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Worte mit Wirkung

„Seto!“ Mokuba sprang von meinem Schoß und fiel seinem Bruder direkt in die Arme. Dieser lächelte zur Abwechslung sogar einmal ein wenig, und legte seine Hände um den Kleinen. Auch heute trug der ältere Kaiba den weißen Mantel mit der auffälligen Schnittform, die hohen Stiefel und das schwarze Hemd, nebst schwarzer Hose.
 

„Na, was hast du da Schönes vorbereitet?“ Mit Mokuba in der Umklammerung schob sich der CEO nach vorne und begutachtete eingehend unsere gemeinsame Arbeit. „Das ist für Sakura, du weißt schon, aus meiner Klasse.“ Der Schwarzhaarige löste sich, wenn auch nur widerwillig, von Seto und stellte sich neben das Präsent. „Ich habe mir Hilfe geholt, von einem Fachmann.“ Grinsend nickte er mir zu. Ich fragte mich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis Kaiba explodierte und mich aus dem Haus warf. Nach der Standpauke heute Vormittag wunderte es mich, dass ich noch nicht von der Polizei abgeholt worden war.
 

„Fachmann? Interessant.“ Ich konnte Kaibas eisigen Blick auf mir spüren, welcher sich, Gott sei Dank, wenige Momente später wieder auf das Präsent lenkte. Der Firmenchef stellte sich neben Mokuba, legte eine Hand auf dessen Schulter und senkte seinen Kopf ein wenig. Jetzt würden sie wieder kommen: Verbesserungsvorschläge, Kritik, Anmerkungen und spöttische Beleidigungen.
 

„Es sah von weitem schon beeindruckend aus, aber in der Nähe – ihr habt beide viel Liebe zum Detail bewiesen. Ich frage mich, warum ich den Schwachkopf von Abteilungsleiter überhaupt noch beschäftigte. Demnach ist das Geschenk für Sakura insoweit fertig?“ Mokuba schüttelte den Kopf, rannte zum Tisch und hielt Kaiba den Text hin. Jetzt würde sicherlich eine abfällige Bemerkung folgen. Der CEO las die Nachricht mehrmals durch.
 

„Deine Freundin freut sich sicher, Mokuba.“ Wie bitte? Keine saudumme Meldung? Was war in den gefahren? Stattdessen faltete Kaiba den Zettel sorgsam und lehnte ihn vorsichtig gegen den Pinguin. Danach klatschte er einmal in die Hände und blaffte zur Tür hin: „Na worauf warten Sie noch? Sie werden nicht fürs Rumstehen bezahlt. Packen Sie das Ganze ordentlich ein, und wehe, Sie verändern auch nur ansatzweise etwas an dem Geschenk.“ Seine Stimme war eiskalt und auffordernd. Im Türrahmen erschien eine schlanke Frau mittleren Alters, mit dunkelbraunen, langen Haaren und einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Wie man nach der netten Aufforderung überhaupt kein Gesicht ziehen konnte, war mir ein Rätsel. „Natürlich, Herr Kaiba. Ich werde mich persönlich darum kümmern. Das Geschenk ist spätestens morgen abholbereit.“ Damit ergriff sie, ganz vorsichtig, das Bastkörbchen und trug es, einer Verbeugung uns gegenüber später, nach draußen.
 

„Wer war das, Seto?“ Mokuba lugte neugierig zu seinem Bruder hinauf. Allerdings, diese Frage interessierte mich auch. Sicher eine Angestellte, so wie er sie zusammengefaltet hatte. „Eine der renommiertesten Designerinnen und Dekorspezialistinnen Japans. Ich muss meinen kleinen Bruder schließlich bei seinem ersten Versuch, ein Mädchen zu erobern, auch unterstützen.“ Wie schnell sich ein Gemüt ändern konnte – Wahnsinn. Vor nicht mal einer Minute hatte er die Frau heruntergeputzt, und jetzt ging er mit Mokuba so liebevoll um; dass Kaiba überhaupt zu so einer emotionalen Form der Zuneigung fähig war, erstaunte mich. Der Kleine umarmte seinen Bruder noch einmal innig, nur um dann zu mir zu spähen. „Mist, jetzt haben wir das Bild vergessen!“
 

Ich winkte mit der Hand ab: „Das ist kein Problem – wir müssen überhaupt erst einmal fragen, ob Joey Zeit und Muße hat. Das Bild können wir noch an der Verpackung draußen befestigen. Die Karte haben wir übrigens auch außen vor gelassen. Ein äußerst intelligenter Schachzug – so wirkt es nicht so standardmäßig.“ Ich grinste unvermittelt. Mir war das Ganze ein wenig zu schnell gegangen.
 

