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Brothers

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, ihr Lieben, da bin ich schon wieder.
:)
Und ich hab euch ein neues Kapitel mitgebracht.

Allerdings muss ich hab hier auch direkt mal eine kleine Taschentuch-Warnung ausgeben. Ab diesem Kapitel könnte es tatsächlich sein, dass ihr welche braucht.
*Taschentuchboxen für alle bereitstell*
Es wird zwar nicht nur Drama werden, aber es ist defnitiv eine Menge davon drin. Und das wird in den nächsten Kapitel auch eher schlimmer als besser. Ich hoffe, ihr mögt es trotzdem.

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Beautiful (?) Sunday

Am Sonntagmorgen schlug Ryuuji mit einem abgrundtiefen Seufzen seine Bettdecke zurück und warf einen Blick auf seinen Wecker. 7:47 Uhr blinkte es ihm entgegen und er strich sich mit einem weiteren Seufzen seine schwarzen Haare aus dem Gesicht. So viel zu ruhigem und traumlosem Schlaf, grummelte er dabei innerlich. Selbstredend war ihm genau das natürlich nicht vergönnt gewesen. Zwar erinnerte er sich nur bruchstückhaft an seinen Traum, aber diese Bruchstücke reichten vollkommen.
 

Egal. Nützt ja eh alles nichts. Zeit zum Aufstehen. Mit diesem Gedanken schwang er seine Beine aus dem Bett und verschwand im angrenzenden Bad, um sich zumindest halbwegs vorzeigbar herzurichten. Knapp zwanzig Minuten später machte er sich, bekleidet mit einer schwarzen Jeans und einem ebensolchen Shirt, auf den Weg ins Esszimmer. Er hatte nicht vergessen, dass die Familie Kaiba am Sonntagmorgen gegen neun Uhr zusammen zu frühstücken pflegte. Und wie erwartet waren Gozaburo und seine Mutter auch bereits da, aber von Seto und Mokuba war zu seiner Erleichterung noch nichts zu sehen.
 

"Guten Morgen, Mum. Guten Morgen, Gozaburo-san", begrüßte Ryuuji die beiden und setzte sich auf seinen Platz. Der besorgte Blick seiner Mutter entging ihm nicht, aber entgegen seiner sonstigen Gewohnheit war er aktuell einfach noch zu müde, um so zu tun, als wäre alles in Ordnung. "Sorry, Mum, aber ich hab gestern doch noch länger als geplant an den Hausaufgaben gesessen. Hab einfach zu wenig geschlafen", erklärte er seine Müdigkeit und versteckte sein Gähnen schnell hinter seiner Hand.
 

"Gib mir einfach nur eine halbe Stunde, dann bin ich wieder fit. Versprochen", versicherte er ihr dann eilig und Yukiko bedachte ihren Sohn mit einem skeptischen Blick, sagte aber nichts dazu. Es war, wie sie aus Erfahrung wusste, reichlich seltsam für Ryuuji, an einem Sonntagmorgen derart unausgeschlafen zu sein, aber wenn er wirklich zu lange gelernt hatte, war das wohl kein Wunder.
 

Gozaburo, der solche Morgenmuffeligkeit von seinem jüngsten Sohn nur zu gut kannte – Mokuba war nun mal kein Mensch, dem es leicht fiel, früh aufzustehen –, musterte seinen Stiefsohn skeptisch. Bisher hatte er noch nicht viel Gelegenheit gehabt, unter vier Augen mit Ryuuji zu sprechen, und so wusste er von ihm nur das, was Yukiko ihm über den Jungen erzählt hatte. Das deckte sich jedoch nicht mit dem, was er gerade vor sich sah, denn Yukiko zufolge war es vor der Hochzeit üblicherweise immer Ryuuji gewesen, der am Sonntagmorgen früh aufgestanden war, um das Frühstück für seine Mutter und sich vorzubereiten. Ob mit dem Jungen alles in Ordnung war?
 

Das Auftauchen seiner eigenen Söhne verhinderte, dass Gozaburo nachfragte. Wie üblich sah Mokuba nicht besonders wach aus, aber er wirkte dennoch gut gelaunt. Seto hingegen wirkte deutlich wacher, auch wenn seine Stimmung nicht die allerbeste zu sein schien – etwas, das Gozaburo gleich wieder daran erinnerte, dass er später noch mal unter vier Augen mit seinem Ältesten sprechen wollte. Vielleicht redete Seto ja mit ihm, wenn Mokubas neugierige Ohren nicht in der Nähe waren.
 

"Guten Morgen zusammen", grüßte Seto in die Runde, ehe er ebenso Platz nahm wie sein Bruder, der nur ein wenig waches "Morgen" nuschelte. Auch Ryuuji schien heute nicht sehr munter zu sein, denn er lächelte zwar schwach, aber sein Morgengruß fiel kaum enthusiastischer aus als Mokubas. Wirklich wach wirkte Ryuuji eindeutig nicht. Was, fragte Seto sich unwillkürlich, mochte seinen Stiefbruder wohl vom Schlafen abgehalten haben? Ob er wohl auch die halbe Nacht wachgelegen und sich die Stunden damit um die Ohren geschlagen hatte, jedes einzelne Wort, das am Donnerstagabend zwischen ihnen gefallen war, noch mal zu analysieren?
 

Wohl kaum. Grimmig schob Seto diese Gedanken beiseite. Ryuuji hatte ihm am Vorabend doch sehr eindeutig klargemacht, wie er die Sache handhaben wollte: er wollte sie einfach vergessen und so tun, als wäre nie etwas passiert. Wenn das nur wirklich so einfach wäre. Die ganze letzte Nacht hatte Seto versucht, seine Gedanken unter Kontrolle zu bringen, doch es war ihm einfach nicht gelungen. Er konnte einfach nicht vergessen, so gerne er es auch wollte.
 

oOo
 

"Yami? Yuugi? Könnt ihr kurz zu eurem Großvater gehen und ihm seine Medikamente vorbeibringen?" Yami fluchte unhörbar, als seine Mutter die Treppe nach oben kam. Gerade jetzt, wo er fast fertig war für den Trip ins Museum, den Yuugi und er für den heutigen Tag geplant hatten! "Mist", entfuhr es ihm. Ja, die Medikamente waren wichtig, aber hätte ihre Mutter diese Idee nicht früher haben können? Wenn sie jetzt erst noch zu ihrem Großvater gingen, dann hatten sie nicht mehr allzu viel Zeit für ihren Museumsbesuch. Und das ausgerechnet heute!
 

