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Wisteriabloosoms above golden scars

von

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Der folgende Tag schien nicht viel anders verlaufen zu wollen als der Vergangene, hatte WangJi die Jingshi bereits verlassen, als Wei Ying wieder zu sich gekommen war.

 

Man hatte ihm allerdings noch Frühstück hingestellt.

 

Zu seinem Erstaunen war es gut gewürzt. Genau so scharf wie er es mochte und ausreichend genug, um auch davon satt zu werden, dass es ihn ein wenig die Enttäuschung vergessen ließ, das er Lan Zhan trotz allem nicht hatte zu Gesicht bekommen können.

 

Ein paar entkernte Pipas lagen ebenso in einer Schale auf seinem Tablet und es ließ ihn liebevoll schmunzeln.

 

Hatte sich Lan Zhan etwa die Mühe damit gemacht?

 

Es war ein wärmender Gedanke es sich vorzustellen.

 

Er vermisste ihn schon wieder…

 

„Nun bin ich schon hier und du hast trotzdem keine Zeit für mich Lan Zhan.“, schmollte er, während er sich nach hinten auf den Boden sinken ließ und seine Arme hinter dem Kopf verschränkte.

 

Schließlich beschloss er Kleinen Apfel besuchen zu gehen und nach Lan Zhans Hasen zu sehen.

 

Es war immer wieder ein Grund zu lächeln, wenn er daran dachte, wie sehr diesem die kleinen Fellknäule ans Herz gewachsen waren.

 

Er seufzte unglücklich.

 

Wenn er einer dieser Hasen wäre, bekäme er wenigstens ab und an ein paar Streicheleinheiten von ihm. Er könnte es sich auch ganz keck in dessen Schoß bequem machen, während man ihn hinter den Ohren kraulte.

 

Das wäre sicherlich kein schlechtes Leben.

 

 

 

Er hörte Kleinen Apfel schon, noch bevor er ihn sah.

 

Der arme Lan Novize, der sich um ihn zu kümmern hatte, schien kurz vor einem frustrierten Zusammenbruch.

 

Kleiner Apfel verstummte mit einem Male und schaute in seine Richtung, auf das dieser sogleich auf ihn zu getrappt kam.

 

Man könnte meinen er tat das, weil er sich freute ihn zu sehen, doch wusste Wei Ying das der störrische Graupelz sicherlich nur die Äpfel roch, die er für ihn aus der Lan Küche geschmuggelt hatte.

 

Der Lan Frischling gab ein erlöstes Raunen von sich und sah sein Erscheinen wohl als die Chance, sich aus dem Staub machen zu können.

 

Wei Ying konnte es ihm nicht wirklich verübeln.

 

Dieser ging noch rasch in ein ZuoYi über und war dann schon auf und davon.

 

Wei Ying ließ sich ins Gras fallen, während Kleiner Apfel sich an seinen Namensvettern sättigte, und zupfte sich einen frischen Halm von der Wiese, den er sich zwischen die Lippen klemmte.

 

Er hatte eh nichts weiter zu tun. Also legte er sich schließlich ganz ins Grün und schaute den Wolken bei ihrem dahinziehen zu.

 

Eine davon sah aus wie ein Weinkrug.

 

Wei Ying verengte ein wenig die Augenbrauen.

 

Er hatte gestern wohl reichlich getrunken, was auch erklären würde, warum er in Lan Zhans Jingshi aufgewacht war und nicht im Gästequartier.

 

War nur zu hoffen, dass er sich nicht zu sehr blamiert hatte.

 

Wenn er früher betrunken war, hatte Jiang Cheng immer seine liebe Not mit ihm gehabt, hatte sich sein Drang nach Unfug meist verdoppelt. Nicht selten hatte er Jiang Cheng mit hineingezogen. Wie das eine Mal, als er diesen dazu überredet hatte mit ihm Wildgänse zu fangen und Jiang Cheng dabei fast ein Auge verloren hätte, durch eines dieser garstigen Biester. Sie hatten einen ziemlich erbärmlichen Anblick geboten, als sie völlig durchweicht und zerbissen wieder zu Hause aufgetaucht waren.

 

Madam Yu hatte ihn oft genug einen schlechten Einfluss auf ihren Sohn genannt, doch egal wie sehr sich sein Bruder auch aufgeregt hatte, dass er nur wegen ihm in solche Schlamassel geriet, so hatte Jiang Cheng ihn nie wirklich von sich gestoßen.

 

Shī jiě hatte ihm einmal erzählt, dass dieser froh war nun einen Bruder zu haben, es nur einfach nicht so offen zeigen oder zugeben konnte.

