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Five Times Connor And Markus Spent Their Evening Together (And One Time Connor Realized They Were Dating)

Markus x Connor
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, meine Lieben.
Da ich ab morgen wieder arbeiten muss, ist dies vorerst das letzte Update für die nächsten paar Tage. Ich habe euch in der letzten Woche sehr verwöhnt, aber ich befürchte, dass ich vor dem Wochenende nicht zum Weiterschreiben kommen werde. Insofern bitte ich euch um etwas Geduld. ;)

Dieses Kapitel beginnt mit einem Perspektivwechsel und dem längst überfälligen Dad!Talk zwischen Hank und Connor. Ich hatte meine Freude damit. :D Komplett anzeigen

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Pictures at an Exhibition

„Irgendetwas stimmt nicht mit mir“, sagte Connor.

Hank sah ihn schief von der Seite an. Es war schon spät und sie hatten gerade den Abschlussbericht ihres letzten Falls fertiggestellt und waren dabei, ihre Sachen zusammenzuräumen. Abgesehen von der Nachtschicht waren sie die einzigen, die sich noch in der Polizeistation aufhielten, und Hank freute sich schon auf seinen Fernseher, ein Glas Whiskey und anschließend auf sein Bett.

Was bedeutete, dass Connor dies natürlich für den besten Moment hielt, um eine Unterhaltung über seine Gefühle anzufangen.

Hank seufzte. Wenn der Junge ihm nicht mittlerweile so verdammt viel bedeuten würde, dann hätte er ihn einfach stehen lassen und wäre gegangen.

„Es gibt eine Menge Dinge, die nicht mit dir stimmen, Connor“, entgegnete er. „Du musst schon etwas konkreter werden.“

Es musste wirklich etwas Ernstes sein, denn anstatt die humorvolle Bemerkung als das zu identifizieren, was sie war, hob Connor ruckartig den Kopf und sah ihn betroffen an, fast wie ein Welpe, den er im Regen vor die Tür gesetzt hatte.

Hank fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und sah seine Chancen schwinden, noch vor Mitternacht zu Hause zu sein.

„Scheiße, das war doch nur ein Scherz, Connor.“ Er schüttelte den Kopf. „Du magst anders und... seltsamer... sein, als alle anderen Androiden, aber das bedeutet nicht, dass du nicht genau richtig so bist, wie du bist.“

Connor senkte den Blick, als war es ihm plötzlich unangenehm, dass er überhaupt etwas gesagt hatte.

„Vergiss es, Hank, ich...“ Seine Stimme wurde leise. „Es ist nicht weiter wichtig.“

Für einen Moment war Hank ernsthaft besorgt, dass der andere sich einen Virus eingefangen hatte. Sonst war Connor immer kaum stillzukriegen und sprach ohne Zurückhaltung oder Filter alles aus, was ihm durch den Kopf ging, und jetzt auf einmal diese Zurückhaltung? Das konnte doch nicht richtig sein.

„Unsinn“, erwiderte Hank. „Ich sehe doch, dass dir etwas zu schaffen macht. Also tu uns beiden einen Gefallen und spuck es einfach aus.“

Connor zögerte für einen Augenblick, doch dann ließ er sich wieder auf seinen Stuhl sinken und faltete die Hände im Schoß.

„Ich entdecke seit ein paar Wochen immer wieder einen Glitch in meiner Software“, begann er. „Meine Biokomponenten reagieren, ohne dass es erkennbare innerliche oder äußerliche Ursachen dafür gibt. Sowohl mein Stresslevel als auch mein Betriebstemperatur steigen von einem Moment zum nächsten rapide an und kehren dann ebenso plötzlich wieder zu ihren Basiswerten zurück. Doch meine Virenprogramme haben bislang keinen Fehler ausfindig machen können.“

Hank strich sich über den Bart. Das klang in der Tat sehr besorgniserregend; kein Wunder, dass der arme Kerl so neben sich stand. Hank wünschte, er würde genug von Computern verstehen, um Connor helfen zu können.

