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Die Sorgen zweier Seelen

Ich hatte diese Nacht äußerst schlecht geschlafen. Joey fehlte mir, dazu noch der Brief von Pegasus, und irgendetwas, das an mir nagte. Es zu beschreiben war unmöglich. Da war ein Gefühl, eine dunkle Vorahnung, der Wunsch, etwas zu verändern. Nachdenklich knipste ich die Nachttischlampe an und betrachtete den Milleniumsring an meiner Brust. Bakura hatte Angst davor gehabt, ich nicht. Yugi besaß das Puzzle, ich den Ring, Pegasus das Auge. All unsere Gegenstände schienen eine besondere Fähigkeit zu besitzen. Pegasus aber hatte seinen Körper damals augenscheinlich nicht mit jemand anderem geteilt.
 

„Jeder Milleniumsgegenstand besitzt besondere Eigenschaften und Fähigkeiten“, lächelte Mahad, der plötzlich neben mir auf der Bettkante saß. Eigentlich hätte ich erschrecken müssen, aber mir war der Ägypter mittlerweile genauso wenig fremd, wie es Joey oder Yugi waren. „Das heißt, es gibt noch mehr?“, fragte ich und sah auf. Der Braunhaarige nickte bestätigend. „Ja, es gibt noch mehr.“ Gedankenverloren sah ich wieder auf den Ring hinab und stupste mit dem Finger dagegen, was ein leises Klirren zur Folge hatte. „Bist du enttäuscht?“, fragte mein früheres Ich nach. War ich das? „Nein“, antwortete ich zögernd. Der Milleniumsring war ein Teil von mir, genauso wie Mahad. Er fühlte sich auch nicht falsch an, oder gefährlich, aber, wenn ich so an Pegasus dachte, der einfach mit seinem Auge die Gedanken seiner Gegner lesen hatte können.
 

„Mit ein wenig Übung wirst auch du die verborgenen Fähigkeiten des Ringes zum Vorschein bringen“, sagte der Ägypter zuversichtlich. „Hat er also welche?“, bohrte ich neugierig nach, was mit einem Nicken bestätigt wurde. „Ja, auch der Milleniumsring hat einige Mechanismen, die aktiviert werden können. Welche genau, das musst du selbst herausfinden.“ Ich schrägte den Kopf ein wenig. Warum konnte er sie mir nicht einfach sagen. „Derzeit bist du noch nicht reif genug, um die Macht des Ringes vollends zu begreifen. Bald wirst du ihn nutzen können, genauso wie Pegasus und Yugi ihre Gegenstände. Übe dich bis dahin einfach in Geduld.“
 

Innerlich seufzte ich. Jeder meinte, mir vorschreiben zu müssen, was ich wann, wo, wie zu tun hätte. Dabei kam mir ein Gedanke, der mir den Magen umdrehte. „Mahad?“, fragte ich leise. Es war ein wenig albern, schließlich teilten wir uns eine Seele, oder einen Körper, oder die gleichen Gedanken – wir waren jedenfalls eins, und ich hatte das Gefühl, dass der Ägypter oftmals mehr wusste, als er zugab, auch über mich. „Ja?“, lächelte mir mein Gegenpart entgegen. „Kaiba wird mich sicher dazu nötigen, bei diesem bescheuerten Battle City Turnier mitzumachen. Ich kann auch nicht ablehnen, weil – “, ich setzte aus und deutete um uns herum. „Ich verstehe dich. Du möchtest, dass ich an deiner Stelle antrete?“ Seltsamerweise war es mir peinlich, den Geist darum zu bitten. Hatte er mir nicht bereits früher anstandslos geholfen? „Ja, du bist einfach erfahrener und ruhiger als ich. Außerdem scheinen die Karten dir eher zu gehorchen als mir.“ Der letzte Satz kam mir äußerst dumm vor, kaum, dass ich ihn ausgesprochen hatte. Es waren nur Hologramme, Abbilder von gedruckten Zeichnungen. „Da irrst du dich aber gewaltig“, schmunzelte Mahad. „Duel Monsters ist ein uraltes Spiel, welches bereits im Ägypten der Pharaonen gespielt wurde.“
 

