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Welt ohne Grenzen

von

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Heimweh (Prompto Argentum)

Soweit hat der Plan schon mal funktioniert. Wir sind in Lucis, in ein paar Stunden erreichen wir Hammerhead. Zumindest, wenn ich diese blöde Kiste wieder zum Laufen bekomme.
 

„Immerhin wollte der Typ unsere Namen nicht wissen“, murmelt Gladio. Ich kann hören, wie er sein Zelt ausschüttelt, um die Zeit zu nutzen, die ich hier unter dem Auto klemme. Das Campen im Regen ist genau wie früher und Ravus ist eine sympathische Begleitung. Nett, hilfsbereit, und ein guter Kämpfer. Aber er ist groß, und unser Zelt ist nur für vier Leute gedacht. Zum Glück haben Noct, Ignis und Gladio kein Problem damit, wenn ich ihnen etwas näher auf die Pelle rücke.
 

„Kann ich verstehen“, murre ich und angle nach dem Schraubenzieher, „Der wollte sicher einfach nur dieses Wrack loswerden…“ Die Kiste ist schon zum dritten Mal liegen geblieben. Ein Glück, dass wir uns gleich ein paar Pannensets mitgenommen haben, sonst hätten wir echt ein Problem. Und Blasen an den Füßen.
 

„Du kriegst ihn doch wieder hin, oder?“, fragt Noct und beugt sich zu mir herunter.
 

„Denke schon. Reichst du mir mal den Hammer?“
 

„Bitteschön. Bin froh, dass wir dich haben.“
 

Ich grinse und mache mich daran, den Unterboden der Rostlaube zu restaurieren. Hoffnungslos. „Weiß ich“, gebe ich zurück, „Deswegen bin ich ja hier. Weil ihr mich gern habt.“
 

„Das haben wir.“ Noct lässt sich neben dem Auto auf den Boden fallen. „Wir haben dich wahnsinnig gern.“
 

„Ich mag euch auch. Und ich glaub, die Karre läuft wieder.“ Ächzend krieche ich unter dem Schrotthaufen heraus und rutsche auf den Fahrersitz, um ihn anzuwerfen. Funktioniert, die Bremse reagiert wieder so wie sie soll und als ich nach ein paar Metern Fahrt nochmal unter das Auto blicke sehe ich auch keine neuen Ölflecken. „Sollte für’s Erste passen.“
 

„Dann nichts wie los. Kann es kaum erwarten, wieder in Takkas Imbiss zu sitzen“, schnurrt Noct, streckt sich, und lässt sich auf die Rückbank sinken. Es ist sicher eng dort, eingekeilt zwischen Gladio und Ravus, aber Noct beschwert sich nicht. Immerhin sind wir so schön anonym. Ich rutsche auf den Beifahrersitz, um Ignis das Steuer zu überlassen. Hier vorne ist es auch nicht gerade geräumig, aber immerhin habe ich einen ganzen Sitz für mich alleine und ein wenig persönlichen Luftraum drum rum.
 

„Vergesst nicht, dass in Hammerhead noch jemand auf uns wartet“, fügt Ignis hinzu. Ich werde ein bisschen unruhig, zapple in meinem Sitz herum und versuche, nicht zu sehr nachzudenken. Cidney und ihr Baby. Mein Baby.
 

„Mach Prompto bitte nicht nervöser, als er eh schon ist“, bittet Noct ruhig.
 

Ignis lächelt mich kurz an, richtet seinen Blick dann wieder auf die Straße. „Prompto hat sich viel um Nyx gekümmert, als der noch ein Baby war. Und auch danach noch. Ich habe mich immer gefragt, wann er wohl endlich ein eigenes Kind bekommt… Cid ist bestimmt ein ganz süßes Baby.“
 

Ich lächle verkrampft und streiche mir durch die Haare. Cid ist bestimmt ein ganz Süßer… schließlich ist Cidney seine Mutter, und ich bin auch nicht ganz hässlich. „Ich bin trotzdem nervös“, gebe ich zu.
 

