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Wisteriabloosoms above golden scars

von

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So, hier ein Beitrag meinerseits für dieses Fandom.
 

Meine Story bezieht sich allerdings hauptsächlich auf die Serie (The Untamed), da mir diese von allen Ausführungen am meisten zugesagt hat.
 

Und da mich das Ende der Serie mit einer Ladung Feelings zurückließ, die ich irgendwie loswerden musste, hab ich diese kleine FF angefangen.
 

Feelings ist hier auch das Schlagwort, da es mir in erster Linie darum ging, die Gefühle von Wei WuXian und Lan WangJi aufzugreifen und hoffentlich angemessen wiederzugeben.
 


 

(Rechtschreib-und Grammatikfehler sind Teil meines Autorendaseins. Sorry ^^*)
 


 


 

***
 


 


 

Wei WuXian ließ seinen Blick über die von einem lebhaften Sommer zurückgelassenen, schläfrig wirkenden Hügel schweifen, während ihm ein verspielter Wind durch seine langen Haare strich, ein paar Strähnen fidel zum Tanzen brachte.
 

Er könnte sagen, dass er keine Ahnung hatte, wie lange es her gewesen war, dass er hier gestanden und ein altbekanntes Gefühl von Melancholie in sich verspürt hatte.
 

Er wusste es genau, wenn vielleicht auch nicht auf den Tag.
 

Ein Jahr und vier Monate.
 

Damals hatte er Lan WangJi gesagt, dass die Welt groß sei und er sie sich ansehen wolle.
 

Seine Reise ihm ein zu Hause ersetzen würde.
 

Die Welt war in der Tat groß, doch hatte er es nie wirklich lange an einem fremden Ort ausgehalten und war stets schon nach wenigen Tagen weitergezogen.
 

Er könnte sagen, dass es einfach an seinem unruhigen Charakter gelegen habe. Dass er nie gut darin war, lange still zu sitzen, da er diesen inneren Drang etwas tun, etwas erleben zu müssen nicht unterdrücken konnte.
 

Die Wahrheit war, er lief schlicht und einfach nur davon.
 

Etwas das normalerweise an seinem Stolz zerren würde, doch in diesem Falle, wusste er sich einfach keinen anderen Ausweg.
 

Der Leitspruch des Yunmeng Jiang Clans war „Mache das Unmögliche möglich“.
 

Ein Motto das er beinahe verkörperte.
 

Lan Zhan allerdings…
 

Lan Zhan war ein „Unmöglich“, dem er auch mit all seinem stürmischen Ehrgeiz und schamloser Unbefangenheit nicht gewachsen war.
 

Er hatte sich nie gescheut unbekanntes Terrain zu betreten. Gerade das machte schließlich auch den Nervenkitzel aus, dem er stets wie ein hungriger Tiger hinterher gejagt war.
 

Doch in diesem Fall wagte er es kaum einen Schritt zu tun, fürchtete er mit dem darauf gesetzten Gewicht etwas zu zerbrechen, das er nicht verlieren durfte.
 

Ein Jahr und vier Monate.
 

Seine Hand fand ihren Weg an seine Hüfte und er zog Chenqing aus seinen Gürtel. Ihr schwarzer Lack war an manchen Stellen schon etwas matt geworden. So oft hatte er sich mit dem Spielen darauf davon abzulenken versucht, was er nicht abschütteln konnte, egal wie weit er auch schon gelaufen war.
 

Kleiner Apfel gab ein kurzes iahen von sich, das nicht weniger so klang als würde er ihn wiederholt einen verbohrten Idioten schimpfen. Sie waren schon ein eigenwilliges Paar, doch war er froh, dass er wenigstens einen vertrauten Begleiter auf seiner Wanderschaft an seiner Seite gehabt hatte.
 

Er setzte sich Chenqing an die Lippen und ließ den Wind die Melodie wie ein farbenfrohes Blatt aufgreifen und mit sich tragen.
 

Ein Jahr und vier Monate.
 

Er hatte damals ebenso hier gestanden. Sein Herz schwer von diesem Abschied, der irgendwie unausweichlich schien, waren ihre Welten ein weiteres Stück auseinandergerückt, nun da WangJi zum Chef Kultivierer aller Clans geworden war.
 

An dessen Seite bleiben, hätte diesen Titel nur noch schwerer wiegen lassen und so hatte er beschlossen, das es Zeit war zu gehen und mit diesem Kapitel seines zweiten Lebens abzuschließen.
 

Lan Zhan hatte nicht versucht ihn davon abzubringen, sondern nur knapp und verstehend genickt, als er ihn über seinen Plan in Kenntnis setzte. Es gab keine wirklich deutbare Emotion dazu und es hatte ihn in einem Maße enttäuscht, das nur bekräftigte, dass er ebenso wieder seinen eigenen Weg gehen sollte.
 

Er nahm an, das Lan Zhan seine Reue hatte besänftigen können, die er über sein damaliges Ableben, wie eine Dornenranke um sein Gewissen mit sich getragen hatte. Für ihn gab es keinen Grund mehr ihn weiter bei sich halten zu wollen, hatten sie Meng Yao schließlich zur Strecke gebracht und dessen übles Spiel, das dieser fast über zwei Jahrzehnte gespielt hatte, aufgedeckt.
 

Selbst seinen Namen hatte er wieder etwas reinwaschen können, auch wenn es noch immer genug Leute gab die in ihm den gefürchteten oder ach so verhassten YiLing Patriarchen sahen.
 

Er war dankbar für die Handvoll Personen die ihn trotz allem nie verurteilten.
 

Es war mehr Glück als er glaubte verdient zu haben.
 

„Wei Ying.“
 

Ein Jahr und vier Monate.
 

Über diese Zeit war ihm der Klang dieser Stimme so oft durch seinen Kopf gegangen.
 

Wenn es ihm schlecht ging und er sich nach Geborgenheit sehnte.
 

Wenn er auf seiner Reise Orte oder einfach kleine Dinge entdeckte, die das Verlangen in ihm weckten es mit jemandem teilen zu wollen.
 

Wenn er zu betrunken war, da ihn die Einsamkeit nicht hatte schlafen lassen wollen.
 

Wenn ihn die Sehnsucht überkam.
 

Nach zu Hause.
 

Nach seinem früheren, unbeschwerten Leben.
 

Nach seiner Familie.
 

Nach…
 

Doch jetzt, wo er sie tatsächlich wieder hörte, wurde ihm klar, dass er stets nur ein Flüstern als Vergleich hatte aufrufen können.
 

Es ließ so viele Emotionen auf einmal darum ringen sich zeigen zu dürfen, dass er im ersten Moment nicht wagte sich tatsächlich umzudrehen.
 

Vielleicht hatte er es sich ja doch nur eingebildet?
 

Vielleicht war sein Hiersein nur ein Traum?
 

Nicht der erste der ihn an diesen Ort zurück gebracht hätte.
 

Der Wind tänzelte erneut in einer aufgeweckten Böe um ihn herum und brachte den weichen Geruch von Sandelholz und Herbst mit sich.
 

Er konnte nichts tun als seine Augen leicht feucht wurden und er sich schließlich umwandte.
 

Ein Jahr und vier Monate.
 

HanGuang-Jun. Der zweite junge Herr des Gusu Lan Clans. Lan WangJi. Lan Zhan.
 

Ein wehmütiges Lächeln zupfte an Wei WuXians Mundwinkeln.
 

Er hatte ihn so ergreifend innig vermisst.
 

Nun, wo er ihn wieder vor sich hatte, gab es kein Entrinnen mehr vor dieser Wahrheit.
 

Lan Zhan hatte schon immer eine majestätische Ausstrahlung besessen.
 

Niemals eitel oder arrogant, einfach eine Würde die ihn wie kostbare und doch schlicht erscheinende Seide umgab.
 

Ganz gleich in welcher Lebenslage, nie schien diese übersinnliche Aura zu verblassen.
 

Sie waren bei weiten keine Teenager mehr, aber schien es so als hätten die Jahre Lan WangJi beinahe unberührt gelassen. Er wirkte noch immer wie ein fein poliertes Stück reiner, weißer Jade.
 

Eine Unbeflecktheit die bei ihrem ersten Zusammentreffen den Übermut in ihm geweckt hatte, diesen aus seiner ebenso edlen und unerschütterlich erscheinenden Fassung bringen zu wollen.
 

Nie hätte er zu jener Zeit gedacht, dass sie irgendwann ein derart kräftiges Band der Freundschaft verbinden, sie in dem jeweils anderen einen lebenslangen Gefährten sehen würden.
 

„Lan Zhan.“ Er hörte, dass seine Stimme etwas zu wackelig klang über dieses unerwartete Wiedersehen, doch störte er sich nicht daran. Den trotzigen Stolz seiner Jugend hatte er in Bezug auf Lan WangJi schon längst abgelegt.
 

„Ich hörte dein Flötenspiel.“, erklärte dieser sein Erscheinen, und Wei WuXian lächelte darauf etwas unbefangener.
 

„Hast du etwa auf mich gewartet Lan Zhan?“, fand er schnell in ihr altes Miteinander zurück und konnte ein amüsiertes Lachen nicht verhindern, als Lan Zhan zwar nichts sagte aber seine Ohren ein wenig Farbe bekamen.
 

Dass es so erschreckend einfach war, wieder all diese Dinge für ihn zu empfinden, selbst nach all den Monaten die sie sich nicht gesehen hatten, brachte eine Ernüchterung mit sich, die er teils ergeben, teils mit einem beklemmenden Gefühl aufnahm.
 

„Komm mit mir in die Wolkenschlucht.“ Es mochte nach einer neutralen Aufforderung geklungen haben, deren Antwort darauf nicht weiter gewichtig schien, doch erkannte Wei WuXian den Unterschied und die ehrliche Bitte darin.
 

„Lade mich zuvor zum Essen und etwas gutem Wein ein und ich gehöre ganz dir, oh großer HanGuang-Jun.“, meinte er mit einem breiten Grinsen und einem Augenzwinkern, auf das sich Lan Zhan von ihm abwandte und er ein „Unverbesserlich.“ von ihm hörte. Allerdings ohne die dazugehörige kühle Empörung, sondern mit einem sanften Unterton versehen, den jener sich über ihr letztes gemeinsames Abenteuer aneignete und er erneut spürte, wie sehr der andere ihm gefehlt hatte.
 

Wei WuXian lächelte sanft und versteckte es auch nicht, als Lan Zhan sich ihm wieder zuwandte, ob er ihm auch tatsächlich folgte.
 

„Na los, kleiner Apfel.“, gab er seinem störrischen Esel-Kumpanen an, der auch ohne Widerstand lostrappte, wohl weil er immer noch wusste, dass es einige gute Leckerbissen für ihn in der Wolkenschlucht geben würde.
 


 

*
 


 

Zuerst hatte er gedacht, er habe sich das Flötenspiel nur eingebildet. Zu oft war er diesen Weg nun über die letzten Monate schon gegangen und hatte immer irgendwo gehofft es erneut zu hören.
 

Doch dieses Mal klang es klar und schwer, das es unweigerlich an seinem Herzen zog und er wusste, dass es keine Einbildung war.
 

Als er die Anhöhe erreicht hatte, und Wei WuXian dort stehen sah, seine Augen geschlossen und in sein Spiel vertieft, überkam ihn ein derart starkes Verlangen, das es ihn für einen Augenblick aus seiner sonst so geschulten Ruhe brachte und er beinahe wieder kehrt gemacht hätte.
 

Niemand sonst war im Stande ihn mit so wenig, so durcheinander zu bringen und er war froh, dass Wei Ying ihn noch nicht bemerkt hatte. War er sich sicher, dass er in diesem Fall seine aufgewühlten Emotionen nicht gänzlich hätte verbergen können.
 

Somit lauschte er noch etwas der Melodie.
 

Ihrem Lied.
 

Er hatte Wei Ying nur ein einziges Mal die Worte dazu hören lassen, doch schien dieser sie durch sein damaliges Fieber letztendlich wieder vergessen zu haben.
 

Zumindest hatte er nie wieder danach gefragt, etwas das, wenn es um Wei Yings Angewohnheit ging, ständig etwas zu suchen mit dem er ihn hätte necken können, annehmen ließ das er keine Erinnerung mehr daran besaß.
 

Was auch gut so war.
 

Denn er hätte den Text des Liedes nicht erklären können, ohne etwas Schwerwiegendes preiszugeben.
 

Den Grund, warum er es geschrieben hatte.
 

Zu jener Zeit hatte er nicht wirklich gewusst, wie er mit diesen seltsamen Gefühlen umgehen sollte, waren sie verwirrend eifrig in ihrer wachsenden Intensität.
 

Gleich einem jungen Wisteriaspross.
 

Etwas das er so nicht kannte und somit auch nicht wusste, wie er dagegen vorgehen konnte. Denn nichts schien dieses emotionale Chaos besänftigen zu können. Egal ob Wei Ying an seiner Seite war oder sich ihre Wege wieder getrennt hatten.
 

Es ließ ihn einfach nicht wieder allein.
 

Es war ein mühseliger Weg gewesen, um zu dieser einen, unumstößlichen Erkenntnis zu kommen, dass ihm Wei Ying mehr bedeutete als es akzeptabel war.
 

Nach dem Sieg über die XuanWu und der Rettung durch Jiang Cheng und Jin ZiXuan schien das Schicksal ihm jedoch immer größere Hürden in den Weg zu stellen, was ihre Beziehung anbelangte und er nur noch darum betete, dass wenigstens ihre Freundschaft am Leben bliebe, genau wie Wei Ying selbst.
 

Zu oft schien dieser über die folgenden Jahre in eine Distanz zu driften, die immer schwerer wurde zu überwinden.
 

Wei Ying war eine der wenigen Person in seinem Leben, für die er offene Tränen vergossen hatte, da er einfach nicht mehr wusste, wie er ihn zu sich zurückholen konnte.
 

Seine Verzweiflung hatte ihn sogar wünschen lassen ihn vor der Welt wegzuschließen, so wie es sein Vater mit ihrer Mutter getan hatte.
 

Das Wei Ying sich nicht einsperren, sich seine prächtigen, schwarzen Flügel nicht stutzen lassen würde, hatte ihn dennoch nicht davon abgehalten zu versuchen ihn überzeugen zu wollen, das er nur so noch eine Chance hatte zu überleben.
 

Und er spürte jedes Mal eine brennende Frustration in sich auflodern, wenn dieser es ablehnte.
 

Wenn dieser sich seinem egoistischen Wunsch, ihn nur für sich haben zu wollen, nicht beugen wollte.
 

Ihn sterben sehen zu müssen, war der Moment wo er wusste, dass er für niemand anderen mehr so tiefreichende Gefühle würde empfinden können und er nahm dies als seine Strafe an, sein Versprechen an dessen Seite zu sein, nicht in dem Masse eingehalten zu haben, wie es erforderlich gewesen wäre.
 

Genau wie die Peitschenhiebe die er mit erhobenen Haupt über sich hatte ergehen lassen, war der Grund sich gegen die anderen Clans, wie auch den seinen zu stellen, etwas das er nie bereut hatte.
 

Im Gegenteil.
 

Es war das Mindeste was er hatte tun können, um sich bei Wei Ying zu entschuldigen. Denn wenn er ihn schon nicht hatte retten können, dann wenigstens dieses eine unschuldige Leben, das die letzte Verbindung zu Wei Ying für ihn darstellte.
 

Er hatte so oft darüber nachgedacht, was dieser wohl sagen würde, wenn er A-Yuan wiedersehen könnte.
 

Ob er ebenso stolz auf diesen wäre, wie er es war, auch wenn er es nie so unverblümt zeigen konnte, wie es Wei Ying wohl getan hätte.
 

Ihn nun wieder vor sich zu haben und diese überschwängliche Zuneigung zu empfinden war nichts, dass seine Souveränität noch ins Wanken brachte.
 

Auch nicht das dieser Spross in seinem Herzen immer ein weiteres Stück gewachsen zu sein schien, wenn sie sich nach längerer Zeit wiederbegegneten und sich nur noch mehr Blätter entfalteten die nach diesem unerreichbaren Licht hungerten, das Wei Ying für ihn geworden war.
 

Mit dem Wissen, das er seine Gefühle dennoch unter Verschluss halten sollte, wollte er den anderen nicht gänzlich von sich wegtreiben, hatte er gelernt umzugehen.
 

Auch wenn diese Entscheidung ein endlos Mantra der Selbstbeherrschung bedeutete.
 

„Wei Ying.“, rutschte es ihm trotz allem etwas zu sentimental klingend über die Lippen und das Flötenspiel verstummte darauf abrupt.
 

Wei Ying drehte sich nicht sofort zu ihm herum, schien er wohl ebenso etwas überrascht, dass er ihn hier aufgespürt hatte.
 

Doch als er es dann tat und er diesen sanften, wenn auch wehmütigen Ausdruck in dessen Gesicht erkennen konnte, dieses unverkennbare Lächeln, das in ihm den Wunsch weckte es mit seinen Fingerspitzen nachziehen zu wollen, war es schwer ihm nicht doch einfach in eine Umarmung zu ziehen, die zeigen würde, wie sehr er ihn vermisst hatte und sich auch nie etwas daran ändern würde, sobald sich ihre Wege erneut trennten.
 

Doch verdrängte er den Gedanken eines weiteren Abschiedes vorerst wieder und die Voraussicht auf diese altbekannte Einsamkeit.
 

Wei Ying half ihm dabei aus, indem er es nicht lassen konnte ihn damit aufzuziehen, das er wohl all die Zeit hier auf ihn gewartet habe.
 

Er würde auf ewig auf ihn warten. Nur sagte er dies nicht.
 

Stattdessen bat er ihn mit ihm in die Wolkenschlucht zu kommen, in der innigen Hoffnung das dieser zustimmen würde.
 

Zu seiner Erleichterung tat er es auch, mit einer seiner üblichen Sticheleien, das er nichts gegen das leichte Lächeln tun konnte, das er allerdings vor Wei Ying versteckt hielt, indem er sich zum Vorangehen umwandte und einen üblichen Tadel aussprach. Dennoch musste er sicher gehen, ob dieser auch tatsächlich seiner Aufforderung nachkam, was ihn einen erneuten Blick über seine Schulter werfen ließ.
 

Es war ein sehnsuchtsvolles Seufzen das auf seinen Lippen lag, als er Wei Yings warmes Lächeln einfangen konnte, doch schluckte er es vehement wieder herunter und schritt weiter voran.

Als sie das Tor, das als Eingang zur Residenz führte, erreichten, begegneten die beiden Wachposten WangJi augenblicklich mit einer tiefen, respektvollen Begrüßung.

 

Man ließ sich Kleinen Apfel von diesem übergeben, mit der Anweisung sich Best möglichst um ihn zu kümmern, bevor sie sich die Treppe weiter hinaufbegaben.

 

Lan Zhan hatte ihm auf dem Weg hierher erzählt, das sein Bruder sich in Isolation begeben habe, gab er sich einen großen Teil der Schuld daran, wieviel Unheil unter Jin GuangYaos Einfluss geschehen war und das er diesem so blind vertraut hatte.

 

Wei Ying konnte Lan Huans emotionales Tief verstehen.

 

Selbst hatte er diesen nie für seine loyale Einstellung zu seinem geschworenen Bruder verurteilt.

 

Er hatte schlicht daran geglaubt, dass Jin GuangYao trotz all der Ungerechtigkeiten, welche er hatte erdulden müssen, ein guter Mensch geblieben war.

 

Wei Ying hoffte nur, das Lan Huan nicht in Bitterkeit versinken würde und damit auch die Kraft anderen zu vertrauen. Menschen wie er waren eh schon so selten und doch so notwendig für eine bessere Welt.

 

Erneut überkam ihn eine Welle der Dankbarkeit für Lan Zhan.

 

Dieser hatte ihn nie aufgegeben. Ihn regelrecht wieder eingesammelt, als er zurück in diese Welt gekommen war und nicht wusste, wohin ihn sein Weg nun führen sollte.

 

Ohne Lan Zhan wäre ihm ein zweites, freies Leben nicht möglich gewesen, war er der einzige der felsenfest zu ihm gehalten und ihn genauso unnachgiebig verteidigt hatte.

 

Abgesehen von Wen Ning, der ihm allerdings wie ein verlorener Welpe folgte und mehr seinen Herren in ihm sah, auch wenn er ihm oft genug versichert hatte, das sie Freunde waren und nicht Herr und Hund.

 

Sie schritten die steinernen Stufen schweigend hinauf und Wei Ying spürte die neugierigen Blicke der beiden Wachen noch in seinem Rücken.

 

Doch machte er sich nichts daraus. Er war es gewöhnt und es auch nicht verwunderlich, das man sich sicherlich fragte, was er wieder hier verloren habe.

 

Nun wo Lan Zhan Chef Kultivierer, wie auch vorübergehendes Oberhaupt des Lan Clans war.

 

Allein die Vorstellung, was dies alles an Arbeit bedeutete, ließ Wei Ying die Nase rümpfen, gefolgt von einem kritischen Blick auf den Mann vor ihm.

 

Dessen weites Gewand ließ nicht zu, zu erkennen, ob dieser schmaler geworden war, da er womöglich kaum noch Zeit fand vernünftig zu essen.

 

Es war auch schwer zu sagen, ob dieser ausreichend schlief, zeigte dessen Gesicht schon früher nie wirklich, ob es diesem nicht gut ging.

 

„Lan Zhan.“ Er hätte ihn auch einfach fragen können, wie es ihm ginge, doch wollte er sich selbst davon überzeugen, das alles in Ordnung war und griff somit nach dessen Handgelenk.

 

Die spirituelle Energie die er daraufhin wahrnehmen konnte, strömte hell und intensiv durch dessen Körper, gespeißt von einem goldenen Kern dessen Kraft über die letzten Monate merklich zugenommen hatte.

 

Lan Zhan war eben einfach jemand der mit seinen Aufgaben, mit der auf ihm liegenden Verantwortung, zu wachsen wusste.

 

Er immer das Beste von sich selbst abverlangte.

 

Wei Ying hatte die Wärme, die er von dessen Qi einfangen konnte ebenso vermisst.

 

Das letzte Mal als er sie zu spüren bekam, war nach der Flucht aus Jinlin Tai als Jin Ling ihm diese unschöne Stichwunde zugefügt hatte.

 

Lan Zhans Qi verschaffte ihm ein wohliges Gefühl von Geborgenheit und zu Hause, das es ihn versonnen lächeln ließ.

 

„Wei Ying?“ Lan Zhans Stimme klang etwas irritiert, was ihn seine Augen wieder öffnen ließ, die er über das Konzentrieren geschlossen hatte.

 

Lan Zhans Gesichtsausdruck wirkte ungewohnt. Unsicher?

