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Light and Darkness

"On that land shall Darkness prevail and Light expire."
von

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Chapter 13: Creeping Hours

 

Chapter 13: Creeping Hours

 

Chiaki verabschiedete sich von seinem Sportlehrer und gleichzeitig Fußballtrainer, der mit ihm die nächsten Trainingseinheiten für das nächste Schuljahr besprochen hatte. Eigentlich hatte der Blauhaarige dem Älteren so gut wie kaum zugehört und nur in den passenden Momenten genickt oder geantwortet. Vielmehr dachte er über die letzten Tage nach, insbesondere über Maron.

Er fühlte sich wie, als wäre er aus einem langen Schlaf aufgewacht. Seit dem gestrigen Abend versuchte Chiaki die gesamte Woche Revue passieren zu lassen, vom Streit bis zum jetzigen Moment. Doch das einzige woran er sich klar erinnern konnte waren, wie die Kopfschmerzen während der Diskussion mit Maron von Sekunde zu Sekunde zunahmen und er rausgehen wollte, um frische Luft zu schnappen und um seine Nerven zu beruhigen. Aus unerfindlichen Gründen konnte sich noch nicht mal erinnern, worum es genau in dem Streit ging.

Auch die Tage danach verliefen für ihn wie in einem Traum ab. Er hatte alles um sich rum wahrgenommen, konnte sich aber an keine Details erinnern. Konnte sich nicht erinnern, was genau um ihn herum passierte oder wie er sich fühlte. Es war wie, als wäre er die ganze Woche unter Wasser gewesen und neulich erst wieder an die Oberfläche aufgetaucht. Die frischeste Erinnerung war schließlich die, wie Maron traurig vor ihm stand und auf ihm einredete. Die ganze Situation brachte den jungen Mann aus dem Verstand.

Was ist das bloß, verdammt?! Leide ich schon am frühzeitigen Gedächtnisverlust? Vielleicht sollte ich mir von Vater ein paar Tabletten geben…, dachte er sich frustriert, rieb sich mit einer Hand angestrengt über die Augen und kniff sich den Nasenrücken. Chiaki musste auf jeden Fall mit Maron darüber reden. Er war ihr nicht nur eine Entschuldigung, sondern auch eine Erklärung schuldig, auch wenn er selbst nicht verstand was vor sich ging. Als er das Sportgebäude verließ, verspürte er wieder Mals ein Stechen in seinem Kopf, sogar stärker als zuvor. Mit einer hastigen Bewegung lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand an, wartete bis der Schmerz vorbei war.

 

Es war ein grauer, wolkiger Tag, mit gelegentlichem Wind. Die Bäume wedelten mit ihren Ästen und Zweigen. Als der Blauhaarige sich zum Hauptgebäude der Schule begab, war große Aufregung auf dem Schulhof. Zahlreiche Schüler rannten an ihn vorbei.

„Hey! Schaut! Was passiert da?“

„Da stürzt jemand vom Dach!“

„Ein Mädchen stürzt runter!“

Waren Maron und Miyako nicht auf dem Dach?, ging es Chiaki benommen durch den Kopf.

Als er aufblickte, blieb sein Herz stehen und sein Blut gefror. Wie in Zeitlupe konnte er sehen, wie Maron mit dem Rücken voraus über das Geländer fiel. Seine Augen rissen sich weit auf. Angstschweiß bildeten sich auf der Stirn. Er wurde kreidebleich. Für den Moment war er wie erstarrt. Alles andere war vergessen. „MARON!!!!“ Chiaki setzte sich in Bewegung.

Verdammte Scheiße!!! Ich kann vor der gesamten Schule nicht einfach hochspringen und sie auffangen!! Zähneknirschend rannte der Kaito los und kämpfte sich an die umstehenden Schüler vorbei.

 

Auch im Klassenzimmer herrscht plötzliches Chaos, als Miyako es betrat. Die gesamte Klasse hatte sich an den Fenstern versammelt. Aufgeregtes Gemurmel war zu hören. Einige rannten aus dem Zimmer raus, wollten nach draußen. Neugierig lief sie zum Fenster und schaute in die Richtung, wo alle anderen auch hinblickten. Ihr stockte der Atem. „OH NEIN! MARON!“, rief sie geschockt. Sofort lief die Kurzhaarige zum Schulhof runter.

 

Zur gleichen Zeit bekamen auch die Lehrer von dem Tumult mit. Als Hijiri aus dem Gebäude blickte, war Maron nur noch wenige Millisekunden vom tödlichen Aufprall entfernt. Maron!! Blitzschnell schoss er unbemerkt ein unsichtbares Kraftfeld in ihrer Richtung, sodass sie unbeschadet auf dem Boden landete.

 

Eine Menschentraube hatte sich um die Braunhaarige gebildet, die bewusstlos auf dem Boden lag. Chiaki schob alle direkt bei Seite. „Aus dem Weg!“, fluchte er. Als er seine Freundin erblickte, rannte er auf sie zu, kniete sich vor ihr hin, hob sie vom Boden. „Maron?! Maron!! Bitte wach auf!!“ Auch Miyako zwängte sich durch und stellte sich neben Chiaki.