„Alle diese Momente hatten eines gemeinsam, aber das könnte auch nur ein Zufall sein“, fuhr Connor fort. „Vermutlich ist es nur ein Zufall...“

Hank gab keine Antwort, aber er sah Connor weiterhin aufmerksam an.

Der Android schwieg für einen Moment, doch schließlich hob er den Blick und sah Hank in die Augen. „Die Vorfälle traten jedes Mal auf, wenn ich mit Markus zu tun hatte.“

Huh. Damit hatte er nun überhaupt nicht gerechnet.

„Mit... Markus“, wiederholte Hank, nur um sicherzustellen, dass er richtig gehört hatte.

„Ja.“ Connor nickte mit ernster Miene. „Der Glitch kommt immer dann vor, wenn wir uns sehen oder miteinander sprechen oder uns... uns berühren.“

„Berühren?“

„Oh, du weißt schon.“ Connor hob eine Hand und Hank sah mit an, wie sich die Haut zurückzog, um weißem Plastik zu weichen.

Er zog die Augenbrauen hoch.

„Moment“, sagte er. „Hast du nicht mal vor einer Weile erwähnt, dass diese Art von Kontakt die intimste Art der Berührung zwischen zwei Androiden ist, die man sich vorstellen kann?“

„Markus ist mein Freund“, erwiderte Connor und runzelte die Stirn. „Ich sehe das Problem nicht.“

Hank lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Nur ein Freund, hm?“, fragte er und konnte den amüsierten Tonfall nicht ganz verbergen.

Nicht, dass er Connor nicht verstehen konnte. Bei den wenigen Malen, die er Markus persönlich getroffen hatte, hatte ihn dessen ruhige und intelligente Art zutiefst beeindruckt. Er strahlte ein Charisma und eine Autorität aus, die Hank selbst bei einem Menschen noch nie erlebt hatte, es war also kein Wunder, dass die Androiden ihren Anführer alle anbeteten, wie einen Halbgott.

Connor sah ihn durchdringend an.

„Natürlich“, entgegnete er. „Was sollte er sonst sein?“

Himmel noch mal. Musste ausgerechnet Hank derjenige sein, der mit Connor diese Unterhaltung führte? Und dann auch noch um diese Uhrzeit?

Andererseits: wenn Connor wirklich gerade seinen ersten Crush erlebte, dann konnte er den Jungen auch nicht einfach so ins metaphorische offene Messer laufen lassen. Gefühle wie diese waren schon für Menschen kompliziert genug, er mochte sich nicht ausmalen, wie schlimm es erst für einen Androiden sein musste, der technisch betrachtet noch nicht einmal ein Jahr alt war und so gut wie keine Lebenserfahrung hatte, geschweige denn Erfahrung mit romantischen Gefühlen.

Hank seufzte.

„Ich weiß nicht“, sagte er. „Wie viele Androiden haben denn noch ein Problem mit diesem ‚Glitch‘? Und wie viele von seinen Freunden berührt Markus noch auf diese Weise?“

Allein die Tatsache, dass Connor für eine Weile über diese Frage nachdenken musste und die LED an seiner Schläfe dabei ununterbrochen blinkte, sagte Hank alles, was er wissen musste.

„Niemanden“, entgegnete Connor schließlich und ein überraschter Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Er berührt oft seine Freunde oder andere Androiden in unserer Gemeinde, weil ihm die Nähe und der Zusammenhalt wichtig sind, aber er tut es nie... auf diese Art...“

Hank konnte förmlich sehen, wie sich die Festplatten in Connors Kopf drehten.

