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Fortune Files

von

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Rova 3: Quell des Lebens

Zu viel Freizeit bekam mir nicht. Sie machte mich nachdenklich, was im Ergebnis meist dazu führte, dass ich unzufrieden wurde. So war es schon mein ganzes Leben lang. Sicher hätte ich den Abend mit Lyz verbringen können, doch all meine Gedanken, alles, was mich beschäftigte, wie der SOLV, meine Familie, unsere Zukunft, waren nichts, was ich zu diesem Zeitpunkt mit ihr zu teilen wünschte. Sie war noch zu jung und durfte nur langsam an vampirische Maßstäbe herangeführt werden. Sie hätte weder die Ausbeutung verstanden, die ich mit den Menschen aber auch meinesgleichen betrieb, um die Macht der Familie zu sichern, noch die Radikalität, mit der ich unsere Ziele verfolgte.

Damit ich mir den Kopf nicht weiter über ihre Reaktion zu meinem wahren Wesen zerbrach, nahm ich mir meinen Arbeitsrechner aus meinem Reisekoffer und setzte mich damit an den alten Holztisch, der einer Politur bedurfte, wie alles in diesem verdreckten Schloss. Alucard ließ seine wenigen Diener nur das Nötigste tun, damit er sie nicht zu Gesicht bekam. Darunter hatte der Zustand seines Anwesens mehr als gelitten, obgleich dieser Ort schon immer eher die Aura des Limbus versprühte als die eines Herrschaftssitzes.

Ich hatte mir einige Testreihen vorgenommen, die ich mit einem Statistikprogramm auswertete, als überraschenderweise mein Handy klingelte. Sollte es immer noch jemanden beim SOLV geben, der es wagte, mich im Urlaub zu belästigen, dann hatte er dies zum allerletzten Mal getan. Mit Blick auf das Display wurde mir jedoch schnell bewusst, dass hier ein noch viel größerer Vertrauensbruch vonstattengegangen sein musste. Eine unbekannte Nummer.

Meist nahm ich solche Anrufe gar nicht erst entgegen, doch da ich auf Ablenkung hoffte, tat ich es. Eine fremde, aufgesetzt freundliche Männerstimme meldete sich.

„Guten Tag, Jack Kristiansen mein Name. Meines Zeichens freier Journalist. Ich schreibe für die Welt und diverse Wissenschaftsmagazine und würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen, Herr Dr. Lucard.“

Wieder einer dieser selbsternannten Investigativ-Journalisten, der dachte, er könne sich einen Pulitzerpreis verdienen, oder ähnliches. Na, sollte er es versuchen.

„Heute ist ihr Glückstag, Herr Kristiansen. Normalerweise ignoriere ich Anfragen wie Ihre, doch wenn sie zunächst erlauben IHNEN eine Frage zu stellen, werde ich Ihnen Gehör schenken.“

„Tun Sie sich keinen Zwang an.“

Ich lächelte in mich hinein.

„Woher haben Sie diese Nummer?“

„Meine Informanten gebe ich ni-"

„Schade“,

unterbrach ich ihn sofort.

„Als Gegenleistung für diese Information wäre ich bereit, Ihnen ein Exklusivinterview anbieten, aber nur, wenn Sie es nicht aufzeichnen.“

Über die Jahre hatte ich genügend Erfahrungen mit dieser Art von Schmeißfliegen gesammelt und mich auch schon viel zu oft unnötig über sie geärgert, als dass er mich noch aus der Reserve locken konnte. Sehr bekannt war ich unter den Menschen nicht, nur unter Biochemikern, also einem winzigen Kreis von Wissenschaftlern. Sie allerdings, liebten mich und betitelten mich ehrfurchtsvoll als „Prinz der Molekularbiologie“. Das lag an einem Versprecher eines Vertreters meines eigenen Volkes und leider nicht an meinen Leistungen. Man nahm mich als Spitzenreiter wahr. Forschungseinrichtungen und gut ausgestattete Universitäten erbrachten jedoch erheblich bessere Leistungen als ich. Das sollte auch so sein, denn immerhin werkelte ich vollkommen allein in meinem Kellerchen herum. Mein Auftreten und die Aura eines Reinblüters machten den Unterschied. Schon unter Vampiren stach ich hervor, auch wenn ich es niemals darauf anlegte, so wie Vicco es tat.