„Das ist normal“, steht mir Gladio bei, „Als Edna schwanger war, war ich auch völlig fertig… aber du wirst sehen, wenn du das Baby erst mal im Arm hast, willst du es gar nicht wieder hergeben.“
 

„Stimmt, daran kann ich mich erinnern.“ Auch, wenn ich es ungern tue. Gladio ging es wirklich nicht gut in der Zeit… er hat zweimal versucht, sich umzubringen. Aber das weiß niemand. Niemand außer mir. Ich war derjenige, der ihn mit seiner Alkoholvergiftung ins Krankenhaus geschleift und vor seiner Frau die Tabletten verschwiegen hat, die ihm der Arzt samt Alkohol aus dem Magen gespült hat. Nur ein paar Wochen später habe ich ihn auf einem Hausdach konfrontiert; hoch oben und bereit zu springen. Ich hab ihn provoziert, er hat mich geschlagen, dann musste er mich ins Krankenhaus bringen und hatte keine Zeit mehr zu springen. Ich bin bei ihm zu Hause geblieben bis das Baby da war, danach ging es ihm besser. Soweit ich weiß hat er es danach nicht mehr versucht. Eine Therapie täte ihm sicher auch gut.
 

„Cidney selbst freut sich sicher auch, dich wiederzusehen“, wirft Noct ein, „Sie war ganz schön besorgt um dich.“
 

„Ja, wir haben telefoniert. Sie hat sich gefreut zu hören, dass es mir wieder besser geht. Aber ich freu mich auch total, sie wiederzusehen. Nur schade, dass wir keine Zeit haben werden, das zu genießen. Luna hat Vorrang… Aber Cidney hat vielleicht ein Auto für uns, mit dem wir die letzten Meter nach Insomnia leichter überwinden als in dieser klapprigen Kiste.“
 

„Diese klapprige Kiste könnten wir aber relativ unauffällig stehen lassen, wenn wir kurz vor dem Tor in die Kanalisation klettern“, überlegt Ignis, „worauf ich offen gestanden wenig Lust habe.“
 

„Ja, ich hatte auch gehofft, dass wir da nicht nochmal durch müssen“, stimmt Gladio zu.
 

„Ihr wart schon mal da unten?“, hake ich verwirrt nach und blicke abwechselnd zu Ignis neben mir und Gladio hinter mir.
 

„Ja, leider“, murrt Noct, „War nicht der schönste Ausflug. Aber diese Maschine, die dich ferngehalten hat, war auch direkt unter der Zitadelle… die Kanalisation war der einzige Weg, auf dem wir sie erreichen konnten.“
 

„Ich hoffe, du weißt zu schätzen, dass wir für dich durchs Abwasser gekrabbelt sind“, neckt Gladio.
 

„Naja, streng genommen…“, wendet Ignis ein.
 

„Streng genommen war die Maschine ja nicht nur mein Problem“, beende ich den Satz.
 

„Aber du warst unser stärkster Antrieb“, meint Noct lapidar, „und du hast uns ordentlich gefehlt.“
 

„Danke. Das ist süß.“
 

„Wir waren zu der Zeit auch in einer Kanalisation unterwegs“, fällt Ravus ein, „Wenn ihr dauernd mit ihm unterwegs seid, verstehe ich, warum er euch gefehlt hat. Als würde man nach zehn, zwanzig Jahren zum ersten Mal den Fernseher abschalten.“
 

„Kommt recht gut hin, ja“, stimmt Noct zu.
 

Ich verkrümle mich zurück in meinem Sitz und starre angestrengt aus dem Fenster, unsicher, ob ich mich gelobt oder ausgelacht fühlen soll. Aber ich weiß, dass meine Freunde mich sehr gern haben. Ich glaube ihnen gerne, dass sie mich vermisst haben. Noct hat meinetwegen schon viel mehr auf sich genommen. Und ich würde jederzeit alles für ihn tun.
 

Der Motor stottert und ich blicke genervt wieder hoch. Scheint, als läuft er nicht ganz rund, aber noch fährt das Auto, und der Tank ist auch noch halb voll. Ich will nicht noch einen Boxenstopp einlegen. Nicht so kurz vor Hammerhead… ich will doch nur endlich zu Cidney. Dabei will ich auf der anderen Seite eigentlich fast weglaufen vor lauter Angst wegen des Babys. Aber wenn ich so darüber nachdenke…
 

Eigentlich weiß ich gar nicht mehr, wovor ich eigentlich Angst habe. Cidney liebt mich. Sie ist glücklich, dass gerade ich der Vater ihres Babys bin und nicht jemand anderes. Als ob ich tatsächlich die beste Wahl wäre. Ignis und Gladio sind sich sicher dass es etwas Gutes ist, dass ich Vater bin, und auch Noct wirkt eher erfreut als alles andere. Dass ich einer von Besithias Klonen bin scheint niemanden außer mir zu interessieren. Eigentlich gibt es keinen Grund, nervös zu sein. Ignis hat auch Recht; ich habe mich viel um Nyx gekümmert und mich dabei nicht allzu schlecht angestellt. Spaß gemacht hat es außerdem. Vermutlich wäre ich wirklich ein guter Vater. Ob der kleine Cid wohl genauso winzig ist wie Nyx damals? Ich frage mich, ob es sich anders anfühlt, wenn es das eigene Kind ist.
 