 

Er folgte dessen Blick, der auf seine Hand gerichtet war und Wei Ying erst jetzt bemerkte, dass er diesen nicht einfach nur festhielt, sondern unbewusst mit seinem Daumen immer wieder sanft über dessen Pulspunkt strich.

 

Es erschien peinlich intim und er zog seine Hand so schnell zurück, das er ebenso ein Schritt nach hinten tun wollte, die Stufe, auf der er stand, jedoch nicht breit genug war und sein Fuß ins leere trat. Er strauchelte einen gefährlichen Augenblick, als es Lan Zhans Hand war die nun nach der seinen Griff und ihm half die nötige Balance wieder zu bekommen.

 

Wei Ying grinste albern spitzbübisch über seinen wortwörtlichen Fehltritt.

 

„Danke, Lan Zhan. Du bist und bleibst mein ewiger Held.“, neckte er ihn, auch um von der vorangegangenen Situation abzulenken.

 

Zu seiner Freude wurden Lan Zhans Ohrenspitzen erneut rot und nachdem dieser sicher war, dass er fest auf beiden Füssen stand, ließ er ihn wieder los.

 

„Sei Vorsichtig.“, wies dieser ihn noch an und zusammen erklommen sie den restlichen Weg.

 

 

 

Es hatte sich nicht viel verändert, aber Wei Ying war schließlich auch nur ein gutes Jahr nicht mehr hier gewesen und er wusste ebenso, dass die Ältesten des Gusu-Lan Clans nicht viel von unnötigen Veränderungen hielten.

 

Er ließ seinen Blick weiter über die eleganten Gebäude, akkurat angelegten Wege und schnörkellosen Gartenanlagen wandern, die die eine oder andere Erinnerung in ihm weckten.

 

Er war gerade dabei eine dieser Erinnerung mit Lan Zhan aufrollen zu wollen, als dieser von einem Lan Mitglied angehalten wurde und man ihm mitteilte, dass es wichtige Neuigkeiten gäbe.

 

„ZeWu-Jun ist aus der Isolation zurückgekehrt und wünscht sie zu sehen.“ Lan Zhans Gesichtszüge zeigten einen flüchtigen Mix aus Erleichterung und Überraschung.

 

„Ich werde mich zu ihm begeben.“, ließ er den Überbringer wissen, der sich daraufhin wieder zurückzog.

 

„Wei Ying…“ Er hob kurzum eine beschwichtigende Hand und lächelte seinen alten Freund verstehend an.

 

„Geh zu ihm. Ich kann mich schon beschäftigen, solange du weg bist.“ Damit zwinkerte er ihm zu, doch schien Lan Zhan noch immer darauf aus sich bei ihm entschuldigen zu wollen, sah er es diesem regelrecht an, als er dann auch schon seinen Mund ein weiteres Mal öffnete.

 

„Du brauchst kein schlechtes Gewissen wegen mir zu haben.“ Er legte Lan Zhan beide Hände auf die Schultern und drehte ihn in die Richtung in die dieser gedacht hatte zu gehen, um zu seinem Bruder zu gelangen.

 

„Na los. Er wartet auf dich.“, gab er ihm noch mit einem leichten Nachvorneschieben an.

 

Lan Zhan griff darauf nach einer Hand, die noch immer auf seinen Schultern lag, drehte sich jedoch nicht wieder zu ihm um.

 

„Du wirst immer noch hier sein, wenn ich zurückkomme?“, fragte dieser unerwartet und mit so etwas wie Unsicherheit in seinen Worten.

 

Wei Ying musste unwillkürlich darüber schmunzeln.

 

„Keine Sorge eure Exzellenz. Ich werde nicht einfach wieder verschwinden. Versprochen.“ Lan Zhan nickte vertrauend.

 

„Gut.“ Dann war er auch schon auf dem Weg.

 

Wei Ying schaute sich weiter um und atmete die klare, kühle Luft des Berges tief ein, bevor er sich ebenso wieder in Bewegung setzte.

 

Er würde Lan Zhans Räumlichkeiten nicht unerlaubt betreten, also lief er einfach etwas herum, begleitet von dem ein oder anderen interessierten Blick, wenn man ihn sah oder an ihm vorbei kam.

 

Er grüßte stets mit einem seichten Lächeln und leichtem Kopfsenken. Er hatte keinen steifen Respekt zu zollen und erwartete es auch nicht ihm gegenüber.

 

Seine Schritte führten ihn zu einem weitläufigen Platz, wo er eine Ansammlung erkennen konnte, der er sich kurzum näherte.

 

Es war ein bunter Haufen junger Studenten.

 

Gerade mal über ein Jahr war vergangen und doch hatte er das Gefühl, das weitaus mehr Zeit verstrichen war, wenn er sie sich so betrachtete.

 

„Was nun? Oder gebt ihr alle schon auf?“, vernahm er die überheblich anmutende Stimme von Jin Ling, auf das einige der anderen abwinkten und sich zurückzogen.

 

Ein trotziges Schnalzen war von seinem Neffen zu hören, von dem er nun auch erkennen konnte, dass dieser einen Bogen in einer Hand hielt. Wei Yings Blick fiel auf die Zielscheiben des Übungsplatzes in denen einige Pfeile steckten.

 

„Niemand ist dir im Bogenschießen gewachsen.“, meinte jemand was Jin Ling ein frustriertes Gesicht ziehen ließ.

 

„Wie können sie besser werden, wenn sie es nicht weiter versuchen?“

 

„Sie vertrauen eben mehr auf ihre Schwertkünste. Sei doch stolz das du keine Konkurrenz hast.“ Damit klopfte man Jin Ling auf die Schulter und ließ ihn für sich.

 

Wei Ying blieb noch einen unschlüssigen Moment stehen, bevor er zu Jin Ling aufschloss.

 

Er wusste aus Erfahrung wie frustrierend es sein konnte, keinen ebenbürtigen Trainingspartner zu haben.

 

Wenn man sich an niemanden mehr messen konnte, blieb auch der eigene Fortschritt unerkannt.

 

„Ich stelle mich der Herausforderung junger Herr Jin.“, machte er auf sich aufmerksam, was Jin Ling derart schnell zu ihm herumwirbeln ließ, dass es ihm etwas das Gleichgewicht nahm.

 

Dann starrten ihn zwei ungläubige Augen entgegen, kombiniert mit einem offenstehenden Mund.

 

„Du…?“

 

„Kein Interesse? Oder hast du Angst, dass ich dir die Schau stehlen könnte.“, stichelte Wei Ying seinen Neffen, der ruckartig wieder in seine selbstsichere Positur zurückfand und ihm einem trotzigen Seitenblick zukommen ließ.

 

„Große Worte für einen Herumtreiber.“, murrte Jin Ling und Wei Ying erkannte sofort Jiang Cheng darin wieder, auf das er ein erheitertes Kopfschütteln zeigte.

 

Dann hielt man ihm auch schon einen Bogen vor. „Onkel erzählte, dass du angeblich der Beste im Clan gewesen wärst.“ Jin Ling drückte ihm den Bogen etwas nachdrücklicher vor die Brust. „Waren das nur Märchen?“

 

Gott, der Junge hatte wirklich das Ego seines Vaters.

 

Aber gut. Sollte Jin Ling sein kleines Kräftemessen bekommen.

 

„Gut möglich.“, erwiderte er mit einem Grinsen, auch weil es ihm ein sentimentales Gefühl einbrachte, dachte er daran, das Jiang Cheng Jin Ling tatsächlich auch ein paar positive Dinge zu ihm erzählt haben musste.

 

„Ich weiß, dass du gut bist, also lass es uns ein wenig interessanter gestalten.“ Wei Ying hatte seinen Neffen schon mit dem Bogen umgehen sehen, das er ebenso verstand, dass das simple Zielen auf ein unbewegliches Ziel ihn nicht ansatzweise herausforderte.

 

Wei Ying zog ein paar Talismane aus der Innenseite seines Gewandes und mit einigen Fingerstrichen über diese, ließ er sie sich in Papierdrachen wandeln die denen gleich kamen, mit welchen er und Jiang Cheng früher trainiert hatten.

 

Sie brauchten keinen Wind, sondern schwebten von selbst nach oben und zogen aufgeweckte Kreise und Bahnen, das es für einen weniger geschickten Schützen schwer wäre diese tatsächlich zu treffen.

 

Jin Ling zeigte sich wenig beeindruckt oder in seinem Selbstbewusstsein angekratzt.

 

Sicherlich hatte er mit Jiang Cheng schon in dieser Art trainiert.

 

Wei Ying hatte ein wenig von dessen Stil in dem von Jin Ling wiedererkannt.

 

Er ließ seinem Neffen den Vortritt, welcher auch ohne große Probleme das erste, wie auch das zweite Ziel erwischte.

 

Er hatte deutlich an seinen Fähigkeiten gearbeitet und Wei Ying war wirklich stolz auf ihn.

 

Der Gedanke, dass er gern auch etwas zu dessen Erziehung beigetragen hätte, war nicht neu, nur hatte er schon länger nicht mehr daran gedacht, da er ihn nicht noch einmal wiedersah nach der Sache im Guanyin Tempel.

 

Wei Ying unterhielt ihn, indem er ebenso seine Ziele traf.

 

Es war ebenso lange her, dass er mit einem Bogen geschossen hatte, doch fühlte es sich an, als wäre es erst gestern gewesen.

 

Es war ein Talent, um das ihn stets viele beneidet hatten.

 

„In Ordnung, dann lass uns zu Phase zwei übergehen.“, grinste er seinen Neffen an, der ihn auf diesen Kommentar etwas schief ansah und Wei Ying kurz mit den Fingern schnippte.

 

Die Papierdrachen zuckten einen Moment in der Luft an Ort und Stelle, bevor sie sich ein wenig wandelten und nun wie die großen Insekten aussahen die ihr Papier geziert hatte.

 

Dann gingen diese zum Angriff über, dass es Jin Ling kurz seine Augen weiten ließ, er dann aber sofort in Aktion ging, als der erste riesige Schwärmer auf ihn zuhielt.

 

Es war etwas vollkommen anderes seine Fähigkeiten effizient einsetzen zu können, wenn das Ziel einen verfolgte und ebenso den gemachten Angriffen ausweichen konnte.

 

Dennoch ließ sich Jin Ling nicht zu sehr aus dem Konzept bringen, auch wenn manche Bewegungen etwas ungeschickt waren. Oder er nicht schnell genug, um den nächsten Pfeil zu ziehen und er somit nur selbst ausweichen konnte, indem er sich abduckte, oder hinter etwas versteckte.

 

Zu Wei Yings Begeisterung, war Jin Ling nicht einfach mehr darauf aus kopflos sein Ziel zu erwischen, sondern zeigte nach einigen Fehlversuchen nun etwas Nachdenken, wie er diese geschickter zur Strecke bringen konnte.

 

Und als er es dann getan hatte, zeigte dieser ein triumphierendes Strahlen in seine Richtung, dass Wei Ying das Kind zeigte, das er nie hatte aufwachsen sehen können.

 

Er erwiderte es mit seinem eigenen stolzen Lächeln.

 

Jin Ling würde ein formidabler Anführer für seinen Clan werden, da hegte er keinen Zweifel dran.

 

Er war grade dabei sich für seine Runde in Position zu begeben, als ihn ein erfreutes und lautes „Wei Qiánbèi!“, zu Ohren kam und er sich kurz darauf mit einem überschwänglichen Wirbelwind aus weißem Stoff und schwarzen Haaren konfrontiert sah, der ihn so fest und herzlich umarmte, das er zugetan auflachte.

 

„Lan Yuan. Willst du deinen Qiánbèi zerquetschen?“ SiZhui schüttelte leicht den Kopf, ließ ihn aber dennoch nicht los, auf das er dessen Umarmung nicht weniger warm erwiderte.

 

Es tat gut solch eine innige und ehrliche Zuneigung zugeteilt zu bekommen.

 

Er hatte A-Yuan ebenso vermisst.

 

„Wie geht es dir?“, wisperte er in dessen Haarschopf und etwas lenkte darauf seinen Blick nach vorn, wo er Jin Ling stehen sah, der sie mit einem Blick bedachte der Wei Ying etwas merkwürdig erschien.

 

Dann grinste er seinen Neffen erneut breit an.

 

„Jin Ling, du siehst aus als würdest du auch eine Umarmung von deinem Onkel wollen.“, meinte er, auf das die erwartete, trotzige Reaktion auch nicht aus blieb.

 

„So weit kommt es sicher nicht!“, motzte dieser mit einem hochgezogenen Kinn und vor der Brust verschränkten Armen.

 

„Dann möchtest du lieber eine Umarmung von SiZhui?“ Es sollte ein Spaß sein, doch wurden Jin Lings Wangen schlagartig rot und seine Augen weiteten sich in Empörung und Verlegenheit, bevor er sich abwandte und zu den Zielscheiben stapfte, um die dort befindlichen Pfeile herauszuziehen.

 

´Hoh, das war interessant. `

 

Es würde sich womöglich lohnen ein Auge darauf zu haben, dachte Wei Ying so für sich und strich A-Yuan noch einmal leicht über die Haare, bevor er diesen sanft von sich schob, um ihn sich ansehen zu können.

 

„Also, wie ist es dir die letzten Monate ergangen?“

 

 

 

Wei Ying verfolge SiZhuis Plappern fröhlich, während sie sich zu dritt zu einem Projektplatz begaben, der relativ neu angelegt worden war.

 

Der Gusu Lan Clan legte Wert darauf seinen Studenten auch die Natur ans Herz zu legen, indem sie sie damit arbeiten ließ. Körperliche Ertüchtigung mochte für einen gut trainierten Kultivierer nicht unbedingt von Nöten sein, doch schaden konnte etwas physische Anstrengung genau so wenig.

 

Wei Ying fragte sich, um was für ein Projekt genau es sich wohl handelte, hatte sich SiZhui recht wage dazu geäußert und ihn öfter mit einem Lächeln darüber angesehen, als würde er dies absichtlich tun.

 

Als sie ihr Ziel schließlich erreicht hatten, klappte Wei Ying dann doch etwas der Mund auf.

 

SiZhui strahlte zufrieden über seine Reaktion und selbst Jin Ling schien sich ein Schmunzeln darüber nicht verkneifen zu können.

 

Vor ihnen breitete sich ein kleiner See aus, dessen Oberfläche an edel bestickten, weiß goldenen Stoff erinnerte, schimmerte das Sonnenlicht zwischen Lotosblüten aus roten Jaspis und grünem Jade Blattwerk, wie das prunkvolle Gewand einer göttlichen Erscheinung.

 

Es diesen Anblick für ihre Welt, ein stückweit entfremdete, in ihrer zauberhaften Schönheit.

 

„Wie ist das möglich? Es ist nicht die Zeit für die Lotusblüte.“, murmelte er und trat näher an das Gewässer heran.

 

Er kniete sich hin und streckte eine Hand ins Wasser, welches unerwartet warm war. Vorsichtig griff er nach einer der ungewöhnlich, tiefroten Blüten die er erreichen konnte und welche in ihrer Farbe der Quaste an Chenqing gleich kamen.

 

Kaum das er sie aufgenommen hatte falteten sich ihre Blütenblätter weiter auf und legten einen goldschimmernden Blütenstand frei.

 

Nun vernahm er auch einen intensiven, schweren Duft der zuerst etwas überwältigend war, dann aber weicher und überaus angenehm wurde.

 

Etwas wehmütig dachte er an seine Shī jiě und das ihr dieser See mit seinem prächtigen Lotus sicherlich gefallen hätte.

 

Wei Ying schaute automatsch zu Jin Ling, den er dabei beobachten konnte, wie dieser SiZhui versteckte Blicke zuwarf, dieser sich der Aufmerksamkeit jedoch nicht bewusst wurde, hatte er sich neben ihn gehockt, um zu erzählen, das dieser Lotus einzigartig wäre und exakt für die Bedingungen in der Wolkenschlucht gezüchtet worden war.

 

Als Jin Ling merkte, dass er ihn ertappt hatte, schaute dieser ruckartig zurück auf das Wasser, was das Ganze nur noch offensichtlicher erscheinen ließ.

 

„Wer kam auf die Idee, gerade in der Wolkenschlucht solch einen See anzulegen?“ Es erschien wirklich nicht gerade ideal für diese Pflanze, die vielmehr nach Yunmeng gehörte.

 

„HanGuang-Jun hat ihn anlegen lassen“ Darauf schaute ihn SiZhui wieder mit diesem Lächeln an, das irgendwie wirkte, als hätte es ein verstecktes Extra, das er allerdings nicht zu deuten im Stande war.

 

„Ist es nicht wunderschön Wei Qiánbèi?“

 

Lautes Stimmengewirr war mit einem Male zu vernehmen, das sich wie eine energische Auseinandersetzung anhörte und SiZhui, wie auch Jin Ling in die Richtung blicken ließ aus der es zu kommen schien.

 

Wei Ying folgte den beiden gemächlich und fand sich kurz darauf vor einer weiteren freien Fläche vor.

 

Das Erdreich war zum Teil ausgehoben und in der schon befindlichen Grube stand eine Gruppe von der sich zwei, recht hitzköpfig mit ihren Worten an den jeweils anderen zeigten.

 

Wei Ying legte seinen Kopf etwas schief, kamen ihm die Gesichter doch irgendwie bekannt vor.

 

Dann war auch schon SiZhui zur Stelle und stellte sich zwischen die beiden Streithähne. Jin Ling an dessen Fersen, als wäre er sein Bodyguard.

 

„JingYi. Jin Chan. Was ist der Grund für diesen Streit?“, fragte SiZhui daraufhin mit ruhigem Ton, was die beiden Angesprochenen verdrossen zischen ließ.

 

„Er soll arbeiten wie wir anderen auch. Stattdessen tut er nur so und lässt seine Leute für ihn graben. Wie arrogant kann man sein!?“ An Lan JingYi´s Temperament hatte sich nicht viel geändert, wie es aussah und es ließ Wei Ying mit einem Gefühl der Verbundenheit zurück, war er selbst auch nie gut darin gewesen seinen Frust zu kaschieren oder wegen anderer herunterzuschlucken, nur um keine Konfrontation einzugehen.

 

Sein Gegenüber war der junge Kerl der damals Jin Ling im Garten des Koi Tower provoziert hatte, und der nun einen abfälligen Blick auf JingYi warf.

 

„Ich habe schon Blasen an den Händen von all dem Gegrabe.“ Darauf zeigte er seine Handflächen, um sein Gejammer auch zu unterstreichen, was JingYi nur mit den Augen rollen ließ, das einem „verweichlichter Schnösel“ gleich kam.

 

„Ich bin nicht hier her gekommen, um im Dreck zu wühlen! Ich will etwas lernen, das mir auch was bringt. Nicht…“ Jin Chan wedelte nun mit einer Hand über die Fläche um sie herum. „…nicht dafür! Warum soll ich mich abmühen nur, weil HanGuang-Jun dieser unwürdigen Person nachschm…“ Jin Chans Gemecker verstummte abrupt, in Tandem mit einem derben Tritt von Jin Ling auf dessen rechten Fuß. Wei Ying stellte mit gemischten Gefühlen fest, das SiZhui sich wohl Lan Zhans Schweigezauber angeeignet hatte.

 

Etwas das ihm den Spaß in Zukunft aus so mancher Sache nehmen würde können.

 

Es war schon ausbremsend genug, dass er einen Lan mit dieser Fähigkeit kannte.

 

Lan Zhan hatte wirklich einen Musterschüler in SiZhui gefunden.

 

Jin Chans Kopf lief nun gefährlich rot an, vor Zorn und sicherlich auch vor Schmerz, den er nicht verbal ausdrücken konnte, außer aufgebracht zu murren.

 

Dann brach das Chaos los.

 

Jin Chan stieß Jin Ling grob nach hinten, was diesen ins Taumeln brachte. Mit einer Hand griff Jin Chan nach SiZhuis Gewand, welche allerdings von Jin Ling noch rechtzeitig gestoppt wurde, indem er diese mit der Hülle seines ungezogenen Schwertes abwehrte.

 

Dieser Angriff ließ nun JingYi Jin Chan nach hinten schuppsen und schon war die Rauferei in vollem Gange.

 

Wei Ying schaute dem Ganzen noch einen Moment amüsiert zu, bevor er, als der verantwortungsbewusste Erwachsene der er war, mit einem seiner kleinen Tricks die Raufbolde, einen nach dem anderen, mit seinem Fesselzauber zu verschnüren wusste, dass diese sich nicht mehr weiter bewegen konnten.

 

Ein irritiertes Raunen ging durch die Menge, als er sich dann auch schon mit einem erhabenen Schmunzeln am Rande der Grube zeigte, was ihm mehrerer überraschte Blicke einbrachte, von denen der ein oder andere auch etwas eingeschüchtert ,oder im Falle von Jin Chan, etwas leicht Abfälliges zeigte.

 

„Was soll das?!“, moserte dieser, nun seiner Stimme wieder mächtig und zappelte unbeholfen gegen die Fesseln an, was ihn die Balance verlieren ließ und er unsanft auf seinem Hintern endete.

 

Die anderen schauten weiterhin auf ihn, als wäre er eine Geisterscheinung.

 

„Wisst ihr, HanGuang-Jun war der Erste an dem ich diesen Zauber ausprobiert habe.“, erzählte er sinnierend und drehte dabei Chenqing verspielt zwischen seinen Fingern.

 

„Was für einen Grund soll es bitte gegeben haben, HanGuang- Jun fesseln zu müssen?“, fragte Lan JingYi aufbrausend, als glaube er ihm kein Wort.

 

„Er wollte einfach nicht inne halten. Egal wie sehr ich ihn auch bettelte, das wir eine Pause einlegen sollten.“, erklärte er mit einem leichten Schmollen in seinem Ton. „Lan Zhans Ausdauer ist erschreckend und er so unnachgiebig. Ich glaube allerdings er wollte einfach nur seine Dominanz durchsetzen. Er mochte es damals schon mich auf meinen Knien zu sehen.“

 

Wei Ying schmunzelte nun etwas nostalgisch. „Er war ebenso nicht angetan von diesem Trick.“ Er schaute wieder auf die Gruppe Studenten, die ihn größtenteils fassungslos und merkwürdigerweise mit hochrotem Kopf ansahen. Manche hatten ihre Blicke gesenkt und er fragte sich, was es mit diesem seltsamen Benehmen auf sich habe.

 

„Wei Ying.“ Ein altbekanntes, wohliges Kribbeln durchzog seinen Körper, als er seinen Namen in diesem sanften Ton hörte und er sich Lan Zhan mit einem Lächeln zuwandte, das er nicht unterdrücken konnte.