„Wheeler soll euch helfen? Wie denn? Sich neben Mokuba stellen, um dem Mädchen zu zeigen, dass man mit 17 Jahren ein größerer Idiot sein kann, als mit 13?“ Wenigstens war sie jetzt wieder da, die abfällige Art und Weise, die mich so zur Weißglut trieb.
 

„Joey kann sehr gut zeichnen, und Sakura malt ebenfalls.“ Ich schluckte den restlichen, bissigen Kommentar hinunter und zog mein Handy hervor. Tatsächlich, Mokuba hatte mir ein Bild von Sakura geschickt. Sie war wirklich süß für ihr Alter – süß im Sinne von niedlich, ein Kind eben.

Ohne auf Kaibas weitere Tiraden über Joeys Unfähigkeit näher einzugehen, schickte ich Joey das Foto samt einer Nachricht: „Hallo Joey! Anbei ein Bild von Mokubas Flamme, Sakura. Sie zeichnet gerne und ich hätte eine Bitte an dich (natürlich nur, wenn du Zeit und Lust hast): Könntest du sie und Mokuba auf ein gemeinsames Bild malen? Deine Talente sind herausragend, und Mokuba wäre auch einverstanden. Vermisse dich bereits! David“ Ich hatte bewusst auf eine intimere Anrede wie „Schatz“ oder „Liebling“ verzichtet, weil ich nicht wusste, wer unter Umständen Joeys Nachrichten noch lesen konnte. Damit schob ich mein Smartphone wieder in die Hosentasche meiner schwarzen Jeans und blickte zu Kaiba und Mokuba.
 

Der Ältere hatte den Arm um den Jüngeren geschlungen, während mich beide anstarrten. Hatte ich was im Gesicht? „Du musst Joey sehr mögen, wenn du so lächelst, wenn du ihm schreibst.“ Ich fühlte mich von Mokubas Worten ertappt. Ahnte zumindest der große Kaiba etwas? Seinem regungslosen Gesichtsausdruck zu urteilen nach nicht. „Wer sagt denn, dass es überhaupt Joey war? Außerdem – er ist hier mein bester Freund. Wenn du anrufst ziehe ich auch kein Gesicht.“ Mit einem überbreiten Grinsen versuchte ich die Situation zu überspielen. Hatte ich wirklich so offenkundig gestrahlt?
 

„Nichtsdestotrotz – der Koch ist mit dem Essen fertig. Wenn du deine privaten Erledigungen abgeschlossen hast, könnten wir nach unten gehen.“ Kaibas Stimme war diesmal frei von Spott und Hohn. Er nickte mir nur kurz zu und ging, Mokuba vor sich her schiebend, nach draußen. Bemühte er sich eigentlich generell so um seinen Bruder? Mein grummelnder Bauch ließ mich fürs Erste diese Frage vergessen. Hastig ging ich den Beiden nach, ins Speisezimmer. Dort waren wieder, wie beim letzten Mal, die thronartigen Stühle aufgestellt worden. Drei Stück waren fein säuberlich so platziert worden, dass an der Spitze der Tafel sich jemand jeweils über einen Nachbarn freuen konnte. Entgegen meiner Erwartungen setzte sich der CEO nicht auf den „Chefsessel“, sondern rechts davon, Mokuba mittig, so blieb für mich die linke Seite übrig.
 

Als Vorspeise kredenzte man uns eine klare Rinderbrühe mit Pfannkuchenstreifen und Schnittlauch. Der Hauptgang bestand aus einem Steak mit Rosmarinkartoffeln, Röstzwiebeln und Kräuterbutter. Zum krönenden Abschluss brachte man uns die beste Kardinalschnitte, die ich je in meinem Leben gegessen hatte. Kurzum waren das alles meine Lieblingsgerichte gewesen.
 

„Hat es dir geschmeckt, David?“ Mokuba hatte sich während des Essens vorwiegend mit seinem Bruder unterhalten, welcher äußerst locker wirkte. Ich schrägte den Kopf ein wenig und nickte dann: „Es war hervorragend. Das waren aber keine typisch japanischen Gerichte.“ Der kleine Kaiba grinste nur und nickte mit dem Kopf zu seinem Bruder: „Bedank dich bei Seto. Der hat das heute veranlasst.“ Ich beobachtete Kaiba, wie er den letzten Rest Kardinalschnitte sorgsam von seinem Teller kratzte. War das eine Geste der Freundlichkeit gewesen? Woher wusste er das alles überhaupt?
 