Hammerhead kommt langsam in Sicht und das Auto hält tatsächlich beinahe durch. Zehn Meter vor dem Ziel gibt der Motor auf und wir dürfen doch noch schieben; zum Glück ist der rostige Kleinwagen wesentlich leichter als der Regalia. Ravus hilft kräftig schieben, während Gladio nur seufzend nebenherlaufen kann weil er immer noch seinen Arm schonen muss. Cidney erwartet uns bereits mit dem Baby auf dem Arm. Beim Anblick unserer königlichen Kutsche zieht sie zweifelnd die Augenbrauen hoch. Ich grinse verlegen, fühle mich irgendwie verantwortlich für den Pannensammler, den wir ihr gerade vor die Werkstatt schieben. Dass wir den Regalia nicht mehr haben, ist definitiv meine Schuld, aber der wäre eh zu auffällig.
 

„Naja, der war billig“, rede ich mich raus, „Und der Verkäufer hat keine Fragen gestellt.“
 

„Schon klar, die Gurke ist schön anonym“, grinst Cidney, „Ich hoffe, ihr erwartet kein Wunder von mir.“
 

Ich komme kaum dazu, erleichtert aufzuatmen nach der Schiebeaktion, da drückt mir Cidney mit einem nebensächlichen „Halt Mal“ das Baby in die Hand um sich den Schrotthaufen anzusehen. Mir bleibt erst mal die Luft weg. Der Kleine ist warm und etwa so groß wie eine Katze. Vertraut lehnt er sich an meine Brust, seine hellblauen Augen blicken etwas unsicher zu mir hoch. Er ist… niedlich. Fast unbewusst schaukle ich ihn im Arm, während ich Cidney dabei zusehe, wie sie gegen den rostigen Haufen Altmetall tritt. Sie hat etwas zugenommen seit ich sie das letze Mal gesehen habe, aber ihrer Schönheit hat das nicht geschadet. Im Gegenteil, auch ihr Ausschnitt ist um einiges üppiger geworden…
 

„Augen zu, Prompto“, flüstert Noct mir ins Ohr und zieht mich beiseite. Ich blinzle ein paar Mal und schüttle den Kopf, um mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Danke Noct. Hab mich wohl zu sehr ablenken lassen…“ Cids winzige Hände greifen fest in mein Shirt, sein erstaunlich fester Griff fühlt sich irgendwie gut an. Vertraut. Noct führt mich zu einer Bank vor Takkas Imbiss und setzt sich neben mich, einen Arm um meine Schultern gelegt.
 

„Nur zu verständlich“, meint Noct freundlich, „Cidney ist heiß und das Baby ist unglaublich niedlich. Darf ich?“
 

„Schätze schon“, murmle ich, kann mich aber doch nicht überwinden, das Baby aus der Hand zu geben. Noct stört es nicht, er lehnt sich einfach näher heran und streichelt Cid nur ganz vorsichtig über die runden Wangen.
 

„Er sieht dir ähnlich“, findet er, „richtig süß.“
 

„Ich bin nicht süß, ich bin cool.“
 

Noct grinst nur. „Natürlich bist du das. Total cool.“
 

„Beleidigst du mich gerade?“
 

„Nein, ich zieh dich nur ein wenig auf.“
 

„Fies.“
 

„Nur ein bisschen.“ Nocts Grinsen ist definitiv ansteckend. Das und das Gewicht des winzigen Menschen in meinen Armen macht mich irgendwie glücklich. Anders als damals mit Nyx oder Crowe; das hier ist mein eigens Baby. Mein Sohn… das ist ein ganz anderes Gefühl. Ich bin Vater… ich bin wirklich Vater geworden. Ich hab eine Familie. Und keine Ahnung warum mich das zum Weinen bringt. Noct drückt mich ein wenig fester und hält gleichzeitig Cid einen Finger hin, den der Kleine mit seiner ganzen Hand ergreift und gut festhält.
 