 

Es hatte ihm gereicht sich zukünftig nicht mehr von dessen aufbrausender Art entmutigen zu lassen und er gelernt damit umzugehen.

 

Er fragte sich was Jiang Cheng wohl gerade tat.

 

Ob er ebenso beschäftigt war, wie Lan Zhan?

 

Immerhin war er das Oberhaupt des Yunmeng Jiang Clans.

 

Wei Ying schloss seine Augen und ließ seine Gedanken gleich den Wolken treiben.

 

Ein Bild von Lan Zhan tauchte vor seinem inneren Auge auf.

 

Es hätte eine seiner blühenden Fantasien sein können, doch erschien es ihm merkwürdig greifbar.

 

So wie er sich einbildete dessen Robe zwischen seinen Fingern, beinahe spüren zu können, während sie sich so unsäglich nahe waren.

 

Mit einer unwohlen Erkenntnis riss er die Augen wieder auf und setzte sich aufrecht.

 

Hatte er gestern Abend, womöglich ein paar Hemmungen zu viel abgelegt?

 

Sollte dem so sein, wäre Lan Zhan sicherlich wenig darüber erfreut gewesen.

 

Dass er ihn als schamlos empfand hatte er oft genug gesagt, doch war dies noch lange keine Rechtfertigung dafür, dass er sich ihm bei der ersten trunkenen Gelegenheit an den Hals warf.

 

Ein betretenes Raunen rutschte über seine Lippen und er rieb sich den Hinterkopf in einer Geste der Verlegenheit.

 

Vielleicht war es besser, wenn er ihm heute aus dem Weg ging und sich später entschuldigte.

 

Außerdem sollte er die Finger vom Alkohol lassen, solange er hier Gast war, um sich nicht weiter in unkontrollierbare Peinlichkeiten zu bringen.

 

Trotzdem brachte der Gedanke, ihm womöglich so nahe gewesen zu sein, ein angenehmes Kribbeln mit sich.

 

Und wenn er schon nicht mit Lan Zhan schmusen konnte, dann wenigstens mit seinen Hasen.

 

Er brauchte jetzt wirklich etwas, das ihn ein wenig von dem Bedürfnis, diesen zu umarmen und bei sich halten zu wollen, befreien konnte.

 

 

 

Irgendwie hatte ihn die Jugend ausfindig gemacht und er erfahren, dass morgen das Lichter Festival stattfinden sollte und er ihnen ruhig bei den Vorbereitungen dazu behilflich sein könnte.

 

„Wenn du hier eh nur auf HanGuang-Juns Kosten faulenzt.“ So Jin Lings Worte.

 

Und da er sich tatsächlich gelangweilt hatte ohne Lan Zhan, ließ er sich einspannen.

 

Sehr zum Verdruss von Lan QiRen und ein paar anderen Ältesten.

 

Jemand erwähnte das Laternensteigenlassen und Wei Ying kam ein Gedanke.

 

„Jin Ling.“, winkte er seinen Neffen zu sich heran, der von seiner gemeinsamen Arbeit mit SiZhui, das Feld eines der hölzernen Sichtschutzzäune zu reparieren, nur widerwillig zu ihm schaute.

 

Wei Ying ruderte noch etwas nachdrücklicher mit seinem Arm, um ihn doch noch dazu zu bewegen zu ihm herüber zu kommen.

 

Mit einen genervten Murren raffte sich Jin Ling schließlich auf. Kaum war dieser nahe genug, legte Wei Ying ihm einen Arm über die schmalen Schultern und zog ihn zu sich. Er schaute noch einmal kurz zu SiZhui der sie aber nicht weiter beachtete.

 

Jin Ling zappelte unwillig unter seinem Halt.

 

„Was!?“, zischte er, gleich seinem Onkel.

 

Gott diese zwei mussten wirklich mal lernen zu entspannen.

 

„Morgen; frag SiZhui, ob er mit dir zusammen eine Laterne baut.“

 

„Warum? Ich kann das sehr wohl allein! Ich bin nicht so unfähig, wie du denkst, klar!“ Wei Ying raunte ergeben über die Begriffsstutzigkeit seines Neffen.

 

„Das wollte ich damit auch nicht sagen. Es ist nur so, dass dieser Brauch eine bestimmte Bedeutung hat, wenn man dies mit einer anderen Person zusammen tut.“ Jin Ling sah ihn wieder mit diesem skeptischen Blick an und Wei Ying schnalzte etwas frustriert.

