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Things That Should Not Be

Kunikida/Dazai
von

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Kapitel 3

Ranpo öffnete die Tür zu Fukuzawas Büro. Kunikida saß bereits dort und wartete ungeduldig. Er ließ die Tür ins Schloss fallen und setzte sich neben Kunikida, sie saßen ihrem Chef genau gegenüber und warteten ab. Dieser faltete die Hände und sah den Schwarzhaarigen an, wartete auf seinen Bericht.
 

„Kunikida-san, du bist dir im Klaren, warum du hier bist?“, wollte er wissen und warf einen Blick in die Richtung des Blonden, der langsam nickte.
 

„Weil ich der Vizepräsident und Dazais Partner bin“, sagte er daraufhin ohne den Blickkontakt abzubrechen. Fukuzawa nickte mit strenger Miene und überkreuzte die Arme, sah auch den Schwarzhaarigen mahnend an. Ranpo war der letzte, der Lust auf Arbeit hatte und ähnlich wie Dazai jegliche Chance nutzte, die sich ihm bot, um dieser zu entgehen und in Ruhe faulenzen zu können. Die beiden Exzentriker waren sich derart ähnlich, dass man manchmal meinen konnte, dass sie ein gemeinsames Gehirn teilten. Zumindest schienen sie oft dieselben Gedanken und Ideen zu haben und gemeinsam bildeten sie ein unschlagbares Team. Vermutlich fühlte sich Ranpo hintergangen. Denn obwohl er jedes Geheimnis mit nur einem Blick lüftete und auch nur die kleinste Spur witterte und bis zum Ziel verfolgte, hatte er Dazais Vorhaben nicht durchschaut.
 

„Ranpo?“, fragte Fukuzawa und hob eine Augenbraue, sah ihn eindringlich an und erwartete eine Reaktion. Ranpo schnalzte genervt mit der Zunge, warf ein Bein über das andere und formte mit seinen Lippen einen Schmollmund, ehe er laut hörbar ausatmete und sich wieder fasste.
 

„Ich will wissen, was Dazai dazu getrieben hat, so weit zu gehen! Das hier ist kein Fall der Agentur, sondern eine persönliche Angelegenheit. Es kann nicht sein, dass Dazai etwas vor mir verheimlicht. Vor mir! Wenn so eine geistige Null wie Atsushi nichts merkt – okay, gut, damit komme ich klar! Und auch ein Overarchiver wie Kunikida, dem etwas entgeht – auch das kann ich gerade noch so verschmerzen, aber was macht das denn aus mir?! HM? Mir, der beste Detektiv aller Zeiten, Edogawa Ranpo? Mir, dem die gesamte Krimi Welt zu Füßen liegt? Jemand, der bisher jeden Fall gelöst hat?!“
 

Ranpo wütete und blies beleidigt die Backen auf, grummelte weiter vor sich hin.
 

„Ranpo, es geht hier nicht um dich, sondern um Dazai“, bemerkte Fukuzawa, wurde jedoch jäh unterbrochen.
 

„Doch! Es geht hier auch um mich und meinen Ruf! Ein Detektiv, der sich damit rühmt, jeden Fall lösen und jedes Geheimnis auflegen zu können, weiß rein gar nichts über seinen jüngeren Kollegen?! Ich wusste ja schon damals, dass seine Akte nicht echt sein konnte, dafür war sie einfach zu aalglatt–“ begann Ranpo, doch ehe er weitersprechen konnte, sah ihn Kunikida fragend an.
 

„Du wusstest also, dass seine Akten gefälscht waren? Und hast die ganze Zeit über nichts gesagt?“
 

„Pffff~ war doch offensichtlich! Dazai hat noch nie eine Schule von innen gesehen, so wie er sich verhält, bezweifle ich, dass er einen Abschluss bekommen hätte. So einen Quälgeist will doch niemand unterrichten, außerdem warst du der einzige, der nicht gerafft hat, dass Dazai ein Ex-Yakuza ist. Selbst ein Laie würde das erkennen!“
 

Kunikida ließ den Kopf hängen.
 

„Also, ich will nicht sagen, dass du dumm bist, aber klug bist du auch nicht. Dass du so naiv warst und das nie hinterfragt hast, na ja, zeigt halt schon, dass deine Fähigkeiten als Ermittler noch ausbaufähig sind.“
 

Fukuzawa räusperte sich.
 