„Freut mich, dich kennen zu lernen, Cid.“, schnurrt Noct, „Na, hast du deinen Papa schon lieb gewonnen?“
 

Cid gluckst und schüttelt begeistert Nocts Finger. Er scheint ein fröhliches Kind zu sein… anders als ich ist er auf natürlichem Weg gezeugt und geboren worden. Er hat eine Mutter und einen Vater. Er wird geliebt. Er wird von Anfang an geliebt. Ich liebe ihn. Es ist ein überwältigendes Gefühl.
 

Gedankenverloren streichle ich über Cids Kopf durch seine feinen blonden Haare. Es sind noch nicht viele, aber das ist in dem Alter normal. Bald wird er dichte blonde Locken haben, wie seine Mutter. Die hellblauen Augen werden sich vermutlich nicht mehr sehr ändern. Cidney und ich haben beide so helle Augen. Cid wirkt total müde, will aber nicht die Augen schließen – als hätte er Angst, etwas Spannendes zu verpassen. Noct ist dieses Gefühl fremd. Er lehnt längst wieder an meiner Schulter wie er es so oft auf der Heimfahrt von der Schule getan hat. Einfach im Sitzen eingeschlafen. Ich kuschle mich näher an ihn und schaukle Cid in meinen Armen. Ganz automatisch fange ich an, das Schlaflied zu summen, das meine Adoptivmutter immer für mich gesungen hat, wenn sie abends rechtzeitig nach Hause gekommen ist. Das war nicht oft, aber ich habe diese Momente gut im Gedächtnis behalten. Wie alle Momente, in denen ich mich wirklich intensiv geliebt gefühlt habe. So wie dieser hier.
 

Ich habe mich oft einsam und ungeliebt gefühlt. Manchmal so sehr dass ich mich für jemanden gehalten habe, den man gar nicht lieben kann. Inzwischen weiß ich, dass das kompletter Unsinn ist. Wenn ich so an Nocts Schulter lehne, das beruhigende Gewichts meines schlafenden Sohnes im Arm, kann ich auch gar nicht mehr nachvollziehen, wie mir der Gedanke je kommen konnte. Natürlich bin ich liebenswert. Jeder Mensch hat jemanden, der ihn liebt, und ich habe sogar recht viele davon. Mama und Papa, auch, wenn sie selten daheim waren. Noct, Ignis und Gladio. Cidney. Iris und Talcott. Luna. Vielleicht sogar Ravus. Nyx und Crowe… je länger ich nachdenke desto mehr Menschen fallen mir ein, die sich freuen, wenn sie mich sehen. Liebe Menschen, denen ich sicher genauso wichtig bin wie sie mir.
 

Verträumt blicke ich zu Cidney, die gerade unser hilfloses Fahrzeug mit einem Kran auf den Stapel für Ersatzteile hebt. Der Wagen fährt nicht mehr. Irgendwie bin ich der kleinen Kiste dankbar, dass sie uns mit ihrer allerletzten Kraft noch bis nach Hammerhead getragen hat. Als ob das Auto gewusst hätte, wie wichtig unsere Mission ist.
 

Ignis, Ravus und Gladio sitzen vor Takkas Imbiss und diskutieren, wie es weitergehen soll. Cidney kommt derweil zu mir und quetscht sich auf das letzte bisschen Bank, das neben mir frei ist. Ich würde gerne ein bisschen rutschen, um ihr Platz zu machen, aber Noct lehnt schwer an meiner Schulter und schläft wie ein Murmeltier.
 

„Da ist ja wer müde“, neckt Cidney und grinst, „und der Kleine schläft auch… bei mir dauert es Stunden, bis er endlich ruhig wird…“
 

„Naja, ich hab eigentlich nur ein wenig gesungen“, flüstere ich, „muss Nocts entspannte Aura sein, da wird man direkt selber ganz müde.“ Im Gegensatz zu Gladio, dessen schnarchen manchmal ganze Wälder wach hält, schläft Noct auch ganz leise. Selbst sein ruhiger Atem ist kaum zu hören und das, obwohl sein Kopf direkt auf meiner Schulter liegt. Sein Arm auf meinen Schultern wird langsam auch ganz schön schwer.
 

„Der kann auch überall schlafen, oder? Beneidenswert.“
 

Ich lächle und blicke tief in Cidneys Augen. Sie legt eine Hand auf meinen Schoß, streichelt mit der anderen mein Baby. Unser Baby… wir sind eine Familie. Eine richtige kleine Familie. Davon hätte ich nie zu träumen gewagt.
 