 

„Es soll dem Pärchen Glück bringen, wenn du verstehst was ich meine?“ Und genau mit so einem Ausdruck schaute er seinen Neffen auch an.

 

Verstehst du was ich meine?

 

Er wippte noch untermauernd mit den Augenbrauen.

 

Der Rotton auf Jin Lings Wangen ließ annehmen, dass er ihn verstanden hatte, doch anstatt nun peinlich berührt davon zu stampfen, schaute dieser ihn nun herausfordernd an.

 

„Woher weiß ich, dass du dich nicht nur über mich lustig machen willst?“

 

Gut, das war jetzt keine Unterstellung, die er unbegründet fand. Denn ja, er mochte es andere gern mal etwas vorzuführen, doch in diesem Fall hegte er keine solche Ambitionen. Immerhin ging es um zwei Person die ihm sehr wichtig waren. Auch wenn Jin Ling es ihm nicht glauben würde, selbst wenn er es ihm mit sämtlicher, ihm möglichen, Ernsthaftigkeit vorbrachte.

 

„Ich tu es, wenn ich es nicht allein tun muss.“, hörte er diesen vorschlagen. „Frag HanGuang-Jun, ob er mit dir zusammen eine baut und ich werde SiZhui fragen.“ Wei Ying zuckte auf diese Worte leicht mit den Schultern.

 

Wenn Jin Ling sich damit sicherer fühlte.

 

„Klar, warum nicht.“ Es wäre auch nicht das erste Mal, dass er mit Lan Zhan eine Laterne gebaut hätte, von daher.

 

„Aber enttäusch mich nicht, klar.“, grinste er seinem Neffen albern zu, was Jin Ling den Kopf schütteln ließ. Eine Geste, die er ebenso von seinem Onkel abgeschaut haben musste, wenn es um ihn ging.

 

„Dasselbe gilt für dich.“, knurrte er, gefolgt von einem leisen „….und so einer soll mal ein Genie gewesen sein.“, bevor er sich wieder an seine Aufgabe machte.

 

 

 

Zu Wei Yings großer Überraschung waren ein paar Gäste zum Lichter Fest geladen, die am nächsten Morgen nach und nach eintrafen und er sich von einem Schwall überschwänglicher Energie überkommen sah, dass er kaum zur Ruhe kommen konnte.

 

Er hatte Lan Zhan gestern nur kurz gesehen und ihm fiel sofort auf, dass dieser angespannter als sonst wirkte, auch wenn er nicht viel anders als sonst erscheinen mochte. Doch über die Jahre hatte er gelernt aufmerksamer zu sein. Die kleinen Merkmale zu erkennen, die man nur entdeckte, wenn man direkt danach Ausschau hielt.

 

Er hatte ihn deswegen auch nicht aufgehalten und ihm lediglich ein Papiermännlein in seiner Jingshi hinterlassen, das ihm mitteilen würde, dass er sich ausruhen sollte und ihm darüber ebenso eine Gute Nacht gewünscht.

 

Die Nacht im Gästequartier war genau so kalt und einsam verstrichen, wie in all den Unterkünften, die er auf seiner Reise bezogen hatte.

 

Jiang Cheng begegnete ihm mit einem Augenrollen, als er diesem mit seinem etwas unsicheren Grinsen gegenüberstand, war ihr letztes Zusammentreffen doch recht aufreibend gewesen, nachdem dieser erfuhr, dass er ihm seinen goldenen Kern überlassen hatte.

 

Nicht zu vergessen das Chaos, das sich zu jener Zeit im Guanyin Tempel um sie herum entfaltete.

 

Wei Ying wusste noch immer nicht recht, wie er sich seinem Bruder gegenüber verhalten sollte, war ihr Abschied nicht mehr als ein wortloses Verschwinden seinerseits gewesen.

 

Einfach, weil er ihm endlich den Frieden geben wollte, den dieser zuvor im Lotus Pier von ihm gefordert hatte.

 

Am Ende war es wohl auch das Beste für sie beide, selbst wenn er nicht bestreiten konnte, dass er seinen Bruder dennoch vermisste.

 

Immerhin hatte er einen Großteil seines ersten Lebens mit ihm zusammen verbracht.

 

Nun sah dieser so aus, als würde er ihm gleich wieder die Leviten lesen wollen.

 

Worüber auch immer.

 

„Hast du nichts zu sagen? Sollte sich über all die Jahre doch noch etwas an deiner großen Klappe gebessert haben?“

 

Jiang Chengs Worten lag keine Bissigkeit inne, wie er es beinahe erwartete, nur die alteingesessene Genervtheit die er sich in Bezug auf ihn schon bei Zeiten angeeignet hatte.