„Nun, was auch immer dein Grund ist, diesen Fall anzunehmen, ich bitte dich um äußerste Diskretion. Ich muss wissen, ob Dazai-kun sich immer noch in Gefahr befindet.“
 

„Moment! Glauben Sie etwa, dass Dazai in Gefahr sein könnte?!“, sprudelte es aus Kunikida heraus.
 

Was, wenn Fukuzawa recht hatte? Was, wenn Dazai tatsächlich in Gefahr schwebte und sich selbst aus dem Spiel nehmen wollte, um so sicher zu gehen, dass seinen Kollegen nichts geschah? Wollte Dazai sie etwa beschützen? Er schluckte hart und rieb sich angestrengt das Nasenbein. Er musste mit Dazai reden und herausfinden, was ihn so sehr bedrückte. Herausfinden, wer ihn so sehr verletzt hatte und warum er sich nicht an ihn gewandt hatte. Vertraute ihm der Brünette etwa so wenig? Der Gedanke, dass Dazai ihm nicht vertraute, war eigenartig schmerzlich. Er beschimpfte ihn, packte ihn am Kragen und wurde relativ häufig handgreiflich, doch für ihn war das einfach ihre Art zusammenzuarbeiten und miteinander umzugehen. Hatte Dazai dies vielleicht nie so empfunden? Hatten Kunikidas Wutausbrüche ihn dazu gebracht, so weit zu gehen?
 

Was ist, wenn ich ihn dazu getrieben habe? Hat er geglaubt, dass er sich mir nicht anvertrauen kann, weil ihn spaßeshalber eine verpasst habe? Ist es meine Schuld? Hätte ich anders reagieren sollen? Mit mehr Mitgefühl? Verdammt, ich weiß nicht, was ich denken soll! Was wäre die ideale Reaktion gewesen?
 

Plötzlich zweifelte er an seinem Ideal und an sich selbst.
 

„Nun, wer auch immer Dazai so sehr verletzt hat, wird ihm sehr nahe gestanden haben. Es ist durchaus möglich, dass er erpresst wurde und keinen anderen Ausweg sah“, ratterte Ranpo herunter und legte seine Stirn in Falten. Kunikida sah ihn flehend an, wollte mehr aus dem Mund des Detektivs hören, doch dieser schien diesen Gedanken nun im Stillen weiterzuverfolgen.
 

„Erpressung? Wer wäre dumm genug, einen Ex-Yakuza zu erpressen? Oder eher, was wäre brisant genug, das Dazai in Schwierigkeiten bringen würde? Er steht immerhin unter Taneda-sans und meinem Schutz. Ähnlich wie mit Kyouka hat er, solange er für uns arbeitet, Straffreiheit, selbst wenn man ihm etwas nachweisen könnte“, erklärte Fukuzawa und verlangte eine weitere Erklärung.
 

„Vielleicht geht es hier aber nicht um etwas, das ihn als Verbrecher belastet, sondern etwas persönliches? Etwas, von dem er unter keinen Umständen will, dass irgendjemand etwas erfährt. Etwas, das er so sehr behütet, dass nicht einmal Ranpo-san etwas erahnen könnte“, führte Kunikida auf und warf dem Schwarzhaarigen einen weiteren, bittenden Blick zu.
 

„Ich habe eine Ahnung, aber das wird dir nicht gefallen, Kunikida.“
 

„Was meinst du?“
 

„Ich gebe dir die Erlaubnis, alles zu tun, was nötig ist, um herauszufinden, wer Dazai-kun bedroht und sicherzustellen, dass er nichts verheimlicht, das ihn oder einen von uns in Gefahr bringt. Ich gestatte sämtliche Mittel“, kam es nickend von Fukuzawa. Ranpos Gesicht erhellte sich, dann sprang er vom Platz auf und lief aus dem Büro. Kunikida sah ihm perplex hinterher und ohne lange darüber nachzudenken, folgte er ihm. Auch als Ranpo das Gebäude verlassen hatte und wortlos in Richtung Innenstadt marschierte, machte er keinerlei Anstalten, sich zu erklären. Kunikida folgte ihm und warf ihm einen unschlüssigen Blick zu. Abwartend, prüfend. An einer Ampel blieben sie stehen. Er hatte absolut keine Ahnung, wo Ranpo hinwollte. Zudem war es ihm neu, dass er allein durch die Straßen lief und sich dabei nicht verlief. Seine Orientierung war dermaßen schlecht, dass er sich selbst auf dem Nachhauseweg verlief und stundenlang durch die Gegend irrte, wenn ihn keiner begleitete.
 