Die Familie, allen voran er, hatten nie verstanden, warum ich mein Gesicht in der Öffentlichkeit der Menschen zeigte. In den späten 70ern hatte ich den heutigen „UV-Blocker“ entdeckt und Auszüge meiner Arbeit veröffentlicht. Leider fiel es langsam auf, dass ich nicht wie ein Mensch alterte und das sorgte für Gesprächsstoff. In nicht allzu ferner Zukunft würde ich mich deshalb aus der öffentlichkeitswirksamen Forschung zurückziehen müssen.

Ein sentimentaler Beigeschmack lag mir entsprechend auf der Zunge, während ich mit diesem Journalisten sprach.

„Ich schneide das Gespräch nicht mit, Herr Dr. Lucard, aber mit ihrer Bedingung bringen Sie mich in eine schwierige Lage“,

entgegnete er nach einer für mich sehr erheiternden Pause. Was mir dieser Mann auch immer versicherte, zeichnete er das Gespräch selbstverständlich auf. Persönlichkeitsrechte zu verletzen, gehörte schließlich zum guten Ton des Journalismus.

„Also gut, Ihr Angebot ist zu verlockend. Es war eine Frau mit dem Decknamen ‚Robespierre‘. Mehr weiß ich nicht.“

„Die Gegenleistung?“

„N-nur die Veröffentlichung der Story.“

Die Suche nach dieser Revoluzzerin würde nicht lange dauern… Angeline, wer sonst? Ich würde sie mir vornehmen müssen, sobald ich zurück in Deutschland war. Früher freute ich mich auf solche Begegnungen, die unter meinen Angestellten respektvoll als „Audienzen“ bezeichnet wurden. Seit ich Lyz kannte, verloren sie ihren Reiz jedoch zunehmend bis auf eine Ausnahme, Alexander.

Da ich mein Wort hielt, ließ ich den Journalisten das Interview führen.

„Herr Dr. Lucard, es wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, dass Sie in ihrer Enzymforschung vor etwa zwanzig Jahren einen Durchbruch errungen haben. Warum gehen Sie mit diesen erfreulichen Ergebnissen nicht an die Öffentlichkeit?“

Ein offenes Lachen überkam mich. Hatte ich mir doch gedacht, dass es in diese Richtung gehen würde.

„Die Entdeckung des Jahrhunderts, glauben Sie?“

„Die Quelle des Lebens, der Jungbrunnen, wie Sie es nennen möchten. Befürchten Sie eine Überbevölkerung, Herr Dr. Lucard?“

„Da haben Sie sich einen schönen Bären aufbinden lassen, Herr Kristiansen.“

„Sie dementieren es also weiterhin? Verkaufen Sie das Produkt unter der Hand? Ihr sogenannter Verein macht doch seit Jahrzehnten widerrechtlich Gewinne.“

„Ist das eine böswillige Unterstellung?“,

lachte ich wieder, doch er blieb hartnäckig.

„Dass Sie die Behörden schmieren? Keine Unter-, sondern eher eine Feststellung nach meinen letzten Recherchen.“

Soso, er hatte also tatsächlich etwas herausgefunden. Na, da war ich doch froh ans Telefon gegangen zu sein.

„Sie wollen dem Verein doch nicht etwa ungerechtfertigt schlechte Publicity bescheren? Einem gemeinnützigen Verein wie unserem liegt das Wohl Tausender Männer, Frauen und Kinder auf der ganzen Welt am Herzen, nicht der Profit“,

entkräftete ich und das war noch nicht einmal gelogen. Vermutlich wusste er gar nicht, auf welch dünnes Eis er sich begeben hatte. Für mich lag die völlige Zerstörung seiner Existenz nur ein Telefonat entfernt.

„Was wäre Ihnen mein Schweigen wert, Herr Dr. Lucard?“

Amüsant, dieser Mann, aber mich konnte er nicht zu einem unabsichtlichen Geständnis bewegen. Dafür hatte ich zu viel Erfahrung mit Menschen wie ihm.

„Beschädigen Sie Ihre Reputation nicht durch voreilige Schlüsse und lesen Sie unsere Finanzberichte. Darin sind sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Vereins aufgelistet“,

gab ich zurück.