Yuugi, der bereits fix und fertig angezogen im Zimmer seines großen Bruders hockte, sah diesem nur zu deutlich an, wie wenig Lust er auf einen Abstecher zu ihrem Großvater hatte. Sie beide hatten den gesamten vergangenen Abend damit verbracht, die Unterlagen ihres Großvaters durchzugehen, damit Yami sein gestriges Versprechen heute wahrmachen und Malik beweisen konnte, dass seine Übersetzung korrekt gewesen war. Und jetzt drohte all das zu kippen, denn Yuugi wusste genau wie sein Bruder, dass sie nicht innerhalb von fünf Minuten bei ihrem Großvater wieder rauskommen würden. Wie üblich würde er sie sicher mit ein paar alten Geschichten in den Bann schlagen und innerhalb von zwei, drei Herzschlägen wäre es dann auch schon wieder Abend und sie müssten nach Hause, um am nächsten Tag für die Schule ausgeschlafen zu sein.
 

"Ich geh schon." Yuugi nahm den Beutel mit den Medikamenten entgegen, den seine Mutter ihm reichte, und drückte ihr die Tür vor der Nase wieder zu, ehe sie noch etwas sagen konnte. "Wir machen Arbeitsteilung", wandte er sich dann an seinen großen Bruder. "Du gehst ins Museum und zeigst Malik, was ne Harke ist, und ich bringe Opa eben die Medikamente und komme dann irgendwann später nach." Das klang, zumindest in seinen Ohren, wie ein ziemlich guter Plan. Zwar würde er dadurch aller Voraussicht nach Maliks dummes Gesicht verpassen, aber manchmal musste man eben auch Opfer bringen.
 

Yami sah seinen kleinen Bruder skeptisch an. "Bist du sicher?", wollte er wissen, doch Yuugi nickte nur. "Klar bin ich sicher. Du wischst mit ihm den Boden und erzählst mir hinterher ausführlich, wie blöd er gekuckt hat, weil du Recht hattest und nicht er. Und ich kümmere mich solange um Opa. Vielleicht kommt er ja sogar noch mit ins Museum." Was, genau betrachtet, vielleicht sogar die beste Lösung wäre. Yuugi grinste spitzbübisch. Wäre doch gelacht, wenn er ihren Großvater nicht dazu überreden könnte, ihn zu begleiten. Und spätestens dann würde Malik auf jeden Fall alt aussehen, so viel war sicher.
 

"Gut, wenn du meinst", gab Yami sich geschlagen. Je länger er jetzt mit Yuugi argumentierte, desto weniger Zeit würde er später haben, also sparte er sich die Diskussion lieber und machte sich gemeinsam mit seinem Bruder auf den Weg, nachdem sie sich noch kurz von ihren Eltern verabschiedet hatten. Am Ende der Straße trennten sich ihre Wege. Yuugi bog nach rechts ab, um zum Haus ihres Großvaters zu kommen, während Yami weiter geradeaus ging in Richtung Museum. Dabei hatte sich ein siegessicheres Schmunzeln auf seinen Lippen festgesetzt. Heute würde er Malik beweisen, dass er gestern richtig gelegen hatte.
 

"Nanu? Du bist heute alleine? Na, du willst deine Niederlage wohl nicht vor deinem Bruder erleben. Bist du denn heute endlich bereit, deinen Fehler einzugestehen?" Maliks breites Grinsen und seine provozierende Fragen empfingen Yami keine zehn Minuten später, als er das Museum wie am Vortag besprochen durch den Hintereingang betrat, der direkt zu den Restaurationswerkstätten führte. "Yuugi kommt später nach. Und nein, aber ich bin bereit, dir deinen Fehler klarzumachen", schoss Yami ebenfalls grinsend zurück und Malik lachte auf.
 

"Beweise. Ohne Beweise glaub ich dir gar nichts", forderte der Ägypter und Yami klopfte auf seine Tasche, in der er die Unterlagen seines Großvaters aufbewahrte. "Hab ich extra mitgebracht, keine Sorge", versicherte er Malik und wieder grinste dieser. "Ich bin gespannt." Sehr gespannt sogar. Doch, sinnierte Malik auf dem Weg zu seiner Schwester, die wie am Vortag bereits hinten auf sie wartete, es war eine gute Idee von ihm gewesen, die beiden Muto-Brüder anzusprechen. So viel Spaß hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Und irgendwie konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Spaß erst angefangen hatte.
 

oOo
 

Das Frühstück war gerade in vollem Gange, als Isono das Esszimmer betrat und sich leise räusperte. Sofort hatte er die volle Aufmerksamkeit seines Arbeitgebers ebenso wie die von dessen ältestem Sohn. Seto wusste ganz genau, dass Isono sie nur dann stören würde, wenn es wirklich dringend war und keinen Aufschub duldete. Immerhin war ihm sehr bewusst, wie wichtig seinem Arbeitgeber das gemeinsame sonntägliche Frühstück mit seiner Familie war. Also was, fragte Seto sich unwillkürlich, mochte an einem Sonntagmorgen so wichtig sein, dass es nicht mal bis nach dem Frühstück warten konnte?
 