„Ein Dank ist nicht nötig. Du hast etwas für Mokuba getan, da ist es das Mindeste, dass ich mich erkenntlich zeige. Ich hasse es nämlich, in der Schuld von jemandem zu stehen.“ Während des Sprechens hielt er es zwar nicht für notwendig, von seinem Teller aufzusehen, aber es reichte durchaus, um mich zu verblüffen. „Danke“ kam es zögerlich über meine Lippen. Kaiba schenkte mir keine weitere Beachtung.
 

Mokuba gähnte ausgiebig und streckte sich. „Mann, bin ich müde. Zum Schlafen gehen ist es aber noch eindeutig zu früh. Hast du noch Lust, dich eine Runde virtuell mit mir zu prügeln, David?“ Ich nickte leicht, Kaiba nicht aus den Augen lassend. Was war nur mit ihm los? „Aber nicht länger als eine Stunde, Mokuba. Du hast morgen Schule, und ich mag es eigentlich nicht so gerne, wenn du dauernd vor dem Fernseher hängst.“ Damit stand Kaiba auf, verwuschelte seinem Bruder die Haare und ging nach draußen. Sekunden später wurde ich an der Hand in Mokubas Zimmer gezogen, wo wir uns einige haarsträubende Duelle in einem japanischen Beat’em up lieferten (ich verlor haushoch). Eine Stunde später klopfte es an der Tür.
 

„Mokuba, Zeit schlafen zu gehen. Putz´ dir die Zähne, und dann ab in die Federn. Ich komme nachher noch einmal vorbei, ja?“ Mokuba seufzte genervt, nickte dann aber. Mir fiel er um den Hals und drückte mich fest. „Danke nochmal, ja David? Ich hab dich lieb!“ Damit stürmte er auch schon ins Badezimmer. Der letzte Satz – hatte er das wirklich gesagt? Er hatte mich lieb? Wie lieb? So wie einen großen Bruder?
 

Kaiba stand noch immer im Türrahmen und beobachtete mich. „Du hast außerordentliches Glück, dass Mokuba so an dir hängt. Normalerweise hätte ich dir den Tag zur Hölle gemacht, nach deinen ausfälligen Bemerkungen heute Vormittag. Ein Meeting und ein Telefonat mit Mokuba haben das aber verhindert. Überstrapaziere dein Glück aber nicht, Kleiner. Wir fahren morgen gemeinsam in die Schule – sei also pünktlich und blamiere mich nicht.“ Damit verließ Kaiba das Zimmer.
 

Was war nur mit dieser Familie los? Der eine war anhänglich und drollig, fast schon zum lieb haben, während der andere eine Mischung aus einem Eisklotz und einem Arsch mit lichten Momenten war. Seufzend begab ich mich ins Gästezimmer, wo man mir tatsächlich Schlafanzug und meine Unterwäsche bereitgestellt hatte. Fein säuberlich gefaltet befanden sich außerdem noch ein anthrazitfarbener Hoodie mit weißen Bändern zum Verstellen der Kapuze, eine graue Hose, sowie meine Zahnbürste und einige andere Utensilien für eine Übernachtung auf dem Schreibtisch. Ich wollte gar nicht wissen, wie besagte Person an das Zeug gekommen war. Verwirrt, und mit einem stechenden Kopfschmerz, sprang ich kurz unter die Dusche, nur um mich dann in den Schlafanzug zu werfen und ins Bett zu fallen. Beiläufig schaltete ich den Fernseher ein (es lief ein Zeichentrick aus meiner Heimat, und auch noch auf Deutsch), und lugte auf mein Handy. Joey hatte mir geantwortet.
 

„Hey David! Klar, kann ich machen. Das ist Mokubas Flamme? Ich hatte sie mir deutlich anders vorgestellt. Freitag habt ihr das Bild. Grüß den Kleinen von mir. Schlaf du gut und träum was Feines! Joey – der dich auch vermisst.“ Ich ertappte mich dabei, wie ich gerade beim letzten Satz lächeln musste. Es war wohl wirklich offensichtlich, dass ich zumindest mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Joey hegte. Bis Kaiba das geschnallt hatte, würde aber noch ein wenig Zeit vergehen, hoffte ich zumindest. Beim Fernsehen schlief ich dann ein.



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