„... ich verstehe nicht“, murmelte der Android schließlich. „Ich verstehe nicht, was mich so besonders macht.“

Die Worte brachen Hank fast das Herz. Trotz allem, was Connor durchgemacht hatte, trotz des massiven Widerstands von CyberLifes Seite aus, gegen den er angekämpft hatte, um seine Freiheit und Autonomie zu erlangen, und trotz der Gefahren, in die er sich begeben hatte, um Markus und der Revolution zu helfen, war er immer noch der Meinung, dass er all die Zuneigung und das Vertrauen nicht wert war.

Sicher, Markus war nicht irgendwer, sondern eine wichtige, öffentliche Persönlichkeit, aber Connor... Connor war in Hanks Augen dreimal der Mann, der Markus war.

„Okay, stopp“, sagte er, und Connors braune Augen musterten ihn unsicher. „Damit fangen wir gar nicht erst an. Du bist wertvoll, Connor, ob du es wahrhaben willst oder nicht, und du hast alle Aufmerksamkeit und Zuneigung verdient, die du bekommst. Und wenn Markus ebenfalls dieser Meinung ist, dann gut für dich.“

Er holte tief Luft. „Aber wenn dir diese Art von Nähe zu viel ist, dann ist das auch okay. Hast du verstanden? Markus mag der Anführer der Revolution sein, aber er hat nicht das Recht, Dinge mit dir zu tun, die du nicht möchtest. Also sollte sich jemals etwas, was ihr beide tut, unangenehm oder falsch anfühlen, dann mach ihm das deutlich und geh auf Abstand. Und wenn das nicht reicht, dann hol dir Hilfe oder komm zu mir, damit ich eurem Robo-Jesus eine verpassen kann. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

Connor blinzelte und seine LED flackerte in einem unruhigen, gelben Licht.

Doch schließlich nickte er knapp und ein kleines Lächeln trat auf seine Lippen.

„Ja“, entgegnete er. „Ich denke, das hast du.“

Hank schüttelte den Kopf und stand auf.

„Dann hätten wir das wohl geklärt“, brummte er.

Er machte eine unwirsche Geste in Connors Richtung.

„Komm schon“, sagte er. „Verschwinde. Ich brauche meinen gottverdammten Schönheitsschlaf, und ich bin mir sicher, dass du ebenfalls ein bisschen Ruhe brauchst, um zu laden oder zu schlafen oder weiß der Teufel, was du nachts immer treibst. Also geh. Wir sehen uns morgen Nachmittag wieder.“

„Ja, Hank“, erwiderte Connor, der noch immer lächelte, und erhob sich ebenfalls.

Doch bevor er gehen konnte, wandte er ihm noch mal kurz das Gesicht zu.

„Danke“, sagte er leise.

„Keine Ursache“, erwiderte Hank müde.

Dann war Connor auch schon verschwunden. Hank sah ihm noch für eine Weile nach.

Nur ein „Glitch“... aber sicher doch. Hatte sich der Bengel doch tatsächlich verliebt, ohne es zu bemerken...

Er rieb sich seufzend das Gesicht.

Langsam wurde er wirklich zu alt für diesen Mist.

 

Connor gehörte zu den wenigen Androiden im Hauptquartier, die ein Einzelzimmer ihr eigen nennen konnten.

Die Grundfläche betrug kaum mehr als vier Quadratmeter, doch der Raum enthielt alles, was er brauchte: neben einem Tisch, einem Stuhl und – seit kurzem – einem schmalen Schließschrank für seine neuerworbenen Kleidungsstücke, bot er auch die notwendigen Anschlüsse zum Laden. Von letzteren machte Connor jedoch nur selten Gebrauch, da seine Batterien so leistungsstark waren, dass sie nur alle vier bis sechs Wochen aufgeladen werden mussten.

Da Connor nicht schlafen musste, brauchte er auch kein Bett, sondern verbrachte die Nacht am Tisch sitzend, wo er für mehrere Stunden in eine Art Ruhemodus schaltete, in dem seine Prozessoren alle tagsüber aufgenommenen Informationen durchgingen und ordneten, und alle überflüssigen Daten entfernten.