"Bitte verzeihen Sie die Störung, aber hier sind zwei Herren von der U.S. Air Force, die einen Mr. Devlin zu sprechen wünschen." Weiter kam Isono nicht. Ryuuji, der dem Ganzen erst gar keine Beachtung geschenkt hatte – er war inzwischen wach genug, um sich ein bisschen mit Mokuba zu unterhalten –, brach mitten im Satz ab und fuhr herum. "Air Force?", versicherte er sich dessen, was er gehört zu haben glaubte, und als Isono nickte, legte er seine Stäbchen beiseite und stand abrupt auf.
 

Seto entging nicht, dass Ryuujis Finger zitterten, aber ansonsten wirkte er äußerlich vollkommen ruhig – vielleicht sogar etwas zu ruhig. Als Seto den Blick hob und seinem Stiefbruder ins Gesicht sah, las er in den grünen Augen, die ihn immer und immer wieder in ihren Bann zogen, bodenloses Entsetzen. Seto spürte, wie ihm bei diesem Anblick selbst auch mulmig wurde, aber er kam nicht dazu, etwas zu sagen oder eine Frage zu stellen.
 

"Ich habe mir erlaubt, die Herren erst einmal in den kleinen Salon zu führen", erklärte Isono gerade und Ryuuji schob mit einer gemurmelten Entschuldigung seinen Stuhl zurück, ohne seine Mutter oder sonst jemanden am Tisch direkt anzusehen. Er hatte einen schrecklichen Verdacht und alles in ihm sträubte sich dagegen, das zu glauben. Er brauchte Gewissheit, und das am besten sofort.
 

"Die Herren wollen zu mir", teilte er Isono daher mit und ließ sich von diesem zum kleinen Salon führen. Dabei fühlte er sich, als stünde er neben sich. Es war beinahe so, als wäre es nicht sein Körper, der einen Fuß vor den anderen setzte. Er wusste, weshalb die beiden Besucher da waren. Er wusste, was sie ihm sagen würden, aber er wollte es nicht wahrhaben. Es konnte doch nicht wirklich sein, dass …
 

"Du, Nii-san, was meinst du, was los ist?" Mokuba rückte ein Stück näher zu seinem großen Bruder und sah diesen fragend an. Seine Stimme war leise, so als wagte er es nicht, die Frage allzu laut zu stellen aus Angst davor, wie die Antwort darauf lauten würde. Und Seto konnte ihn nur zu gut verstehen. Er selbst hatte zumindest eine ungefähre Ahnung, was genau hier vorging. Und wenn das wirklich wahr war … Nein, darüber wollte er jetzt lieber nicht nachdenken. Und trotzdem konnte Seto seine Gedanken nicht davon lösen.
 

"Das werden wir später sicher erfahren", erwiderte er daher mit etwas Verspätung auf die Frage, was ihre sonntäglichen Besucher wohl von Ryuuji wollten. Das Entsetzen in seinem Blick, als er gehört hatte, wer da so früh am Morgen erschienen war, hatte für Seto Bände gesprochen und so legte er seine Stäbchen ebenfalls beiseite. Sein Appetit war ihm gründlich vergangen, denn sein Magen fühlte sich an wie ein eisiger Knoten. Wenn Ryuuji wirklich gerade das zu hören bekam, was er befürchtete, dann …
 

Seto warf einen kurzen Blick zu seiner Stiefmutter und fand seinen Verdacht sogleich bestätigt. Yukiko war sichtlich bleich, in ihren Augen schwammen Tränen und sie klammerte sich an der Hand ihres Ehemannes fest wie eine Ertrinkende. "Oh nein", murmelte sie und das gab Seto die endgültige Gewissheit. Ryuujis Vater lebte also wirklich nicht mehr.
 

Verdammt! Seto wusste aus eigener Erfahrung nur zu gut, wie hart es war, einen Elternteil zu verlieren. Er war zwar erst sieben Jahre alt gewesen, als seine Mutter gestorben war, aber er erinnerte sich auch heute noch ganz genau daran, wie sehr ihm das Wissen, dass er sie nie wiedersehen würde, den Boden unter den Füßen weggerissen hatte. Zwar hatte er im Laufe der Jahre gelernt, mit der Trauer und dem Schmerz zu leben, aber das bedeutete nicht, dass er sie nicht auch heute immer noch vermisste.
 

Isono, der vorausgegangen war, öffnete die Tür des kleinen Salons für den Stiefsohn seines Arbeitgebers. Er wartete kurz, bis der junge Mann den Raum betreten hatte, dann zog er die Tür diskret wieder hinter ihm zu. Er hatte zumindest eine ungefähre Ahnung, mit welcher Art von Nachricht die beiden Herren gekommen waren, und er war sich ziemlich sicher, dass Ryuuji-san dabei auf Zuhörer verzichten konnte.
 

Mit einem unhörbaren Seufzen rückte Isono-san die Sonnenbrille, die er ständig trug, zurecht. Er erinnerte sich noch ausgesprochen lebhaft daran, wie es gewesen war, als Ayane-san, Gozaburo-sans erste Ehefrau, verstorben war. Mokuba-san war damals untröstlich gewesen und Seto-san hatte seinen eigenen Schmerz hintenan gestellt, um für seinen kleinen Bruder da zu sein. Inzwischen mochte Mokuba-san das nicht mehr wissen, aber Isono hatte nicht vergessen, wie hart besonders die ersten Monate nach Ayane-sans Tod gewesen waren. Aber vielleicht, sinnierte Isono bei sich, war es auch besser, dass Mokuba-san sich nicht mehr an diese Zeit erinnern konnte.
 

oOo
 

"Mr. Devlin?" Die vertraute Anrede in einem derart unpassenden Umfeld sorgte dafür, dass sich alles in Ryuujis Innerem zusammenzog. Die Galauniformen mit den Rangabzeichen, die ihm schon sein ganzes Leben lang vertraut waren, und, mehr noch, die betont neutralen Gesichtsausdrücke der beiden Männer, die im kleinen Salon auf ihn gewartet hatten, sagten ihm eigentlich schon deutlicher als alle Worte der Welt, was passiert war. Zwar kannte er keinen der beiden persönlich, aber er wusste dennoch ganz genau, warum sie hier waren.
 