„Ich hab dich vermisst“, murmle ich leise und kuschle mein Gesicht in Cidneys dichte Locken. Ihre Haare riechen nach Motoröl, Benzin und Rostlöser, vermischt mit einem ganz schwachen Duft von Shampoo. Rosen und Nelken vielleicht, stark genug, sich gegen die Gerüche der Autowerkstatt zu behaupten. Ich fühle mich jedes Mal wieder wie frisch verliebt.
 

„Das sagtest du am Telefon schon“, schnurrt Cidney und beugt sich so vor, dass mein Blick unvermeidlich in ihren tiefen Ausschnitt fällt. Ein sehr schöner Anblick, auch wenn meine Gedanken mit dem Baby im Arm doch in eine Andere Richtung gehen als sonst. Kein Wunder, dass der kleine Cid schon so groß und kräftig ist, an Milch mangelt es ihm sicher nicht. Ich bin ein wenig neidisch… mich musste man mit der Flasche groß ziehen. Aber im Grunde ist auch das egal, denn an die Zeit erinnere ich mich längst nicht mehr. Eher daran, dass ich auch mit fünf Jahren noch Kakao aus meiner Flasche nuckeln durfte, während Mama mich im Arm hielt… ich war schon ein glückliches Kind.
 

„Hast du mich auch vermisst?“, frage ich schüchtern und greife vorsichtig Cidneys Hand.
 

„Natürlich. Ganz schön schwer, hier alles allein machen zu müssen.“ Ich ziehe eine beleidigte Schnute, aber Cidney lacht nur und küsst mich zärtlich auf den Mund. „Natürlich hab ich dich auch so vermisst, Dummerchen. Ich hab dich doch gern.“
 

„Ich dich auch. Tut mir Leid, dass ich so lange weg war. Und, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe.“
 

„Ist schon gut. Deine Jungs haben mir erzählt, dass es dir nicht gut ging. Dass du Fieber hattest und nicht reden konntest…“
 

„Ja. Ich lag eigentlich nur im Bett… hast du dir Sorgen um mich gemacht?“
 

„Nein. Ich wusste, du würdest es schaffen. Bist schließlich mein Held.“
 

Ich glühe fast vor Freude bei ihren Worten und kann nicht anders, als dämlich zu grinsen. Es fühlt sich gut an… es ist schön, geliebt zu werden, schön, Menschen zu haben, die an einen glauben. Cid schmatzt leise im Schlaf, träumt vielleicht schon von der nächsten Portion Milch, die er beim Aufwachen bekommen wird. Seine Mutter lehnt sich derweil an meine freie Seite, legt den Kopf auf Nocts Arm, um das Gesicht an meine Wange zu kuscheln. Es ist warm und gemütlich hier in der Sonne. Später Vormittag, klarer Himmel, warme Luft, aber noch nicht so heiß wie in Lestallum. Fühlt sich gut an… ich könnte mich daran gewöhnen, hier zu sitzen.
 

Leider fällt auch schon ein Schatten über die Bank, Gladios breite Form hat sich zwischen uns und die Sonne geschoben. Ich kann sein Gesicht im Gegenlicht nicht sehr gut sehen, aber ich denke, er lächelt. „Will gar nicht stören“, murmelt er leise, „Aber wir haben einen strickten Zeitplan. Ich versteh, wenn du hier bleiben willst, Prompto – das tun wir alle – aber unseren König würden wir schon gerne mitnehmen. So wie ich das sehe stört der euch doch eh nur.“
 

„Mich nicht“, meint Cidney schnippisch und hält grinsend Nocts Arm fest, hilft mir aber dennoch, seine Majestät zu wecken. Noct blinzelt und murrt etwas, richtet sich aber mit einer leisen Entschuldigung auf und streckt sich, scheinbar noch unwillig, sich ganz von der Bank zu lösen. War wohl doch noch zu früh, als wir heute Morgen losgefahren sind… Kommt davon, wenn man Ignis die Zeitplanung überlässt, da haben alle um sechs angezogen vor dem Zelt zu stehen.
 

