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Selbstmord ist keine Lösung......oder?

von

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Bestrafung *zensiert*

Carinas Rücken krachte mit Nachdruck gegen eine der Wände im Flur, während Cedric und sie sich immer noch eng umschlungen küssten. Ihre Lippen und Zungen streichelten einander, suchten die Nähe zu ihrem Gegenstück. Gott, wenn das so weiterging, dann würden sie es doch nicht mehr bis ins Schlafzimmer schaffen…
 

Blind begann sie mit ihrer Hand nach links zu tasten, irgendwo hier musste doch der verdammte Türknauf sein! Nach wenigen, aber dafür ungeduldigen Sekunden ergriffen ihre Finger endlich den gesuchten Gegenstand und drehten ihn sogleich in die gewünschte Richtung. Es quietschte leicht, als die Tür aufsprang, aber keiner der beiden störte sich daran. „Cedric“, flüsterte sie ihm heiser ins Ohr und spürte gleich darauf, wie sich sein Griff um sie verfestigte. Im nächsten Augenblick hob er sie von der Wand weg und stolperte – mehr schlecht als recht – mit ihr durch die Schlafzimmertür, die er bereits beim nächsten Schritt nach vorne mit einer geschickten Bewegung seines anderen Fußes hinter ihnen schloss.
 

„Oho“, grinste Carina und hauchte ihm ihren Atem neckend in die Halsbeuge, „da hat jemand ungeahnte Talente.“ Ein spitzbübisches Grinsen empfing sie, als sie ihm kurz darauf wieder ins Gesicht sah. „Ich habe viele Talente“, entgegnete er und durchquerte mit langsamen Schritten den Raum, „und ich verspreche dir, ich werde sie dir nach und nach alle zeigen“, gab er ihr das verheißungsvolle Versprechen und ließ sie noch in derselben Sekunde los, sodass sie rückwärts aufs Bett fiel.
 

Die 19-Jährige schaute zu dem Bestatter auf, der mit seinen vor Lust verdunkelten gelbgrünen Augen auf sie hinab sah. Aufgeregte Nervosität ergriff Besitz von ihr. Wobei es eigentlich keine wirkliche Nervosität war. Viel mehr so eine Art Nervenkitzel, der ihr Herz vorfreudig flattern ließ und ihr sehr eindringlich vor Augen führte, dass sie dieses kleine Spielchen mit ihm bis in die letzte Faser genoss. Ihre eigenen Augen glitten langsam an seinem muskulösen Oberkörper hinab, um schließlich die schwarze Unterhose zu fixieren, unter deren Stoff sich bereits sehr deutlich seine Erektion abzeichnete. Sie kreuzte ihren Blick erneut mit dem seinen und biss sich sanft auf die Unterlippe, weil sie ganz genau wusste, dass ihm das gefiel. Die phosphoreszierenden Pupillen wurden, wenn möglich, noch dunkler.
 

„Zieh dich aus“, raunte er und der Befehlston in seiner Stimme war so energisch, dass Carina nicht eine Millisekunde darüber nachdachte seiner Aufforderung nicht Folge zu leisten...
 

[...]
 

Die 19-Jährige hatte die Augen geschlossen und rang darum, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Warum hatte sie sich gerade eben überhaupt gewaschen? Das konnte sie jetzt definitiv wiederholen, so viel stand fest!
 

Allmählich schlug ihr heftig pochendes Herz wieder langsamer und auch ihre Lunge bekam wieder genügend Luft. Doch je weiter sich ihr Körper beruhigte, desto deutlicher wurde sie sich des pulsierenden Schmerzes bewusst, der von ihrem Hintern ausging. Und je weiter sie ihren Verstand wieder zurückgewann, desto zorniger wurde sie.
 

Mit immer noch wackligen Knien erhob sie sich langsam vom Bett und zuckte kurz darauf zusammen, als sich die Haut an ihrem Po straffte. Doch bevor sie ganz aufstehen konnte, ergriff der Undertaker ihren Unterarm und zog sie näher an sich ran, um sie gleich darauf innig auf den Mund zu küssen. „Willst du etwa schon gehen?“, hauchte er ihr ins Ohr und rieb seine Nase kurz an der ihren. „Ich dachte, wir könnten noch ein wenig liegen bleiben und möglicherweise eine zweite-“ „Danke, kein Bedarf“, unterbrach sie ihn schroff und rückte ein Stückchen von ihm weg, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen. Gott, ihr war das alles so unsagbar peinlich…
 