 

„HanGuang-Jun.“ Dieser schaute ihn einen Moment schlicht an, bevor er an ihm vorbei blickte.

 

„Was ist vorgefallen?“, erkundigte er sich beim Anblick der verschnürten und verdreckten Studenten.

 

„Oh, nichts weiter. Nur eine kleine Demonstration meiner Künste, da man mich so nett darum gebeten hatte.“, flunkerte er, um den Jungs die Strafe für unziemliches Verhalten zu ersparen. Er selbst fand, dass eine gute Rauferei durchaus auch ihren pädagogischen Wert haben konnte.

 

„Und ich erzählte ihnen von….“

 

„NICHT!“, hallte es in Unisono von den Jugendlichen zu ihnen herüber, die abermals peinlich berührt erschienen, was ihn verwirrt eine Augenbraue heben ließ.

 

Es sah so aus als hätte man seine Geschichte wohl nicht wirklich unterhaltsam gefunden, dabei dachte er gerade, das solche kleinen Anekdoten über den jungen HanGuang-Jun interessierte Zuhörer finden würde.

 

Nun fühlte er sich tatsächlich wie ein alter Mann.

 

Mit einem Fingerschnippen löste er die Fesseln wieder und es war SiZhui der als erstes auf sie zukam. Mit einem kurzen Räuspern und noch immer leicht roten Wangen und Ohren, begrüßte er Lan Zhan, dem sich die anderen anschlossen, ohne direkten Blickkontakt zu halten.

 

Hatte dieser den Nachwuchs etwa schon derart eingeschüchtert mit seiner unzugänglich erscheinenden Art?

 

Dieser wies die Studenten nun an, sich zu säubern und zu ihrer nächsten Stunde zu begeben, dem man auch ohne Zögern Folge leistete.

 

Jin Ling kam ebenso an ihnen vorbei, auf das dieser ihm noch ein „Schamloser Kerl!“ zu zischte und mit den anderen verschwand.

 

Lan Zhan schenkte ihm darauf einen fragenden Blick, den er mit einem Schulterzucken begegnete.

 

„Ich hab nichts getan. Ehrlich. Ich erzählte ihnen nur, dass ich diesen Fesselzauber das erste Mal an dir getestet habe. Nichts weiter. Wer konnte ahnen das die heutige Jugend so irritierend auf etwas historische Geschichte reagieren würde.“

 

Lan Zhan sah aus, als kaufe er ihm diese harmlose Erklärung nicht ganz ab, hinterfragte aber auch nichts weiter.

 

Stattdessen holte er etwas aus seinem Roben Ärmel das er an Wei Ying weiterreichte.

 

Ein Besucher-Token.

 

„Ich muss mich noch um einige Dinge kümmern.“, meinte er und auch wenn es für jeden anderen nicht herauszuhören sein mochte, so klang dessen Stimme abermals entschuldigend.

 

„Wenn du in die Stadt gehen möchtest.“ Wei Ying verstand, das Lan Zhan ihn nicht hier in der Wolkenschlucht sitzen lassen wollte und er ihm mit dem Token die Möglichkeit ließ, diese zu verlassen und nach eigenem Ermessen wieder hierher zurückkehren zu können.

 

Wei Ying nahm den Token und steckte ihn sich ein. Lan Zhan hatte sich schon zum Gehen abgewandt, das ihm ein Ende von dessen hellblauem Stirnband über die Wange strich, welches der Wind aufgegriffen hatte, und er unbewusst eine Hand danach ausstreckte.

 

Es fühlte sich noch genau so weich an, wie er es in Erinnerung hatte. Der Drang daran zu ziehen, bis es sich löste, dass er es gänzlich in seiner Hand halten könnte, kam plötzlich. Nicht aber der Gedanke, das er wünschte es wert zu sein dieses geheiligte Symbol des Lan Clans; Lan Zhans Stirnband, berühren zu dürfen, wann immer ihm danach verlange, ohne dessen eingewobenen Wert damit zu entweihen.

 

Stattdessen ließ er es durch seine Finger gleiten, ohne das Lan Zhan etwas davon mitbekam.

 

„Ich habe das Gästequartier herrichten lassen.“, informierte ihn dieser, während er ihm zurückfolgte.

 

Wei Ying nickte von ihm ungesehen.

 

Er würde lieber mit ihm in der Jingshi übernachten wollen.

 

Einfach um ihm nahe sein zu können, selbst wenn er auf dem Boden zu schlafen hatte.

 

Wei Ying wäre fast in ihn hineingelaufen, als dieser plötzlich stehen blieb und sich ihm wieder zudrehte.

 

„Bitte, warte auf mich.“ Erneut schwang etwas in dieser Bitte mit, das Wei Ying leicht an seinem Herzen zog.

 

Glaubte Lan Zhan wirklich, dass er ohne ein Wort einfach wieder verschwinden würde?

 

Er lehnte sich etwas mehr nach vorn, beide Hände auf dem Rücken, das er nicht dem Impuls nachging diese an Lan Zhans Wangen zu legen, wenn jener ihn so ansah.

 

Er beäugte diesen nun mit einem ermahnenden Blick.

 

„Eure Exzellenz, nun schauen sie nicht so. Was wird man denken, wenn jemand uns so sieht? Bestimmt, dass ich mich ihnen gegenüber respektlos verhalten habe und man in diesem Falle nicht zögern würde mir eine Strafe deswegen aufzuladen.“ Er schaute ihn nun mit großen, mitleidigen Augen an. „Ich lebe definitiv nicht lange genug, um sämtliche Regeln des Clans erneut 300 Mal abzuschreiben.“ Dann lächelte er wieder und stieß den anderen leicht mit der Schulter an.

 

„Lan Zhan, ich habe genug Zeit. Also tu was du zu tun hast. Selbst wenn es Tage dauern sollte. Ich kann warten.“

 

Auf dich immer.

 

Wieder schaute dieser ungewohnt unsicher, bevor er stumm nickte und abermals entschwand.

 

Wei Ying zog den Token hervor und drehte ihn ein paar Mal überlegend in seiner Hand.

 

Vielleicht hatten ja die Jungs nach dem Unterricht Lust ihn zu begleiten.

Er hatte sich zur Orchideen Halle geschlichen und der Anblick der dort steif sitzenden und meist gelangweilt aussehenden Studenten, brachte auch ihn in der Zeit zurück und wie es ihm damals nicht besser ergangen war.
 

Lan QiRen hatte sich kaum verändert, was womöglich an den Familiengenen lag. Auch seiner monotonen Art Stoff zu lehren war dieser treu geblieben und es weckte den Schalk in Wei Yings Nacken etwas Abwechslung in das Ganze bringen zu wollen.
 

Er holte zwei Papiermännchen aus seinem Ärmel und ließ sie folglich ungesehen über den dunklen Holzboden schlittern, indem sie sich platt machten. Vor Lan QiRens Pult angekommen richteten sie sich auf und da dieser dahinter saß, blieben sie von dessen geradeaus gerichteten Blick gut verborgen.
 

Einzig diejenigen die davor saßen konnten sie ausmachen.
 

Es war Jin Ling der sich daraufhin nach ihm umblickte, hatte er wohl nicht vergessen wer der Herr dieser kleinen Kerle war.
 

Die Blicke der schläfrig wirkenden Jugend wurde merklich munterer, als er seine kleinen Papierfreunde nun zusammen tanzen oder wie zwei Akrobaten Kunststücke vorführen ließ. Dann verpasste er einem der Männchen mit einem Fingerzeig noch einen Bart, der dem von Lan QiRen glich und ließ es in einer albernen Weise zu dessen Worten gestikulieren, dass es dem einen oder anderen ein verstecktes Feixen entlockte.
 

Zum Glück gab es keinen Lan Zhan in dieser Klasse, sonst wäre seine Spielerei schon längst aufgeflogen.
 

Das Donnern einer Hand auf eine Tischplatte war zu hören, als die Aufmerksamkeit sämtlicher Studenten in Gekicher und gedämpftes Prusten wechselte, auf das Lan QiRen erbost aufstand, um dieser Unart Einhalt zu gebieten.
 

Wei Ying war nicht schnell genug, um seine Männlein dazu zu bringen sich zu verstecken, als eines davon von Lan QiRen aufgesammelt wurde und er es missbilligend anstarrte.
 

Er war schon im Begriff es zerknüllen zu wollen, als das andere vor seinem Gesicht auftauchte und wie eine lästige Fliege davor her schwirrte. Genervt versuchte er es einzufangen, dass er ungewollt das andere losließ und diese nun zusammen um dessen Kopf kreisten.
 

Die Studenten brachen in offenes Lachen aus. Wei Ying beorderte seine kleinen Helfer zu sich zurück und versteckte sie wieder in seinem Ärmel. Lan QiRen war erst aus der Halle heraus, als er sich schon aus dem Staub machte, doch beim verärgerten Rufen seines Namens kurz anhielt, sich umwandte und wie es sich schickte diesem mit einer ZuoYi Geste begegnete, die er mit einem spitzbübischen Lächeln verband.
 

„Lan QiRen. Welch ein Vergnügen sie wieder zu sehen.“, meinte er noch keck, was Lan QiRen energisch seine langen Ärmel nach hinten schlagen ließ. So wie er es immer tat, wenn ihm etwas missfiel.
 

„Wenn du nichts Nützliches beizutragen hast, halte dich gefälligst vom Unterricht fern!“, grollte dieser und begab sich mit einer würdevollen Drehung wieder zurück in die Halle.
 

Wei Ying gluckste amüsiert über diese Szene und schlenderte weiter, auf seiner Suche nach etwas Unterhaltung.
 

Lan Zhan würde ihn später sicherlich noch dafür ermahnen, aber das war es ihm durchaus wert gewesen.
 


 

Etwas später am Tag, war er dann tatsächlich mit vier der Jungs in Caiyin unterwegs, nachdem er um etwas Gesellschaft gebeten hatte. SiZhui hatte mit Freude zugestimmt, worauf auch Jin Ling sich mit einem Murren anschloss. Ihm war ebenso noch im Gedächtnis geblieben, das Lan JingYi und SiZhui eine Einheit waren.
 

Er war nie besonders gut mit Namen, aber ZiZhen war ihm durch seinen eher sensiblen Charakter noch vertraut und dieser schien auch recht angetan sich wieder einmal mit ihm unterhalten zu können, schwatzte dieser ausgelassen an seiner Seite, während sie durch die lebhaften Gassen von Caiyin liefen.
 

Es gab ihm auch die Möglichkeit seinen Neffen etwas eingehender zu studieren.
 

Jin Ling lief nicht auf gleicher Höhe wie sie, noch hatte er sich SiZhui und Lan JingYi angeschlossen.
 

Es machte Wei Ying etwas das Herz schwer, wirkte dieser als mache er sich selbst noch immer zum Außenseiter. Ob nun gewollt oder nicht.
 

Dabei waren gute Freunde etwas das jeder haben sollte.
 

Er mochte die wenigen die ihm geblieben waren nicht missen, hatte er ihnen mehr zu verdanken, als er je wieder gut machen konnte.
 

Jin Lings Gesicht verzog sich abrupt zu einem genervten Ausdruck, dem ein abschätziges Schnalzen folgte und sich die Hand, in welcher er sein Schwert trug, etwas mehr anspannte. Wei Ying folgte dessen Blick. Vor ihnen liefen immer noch SiZhui und Lan JingYi doch hatte dieser SiZhui nun einen Arm über die Schultern gelegt und etwas näher zu sich herangezogen, während er angeregt etwas erzählte, dass er mit der ein oder anderen Geste versuchte noch etwas mehr verdeutlichen zu wollen.
 

Na, hier war wohl jemand eifersüchtig?
 

„Jin Ling.“, rief er seinen Neffen zu, der ihn, wie zu erwarten, unfreundlich ansah aber dennoch innehielt.
 

Wei Ying schloss zu ihm auf und legte ihm nun einen Arm über die Schultern, bevor er sich näher zu ihm lehnte.
 

„Hat es dir unser SiZhui etwa angetan?“, flüsterte er so, dass es niemand weiter hören würde. Es folgte ein Ellenbogenstoß in Wei Yings Bauch und Jin Lings aufgebrachter Ausdruck, mit den dunkelroten Wangen.
 

„Unsinn!“, brachte dieser etwas zu energisch hervor und Wei Ying grinste wissend durch den Schmerz, den er noch immer spürte.
 

„Kein Grund sich verschämt zu zeigen. Du hast einen guten Geschmack.“, stichelte er mit einem Zwinkern und konnte einem weiteren Hieb gerade noch rechtzeitig ausweichen.
 

„Das Temperament deines Onkels.“, murrte Wei Ying, was Jin Ling seinen Kopf divenhaft von ihm abwenden ließ.
 

„Aber mal ehrlich, wenn du jemanden brauchst der dir einen Rat zu diesen Dingen geben kann, scheue dich nicht mich zu fragen.“ Er meinte es durchaus ernst damit. Immerhin war Jin Ling sein Neffe, wenn auch nicht Blutsverwandt.
 

Dieser schnaufte ungläubig.
 

„Was kann mir jemand wie du schon raten? Alles was du mir erzählen wirst, ist sicherlich nur perverses Zeug! Onkel hatte Recht, als er sagte, dass du schon immer eine frivole Person gewesen wärst. Ich frage mich wirklich wie HanGuang-Jun gerade jemanden wie dich so respektieren kann? Weiß er, dass du solch intime Details einfach so herumerzählst?“
 

Wei Ying hatte über Jin Lings erste drei Sätze noch ein Schmunzeln auf den Lippen, waren solche Worte nichts, was er nicht schon gehört hatte. Die letzte Bemerkung allerdings ließ ihn konfus die Augenbrauen zusammenziehen.
 

Was für intime Details?
 

Er und Lan Zhan standen sich zwar nahe, aber er würde nicht behaupten, dass es je eine Situation gegeben hatte, die sich mit intimeren Details ausgeschmückt habe.
 

Auch wenn er wahrlich nichts dagegen einzuwenden gehabt hätte.
 

Ein schmachtendes Seufzen rutschte ihm hervor, was Jin Ling ihn skeptisch ansehen ließ.
 

„Wenn du mit intim meinst das…“ Jin Ling war derart schnell ihm eine Hand auf den Mund zu drücken, dass ihn die Hast davon etwas nach hinten schob.
 

„Ich will nichts davon hören. Eine Story reicht! Hast du eine Ahnung wie lange es brauchen wird, bis ich ihn wieder ansehen kann ohne mich unmöglich peinlich berührt zu fühlen? Und ich bin mir sicher, dass ich nicht der einzige von uns bin.“, zischte Jin Ling und deutete wage mit dem Kopf zu den anderen drei, die in etwas Abstand auf sie zu warten schienen.
 

Wei Ying blinzelte hilflos über diese Anschuldigung, mit der er einfach nichts anfangen konnte.
 

„Was für eine Story?“, hakte er überfordert nach, nachdem er Jin Lings Hand zurückgeschoben hatte.
 

Dessen Wangen wurden erneut rot und er senkte den Kopf, während er mit knirschenden Zähnen eine Antwort hervorbrachte.
 

„Die von heute, am Projektplatz.“ Wei Ying konnte noch immer nicht folgen. „Du meinst als ich sagte ich habe meinen Fessel Trick an Lan Zhan ausprobiert?“ Jin Ling knurrte missmutig als Bestätigung. „Was ist daran…“ Er ließ sich nun auch den Rest seiner Worte noch einmal durch den Sinn gehen und weitete seine Augen kurz darauf mit einem ungläubigen Auflachen.
 

„Habt, habt ihr angenommen ich redete von einer anzüglichen Sexpraktik? Ich und Lan Zhan?“ Erneut musste er auflachen, dass ihm schon die Tränen in den Augenwinkeln standen.
 

„Gott ihr jungen Leute.“ Er klopfte Jin Ling heiter auf die Schulter.
 

„Ihr solltet euch wirklich weniger schlüpfrige Heftchen ansehen und mehr lernen.“ Auch wenn dieser Verweis aus seinem Munde, mehr als scheinheilig klang.
 

Nun waren auch die anderen wieder zu ihnen aufgeschlossen, wohl weil sie sicher gehen wollten, dass er seinen Neffen nicht zu sehr aufstachelte und es noch zu einer Auseinandersetzung käme.
 

Wei Ying deutete mit dem Zeigefinger auf die kleine Gruppe, während er noch immer ein Lachen in seiner Stimme hatte.
 

„Lasst mich was klarstellen. Ich habe Lan Zhan nicht gefesselt, weil er mir zu wild im Bett war.“ Auf diesen äußerst unerwarteten Hinweis, der nicht weniger schamlos war, als das was man glaubte erzählt bekommen zu haben, flutete ein gesunder Rotton nun auch die Gesichter der anderen drei, dass es Wei Ying nur noch mehr amüsierte.
 

„Ich hatte lediglich seinen Arm erwischt, um ihn zum Stehenbleiben zu bringen, weil wir schon den ganzen Tag auf den Beinen waren und ich schlicht und einfach müde vom Laufen.“
 

Es war daraufhin nichts weiter zu hören als ein Räuspern von Lan JingYi und ein „Oh.“ von ZiZhen, während man peinlich berührt zu Boden schaute.
 

„Wartet nur, bis ich Lan Zhan davon erzähle.“ Auf diese Aussicht hin, schnappten die Köpfe der jungen Männer synchron wieder nach oben.
 

„Auf keinen Fall!“, donnerte es ihm entgegen und er konnte nicht anders, als bei dem blanken Horror auf deren Gesichtern, erneut laut loszulachen.
 

Es war lange her, dass er sich so ausgelassen gefühlt hatte.
 


 

Er hatte die Jugend beschwichtigt nichts zu erzählen und sie schließlich zu einem Gasthaus dirigiert, da er vor lauter Lachen nun reichlich Hunger bekommen hatte.
 

Außerdem freute er sich auf eine Flasche von Gusus bestem Wein.
 

Jin Ling hatte seine Chance verpasst, den letzten Platz neben SiZhui zu ergattern, stand er einfach nur unentschlossen da, bis ZiZhen ihm diesen weggeschnappt hatte. Mit dem üblichen Missmut, der dessen Gesicht viel zu oft zierte, setzte er sich schließlich neben ihn.
 

Das Essen schmeckte noch genauso gut, wie er es in Erinnerung hatte und war zudem um Welten besser, als das lasche Zeug was man in der Wolkenschlucht vorgesetzt bekam. Allein der Gedanke daran ließ ihn sich leicht schütteln und er würzte sein Gericht noch einmal mit einem kräftigen Schuss Chili Öl nach.
 

Ungläubig schaute man ihm dabei zu, wie er genüsslich weiter aß.
 

„Wie kann man sowas noch essen? Allein vom Hinsehen bekomme ich ein Magengeschwür.“ Lan JingYi hatte wohl ausgesprochen, was die anderen Drei dachten, nickten diese zustimmend.
 

„Ihr Kinder seid einfach nur noch nicht soweit.“, ließ er sie großspurig wissen, was darin endete das sich vier Paar Essstäbchen jeweils einen Happen von seinem Gericht nahmen, dem folglich inniges Geröchel folgte und man sich hektisch die Trinkschalen mit Wasser an die Lippen setzte. Er war etwas zu spät, um Jin Ling davon abzubringen die falsche Schale zu greifen und konnte nur mit einem ahnenden Raunen verfolgen, was gleich passieren würde.
 

Wei Ying glaubte nicht, das dessen Gesicht noch mehr Farbe gewinnen könnte, worauf dieser den Alkohol in einem umsichtigen Reflex in seinen Ärmel spuckte, anstatt über den gesamten Tisch oder den Boden.
 

Ein angestrengtes Husten und Japsen waren darauf zu vernehmen.
 

Wei Ying war schon im Begriff ihm etwas Wasser reichen zu wollen, als SiZhui es ihm abnahm, indem er zu Jin Ling herumkam, diesem eine der Schalen entgegenhielt und dazu noch beruhigend über dessen Rücken strich.
 

Wei Ying grinste albern und las die Situation zu Jin Lings Gunsten, dass er etwas weiter um den Tisch herumrückte, sodass SiZhui nun direkt neben Jin Ling sitzen konnte und sich weiter diesem annahm.
 

Er prostete sich innerlich zufrieden zu.
 

Der Rest des Abends verlief weiterhin unterhaltsam und auch wenn Jin Ling es nicht zu offen zeigte, schien er mehr als zufrieden mit SiZhui an seiner Seite, lächelte er wesentlich öfter und unbefangener.
 

Irgendwie wären sie schon ein niedliches Paar. Nur konnte er nicht einfach davon ausgehen, dass es so einfach wäre. Selbst wenn er Jin Ling gutgemeinte Ratschläge zukommen ließe, hieß das nicht, dass er Erfolg damit haben würde, SiZhui für sich zu erobern.
 

Womöglich mochte dieser schon jemand anderen?
 

„A-Yuan.“, sprach er ihn mit einem leichten Grinsen an, das Jiang Cheng schon als unheilschwanend erkannt hätte, doch SiZhui war dafür einfach zu ahnungslos und lächelte schlicht unschuldig zurück.
 

„Was gibt es, Wei Qiánbèi?“ Wei Ying lehnte sich etwas über den Tisch, als wolle er ein Geheimnis teilen.
 

„Nun wo du in dem Alter bist, gibt es da schon jemand Besonderen…“ Über dieses eine Wort wippte er anspielend mit den Augenbrauen, „…in deinem Leben? Irgendwelche Verehrerinnen oder Verehrer? Ich bin mir sicher, deine Chancen sind bei beiden ungemein gut.“ Das dieser nun sichtlich verlegen wirkte kam nicht unerwartet, auch nicht der zurechtweisende Blick, den er von Jin Ling aus dem Augenwinkel einfangen konnte.
 

„Uhm…, ich hab noch nicht wirklich über so etwas nachgedacht. Ich möchte zuerst ein vollwertiges Mitglied des Lan Clan werden. Ich möchte HanGuang-Jun nicht enttäuschen.“ Wei Ying lehnte sich mit einen gelangweilten „Tsk“ wieder nach hinten. Dann deutete er mit seiner leeren Schale, die er von seinem letzten Schluck noch in der Hand hielt, auf SiZhui.
 

„Das, ist einfach nur fade. Nutze deine Jugend solange du sie noch hast. Sammle wenigstens ein paar Erfahrungen. Ich sag dir, Lan Zhan ist nicht das geeignetste Vorbild, wenn es um solche Dinge geht. Ich bezweifle das er überhaupt weiß was Sex ist.“, moserte er, auch weil er wohl schon etwas zu viel Wein intus hatte.
 

Die Jungs sagten nichts dazu, schauten ihn jedoch so an, als gäbe es etwas das sie nicht nachvollziehen konnten.
 