Plötzlich standen sie vor einem Süßigkeitenladen. Kunikidas Auge zuckte.
 

„DEIN ERNST?!“, brüllte er und seine Augen formten kleine spitze Dreiecke, während seine Zähne zu spitzen Stacheln mutierten und Feuer aus seinem Mund flammte. Die Wut, die sich in ihm auf braute, war für jeden zu erkennen, dann atmete er tief ein und folgte dem Schwarzhaarigen in den Laden, der begeistert die Probierschälchen leerte und den Verkäufer provozierte. Dieser lief ihm mahnend hinterher, doch Ranpo ließ sich auch von den bösen Blicken des Mannes nicht davon abschrecken, sich die nächsten Bonbons in den Mund zu schieben und gierig eins nach dem nächsten zu verzehren.
 

„Hey! Gehört der Knirps zu dir?!“, wollte der Verkäufer wissen und zeigte auf Ranpo, der immer noch begeistert Bonbons in sich stopfte und sich nicht ablenken ließ.
 

„V-Verzeihen Sie, mein Herr!“, kam es von Kunikida, der nun zum Tresen lief und sich mehrmals für das schlechte Betragen seines Kollegen entschuldigte, aber kein einziges Mal erwähnte, dass dieser älter war als er aussah. Am Ende ihres kleinen Ausflugs hatte Kunikida zwei Taschen voll mit Süßigkeiten in der Hand. Das Klingeln der Ladentür hinter ihm brachte ihm Erleichterung, so stöhnte er und flehte innerlich, dass er niemals wieder in eine so peinliche Situation geraten würde. Ranpo zeigte keinerlei Schuldgefühle und lutschte zufrieden an einem Lutscher und schlug erneut einen neuen Pfad ein.
 

„Was hast du vor? Wo willst du hin?“, fragte Kunikida und kämpfte gegen seinen inneren Drang, Ranpo anzuschreien und ihn am Ohr zu packen und zur Agentur zurückzuschleifen. Immerhin war auf Ranpos Gespür immer Verlass und auch solche unangenehmen Situationen verzieh man ihm, wo er immer Resultate brachte. Irgendetwas hatte Ranpo vor und er vertraute ihm und dessen Intellekt.
 

„Ist das nicht offensichtlich?“, kam es rhetorisch, dann leckte und lutschte er an der klebrigen Süßigkeit, warf Kunikida einen fragenden Blick zu.
 

„Ich bitte Sie, Herr Meisterdetektiv, klären Sie mich auf!“
 

Ranpo stöhnte genervt und zuckte mit den Schultern.
 

„Dazai ist ein Freund des Nachtlebens. Und wer kommt nachts auf die Straßen?“
 

„Kriminelle?“
 

„Oh, du kannst dein Hirn ja doch benutzen!“ Ranpo klatschte amüsiert in die Hände.
 

„Dazai kennt jeden in der Stadt und ist in Kontakt mit einigen Bossen der Unterwelt. Er kennt sich aus und hat einige Informanten, die ihm sagen, was gerade in der Stadt los ist. Als Ex-Yakuza weiß er, wo er Informanten her kriegt und wer vertrauenswürdig ist“, begann er und biss auf den Lutscher, so dass dieser laut knackte.
 

„Ich gehe von einem Verräter aus oder einer feindlichen Organisation, die wissen, wer er wirklich ist und dass er für die Port Mafia gearbeitet hat. Abschaum wie die zucken nicht mal mit der Wimper, wenn es um Geld geht, da kann man auch mal seinen Kameraden und Boss verraten“, sagte er dann und kaute die Reste des Lutschers, ließ diese zwischen seinen Zähnen so laut zersplittern, dass Kunikida mehrmals aufzuckte. Plötzlich bog Ranpo in eine Seitengasse ein, die vom Stadttreiben wegführte und in ein großes, abgesperrtes Baugebiet führte. Er quetschte durch die Lücke im Metallzaun, zog sich dann seine Mütze zurecht.
 

„Hier gibt’s Informanten, einer der größten Hotspots Yokohamas“, grinste Ranpo und zeigte mit dem Stiel des Lutschers auf die Gerüste eines Gebäudes, das seit Jahren nicht beendet worden war und seither ungenutzt verwitterte. Die Metallgerüste waren bereits tiefrot von all dem Rost und quietschten im Wind, als würden sie jederzeit in sich einbrechen.
 