Cedric grinste sie beinahe schon unverschämt breit an. „Zierst du dich jetzt etwa?“ Er lachte erheitert, als sie ihm auf diese Aussage hin einen wütenden Blick zuwarf. „Jetzt sei nicht sauer. Es hat dir doch auch gefallen.“ „Nein, es hat mir nicht gefallen“, zischte sie. Ein belustigtes Funkeln trat in seine Augen und er zog sie erneut näher, sodass sein Gesicht nun direkt vor ihrem schwebte. „Dein Körper hat mir da aber etwas gänzlich anderes gesagt“, wisperte er leise. Carina spürte, wie sie rot wurde. Natürlich, seine bestimmende Art und Weise hatte ihr definitiv zugesagt, aber doch ganz sicher nicht, dass er sie geschlagen hatte…
 

Das leise, gedanklich geflüsterte „oder?“, das ihr Verstand an den Satz dranhängte, ignorierte sie gekonnt. Dank der anhaltenden Hitze, die von ihrem geschundenen Hintern ausging, gelang ihr das auch ganz gut.
 

„Es hat mir nicht gefallen“, sagte sie ein weiteres Mal und schaute ihm dabei stur in die Augen. Der Ausdruck in den phosphoreszierenden Seelenspiegeln wurde eine Spur herausfordernder. „Soll ich dich nochmal übers Knie legen oder warum lügst du mich schon wieder an?“, fragte er amüsiert, aber dennoch bestimmt nach und Carinas Reaktion folgte prompt, indem sie sich von seinem Griff losriss und so schnell zum anderen Ende des Bettes wegrutschte, dass sie beinahe über die Kante gefallen wäre. Sie fühlte genau, dass ihr bei seinen Worten das Blut noch weiter in die Wangen geschossen war. Für einen ganz kurzen Moment war sie tatsächlich sprachlos. Doch die Schnitterin war keine Frau, die nicht schnell ihre Stimme wiederfand. „Du… du hast mich nicht übers Knie gelegt“, schleuderte sie ihm entgegen – halb fauchend, halb stotternd.
 

Schon wieder erschien daraufhin ein glühendes Funkeln in seinen Augen. Carina gefiel es von Sekunde zu Sekunde weniger.
 

„Etymologisch betrachtet vielleicht nicht, aber das Ergebnis bleibt dasselbe.“ Der Gesichtsausdruck der jungen Frau verfinsterte sich. „Das war das erste und letzte Mal, dass du so etwas mit mir machst“, knurrte sie und erhob sich nun endgültig vom Bett, um ihre Sachen vom Boden aufzuheben. „Hehe~, ach ja?“, erwiderte er fragend und betrachtete zufrieden ihren Po, als sie ihm den Rücken zudrehte. „Lass uns doch eine Regel aufstellen. Jedes Mal, wenn du mich anlügst, wiederholen wir diese nette Geschichte von vorhin.“ „Spreche ich vielleicht eine andere Sprache?“, entgegnete Carina genervt und wandte sich ihm wieder zu, die Arme vor der nackten Brust verschränkt. „Vergiss es!“
 

Eine seiner schmalen Augenbrauen hob sich. „Wenn du mich doch nicht mehr anlügen wirst, dürfte diese Vereinbarung doch kein Problem für dich darstellen, richtig? Oder nimmst du es mit der Ehrlichkeit vielleicht doch nicht so ganz genau?“ Carina biss sich auf die Lippe. Das war jetzt wirklich unfair von ihm, sie in eine solche Zwickmühle zu bringen. Da war zum Beispiel immer noch die Sache mit der Verbindung zwischen ihr und Elizabeth, die sie ihm bis heute nicht erklärt hatte. Aber streng genommen log sie ihn nicht an. Sie sagte ihm nur nicht die Wahrheit.
 

Ein beleidigtes Schnauben entfuhr ihrer Kehle. „Tch. Ist doch egal, was ich dazu sage, oder? Du machst doch ohnehin immer das, was du willst“, antwortete sie schnippisch und jetzt waren es ihre Augen, die gefährlich aufblitzten. „Aber lass dir eines gesagt sein, Cedric. Das wird noch Konsequenzen haben.“
 

Er brach in Gelächter aus. „Oh Carina“, begann er und machte eine kurze Pause, um sein Kichern wieder unter Kontrolle zu bekommen, „ich möchte dein Selbstbild ja nicht zerstören, aber was möchtest du bitteschön gegen mich ausrichten? Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der ich mich vor irgendwelchen sogenannten „Konsequenzen“ von dir fürchten sollte.“ „Warte es ab“, gab sie ruhig von sich und nahm die Herausforderung innerlich an. Wäre doch gelacht, wenn sie nicht irgendeinen Weg finden würde, um sich dafür an ihm zu rächen. Und die Rache würde süß sein!
 