 

Es ließ Wei Ying leicht aufatmen.

 

Er war gerade dabei etwas erwidern zu wollen, als Jiang Chengs Blick ein Stück zur Seite abdriftete und er diesem interessiert folgte, wirkte dessen Gesichtsausdruck mit einem Male ungewohnt sanft.

 

Ein Ausdruck, den er bei ihm wohl das letzte Mal gesehen hatte, als sie Teenager waren.

 

Zu seinem Erstaunen, erfasste sein Blick niemand anderen als Lan Huan.

 

Dieser schritt in der üblichen Lan Anmut über den schneeweißen Kiesweg und schien in Gedanken vertieft.

 

Wei Ying fragte sich, wie es diesem nach seiner Isolation ging.

 

Er hatte keine Gelegenheit gehabt Lan Zhan danach zu fragen.

 

Jiang Cheng sah nun ebenso etwas nachdenklich aus. Dieser war schon dabei sich in Bewegung zu setzen, als ihm wohl wieder einfiel, dass er sich gerade noch mit ihm zu unterhalten gedacht hatte.

 

Abrupt wechselte dessen Ausdruck zu etwas, das man als Verlegenheit deuten mochte.

 

Auf was genau sich diese bezog, war Wei Ying allerdings nicht gänzlich klar.

 

Dennoch empfand er es als eine interessante Beobachtung. Und weil er eben schon immer ein unmöglicher Mensch gewesen war, hielt er sich auch nicht zurück Jiang Cheng ein wenig aufzuziehen.

 

„Du siehst aus, als wäre dir dein geheimer Schwarm über den Weg gelaufen.“, stichelte er diesen, was Jiang Cheng leicht den Unterkiefer anspannen ließ, er aber noch nicht ansetzte ihn anzumaulen.

 

´Na, da schien wohl jemand an seinem Temperament gearbeitet zu haben. `

 

„Also, wenn du lieber mit ZeWu-Jun reden willst, nur zu.“ Er hatte es als einen Scherz angesetzt, doch war er es der sich reichlich überrumpelt fühlte, als Jiang Cheng darauf kurz nickte und mit einem „Danke, wir sehen uns später.“ an ihm vorbeizog und tatsächlich Lan Huan folgte.

 

Wei Ying blinzelte ungläubig über diese äußerst unerwartete Wendung.

 

War das wirklich Jiang Cheng gewesen?

 

Sein Bruder, dessen Launen immer derart unberechenbar waren?

 

Was um alles in der Welt war in diesem letzten Jahr passiert, um ihn nun so…so gezähmt erscheinen zu lassen?

 

Seine Gedanken kamen zu einem abrupten Ende, als ihm jemand mit einem Fächer auf die Schulter klopfte und er daraufhin in Nie HuaiSangs schelmisch schmunzelndes Gesicht schauen konnte.

 

„Wei Xiōng, was für eine Überraschung, den großen Yiling Patriarchen hier anzutreffen. Sag nicht die Welt war dir zu klein.“ Wei Ying lachte leicht und legte seinem alten Freund einen Arm über die Schultern.

 

„Clan Führer Nie. Was will ich in der Welt, wenn es den besten Wein nur in Gusu gibt.“ Nie HuaiSang klopfte ihm daraufhin mit seinem Fächer leicht gegen die Brust, und sie fielen ohne weiteres in ein lockeres Gespräch, das er so auch nur mit Nie HuaiSang führen konnte.

 

„Hast du schon den Lotus See gesehen?“, fragte dieser, als sie sich für einen Tee gesetzt hatten.

 

„Habe ich. Es war eine rechte Überraschung. Wer hätte gedacht, das Lan Zhan so Lotus vernarrt ist, dass er hier einen anlegen lassen würde. Ich frage mich was Jiang Cheng dazu sagt.“

 

„Er hat ihm damit geholfen.“, weihte ihn Nie HuaiSang ein und nippte an seinen Tee.

 

„Huh?“ Wei Ying hatte das Gefühl, das er eindeutig zu viel verpasst hatte über sein Herumreisen. Soweit er sich erinnern konnte, war Jiang Cheng immer recht bitter, wenn es um Lan Zhan ging. Zwar waren sie nun beide die Führer ihrer Clans, doch glaubte er nicht, dass Jiang Chengs Toleranz Lan Zhan gegenüber über politische Belange hinausgehen würde.

 

Und nun sollte gerade er geholfen haben, für ihn so etwas Diesseitiges, wie einen Lotus See anzulegen?