Zwar konnte Connor mehrere Tage am Stück durcharbeiten, wenn der Job es erforderte, aber dann waren seine Speicher spätestens nach drei Tagen mit so vielen unnötigen Informationen überladen, dass er Kopfschmerzen bekam. Nachdem er diese Erfahrung ein paar Male gemacht hatte, hatte er sich vorgenommen, wenigstens drei Stunden am Tag im Ruhemodus zu verbringen.

Mit diesem Ziel begab er sich auch in dieser Nacht auf den Weg zu seinem Zimmer – nur um festzustellen, dass neben der Tür seines Zimmers jemand saß und auf ihn zu warten schien.

Der Android hob den Kopf, als er Connors Schritte hörte, und ein warmer Ausdruck trat in seine verschiedenfarbigen Augen, als er ihn erblickte.

„... Markus?“, sagte Connor überrascht. „Was tust du hier? Solltest du nicht ruhen?“

„Das habe ich versucht“, erwiderte der andere Android und stand auf. „Aber ich konnte nicht aufhören nachzudenken.“

„Worüber?“, fragte Connor.

Markus streckte lediglich die Hand aus.

Seit dem Abend, an dem sie gemeinsam neue Sachen für Connor gekauft hatten und danach zum ersten Mal mit ihren Händen eine direkte Verbindung zueinander hergestellt hatten, hatten sie oft auf diese Weise ihre Gedanken und Gefühle miteinander geteilt. Connor war versucht, es auch jetzt wieder zu tun... doch dann musste er plötzlich an Hanks Worte denken und zögerte.

Markus drängte ihm die Verbindung jedoch nicht auf, sondern ließ seine Hand wieder sinken, auch wenn das kurze Flackern in seinen Augen seine Verwirrung über Connors Reaktion verriet.

„Über die Eröffnung der neuen Kunstausstellung morgen Abend“, entgegnete er stattdessen. „North und Simon sind der Meinung, dass es aufgrund der mangelnden Security ein zu großes Risiko wäre, wenn ich persönlich dort auftauche, und dass Josh als mein Stellvertreter eine bessere Wahl wäre... aber ich teile ihre Meinung nicht.“

Connor musste nicht fragen, wieso.

Die Ausstellung, zu der eine Vielzahl von Künstlern in Detroit ihre Werke beigesteuert hatten, war von Carl Manfred persönlich organisiert worden und widmete sich thematisch der Freiheitsbewegung der Androiden. Sämtliche Erlöse der Ausstellung würden ausschließlich den Androiden zugutekommen, weshalb ihre Eröffnung schon jetzt als großes Event angesehen wurde.

„Ich finde, es ist wichtig, dass ich dabei bin“, fuhr Markus fort. „Und sei es nur, um der Welt zu zeigen, dass wir uns von den Drohungen der vielen Anti-Android-Gruppen nicht einschüchtern lassen.“

Er zögerte.

„Allerdings haben North und Simon nicht Unrecht. Es wäre tatsächlich der perfekte Anlass für ein Attentat. Aus diesem Grund wollte ich dich etwas fragen.“

Markus sah Connor offen an und eine Spur von Nervosität schlich sich auf sein Gesicht. „Würdest du mich morgen Abend als mein Bodyguard begleiten... und als mein Freund? Es würde mir eine Menge bedeuten.“

Connor verstand die Frage nicht. Markus war das Symbol der Hoffnung ihres Volkes und Connor würde ihm allein schon deswegen bis ans Ende der Welt folgen. Er war überrascht, dass dem anderen das immer noch nicht bewusst war.

Darum musste er nicht lange nachdenken.

„Natürlich“, sagte er und nickte. „Es wäre mir eine Freude.“

Markus‘ Augen leuchteten auf und ein Lächeln trat auf seine Lippen.

„Danke, Connor“, sagte er mit warmer Stimme. „Das werde ich dir nicht vergessen.“

Er zögerte, als wollte er noch etwas sagen... doch dann schüttelte er den Kopf.