„Ich weiß, dass sie etwas zu verbergen haben. Sie werden noch von mir hören, Herr Lucard!“

Ach, Doktor war ich nun plötzlich nicht mehr? Auch gut.

„Ich hoffe, nur Gutes, Herr Kristiansen.“

Um ihn milde zu stimmen, wollte ich ihn eigentlich zu meinem nächsten Keynote Vortrag einladen, doch er hatte bereits aufgelegt. Zur Sicherheit rief ich trotzdem die Evanes an, um ihn zumindest unter Beobachtung zu stellen. Das war ein Team aus Tiefenanalysten, welche die Psyche ihrer Zielperson durch vermeintlich zufällige Ereignisse so lang malträtierte, bis sich diese beginnen würde, selbst zu zersetzen. Ziemlich offensichtlich, dass die Idee dahinter nur Viccos sozialwissenschaftlich geprägtem Geist entsprungen sein konnte. Meine, und auch Darics viel pragmatischeren Lösungen hielt er für durchschaubar, ich für effektiver. Am Ende war es mir gleich, denn ich brauchte nur schlicht einen Namen durchzugeben und war das Problem los.

Ebenso sehr, wie mich das Gespräch zunächst erheitert hatte, wühlte es mich nun auf. Seit Jahrzehnten drängte ich mich in die Welt der Menschen, deren Anerkennung ich suchte. Wieso genau tat ich das eigentlich? Lag es an meiner Mutter, die für ihre Forschung zu Blutgruppen und der Bluttransfusion niemals eine gerechte Würdigung erhielt, weil Alucard sie vor Veröffentlichung ihrer Ergebnisse mit mir getötet hatte?

Ich mochte die Menschen lieber als mein eigenes Volk. Auf Verständnis stieß ich damit nirgends. Unter den Vampiren erfreute sich der Darwinismus einer großen Anhängerschaft, die nach einer Unterjochung lechzte. Unnötig und viel zu anstrengend war das. Ich war schon von der Führung der Vampire genervt genug, wieso sollte ich es mir freiwillig noch schwerer machen wollen? Wie stellten sich diese Narren eine Unterwerfung überhaupt vor? 235.000 Vampire und da waren die Abtrünnigen schon eingerechnet, waren für die gut organisierte Kriegsführung der Menschen mittlerweile Kanonenfutter. Die meisten meiner Leute waren so unrein, dass sie sich nur noch durch ihre Nahrungsquelle und eine bessere Zellenreproduktion von den Menschen unterschieden, kaum stärker, kaum intelligenter, nichts weiter als Bodensatz für einen wie mich.

Selbstverständlich bedeutete das nicht, dass wir uns den Menschen unterordneten. Unsere Taktik war eine andere. Der Großteil des Adels besaß Banken. Im Grunde lag der Gros des Finanzsektors in unserer Hand. Wir ließen die Menschen tun und lassen was sie wollten, solange sie uns nicht in die Quere kamen. Wenn uns etwas nicht gefiel, würdigten wir einfach die Kreditwürdigkeit des Unternehmens herab, ließen Aktienpreise sinken, oder zerstörten ihre Psyche.
 

Irgendwann in der Nacht, tatsächlich saß ich noch über meinen Auswertungen, hörte ich, wie die Tür meines Nachbarzimmers benutzt wurde. Ich sah nach Lyz und stellte verwundert fest, dass sie ihr Zimmer verlassen hatte. Welchen Grund konnte sie dafür haben? Warum klopfte sie nicht bei mir? Hinterging sie mich etwa?

Ich stellte mich in den Gang und wartete auf sie. Als sie schließlich vor Lust geradeso triefend aus Victor-Constantins Zimmer geschlichen kam, verweigerte sich mein Verstand. Das konnte nicht wahr sein. Bereits in der ersten Nacht sprang sie in sein Bett!? Viel zu interpretieren, gab es allerdings nicht, wo ich doch Viccos Fährte quasi überall an ihrem Körper wahrnehmen musste, an ihren Brüsten, zwischen ihren Beinen! Wie konnten die beiden mir nur so etwas antun!? Nicht nur Lyz enttäuschte mich damit bitterlich, sondern auch mein Bruder.