„Woher weißt du das?“
 

Ranpo schnalzte empört mit der Zunge und fühlte sich zutiefst beleidigt.
 

„Du wagst es, meine Schlussfolgerungen anzuzweifeln?!“
 

„Niemals!“, entschuldigte sich der Blonde sofort und ließ dabei fast die Tüten mit den Süßigkeiten fallen.
 

„Dazai hat immer noch mit Leuten der Unterwelt Kontakt und vielleicht finden wir einen Hinweis auf seine Vergangenheit“, murmelte Ranpo, knabberte die kläglichen Überreste von dem Stiel, ehe er diesen achtlos auf den Boden warf. Kunikidas Auge zuckte. Umweltverschmutzung war alles andere als ideal! Doch er sagte nichts, hob den angeknabberten Stiel einfach auf und verstaute ihn in seiner Westentasche, folgte Ranpo, der den Gerüsten immer näher kam und die Umgebung inspizierte. Er schien irgendetwas zu vermuten und als Kunikida näher kommen wollte, streckte er seine Hand aus, um ihn aufzuhalten. Sofort hielt er inne.
 

„Nicht! Du verwischt noch die Spuren“, sagte er und beugte sich nach unten, fuhr mit seinen nackten Fingern über die Erde und sog dann scharf die Luft ein.
 

„Ein süßlicher Duft...“, sagte er dann und erhob sich, lief auf dem Gelände umher.
 

Er lief in Richtung eines kleinen Geräteschuppens, der ebenso verrostet war, wie der Rest des Geländes. Ein unangenehmer Geruch kam ihm entgegen. Die Tür zum Schuppen war leicht verbogen und nicht abgeschlossen, sodass irgendjemand mehrere Kisten davor gestellt hatte. Irgendjemand schien etwas verstecken zu wollen.
 

„Los, räum die Kisten da weg, die sind im Weg!“, schimpfte er dann. Eilig kam Kunikida näher, nickte und schob mit aller Kraft die Kisten weg, die weitaus schwerer waren, als er beim ersten Blick vermutet hatte. Stöhnend und keuchend schaffte er die letzte weg und ließ sich angestrengt auf den Boden fallen, rang nach Atem. Hätte Ranpo geholfen, hätte er sich nicht so verausgaben müssen, aber er durfte den Schwarzhaarigen nicht stören, sonst würde er seine Ermittlungen einfach einstellen und den Rest des Tages beleidigt sein. Ranpo öffnete die nun die Tür zum Schuppen und pfiff anerkennend.
 

„Na, was haben wir denn hier?“, sagte er und kicherte. Kunikida stand sofort kerzengerade und warf einen Blick über die Schulter seines Kollegen und schluckte hart.
 

„Der Mann hier wurde erschlagen. Sieht aus wie'n Schläger. Der Täter hatte keine Zeit, die Leiche zu verstecken und musste sich vom Acker machen, also hat er sie stümperhaft hier versteckt, weil er wusste, dass niemand den Kerl vermissen würde“, kam es von Ranpo, der gleichgültig mit den Schultern zuckte und auf ein Brecheisen zeigte.
 

„Da klebt sogar noch Blut dran, sicher sind da auch Handabdrücke drauf“, sagte er und ohne lange zu zögern, ergriff Kunikida sein Buch und brachte mithilfe seiner Fähigkeit ein Tuch zum Vorschein, in das er den augenscheinlichen Mordgegenstand wickelte. Daraufhin machte er sich Notizen, während Ranpo weiterhin den Tatort untersuchte. Er hockte sich hin und warf einen Blick auf den Boden, kramte dann in seiner Hosentasche herum und zog ein Paar Gummihandschuhe hervor, zog diese über und fuhr mit dem Zeigefinger über den modrigen Holzboden.
 

Das Blut ist bereits getrocknet und in den Boden gezogen, ich vermute, dass das Opfer seit mindestens zwei Tagen tot ist. Der Schädel wurde eingeschlagen, aber war das die Ursache für den Tod?, überlegte der Detektiv und wies Kunikida dazu an, die Leiche umzudrehen, damit er einen genaueren Blick auf den Körper werfen konnte.
 