Erstaunt starrte ich meinen durchsichtigen Wegbegleiter an. „Natürlich lief es damals deutlich anders ab, aber das Spiel der Schatten war der Vorläufer des heutigen Duel Monsters.“ Spiel der Schatten – in meinen Ohren klang das nicht gerade wie eine nette Nachmittagspartie Karten spielen. „War es auch nicht. Die Monster waren in Steintafeln gebannt und real, so wie du und deine Freunde.“ Real? „Du meinst, all die Monster, die wir im Laufe der Spiele heraufbeschwören, die gibt es wirklich?“ Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
 

„Hast du schon die Ausflüge in die Vergangenheit vergessen?“, fragte der Geist und hob dabei seine Mundwinkel amüsiert in die Höhe. Natürlich hatte ich sie nicht vergessen, aber es war dennoch einfach zu fantastisch, zu glauben, das alles wäre wirklich so passiert. „Duel Monsters wohnt eine besondere Magie inne. Denkst du denn, du würdest dich zu bestimmten Karten hingezogen fühlen, nur, weil du sie als Besonders erachtest?“ Ich hatte nie so darüber nachgedacht, aber jetzt, wo mich Mahad darauf aufmerksam machte, griff ich nach meinem Deck, welches neben mir, auf dem Nachttischen lag und fächerte es auf.
 

Da waren tatsächlich Karten, die mir sofort ins Auge sprangen. Der Schwarze Magier, das Rotauge, der Kopf der Exodia, der Beauftrage der Dämonen. „Mit diesen Karten hast du eine besondere Verbindung, weil du sie früher schon benutzt hast.“ Konnte das stimmen? Vertraute ich deswegen so darauf, dass mir diese Karten manchmal den Hintern retteten? Ich strich mit dem Daumen über das Cover meines Schwarzen Magiers. Erinnerungen blitzten auf. Ein Grab, der andere Bakura, der Milleniumsring, wie er durch die Luft flog und scheppernd auf dem mit Hieroglyphen übersäten Steinboden landete. Danach folgte ein stechender Schmerz und es wurde dunkel. Wärme durchströmte mich, und als ich die Augen aufschlug fühlte ich mich wieder ganz. Ich starrte auf das Cover und blinzelte mehrmals.
 

„Das – “ setzte ich an, hielt dann aber inne. Wie konnte das sein? Ich kannte meine Karte genau, ganz genau, und doch, sein Gesicht, die Statur, sogar die Haarsträhnen, die aus dem Helm hervorlugten. „Das bist du“, stellte ich fest. Seltsamerweise senkte der Ägypter sein Haupt und schlug die Augen nieder. „Natürlich bist du das, nein, das sind wir!“ Ich erinnerte mich. Erst waren es nur flüchtige Fetzen, Eindrücke, wie aus einem Traum, doch nach und nach verdichteten sich die einzelnen Puzzleteile zu einem Bild.
 

„Der Schwarze Magier, damals, in der VR, mit Mokuba, das warst auch du, oder?“ Aufgeregt legte ich die Karten beiseite und starrte mein früheres Ich an. „Du hast dich in der Schwertklinge gezeigt. Das war keine Einbildung.“ Anhand seiner Reaktion konnte ich erkennen, dass ich Recht hatte. „Du und der Geist, der in Yugi wohnt, ihr zwei seid gute Freunde, oder?“ Schief lächelnd sah Mahad auf und nickte. „Ich habe es mir also nicht eingebildet, oder? Yugi kann genauso mit seinem früheren Dasein tauschen wie ich?“ Natürlich musste er das können, gerade vor zwei Minuten hatte ich dies für ein unumstößliches Faktum gehalten. „Ja“, sagte der Geist leise.
 

„Darum ist mir nach Joey auch Yugi der Liebste, oder?“, fuhr ich weiter fort, ohne auf eine Antwort zu warten. „Weil wir einst befreundet gewesen sind. Der Schwarze Magier ist seine Lieblingskarte, weil du der Schwarze Magier bist, du dich für ihn geopfert hast.“ Ich fuhr mir mit den Fingern an die Schläfen. „Der Weiße Drache, du hast gegen das Ding einmal gekämpft, oder?“ Natürlich hatte er das. Darum war die Karte so furchteinflößend, wirkte für mich so real – weil sie es einst gewesen war. Mahad, ich, nein, wir, wir sind diesem Monster einmal gegenübergestanden.
 