Dieser Vertrauensbruch brachte die abscheulichsten Erinnerungen an Elisabeth und später an Sari zurück. Dass sich selbst meine zarte Rose in die Anthologie der Romanzen meines Bruders einreihen musste, war kaum zu verkraften.

Es war Alexander, der mir die Augen in dieser Nacht öffnete. Zwar vergriff er sich massiv im Ton, doch half er mir, die Sache richtig einzuordnen. Vicco hatte es darauf angelegt, uns zu entzweien und wenn er etwas wollte, bekam er es in der Regel auch. Meine Liebste war zwischen die brüderlichen Fronten geraten und wurde damit zum Kriegsschauplatz. Wie abscheulich von ihm, doch immerhin konnte ich Lyz vergeben. Ich gestand ihr meine Liebe, doch leider verpasste sie den richtigen Moment, dies zu erwidern, was ziemlich schmerzhaft war.
 

Ich haderte den Rest der Nacht mit mir. Die hölzerne Standuhr zeigte kurz nach drei, als ich wieder aufstand und mein Zimmer verließ. Durch die halb gefrorenen Fensterscheiben des Vorraumes sah ich nur pechschwarze Nacht, hörte aus dieser Richtung aber ein leises Knarzen von Dielen. Neugierig gemacht, öffnete ich die alte undichte Holztür zum verschneiten Wehrgang und erkannte Alexander im Schein der schwachen Glühlampe, die ich zuvor im Zimmer eingeschaltet hatte.

Er lehnte sich nach vorn auf das schneebedeckte Geländer, drehte den Kopf zu mir und dann gleich wieder zurück. Vielleicht hatte er Lyz an meiner statt erwartet. Waren die beiden möglicherweise verabredet gewesen, oder sah ich hier Gespenster?

„Mir hat dein Ton heute Nacht gar nicht gefallen. Ich akzeptiere oppositives Gedankengut nur, solange du es nicht zur Aussprache bringst. Grundwissen, das man dir auf der Akademie beigebracht haben sollte“,

begann ich meine Zurechtweisung, auf die hin er mich nun endlich ansah.

„Hat man, aber deine Reaktion war überzogen und es muss jemanden geben, der dir das sagt.“

Dieser unfassbar freche Bursche bot mir eine ganze Portion Adrenalin zum frühen Morgen.

„Hah, selbst wenn das so sein sollte, bist bestimmt nicht du dieser jemand, Alexander.“

Er stellte sich nun aufrecht und beließ nur eine seiner Hände auf dem Geländer. Sein Puls blieb kontrolliert und auch sein Blick furchtlos, als er sich zu seiner nächsten Aussage erdreistete.

„Sorry Rova, aber wer denn sonst, bitte? Ich seh keinen, der dir irgendwie nahesteht, dem du dich mal anvertrauen könntest. Nicht mal deine eigene Familie kann das leisten. Daric hat nur Sari im Kopf und Vicco ist ein hinterhältiger Arsch, Entschuldigung, dem sich keiner freiwillig öffnet. Mann, der knallt deine Frauen, ohne mit der Wimper zu zucken und lächelt dir dann dreist ins Gesicht.“

Seine Entschuldigung hätte er sich sparen können, da sie die Unverschämt seiner Aussage kaum schmälerten.

„So, dann sag mir, worin er sich dann von dir unterscheidet?“

Na bitte. Sein Herzschlag verdoppelte die Geschwindigkeit. Er hatte mir bei der Verteidigung von Lyz ein paar Stunden zuvor endlich Details seines Ausbruchs an Silvester gestanden, doch das war sicher nicht die ganze Wahrheit. Der unterdrückende Effekt meiner Folter und auch der Vergiftung schien nahezu vollständig verflogen zu sein. Vielleicht bedurfte es diesem fehlgeleiteten Diener an einer Auffrischung, hier und jetzt auf diesem düsteren kalten Wehrgang. Ein bisschen freute mich das. Mit ihm konnte ich viel weiter gehen als mit meinen früheren Dienern. Die Vorfreude lief wie ein wohliger Schauer über meinen Körper, während ich ganz allmählich auf den frechen Burschen zuging.