„Cidney hat uns einen Leihwagen fertig gemacht“, informiert uns Ignis, „Gladio und ich werden ganz offiziell versuchen, einzureisen, um zu unseren Familien zurückzukehren. Falls jemand fragt ist Noctis verstorben und Prompto haben wir verloren – unsere Moral ist hinüber, wir wollen nur noch nach Hause.“
 

„Wir fahren mit bis kurz vor dem Stadttor“, ergänzt Ravus, „Und tauchen da in die Kanalisation ab. Du musst nicht mitkommen, Prompto. Wir verstehen alle, wenn du lieber bei deinem Baby bleiben möchtest.“
 

Alle sehen mich an, und das Baby in meinem Arm. Ich fühle mich plötzlich extrem unsicher, überfordert mit der Entscheidung, die mir plötzlich abverlangt wird. „Aber…“ Ich blicke auf den schlafenden Cid in meinen Armen, auf meine Freunde, die mich so lange begleitet haben, und schließlich auf Cidney, die neben mir sitzt, eine Hand auf meiner Schulter. „Ich…“ Ich weiß nicht, was ich tun soll. Weiß nicht, was von mir verlangt wird. Ich habe Angst… Angst, jemanden zu enttäuschen, Angst, zurückgewiesen zu werden, wenn ich mich falsch entscheide. Und hier kann ich mich nur falsch entscheiden. Schließlich treffen meine Augen die von Noct, finden ein wenig Halt in deren tiefem Blau. „Wollt… ihr mich denn nicht dabei haben?“
 

„Doch, natürlich.“ Nocts Antwort kommt schnell, und sie klingt ehrlich. Mir wird wieder etwas leichter ums Herz. „Du bist immer noch ein Teil meines Teams und du bist uns wichtig. Aber du hast hier jetzt eine Familie… ich will nicht dass du denkst, du musst mit uns kommen, wenn du lieber hier bleiben willst. Wir schaffen es auch ohne dich, wenn du lieber bei Cidney und deinem Baby bleiben willst.“
 

Mein Baby… ich wiege Cid in meinen Armen, blicke lange in sein schlafendes Gesicht. Wenn ich jetzt gehe… wenn ich dort unten sterbe, sehe ich ihn und Cidney nie wieder. Dann ist dieser Moment alles, was ich habe. Alles, was Cid je von seinem Vater hatte. Aber wenn ich nicht gehe… dann ist es vielleicht Noct, der dort unten stirbt. Den ich für immer verliere. Ich kann ihn doch nicht alleine gehen lassen. Er braucht mich, gerade wenn Ignis und Gladio nicht mit ihm kommen. Ich blicke zurück zu Cidney und weiß im selben Moment, dass sie meine Entscheidung bereits kennt.
 

„Geh nur“, sagt sie leise und drückt meine Schulter, „Ich komme zurecht. Bin ein großes Mädchen.“ Die Tränen in ihren Augen strafen sie Lügen, aber ich bin einfach nur dankbar für den Mut und die Kraft, die sie für mich aufbringt.
 

„Ich komme wieder“, verspreche ich und lasse zu, dass sie Cid aus meinen Armen hebt um ihn an ihre eigene Brust zu drücken. „Ich komme ganz sicher wieder. Nur noch einmal die Welt retten, damit Cid in Frieden groß werden kann.“
 

„Natürlich. Tu das und komm wieder. Und dann bleib für immer hier, ja? Ich richte dir ein Zimmer her… oder ein großes Schlafzimmer für uns beide.“
 

„Das klingt toll. Ich freu mich drauf.“
 

Ich küsse Cidney noch einmal auf den Mund, während die anderen sich höflich wegdrehen, dann folge ich meinen Freunden zu der kleinen Limousine, die Cidney uns bereit gestellt hat. Die hinteren Fenster sind verdunkelt, blickgeschützt, und diesmal ist es Gladio, der den Beifahrersitz einnimmt. Ich sichere mir hinten den Platz in der Mitte, damit ich noch bequem nach vorne aus dem Fenster sehen kann. Auf dem Rücksitz wird mir schnell mal übel, aber so wird es für die kurze Strecke schon gehen. So eng wie in unserer klapprigen Gurke ist es hier auch nicht, trotzdem lehnt Noct sich wieder an mich. „Hoffe es stört dich nicht, wenn ich noch ein wenig schlafe“, murmelt er, „Der Weg bis zur Zitadelle ist lang und anstrengend… und diesmal will ich da unten nicht übernachten müssen.“
 

„Versteh ich, ist schon gut.“
 

„Ich bin froh, dass du doch mitgekommen bist“, murmelt Noct noch und schläft sofort wieder ein, bevor mir auch nur eine Antwort eingefallen wäre. Ravus zieht nur die Augenbrauen hoch und ich lächle verlegen. So ist Noct halt… ein großes, schweres Murmeltier. Und solange er morgens wieder aufwacht, hab ich auch kein Problem damit.



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