Und er wollte es nicht hören. Am liebsten hätte er auf dem Absatz kehrt gemacht, aber das, das war ihm durchaus bewusst, würde nicht das Geringste an den Tatsachen ändern. Es würde seinen Vater auch nicht wieder lebendig machen, wenn er jetzt die Flucht ergriff. "Wann?", erkundigte er sich deshalb einfach nur auf Englisch, denn jedes weitere Wort hätte seine Kraft im Moment überstiegen. Er hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen, und sein Herzschlag dröhnte so laut in seinen Ohren, dass die Antwort, die er bekam, im ersten Moment überhaupt keinen Sinn ergab.
 

"Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Major Devlins Maschine im Zuge von Kampfhandlungen vor vier Tagen abgeschossen wurde", teilte der Ranghöhere der beiden ihm mit und Ryuuji biss seine Zähne so fest zusammen, bis sein Kiefer anfing zu schmerzen. Vier Tage. Seit vier Tagen war sein Vater bereits tot und er hatte nichts davon gewusst, hatte es nicht mal geahnt. Er war zu sehr mit sich selbst und seinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen, um überhaupt auch nur an seinen Vater zu denken. Und jetzt war sein Vater tot und es machte einfach keinen Sinn.
 

"Im Namen der Streitkräfte der Vereinigten Staaten und insbesondere im Namen der U.S. Air Force möchten wir Ihnen unser herzliches Beileid aussprechen. Major Devlin war ein tapferer Mann. Ein Held." Bei diesen Worten hätte Ryuuji am liebsten geschrien, aber er beherrschte sich. Was brachte es ihm, dass sie seinen Vater als Helden bezeichneten? Davon wurde er auch nicht wieder lebendig. Ein lebendiger Feigling wäre mir tausend Mal lieber als ein toter Held, schoss es ihm durch den Kopf, aber er behielt auch diesen Gedanken für sich.
 

"Wann ist die Beisetzung?", erkundigte er sich stattdessen nur und die beiden Männer tauschten einen kurzen Blick. Ihnen waren schon eine Menge unterschiedlicher Reaktionen auf die Nachricht, die sie zu überbringen hatten, begegnet, aber eine derart geschäftsmäßige Reaktion war doch eher selten – ganz besonders dann, wenn es sich um Vater und Sohn handelte. Aber nun gut, jeder Mensch hatte eine andere Art, mit schlechten Nachrichten umzugehen. Es war nicht ihre Aufgabe, darüber zu urteilen – ganz egal, wie seltsam es ihnen auch erscheinen mochte.
 

"Die Beerdigung ist für Montagnachmittag geplant." Auf diese Information hin nickte Ryuuji nur. Dadurch, dass er schon seit mehreren Jahren zwischen Japan und den Staaten hin und her pendelte, kannte er den Zeitunterschied und wusste ganz genau, dass die USA im Vergleich zu Japan noch Samstag hatten und nicht bereits Sonntag. "Ich werde rechtzeitig da sein", versicherte er daher, nahm die Mappe, die einer der beiden ihm reichte, entgegen, und sah ihnen kurz nach, als sie nach einer knappen Verabschiedung den kleinen Salon verließen.
 

Sobald die Tür hinter den beiden zugefallen war, ließ Ryuuji sich auf das im Salon stehende kleine Sofa sinken und sein Blick fiel auf die Unterlagen in seiner Hand, aber obwohl Englisch eine der beiden Sprachen war, mit denen er praktisch von Geburt an aufgewachsen war, ergaben die Worte auf dem Papier einfach keinen Sinn. Seine Glieder fühlten sich an wie Blei und in seinem Kopf herrschte gähnende Leere bis auf einen einzigen Gedanken: Dad …
 

oOo
 

"Opa? Opa, ich bin's!" Yuugi streifte sich erst einmal die Schuhe von den Füßen, nachdem er das Haus seines Großvaters betreten hatte. "Wo steckst du? Ich soll dir deine Medikamente bringen", schob er noch hinterher, aber er bekam keine Antwort. Hat er mich nicht gehört? Das wäre nicht allzu ungewöhnlich, denn die Ohren des alten Mannes waren nicht mehr die allerbesten. Oder ist was passiert? Besorgt machte der Fünfzehnjährige sich auf die Suche nach seinem Großvater. Hoffentlich war alles in Ordnung mit ihm!
 

Yuugi durchstöberte die gesamte untere Etage – Küche, Bad, Schlafzimmer und Wohnzimmer –, aber fündig wurde er erst in dem Arbeitszimmer, das sein Großvater sich im Obergeschoss eingerichtet hatte. Allerdings war, wie Yuugi schnell feststellte, Muto Sugoroku nicht alleine. Und dem lauten, dröhnenden Lachen nach zu urteilen, das ihm entgegenschallte, kaum dass er die Tür des Arbeitszimmers geöffnet hatte, ging es seinem Großvater nicht nur gut, sondern blendend.
 

"Hallo zusammen", grüßte Yuugi erleichtert die Runde und Sugoroku grinste breit, als er seinen jüngeren Enkelsohn erkannte. "Du kommst gerade richtig, Yuugi. Becky-chan hier hat schon angefangen, sich zu langweilen mit uns zwei alten Männern. Ist dein Bruder auch da?", wollte er wissen und lachte wieder, als Yuugi nur den Kopf schüttelte. Inzwischen hatte er die Besucher seines Großvaters auch erkannt: Arthur Hopkins, ein früherer Kollege und ebenso Archäologe im Ruhestand, und seine Enkelin.
 