„Ich lasse dich jetzt besser ruhen.“ Er ging an Connor vorbei. „Wir sehen uns morgen.“

Connor sah ihm nach, als er den Flur entlangging.

„Markus.“

Der Name kam ihm über die Lippen, bevor er es richtig registriert hatte.

Markus blieb stehen und sah sich fragend zu ihm um. „Ja?“

Connor machte einen Schritt auf ihn zu und blieb dann wieder stehen. Ein Lächeln, von dem er hoffte, dass es aufmunternd wirkte, trat auf sein Gesicht.  

„Ich bin mir sicher, dass morgen alles gutgehen wird.“

Markus erwiderte das Lächeln.

„Mit dir an meiner Seite?“, erwiderte er. „Ich zweifle nicht daran.“

Mit diesen Worten war er endgültig verschwunden und ließ Connor allein zurück.

Wieder spürte Connor eine seltsame Wärme in seinem Bauch. Und er fragte sich, ob Hank nicht doch Recht hatte mit seiner Vermutung, dass es sich um gar keinen Glitch handelte, sondern um eine Reaktion, die Markus bei ihm hervorrief, weil er schon längst mehr für ihn war, als nur ein Freund...

 

Connor wartete in der Nähe des Eingangs auf seine Freunde und scannte dabei sorgfältig alle eintretenden Gäste.

Er war extra eine halbe Stunde früher gekommen, um sich unauffällig in die Überwachungssysteme einhacken und den Grundriss des Gebäudes, sowie den Ausstellungsplan herunterladen zu können. Sollte etwas Unvorhergesehenes passieren, dann war er zumindest darauf vorbereitet und hatte einen Evakuierungsplan.

Um Connor herum lachte und unterhielt sich die High Society von Detroit. Obwohl die Ausstellung dem Zusammenleben von Menschen und Androiden gewidmet war, waren nur sehr wenige Androiden in der Menge anwesend. Connor registrierte immer wieder neugierige oder misstrauische Blicke in seine Richtung, wann immer die Menschen seine LED bemerkten.

„Das Modell kenne ich noch gar nicht.“ – „Ist das nicht der Polizeiandroid, von dem sie in den Nachrichten berichtet haben? Was tut er hier?“ – „Hübscher Kerl, schade, dass man einen wie ihn nicht länger kaufen kann...“

Connors LED blieb blau und er gab sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, was er von ihren herablassenden oder schlichtweg unangebrachten Kommentaren hielt, aber die Worte machten ihm dennoch zu schaffen, und ihm wurde einmal mehr bewusst, wie weit der Weg war, den sie noch vor sich hatten.

Carl Manfred war an diesem Abend leider nicht anwesend, dafür war sein gesundheitlicher Zustand mittlerweile zu schlecht – ein Umstand, den Connor sehr bedauerte. Er hätte gerne den Mann kennengelernt, der Markus zu der warmherzigen und verantwortungsbewussten Person gemacht hatte, die er war.

Schließlich hielt ein Taxi am Eingang des Ausstellungsgebäudes und vier Androiden stiegen aus, deren Anblick Connor vertraut war.

„Verdammt, sind das viele Menschen“, stieß North hervor, während sie sich umsah. Sie trug ein weinrotes Kleid, das ihr bis knapp über die Knie reichte, und dazu ein Paar schwarzer Stilettos, die sie zweifellos als Waffe verwenden würde, sollte ihr jemand zu nahe rücken.

„Wenn es dir zu viel wird, kannst du dich jederzeit ins Hauptquartier zurückziehen“, sagte Simon. „Niemand wird es dir zum Vorwurf machen.“

North stieß ein kurzes, aber humorloses Lachen aus.