„Gerne“, raunte er ihr anzüglich entgegen und erhob sich nun ebenfalls vom Bett. Carina kam nicht umhin ihn anzusehen. Egal, wie unmöglich er sich auch benahm, sein Körper gehörte einfach in Stein gemeißelt.
 

„Soll ich Pitt holen, damit er ein Foto von mir machen kann?“, grinste der Undertaker, ohne sein weibliches Gegenstück dabei anzusehen, spürte er ihre Blicke doch überdeutlich. „Ich musste mich nur gerade noch einmal daran erinnern, warum ich dich liebe. Jetzt weiß ich es wieder, dein Körper gleicht deinen gemeinen Charakter gerade so aus.“ „Freches Ding.“ Er schaute sie verheißungsvoll an und Carina wechselte schnell das Thema, bevor er noch auf weitere dumme Ideen kommen konnte. „Und wer ist eigentlich dieser Pitt? Den Namen höre ich heute zum ersten Mal.“
 

„Pitt arbeitet als freiberuflicher Reporter und ist genauso wie ich ein Aristokrat des Bösen.“ Carina runzelte die Stirn. Irgendwas klingelte bei ihr, wenn sie „Aristokrat des Bösen“ hörte, aber sie konnte sich nicht mehr so recht daran erinnern. „Die Aristokraten des Bösen“, begann der Undertaker, als hätte er Carinas Gedanken gelesen, „bilden eine geheime Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat den jeweiligen Wachhund der Königin bei seiner Arbeit zu unterstützen. Vorrangig durch unsere Arbeit, unseren Einfluss oder aber auch unsere Kontakte zur Unterwelt. Diederich zum Beispiel gehört auch dazu.“
 

„So so“, sagte Carina argwöhnisch. „Und du gehörst dazu, weil du der Hauptinformant bist, wenn es um Todesfälle jeglicher Art geht?“ „So ist es“, grinste er. „Und dieser Pitt hat dort welche Aufgabe? Ich meine… was will ein freiberuflicher Reporter bei solch einer Organisation? Ist das nicht eher kontraproduktiv für euch?“ „Ganz im Gegenteil sogar. Sagen wir es mal so, Pitt ist immer genau dann zur richtigen Stelle, wenn es darum geht gewisse Skandale fotografisch festzuhalten.“ „Aha“, sagte Carina mit hochgezogenen Augenbrauen und schüttelte kurz den Kopf. „Ich kann mir vorstellen, wie toll Ciel das finden muss.“ „Es hat sich schon oft als ziemlich nützlich erwiesen, das stimmt wohl“, gluckste er vergnügt und ging zum Schrank, um sich seine Kleidung für den heutigen Tag herauszusuchen.
 

Mit einem Seufzen ging die 19-Jährige ins Badezimmer und wusch sich erneut. Mehr als einmal musste sie die Zähne zusammenbeißen, als sie ihre Kehrseite berührte und als sie sich schließlich dazu überwand den Kopf so weit über ihre Schulter zu drehen, dass sie ihren Hintern im Spiegel betrachten konnte, entglitten ihr glatt die Gesichtszüge. Sie spürte die Wut erneut in sich aufsteigen. „Na warte, Freundchen“, dachte sie und cremte sich die knallrote Haut mit Ringelblumensalbe ein, „das wird noch ein Nachspiel haben, so wahr ich hier stehe.“
 

Während sie ins Schlafzimmer zurückkehrte und sich zum zweiten Mal am heutigen Tage anzog, verschwand Cedric im Badezimmer um sich ebenfalls fertig zu machen. 15 Minuten später saßen sie beide am Frühstückstisch, über den Carina sich jetzt im Nachhinein ärgerte. Sie hatte sich wirklich Mühe mit dem Eindecken gegeben und was hatte sie nun davon? Einen pulsierenden Schmerz in ihrem Gesäß, der beim Sitzen nur noch unangenehmer zur Geltung kam.
 