„Äußerst amüsant, Alexander. Wenn ich dich richtig verstanden habe, wärst du es gern, dem ich mich anvertrauen soll. Aber was glaubst du, würde mir der Rat eines Kindes nützen, hm?“

Sein Blick war unerträglich gefasst. Er war es doch nicht etwa schon gewohnt, von mir bedroht zu werden? Ich legte meine Hand auf seiner Schulter ab, setzte den Daumen unterhalb seines Schlüsselbeins an und gab ihm einen Ruck, bis er antwortete.

„Alles in sich hineinzufressen, führt zu Fehlentscheidungen.“

Seine Gesichtszüge waren kurz entgleist. Niedlich, wie er mit sich rang.

„Mehrzahl? Welche Entscheidungen waren denn deiner Meinung nach noch falsch?“

Er schwieg, also bohrte ich ihm meinen Daumen in die Schulter. Das glich meine Anspannung wunderbar aus, sodass ich entspannt hauchen konnte:

„Warum sagst du dazu nichts?“

„Weil ich oppositive Gedanken nicht mehr laut aussprechen soll.“

Verdammter Rotzbengel! Machte es ihm Spaß, mir die Stirn zu bieten? Ich drückte meine Hand vor Wut so fest zusammen, dass ich spürte, wie sein Fleisch und dann auch sein Schlüsselbein nachgaben. Das Gefühl, seines an meiner Hand herunterlaufenden, warmen Blutes, glich mich wieder ein wenig aus. Er hatte das Gesicht abgewendet und verbarg es im Schatten unter seinen schwarzen Haaren, aber ich wusste, dass er litt. Das verrieten mir auch seine süßen, leisen Schmerzenslaute.

„Glaubst du, Lyz' Schutz überträgt dir Rechte?“,

schimpfte ich.

„Du bist nur deshalb mein Diener, weil ich alle Zeugen ihrer Tat im Auge behalten muss. Ich hätte dich genauso gut sofort töten können.“

„Aber das hast du nicht, … weil du jemanden brauchst, der dich versteht. Weil du mich brauchst.“

Ihn brauchen? Das war der größte Hohn, den ich in der letzten Dekade gehört hatte. Ich lachte auf und bohrte meinen Finger auf seinem zersplitterten Knochen herum.

„Bursche, du wärst schon tot, wenn es Lyz nicht gäbe.“

„Wenn es sie nicht gäbe, … hättest du mich gar nicht töten wollen.“

Ich fletschte die Zähne.

„Dann wärst du immer noch ein kleines Nichts unter all meinen Angestellten.“

Er hob den Kopf an, schob sich die Haare mit der noch einsatzfähigen Hand hinters Ohr, damit ich ihm in die entschlossenen Augen sehen konnte und sagte mit fester Stimme:

„Ich bin mit dem Ziel in deinen Dienst getreten, dein persönlicher Diener zu werden. Ich hätte mich hochgearbeitet, bis ich dir aufgefallen wäre. Du kannst mir so viel weh tun, wie du willst, ich gebe meinen Traum nicht auf, Rova.“

Angenehm überrascht ließ ich ihn frei, denn das hatte ich an dieser Stelle beileibe nicht erwartet. Er beugte sich leicht nach vorn und hielt sich die Schulter, an der sein Arm bewegungsunfähig nach unten hing. Ehrgeiz hatte er, das musste ich ihm lassen. So gut, wie er informiert war, wusste er, dass ich keine persönlichen Diener einstellte. Er wollte also der erste seiner Art werden. Ein Träumer, dessen ursprünglicher Eindruck sich nun doch als Wahrheit erwies. Ich seufzte.

„Stehst du etwa auf Schmerzen?“

Er zog angewidert die Augenbrauen zusammen, was eine verbale Antwort obsolet machte.

„Geh deine Wunden heilen, vorlauter Knabe“,

war meine letzte Anweisung, bevor ich ihn entließ. Er nickte und verließ den Wehrgang leicht gebeugt. Ich hatte keine Ahnung, ob er sich unter Kontrolle bringen ließ. Seine Fähigkeiten empfand ich als ebenso nützlich wie gefährlich, deshalb wollte auch dieses ungute Bauchgefühl einfach nicht verschwinden.



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