„Warum hast du mir nie was davon erzählt?“ Ich bemühte mich, nicht vorwurfsvoll zu klingen. „Weil die Vergangenheit nicht immer gut für die Gegenwart ist“, murmelte der Geist leise. „Was hast du denn auf einmal?“, wollte ich wissen und rückte näher an ihn heran. Was mochte wohl passieren, wenn ich versuchte, ihn zu berühren? „Du würdest ins Leere greifen“, beantwortete der Ägypter meine unausgesprochene Frage.
 

„Ich habe mich so oft reinkarniert, gewartet, gehofft und immer wieder die gleichen Fehler gemacht. Meiner jetzigen Existenz möchte ich dieses Schicksal ersparen.“ Der Geist sah auf und machte ein betrübtes Gesicht. „Ägypten, England – ich war immer zu schwach, das Richtige zu tun. Ich möchte nicht, dass dir dieses Schicksal erneut, hier, in Japan, widerfährt.“ Ich verstand nicht ganz. „Aber Mahad, du hast doch alles richtig gemacht? Die Welt existiert noch, und deine Freunde, zumindest einer, auch.“ Meine Worte schienen ihn nicht sonderlich aufzumuntern. „Ich war dennoch der Grund dafür, dass sie einmal beinahe untergegangen wäre.“
 

Entschlossen fasste ich nach der Schulter des Geistes. Auch wenn ich sie nicht ergreifen konnte, so tat ich zumindest so, als würde ich meine Hand darauf betten. „Beinahe reicht aber nicht. Fehler sind total okay, jeder macht sie. Manche sind größer, manche kleiner. Es ist wichtig, daraus zu lernen und sie zu vermeiden, oder es zumindest zu versuchen. Stark ist, wer nicht in der Vergangenheit hängt, sondern versucht, die Zukunft zu verändern.“ Tatsächlich hellte sich Mahads Gesicht ein wenig auf. „Das ist lieb von dir, danke.“ Ich nickte leicht: „Wir sind eins, und du kannst dich genauso an mich wenden, wie ich an dich, ja?“
 

Der Geist hob die Mundwinkel an und nickte ebenfalls. „Du hilfst mir also beim Battle City Turnier?“, versuchte ich ihn von seinen düsteren Gedanken abzulenken. „Alleine schaffe ich das nämlich nicht. Da sind sicher nur die Besten der Besten, und ich möchte zumindest nicht gleich rausfliegen.“ Mahad schmunzelte: „Das würdest du auch ohne meine Hilfe nicht, aber natürlich helfe ich dir. Wir sind eins, wie du gesagt hast.“ Erleichtert atmete ich aus. Das Vibrieren meines Handys ließ uns beide auf den Beistelltisch starren.
 

„Und?“, fragte mich Mahad, als ich auf das Display schaute. Serenity, die mich fragte, ob ich schon wach sei. „Ich hatte ehrlich gesagt mit Joey gerechnet, und nicht mit seiner Schwester“, murmelte ich, und tippte ein knappes „Ja“ zurück. „Nun, was erwartest du denn? Du bist der Freund ihres Bruders“, kicherte der Geist amüsiert. „Hast du Lust, mit mir heute etwas zu unternehmen? Also nur wir zwei; Mokuba musste mit seinem Bruder in die Firma, und so wie ich Joey kenne, wird er heute auch nicht heimkommen.“
 

Ratlos kratzte ich mich an der Stirn. „Sag einfach ja, und nutze die Chance, um ein wenig über Joey herauszufinden. Jene Dinge, die er dir nicht erzählt, könnte er vielleicht mit seiner Schwester teilen.“ Gerade als ich „Klar“ zurückschicken wollte, hörte ich ein Geräusch an der Tür. Augenrollend legte ich das Handy beiseite. „Serenity, du kannst auch einfach reinkommen.“ Lächelnd lugte Joeys Schwester durch den Spalt herein, den sie geöffnet hatte. „Hey!“, rief sie und betrat das Zimmer. „Hast du Besuch?“ Ich blinzelte kurz, verstand dann aber. Mahad war bereits verschwunden. „Nein, bin wohl einfach nur noch ein wenig schläfrig“, log ich.
 