Das Opfer trägt einen schwarzen Anzug, weißes Hemd und Lackschuhe. Die Haare sind so kurz rasiert, dass man die Kopfhaut durchsieht. Informant? Nein. Nicht in diesem Aufzug. Könnte jemand von der Port Mafia sein oder irgendein Möchtegern Yakuza. Ranpo untersuchte die Taschen, wühlte in diesen herum, als suchte er nach etwas. Aus der Innentasche der Jacke zog er einen Revolver heraus, den er in seinen Händen hin und her wendete, ehe er das Magazin prüfte. Erschrocken riss er die Augen auf. Das Magazin ist voll! Das Opfer kannte den Täter und hat keinen Angriff erwartet. Kam es zu einem Kampf? Ein Streit um die Beute oder die Bezahlung? Ein fehlgeschlagener Deal und eine Falle, analysierte er weiterhin und ließ seinen Blick schweifen.
 

Die Geräte liegen teilweise zerstreut am Boden – was ist denn das?!
 

Plötzlich erhob er sich und warf einen Blick auf einen zersplitterten Behälter. Ein kleines Fläschchen. Vorsichtig beugte er sich hin. Wieder dieser Geruch...! Das ist Trichlormethan. Aber warum sollte der Täter Chloroform nutzen und ihn dann erschlagen? Das ergibt keinen Sinn. Es sei denn, das Opfer ist in Wirklichkeit der Täter gewesen. Sein Blick wanderte erneut zur Leiche. Die Nase war gebrochen und Blut klebte in seinem Gesicht, sein Hemd war teilweise aufgeknöpft – bevor er weiterdenken konnte, sog er tief Luft ein. Seine Hose ist offen. Handelt es sich hier um ein Sexualdelikt? Wenn ich diesem Gedanken folge, macht auch das Chloroform Sinn. Der Täter war das Opfer, hat sich gewehrt und gekämpft, da es durch das Chloroform benebelt war, hat es dabei die Geräte herunter gerissen. Mit der Brechstange hat das Opfer ihn erschlagen. Schockiert von dieser Tat, wollte das Opfer dies verheimlichen und hat den Schuppen verbarrikadiert.
 

Ranpo sah sich weiterhin um, dann untersuchte er erneut die Leiche. In der rechten Hand der Leiche fand er eine ausgerissene Haarsträhne.
 

„Hier, Kunikida“, sagte er und wedelte mit den Haaren in den Luft umher.
 

„Pack das ein, das muss analysiert werden.“
 

„Die Haare stammen offensichtlich nicht von der Leiche. Vom Täter? Aber wir wissen nicht, wer der Täter war, selbst wenn wir die Haare analysieren, können wir sie nicht zuordnen. Wir können doch nicht auf gut Glück das gesamte Vorstrafenregister der Polizei durchgehen, wenn wir nicht einmal eine Ahnung haben, ob die Person überhaupt jemals auffällig geworden ist“, erklärte Kunikida missmutig, nutzte dennoch seine Fähigkeit, um einen kleinen Plastikbeutel hervorzuholen, in dem er das vermeintliche Beweismaterial steckte.
 

„Der Haarlänge nach, eine Frau mit Kurzhaarschnitt oder ein Mann“, murmelte Kunikida in seinen nicht vorhandenen Bart.
 

„Ich habe bereits eine Ahnung, nach wem wir suchen“, meinte er, kreuzte seine Arme hinter seinem Hinterkopf und dackelte zufrieden an seinem Kollegen vorbei, welcher ihn nur mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
 

„Du weißt bereits, wer der Täter war?!“
 

„Bist du dumm?“, fragte Ranpo, schüttelte dann den Kopf. „Stimmt, rhetorische Fragen sind ja unverschämt, sagte der Boss. Ich korrigiere: du bist dumm.“
 

Verwundert sah der Blonde ihn an. Was genau meinte Ranpo und was hatte er in diesen wenigen Minuten, die sie hier waren, bereits durchschaut, das seinem Blick verborgen blieb?
 

„Die Spuren eines Kampfes sind offensichtlich, der Boden hier“, begann Ranpo und zeigte auf den sandigen Boden, „ist stark aufgewirbelt. An einigen Stellen häuft sich der Sand, das ist kein natürliches Phänomen, weder Wind noch Wetter würde solche Veränderungen hervorrufen. Hier wurde gekämpft. Das Opfer wurde betäubt und in den Schuppen gebracht“, erläuterte Ranpo gelangweilt.
 