 

Es war das eine wie das andere, das Wei Ying konfus zurückließ.

 

„Ehrlich, da komme ich nicht mehr mit. Ich war gerade mal ein gutes Jahr unterwegs und irgendwie scheint sich alles in die ungewöhnlichsten Richtungen entwickelt zu haben. Als nächstes erzählst du mir noch, das Lan Zhan eine Freundin hat.“ Es sollte ein unsinniger Kommentar sein, um seine Perplexität zu verdeutlichen, doch traf ihn bei seinem Kommentar ein derart aufwühlendes Gefühl, dass es ihn trocken schlucken ließ.

 

Denn die Möglichkeit, dass Lan Zhan jemanden für sich gefunden hatte, war nicht unrealistisch.

 

Er hatte nur nie wirklich daran gedacht, über all die Aufregung und der Jagd nach der Wahrheit.

 

Wer sagte denn, dass dieser nach all der Zeit noch immer nicht gedachte sich einen Partner suchen zu wollen, wie er es damals einmal gesagt hatte?

 

Wer wollte denn letztendlich schon freiwillig sein ganzes Leben lang allein bleiben?

 

Es war zudem nicht das erste Thema was man aufrollte, wenn man sich nach all der Zeit wiedersah. Somit konnte er noch nicht einmal behaupten, dass Lan Zhan etwas vor ihm geheim gehalten hätte.

 

Lan Zhan hatte nie erwähnt das er Kinder wolle, aber er wusste nun aus erster Hand, dass dieser ein enorm guter Vater wäre. Es wäre nicht auszuschließen, dass er über die Jahre seine Ansicht geändert hatte und das Gründen einer eigenen Familie keine Unmöglichkeit mehr für ihn darstellte.

 

Was wenn…

 

„Wei Xiōng? Hey…“ Jemand wedelte mit etwas vor seinem Gesicht herum, das er als Nie HuaiSangs Fächer erkannte und er diesen etwas gehetzt anschaute.

 

„Gibt es jemanden, den Lan Zhan für sich ausgewählt hat?“, polterte seine Frage schon hervor, bevor er abwägen konnte, ob er die Antwort darauf wirklich wissen wollte.

 

Nie HuaiSang zog eine Augenbraue nach oben, als wolle er sagen, dass dies doch zu erwarten sei. Immerhin ging es hier um HanGuang-Jun.

 

„Natürlich hat er das.“ Nie HuaiSang, klang beinahe ermahnend über seine gerade offenbarte Ignoranz.

 

Wei Ying setzte ein schiefes Grinsen auf, ließ dann aber den Kopf hängen.

 

Plötzlich fühlte er sich wieder so fehl in dieser Welt, in der jeder den er kannte und mochte an ihm vorbeizog und sich ein Leben aufbaute, in dem er nichts mehr zu suchen hatte.

 

Die Einsamkeit, die er darauf fühlte, war wie jene die er damals in den Burial Mounds empfunden hatte.

 

Er war eben schon immer der Außenseiter gewesen.

 

Dass er genau deswegen immer versucht hatte sich mit anderen zu umgeben, sich deren Bewunderung oder auch Freundschaft zu verdienen, er das Alleinsein so scheute, hatte er nie jemandem gesagt.

 

Seine Shī jiě hatte es selbst herausgefunden und ihn stets versichert, dass er nun nicht mehr allein sein würde. Nicht mit ihr und Jiang Cheng an seiner Seite.

 

Jiang Cheng hatte nie eine Theorie dazu verlauten lassen, aber auch er schien irgendwann dahinter gestiegen zu sein, warum er manchmal so unglaublich anhänglich sein konnte.

 

Seine Shī jiě war nun nicht mehr unter ihnen.

 

Jiang Cheng kaum noch bereit ihn als seinen Bruder zu sehen.

 

Und Lan Zhan…

 

Er war der einzige, wo er sich immer noch hin flüchten konnte, auch wenn dieser seine aufdringlich erscheinende Art wohl auch nur akzeptierte, weil er mit ihm nicht unnötig aneinandergeraten wollte.

 

Und nun war auch diese letzte Zuflucht dabei sich vor ihm zu verschließen.

 

„Tut mir leid, aber mir fiel gerade ein, dass ich noch bei den Vorbereitungen helfen sollte.“ Es war nicht unbedingt gelogen, aber man hatte ihn heute auch für nichts eingeteilt. Nicht nachdem er gestern mit seinem Feuerkäfer- Talisman sämtliche Helfer von ihrer Arbeit abgebracht hatte, da besagte Käfer in Schwärmen wie wilde Funken umhergeschwirrt waren und man aus dem Händerudern gar nicht mehr herauskam, um diese von sich fernzuhalten.