Nuschelte er etwa beim Reden? So betrunken fühlte er sich noch gar nicht.
 

Es wurde schließlich Zeit, um zurück in die Wolkenschlucht zu kehren, hatte er den peniblen Schlafrhythmus der Lans fast schon vergessen gehabt, was ihm ein trotziges Murren entlockte.
 

Er würde den Teufel tun und sich ebenso daran halten. Der Abend war ja gerade mal angebrochen.
 

Also begleitete er die Truppe aus dem Lokal und verabschiedete sich von ihnen, hielt Jin Ling jedoch noch einmal mit einem Griff um dessen rechten Oberarm zurück.
 

„Wenn du es richtig anstellst, kannst du SiZhui vielleicht doch noch von dir überzeugen. Zumindest solange dir niemand zuvorkommt.“ Mit einem leichten Kopfzeig in Richtung SiZhuis, der anzeigen sollte, dass er sich in diesem Fall ranhalten müsse, unterstrich er seinen Rat.
 

Wei Ying hatte damit gerechnet, dass dieser ihm unter seinem Temperament abermals mitteilen würde, dass er sich nicht einmischen solle. Doch unerwarteter Weise, schaute Jin Ling etwas unsicher über seine Schulter, zu der sich zurückziehenden Gruppe und dann wieder zu ihm.
 

„Wie…wie hast du HanGuang-Jun von dir überzeugen können?“, hörte er diesen leise und verschämt fragen, doch war es nicht dessen unschuldige Allüren die ihn verdattert dreinschauen ließen, sondern die Frage an sich.
 

„Ich hab Lan Zhan nicht von mir überzeugen können.“ Diese Wahrheit laut auszusprechen, ließ sein Herz traurig seufzen und für ein, zwei Schläge schmerzlich gegen seinen Brustkorb treten.
 

Jin Ling schaute ihn daraufhin so an, als hätte er ihn veralbert.
 

„Ich dachte du wolltest mir helfen und nun machst du schon Witze!“, knurrte dieser folglich und nicht zum ersten Mal an diesem Tag, kam sich Wei Ying so vor, als fehlten ihm ein paar wichtige Informationen.
 

„Das ist kein Witz. Wir sind enge Freunde, oder etwas kitschiger, Gefährten fürs Leben. Da gibt und gab es nie eine Romanze.“ Er lachte über diese Möglichkeit, wenn auch nur nach außen hin. Sein Herz verpasste ihm ein paar weitere unglückliche Tritte.
 

„Lan Zhan hätte mich wohl zurück in die Schlucht geworfen, würde ich jemals versuchen ihm den Hof zu machen.“ Er schüttelte den Kopf mit einem Lächeln, dem er die Sehnsucht nicht gänzlich entziehen konnte.
 

„Wie könnte er an jemanden Interesse zeigen, der das gesamte Gegenteil von ihm und seinen Werten ist? Nicht zu vergessen, dass ich sicherlich sämtliche Regeln seines Clans wenigstens einmal schon gebrochen habe. Ich bin mehr der schwarze Fleck auf seiner Reputation. Wäre es nicht für seine Rechtschaffenheit und noblen Charakter, hätte er mich schon längst davongejagt.“ Eigentlich hatte er nicht vor gehabt seinem Neffen einen Teil seiner Zweifel so einfach vor die Füße zu werfen, doch machte der Alkohol, verbunden mit seinem Herzschmerz seine Zunge lockerer als er kontrollieren konnte.
 

„Onkel Chang hat Recht. Du bist ein Idiot!“ Auf diese Schellte setzte Wei Ying sein übliches Schmollen auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Jiang Cheng schien ja so einiges über ihn erzählt zu haben, wo er zuvor nicht einmal erlaubt hatte, dass jemand seinen Namen auch nur in dessen Gegenwart dachte.
 

Er würde da wohl mal ein Wörtchen mit seinem Bruder reden müssen.
 

„So ist es. Und genau deswegen ist da auch nichts zwischen mir und Lan Zhan.“ Jin Ling sah so aus als würde er noch etwas dazu sagen wollen, schien es sich dann aber doch anders zu überlegen und schüttelte seinerseits den Kopf.
 

„Unfassbar.“, murmelte dieser dann nur, bevor er sich ebenso auf den Weg machte.
 

Etwas von seiner guten Laune beraubt, gönnte sich Wei Ying eine weitere Flasche Wein, und nahm sich noch zwei mit.
 

Er kam an einem Händler vorbei, der unteranderem auch Pipas anbot und er spontan einen Korb davon kaufte.
 

Lan Zhan würde sich bestimmt darüber freuen, auch wenn er immer so getan hatte als möge er sie nicht.
 

Zusammen mit einer Papiertüte voller Erdnüsse machte auch er sich auf den Rückweg.
 

Er verspürte den Impuls sich wie damals über die Mauer der Residenz zu stehlen. Irgendwie mit der seichten Hoffnung, dass Lan Zhan dort auf ihn warten würde.
 

Doch konnte er einzig enttäuscht seufzen, als er sich dort doch nur allein vorfand.
 

Er überlegte, ob er sich einfach hier hinsetzen sollte, um seinen Wein zu trinken, entschied sich aber dafür, dass das Dach der Jingshi genauso gut dafür wäre. So würde er auch gleich mitbekommen, wenn Lan Zhan wieder zurück wäre.
 

Er hatte den Korb mit den Früchten vor dessen Tür gestellt, bevor er es sich schließlich auf den dunklen Schindeln gemütlich machte und etwas sentimental in den Nachthimmel schaute. Es war noch nicht ganz Vollmond, aber auch so erinnerte ihn das kühle, blasse und reine Leuchten an die Person, welche er einfach nicht mehr aus seinen Gedanken bekam.
 

Hierher zurückzukommen, war wie ein Verstärker für all die sehnsüchtigen Emotionen, die er mit sich herumtrug und welche nun nur noch schwerer auf ihm zu hocken schienen, dass es ihn einen weiteren, großzügigen Schluck von seinem Wein nehmen ließ.
 

Wo sollte er hingehen, wenn es wieder Zeit für einen Abschied wäre?
 

Wie viele Jahre würde es dauern, über Lan Zhan hinweg zu kommen?
 

Würde er es überhaupt?
 

Wei Ying raunte erneut, die klamme Bergluft der Wolkenschlucht auf seiner, vom Wein, erhitzten Haut.
 

Im Vergleich zu dem, was er bisher in seinem Leben hatte durchstehen müssen, schienen diese Sorgen wie ein simples Jucken. Nur brachte auch das eifrigste Kratzen nichts.
 

Eher ließ es sein Herz nur noch mehr bluten.
 

Gott, er war wirklich ein Idiot, wenn es um Lan Zhan ging.
 

War es immer gewesen, dass er nicht einmal mitbekam, wann er mehr für ihn zu empfinden begonnen hatte.
 

Nicht erst seitdem er wieder zurückgekommen war. Das wusste er.
 

Er mochte sich nicht mehr an alles genau erinnern, bevor er von diesem Kliff in seinen Tod gefallen war, doch das Gefühl der Verbundenheit zu Lan Zhan hatte er nie vergessen.
 

Es hatte sich über ihre gemeinsame Suche nach dem Ursprung des rachsüchtigen Schwertgeistes nur mehr definiert.
 

Gefestigt.
 

Erneut setzte er den Wein an seine Lippen, nur um festzustellen, dass dieser schon leer war und er daraufhin die andere Flasche öffnete.
 

Er schloss seine Augen und wünschte, dass diese allumfassende Wärme, die er spürte, nicht vom Alkohol stammte, sondern von einer Umarmung der Person der sein Herz gehörte.

Lan WangJi begab sich mit raschen, aber nicht weniger grazilen Schritten zum Gästequartier.
 

Es war spät geworden, bevor es ihm überhaupt bewusst geworden war.
 

Sein Bruder war wohl auf und es beruhigte ihn, dass dieser seinen aufrechten Willen, während seiner Isolation, wieder hatte stärken können.
 

Er hatte ihn über die Geschehnisse der letzten Monate in Kenntnis gesetzt und zusammen mit ihrem Onkel weitere Angelegenheiten besprochen.
 

Doch auch wenn seine Zeit und Aufmerksamkeit anderweitig eingenommen wurde, konnte es den Wunsch so schnell wie möglich zurück zu Wei Ying zu kommen, nicht überlagern.
 

Er hoffte nur, dass man ihm nichts anmerkte.
 

Sein Onkel war nicht unbedingt darauf geschult ihn lesen zu können.
 

Sein Bruder allerdings, war in dieser Hinsicht recht aufmerksam.
 

Dies bestätigte sich, als Lan QiRen seinen Verdruss über Wei Yings kleine Albernheit mitteilte und nicht versteckte, dass er immer noch eine recht verhaltene Meinung zu diesem hatte.
 

Sein Bruder hatte darüber seicht geschmunzelt, etwas wonach auch ihm der Sinn stand, doch hielt er diesen Impuls zurück, um ihren Onkel nicht noch weiter aufzuregen.
 

XiChen schaute ihn über ihre Besprechung öfter mit einem wissenden Blick an, unter dem er sich nahezu bloßgelegt fühlte.
 

Sein Bruder hatte ihn auf seine Beziehung mit Wei Ying nur einmal angesprochen. Kurz bevor er in die Isolation gegangen war.
 

Er hatte nicht viel dazu gesagt, aber schien dieser weitsichtig genug, um ihn auch so zu verstehen.
 

Sein Herz machte einen hektischen Sprint, als er das Gästequartier erreichte, doch es aussah, als wäre niemand da und man auch auf sein leichtes Klopfen an der Tür nicht reagierte.
 

Er glaubte nicht wirklich, dass Wei Ying schon zu Bett gegangen war, aber womöglich war er von der Reise und dem Tag doch zu erschöpft? Wenn dem so wäre, wollte er ihn nicht stören.
 

Der Gedanke, dass dieser womöglich doch wieder gegangen war, ließ die kräftigen Ranken, die sich um sein Herz gelegt hatten, unruhig zittern in der Angst, das ersehnte Licht wieder gegen trostlose Dunkelheit tauschen zu müssen.
 

Er würde nicht einfach so gehen.
 

Wei Ying hatte versprochen auf ihn zu warten.
 

WangJi atmete tief durch, um sich und seine aufgeregten Emotionen zu beruhigen.
 

Er vertraute Wei Ying.
 

Somit warf er einen letzten Blick auf das Quartier und begab sich schließlich zurück zu seinem eigenen.
 

Die Nacht war klar und kalt.
 

Nebelschwaden suchten sich, wie ein behäbiges, mystisches Tier ihren Weg über die verwaisten weißen Kiespfade der Residenz. Ein seichter Wind ließ das sanfte Erklingen der filigranen Glöckchen, wie einen Schutzzauber durch die Luft schwingen.
 

Es hatte etwas Beruhigendes, wie es auch die Einsamkeit in ihm aufzuwecken wusste.
 

Seine Schritte führten ihn zu dem Mauerabschnitt, mit dem er Erinnerungen an eine Zeit verband, zu der er nie gedacht hätte, dass ihn dieser rebellische, aufgeweckte und endlos quasselnde Teenager einmal derart in seinen Bann ziehen würde.
 

Er hatte zu jener Zeit schon den Entschluss gefasst gehabt, dass er sein Leben ohne einen Partner bestreiten würde. Die Erinnerung an seine Eltern und ihre quälende Liebe zueinander, hatte ihn abgeschreckt je derart starke Emotionen zulassen zu wollen, die für ihn keine Wärme und Freude beinhalteten.
 

Er hatte wirklich gedacht, dass ein starker Wille ausreichen würde, sich gegen dieses eine intensive Gefühl zu wappnen, nur um dann Hals über Kopf in einen Sturm gezogen zu werden, dessen helles Lachen, dessen unverfälschter, aufopferungsvoller Charakter und selbstloser Stolz ihn, wie die Naturgewalt die Wei Ying war, mitriss und bis heute nicht wieder freigegeben hatte.
 

All die Liebe, die er für ihn empfand, schien in seinen Augen dennoch nicht würdig genug.
 

Dessen goldener Kern mochte nicht mehr der seine sein, doch strahlte Wei Ying für ihn heller als es alles Gold der Welt tun würde.
 

Dieser war stark und entschlossen genug gewesen sich eben dieser Welt zu stellen, mit nichts weiter als der Hoffnung, dass er es irgendwie schon meistern könne. Egal wie sehr man ihn für seinen selbstgewählten Weg beschimpfte, fürchtete oder anzweifelte.
 

Er hatte einst ebenso an ihm gezweifelt. Als er keine Ahnung hatte, welche Opfer dieser bereits gebracht hatte, um die zu beschützen die ihm wichtig waren.
 

Die Konsequenzen für Wei Yings waghalsigen Heroismus waren Neid und Verachtung von denen, die ihn nicht kannten. Jene die selbst nur nach seiner Macht gierten, um sich damit über alle anderen erheben zu können.
 

Etwas das Wei Ying nie versucht oder gewollt hatte, obwohl er es hätte tun können.
 

Nach allem was man ihm angetan hatte, wäre das ein Verlauf gewesen, der nicht verwundert hätte.
 

Stattdessen hatte er die Risse in seiner Seele akzeptiert und war weiter vorangegangen, einzig mit dem Bestreben, denen zu helfen die es brauchten.
 

Doch war alles, was man in ihm sehen wollte eine unkontrollierbare Gefahr, die nur für seine eigene Arroganz lebte.
 

Man hatte ihm so viel abverlangt, bis er sich selbst einfach nur in Stücke hatte brechen lassen und Reue und Trauer ihn sein eigenes Ende wählen ließen.
 

Der Ausdruck, den er Jiang Cheng gezeigt hatte, als dieser ihm den letzten Schwertstoß zu geben gedachte, hatte sich in WangJis Gedächtnis gebrannt und ließ ihn auch jetzt noch mit einem Schmerz zurück, den er ebenso als eine Strafe für sein Versagen ansah.
 

Wei Ying war an diesem Tag bereit gewesen zu sterben.
 

Sein Bitten und verzweifeltes Festhalten an ihm, hatte diesen nicht überzeugen können.
 

Hatten ihn nicht sehen lassen, dass sein Ende auch ein Ende für ihn wäre.
 

Für Jiang Cheng allerdings hatte er ein dankbares Lächeln übrig, als wüsste er genau, dass dieser zu Ende bringen würde, was WangJi nicht akzeptieren wollte.
 

Manchmal hatte er sich gefragt, ob es besser gewesen wäre, Wei Ying in den Abgrund zu folgen. Wenn seine Trauer und die endlos erscheinende Einsamkeit, die auf ihn warteten, nicht weniger bodenlos erschienen.
 

Doch dann dachte er an A-Yuan.
 

Der letzte Strahl warmen Lichts und es reichte, um die feuergeschunden Triebe seiner Liebe zu Wei Ying nicht gänzlich unter Hoffnungslosigkeit verdorren zu lassen. Sondern es in Zuwendung und väterliche Zuneigung für A-Yuan zu wandeln.
 

Diesem all das zu ermöglichen, was Wei Ying ihm hätte geben wollen.
 

Es war ein winziger, aber tiefreichender Halt, für den er unendlich dankbar war.
 

Denn auch jetzt konnte er die überwältigende Gewissheit, dass Wei Ying nach all den Jahren in Feuer und Asche wieder zurückgekommen war, manchmal erneut nicht gänzlich greifen.
 

Das Schicksal schien ein wirklich kompliziertes Spiel mit ihnen zu spielen.
 

Schon von Weitem erkannte er die Silhouette einer Person, die auf dem Dach der Jingshi lag und er ließ das Lächeln zu, das nur Wei Ying in ihm auszulösen vermochte, während er die restliche Distanz wie von selbst überwand.
 

Wei Ying hatte ihn nicht bemerkt, als er neben ihm auf dem Dach aufsetzte. Rührte sich zuerst auch nicht, als er dessen Namen sagte und sich zu ihm hinunter beugte.
 

Zwei Flaschen mit Emperor Smile hingen, mit einer Kordel verbunden, über den Dachfirst drapiert, damit sie nicht herunterrollten.
 

Wei Yings Robe war mit Erdnussschalen übersäht, die sich auch auf dem Dach verstreut befanden.
 

Es war eine Unordnung, die er sonst nicht gutgeheißen hätte, doch bei Wei Ying war es mehr eine Bestätigung, dass sich manche Dinge nie zu ändern schienen.
 

Etwas von dem er in diesem Moment spürte, dass er es brauchte.
 

Diese kleinen Vergewisserungen.
 

Diesen Faden gebunden an vergangene, unbeschwertere Tage.
 

Zu sehen, dass der Mann, in den er sich damals verliebt hatte, tatsächlich immer noch existierte.
 

Er kein Geist war, oder eine Illusion, hervorgebracht von verzweifelter Sehnsucht.
 

Selbst im Mondlicht ließ dieser in ihm Knospen treiben.
 

Wei Ying raunte schlaftrunken und war dabei sich in eine andere Position bringen zu wollen, welche, hätte WangJi ihn nicht rasch an sich gezogen, darin geendet hätte, dass er ebenso haltlos vom Dach gerollt wäre.
 

„Lan Zhan…“, murmelte dieser, ohne den Eindruck zu machen, als wäre er sich der momentanen Situation tatsächlich bewusst, hatte er seine Augen noch immer geschlossen und wehrte sich auch nicht gegen den Halt, in dem er sich befand.
 

Es wäre ein leichtes gewesen, diesen noch näher an sich zu ziehen. Ihn endlich einmal so in den Armen halten zu können, wie er es schon lange tun wollte.
 

Er war sich der Gerüchte durchaus bewusst, die um sie kreisten.
 

Es gab die interessantesten Auslegungen zu ihrer Beziehung.
 

Sein Onkel hatte ihm nahegelegt diese Gerüchte aufzulösen, indem er nur eine kurze Stellungnahme dazu abgeben sollte, um zu verdeutlichen, dass dieses Gerede nichts weiter als Nonsens wäre.
 

Dass ihre Exzellenz kein Interesse daran hegte, weiterhin mit solch einer zwielichtigen Person in Verbindung gebracht zu werden.
 

Dieser hatte ihm außerdem gesagt, dass sein Ruf nur darunter leiden würde, würde er die Dinge nicht richten.
 

Er allerdings hatte ihm nur mitgeteilt, dass er diese Rederei nicht ernst nahm und es wichtigere Aufgaben gäbe, um die sie sich zu kümmern hätten.
 

WangJi war sich bewusst, dass sein Onkel auf seine Art besorgt war. Jedoch hatte er nicht vor etwas kundzugeben, nur um irgendeine steife Etikette aufrecht zu halten.
 

Ihn störten die meisten Gerüchte nicht.
 

Jeder glaubte eh was er wollte, egal was jemand versuchte zu berichtigen.
 

Außerdem hatte er nicht vor Chef Kultivierer zu bleiben, sollte sich die Mehrheit darüber erbosen, dass er womöglich eine romantische Beziehung zu Wei Ying hegte.
 

Dieser hatte sich genug behauptet, um ebenso mit Respekt angesehen zu werden.
 

Es sei denn, Wei Ying bekäme Wind von diesen Gerüchten und fühlte sich dadurch unwohl. Dann würde er nicht zögern und der Welt mitteilen, dass sie nichts weiter als Brüder im Geiste wären.
 

„Lan…Zhan…“, hörte er es erneut murmeln und es war Wei Ying, der sich nun an ihn schmiegte und eine Hand in seiner weißen Robe vergrub.
 

Es ließ sein Herz höherschlagen, das er fürchtete, dass Wei Ying durch das aufgeregte Pulsieren aufgeweckt würde, war sein Kopf genau darüber gebettet.
 

Vorsichtig nahm er diesen auf seine Arme, um ihn nach unten und in die Jingshi zu bringen.
 

Er entdeckte den Korb gefüllt mit Pipas und schaute mit einem warmen Lächeln auf den Mann in seinem Halt.
 

„Danke, Wei Ying.“, flüsterte er diesem zu, was ihm ein schläfriges „…hm…“ einbrachte und er den Impuls nicht zügeln konnte, seine Lippen sanft auf dessen dunklen Haarschopf zu legen.
 

Er brachte Wei Ying zu seinem Bett und legte diesen behutsam darauf ab. Als er sich zurückziehen wollte merkte er, dass dieser ihn noch immer an seiner Robe festhielt und es auch nicht so erschien, als wolle er wieder loslassen.
 

„Wei Ying.“ Er strich liebevoll über dessen festhaltende Hand und verlor sich einem Moment in dem Augenblick ihn berühren zu können, ohne sich erklären zu müssen. Selbst wenn Wei Ying nun aufwachen würde, konnte er ihm einfach sagen, dass er versucht habe ihn dazu zu bringen seine Hand zu lösen.
 

Allerdings reagierte dieser nicht. Weder auf das erneute Vorbringen seines Namens, noch auf das Streichen über seinen Handrücken.
 

Und weil niemand hier war der ihn verurteilen oder zurechtweisen konnte, führte er seine Finger zu dessen Gesicht.
 

Er zögerte einen unsicheren Moment, bevor er diese über dessen Wangen streicheln ließ und ihm eine seiner Haarsträhnen zurückstrich.
 

Dann schaute er ihn so offen an, wie er es sich nie erlaubt hatte und nutzte die Gelegenheit all die kleinen, attraktiven Details abzugehen, die er über die Jahre an ihm bemerkt hatte.
 

Auch wenn dessen Augen geschlossen waren, hatte er das weiche, warme Braun, dem Fell eines edlen Pferdes gleich, genau vor sich.
 

Wei Yings Haut war blass, mit einem leichten Rotschimmer, der dessen Gesicht zierte, welcher höchstwahrscheinlich dem Alkohol zu zuschreiben war.
 

Dessen Züge hatten schon immer eine ganz eigene Eleganz wiedergegeben, mit den hohen Wangenknochen und der schlanken Kinnpartie.
 

Er schaute auf den Leberfleck, der sich an dessen Unterlippe befand.
 

Es war kein Makel.
 

Eher etwas das noch etwas mehr zu dessen Attraktivität beitrug.
 

Wie ein letzter, subtiler, aber notwendiger Pinselstrich bei einer Zeichnung, um diese zu vervollkommnen.
 

Dann mahnte er sich selbst über seinen Unwillen wegsehen zu wollen, war das letzte und mehr als verführerische Detail etwas, das ihn dazu bringen konnte unvorsichtig zu werden.
 

Wei Yings Lippen, mit ihrem einladenden Pflaumenblütenpink, waren leicht geöffnet und wirkten weich wie frischer Tau.
 

Mit einem leisen Raunen wendete er seinen Blick zur Seite und löste nun mit Bedacht Wei Yings Finger aus dem Stoff seiner Robe. Dann zog er diesem die Stiefel aus und legte eine Decke über ihn.
 