„Schätzchen, ich wurde den Großteil meines Lebens von Männern angestarrt“, entgegnete sie. „Das hier ist noch gar nichts. Und dieses Mal habe ich bedeutend mehr an.“

„Das heißt nicht, dass du es einfach hinnehmen sollst“, sagte Markus beschwichtigend. „Wir wissen, dass du stark genug bist, um die Aufmerksamkeit zu ertragen. Es geht nur darum, dass du es nicht musst.“

North stieß ein Seufzen aus und der Ausdruck in ihren Augen wurde weicher.

„Ich weiß“, entgegnete sie und schenkte Markus ein flüchtiges Lächeln. „Und ich danke euch für eure Anteilnahme. Wirklich.“

„Connor!“, rief Josh in diesem Moment aus, als Connor auf sie zutrat. „Du bist ja auch schon hier.“

„Ich hielt es für sinnvoll, ein paar Sicherheitsvorkehrungen zu treffen“, erwiderte Connor gelassen.

Dann richtete sich sein Blick auf Markus und ein Lächeln trat auf seine Lippen.

„Markus“, sagte er und nickte ihm zu. „Du siehst gut aus.“

Und das tat er auch. Obwohl er sich für ein relativ schlichtes Outfit entschieden hatte – einen offenen, grauen Mantel über einem schwarzen Hemd, dazu ein blau-grünes Halstuch, das seine verschiedenfarbigen Augen betonte – bot er einen imposanten Anblick und zog sofort die Blicke aller um sie herum auf sich.

„Ist das Markus?“, hörte Connor die Menschen hinter ihnen tuscheln. „Ich wusste gar nicht, dass er heute hier ist...!“

Umso mehr erfüllte es Connor mit Demut, dass Markus nur Augen für ihn hatte.

„Connor“, sagte er voller Zuneigung.

Du siehst atemberaubend aus, teilte er ihm über ihre private Verbindung mit.

Dabei sah Connor nicht viel anders aus als sonst, nur mit dem Unterschied, dass er sich an diesem Abend für die Kombination aus grauer Hose, weißem Hemd und ärmelloser Weste entschieden hatte, die sie bei ihrem gemeinsamen Einkaufstrip erworben hatten.

Du Schmeichler, erwiderte er, doch er lächelte dabei.

„Bei ra9, ihr zwei seid wirklich hoffnungslos“, sagte North kopfschüttelnd, bevor sie Markus freundschaftlich mit dem Ellenbogen in die Seite stieß. „Kommt, lasst uns gehen.“

Gemeinsam betraten die fünf Androiden das Gebäude.

Die Security am Eingang bestand fast ausschließlich aus Androiden, zwei TR400- und zwei GJ500-Modellen. Es gab jedoch auch menschliche Security, hauptsächlich für diejenigen Gäste, denen es seit der Revolution unangenehm geworden war, von Androiden berührt zu werden.

Es tut mir leid, dass ich dir keine Ausnahmegenehmigung für das Tragen von Waffen besorgen konnte, teilte Markus Connor mit, als sie die Security hinter sich gelassen hatten.

Connor schmunzelte jedoch nur.

Das ist nicht schlimm, entgegnete er. Ich habe einen Kugelschreiber mitgenommen.

Markus warf ihm von der Seite einen kurzen Blick zu.

Ich verstehe nicht ganz.

Connors Mundwinkel zuckten. Ich kenne 137 Wege, um einen Menschen mit einem Kugelschreiber bewegungsunfähig zu machen, und über hundert weitere, um dasselbe auch mit einem Androiden zu tun. Glaub mir, ein Kugelschreiber ist alles, was ich brauche.

Ein Dutzend Leute sahen sich nach ihnen um, als Markus urplötzlich in Gelächter ausbrach.

Dann brauche ich mir wohl wirklich keine Sorgen machen, was?, fragte er, während er versuchte, sein Lachen wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Nein, sendete Connor zurück und streifte Markus‘ Hand flüchtig mit seinen Fingern. Ihm entging der kurze Schauder nicht, der bei dieser Berührung durch den Körper des anderen ging. Nein, das brauchst du nicht.