 

Dennoch war es ein brauchbarer Vorwand verschwinden zu können und sein jammerndes Herz ungesehen in einen Weinkrampf rutschen zu lassen.

 

Wirsch rieb er sich mit seinem Ärmel über seine Augen auf der Flucht vor allem und jedem.

 

Gott, er war wirklich erbärmlich.

 

Schließlich fand er sich auf der Hasenwiese wieder und lachte niedergeschlagen, als er sich einfach ins Gras setzte und den Kopf wieder hängen ließ.

 

Er hatte sämtliche Gedanken blockiert, da sie ihm zu anstrengend erschienen und er somit auch nicht sagen konnte wie lange er hier schon hockte, als er den vertrauten Geruch von Sandelholz wahrnahm, dem ein fragendes „Wei Ying?“ folgte.

 

Sein Herz machte einen glücklichen Satz, doch schaute er dennoch nicht auf, einfach weil er wusste, dass er sich bei Lan Zhans Anblick einfach nur noch verlorener fühlen würde.

 

Dieser setzte sich nun in etwas Abstand neben ihn und sie schwiegen einen weiteren Moment.

 

„Was ist los?“ Lan Zhan klang besorgt und es ließ Wei Ying leise und schuldbewusst seufzen.

 

Er musste ihm nicht noch mehr Stress bereiten, als dieser eh schon hatte.

 

Somit schulte er seine Gesichtszüge und schaute schließlich zu ihm, eines seiner übertünchenden Lächeln auf den Lippen.

 

„Keine Sorge, ich hab nur nicht gut geschlafen. Das ist alles.“ Lan Zhan sah nicht so aus, als würde er ihm diese Ausrede abkaufen und Wei Ying grinste noch etwas breiter, bevor er ansetzte weiter von seinem Zustand abzulenken.

 

„Hast du dir etwa Sorgen gemacht Lan Zhan? Oder hast du befürchtet, dass ich wieder irgendwelchen Unsinn anstelle?“

 

„Ich mache mir immer Sorgen um Wei Ying.“, bekam er als eine klare Antwort, verbunden mit einem ebenso resoluten Blick.

 

„Ach Lan Zhan…Lan Zhan… Mach dir keine Gedanken um mich, wenn es genug andere Dinge gibt die wichtiger sind, hm.“

 

„Wei Ying ist ebenso wichtig.“ Auf diese bestehenden Worte konnte Wei Ying nicht anders als ehrlich zu lächeln.

 

Und weil er sich gerade schamlos fühlte, und jeden Moment, den er mit Lan Zhan verbringen konnte, nutzen wollte, ließ er sich schließlich zur Seite kippen, auf das sein Kopf auf dessen Oberschenkel zum Ruhen kam.

 

Lan Zhan ließ ihn gewähren und er schloss mit einem zufriedenen Raunen seine Augen.

 

Wenn es nur immer so sein könnte.

 

„Halte ich dich nicht von deinen Pflichten ab.“, fragte er dennoch, was man ihm mit einem festen „Nein.“ beantwortete und er es sich noch etwas gemütlicher in seiner Position machte.

 

Einer der Hasen zupfte kurz darauf an seiner Robe. Wei Ying nahm den kleinen, pelzigen Frechdachs auf und drehte sich auf den Rücken, um ihn sich auf die Brust setzten zu können. Er graulte ihn versonnen hinter den Ohren und schmunzelte, bevor er wieder das Wort an Lan Zhan richtete.

 

„Lan Zhan, lass uns heute Abend zusammen eine Laterne bauen.“ Es blieb still auf seine Bitte und er schaute unsicher zu diesem hinauf, ob er ihm damit womöglich unerwünscht gekommen war.

 

Lan Zhan schaute auf den Hasen, der noch immer auf seiner Brust saß und wirkte unentschlossen.

 

„Schon in Ordnung, wenn du nicht möchtest. Es war wohl eine unangebrachte Bitte, hm? Nun wo du…“

 

„Ich möchte es.“, wendete dieser doch noch ein und schaute von dem Hasen zu ihm.

 

„Zusammen.“ Wei Ying konnte nicht anders als seinen Arm zu heben und mit seinen Fingern leicht durch dessen Haar zu streichen, das diesem wie ein nachtschwarzer Wasserfall über das magnolienweiße Gewand fiel.