Erlaubte sich jedoch noch einmal über dessen Wange zu streicheln.
 

Schließlich begab er sich zu seinem Schreibpult, um noch ein paar Dokumente zu vervollständigen.
 

Mit Wei Ying in seiner Nähe, würde er eh nicht so einfach einschlafen können, egal wie penibel seine innere Uhr sonst auch arbeitete.
 


 

Es mochten ein, zwei Stunden vergangen sein, als er das matte Stöhnen von Wei Ying vernahm und seine Arbeit unterbrach, um zu ihm hinüber zu gehen.
 

Dieser hatte sich großflächig ausgestreckt, die Decke von sich geschoben und schaute etwas tranig an die Decke.
 

WangJi füllte ihm eine Schale mit Wasser.
 

„Hier.“, gab er diesem an, auf das Wei Ying ihn auch jetzt erst zu bemerken schien.
 

„Lan Zhan?“
 

„Mn.“ Damit hielt er ihm die Schale etwas nachdrücklicher hin, worauf sich Wei Ying aufsetzte und sie entgegennahm.
 

Dass dieser noch immer nicht ganz nüchtern war, zeigte sich in dessen schwerfälligen Bewegungen und dem unbeholfen wirkenden Blick, den WangJi als durchaus liebenswert empfand.
 

„Du solltest weiterschlafen.“, meinte er, als er ihm die leere Schale wieder abnahm, was Wei Ying allerdings mit keiner Reaktion würdigte, schaute er sich nun eingehender im Raum um.
 

Dann weiteten sich dessen Augen.
 

„Jingshi?“ Er schaute folglich auf das Bett, in dem er lag und gab ein unglückliches Jammern von sich, bevor er sich eilig daran machte aufstehen zu wollen und dabei ungeschickt über seine eigenen Füße fiel.
 

WangJi hatte es erahnt und hielt ihn von einem unangenehmen Sturz ab, indem er einen Arm um dessen Oberkörper legte und ihn damit quasi auffing.
 

„Lan Zhan, opfere nicht dein Bett, um meinen betrunkenen Hintern zu beherbergen. Ich kann auch auf dem Boden schlafen. Lass mir nicht immer so viel durchgehen.“, moserte er in einem schwammigen Ton und zappelte unbeholfen in seinem Arm herum.
 

„Es ist kein Umstand.“, vergewisserte er ihm, doch war Wei Ying in seinem jetzigen Zustand recht trotzig, dass er nur ein Schnaufen hören ließ.
 

Dann raffte er sich wieder auf und sein Blick fiel auf den Tisch, auf dem sich einige offene Schriftrollen befanden, und er nun darauf zustrauchelte. WangJi folgte ihm sofort nach, um weiteren Schaden am Inventar und Wei Ying abwenden zu können.
 

„Du bist noch immer am Arbeiten.“, nuschelte dieser anklagend und zog ein Gesicht, als habe er gerade in etwas unsagbar Saures gebissen.
 

Es war abermals ein putziger Anblick, den er am liebsten würde, festhalten wollen.
 

Wei Ying ließ sich nun neben dem Sitzkissen des Schreibtisches sinken und klopfte dann auf besagtes Kissen.
 

„Lass mich dir Gesellschaft leisten.“, erklärte er und gähnte herzhaft.
 

„Das ist nicht notwendig. Schlaf wenn du müde bist. Es macht mir nichts aus.“ Wei Ying schüttelte auf seine Worte stur den Kopf.
 

„Wenn du nicht schläfst, tu ich es auch nicht.“ WangJi kannte dessen Starrsinn zur Genüge und mit einem ergebenen „Mn.“ setzte er sich schließlich wieder an seine Arbeit.
 

Es dauerte keine fünf Minuten, als er Wei Yings Gewicht an seine Seite gelehnt spürte.
 

Er war wieder eingeschlafen.
 

So nahe aneinander war es schwer weiterzuschreiben, auf das er den Pinsel ablegte und Wei Yings schlafende Person erneut anschaute.
 

Dessen Gesicht war in dieser Position allerdings so viel näher an dem seinen, dass es ihn etwas trocken schlucken ließ.
 

Wei Ying roch nach einem sommerlichen Regenschauer und Wein aus Gusu.
 

Eine Geborgenheit die er nur bei ihm empfand, legte sich um diesen Moment.
 

Und bevor er sich versah, hatte er eine Hand unter dessen Kinn geführt und dessen Kopf damit leicht nach oben dirigiert, sich ihm soweit entgegengelehnt, dass er dessen Atem auf seinen Lippen spüren konnte.
 

Es fühlte sich an, als würde sich sein Herz im freien Fall befinden, als dieser kühne Moment zerbrach, schaute ihm Wei Ying plötzlich direkt in die Augen und drückte ihn mit der Hand auf seiner Brust von sich, während er ihm ein bittendes „Nicht…“ entgegenbrachte.
 

Es war wirklich nicht so, als habe er sich Wei Ying aufzwingen, oder den Moment ausnutzen wollen. Er hatte gehandelt ehe er sich dem selbst auch wirklich bewusst geworden war und es erschreckte ihn ebenso, wie leicht er am Ende doch die Selbstbeherrschung verlor, wenn es um den Mann neben ihm ging.
 

Doch war es nicht der Schreck sich gehen gelassen zu haben, der sein Herz hart aufschlagen ließ, sondern die Bestätigung, dass sein Verlangen keinen Platz in ihrer Freundschaft hatte.
 

Dabei war es keine Erkenntnis die ihn überraschend traf.
 

Es war das beständige Ende all seiner versteckten Tagträume und nächtlichen Fantasie.
 

Er war allein in diesem urwüchsigen Wald aus Sehnsucht, Einsamkeit und törichter Hoffnung, aus dem es für ihn einfach kein Entkommen gab. Egal wie viele Pfade er sich auch schon hindurchgeschlagen hatte, so wucherten sie mit jedem Gedanken an Wei Ying wieder zu, dass er sein verloren gehen darin längst akzeptiert hatte.
 

„Entschuldige.“ Und er meinte es ehrlich, auch wenn ihm die Scham über diesen Ausrutscher ein unangenehmes Stechen unter seiner Haut fühlen ließ und er sich noch etwas mehr von ihm zurückzog.
 

Die Hand, die ihn noch immer auf Distanz hielt, festigte sich jedoch in seinem Gewand, bevor er hätte gänzlich aus dessen Reichweite gelangen können, was ihn Wei Ying etwas überfordert ansehen ließ.
 

„Ich hab zu viel getrunken…“ Etwas das WangJi nicht bestreiten konnte und er nach einem tiefen Durchatmen sanft dessen Hand umschloss.
 

„Leg dich wieder hin.“ Damit half er ihm nach oben und brachte ihn zum Bett zurück, wo er ihn absetzte.
 

Erneut griff Wei Ying nach einem Stück seiner Gewandung, als er dabei war dessen Beine hochzulegen, schien dieser nicht dazu bereit sich mehr als nötig bewegen zu wollen.
 

„Dieser Körper verträgt nicht viel. Früher hätte es mich nicht gestört, doch jetzt…“, nuschelte er, während er sich handhaben ließ und weiterhin an ihm festhielt.
 

„Ich will mich daran erinnern…Lan Zhan…“ Er zupfte nachdrücklich an dem Stoff zwischen seinen Fingern.
 

„Küss mich, wenn ich wieder nüchtern bin.“ Wei Ying rollte sich darauf wie eine Katze zusammen und gab ein leises, betrunkenes Schmatzen von sich. „…ich will mich daran erinnern können…“, wiederholte er, dann war er auch schon wieder eingeschlafen.
 

WangJi hatte keine Ahnung, wie lange er neben Wei Ying stand und ihn völlig überrumpelt ansah.
 

Dürfte er wirklich?
 

Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass Wei Ying auch seine Worte vergessen hatte, sobald er wieder zu sich kam?
 

War es nur der Wein, der ihn so etwas hatte sagen lassen, oder steckte doch etwas Ehrliches hinter dieser Aufforderung?
 

Jeder Tropfen Hoffnung brachte eine weitere, fragile Blütenrispe in ihm hervor.

Der folgende Tag schien nicht viel anders verlaufen zu wollen als der Vergangene, hatte WangJi die Jingshi bereits verlassen, als Wei Ying wieder zu sich gekommen war.

 

Man hatte ihm allerdings noch Frühstück hingestellt.

 

Zu seinem Erstaunen war es gut gewürzt. Genau so scharf wie er es mochte und ausreichend genug, um auch davon satt zu werden, dass es ihn ein wenig die Enttäuschung vergessen ließ, das er Lan Zhan trotz allem nicht hatte zu Gesicht bekommen können.

 

Ein paar entkernte Pipas lagen ebenso in einer Schale auf seinem Tablet und es ließ ihn liebevoll schmunzeln.

 

Hatte sich Lan Zhan etwa die Mühe damit gemacht?

 

Es war ein wärmender Gedanke es sich vorzustellen.

 

Er vermisste ihn schon wieder…

 

„Nun bin ich schon hier und du hast trotzdem keine Zeit für mich Lan Zhan.“, schmollte er, während er sich nach hinten auf den Boden sinken ließ und seine Arme hinter dem Kopf verschränkte.

 

Schließlich beschloss er Kleinen Apfel besuchen zu gehen und nach Lan Zhans Hasen zu sehen.

 

Es war immer wieder ein Grund zu lächeln, wenn er daran dachte, wie sehr diesem die kleinen Fellknäule ans Herz gewachsen waren.

 

Er seufzte unglücklich.

 

Wenn er einer dieser Hasen wäre, bekäme er wenigstens ab und an ein paar Streicheleinheiten von ihm. Er könnte es sich auch ganz keck in dessen Schoß bequem machen, während man ihn hinter den Ohren kraulte.

 

Das wäre sicherlich kein schlechtes Leben.

 

 

 

Er hörte Kleinen Apfel schon, noch bevor er ihn sah.

 

Der arme Lan Novize, der sich um ihn zu kümmern hatte, schien kurz vor einem frustrierten Zusammenbruch.

 

Kleiner Apfel verstummte mit einem Male und schaute in seine Richtung, auf das dieser sogleich auf ihn zu getrappt kam.

 

Man könnte meinen er tat das, weil er sich freute ihn zu sehen, doch wusste Wei Ying das der störrische Graupelz sicherlich nur die Äpfel roch, die er für ihn aus der Lan Küche geschmuggelt hatte.

 

Der Lan Frischling gab ein erlöstes Raunen von sich und sah sein Erscheinen wohl als die Chance, sich aus dem Staub machen zu können.

 

Wei Ying konnte es ihm nicht wirklich verübeln.

 

Dieser ging noch rasch in ein ZuoYi über und war dann schon auf und davon.

 

Wei Ying ließ sich ins Gras fallen, während Kleiner Apfel sich an seinen Namensvettern sättigte, und zupfte sich einen frischen Halm von der Wiese, den er sich zwischen die Lippen klemmte.

 

Er hatte eh nichts weiter zu tun. Also legte er sich schließlich ganz ins Grün und schaute den Wolken bei ihrem dahinziehen zu.

 

Eine davon sah aus wie ein Weinkrug.

 

Wei Ying verengte ein wenig die Augenbrauen.

 

Er hatte gestern wohl reichlich getrunken, was auch erklären würde, warum er in Lan Zhans Jingshi aufgewacht war und nicht im Gästequartier.

 

War nur zu hoffen, dass er sich nicht zu sehr blamiert hatte.

 

Wenn er früher betrunken war, hatte Jiang Cheng immer seine liebe Not mit ihm gehabt, hatte sich sein Drang nach Unfug meist verdoppelt. Nicht selten hatte er Jiang Cheng mit hineingezogen. Wie das eine Mal, als er diesen dazu überredet hatte mit ihm Wildgänse zu fangen und Jiang Cheng dabei fast ein Auge verloren hätte, durch eines dieser garstigen Biester. Sie hatten einen ziemlich erbärmlichen Anblick geboten, als sie völlig durchweicht und zerbissen wieder zu Hause aufgetaucht waren.

 

Madam Yu hatte ihn oft genug einen schlechten Einfluss auf ihren Sohn genannt, doch egal wie sehr sich sein Bruder auch aufgeregt hatte, dass er nur wegen ihm in solche Schlamassel geriet, so hatte Jiang Cheng ihn nie wirklich von sich gestoßen.

 

Shī jiě hatte ihm einmal erzählt, dass dieser froh war nun einen Bruder zu haben, es nur einfach nicht so offen zeigen oder zugeben konnte.

 

Es hatte ihm gereicht sich zukünftig nicht mehr von dessen aufbrausender Art entmutigen zu lassen und er gelernt damit umzugehen.

 

Er fragte sich was Jiang Cheng wohl gerade tat.

 

Ob er ebenso beschäftigt war, wie Lan Zhan?

 

Immerhin war er das Oberhaupt des Yunmeng Jiang Clans.

 

Wei Ying schloss seine Augen und ließ seine Gedanken gleich den Wolken treiben.

 

Ein Bild von Lan Zhan tauchte vor seinem inneren Auge auf.

 

Es hätte eine seiner blühenden Fantasien sein können, doch erschien es ihm merkwürdig greifbar.

 

So wie er sich einbildete dessen Robe zwischen seinen Fingern, beinahe spüren zu können, während sie sich so unsäglich nahe waren.

 

Mit einer unwohlen Erkenntnis riss er die Augen wieder auf und setzte sich aufrecht.

 

Hatte er gestern Abend, womöglich ein paar Hemmungen zu viel abgelegt?

 

Sollte dem so sein, wäre Lan Zhan sicherlich wenig darüber erfreut gewesen.

 

Dass er ihn als schamlos empfand hatte er oft genug gesagt, doch war dies noch lange keine Rechtfertigung dafür, dass er sich ihm bei der ersten trunkenen Gelegenheit an den Hals warf.

 

Ein betretenes Raunen rutschte über seine Lippen und er rieb sich den Hinterkopf in einer Geste der Verlegenheit.

 

Vielleicht war es besser, wenn er ihm heute aus dem Weg ging und sich später entschuldigte.

 

Außerdem sollte er die Finger vom Alkohol lassen, solange er hier Gast war, um sich nicht weiter in unkontrollierbare Peinlichkeiten zu bringen.

 

Trotzdem brachte der Gedanke, ihm womöglich so nahe gewesen zu sein, ein angenehmes Kribbeln mit sich.

 

Und wenn er schon nicht mit Lan Zhan schmusen konnte, dann wenigstens mit seinen Hasen.

 

Er brauchte jetzt wirklich etwas, das ihn ein wenig von dem Bedürfnis, diesen zu umarmen und bei sich halten zu wollen, befreien konnte.

 

 

 

Irgendwie hatte ihn die Jugend ausfindig gemacht und er erfahren, dass morgen das Lichter Festival stattfinden sollte und er ihnen ruhig bei den Vorbereitungen dazu behilflich sein könnte.

 

„Wenn du hier eh nur auf HanGuang-Juns Kosten faulenzt.“ So Jin Lings Worte.

 

Und da er sich tatsächlich gelangweilt hatte ohne Lan Zhan, ließ er sich einspannen.

 

Sehr zum Verdruss von Lan QiRen und ein paar anderen Ältesten.

 

Jemand erwähnte das Laternensteigenlassen und Wei Ying kam ein Gedanke.

 

„Jin Ling.“, winkte er seinen Neffen zu sich heran, der von seiner gemeinsamen Arbeit mit SiZhui, das Feld eines der hölzernen Sichtschutzzäune zu reparieren, nur widerwillig zu ihm schaute.

 

Wei Ying ruderte noch etwas nachdrücklicher mit seinem Arm, um ihn doch noch dazu zu bewegen zu ihm herüber zu kommen.

 

Mit einen genervten Murren raffte sich Jin Ling schließlich auf. Kaum war dieser nahe genug, legte Wei Ying ihm einen Arm über die schmalen Schultern und zog ihn zu sich. Er schaute noch einmal kurz zu SiZhui der sie aber nicht weiter beachtete.

 

Jin Ling zappelte unwillig unter seinem Halt.

 

„Was!?“, zischte er, gleich seinem Onkel.

 

Gott diese zwei mussten wirklich mal lernen zu entspannen.

 

„Morgen; frag SiZhui, ob er mit dir zusammen eine Laterne baut.“

 

„Warum? Ich kann das sehr wohl allein! Ich bin nicht so unfähig, wie du denkst, klar!“ Wei Ying raunte ergeben über die Begriffsstutzigkeit seines Neffen.

 

„Das wollte ich damit auch nicht sagen. Es ist nur so, dass dieser Brauch eine bestimmte Bedeutung hat, wenn man dies mit einer anderen Person zusammen tut.“ Jin Ling sah ihn wieder mit diesem skeptischen Blick an und Wei Ying schnalzte etwas frustriert.

 

„Es soll dem Pärchen Glück bringen, wenn du verstehst was ich meine?“ Und genau mit so einem Ausdruck schaute er seinen Neffen auch an.

 

Verstehst du was ich meine?

 

Er wippte noch untermauernd mit den Augenbrauen.

 

Der Rotton auf Jin Lings Wangen ließ annehmen, dass er ihn verstanden hatte, doch anstatt nun peinlich berührt davon zu stampfen, schaute dieser ihn nun herausfordernd an.

 

„Woher weiß ich, dass du dich nicht nur über mich lustig machen willst?“

 

Gut, das war jetzt keine Unterstellung, die er unbegründet fand. Denn ja, er mochte es andere gern mal etwas vorzuführen, doch in diesem Fall hegte er keine solche Ambitionen. Immerhin ging es um zwei Person die ihm sehr wichtig waren. Auch wenn Jin Ling es ihm nicht glauben würde, selbst wenn er es ihm mit sämtlicher, ihm möglichen, Ernsthaftigkeit vorbrachte.

 

„Ich tu es, wenn ich es nicht allein tun muss.“, hörte er diesen vorschlagen. „Frag HanGuang-Jun, ob er mit dir zusammen eine baut und ich werde SiZhui fragen.“ Wei Ying zuckte auf diese Worte leicht mit den Schultern.

 

Wenn Jin Ling sich damit sicherer fühlte.

 

„Klar, warum nicht.“ Es wäre auch nicht das erste Mal, dass er mit Lan Zhan eine Laterne gebaut hätte, von daher.

 

„Aber enttäusch mich nicht, klar.“, grinste er seinem Neffen albern zu, was Jin Ling den Kopf schütteln ließ. Eine Geste, die er ebenso von seinem Onkel abgeschaut haben musste, wenn es um ihn ging.

 

„Dasselbe gilt für dich.“, knurrte er, gefolgt von einem leisen „….und so einer soll mal ein Genie gewesen sein.“, bevor er sich wieder an seine Aufgabe machte.

 

 

 

Zu Wei Yings großer Überraschung waren ein paar Gäste zum Lichter Fest geladen, die am nächsten Morgen nach und nach eintrafen und er sich von einem Schwall überschwänglicher Energie überkommen sah, dass er kaum zur Ruhe kommen konnte.

 

Er hatte Lan Zhan gestern nur kurz gesehen und ihm fiel sofort auf, dass dieser angespannter als sonst wirkte, auch wenn er nicht viel anders als sonst erscheinen mochte. Doch über die Jahre hatte er gelernt aufmerksamer zu sein. Die kleinen Merkmale zu erkennen, die man nur entdeckte, wenn man direkt danach Ausschau hielt.

 

Er hatte ihn deswegen auch nicht aufgehalten und ihm lediglich ein Papiermännlein in seiner Jingshi hinterlassen, das ihm mitteilen würde, dass er sich ausruhen sollte und ihm darüber ebenso eine Gute Nacht gewünscht.

 

Die Nacht im Gästequartier war genau so kalt und einsam verstrichen, wie in all den Unterkünften, die er auf seiner Reise bezogen hatte.

 

Jiang Cheng begegnete ihm mit einem Augenrollen, als er diesem mit seinem etwas unsicheren Grinsen gegenüberstand, war ihr letztes Zusammentreffen doch recht aufreibend gewesen, nachdem dieser erfuhr, dass er ihm seinen goldenen Kern überlassen hatte.

 

Nicht zu vergessen das Chaos, das sich zu jener Zeit im Guanyin Tempel um sie herum entfaltete.

 

Wei Ying wusste noch immer nicht recht, wie er sich seinem Bruder gegenüber verhalten sollte, war ihr Abschied nicht mehr als ein wortloses Verschwinden seinerseits gewesen.

 

Einfach, weil er ihm endlich den Frieden geben wollte, den dieser zuvor im Lotus Pier von ihm gefordert hatte.

 

Am Ende war es wohl auch das Beste für sie beide, selbst wenn er nicht bestreiten konnte, dass er seinen Bruder dennoch vermisste.

 

Immerhin hatte er einen Großteil seines ersten Lebens mit ihm zusammen verbracht.

 

Nun sah dieser so aus, als würde er ihm gleich wieder die Leviten lesen wollen.

 

Worüber auch immer.

 

„Hast du nichts zu sagen? Sollte sich über all die Jahre doch noch etwas an deiner großen Klappe gebessert haben?“

 

Jiang Chengs Worten lag keine Bissigkeit inne, wie er es beinahe erwartete, nur die alteingesessene Genervtheit die er sich in Bezug auf ihn schon bei Zeiten angeeignet hatte.

 

Es ließ Wei Ying leicht aufatmen.

 

Er war gerade dabei etwas erwidern zu wollen, als Jiang Chengs Blick ein Stück zur Seite abdriftete und er diesem interessiert folgte, wirkte dessen Gesichtsausdruck mit einem Male ungewohnt sanft.

 

Ein Ausdruck, den er bei ihm wohl das letzte Mal gesehen hatte, als sie Teenager waren.

 

Zu seinem Erstaunen, erfasste sein Blick niemand anderen als Lan Huan.

 

Dieser schritt in der üblichen Lan Anmut über den schneeweißen Kiesweg und schien in Gedanken vertieft.

 

Wei Ying fragte sich, wie es diesem nach seiner Isolation ging.

 

Er hatte keine Gelegenheit gehabt Lan Zhan danach zu fragen.

 

Jiang Cheng sah nun ebenso etwas nachdenklich aus. Dieser war schon dabei sich in Bewegung zu setzen, als ihm wohl wieder einfiel, dass er sich gerade noch mit ihm zu unterhalten gedacht hatte.

 

Abrupt wechselte dessen Ausdruck zu etwas, das man als Verlegenheit deuten mochte.

 

Auf was genau sich diese bezog, war Wei Ying allerdings nicht gänzlich klar.