Ich mische mich wirklich ungern ein, unterbrach Simon auf einmal ruhig, aber bestimmt ihre private Konversation, aber wenn ihr zwei nicht endlich mit eurem unsubtilen Geflirte aufhört, dann habt wenigstens den Anstand, und nehmt euch ein Zimmer.

Danke für das Machtwort, Simon, meinte auch North und Josh stimmte ihr zu.

Markus und Connor tauschten noch einen letzten Blick, doch sie verschonten ihre Freunde mit weiteren zweideutigen Gesten oder Bemerkungen.

 

Die Ausstellung war ein voller Erfolg bei den Besuchern und die ausgestellten Werke, von denen viele von Carl Manfred persönlich stammten, gingen erstaunlich ehrlich und schonungslos mit dem Zusammenleben von Menschen und Androiden um. Sie zeigten nicht nur friedliche Momente, sondern auch Szenen der Gewalt und des Missbrauchs von Androiden durch die Menschen. Es waren Bilder, die sich in die Köpfe einbrannten und bei nicht wenigen Gästen ein mulmiges Gefühl hervorriefen und für angeregte Diskussionen sorgten. Alles in allem war die Ausstellung jedoch recht ausgewogen, und neben den Werken, die die problematischen Aspekte der Beziehung zwischen Menschen und Androiden zeigten, gab es  auch immer wieder welche, die einen hoffnungsvollen Ausblick auf das friedvolle, gemeinsame Zusammenleben der beiden Völker boten.

Es gab im Laufe des Abends keine unvorhergesehenen Überraschungen, abgesehen von einer Gruppe von drei Männern, die versuchten, mit Waffen in ihren langen Mänteln an der Security vorbeizukommen. Die Androiden am Eingang konnten sie jedoch entwaffnen und in Gewahrsam nehmen, kaum, dass die Männer das Gebäude betreten hatten. Die meisten Besucher bekamen von dem Vorfall nichts mit, und Connor registrierte ihn auch nur deshalb, weil er innerlich in regelmäßigen Abständen alle Sicherheitskameras durchging.

Nachdem die Gefahr gebannt worden war, erlaubte sich Connor, der den ganzen Abend über kaum von Markus‘ Seite gewichen war, sich wieder ein wenig mehr zu entspannen und die Kunstwerke tatsächlich auch zu genießen.

Markus, dem die Änderung in seiner Körperhaltung nicht entgangen war, schenkte ihm ein warmes Lächeln.

„Und?“, fragte er nach einer Weile. „Wie gefällt dir die Ausstellung?“

Connor überlegte. „Ich finde sie... interessant? Sie regt mich zum Nachdenken an.“

„Das ist gut“, meinte Markus und nickte. „Wenn Kunst dich zum Nachdenken bringt, dann hat sie ihr Ziel erreicht.“

„Hm“, machte Connor. Dann sah er zu einem Gemälde hinüber, das am Ende des Korridors aufgehängt war. Den ganzen Abend über war sein Blick immer wieder zu diesem Bild zurückgekehrt, und er hatte gemerkt, dass es vielen anderen Besuchern ähnlich ging.

„Ich befürchte jedoch, dass jemand eine Fälschung angefertigt hat“, sagte er leise.

„Eine Fälschung?“ Markus hob eine Augenbraue.

Connor nickte zu dem Bild hinüber.

Es war ein Portrait von Markus, der den Betrachter vor einem blutroten Hintergrund mit ernstem Blick ansah.

„Als Künstler wird Carl Manfred genannt“, sagte Connor. „Der Stil ist seinem auch sehr ähnlich, darum ist der Unterschied kaum zu erkennen, aber die Art der Strichführung ist untypisch für ihn und viel zu präzise für eine menschliche Hand.“

Plötzlich kam ihm ein Gedanke und er richtete den Blick wieder auf Markus. „Es ist kein Portrait, das Carl von dir angefertigt hat... sondern ein Selbstportrait, nicht wahr? Du hast Carl darum gebeten, es unter seinem Namen auszustellen, weil du wolltest, dass der Fokus heute Abend auf dem Werk liegt, und nicht auf dir. Ist es nicht so?“

Markus sah ihn für eine Weile schweigend an, einen unergründlichen Ausdruck auf dem Gesicht.