„Und dort wurde er ermordet“, fügte Kunikida nickend hinzu.
 

„BAKA[2]!“, schimpfte Ranpo und trampelte wütend auf und ab. Kunikida zuckte zusammen.
 

„Die Leiche ist nicht das Opfer, sondern der Täter! Vermutlich war es Notwehr. Das Opfer musste sich irgendwie wehren, doch aufgrund der Betäubung war es nicht in der Lage klar zu denken. Es hat Angst bekommen, wollte die Tat vertuschen und ist abgehauen, bevor irgendwer etwas mitbekommen konnte“, sagte Ranpo und machte sich darauf, die Absperrung erneut zu durchbrechen und zu gehen.
 

„Moment! Sollten wir nicht die Polizei rufen?“, fragte Kunikida und sah dem älteren Ermittler ungläubig hinterher.
 

„Gut, du lässt den Tatort untersuchen und rufst die Polizei. Und ich folge der Spur“, meinte er dann und grinste breit über seine Schulter hinweg.
 

„Was für eine Spur?“
 

„Ahhh~“, jammerte Ranpo und ließ enttäuscht den Kopf hängen.
 

Alles muss man allein machen! Es ist so anstrengend, wenn man von Hohlköpfen umgeben ist! Dabei ist es doch so offensichtlich, was hier passiert ist!“, schimpfte der Schwarzhaarige und stampfte wieder mehrmals auf, machte seinem Ärger Luft. Kunikida legte den Kopf schief und wagte es nicht, irgendetwas zu entgegnen, sondern schluckte nur seinen eigenen Zorn und die Demütigung wortlos runter.
 

„Bitte, Meisterdetektiv Ranpo! Ich bin doch Ihr Assistent! Ihr könnt mich doch nicht hier zurücklassen, ohne Euer Licht und Euren Intellekt, bin ich vollkommen aufgeschmissen!“
 

Ranpos Augen leuchteten und er grinste breit. Die Freude über dieses Lob war ihm anzusehen.
 

„Gut, Kunikida! Ich gestatte dir, mir zu folgen! Wir folgen erst der Spur und dann kannst du immer noch mit den faulen Polizisten dieser Stadt Manjū[3] essen und so tun, als würdet ihr einen Beitrag zu diesem Fall leisten~“, lachte er selbstbewusst und drehte sich auf den Absatz um, lief der unsichtbaren Spur hinterher, während Kunikida ihm wie ein getretener Hund folgte.
 

Ohne sich zu erklären stampfte Ranpo drauf los. Sie waren bereits mehrere Straßen weiter gelaufen, bis der Schwarzhaarige urplötzlich vor einer Kreuzung stehenblieb und die Straßenschilder studierte. Dann ein Grummeln. Ein laut hörbares, theatralisches Seufzen. Ranpo ließ den Kopf hängen. War er etwa einer falschen Spur gefolgt und nun frustriert? Aber es war unmöglich, dass Ranpo einen Fehler machen! Kunikida kam ihm näher und suchte nach den richtigen Worten, doch ehe er ihn aufheiternde Worte mitteilen konnte, fluchte Ranpo wieder und trampelte mehrmals auf und ab, machte seinen Ärger Luft.
 

„Ich habe mich verlaufen!“, meckerte er und sah Kunikida böse an, als hätte dieser Schuld an seinem Fehler.
 

„Wo wolltest du denn hin?“, fragte Kunikida ruhig und legte den Kopf leicht schief.
 

„Ins Krankenhaus“, meinte Ranpo nur eintönig und warf erneut einen Blick auf die Straßenschilder.
 

„Das ist aber in die entgegengesetzte Richtung“, murmelte Kunikida leise und zwang sich zu einem Lächeln. Sie waren nun eine halbe Stunde in die falsche Richtung gelaufen und weil Ranpo über seine Gedanken und Einfälle nie offen sprach, blieb dem Blonden ja nichts anderes übrig, als diesem zu vertrauen. Dass dieser einen unglaublich schlechten Orientierungssinn hatte, war eher zweitrangig.
 

„Du führst uns jetzt ins Krankenhaus!“, befahl der Detektiv und stemmte die Hände in die Hüften.
 

„In welches?“ Kunikida hob fragend eine Augenbraue. Es gab mehr als ein Krankenhaus in Yokohama.
 

„Wir gehen Dazai besuchen! Dem ist bestimmt langweilig~“, zwitscherte Ranpo breit grinsend.



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