 

Dennoch empfand er es als eine interessante Beobachtung. Und weil er eben schon immer ein unmöglicher Mensch gewesen war, hielt er sich auch nicht zurück Jiang Cheng ein wenig aufzuziehen.

 

„Du siehst aus, als wäre dir dein geheimer Schwarm über den Weg gelaufen.“, stichelte er diesen, was Jiang Cheng leicht den Unterkiefer anspannen ließ, er aber noch nicht ansetzte ihn anzumaulen.

 

´Na, da schien wohl jemand an seinem Temperament gearbeitet zu haben. `

 

„Also, wenn du lieber mit ZeWu-Jun reden willst, nur zu.“ Er hatte es als einen Scherz angesetzt, doch war er es der sich reichlich überrumpelt fühlte, als Jiang Cheng darauf kurz nickte und mit einem „Danke, wir sehen uns später.“ an ihm vorbeizog und tatsächlich Lan Huan folgte.

 

Wei Ying blinzelte ungläubig über diese äußerst unerwartete Wendung.

 

War das wirklich Jiang Cheng gewesen?

 

Sein Bruder, dessen Launen immer derart unberechenbar waren?

 

Was um alles in der Welt war in diesem letzten Jahr passiert, um ihn nun so…so gezähmt erscheinen zu lassen?

 

Seine Gedanken kamen zu einem abrupten Ende, als ihm jemand mit einem Fächer auf die Schulter klopfte und er daraufhin in Nie HuaiSangs schelmisch schmunzelndes Gesicht schauen konnte.

 

„Wei Xiōng, was für eine Überraschung, den großen Yiling Patriarchen hier anzutreffen. Sag nicht die Welt war dir zu klein.“ Wei Ying lachte leicht und legte seinem alten Freund einen Arm über die Schultern.

 

„Clan Führer Nie. Was will ich in der Welt, wenn es den besten Wein nur in Gusu gibt.“ Nie HuaiSang klopfte ihm daraufhin mit seinem Fächer leicht gegen die Brust, und sie fielen ohne weiteres in ein lockeres Gespräch, das er so auch nur mit Nie HuaiSang führen konnte.

 

„Hast du schon den Lotus See gesehen?“, fragte dieser, als sie sich für einen Tee gesetzt hatten.

 

„Habe ich. Es war eine rechte Überraschung. Wer hätte gedacht, das Lan Zhan so Lotus vernarrt ist, dass er hier einen anlegen lassen würde. Ich frage mich was Jiang Cheng dazu sagt.“

 

„Er hat ihm damit geholfen.“, weihte ihn Nie HuaiSang ein und nippte an seinen Tee.

 

„Huh?“ Wei Ying hatte das Gefühl, das er eindeutig zu viel verpasst hatte über sein Herumreisen. Soweit er sich erinnern konnte, war Jiang Cheng immer recht bitter, wenn es um Lan Zhan ging. Zwar waren sie nun beide die Führer ihrer Clans, doch glaubte er nicht, dass Jiang Chengs Toleranz Lan Zhan gegenüber über politische Belange hinausgehen würde.

 

Und nun sollte gerade er geholfen haben, für ihn so etwas Diesseitiges, wie einen Lotus See anzulegen?

 

Es war das eine wie das andere, das Wei Ying konfus zurückließ.

 

„Ehrlich, da komme ich nicht mehr mit. Ich war gerade mal ein gutes Jahr unterwegs und irgendwie scheint sich alles in die ungewöhnlichsten Richtungen entwickelt zu haben. Als nächstes erzählst du mir noch, das Lan Zhan eine Freundin hat.“ Es sollte ein unsinniger Kommentar sein, um seine Perplexität zu verdeutlichen, doch traf ihn bei seinem Kommentar ein derart aufwühlendes Gefühl, dass es ihn trocken schlucken ließ.

 

Denn die Möglichkeit, dass Lan Zhan jemanden für sich gefunden hatte, war nicht unrealistisch.

 

Er hatte nur nie wirklich daran gedacht, über all die Aufregung und der Jagd nach der Wahrheit.

 

Wer sagte denn, dass dieser nach all der Zeit noch immer nicht gedachte sich einen Partner suchen zu wollen, wie er es damals einmal gesagt hatte?

 

Wer wollte denn letztendlich schon freiwillig sein ganzes Leben lang allein bleiben?

 

Es war zudem nicht das erste Thema was man aufrollte, wenn man sich nach all der Zeit wiedersah. Somit konnte er noch nicht einmal behaupten, dass Lan Zhan etwas vor ihm geheim gehalten hätte.

 

Lan Zhan hatte nie erwähnt das er Kinder wolle, aber er wusste nun aus erster Hand, dass dieser ein enorm guter Vater wäre. Es wäre nicht auszuschließen, dass er über die Jahre seine Ansicht geändert hatte und das Gründen einer eigenen Familie keine Unmöglichkeit mehr für ihn darstellte.

 

Was wenn…

 

„Wei Xiōng? Hey…“ Jemand wedelte mit etwas vor seinem Gesicht herum, das er als Nie HuaiSangs Fächer erkannte und er diesen etwas gehetzt anschaute.

 

„Gibt es jemanden, den Lan Zhan für sich ausgewählt hat?“, polterte seine Frage schon hervor, bevor er abwägen konnte, ob er die Antwort darauf wirklich wissen wollte.

 

Nie HuaiSang zog eine Augenbraue nach oben, als wolle er sagen, dass dies doch zu erwarten sei. Immerhin ging es hier um HanGuang-Jun.

 

„Natürlich hat er das.“ Nie HuaiSang, klang beinahe ermahnend über seine gerade offenbarte Ignoranz.

 

Wei Ying setzte ein schiefes Grinsen auf, ließ dann aber den Kopf hängen.

 

Plötzlich fühlte er sich wieder so fehl in dieser Welt, in der jeder den er kannte und mochte an ihm vorbeizog und sich ein Leben aufbaute, in dem er nichts mehr zu suchen hatte.

 

Die Einsamkeit, die er darauf fühlte, war wie jene die er damals in den Burial Mounds empfunden hatte.

 

Er war eben schon immer der Außenseiter gewesen.

 

Dass er genau deswegen immer versucht hatte sich mit anderen zu umgeben, sich deren Bewunderung oder auch Freundschaft zu verdienen, er das Alleinsein so scheute, hatte er nie jemandem gesagt.

 

Seine Shī jiě hatte es selbst herausgefunden und ihn stets versichert, dass er nun nicht mehr allein sein würde. Nicht mit ihr und Jiang Cheng an seiner Seite.

 

Jiang Cheng hatte nie eine Theorie dazu verlauten lassen, aber auch er schien irgendwann dahinter gestiegen zu sein, warum er manchmal so unglaublich anhänglich sein konnte.

 

Seine Shī jiě war nun nicht mehr unter ihnen.

 

Jiang Cheng kaum noch bereit ihn als seinen Bruder zu sehen.

 

Und Lan Zhan…

 

Er war der einzige, wo er sich immer noch hin flüchten konnte, auch wenn dieser seine aufdringlich erscheinende Art wohl auch nur akzeptierte, weil er mit ihm nicht unnötig aneinandergeraten wollte.

 

Und nun war auch diese letzte Zuflucht dabei sich vor ihm zu verschließen.

 

„Tut mir leid, aber mir fiel gerade ein, dass ich noch bei den Vorbereitungen helfen sollte.“ Es war nicht unbedingt gelogen, aber man hatte ihn heute auch für nichts eingeteilt. Nicht nachdem er gestern mit seinem Feuerkäfer- Talisman sämtliche Helfer von ihrer Arbeit abgebracht hatte, da besagte Käfer in Schwärmen wie wilde Funken umhergeschwirrt waren und man aus dem Händerudern gar nicht mehr herauskam, um diese von sich fernzuhalten.

 

Dennoch war es ein brauchbarer Vorwand verschwinden zu können und sein jammerndes Herz ungesehen in einen Weinkrampf rutschen zu lassen.

 

Wirsch rieb er sich mit seinem Ärmel über seine Augen auf der Flucht vor allem und jedem.

 

Gott, er war wirklich erbärmlich.

 

Schließlich fand er sich auf der Hasenwiese wieder und lachte niedergeschlagen, als er sich einfach ins Gras setzte und den Kopf wieder hängen ließ.

 

Er hatte sämtliche Gedanken blockiert, da sie ihm zu anstrengend erschienen und er somit auch nicht sagen konnte wie lange er hier schon hockte, als er den vertrauten Geruch von Sandelholz wahrnahm, dem ein fragendes „Wei Ying?“ folgte.

 

Sein Herz machte einen glücklichen Satz, doch schaute er dennoch nicht auf, einfach weil er wusste, dass er sich bei Lan Zhans Anblick einfach nur noch verlorener fühlen würde.

 

Dieser setzte sich nun in etwas Abstand neben ihn und sie schwiegen einen weiteren Moment.

 

„Was ist los?“ Lan Zhan klang besorgt und es ließ Wei Ying leise und schuldbewusst seufzen.

 

Er musste ihm nicht noch mehr Stress bereiten, als dieser eh schon hatte.

 

Somit schulte er seine Gesichtszüge und schaute schließlich zu ihm, eines seiner übertünchenden Lächeln auf den Lippen.

 

„Keine Sorge, ich hab nur nicht gut geschlafen. Das ist alles.“ Lan Zhan sah nicht so aus, als würde er ihm diese Ausrede abkaufen und Wei Ying grinste noch etwas breiter, bevor er ansetzte weiter von seinem Zustand abzulenken.

 

„Hast du dir etwa Sorgen gemacht Lan Zhan? Oder hast du befürchtet, dass ich wieder irgendwelchen Unsinn anstelle?“

 

„Ich mache mir immer Sorgen um Wei Ying.“, bekam er als eine klare Antwort, verbunden mit einem ebenso resoluten Blick.

 

„Ach Lan Zhan…Lan Zhan… Mach dir keine Gedanken um mich, wenn es genug andere Dinge gibt die wichtiger sind, hm.“

 

„Wei Ying ist ebenso wichtig.“ Auf diese bestehenden Worte konnte Wei Ying nicht anders als ehrlich zu lächeln.

 

Und weil er sich gerade schamlos fühlte, und jeden Moment, den er mit Lan Zhan verbringen konnte, nutzen wollte, ließ er sich schließlich zur Seite kippen, auf das sein Kopf auf dessen Oberschenkel zum Ruhen kam.

 

Lan Zhan ließ ihn gewähren und er schloss mit einem zufriedenen Raunen seine Augen.

 

Wenn es nur immer so sein könnte.

 

„Halte ich dich nicht von deinen Pflichten ab.“, fragte er dennoch, was man ihm mit einem festen „Nein.“ beantwortete und er es sich noch etwas gemütlicher in seiner Position machte.

 

Einer der Hasen zupfte kurz darauf an seiner Robe. Wei Ying nahm den kleinen, pelzigen Frechdachs auf und drehte sich auf den Rücken, um ihn sich auf die Brust setzten zu können. Er graulte ihn versonnen hinter den Ohren und schmunzelte, bevor er wieder das Wort an Lan Zhan richtete.

 

„Lan Zhan, lass uns heute Abend zusammen eine Laterne bauen.“ Es blieb still auf seine Bitte und er schaute unsicher zu diesem hinauf, ob er ihm damit womöglich unerwünscht gekommen war.

 

Lan Zhan schaute auf den Hasen, der noch immer auf seiner Brust saß und wirkte unentschlossen.

 

„Schon in Ordnung, wenn du nicht möchtest. Es war wohl eine unangebrachte Bitte, hm? Nun wo du…“

 

„Ich möchte es.“, wendete dieser doch noch ein und schaute von dem Hasen zu ihm.

 

„Zusammen.“ Wei Ying konnte nicht anders als seinen Arm zu heben und mit seinen Fingern leicht durch dessen Haar zu streichen, das diesem wie ein nachtschwarzer Wasserfall über das magnolienweiße Gewand fiel.

 

Ein hellblauer Schimmer brach durch die dunklen Kaskaden und Wei Ying war forsch genug ein wenig mit dem seidenen Band zu spielen, bevor er sich besann, dass es nicht er war dem dieses Recht gehörte und er seine Hand mit einem Seufzen wieder senkte.

 

Der Hase hoppelte wieder von ihm herunter.

 

Es waren ein paar plüschige Langohren mehr geworden, die sich nun um sie tummelten, wohl weil sie alle etwas von Lan Zhans Zuneigung abbekommen wollten, was ihn in einem kindlichen Akt beide Arme um dessen Taille legen ließ und er die munteren Fellknäule trotzig ansah.

 

„Ihr braucht gar nicht so zu schauen, HanGuang-Jun gehört jetzt mir, klar. Ihr werdet schon genug gestreichelt.“

 

Es war lediglich eine seiner albernen Phasen, die ihn manchmal überkamen, auch wenn er nur zu gerne an Lan Zhan festhielt, damit er ihn ungestört für sich haben konnte.

 

Umso perplexer fühlte er sich, als dieser nun eine Hand auf seinen Kopf legte und begann darüber zu streicheln, als wäre er ebenso einer der Hasen.

 

Es ließ ihn ebenso kindlich glucksen und sich noch etwas mehr gegen ihn kuscheln.

 

Lan Zhan mochte nur seiner Albernheit gefolgt sein, aber er nahm was man ihm gewährte, selbst wenn er sich die tiefere Zuneigung hinter dieser Geste nur einreden konnte.

 

Erneut entging ihm wieviel Zeit verstrichen sein mochte, war er an einem Punkt in ein angenehmes Dösen abgedriftet, als er Lan Zhans sanfte Stimme vernahm, die ihn langsam wieder zu sich brachte.

 

„Wir sollten zurückgehen.“, meinte dieser, ohne das Streichen seiner Hand durch seine Haare zu unterbrechen.

 

Wei Ying war wirklich, wirklich verleitet ihm zu sagen, dass sie einfach hierbleiben sollten. Dass er wünsche, dass dieser Moment auf ewig andauerte. Doch am Ende würde man eh nach ihnen, oder mehr nach ihrem HanGuang-Jun suchen und er raunte etwas widerwillig, bevor er sich aufrichtete.

 

 

Sie sagten nicht viel, als sie den schmalen Waldpfad zurück zur Residenz nahmen, aber es war auch keine unangenehme Stille, selbst wenn er sonst das Reden nicht lassen konnte. Ihre Schultern streiften sich ab und an sacht und es reichte aus, um Wei Ying versonnen lächeln zu lassen.

 

Eine leise Stimme drang plötzlich an sein Ohr.

 

Wei Ying hätte sie überall wiedererkannt, doch war es erneut recht ungewohnt sie in solch einem unsicheren Ton zu hören.

 

Er erspähte den lilafarbenen Stoff von Jiang Chengs Gewandung, und zu seiner Verwunderung war dieser noch immer mit Lan Huan unterwegs.

 

Was taten die beiden hier?

 

Er hatte diesen Gedanken noch gar nicht recht zu Ende gedacht, da hatte er Lan Zhan schon an der Hand gegriffen und war weiter auf die anderen Beiden zugeschlichen, bevor er sich hinter einem üppigeren Strauch absenkte und verstohlen darüber spähte.

 

„Lauschen ist in der Wolkenschlucht untersagt.“, ermahnte ihn Lan Zhan, doch hatte Wei Ying dafür nur ein ungeduldiges Schnalzen übrig und zog etwas nachdrücklicher an dessen Ärmel, dass dieser sich neben ihm in Deckung begeben sollte.

 

„Nur kurz, versprochen.“ Er linste wieder durch das Gebüsch und raunte überlegend.

 

„Lan Zhan, was hat mein Bruder mit deinem Bruder zu tun? Findest du es nicht auch seltsam, dass sie zum Reden hier draußen sind? Warum sich nicht in der Residenz einen Platz dafür suchen?“ Ihm gingen diverse Fragen zu dem Ganzen durch den Sinn. Ein genauer Blick in Jiang Chengs Gesicht und seine Verwirrung zeigte sich noch etwas mehr, indem er seine Augenbrauen zusammenzog.

 

„Was ist mit den beiden?“, murmelte er und schlich sich etwas näher heran, Lan Zhans zurechtweisendes „Wei Ying“ ignorierte er aus alter Gewohnheit, war seine Neugier einfach zu groß.

 

„Ich wollte mich zudem bedanken.“, sagte Jiang Cheng und seine Wangen wurden tatsächlich etwas rot.

 

„Wofür?“ ZeWu-Juns Stimme war warm und sanft in ihrer Frage und er schaute Jiang Cheng ebenso einfühlsam an, worauf dieser seinen Blick senkte und sich kurz räusperte.

 

War er etwa verlegen?

 

„Unser Kontakt hat mir wirklich geholfen mit einigen Dingen zurecht zu kommen und auch manches besser zu verstehen.“

 

ZuWu-Jun lächelte.

 

„Wenn, dann habe ich mich zu bedanken.“ Dieser trat nun näher an Jiang Cheng heran, der darauf nervös zu werden schien.

 

Was ging hier nur vor sich?

 

„Ich gebe zu das ich nicht wusste, was ich für mich erreichen wollte, als ich in die Isolation ging. Es erschien mir einfach als das einzig richtige, nach allem was vorgefallen war. Ich war bereit es meinem Vater und WangJi gleichzutun. Ich hatte zu viel Schuld in mir und doch keine rechte Ahnung, was ich damit tun sollte, außer mich mit ihr abzuschotten. Allerdings verstand ich durch unseren Briefwechsel, dass es nicht den Gründen von Vater und WangJi gleichzusetzen war und ich am Ende nur davonlief.“ Lan Huan legte Jiang Cheng eine Hand auf die Schulter. „Du hast mir wirklich geholfen die Dinge objektiver zu sehen. Zu verstehen, dass ich meine Schuld nicht ablegen kann, indem ich mich isoliere, sondern dass ich etwas tun sollte, um wenigstens etwas wieder gut zu machen.“ Dem Lächeln das Lan Huan nun zeigte, wohnte etwas inne das Wei Ying der Mund leicht aufklappte, konnte er sich das doch wohl nur einbilden, oder?

 

„Clan Führer Jiang war ein inspirierendes Vorbild für mich.“ Jiang Cheng hob zögerlich den Kopf und er erkannte dort genau denselben Ausdruck wie bei ZeWu-Jun.

 

„Wei Ying. Genug.“ Er war zu geplättet, als dass er wirklich protestieren konnte und ließ sich von Lan Zhan wegziehen.

 

„Wusstest du davon?“, fragte er ihn schließlich, als sie außer Hör- und Sichtweite waren.

 

„Die Briefe deines Bruders waren alles, was er während der Isolation an Kontakt zugelassen hatte.“

 

„Wie…wie kommt Jiang Cheng dazu ihm zu schreiben? Ich meine…. Und ist dir aufgefallen, wie sie einander angesehen haben?“

 

„Es ist nicht unsere Angelegenheit.“, unterbrach ihn Lan Zhan ernst und Wei Ying wusste, dass er von ihm dazu nichts weiter zu erwarten hatte.

 

„Spielverderber.“, schmollte er trotzig.

Es deutete alles auf einen wolkenlosen Abend hin, wenn unter auch ein wenig kühl, doch schenkte WangJi dem nicht weiter Beachtung, kreisten seine Gedanken um etwas ganz Bestimmtes.

 

Wei Ying hatte ihn gefragt, ob sie zusammen eine Laterne bauen würden.

 

Auch wenn er sich nach ihrer Rückkehr noch einmal seiner Arbeit widmen musste, hatte diese Bitte ihn nicht mehr in Ruhe gelassen.

 

Zum einem, weil er ungemein gern Zeit mit Wei Ying verbrachte und dies eine dieser Gelegenheiten wäre.

 

Zum anderen, weil er hoffte, das Wei Ying mit seinem Vorschlag etwas mitteilen wollte.

 

Dieser musste wissen, was jenem Brauch zugesagt wurde, oder nicht?

 

Damals war es diesem nicht bewusst gewesen. Erst durch das Fiasko mit seiner Schwester und Jin ZiXuan, hatte er davon erfahren.

 

Auch wenn es für sie beide, zu jener Zeit einfach nur das Zusammenarbeiten unter Studenten gewesen war.

 

Er hatte Wei Yings Worte von jenem Abend, als dieser betrunken war, ebenso nicht vergessen und womöglich hatte er ja seine ehrlichen Gedanken ausgesprochen, hieß es doch, dass im Wein Wahrheit liege.

 

Es ließ ihn abwägen, ob er sich ein Herz nehmen und ihm heute beim Laternensteigenlassen offenbaren sollte, was dieser ihm wirklich bedeutete.

 

Wei Yings zutrauliche Art, wenn sie zusammen waren, war zudem etwas das seine Hoffnungen nur noch mehr beflügelte.

 

Sollte er es darauf ankommen lassen?

 

Immerhin war diese Tradition ebenso dazu da, einen Wunsch in den Himmel zu schicken und vielleicht würde man ihm diesen sogar erfüllen.

 

Er hatte Wei Ying schon zu oft aus seinem Leben gehen sehen und er wollte endlich den Mut aufbringen ihm zu sagen, dass er das Licht war das die Triebe, die schon längst durch sein Herz hindurchgebrochen waren, zum Leben brauchten.

 

Das jedes Lächeln, jeder gefühlvolle Blick und jede Berührung von ihm die Nahrung waren, die diese mit solch einem Lebenshunger versahen.

 

Ein Leben, das er nur mit ihm an seiner Seite bestreiten wollte.

 

 

 

Es ging bereits gediegen lebhaft zu, als er die Jingshi schließlich wieder verließ und sich zu dem Plateau begab, von welchem sie die Laternen würden steigen lassen.

 

Die jüngeren Anhänger des Clans grüßten ihn respektvoll, wenn sie ihm begegneten, huschten dann aber auch schon unter animierten Schwatzen weiter.

 

Er entdeckte Wei Ying, der sich mit Jin Ling unterhielt und nach ein paar getauschten Worten seinen Neffen breit angrinste. Dieser schien, wie so oft, nicht recht zu wissen, wie er mit der Attitüde seines zweiten Onkels umzugehen hatte und ein Stirnrunzeln zeigte, dem etwas Genervtes innewohnte.

 

WangJi hatte wirklich befürchtet, das Jin Ling Wei Ying nie würde verzeihen können, selbst als aufgedeckt wurde, dass man ihn und Wen Ning damals manipuliert hatte.

 

Er wußte durch SiZhui, das dem nicht so war. Das Jin Ling einfach nur nicht wusste, wie er aus seiner störrischen Schale ausbrechen sollte, hatte er zu lange damit zugebracht diese zu festigen.

 

Doch wenn man etwas genauer hinsah erkannte man, dass diesem die Aufmerksamkeit seines aufgeweckten Onkels nicht unangenehm erschien und sich sein finsterer Blick öfter erweichte, als es Jin Ling wohl selbst bewusst war.