Cedric grinste sie wissend an, als sie sich mit einer sehr vorsichtigen Bewegung auf dem Stuhl niederließ. „Kein Wort“, knurrte sie und nahm sich ein Brötchen aus dem Brotkorb, um es sich anschließend mit Butter und Marmelade zu beschmieren. „Ich doch nicht“, grinste er schelmisch zurück, was die Blondine genervt die Augen verdrehen ließ.
 

„Ich treffe mich dann nachher am Parkeingang mit Grell, damit wir zu den Sterlings gehen können“, warf sie in den Raum und konnte sofort beobachten, wie der Blick des Silberhaarigen ernster wurde. „Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?“, fragte er und nahm einen Schluck von seinem Tee. „Cedric, der Mann hat versucht sich umzubringen. Ich kann nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert und damit riskieren, dass er es nochmal versucht. Seine Frau ist schwanger.“ „Und du bist dir sicher, dass es keine Falle ist?“ Sie zögerte kurz. „Ganz sicher kann man sich nie sein“, gab sie zu. „Aber wenn es eine Falle wäre, dann hätte Samael mich genauso gut gestern an Ort und Stelle töten können. Grell hatte für ein paar Minuten sogar das Haus verlassen und ich war mit diesem Charlie ganz allein im Badezimmer. Es wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, aber es ist nichts passiert.“
 

Diese einfache Tatsache schien sogar Cedric zu beruhigen. „In Ordnung“, meinte er, doch seine gelbgrünen Augen fixierten sie immer noch ernst. „Aber bleibt auf der Hut. Man kann nie wissen. Und er ist ein Dämon, die lassen sich immer gerne etwas einfallen, um ihre zukünftigen Opfer fertig zu machen, bevor sie sie verschlingen.“ „Keine Sorge, so leicht werde ich es ihm nicht machen“, antwortete sie, nun ebenso ernst wie er. Uriel hatte ihnen immerhin ziemlich genau erklärt, wie er Crow für seine Zwecke benutzt hatte.
 

Ihr würde das nicht passieren!
 

Eine Stunde später zog Carina sich gerade ihren schwarzen Mantel an, als Cedric aus dem Keller hochkam, um sie zu verabschieden. Ehe sie auch nur in irgendeiner Form reagieren konnte, hatte der größere Mann sie bereits an sich gezogen und seine Arme um ihre Taille geschlungen. „Pass auf dich auf“, flüsterte er ihr leise ins Ohr und küsste sie sanft auf die Wange. Die 19-Jährige spürte eine altbekannte Wärme in ihrer Brust aufsteigen und lächelte. „Das werde ich“, murmelte sie ebenso leise zurück und gab ihm einen langen Kuss auf den Mund. „Wenn du in zwei Stunden nicht zurück bist, komme ich dich suchen“, sagte er und Carina nickte, hörte neben seiner Sorge auch die Warnung aus seiner Stimme mit heraus. Sie sollte ihn nicht zu lange warten lassen. „Ich beeile mich“, versprach sie, küsste ihn erneut und verließ das Bestattungsinstitut, nachdem Cedric sie aus der Umarmung entlassen hatte.
 

„Da bist du ja endlich“, meinte Grell 5 Minuten später, als Carina in Sichtweite kam. „Entschuldige, aber ein gewisser Bestatter wollte mich nicht ganz wortlos gehen lassen“, erwiderte sie, was den Rothaarigen abrupt zum Grinsen brachte. „Deinen Worten entnehme ich, dass ihr euch gestern doch nicht mehr die Köpfe eingeschlagen habt?“ Sie schnaubte. „Ich habe ihm klar und deutlich gesagt, was ich von seinem Vertrauen mir gegenüber halte und er hat sich im Nachhinein dafür entschuldigt.“ „Siehst du, dann ist doch alles wieder gut.“ Sie schnaubte ein weiteres Mal. „Nein, nicht ganz, aber das hebe ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf.“
 

Grell runzelte verwirrt die Stirn. „Wovon sprichst du? Hat er noch etwas gemacht?“ Carina wurde rot, wenn sie auch nur daran dachte. Mit schnellen Schritten setzte sie sich in Bewegung und betrat den Park. „Ja, aber das behalte ich für mich.“ Jetzt wirkte der Reaper beleidigt. „Wieso das denn?“, brauste er auf. „Ich bin dein bester Freund, wenn es einer erfahren sollte, dann doch wohl ich!“ „Wenn es dich tröstet Grell… Ich werde auch mit keinem anderen jemals darüber sprechen.“ „Häh?“, gab der Todesgott nur verwirrt von sich und schloss zu ihr auf. „Das heißt nicht häh, sondern wie bitte“, korrigierte sie ihn ganz automatisch, denn diesen Spruch hatte er ihr in der Vergangenheit auch das ein oder Mal reingedrückt. „Na schön, dann eben: Wie bitte?“ „Meine Antwort bleibt die Gleiche“, sagte sie amüsiert.
 