 

Ein hellblauer Schimmer brach durch die dunklen Kaskaden und Wei Ying war forsch genug ein wenig mit dem seidenen Band zu spielen, bevor er sich besann, dass es nicht er war dem dieses Recht gehörte und er seine Hand mit einem Seufzen wieder senkte.

 

Der Hase hoppelte wieder von ihm herunter.

 

Es waren ein paar plüschige Langohren mehr geworden, die sich nun um sie tummelten, wohl weil sie alle etwas von Lan Zhans Zuneigung abbekommen wollten, was ihn in einem kindlichen Akt beide Arme um dessen Taille legen ließ und er die munteren Fellknäule trotzig ansah.

 

„Ihr braucht gar nicht so zu schauen, HanGuang-Jun gehört jetzt mir, klar. Ihr werdet schon genug gestreichelt.“

 

Es war lediglich eine seiner albernen Phasen, die ihn manchmal überkamen, auch wenn er nur zu gerne an Lan Zhan festhielt, damit er ihn ungestört für sich haben konnte.

 

Umso perplexer fühlte er sich, als dieser nun eine Hand auf seinen Kopf legte und begann darüber zu streicheln, als wäre er ebenso einer der Hasen.

 

Es ließ ihn ebenso kindlich glucksen und sich noch etwas mehr gegen ihn kuscheln.

 

Lan Zhan mochte nur seiner Albernheit gefolgt sein, aber er nahm was man ihm gewährte, selbst wenn er sich die tiefere Zuneigung hinter dieser Geste nur einreden konnte.

 

Erneut entging ihm wieviel Zeit verstrichen sein mochte, war er an einem Punkt in ein angenehmes Dösen abgedriftet, als er Lan Zhans sanfte Stimme vernahm, die ihn langsam wieder zu sich brachte.

 

„Wir sollten zurückgehen.“, meinte dieser, ohne das Streichen seiner Hand durch seine Haare zu unterbrechen.

 

Wei Ying war wirklich, wirklich verleitet ihm zu sagen, dass sie einfach hierbleiben sollten. Dass er wünsche, dass dieser Moment auf ewig andauerte. Doch am Ende würde man eh nach ihnen, oder mehr nach ihrem HanGuang-Jun suchen und er raunte etwas widerwillig, bevor er sich aufrichtete.

 

 

Sie sagten nicht viel, als sie den schmalen Waldpfad zurück zur Residenz nahmen, aber es war auch keine unangenehme Stille, selbst wenn er sonst das Reden nicht lassen konnte. Ihre Schultern streiften sich ab und an sacht und es reichte aus, um Wei Ying versonnen lächeln zu lassen.

 

Eine leise Stimme drang plötzlich an sein Ohr.

 

Wei Ying hätte sie überall wiedererkannt, doch war es erneut recht ungewohnt sie in solch einem unsicheren Ton zu hören.

 

Er erspähte den lilafarbenen Stoff von Jiang Chengs Gewandung, und zu seiner Verwunderung war dieser noch immer mit Lan Huan unterwegs.

 

Was taten die beiden hier?

 

Er hatte diesen Gedanken noch gar nicht recht zu Ende gedacht, da hatte er Lan Zhan schon an der Hand gegriffen und war weiter auf die anderen Beiden zugeschlichen, bevor er sich hinter einem üppigeren Strauch absenkte und verstohlen darüber spähte.

 

„Lauschen ist in der Wolkenschlucht untersagt.“, ermahnte ihn Lan Zhan, doch hatte Wei Ying dafür nur ein ungeduldiges Schnalzen übrig und zog etwas nachdrücklicher an dessen Ärmel, dass dieser sich neben ihm in Deckung begeben sollte.

 

„Nur kurz, versprochen.“ Er linste wieder durch das Gebüsch und raunte überlegend.

 

„Lan Zhan, was hat mein Bruder mit deinem Bruder zu tun? Findest du es nicht auch seltsam, dass sie zum Reden hier draußen sind? Warum sich nicht in der Residenz einen Platz dafür suchen?“ Ihm gingen diverse Fragen zu dem Ganzen durch den Sinn. Ein genauer Blick in Jiang Chengs Gesicht und seine Verwirrung zeigte sich noch etwas mehr, indem er seine Augenbrauen zusammenzog.

 

„Was ist mit den beiden?“, murmelte er und schlich sich etwas näher heran, Lan Zhans zurechtweisendes „Wei Ying“ ignorierte er aus alter Gewohnheit, war seine Neugier einfach zu groß.

 

„Ich wollte mich zudem bedanken.“, sagte Jiang Cheng und seine Wangen wurden tatsächlich etwas rot.