"Äh … ha-hallo", stammelte Yuugi. Als er Rebecca das letzte Mal gesehen hatte, waren sie beide knapp acht Jahre alt gewesen. Jetzt plötzlich fand er sich jedoch nicht mehr mit dem kleinen blonden Mädchen konfrontiert, das früher ständig ihren Lieblingsteddy mit sich herumgetragen hatte. Und auch die Zöpfe, in denen ihre Haare immer gebändigt gewesen waren, waren verschwunden. Geblieben waren die großen blauen Augen hinter der Brille, die sie schon als kleines Mädchen hatte tragen müssen, und die unzähligen Sommersprossen auf ihrer Nase. Aber ansonsten erinnerte nicht mehr viel an das kleine Mädchen, mit dem Yami und er früher hin und wieder gespielt hatten, wenn sie gemeinsam mit ihrem Großvater bei ihnen zu Besuch gewesen war.
 

"Ähm … Yami ist … im Museum heute", erinnerte Yuugi sich mit etwas Mühe noch an die Frage, die sein Großvater ihm wegen seines Bruders gestellt hatte. Dabei konnte er seine Augen jedoch nicht von dem Mädchen abwenden, das er so unerwartet im Haus seines Großvaters vorgefunden hatte. Rebecca hatte sich wirklich ganz schön verändert. Sie war zwar nicht besonders groß, aber als sie aufstand und mit einem Lächeln auf den Lippen auf ihn zukam, bemerkte Yuugi, dass sie ihn trotzdem um einen oder zwei Zentimeter überragte. Und sie war hübsch. So hübsch, dass Yuugi nicht wirklich wusste, was er sagen sollte. Er konnte sie nur anstarren. Normalerweise war er nicht unbedingt auf den Mund gefallen, aber im Moment konnte er kaum geradeaus denken.
 

"Hi, Yuugi. Wir haben uns ganz schön lange nicht gesehen. Du bist aber nicht viel gewachsen." Rebecca kicherte leise und Yuugi hatte das Gefühl, dass er mindestens vom Halsansatz bis zu den Haarspitzen flammend rot anlief. Und auch wenn er es sonst eigentlich nicht mochte, wenn jemand darauf herumritt, dass er ziemlich klein war für sein Alter, irgendwie konnte er Rebecca nicht wirklich böse sein. "Ha-Hab's versucht, aber hat nicht geklappt", brachte er mühsam heraus und wieder kicherte sie.
 

"Vielleicht hast du ja Glück und wächst doch noch ein bisschen", neckte sie ihn und Yuugi fühlte, wie sein Gesicht gleich noch heißer wurde. "V-Vielleicht", stammelte er und seine Augen wurden rund wie Teller, als Rebecca sich ohne Vorwarnung bei ihm einhakte. "Was hältst du davon, wenn du mir mal zeigst, was sich in Tokio so verändert hat, seit ich das letzte Mal hier war? Dann können Grandpa und dein Opa sich in Ruhe unterhalten und wir stören sie nicht", schlug sie vor.
 

Yuugi konnte nur stumm nicken und fand sich im nächsten Moment auch schon in Richtung Haustür geschleift. "Viel Spaß, ihr Zwei!", wünschten Sugoroku und Arthur ihren Enkeln im Chor und Yuugi schluckte. Er hatte doch absolut keine Ahnung davon, was Mädchen wie Rebecca mochten. Was sollte er denn mit ihr unternehmen? Und wie konnte er sicher sein, dass sie sich nicht langweilte? Yuugi schwirrte der Kopf. Nur zu gerne hätte er seinen Bruder um Rat gefragt, aber blöderweise war Yami ja nicht hier. Er war also auf sich allein gestellt. Hilfe!
 

oOo
 

Wie lange er ganz alleine im kleinen Salon gesessen hatte, die Unterlagen der Air Force in der Hand, hätte Ryuuji nicht zu sagen gewusst. Waren es Minuten gewesen? Stunden? Tage? Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis das, was er da schwarz auf weiß vor sich sah, endlich doch einen absolut grässlichen Sinn zu ergeben begann. Dann jedoch hielt ihn nichts mehr. War er gerade auch noch wie gelähmt gewesen, jetzt schoss er förmlich hoch und hetzte an Isono, der gerade offenbar nach ihm hatte sehen wollen, vorbei in Richtung des Esszimmers.
 

Vier Augenpaare richteten sich sofort bei seinem Eintreten auf ihn, doch das nahm Ryuuji nur am Rande wahr. "Mum, I need a plane ticket to Frisco. Today", stieß er hektisch hervor. Seine Stimme überschlug sich beinahe. "It's Dad, he's …" Ryuuji brach ab, denn er schaffte es einfach nicht, die Worte und die schreckliche Wahrheit dahinter laut auszusprechen. "I need to be in Frisco by Monday for the funeral", rang er sich dennoch ab und die Tränen, die die ganze Zeit in den Augen seiner Mutter gehangen hatten, bahnten sich jetzt doch einen Weg über ihre Wangen.
 

"Oh, es tut mir so leid, Ryuuji", flüsterte Yukiko erstickt, doch das war etwas, was ihr Sohn ganz und gar nicht hören wollte. "I know, Mum. I know." Ryuuji schluckte hart und wechselte dann wieder ins Japanische. Er wusste, seine Mutter sprach zwar fließend Englisch, aber ihre eigene Muttersprache zu sprechen und zu verstehen fiel ihr doch deutlich leichter. "Ich bin oben und packe", ließ er sie daher noch knapp wissen, ehe er sich vom Türrahmen abstieß und, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe nach oben sprintete. Er wollte jetzt keine weiteren Beileidsbekundungen hören, auch nicht von seiner Mutter.
 

Mokubas Augen waren rund und riesengroß in seinem blassen Gesicht, als er seinen Bruder nach Ryuujis Abgang ansah. "Habe ich das richtig verstanden? Ist Ryuujis Vater wirklich …", fragte er mit zitternder Stimme nach und Seto nickte nur. Er hatte es geahnt, aber Ryuujis Worte und, mehr noch, sein ganzes Verhalten hatten seinen Verdacht endgültig bestätigt. Für einen Moment hatte er den irrwitzigen Drang, Ryuuji zu folgen und ihn zu trösten, aber der Schwarzhaarige hatte nicht den Eindruck gemacht, als wollte er jetzt jemanden um sich haben. Außerdem sah Mokuba so geschockt aus, dass Seto es nicht über sich brachte, ihn jetzt alleine zu lassen.
 