„Och, komm schon, bitte! Du weißt doch ganz genau, wie neugierig ich bin.“ „Eben“, lautete ihre Antwort darauf. „Es kann dir nicht schaden mal nicht alles zu wissen, was in meinem Privatleben passiert. Ich erzähle dir ohnehin schon viel zu viele peinliche Sachen.“ „Aha, also war es etwas Peinliches?“, triumphierte Grell und sofort verfinsterte sich Carinas Gesichtsausdruck aufgrund ihres Ausrutschers. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit“, sagte sie genervt und das stimmte tatsächlich, denn das Haus von Emma und ihrem Mann war bereits in Sichtweite. „Glaub ja nicht, dass du mir so leicht davon kommst“, drohte Grell ihr spielerisch, meinte es aber durchaus ernst. Er würde schon noch herausfinden, was zwischen den beiden Turteltauben vorgefallen war.
 

Emma öffnete ihnen bereits nach wenigen Sekunden die Tür. Ihr rotbraunes Haar hing strähnig hinab, ihre grauen Augen waren blutunterlaufen. Mit einer gewissen Besorgnis beäugte Carina die Blässe im Gesicht der schwangeren Frau. Aber schwer verwunderlich war es eigentlich nicht. Wenn sie gestern beinahe ihre große Liebe verloren hätte, dann sähe sie wohl kaum besser aus…
 

„Hallo Emma“, erwiderte sie freundlich und schenkte der jungen Frau ein kleines Lächeln, was diese zumindest versuchte zu erwidern. „Hallo“, antwortete sie leise und beide Shinigami konnten deutlich hören, dass ihre Stimme vom vielen Weinen ganz rau geworden war. „Dürfen wir rein kommen?“, fragte Carina und ihr Gegenüber nickte leicht, trat weiter weg ins Innere des Hauses, um ihnen Platz zu machen. Grell warf seiner selbsternannten kleinen Schwester einen kurzen Blick zu, den diese erwiderte. Trotz dem Gefühl, dass es sich hier nicht um eine Falle handelte, würden sie dennoch vorsichtig sein und all ihre Sinne nach etwas ausstrecken, was möglicherweise nicht innerhalb der Norm lag.
 

„Möchtet ihr einen Tee?“, fragte die werdende Mutter zögerlich und die 19-Jährige merkte ihr klar und deutlich an, dass sie verunsichert war. Dass sie absolut keine Ahnung hatte, wie sie mit der Situation umgehen sollte. „Gerne“, gab sie daher zurück und auch Grell nickte, zeigte ihr dabei seine spitzen Zähne, was wohl eine beruhigende Geste darstellen sollte. Natürlich bewirkte es so ziemlich das genaue Gegenteil. Emma wurde, wenn es denn überhaupt noch möglich war, sogar noch eine Spur bleicher und drehte sich schnell von ihnen weg, um in die Küche zu gehen. Carina stieß Grell ihren Ellbogen heftig in die Seite und warf ihm einen warnenden Blick zu, den der Rothaarige mit einem geflüsterten „Was denn“ und einem verwirrten Blick quittierte.
 

„Setzt euch doch“, murmelte Emma ohne sie anzusehen und Grell kam dem Angebot auch sogleich nach, schlug noch im selben Augenblick seine langen, schlanken Beine übereinander. Carina hingegen zögerte deutlich länger und als sie schließlich vor dem Sofa stand, ließ sie sich nur ganz langsam auf das Polster sinken. Grell entging ihre verkrampfte Miene dabei keineswegs. „Alles in Ordnung?“, flüsterte er verwundert und blinzelte, als ihm daraufhin der schwache Rotschimmer auf den Wangen seiner Sitznachbarin auffiel. Carina nickte lediglich, biss sich aber zeitgleich auf die Wangeninnenseite, denn ihr schmerzender Hintern ließ sich kaum ignorieren. Cedric würde dafür so was von büßen…
 