 

„Wofür?“ ZeWu-Juns Stimme war warm und sanft in ihrer Frage und er schaute Jiang Cheng ebenso einfühlsam an, worauf dieser seinen Blick senkte und sich kurz räusperte.

 

War er etwa verlegen?

 

„Unser Kontakt hat mir wirklich geholfen mit einigen Dingen zurecht zu kommen und auch manches besser zu verstehen.“

 

ZuWu-Jun lächelte.

 

„Wenn, dann habe ich mich zu bedanken.“ Dieser trat nun näher an Jiang Cheng heran, der darauf nervös zu werden schien.

 

Was ging hier nur vor sich?

 

„Ich gebe zu das ich nicht wusste, was ich für mich erreichen wollte, als ich in die Isolation ging. Es erschien mir einfach als das einzig richtige, nach allem was vorgefallen war. Ich war bereit es meinem Vater und WangJi gleichzutun. Ich hatte zu viel Schuld in mir und doch keine rechte Ahnung, was ich damit tun sollte, außer mich mit ihr abzuschotten. Allerdings verstand ich durch unseren Briefwechsel, dass es nicht den Gründen von Vater und WangJi gleichzusetzen war und ich am Ende nur davonlief.“ Lan Huan legte Jiang Cheng eine Hand auf die Schulter. „Du hast mir wirklich geholfen die Dinge objektiver zu sehen. Zu verstehen, dass ich meine Schuld nicht ablegen kann, indem ich mich isoliere, sondern dass ich etwas tun sollte, um wenigstens etwas wieder gut zu machen.“ Dem Lächeln das Lan Huan nun zeigte, wohnte etwas inne das Wei Ying der Mund leicht aufklappte, konnte er sich das doch wohl nur einbilden, oder?

 

„Clan Führer Jiang war ein inspirierendes Vorbild für mich.“ Jiang Cheng hob zögerlich den Kopf und er erkannte dort genau denselben Ausdruck wie bei ZeWu-Jun.

 

„Wei Ying. Genug.“ Er war zu geplättet, als dass er wirklich protestieren konnte und ließ sich von Lan Zhan wegziehen.

 

„Wusstest du davon?“, fragte er ihn schließlich, als sie außer Hör- und Sichtweite waren.

 

„Die Briefe deines Bruders waren alles, was er während der Isolation an Kontakt zugelassen hatte.“

 

„Wie…wie kommt Jiang Cheng dazu ihm zu schreiben? Ich meine…. Und ist dir aufgefallen, wie sie einander angesehen haben?“

 

„Es ist nicht unsere Angelegenheit.“, unterbrach ihn Lan Zhan ernst und Wei Ying wusste, dass er von ihm dazu nichts weiter zu erwarten hatte.

 

„Spielverderber.“, schmollte er trotzig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
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Von:  Shuiliang
2019-10-28T09:33:03+00:00 28.10.2019 10:33
Ich liebe deine Story und bin wirklich gespannt wie es weiter geht. Dein Schreibstil ist gut zu lesen und schön flüssig, ich liebe es.

Mein Persönlicher Favorit ist zwar Jing Cheng und Wen Qing aber, Lan Huan und Jing Chen ist auch niedlich. Ich freu mich auf ein neues Kapitel
Antwort von:  YoungMasterWei
28.10.2019 19:16
Hey,
lieben Dank für Deinen Kommentar. Es freut mich natürlich immer, wenn jemand Gefallen an meiner Story findet.

So gesehen habe ich auch nichts gegen die Idee von JC und WQ aber da es in diesem Fall (Plot) nicht möglich war, sie einzubringen, endschied ich mich für jene Variante. Die beiden geben irgendwo ja schon ein interessantes Paar ab : P
Von:  RamDamm
2019-10-27T06:15:23+00:00 27.10.2019 07:15
ups... mein Fehler... nun ja weiter im Text

eigentlich wäre eine Frau an seiner Seite glaube ich genau das was der Yunmeng Clan bräuchte... aber ich lasse mich da gerne von dir überraschen wie sich das weiter entwickelt

Von:  RamDamm
2019-10-27T06:02:40+00:00 27.10.2019 07:02
Ein schönes Kapitel, das einen hier und da schmunzeln lässt oder aber auch einfach nur seufzen, weil ein gewisser Jemand echt blind ist. Ich meine Nie Huaisang hat ihm doch einen Hinweis gegeben und seine eigenen Gedanken doch auch. Jiang Cheng und Lan Xichen... hmmm... ich weiß net... eigentlich wäre eine Frau an seiner Seite g


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