 

Wei Ying klopfte diesem nun auf die Schultern und Jin Ling schien kurz tief durchzuatmen, bevor er sich mit einem leichten Schubs in die Richtung der anderen Studenten schieben ließ, die sich um Wen Ning versammelt befanden, der gerade etwas mit einer imposanten Geste seiner Hände erzählte und die Jugend fasziniert staunen ließ.

 

Sie hatten ihn wirklich schnell akzeptieren gelernt und er war froh Wei Ying in dieser Hinsicht versichern zu können, dass Wen Ning Freundschaften geschlossen hatte und sich sein Leben so gut es ging für sich selbst erarbeitete.

 

„Wen Ning, schau das die Jungs keine Dummheiten machen, ok?“, rief Wei Ying noch hinüber, was Wen Ning pflichtbewusst nicken ließ und er einen Daumen hoch zeigte.

 

WangJi schloss nun zu Wei Ying auf, der ihn mit einem herzlichen Strahlen begrüßte, dann seinen Blick noch einmal zu Jin Ling schickte und ihm albern zuzwinkerte.

 

„Lan Zhan.“ Wei Ying sah wirklich glücklich aus und es beruhigte sein Herz, das seine Niedergeschlagenheit von vorhin sich wieder aufgelöst zu haben schien.

 

„Ich war wirklich positiv überrascht, dass ihr Wen Ning erlaubt habt heute ebenso hier sein zu dürfen. Er wirkt jetzt viel offener und selbstbewusster. Er scheint wirklich zufrieden mit seinem Leben oder viel mehr seiner Existenz zu sein. Es ist beruhigend zu sehen, dass er neben SiZhui auch noch ein paar andere Freunde gefunden hat. Ich hatte irgendwie immer die Befürchtung, dass man es ihm nur wieder unnötig schwer machen würde, wenn er auf sich gestellt wäre.“ Wei Ying griff nun überraschend nach einer seiner Hände und drückte sie liebevoll.

 

„Danke, dass du mit ein Auge auf ihn hattest. Das bedeutet mir wirklich viel.“ Wei Ying ließ seine Hand nicht wieder los, als er sich daraufhin umdrehte und ihn mit einem, „Na los, komm. Lass uns keine Zeit verschwenden.“ zu der Stelle zog, wo er bereits das nötige Material für den Laternenbau zusammengetragen hatte.

 

Bei genauerer Betrachtung war es dieselbe Stelle, an der sie damals schon zusammen hier gestanden hatten.

 

Es erinnerte ihn daran, dass ihn Wei Yings aufrichtiger und ehrenhafter Wunsch soweit beeindruckt hatte, dass es ein warmer Schauer für den bereits keimenden Spross seiner Zuneigung für ihn gewesen war.

 

„Was möchtest du diesmal gezeichnet haben? Oder führen wir die Tradition mit den Hasen fort?“ Wei Ying wartete nicht wirklich auf eine Antwort, als er ein kindliches Kichern von sich gab und schon ansetzte das Seidenpapier mit geübten Pinselstrichen zu verzieren.

 

Dieser kam nicht umhin sein Zusehen zu bemerken, worauf er sich geheimtuerisch mit seinem Papier von ihm abwandte. „Lan Zhan, nicht gucken, bevor ich fertig bin.“ Dann war er auch schon wieder in seine Arbeit vertieft.

 

WangJi machte sich daran die einzelnen Streben für den Unterbau der Laterne zusammenzufügen.

 

„Lan Zhan, erzähl mir etwas.“, forderte ihn Wei Ying unerwartet auf, war er es doch meist der Stille mit Geschichten auszufüllen vermochte. Er hingegen tat sich immer etwas schwer einfach so draufloszureden, wenn es nicht nötig erschien.

 

Somit hatte er keine Ahnung, wo er ansetzen sollte, was Wei Ying ein resigniertes Seufzen entlockte.

 

„Wir haben uns so lange nicht gesehen und du hast mir nichts zu erzählen?“ Er klang enttäuscht, bohrte aber auch nicht weiter nach. Etwas das ziemlich selten vorkam und Anzeichen genug war, dass er sich wohl wirklich etwas geknickt fühlte über seinen Unwillen mit ihm reden zu wollen.

 

„Ich habe ein neues Stück für die Guqin geschrieben.“ Eigentlich war dies etwas das er nicht einfach so erzählen wollte, eher wollte er es Wei Ying vortragen. Doch nun waren die Worte bereits gesagt.

 

„Oh, wirklich! Dann musst du es mir unbedingt einmal vorspielen.“ Wei Ying klang ehrlich interessiert und es erleichterte WangJi dessen Stimmung wieder etwas aufgehellt zu haben.

 

„Da fällt mir ein, hast du dir endlich einen Namen für dieses andere Stück einfallen lassen? Ich sagte dir, dass ich ihn wissen will, wenn wir uns wiedersehen.“ Es schwang Verschmitztheit in diesem Hinweis mit und er konnte sich das Schmunzeln dazu gut vorstellen.

 

„Später.“

 

„Hm?“

 

„Ich sag es dir später.“ Wenn er es dann noch würde wissen wollen.

 

Sollten seine Gefühle erwidert werden, dann hätte er auch kein Problem damit, ihm die ganze Wahrheit zu dem dazugehörigen Lied zu sagen.

 

Immerhin hatte er dieses mit ihm in seinen Gedanken geschrieben.

 

„Versprochen? Du weißt ich kann extrem hartnäckig sein, wenn ich etwas will.“

 

„Mn.“

 

 

 

„Ok, schließ deine Augen Lan Zhan.“ Wei Ying klang zufrieden mit seiner Arbeit und WangJi tat wie ihm geheißen.

 

„Tada!“ Er öffnete seine Augen wieder und blickte mit einem warmen, watteartigen Gefühl auf das weiße, feine Papier, das man ihm vorhielt.

 

Im Zentrum saßen zwei Hasen.

 

Einer Weiß, der andere Schwarz.

 

Die Art wie sie gezeichnet waren erinnerte etwas an ein Kinderbuch und ließ sie somit noch etwas putziger erscheinen. Um diese herum waren weiße und schwarze Kugeln zu sehen, die einzig durch die langen Ohren und winzigen flauschigen Schwänzchen erkennen ließen, dass es sich ebenso um kleinere Hasen handeln sollte.

 

Der schwarze Hase schaute keck, als habe er irgendeinen Unsinn vor, wo hingegen der Weiße ernst und kritisierend wirkte.

 

Es war klar, wenn Wei Ying hier versucht hatte darzustellen.

 

Die Hasen saßen sich gegenüber, dass sich ihre Nasen fast berührten. Er hatte dem Schwarzen ein rotes Band um eines seiner Ohren gemalt, wo der Weiße ein wehendes Stirnband bekommen hatte, welches sogar von einem Wolkenmuster geziert wurde.

 

Es war ein äußerst niedliches Bild geworden, auch wenn ihm die Nähe der beiden großen Hasen schon einen leichten Rotschimmer auf die Wangen legte.

 

„Gefällt es dir?“, hakte Wei Ying ungeduldig nach und er musste nun tatsächlich auch etwas Lächeln.

 

„Mn.“

 

„Gott, Lan Zhan du solltest wirklich öfter lächeln.“ Dieser Hinweis klang, als habe ihn Wei Ying mehr für sich ausgesprochen, schaute dieser auch prompt etwas ertappt, als er ihn daraufhin ansah. Grinste dann aber wieder, als wäre nichts gewesen.

 

„Lass uns die Laterne bespannen.“

 

WangJi fand es fast schon zu schade diese steigen zu lassen, mochte er das Motiv und was es andeutete.

 

Es gab ihm erneut einen Ruck, sein Vorhaben auch wirklich in die Tat umzusetzen.

 

Um sie herum hatten auch die anderen ihre kleinen persönlichen Kunstwerke fertiggestellt und erst jetzt fiel ihm auf, dass Jin Ling und SiZhui ebenso nur eine gemeinsame Laterne gebaut hatten.

 

Sein Blick fiel auf Wei Ying, der ebenso auf die beiden schaute und zufrieden lächelte.

 

Er würde ihn später dazu befragen, sollte er noch die Gelegenheit dazu bekommen.

 

Schließlich entzündete man die Flammen und gemeinsam ließ man die Laternen aufsteigen.

 

Es folgte das Gemurmel von Wünschen und leises, heiteres Lachen.

 

Doch war seine Aufmerksamkeit nur auf den Mann neben ihm fixiert, als dass er den schwebenden Lichtern nachschaute.

 

Wei Ying schien ebenso einen Wunsch zu äußern, doch hörte er gerade nur ein aufgeregtes Pulsieren in seinen Ohren, als er versuchte sich zu sammeln.

 

Den anderen so unbeschwert und lebhaft vor sich zu haben, ihn Lachen zu hören, ihn lächeln zu sehen. Dessen Nähe genießen zu dürfen, nach allem was sie hatten durchleben müssen.

 

Es war noch immer wie ein Wunder.

 

Wei Ying war einer der atemberaubendsten Menschen, die ihm je begegnet waren.

 

Nicht perfekt, doch in seiner Art fesselnd und inspirierend.

 

Er war noch immer ein wilder, ungebändigter Charakter.

 

Darin berückend wie ein loderndes Feuer, das nicht einmal der Tod ihn hatte zähmen können.

 

Kintsugi

 

Er erinnerte sich daran, einmal etwas darüber gelesen zu haben.

 

Dieser Vergleich erschien ihm in diesem Augenblick, bezogen auf Wei Ying, ungemein passend.

 

Eine zweite Chance mit sichtlichen Narben, doch auf ihre Art noch immer wunderschön.

 

Ein poetischer Weg der Heilung.

 

Des Wiederzusammenfügens.

 

Genau das spiegelte sich in Wei Ying wider.

 

Wie könnte er ihn nicht lieben?

 

„Lan Zhan, hörst du mir zu? Was hast du dir gewünscht?“

 

Er wollte diesen, vor Leben glühenden, Phönix so sehr.

 

Tollkühnes Herz.

 

Temperamentvoller Körper.

 

Gold durchwobene Seele.

 

Seine Hand war überraschend ruhig, als er sie Wei Ying in den Nacken legte.

 

Auch bebten seine Lippen nicht, noch zitterte sein Atem als er diesen küsste.

 

Einzig sein Herz ließ ihn seine Aufregung spüren.

 

Am Rande meinte er etwas wahrzunehmen, was ihn schließlich aus seiner Trance holte und er nun direkt in Wei Yings dunkle Augen schaute, die ihm nicht wirklich verrieten, was dieser gerade denken mochte.

 

Zudem erschien es seltsam still um sie herum.

 

Doch er hatte noch dessen Frage zu beantworten.

 

„Mein Wunsch…“ Wei Ying wirkte deutlich konfus, nickte aber leicht.

 

„Ich möchte, dass du an meiner Seite bleibst. Nicht als ein Freund, sondern als mein Lebenspartner.“

 

Man schaute ihn daraufhin für einen atemanhaltenden Moment einfach nur weiter an.

 

„Ist das wirklich was du möchtest?“, fragte dieser mit einem leichten Schwanken in seiner Stimme, das von Hoffnung durchwachsenem Unglauben sprach.

 

„Mit Wei Ying. Einzig mit Wei Ying.“

 

Es war wie ein Sonnenaufgang, mit all seinen Farben und der Erwartung auf goldenes, warmes Licht, das die Kühle der Nacht von seiner Haut vertreiben würde, als Wei Ying ihn anlächelte.

 

Warm und liebevoll.

 

Gleich einem zärtlichen Kuss.

 

„Lan Zhan, ich möchte nichts sehnlicher.“

 

Es war sein erster Sommer.

 

Rispe für Rispe öffnete sich, füllte sein Inneres mit einer überschwänglichen Blütenpracht, deren Duft ihn betörte und taumelig machte.

 

Nicht anders sollte sich Liebe und geliebt werden anfühlen.

 

Und er hatte so viel davon zu geben.

 

Es war Wei Ying der ansetzte ihn seinerseits küssen zu wollen, als ein energisches Räuspern zu vernehmen war, dem ein ebenso grimmiges „Anstand!“ folgte und diesen traumähnlichen Augenblick zum Platzen brachte.

 

Das Räuspern kam ohne Zweifel von seinem Onkel, den er über die Köpfe der Personen hinweg erkennen konnte, die sich nahezu wie ein Schild vor ihnen aufgebaut hatten.

 

Etwas irritiert über diesen Anblick und noch immer etwas benommen von seinem Geständnis, war es Wei Ying der zuerst zu Wort fand.

 

„Was haben wir verpasst?“ Ein synchrones Raunen, das sich ähnlicher nicht hätte sein können und offensichtlich von Jin Ling und Jiang Cheng stammte, war zu hören.

 

„Weißt du, dafür das du sonst so pfiffig erscheinen willst, hat es dich eine extrem lange Zeit gebraucht, um es zu kapieren.“, murrte sein Bruder, der sich nun auch zu ihnen umgewandt hatte.

 

„Huh?“

 

„Wei Qiánbèi, herzlichen Glückwunsch. Bitte gebt gut auf HanGuang-Jun Acht.“ SiZhui ging in eine ZuoYi über, das es seiner Bitte umso mehr Gewicht verlieh und Wei Ying ihm mit einem resoluten „Natürlich.“ antwortete, dass ebenso keine Zweifel offen ließ.

 

Jin Ling ließ ein „Tsk“ hören, gefolgt von einem „Na, hoffentlich. Hat ja auch lange genug gedauert.“

 

Nie HuaiSang schmunzelte in seinen Fächer und knuffte Wei Ying kumpelhaft gegen den Arm.

 

Wen Ning an dessen Seite wirkte ebenso ergriffen, zumindest soweit wie es ihm seine fehlende Mimik erlaubte.

 

„Wei Gōngzǐ, HanGuang-Jun. Ich bin wirklich froh.“ WangJi zweifelte nicht, dass dieser es ehrlich meinte, war er sich sicher, dass Wen Ning mehr Mitgefühl besaß als mancher Lebendiger. Dann richtete sich dieser direkt an ihn.

 

„Nehmt es Wei Gōngzǐ bitte nicht übel, ich denke es fiel ihm einfach nur schwer sich seinen Gefühlen für HanGuang-Jun zu öffnen. Wei Gōngzǐ ist manchmal etwas zu starrsinnig.“

 

„Wen Ning! Hey!“, meckerte Wei Ying nicht wirklich verärgert und stippte ihn mit einem Finger gegen die Brust.

 

Dann schaute WangJi in das Gesicht seines Bruders und für einen winzigen Moment hoffte er, dass er diesen nicht enttäuscht hatte. Doch war dieser aufreibende Fetzen Unsicherheit nichts weiter als Asche im Wind, zeigte sich ehrliche Freude in dessen Augen und dem sanften Lächeln.

 

„Du hast es dir verdient WangJi. Ich wünsche euch wirklich nur das Beste.“

 

„Warum werde ich das Gefühl nicht los, das jeder hier Bescheid wusste, nur ich nicht?“, beschwerte sich Wei Ying, was ihm einen einheitlichen ergebenen Blick einbrachte.

 

„Du bist ein Trottel.“, kommentierte Jiang Cheng mit einer Routine in seinem Ton, dass es deutlich war, dass er diese Erkenntnis schon zur Genüge vorgebracht hatte.

 

„Beleidigungen sind nicht erwünscht, in der Wolkenschlucht.“, gab WangJi verteidigend von sich, was Wei Ying erheitert auflachen ließ und dieser ihn näher an sich heranzog. Wei Ying zeigte ein schelmisches Leuchten in seinen Augen, als er sein Gesicht seinem näher brachte.

 

Doch auch diesmal ließ man sie nicht weiter gewähren, faltete sich Nie HuaiSangs Fächer anstandshalber zwischen ihnen auf, dass es Wei Ying ein genervtes Grollen entlockte.

 

„Intimitäten in der Öffentlichkeit sind ebenso untersagt in der Wolkenschlucht, Wei Xiōng.“, imitierte Nie HuaiSang im strengem Ton diese Regel und Wei Ying stöhnte abermals frustriert auf.

 

Aus dem Augenwinkel konnte WangJi das dramatische Aufbauschen der Robe seines Onkels erkennen, der nun zügig und mit einem unzufriedenen Stirnrunzeln das Plateau verließ.

 

Er war sich sicher, hätten sich ihre Freunde und Familie nicht zwischen sie und ihn gestellt, dass dieser sie wesentlich ruppiger auseinandergebracht hätte, als sich nur verbal mitzuteilen.

 

Etwas das auch die anderen geahnt haben mussten und es erfüllte ihn mit Herzlichkeit, dass man sich ohne Zögern für sie eingesetzt hatte.

 

Er würde sich später mit seinem Onkel zusammensetzen, um sich zu erklären. Nicht um sich zu rechtfertigen oder über seine Gefühle zu Wei Ying zu diskutieren. Er stand mit erhobenen Haupt über solch einem Disput.

 

Egal was sein Onkel dazu zu sagen hatte.

 

 

 

Man hatte sie schließlich in der Gruppe mit zu den folgenden Festlichkeiten dirigiert, immer darauf bedacht, dass sich mindestens eine Person zwischen ihnen befand um den „Anstand“ zu bewahren und um sich köstlich über Wei Yings mürrisches Mosern zu amüsieren.

 

So fanden sie sich bei der Sitzordnung letztendlich gegenüber statt nebeneinander wieder, etwas dass Wei Ying eines dieser kindlichen Schmollen aufsetzen ließ.

 

WangJi war irgendwo dankbar dafür, dass man ihm diese Barriere aufgezwungen hatte, konnte er sich selbst nicht trauen nicht zu offensichtlich Wei Yings Nähe zu suchen.

 

Über das Essen war dieser langsam wieder zu seinem alten, munteren Ich zurückgekehrt und unterhielt den Großteil der Gäste und Lan Mitglieder mit Geschichten von seiner Reise.

 

Etwas zupfte kurz darauf an WangJis Ärmel und er fand eines von Wei Yings Papiermännchen vor, das sich etwas unter der Tischplatte versteckt hielt, ihm aber heiter zuwinkte.

 

WangJi streckte diesem seine Handfläche entgegen, auf welche das Männchen sich stellte und sogleich seinen Daumen umfasste und sich dagegen schmiegte.

 

Es war eine ungemein liebenswerte Geste.

 

Er spürte etwas von der quirligen Energie, die Wei Ying diesem Männlein von sich gegeben hatte und lächelte leicht.

 

„Es ist schön dich so glücklich zu sehen.“, hörte er XiChen, der neben ihm saß, wispern und fühlte sich schon etwas ertappt. „Ich denke, du wirst Wei Gōngzǐ genauso guttun, WangJi. Lass dich in dieser Hinsicht nicht vom Leben unserer Eltern beeinflussen. Das hier, ist deine ganz eigene Geschichte. Und sollte dich einmal etwas bedrücken oder du Rat zu etwas suchen, bin ich jederzeit für dich da. Vergiss das nicht.“ Es verwunderte ihn nicht, dass sein Bruder gerade diesen Grund eines Zweifels angesprochen hatte, wusste jener mit am besten, dass die Liebe ihrer Eltern ein konstantes Misstrauen in das Konzept von zwischenmenschlichen Beziehungen in ihn gepflanzt hatte.

 

WangJi war seinem Bruder somit wirklich verbunden für seine Unterstützung, zweifelte er nicht daran, dass es auch einmal Zeiten geben würde, wo er doch nicht so recht weiterwusste oder mit etwas nicht zurechtkam, wäre dies schließlich seine erste und für ihn auch einzige Beziehung.

 

„Dasselbe gilt für dich Xiōng Zhǎng. Clan Leader Jiang mag nicht die einfachste Person sein.“ Sein Bruder sagte nichts dazu, auf das WangJi diesen ansah und er den durchschauten Ausdruck erkannte, der ihm mehr sagte als Worte es getan hätten.

 

Das Männlein zog an seinem Daumen, um seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen und deutete darauf zu Wei Ying.

 

„Ich werde dich morgen früh bei Onkel entschuldigen.“, hörte er seinen Bruder noch andeuten, bevor sich dieser jemand anderem für ein Gespräch zuwandte. WangJi war durchaus bewusst auf was dieser angespielt hatte, dass er ein wenig peinlich berührt zu Wei Ying schaute, der ihm mit einem Blick bedachte, der das widerspiegelte, was er selbst zu bändigen versuchte, seit er diesen vorhin geküsst hatte und seine Gefühle erwidert sah.

 

Wei Yings Papiermännlein kletterte nun auf seine Schulter.

 

„Lan Zhan…“, flüsterte dieses mit Wei Yings Stimme. „Darf ich heute Nacht bei dir vorbeikommen? Ich möchte dich wirklich gern allein für mich haben.“ Diese Perspektive ließ einen aufgeregten Wirbel sich in ihm loslösen, doch nickte er nur kurz und unauffällig.

 

„Wunderbar.“ Das Papiermännlein lehnte sich weiter zu ihm heran und drückte seinen Kopf gegen seine Wange.

 

„Lass mich das später persönlich wiederholen.“ Damit zwinkerte Wei Ying ihm lediglich zu, bevor er sich erhob und mit Nie HuaiSang und Wen Ning davon stromerte.

 

Es war anzunehmen, dass man sich für ein paar Schalen hereingeschmuggelten Wein zurückzog.

 

„Trink nicht zu viel.“, ermahnte er das Papiermännlein anstelle von Wei Ying.

 

„Keine Sorge HanGuang-Jun. Ich werde nicht riskieren auch nur einen Atemzug von Dir zu verpassen, wenn wir endlich unter uns sind.“

 

Das Papiermännlein verlor seinen Geist, noch bevor er hätte etwas erwidern können, doch wenn er ehrlich war hätte er keine Worte dazu parat gehabt. Zu vielversprechend waren die Aussichten auf heute Nacht, dass er bemüht war seine Ungeduld zu zügeln.

 

Es erschien mit einem Mal so viel anstrengender als all die Jahre, wo er annahm, dass er Wei Ying nie näher sein würde, als ein geschätzter Freund.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Als Wei Ying am folgenden Morgen zu sich kam und die beständige Wärme wahrnahm, die ihn umgab, konnte er einzig ein zufriedenes Brummen von sich geben, worauf er sich inniger gegen den soliden Körper neben ihm kuschelte.

 

Eine Hand strich über seine Wange und er schmiegte sich dieser etwas mehr entgegen.

 

„Lan Zhan, du bist noch hier?“, murmelte er verschlafen, dem ein sanftes „Mn.“ als Antwort folgte.

 

„Keine wichtigen Aufgaben zu erfüllen für den großen HanGuang-Jun?“

 

„Ein paar.“, erwiderte dieser und Wei Ying seufzte unglücklich über die Aussicht, den Tag wohl wieder ohne ihn verbringen zu müssen.