„Ist er schon aufgewacht?“, fragte Carina, als Emma wenige Minuten später mit einem Tablett zurückkam, auf dem sich drei dampfende Tassen befanden. Angesprochene nickte und ließ sich nun ebenfalls in dem Sessel nieder, der dem Sofa genau gegenüber stand. „Ja, vor 2 Stunden. Aber er scheint nicht wirklich bei Sinnen zu sein… Er möchte jedenfalls nicht mit mir reden und ich…“ Sie stockte kurz und schluckte, als sich Tränen in ihren Augen sammelten, …ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll.“
 

Carina war für einen Moment schier sprachlos, doch hier schaltete sich Grell ein. „Es ist schon mal ein gutes Zeichen, dass er nicht versucht hat sich von den Fesseln zu befreien und sich erneut etwas anzutun. Manche Menschen verlieren nach einem Selbstmordversuch vollkommen den Verstand und versuchen sich in der Not sogar die Zunge abzubeißen. Wir sollten froh sein, dass es bei deinem Mann scheinbar noch nicht so weit gekommen ist.“
 

Die beiden Frauen starrten den Rothaarigen verblüfft an. Carina allerdings mehr durch den Aspekt, dass er sie gerade äußerst beeindruckt hatte. Wie oft vergaß sie einfach, dass er wesentlich älter war und seine Erfahrung dadurch viel weiter reichte, als ihre eigene? Das hatte er auf jeden Fall gerade unter Beweis gestellt. An der Stelle, wo ihr die Worte gefehlt hatten, hatte er eingegriffen und scheinbar genau das Richtige gesagt, denn Emmas Miene entspannte sich ein wenig.
 

„Ihr beide scheint euch in diesem Gebiet wirklich ziemlich gut auszukennen“, merkte sie an und sogleich versteifte sich Carina. „…Könnte man so sagen“, gab sie schließlich zu, suggerierte aber gleichzeitig mit ihren Unterton, dass die Frau besser nicht genauer nachhacken sollte. Emma verstand die stumme Aufforderung und die nächsten paar Minuten nippten alle drei nur stillschweigend an ihrem Tee. Doch natürlich ließ sich der unangenehme Moment nicht viel länger herausschieben, in dem Carina und Grell sich erheben mussten.
 

„Also, wollen wir?“, sagte Grell an seine Partnerin gewandt und diese nickte. Er kannte sie mittlerweile gut genug, um ihr die Nervosität ansehen zu können. Es war mal wieder so typisch, dachte er sich und lächelte mild. Es war Carinas Vorschlag gewesen heute noch einmal wieder zu kommen und mit diesem Charlie zu sprechen. Dennoch – und das konnte er ihr ebenfalls ganz genau ansehen – hatte sie überhaupt keinen Plan, wie dieses Gespräch verlaufen sollte. „Keine Sorge, wir machen das schon“, flüsterte er ihr zu, als sie die Treppe nach oben hinaufgingen. „Ich hoffe, du hast Recht“, murmelte sie zurück, warf ihm aber dennoch ein dankbares Lächeln zu. Was würde sie nur ohne ihren besten Freund tun?
 

Das Schlafzimmer des Ehepaars war abgedunkelt, als die beiden Todesgötter mit Emma zusammen eintraten. Charlie lag auf der rechten Seite des Doppelbettes, seine Hände waren immer noch so festgebunden, dass er sich selbst nichts antun konnte, gleichzeitig aber auch nicht so fest, dass er sich die Wunden in seinem Unterarm wieder aufreißen konnte. Sein kurzes, schwarzes Haar wirkte durcheinander, ebenso wie er selbst. Seine braunen Augen glitten unruhig hin und her und als Emma zum Sprechen ansetzte, zuckte er vor Schreck zusammen. „Charlie, das sind die beiden, von denen ich dir erzählt habe. Sie haben dir das Leben gerettet und würden jetzt gerne mit dir sprechen.“ Ihre Worte wirkten gefasst, aber Carina konnte das Zittern ihrer Hände sehen, als sie sie im Stoff ihres Kleides vergrub.
 

