärke Jean mittlerweile in sich selbst gefunden hat und diese auch anwendet. Welchen Tanzfilm aus den 80igern hast du ihn denn schauen lassen (mein Ratetipp wäre Dirty Dancing)?
Das pure Glück über sein Auto war mitreißend beim Lesen, gefühlt saß ich staunend und horchen mit im Auto....ich habe aber auch eine kleine Schwäche für solche Art von Karosserie XD
Das anschließend edate war herzerwarmedn und über den Ausgang freue ich mich sehr für die beiden.

Nun bin ich noch auf die letzten 1 bis 2 Kapitel gespannt ( ich hoffe auf 2 ~, ^) und wünsche dir bis dahin alles Gute.



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