Joeys Schwester setzte sich genau dorthin, wo Mahad zuvor noch gewesen war. „Ziemlich arschig von deinem Bruder, dich alleine zu lassen“, sagte ich und grabbelte nach meinem Shirt. Serenity hob lächelnd die Schultern: „So war er schon immer, wenn es um Duel Monsters geht. Außerdem, ohne dich hätten wir uns gar nicht gesehen.“ Ich hob die Mundwinkel ein wenig an: „Mein Geschenk gefällt euch beiden also?“ Lachend nickte sie: „Natürlich, was denkst du denn?“
 

Gerade, als ich etwas Freches erwidern wollte, kam mir mein grummelnder Magen dazwischen. Joeys Schwester kicherte: „Das kenne ich irgendwoher.“ Mit sanftem Griff zog sie mich aus dem Bett, hinter ihr her, in Richtung des Esszimmers. Schmunzelnd folgte ich ihr und tat dabei so, als würde ich mich wehren, aber ob ihrer überlegenen Stärke hoffnungslos verloren zu sein. „Man merkt, wer dein Bruder ist“, lachte ich noch, als wir zum heißersehnten Frühstückstisch kamen, der bereits beladen war mit Müsli, Vollkorntoast, Honig, Marmelade und Kakao. An diesen Service konnte ich mich glatt gewöhnen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Satra0107
2019-06-17T18:05:17+00:00 17.06.2019 20:05
Ein tolles Kapitel. Ich bin total begeistert von der Verbindung von Mahad und David. Und das einbringen der Vergangenheit, die man aus der Serie kennt. Ich freue mich auf mehr. 😊
Lg Satra
Antwort von:  SuperCraig
18.06.2019 03:16
Hey Satra! :D

Also mich freut es ungemein, wenn es dir so gefällt, was ich da fabriziere.

Mahad war ein toller Charakter, und die Vorstellung, dass es am Ende ein Pendant zu Zorc im Ring geben muss, hat mich irgendwie gepackt.

Wenn man wirklich sein früheres Leben kennenlernen kann, seinen Körper mit ihm teilt, und auch die Seele irgendwie, dann sollte man auch füreinander da sein.

Danke für die Kommis! :D
Antwort von:  Satra0107
19.06.2019 22:43
Du hast da echt eine interessante Story. Sie geht, gerade mit dem Millennium Ring, in eine für mich am Anfang nicht erahnte Richtung.
Ich mag Yu-GI-Oh! Gerade wegen der Verbindung in die alte Zeit Ägyptens.
Antwort von:  SuperCraig
20.06.2019 02:56
Ich empfand den Ring immer als sehr mächtigen Gegenstand, der es durchaus mit dem Puzzle aufnehmen konnte.

Zorc zu bannen, oder so weit zu vertreiben, als dass der Ring wieder nutzbar sein könnte, kam mir ein wenig nach dem Beginn der FF in den Sinn. 

Im Laufe der Serie hat der Ring aber ein wenig seine Fähigkeiten eingebüßt. Ich möchte gerade ein bestimmtes Element später einbauen, wenn es sich denn ergibt.

Freut mich, dass dir die Story so zusagt. Ich bemühe mich, trotz dem großen Einschnitt durch den OC, die meisten Charaktere nicht zu weit zu verbiegen.

Antwort von:  Satra0107
20.06.2019 07:41
Ich bin schon ganz gespannt welche Fähigkeiten der Ring hat, wo die Dunkelheit weg ist.
Ich finde du triffst die Charaktere gut. Hatte bisher nicht das Gefühl, dass mir ein Charakter auf einmal "fremd " vorkommt. Mit dem OC hast du neue interessante Ideen rein gebracht.


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