„Hallo Charlie“, begann sie vorsichtig und setzte sich mit etwas Abstand zu ihm aufs Bett, Grell immer dicht hinter sich. „Mein Name ist Carina und das hinter mir ist Grell. Wir…“, sie schluckte kurz, wog jedes einzelne Wort nachdenklich in ihrem Kopf ab, „wir wollten mit dir darüber sprechen, was gestern passiert ist.“
 

Der Schwarzhaarige begann sachte zu zittern und wenn sein Gesicht nicht schon so bleich gewesen wäre, dann wäre sicherlich auch noch der letzte Rest an Farbe daraus entwischen. Carina hatte nicht erwartet, dass er mit ihnen sprechen würde. Umso mehr überraschte es sie daher, dass er nun langsam den Mund öffnete und stotternd die Stimme erhob. Wäre sie nicht so getränkt gewesen von Verzweiflung und Selbsthass, dann hätte sie einen schönen Klang haben können.
 

„Warum habt ihr das getan?“, brachte er bebend hervor und starrte die für ihn fremde Frau mit einem vorwurfsvollen Gesichtsausdruck an. „…Ich verstehe nicht“, begann die Todesgöttin verwirrt, wurde aber sogleich von ihm unterbrochen. „Warum habt ihr mich gerettet? Warum habt ihr mich nicht sterben lassen?“, rief er verzweifelt aus, während nun dicke Tränen seine Wangen hinabkullerten.
 

Carina spürte, wie sich Grell hinter ihr versteifte und wie Emma sich entsetzt die Hände vor den Mund schlug. Ein paar Sekunden herrschte angespannte Stille, dann ergriff Carina erneut das Wort. „Ist das nicht offensichtlich?“, fragte sie ruhig und blickte dem jungen Mann dabei direkt in die Augen. „Ich weiß nicht, wie andere Menschen das sehen, aber ich zumindest glaube, dass man keinen Grund braucht, um jemandem das Leben zu retten.“
 

„Ich wollte aber nicht gerettet werden“, wisperte Charlie und seine Augen wurden immer größer. „Ich will, dass das endlich aufhört.“ „Das was aufhört?“, fragte Grell und bereute seine Frage sofort, als er die entsprechende Antwort darauf hörte. „Diese Stimme… ich will diese Stimme in meinem Kopf nicht mehr hören.“
 

Emma brach in leises Schluchzen aus und Carina wusste ganz genau, was sie dachte. Ihr selbst ging es ja schließlich nicht anders. „Eine Stimme?“, hackte sie nach und spürte Beklemmung in sich aufsteigen. Sollte Charlie wirklich Stimmen hören, dann konnte sie nichts für ihn tun. Dann musste er wirklich in ein Krankenhaus. „Gerade ist sie zum ersten Mal seit letzter Woche nicht mehr da, aber ansonsten lässt sie mich nicht mehr in Ruhe. Ich kann nicht schlafen, ich kann nicht essen und ständig redet sie mir ein, dass das alles erst vorbei ist, wenn ich mich umbringe.“ Er schluchzte nun im Gleichklang mit seiner Frau.
 

Carina biss sich auf die Unterlippe. Jetzt wusste sie wirklich nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Und wie schlimm musste es erst Emma gerade gehen? Sie erwartete doch ein Kind…
 

„Und wenn ich dann mal Schlaf finde, weil mein Körper einfach nicht mehr kann“, weinte der Schwarzhaarige weiter, „dann erscheint dieses Monster in meinen Träumen und spricht mit eben dieser Stimme, die ich die ganze Zeit in meinem Kopf höre.“
 

„Ein Monster?“, hörte Carina Grell fragen und etwas an seinem Ton sagte ihr, dass ihm plötzlich ein Gedanke gekommen sein musste, der nichts mit einer Geisteskrankheit zu tun hatte. Sie warf ihm einen kurzen, fragenden Blick zu, doch der Schnitter konzentrierte sich einzig und allein auf den gefesselten Mann vor sich.
 

„Ein Mann“, krächzte Charlie und wiegte sich langsam auf dem Bett vor und zurück. Seine nächsten Worte zogen Carina den Boden unter den Füßen weg.
 

„Mit langen, schwarzen Haaren und blutroten Augen. Mit schwarzen Schwingen auf dem Rücken.“
 

Die Todesgöttin spürte, wie nun sie diejenige war, die erbleichte.
 

Nein, das konnte nicht sein…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2019-06-02T07:49:49+00:00 02.06.2019 09:49
Okaay. Na das ist doch mal was. Ich bin gespannt.
Gut geschrieben. Gefällt mir. Echt gut dargestellt.

LG


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