 

Lan Zhan forderte ihn mit einer Hand unter seinem Kinn auf ihn anzusehen, auf das er ihm einen liebevollen Kuss auf die leicht schmollenden Lippen setzte. „Dies war eine davon.“, wisperte dieser, dass Wei Ying einem Moment brauchte dem zu folgen. Dann aber verstehend schmunzelte.

 

„Und die anderen?“ Lan Zhans Finger strichen leicht über seine bloße Brust, glitten in einer verstohlenen Geste über einen seiner Nippel.

 

„Noch wichtiger.“, raunte dieser darauf dunkel in sein Ohr, dass es ihm ein wohliges Zittern bescherte.

 

„Hört sich nach einer Menge Arbeit an.“, stöhnte er unter den agilen Fingern seines Jade Prinzen.

 

Er könnte sich wirklich daran gewöhnen, jeden Morgen so zu beginnen.

 

 

 

Es war Mittag geworden, als sie die Jingshi verließen und Wei Ying das breite Grinsen einfach nicht aus dem Gesicht weichen wollte.

 

Lan Zhan hatte sich auf gemacht ihnen etwas zu Essen zu bringen, bevor er sich zu seinem Onkel begeben wollte, um mit diesem zu sprechen, dass er die Zeit über ein wenig unter einem der alten Bäume der Residenz lümmelte und ein entspanntes Lied auf seiner Dizi spielte.

 

Er erblickte den lilafarbenen Stoff von Jiang Chengs Robe und hielt in seinem Musizieren inne.

 

Dessen Gesichtsausdruck, als sich ihre Blicke trafen, war ein mürrischer Mix aus Unsicherheit und Frust.

 

Zuerst sah es so aus, als würde dieser doch nur einfach weitergehen wollen, dann schien ihn irgendetwas wieder davon abzubringen und er lenkte seine Schritte auf ihn zu.

 

Wei Ying lächelte sacht.

 

Er hatte keine Ahnung was gerade in Jiang Cheng vorging.

 

„Hast du den Lotus See schon gesehen?“, fragte dieser steif und ohne Vorrede. Eine Art von Friedensangebot, wie es für Jiang Cheng recht üblich war. Früher schon.

 

Wei Yings Lächeln wurde wärmer.

 

„Habe ich. Ich hörte ebenso, dass du geholfen hast ihn anzulegen.“ Jiang Cheng murrte kurz zur Bestätigung und setzte sich schließlich neben ihn in den Schatten.

 

„Dein liebeskranker Freund bestand darauf hier Lotus ziehen zu wollen. Der Grund dafür war mehr als offensichtlich.“ Wei Ying hörte das Sticheln sehr wohl heraus und schnaufte darauf trotzig.

 

„Es ist ein Wunder in sich, dass er so für mich fühlt. Wie hätte ich so dreist sein können es einfach anzunehmen?“, rechtfertigte er sich, was Jiang Cheng ungläubig den Kopf schütteln ließ.

 

„Du willst mich wohl verarschen? Würde es ein Gesicht zu dem Wort „dreist“ geben, dann wäre es das deine! Außerdem war es für jeden anderen nicht zu übersehen. All die schmachtenden Blicke und das unnötige Aneinandergeklebe. Wie kannst du nicht mitbekommen haben, dass er es nur bei dir in so einem unmöglich schamlosen Maße zulässt? Und noch etwas. Was hast du mit Jin Ling angestellt? Als ich ihn heute Morgen zu Gesicht bekam, hatte er beinahe dasselbe alberne Grinsen im Gesicht wie du.“

 

Wei Ying schaute mit geschürzten Lippen und vor der Brust verschränkten Armen zur Seite weg.

 

„Du gönnst mir nur einfach nicht, dass ich jemanden so unbeschreiblich großartigen gefunden habe, wie Lan Zhan. Oh, und das bezieht sich natürlich auch auf seine Künste im Bett. “ Dann grinste er wohl in genau derselben Weise, wie es Jiang Cheng gerade gemeint hatte. „Ich habe unserem Neffen nur etwas von meiner unendlichen Weisheit zukommen lassen, der Rest war an ihm. Er ist schließlich alt genug und ich denke bei SiZhui in recht guten Händen.“ Er lachte etwas anzüglich über die Zweideutigkeit seiner Bemerkung. „Ein weiteres Opfer des Charmes eines außergewöhnlichen Lans.“

 

Ein Blick auf seinen Bruder, dessen Gesicht deutlich an Farbe gewonnen hatte und Wei Ying überkam der Impuls diesen weiter aufziehen zu wollen, doch nahm ihm Jiang Cheng das Wort.

 

„An deine Schamlosigkeit kommt glücklicherweise keiner von uns heran! Hätte ZeWu-Jun letzte Nacht nicht einen Lautlos-Zauber angewandt und ein Siegel über die Jingshi gelegt, hätte die gesamte, verdammte Wolkenschlucht euch hören müssen!“, zischte Jiang Cheng peinlich berührt, was Wei Ying kurzerhand in seinem angesetzten Nonsens inne halten ließ.

 

Es war Jiang Cheng anzusehen, dass er es erneut nicht glauben konnte, dass er über seinen empörten Hinweis nicht einmal ansatzweise Verlegenheit zeigte.

 

Aber warum sollte er auch. Wenn es etwas in ihm aufbrachte dann ein süffisantes Grinsen.

 

„Wie kommt es das du um solch eine Zeit noch mit ZeWu-Jun unterwegs warst Jiang Cheng? Etwa ein romantischer Spaziergang im Mondschein?“

 

Dieser senkte auf seine Frage denn Kopf, verbunden mit einem knurrigen „Das geht dich gar nichts an.“ was Wei Ying mit einem Seufzen quittierte dem Ergebenheit inne wohnte.

 

„Du musst mir nichts darüber erzählen, aber solltest du wen zum Reden brauchen, höre ich dir zu.“

 

Es blieb darauf eine Weile still zwischen ihnen, was Wei Ying annehmen ließ, dass sein Bruder dieses Thema bereits wieder abgetan hatte.

 

„Ich hab keine Ahnung was ich tun soll.“, murmelte dieser dann schließlich leise, das, hätte er nicht neben ihm gesessen er ihn überhört hätte.

 

„Magst du ihn?“ Erneut blieb es einen Moment still.

 

„Vielleicht…“ Unsicherheit und Jiang Cheng waren etwas das nicht zusammenpasste, doch es zeigte auch, dass dieser wirklich mit seinen Emotionen überfordert schien.

 

„Er scheint dich ebenso zu mögen.“, brachte er seine Beobachtung zum Ausdruck, doch sein Bruder schüttelte wieder den Kopf.

 

„Selbst, wenn. Was hätte ich ihm schon zu bieten? Du weißt ich war noch nie gut in diesen Dingen. Daran hat sich auch über die letzten Jahre nichts geändert. Mein Temperament. Mein Starrsinn. Mein Stolz.“ Jiang Cheng raunte unglücklich. „Ich würde es bei Zeiten ruinieren.“

 

Wei Ying schaute sich seinen geknickten Bruder eingehender an.

 

„Ich denke du bist zu streng mit dir A-Cheng, das dir gar nicht auffällt, dass du dich bereits in einem positiven Wandel befindest. Und was auch immer der Grund dafür sein mag, ich sehe dir an, das es dir gut tut.“ Er klopfte seinem Bruder ermutigend auf die Schulter.

 

„Ich glaube ihr hättet beide etwas davon dem Ganzen eine Chance zu geben.“ Jiang Cheng lachte auf seinen Rat leise auf.

 

Nicht bitter. Eher ungläubig.

 

„Seit wann bist du Experte in solchen Belangen?“ Wei Ying legte seinen Arm über dessen Schulter, so wie er es früher immer getan hatte, wenn diesem etwas zu sehr beschäftigt hatte und er ihn wissen lassen wollte, dass er für ihn da war. Und zu seiner Erleichterung ließ dieser es auch ohne Widerwillen zu.

 

„Bin ich nicht. Aber ich weiß, dass es lohnenswerter sein kann etwas gewagt zu haben, als sich vor etwas zu fürchten. Überlege dir, ob du es nicht irgendwann bereuen würdest es unversucht gelassen zu haben. Denn manche Dinge werden nicht zu einem zurückkommen.“

 

Das war etwas, das sie beide gut genug wussten.

 

„Wenn man vom Teufel spricht.“ Jiang Cheng folgte seinem Blick auf diese Bemerkung und verspannte sich ein wenig, war Lan Zhan in Begleitung seines Bruders.

 

„Du packst das A-Cheng.“, flüsterte er ihm noch zu, bevor er aufsprang und den beiden ein Stück entgegen kam.

 

Er nahm Lan Zhan etwas von ihrem Mittagessen ab und ließ Lan Huan wissen, das sich sein Bruder etwas niedergeschlagen fühlte, auf das dieser eine besorgte Miene aufsetzte, bevor er zu Jiang Cheng hinüber ging.

 

Wei Ying zwinkerte diesem noch schelmisch zu, auf das jener ihn mit einem mürrischen Blick bedachte, bevor Lan Huan ihn auch schon erreicht hatte.

 

„Ich denke, wir sollten die zwei nicht stören.“, ließ er Lan Zhan wissen, der dies mit einem simplen „Mn.“ akzeptierte und sie sich in die Jingshi zurückzogen.

 

 

 

Wei Ying wusste, dass es untersagt war während des Essens zu sprechen, doch war er halt noch nie gut darin sich an Regeln zu halten.

 

„Hey Lan Zhan, wir sollten uns noch bei deinem Bruder bedanken.“, merkte er beiläufig an und stopfte sich noch etwas mehr Reis in den Mund.

 

Lan Zhan sagte nichts, schaute ihn aber mit einem fragenden Blick an.

 

Wei Ying grinste darüber, dessen Neugier geweckt zu haben.

 

„Jiang Cheng meinte, wir wären recht laut gewesen letzte Nacht.“ Lan Zhans Essstäbchen hielten auf halben Wege zu seinem Mund inne und sein Gesicht wurde etwas blass.

 

Wei Ying biss sich auf seine Unterlippe, um nicht einfach loszulachen und lehnte sich etwas über den Tisch.

 

„Dein Bruder war so umsichtig einen Lautlos-Zauber anzuwenden. Auch wenn es mich wirklich nicht stört, wenn jeder weiß, wie gut der Sex mit HanGuang-Jun ist.“

 

„Wei Ying!“

 

Er ignorierte diese Zurechtweisung mühelos und raunte stattdessen versonnen, als er sich ein paar Details der vergangenen Nacht noch einmal durch den Kopf gehen ließ.

 

„Ich mochte es wirklich, wie du mich berührt hast. Deine Finger sind so geschickt. Wie zu erwarten von einem so talentierten Guqin Meister.“ Seine Stimme hatte einen sinnlichen Ton angenommen, während er Lan Zhan tief in die dunklen Augen schaute.

 

„Mochtest du unsere gemeinsame Komposition nicht ebenso? Du hast eine wirklich erotische Stimme, wenn du dich mit deinem Verlangen nicht zurückhältst, Lan Zhan. Sie vibrierte durch meinen ganzen Körper, das mir allein bei dem Gedanken daran schon wieder ganz warm wird.“ Wei Ying legte seinen Kopf etwas seitlich im Wissen, das Lan Zhan das dunkle, besitzanzeigende Mal, dass er an seinem Hals hinterlassen hatte, somit gut sehen konnte. Dann zog er sich den Stoff seiner Robe etwas lockerer, und fächerte sich mit einer Hand demonstrativ Luft zu.

 

„Siehst du was du mit mir anstellst? Zu schade, dass dich nach dem Essen wieder die Pflicht ruft.“, meinte er mit einem etwas zu tiefen Seufzen und streckte sich nach hinten aus, wo er seine Augen schloss und abermals einen mitleidigen Laut von sich gab.

 

„Ich kann es ja immer noch selbst in die Hand nehmen.“ Besagte Hand streifte nun in einer provokativen Bewegung über seinen Oberkörper, hin zu seiner Schärpe und ein kleines Stück weiter.

 

Ein kurzes Scharren war zu hören, dass dem zur Seite schieben des Tisches zugeschrieben werden konnte.

 

Gefolgt von fordernden Lippen auf den Seinen, die ihn siegreich in ihren Kuss schmunzeln ließen, worauf er versuchte Lan Zhan näher zu sich zu ziehen.

 

Zu Wei Yings Frustration ließ dieser sich nicht darauf ein.

 

Er war schon im Begriff sich zu beschweren, als Lan Zhan gekonnt eine bläulich schimmernde Symbolabfolge in die Luft zeichnete, bevor er sie an die Decke der Jingshi befehligte. Diese damit effektiv isolierte.

 

Es war ein vorbeihuschender Gedanke der Wei Ying darauf einkam.

 

„Lan Zhan, wie ist der Name des Songs? Du hast versprochen es mir zu verraten.“ Dieser küsste daraufhin die Markierung an seinem Hals und flüsterte ihm die wenigen Worte liebevoll ins Ohr, bevor er sich daran machte seinen Körper erneut zum Klingen zu bringen.

 

 

 

 

 

Dein Lächeln ist meine Ewigkeit

 

 

 

Der Vollmond und Wein aus Gusu,

 

Lachen das mit dem Wind durch die Nacht tanzte

 

Eine Seele gewoben aus furchtloser Unbefangenheit,

 

wie ein plötzlicher Sommerregen aus einem wolkenlosen Himmelszelt

 

Nie begegnete mir das Leben mit derartig schamlosen Temperament,

 

ähnlich einer Melodie die sich in meine Gedanken stahl, um nicht mehr loszulassen.

 

Ein Herz aus Nebel und Eis, verloren unter der selbstlosen Wärme eines goldenen Schalks

 

Ist dieses Gefühl etwas, das es festzuhalten lohnt?

 

Doch da ist niemand der mich zu führen vermag, außer ich selbst

 

Ich trage das Licht. Ich bin es, der dem Chaos folgt

 

 

 

Unbedarft, wie die ersten Knospen in den Armen des Magnolienbaumes

 

Ich denke die schönste Form der Liebe, liegt in der Unschuld darin

 

Lass sie mit den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings ihre Glieder strecken

 

Lass sie Bilder in den Himmel zeichnen, von tollkühner Schwertkunst und ungebundener Gewitztheit.

 

Wenn es der Fügung unterliegt, wirst du das Ziel all meiner Wege sein

 

 

 

Verbunden durch die Werte meines Clans,

 

zusammen schwören die Welt in den Angeln zu halten

 

Der unbedarfte Wunsch der Jugend, es richtig machen zu wollen, allein durch ein rechtschaffendes Herz

 

Doch gleich wie kalt die Wasser fließen, wie alt diese Berufung zwischen gefrorenem Stein,

 

nichts scheint unmöglich, wenn wir nahe genug beieinander stehen

 

Den Blick in Richtung Zukunft gerichtet

 

Wie Laternen die Hoffnungen ins Firmament tragen,

 

so trage ich die meine in leuchtendem Kampfgeist und den Melodien meiner Ahnen

 

 

 

Rein, wie der erste Schnee über der Wolkenschlucht

 

Ich denke die schönste Form der Liebe liegt in der Unschuld darin

 

Lass sie schlafen unter der Einsamkeit des Winters

 

Lass sie Träumen von wildem Übermut in leuchtenden, braunen Augen

 

Von neckenden Worten und den Früchten des Sommers

 

Wenn es die Bestimmung erlaubt, werde ich zurückkommen zu jenen unbeschwerten Tagen

 

 

 

Eine Reise ohne Gewissheit sollte schwerer wiegen,

 

doch zwei aufrichtige Herzen kennen kein Verzagen

 

In Eisen versiegelte Missgunst, ist nur das Feuer, das meinen Willen stärkt,

 

meine Existenz mit unbeirrtem goldenem Licht erfüllen

 

Heller als es der Übermut eines verblendeten Sonnengottes je vermag

 

Auch ein Abschied von Dir kann meinen Glauben nicht dimmen,

 

trage ich dein Lächeln wie ein Versprechen in meiner Brust

 

Mein innigster Wunsch ist, dich wiederzusehen

 

 

 

***

 

 

 

Das war es nun also.

 

Zu dem Songtext am Ende. Nachdem ich mir die drei Varianten des Songs, den Lan Zhan geschrieben haben soll in der Übersetzung durchlas, habe ich festgestellt, dass keiner davon vom Text her zeitlich passt oder andere Faktoren den Sinn des Liedes etwas abschwächen. Das Opening zu Untamed, was ja ihr Song ist, ist ja mehr ein Lied über tiefreichende Freundschaft.

 

Aber um zu meinem anderen Punkt zurück zu kommen. Wenn Lan Zhan diesen Song geschrieben hat, bevor das mit der XuanWu stattfand, kann es im Text nicht um Geschehnisse gehen die danach passiert sind. Natürlich kann er im Laufe der Zeit den Text abgeändert oder neu geschrieben haben, aber Wei Ying würde dennoch nur die erste Version kennen bzw. wäre es immer noch die erste Version die LZ ihm vorgesungen hat.

 

Deswegen habe ich mir erlaubt mal selbst etwas zu verfassen, auch um der Story einen runden Abschluss zu geben.

 

 

Und falls Ihr noch Interesse habt, hier noch ein paar andere Werke von mir, zu diesem Fandom;

 

 

https://www.animexx.de/fanfiction/393545/?js_back=1

 

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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  Tashgy
2020-05-09T11:45:29+00:00 09.05.2020 13:45
Moin,

Man ist deine Story süß. Ein echt würdiges Ende nachdem uns die Serie so im Regen stehen lassen hat. Die Serie ist super und die Zwischentöne sind eindeutig vorhanden aber es fehlt halt der krönende Abschluss.
Da kam deine Geschichte grade recht.
Du hast die Charaktere echt gut getroffen und auch ihr Verhalten passt sehr gut. Ich musste an mehreren Stellen sehr lachen.
Eigentlich hätte ich gern noch mehr gelesen...
Ich bin gespannt auf deine anderen Geschichten.

Liebe Tashgy
Antwort von:  YoungMasterWei
10.05.2020 14:15
Hallo : )
Lieben Dank für Deinen Kommentar. Es freut mich, das Dir meine Story gefallen hat. Ich fand einfach, das es zu der Serie noch ein richtiges Ende für die beiden geben musste. Schön zu wissen, das mir das auch gelungen zu sein scheint : D

LG
YMW
Von:  mor
2020-01-27T22:27:32+00:00 27.01.2020 23:27
Ende gut alles gut ^^
Von:  J-E-N-N
2019-12-26T10:59:02+00:00 26.12.2019 11:59
Ich habe gestern die Story gelesen und obwohl ich gegen Ende müde war, konnte ich nicht aufhören sie zu lesen. Bzw. Ich wollte nicht aufhören, weil sie mich so gefesselt hat. Ich mag deinen Schreibstil und du hast die Figuren so gut rüber gebracht, sodass ich sie mir bildlich vorstellen konnte. Vor allem.... ich wollte Beiden in den Arsch treten! Wie im Novel, was sind das für Trantüten?! Zwischendrin habe ich auch dei Augen verdreht, weil sie es wieder nicht gerallt haben. Aber Es war dennoch so schön zu lesen. =w=
Schade, dass du mit den anderen 2 Pairings nichts machst, weil die fand ich auch Zucker. Gerade die Juniors. QAQ
Danake für diese schöne Fanfic. Besonders schön war es mit der passenden HG-Musik XD
Von:  Aerin
2019-12-13T08:08:31+00:00 13.12.2019 09:08
also ich war überrascht das ich sowas gefunden habe.
ich mag die beiden sehr die passen wirklich sehr gut zusammen.
ich freu mich das ich so eine tolle story lesen durfte.
einfach super.
Antwort von:  YoungMasterWei
13.12.2019 19:55
und auch hier lieben dank für deinen kommentar. es freut mich natürlich immer, wenn sich jemand für meine stories begeistern konnte und dies dann auch mit solch einem großen lob verbunden ist : D
so etwas kommt meiner motivation immer zu gute ; )
lg
YMW
Von:  RamDamm
2019-11-17T13:53:38+00:00 17.11.2019 14:53
Ein sehr schönes Ende finde ich und das Lied ist auch passend umgeschrieben. Bis zur nächsten Geschichte^^
Von:  RamDamm
2019-11-08T19:42:39+00:00 08.11.2019 20:42
Das ist ein sehr schönes Kapitel, all die Emotionen rüberzubringen ist dir damit echt gelungen.
Von:  RamDamm
2019-11-03T16:27:43+00:00 03.11.2019 17:27
Endlich ist er da der Kuss auf den Lan Zhan gewartet hat.
Ein sehr schönes Kapitel. Mir hat das mit Wen Ning sehr gut gefallen... aber was ist jetzt mit Jin Ling und seiner Flamme?
Auch finde ich es cool, das alle es wussten nur Wei Ying nichts bemerkt hat.
Freue mich schon auf das nächste Kapitel

Von:  Shuiliang
2019-10-28T09:33:03+00:00 28.10.2019 10:33
Ich liebe deine Story und bin wirklich gespannt wie es weiter geht. Dein Schreibstil ist gut zu lesen und schön flüssig, ich liebe es.

Mein Persönlicher Favorit ist zwar Jing Cheng und Wen Qing aber, Lan Huan und Jing Chen ist auch niedlich. Ich freu mich auf ein neues Kapitel
Antwort von:  YoungMasterWei
28.10.2019 19:16
Hey,
lieben Dank für Deinen Kommentar. Es freut mich natürlich immer, wenn jemand Gefallen an meiner Story findet.

So gesehen habe ich auch nichts gegen die Idee von JC und WQ aber da es in diesem Fall (Plot) nicht möglich war, sie einzubringen, endschied ich mich für jene Variante. Die beiden geben irgendwo ja schon ein interessantes Paar ab : P
Von:  RamDamm
2019-10-27T06:15:23+00:00 27.10.2019 07:15
ups... mein Fehler... nun ja weiter im Text

eigentlich wäre eine Frau an seiner Seite glaube ich genau das was der Yunmeng Clan bräuchte... aber ich lasse mich da gerne von dir überraschen wie sich das weiter entwickelt

Von:  RamDamm
2019-10-27T06:02:40+00:00 27.10.2019 07:02
Ein schönes Kapitel, das einen hier und da schmunzeln lässt oder aber auch einfach nur seufzen, weil ein gewisser Jemand echt blind ist. Ich meine Nie Huaisang hat ihm doch einen Hinweis gegeben und seine eigenen Gedanken doch auch. Jiang Cheng und Lan Xichen... hmmm... ich weiß net... eigentlich wäre eine Frau an seiner Seite g


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