"Komm her, otouto", wies er seinen Bruder daher sanft an und als dieser auf den Stuhl neben ihn rutschte, zog Seto ihn ohne Umschweife an sich. Und wie er beinahe erwartet hatte, klammerte Mokuba sich gleich an ihn und begann zu schluchzen. Der Junge war schon immer sensibel gewesen und ihn so traurig zu sehen schnitt Seto ins Herz. Und trotzdem, auch während er seinen eigenen Bruder tröstete, drehten seine Gedanken sich die ganze Zeit um seinen Stiefbruder. Wenn Mokuba der Tod eines Menschen, den er nicht einmal persönlich gekannt hatte, schon so nahe ging, wie musste Ryuuji sich dann erst fühlen mit dem Wissen, dass es sein eigener Vater war, den er nie wiedersehen würde?
 

"I-Ich sollte wohl besser mal nach Ryuuji sehen", murmelte Yukiko, die immer noch mit den Tränen kämpfte, doch ehe sie aufstehen und nach oben gehen konnte, erhob Gozaburo sich. "Ich erledige das", versicherte er ihr und drückte einen Kuss auf ihren Scheitel – eine Geste, die Yukiko unter Tränen lächeln ließ. "Isono, bitte kümmern Sie sich um die Reisevorbereitungen für Ryuuji", wies Gozaburo seinen Assistenten an und wartete noch kurz dessen Nicken ab, ehe er sich auf den Weg nach oben zum Zimmer seines Stiefsohnes machte. Er hatte zumindest eine ungefähre Ahnung, wie der Junge sich jetzt gerade fühlen musste.
 

Ein Klopfen an seiner Zimmertür unterbrach Ryuuji beim Packen seines Koffers. Einen Moment lang zögerte er, dann gab er sich seufzend geschlagen. Er würde seiner Mutter wohl kaum ewig aus dem Weg gehen können. "Come in, Mum", forderte er sie daher auf, staunte jedoch nicht schlecht, als nicht seine Mutter, sondern stattdessen sein Stiefvater sein Zimmer betrat.
 

"Isono lässt gerade meine Privatmaschine startbereit machen", wandte Gozaburo sich an seinen Stiefsohn und dieser blinzelte irritiert. "Das ist nicht nötig", wiegelte er ab. "Ich brauche einfach nur ein Ticket, dann …", fuhr er fort, doch Gozaburos erhobene Hand unterbrach ihn, ehe er weitersprechen konnte. "Selbstverständlich ist das nötig. Es geht hier immerhin um Familie", stellte Gozaburo klar. "Möchtest du, dass deine Mutter dich begleitet?", erkundigte er sich dann, doch zu seiner Überraschung schüttelte Ryuuji den Kopf.
 

"Nein. Es ist besser, wenn ich alleine fliege." Die Stimme des Jungen, stellte Gozaburo fest, klang viel zu ruhig, zu kühl, zu beherrscht für das, was er gerade erfahren hatte. In seinem Inneren musste ein wahrer Sturm toben – etwas, das Gozaburo von seinem ältesten Sohn nur zu gut kannte. Auch Seto verschloss sich immer dann, wenn ihm etwas ganz besonders nahe ging. Als seine Mutter gestorben war, hatte der Junge all seine Gefühle, seine Trauer und seinen Schmerz in sich vergraben, um sich um seinen kleinen Bruder kümmern zu können. Ryuuji, das war offensichtlich, wollte dasselbe für seine Mutter tun. Er wollte nicht zusammenbrechen und ihr Sorgen bereiten. Die Tatsache, dass sie sich, wenn sie ihn jetzt so sehen könnte, nur noch mehr Sorgen machen würde, bedachte der Junge dabei offenbar nicht.
 

"Sobald alles vorbereitet ist, bringen wir dich zum Flughafen", beschloss Gozaburo, doch Ryuuji schüttelte erneut den Kopf. "Ich würde lieber alleine fahren", erwiderte er, doch dieses Mal ließ Gozaburo nicht mit sich reden. "Denkst du wirklich, deine Mutter würde das zulassen? Glaubst du nicht, dass sie sich dann nur noch größere Sorgen deinetwegen machen würde?", fragte er und der sanfte Tonfall schaffte, was Strenge nicht geschafft hatte: Ryuuji gab sich geschlagen. Zittrig atmete er aus und nickte dann langsam. "Okay", erklärte er sich einverstanden und Gozaburo legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter, wie er es bei seinem ältesten Sohn auch immer tat, wenn dieser sich denn doch mal dabei helfen ließ, etwas durchzustehen, was er alleine einfach nicht bewältigen konnte.
 

"Wir sind eine Familie. Du solltest uns erlauben, gerade jetzt für dich da zu sein", murmelte Gozaburo, hielt dann jedoch inne. Er kannte seinen Stiefsohn bisher kaum, aber der Junge wirkte – gerade weil er sich so sehr bemühte, sich nicht anmerken zu lassen, wie es in ihm aussah – auf ihn unglaublich verloren und einsam. Kein Kind, dachte Gozaburo, sollte das erleben, was seine beiden Söhne und seinen Stiefsohn jetzt miteinander verband: den Tod eines Elternteils.
 

"Brauchst du noch Hilfe beim Packen?", bot Gozaburo daher in dem Versuch, dem Jungen noch etwas nonverbalen Trost zu spenden, an, doch dieses Mal schüttelte Ryuuji den Kopf und trat einen Schritt zurück, so dass die Hand seines Stiefvaters wieder von seiner Schulter rutschte. "Das schaffe ich schon. Ich wäre jetzt gerne etwas alleine", bat er leise und Gozaburo blickte ihm prüfend ins Gesicht, ehe er nickte. Ihm war durchaus klar, dass Ryuuji ihn nicht gut genug kannte, um seinen Gefühlen und vor allem seinen Tränen vor seinen Augen freien Lauf zu lassen. Aber er hoffte, dass der Junge nicht auch weiterhin alles in sich hineinfraß, denn das, das wusste er nur zu gut, war alles andere als gesund.
 