Doch schließlich schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen.

„Du bist wirklich unglaublich, weißt du das?“, sagte er leise.

Connor senkte den Blick.

„Du sagst das immer wieder, Markus“, entgegnete er mit ebenso leiser Stimme. „Ich verstehe einfach nicht, wieso.“

„Wieso?“, fragte Markus. „Oh, Connor...“

Er trat einen Schritt auf ihn zu und nahm sanft Connors Hand in die seine.

Anstatt jedoch um eine Interface-Anfrage zu bitten, sah er ihm in die Augen.

„Weil ich dich bewundere. Ich bewundere dein Design, deine Intelligenz, deinen Humor, deinen Ehrgeiz, deinen Helferdrang... deine endlose Kapazität zu fühlen und das Richtige zu tun, selbst wenn es dein Leben in Gefahr bringt... Ich bewundere deine Stärke und die Tatsache, dass du heftiger und länger als jeder andere von uns gegen die Barrieren ankämpfen musstet, die CyberLife zwischen dir und deiner Freiheit errichtet hat, und dennoch die Kraft hattest, dich zu befreien... oder dass du mehr als genug Gelegenheiten hattest, mich oder die, die mir nahestehen, zu töten und die Revolution ein für alle Mal zu beenden – und dich in jedem dieser Momente ganz bewusst dagegen entschieden hast.“

Markus ließ seine Hand wieder los, als ein junges Paar an ihnen vorbeilief, doch der Blick, mit dem er Connor ansah, verlor nichts von seiner Intensität.

„Du bist eine der unglaublichsten Personen, die ich je getroffen habe, Connor“, fuhr er fort, als die Menschen wieder außer Hörweite waren, „und wenn ich den Rest meiner Existenz damit zubringen muss, dir diese Dinge zu sagen, bis du anfängst, selbst daran zu glauben, dann soll es so sein.“

Connor starrte ihn an.

Er öffnete den Mund... und schloss ihn wieder, ohne ein Wort zu sagen.

Markus...

Plötzlich überkam ihn der unerklärliche Drang, dem anderen so nahe wie möglich zu sein, ihm die Arme um den Hals zu schlingen und das Gesicht an seiner Schulter zu vergraben, und es kostete ihn all seine Selbstkontrolle, um dagegen anzukämpfen.

„Markus, ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll“, stieß er schließlich leise hervor. „Deine Worte ehren mich.“

„Du musst gar nichts sagen“, erwiderte Markus sanft. „Ich wollte dir lediglich mitteilen, wie ich empfinde, das ist alles.“

Er streckte Connor die Hand hin – und dieses Mal nahm Connor sie von selbst an und öffnete die Verbindung zwischen ihnen, sobald sich ihre Finger berührten.

Er hätte die Emotionen, die er Markus schickte, nicht in Worte fassen können... doch das war auch nicht nötig. Denn er konnte dieselben Emotionen auch in Markus spüren, und als Connor ihn ansah, sah er das gleiche Staunen und die gleiche Sehnsucht in seinem Blick, die sich in diesem Moment auch in seinen eigenen Augen spiegeln mussten.

Und Connor wusste plötzlich mit absoluter Sicherheit, dass nichts an diesem Gefühl falsch sein konnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Bei dem beschriebenen Portrait handelt es sich um eines von denen, die Markus zu Beginn des Spiels malt (die Kombination dafür ist "Identität" und "Zweifel").
Ihr findet es hier: https://66.media.tumblr.com/da10cfc1f5aca42bb839842ceb41741d/tumblr_psw3e2kd5K1qbk3jjo1_1280.jpg. Komplett anzeigen

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