"Gut. Wenn alles bereit ist, werden wir dir Bescheid geben." Ryuuji gab keine Antwort auf diese Worte und nachdem Gozaburo ihm noch einmal knapp zugenickt hatte, war er auch endlich wieder alleine in seinem Zimmer. Ein abgrundtiefes Seufzen kam über seine Lippen, dann riss er sich wieder zusammen und machte sich daran, seinen Koffer endlich zu Ende zu packen. Solange er sich nur auf die Tätigkeit des Packens konzentrierte, musste er wenigstens nicht darüber nachdenken, warum er packte.
 

oOo
 

Als sein Vater zurück ins Esszimmer kam, löste Mokuba sich ein wenig von seinem Bruder und wischte sich hastig über die Augen. "Vater, wie geht es Ryuuji?", erkundigte er sich besorgt und Gozaburo verkniff sich mühsam ein Seufzen. "Nicht sehr gut", gab er ehrlich zu und strich seinem Jüngsten im Vorbeigehen sanft über die Haare, wie er es früher auch schon immer bei seinen beiden Söhnen getan hatte. "Er möchte aber jetzt im Moment alleine sein, also stört ihn bitte nicht", wandte er sich an die beiden Jungen und während Seto einfach nur stumm nickte, begann Mokuba wieder zu schniefen.
 

"Lass uns ins Wohnzimmer gehen, otouto", schlug Seto vor. An Frühstück war ohnehin nicht mehr zu denken. Außerdem sah Yukiko aus, als bräuchte sie ebenfalls Trost, also erhob Seto sich und sobald Mokuba es ihm gleichgetan hatte, schlang er einen Arm um die Schultern des Jüngeren und bugsierte ihn hinüber ins Wohnzimmer und dort auf die große, bequeme Couch. Kaum dass er Platz genommen hatte, schmiegte Mokuba sich gleich wieder an ihn und Seto strich ihm behutsam über die Haare, bis das Beben seiner Schultern langsam nachließ.
 

"Sollten wir … sollten wir nicht vielleicht doch raufgehen und … nach ihm sehen?", fragte Mokuba nach einer Weile, als er sich zumindest wieder so weit gefangen hatte, dass er nicht gleich wieder in Tränen ausbrach. Er schämte sich ganz furchtbar dafür, dass Seto die ganze Zeit hier bei ihm war und dass sie alle Ryuuji ganz alleine ließen. "Bestimmt ist er doch … ganz schrecklich traurig", mutmaßte er weiter und seine Augen weiteten sich, als sein großer Bruder den Kopf schüttelte.
 

"Du hast Vater doch gehört. Ryuuji möchte jetzt alleine sein." Was Seto nur zu gut verstehen konnte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sein Stiefbruder sich jetzt gerade fühlte, und für ihn war auch klar, dass Ryuuji sich sicher keinesfalls vor einem von ihnen eine Blöße geben und ebenso in Tränen ausbrechen wollte wie Mokuba es getan hatte. Aber das behielt er lieber für sich. Das waren Dinge, die sein kleiner Bruder einfach nicht verstehen konnte.
 

"Aber …", fing Mokuba an, doch Seto unterbrach ihn, ehe er weitersprechen konnte. "Wenn wir jetzt zu ihm gehen, machen wir es für ihn nur noch schwerer." Beileidsbekundungen waren ganz sicher das Letzte, was Ryuuji jetzt hören wollte. Das waren, wie Seto sehr wohl wusste, ohnehin nichts anderes als leere Worte und hohle Phrasen von Leuten, die nicht wirklich nachvollziehen konnten, was er im Augenblick empfand.
 

Auch wenn ich das sehr wohl nachvollziehen kann. Aber, sinnierte Seto, er selbst wäre wohl der letzte Mensch auf Erden, von dem Ryuuji Trost oder Hilfe annehmen würde. Und Mokuba würde es, auch wenn er es nur gut meinte, für Ryuuji wohl eher schlimmer als besser machen. Nein, es war wirklich besser, wenn sie hier unten blieben und warteten, bis Ryuuji sich irgendwann von selbst wieder zu ihnen gesellte – ganz egal, wie schwer ihnen das Warten auch fallen mochte. Immerhin ging es jetzt nicht um sie, sondern um Ryuuji.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war's fürs Erste auch wieder. Ich gehe jetzt weiterschreiben (und weiterheulen; mich lässt das Ganze nämlich auch absolut nicht kalt >.<) und schaue mal, wann ich euch das nächste Kapitel präsentieren kann.

Man liest sich!

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Von:  Soichiro
2019-12-19T14:51:33+00:00 19.12.2019 15:51
Du machst mich fertig ;_;
Ich hab mir ja schon vieles ausgemalt, aber das? Das natürlich nicht!
Du hast mich also eiskalt erwischt.
Mir blieb wirklich das Herz stehen als sie erfahren haben, wer das Frühstück stört.
Das ist wirklich um heulen!
Es ist ja nicht so als hätte es Ryuuji bisher leicht gehabt, aber das ändert wirklich alles.
Und ich hoffe er lässt wenigstens irgendjemand an sich heran, ganz egal wen. Das sollte er wirklich nicht allein durchstehen müssen!

Dass Yami sich so auf das Museum gefreut hat, fand ich schön!
Es ist gut, dass er so abgelenkt wird und Spaß hat :)
Bin auch gespannt wer von den Beiden nun Recht haben wird.

Und Yuugi war einfach nur zuckersüß <3
Der arme Kerl war wohl glatt etwas überfordert :D
Bin mal gespannt, was da noch so kommen wird!
Wobei es ja nur fair ist, wenn auch er sich etwas verknallt und nun mal am eigenen Leib sieht, wie es seinen Freunden geht xD

Freu mich schon sehr auf das nächste Kap, auch wenn ich befürchte, dass du mich wieder zum heulen bringen wirst!
Antwort von: Karma
19.12.2019 21:07
*dich in Taschentuchboxen begrab*
:D
Du wirst sie noch hin und wieder brauchen, glaub mir.
^^°
Ich bin ja schon ein paar Kapitel weiter und weiß, dass da noch einiges auf euch und die Jungs zukommt. Und einiges davon wirst du sicher nicht mögen, also halte die Taschentücher sicherheitshalber bereit.
;)

Ja, Yami macht mir auch viel Spaß. Genau wie Yuugi. Ein paar kleine Lichtblicke müssen ja in all dem Drama hin und wieder auch sein, nicht wahr?
Und es ist wirklich eine helle Freude, den verknallten Yuugi zu schreiben.
<3
Er ist so niedlich.
:)

Ich hoffe, du überstehst die nächsten Kapitel. Iiiiiiirgendwann wird's auch mal besser, aber in näherer Zukunft liegt auch noch eine Menge Drama vor den Jungs, fürchte ich.
^^°

Karma
Von:  night-blue-dragon
2019-12-15T16:39:11+00:00 15.12.2019 17:39
Hi... schönen 3.Advent,

ich war gleichermaßen erfreut wie überrascht, dass ein weiteres Kapitel da ist.

Beim letzten Kapitel hatte ich das dringende Bedürfnis Seto und Ryuuji zu packen und durchzuschütteln... diese beiden
Dickschädel. *seufz*
Ob das Schütteln allerdings etwas bringen würde, wage ich zu bezweifeln, wahrscheinlich würden sie das letzte bisschen
Verstand auch noch verlieren.
Auf das Gespräch bin ich auch gespannt, was ja nun auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Du lässt deine Charaktere wirklich nicht zur Ruhe kommen. Jetzt muss Ryuuji sich nicht nur mit seinen Gefühlen zu Seto herumschlagen, sondern auch noch den Verlust seines Vaters verkraften. Der arme Kerl... der einzige der ihn wirklich trösten könnte, war derjenige, den er gerade jetzt am liebsten gar nicht mehr sehen möchte.
Wenn ich mich recht erinnere hat der Tod von Ryuuji's Vater zur Folge, dass er nun bei seiner Mutter bleiben wird... kein halbjähriges Pendeln mehr zwischen Vater und Mutter.


Hat sich Yuugi etwa tatsächlich in ein Mädchen verliebt? *lach*
Sieht zumindest so aus.
Neugierig bin ich auch, wie der kleine 'Streit' zwischen Yami und Malik ausgeht. Wer wird mit seiner Übersetzung richtig liegen?
Yami oder doch Malik?
Oder keiner?
Oder beide?

Du machst es wirklich sehr spannend, egal um welches Pärchen es gerade geht.

Vielleicht beglückst du uns zum 4.Advent mit einem weiteren Kapitel. *zwinker*

In diesem Sinne wünsche ich dir eine schöne Adventszeit

glg night-blue-dragon
Antwort von: Karma
15.12.2019 17:50
Hi und dir auch einen schönen 3. Advent.
:)

Ja, den Drang, die beiden zu schütteln oder ihnen wahlweise auch ein paar Kopfnüsse zu verpassen, hab ich beim Schreiben auch ständig.
XD
Manchmal will ich sie aber auch einfach nur packen und durchknuddeln, einfach weil ich ihnen so verdammt viel zumute und sie so leiden müssen. Und ich weiß ja, dass es nicht besser wird. Zumindest im Moment noch nicht.
>__<
Ich bin so eine elende Dramaqueen, aber es geht hier halt auch nicht anders. Es gibt nicht viel, was bei der Story von Anfang an geplant war, aber James' Tod gehört - leider - eindeutig dazu.
Tja, und was die Pendelei betrifft ... das wird sich zeigen. Immerhin wird Ryuuji in dem halben Jahr, das er bei seiner Mutter verbringt, 18. Ob er dann wieder zurückfliegt oder nicht ... we'll see about that.
^^

Hach ja, Yuugi ... Mit dem hatte ich eigentlich auch was gaaaaanz anderes vor, aber irgendwie hat sich nach einigen Kommentaren und Gesprächen die Story doch anders entwickelt als gedacht. Und irgendwie gefällt mir diese Wendung so viel besser als das, was ich eigentlich vorhatte. Ich mag Rebecca. Und ich mag auch "meinen" Yuugi, also musste das kleine Wiesnäschen halt auch mal in die Schmetterlingsfarm geschubst werden.
*hrrhrrhrr*

Tja, Yami und Malik ... Wie's da weitergeht, weiß ich schon, aber ich verrate nichts.
*mir den Mund zukleb, um Spoiler zu verhindern*
Ich kann nur sagen, dass ich beim Schreiben der Parts mit den beiden absolut auf meine Kosten gekommen bin und sehr viel Spaß hatte. Aber etwas Ausgleich zu dem ganzen Drama muss ja auch sein. Reicht schon, dass ich beim Schreiben von Kapitel 27 selbst geheult hab wie ein Schlosshund.
;____________;
Ich bin zu nah am Wasser gebaut.
^^°

Was den 4. Advent und ein weiteres Kapitel betrifft: Ich hab heute gerade mal wieder ein bisschen Schreiblaune und kann etwas vorarbeiten, also sollte das eigentlich kein Problem sein - jedenfalls wenn mein Laptop mitspielt und nicht wie in den letzten Tagen zig mal abstürzt.
*ihn mit Keksen bestech, damit er brav bleibt*

Dir auch eine schöne Adventszeit und ich hoffe, du hast auch weiterhin deinen Spaß.
:)

Karma


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