„Maron! Chiaki! HEY! Hat einer von euch schon einen Krankenwagen gerufen?!“, rief sie aufgebracht in die Menschenmenge rein. Keiner schien zunächst auf die Polizeitochter zu reagieren. „Gafft hier nicht rum und holt Hilfe, verdammt!!! Sonst zeige ich euch alle bei meinem Vater wegen unterlassener Hilfeleistung an!!!! Das meine ich ernst!!!!“

„Ein- Ein Krankenwagen ist unterwegs!“, sagte eine Mitschülerin schließlich. Teilweise zufrieden gestellt wandte sich Miyako besorgt wieder zu Chiaki, der den Rücken zur Menge gewandt hatte und Maron immer noch in seinen Armen hielt. Dieser hatte alles um sich herum ausgeblendet. Seine Gedanken kreisten um seine große Liebe und das sie überleben solle. Mittlerweile versuchten die Lehrer die Situation unter Kontrolle zu bekommen und alle Schüler in ihre Klassen zu schicken.

Kurze Zeit später war schon der Notdienst am Schulgelände angetroffen. Zwei Sanitäter trugen Maron auf einer Trage in den Krankenwagen. „Kann ich mitkommen? Sie ist meine Freundin!“, fragte Chiaki einer der Männer, der ohne Wiedersprüche nickte.

„Chiaki!“, der Angesprochene drehte sich zu Miyako um, ihr Blick verängstigt, eine feuchte Spur glänzte auf ihrer Wange. Hinter ihr erblickte er auch Hijiri, der gestresst und besorgt wirkte. „Gib mir Bescheid, wie es ihr geht! Ich komme dann nach.“ Mit einem Nicken stieg der Blauhaarige in den Wagen.

 

Die Fahrt zum Krankenhaus fühlte sich wie eine Ewigkeit für den Jugendlichen an. Maron... Stirbt nicht! Bitte!, betete er und nahm ihre rechte Hand in beiden Händen.

Dort angekommen, war es Kaiki der sie empfing.

„Vater!“

„Bringt sie rein! Ich kümmere mich um den Rest!“, sagte dieser zu seinen Sanitäter, als sie Maron rein rollten. Ein paar Krankenschwestern drängten sich vorbei und gingen in den Raum rein. Im letzten Moment hielt Chiaki seinen Vater am Ellenbogen zurück.

„Bitte... Rettet sie…“, flehte er ihn leise an. Hilflosigkeit und Verzweiflung zeigte sich in seinem Gesicht. Aufmunternd lächelte Kaiki seinen Sohn an und packte ihn kurz an der Schulter: „Keine Sorge. Sie ist ein starkes Mädchen.“ Mit den Worten verschwand der Chefarzt in die Notaufnahme.

 
 

***

 

Es waren unterdessen drei Stunden vergangen, in der der Nagoya-Sprössling auf seinen Vater wartete und hören wollte wie es seiner Freundin ging. Mehrmals kam Kaiki raus und ließ Maron in eine andere Station schicken. Seinen Sohn hatte der Krankenhausleiter in den Wartebereich an der Rezeption geschickt, um ungestört arbeiten zu können. Der Chefarzt konnte nachempfinden was sein Junge innerlich durchmachte, schließlich war er vor vielen Jahren in einer ähnlichen Situation. Dennoch musste er seine Professionalität und innere Ruhe aufrechterhalten, insbesondere weil es sich bei der Patientin um die Freundin seines Sohnes und potentielle, zukünftige Schwiegertochter handelte, die ihm vom Tag eins an ans Herz gewachsen war.

Derweil hatte Chiaki sich in einen dünnen, weißen Kapuzenpulli und graue Jeans umgezogen, die Kagura ihm aus seiner Wohnung brachte, damit er nicht den ganzen Tag in Schuluniform rumlaufen musste.

 

Ungeduldig saß der Kaito auf seinem Stuhl, den Blick Richtung Korridor gefestigt. Seine Hände waren auf seinen Knien abgestützt, die Finger verkrampft ineinander verschränkt, bis die Knöchel weiß wurden. Nervös kratzte er sich mit dem Daumennagel am Nagelansatz vom Zeige- und Mittelfinger bis sie blutig wurden. Plötzlich hörte er jemand nach ihm rufen.

„Chiaki!“ Es war Miyako, die aus dem Haupteingang herein kam und auf den Blauhaarigen zulief, hinter ihr Inspektor Toudaiji. Auch sie war in ihren Alltagsklamotten bekleidet. „Hast du schon was gehört?“

Stumm schüttelte der Angesprochene den Kopf. Die Kurzhaarige ließ sich bedrückt neben ihm sinken.

„Chiaki, ich weiß, du hast momentan größere Sorgen, aber wir bräuchten eine Zeugenaussage von dir bezüglich Maron’s Sturzes.“, sprach Himuro Toudaiji sachlich auf ihn ein. Fragend schaute der Blauhaarige ihn und seine Tochter an.

„Nachdem der Krankenwagen weg war und die Lehrer alle Klassen unter Kontrolle gebracht hatten, kam mein Vater -mit Akita, Haruta und so- und hatten die gesamte Schule wegen dem Vorfall befragt. Jeder musste eine Aussage machen, was sie gesehen hatten, wen sie gesehen hatten, was sie zum besagten Zeitraum gemacht hatten, und so weiter.“, erklärte Miyako ruhig. „Bis jetzt behaupten alle, dass sie niemand anderen auf dem Dach sahen außer Maron…und mir, aber ich bin um die zehn Minuten eher reingegangen.“

„Verstehe…“, sagte er kraftlos, schaute zum Inspektor hoch und rekapitulierte nochmals die Schreckensmomente aus seiner Sicht. „Nachdem ich mit unseren Sportlehrer geredet hatte und aus der Sporthalle raus kam… sah ich Maron fallen…aber keine weitere Person befand sich auf dem Dach.“

Himuro notierte sich dies, machte eine kritische Miene und sagte: „Hm…Dann müssen wir warten, bis Maron wieder ansprechbar ist. Denn offiziell sieht es so aus als wäre sie von alleine-“

„Das würde sie niemals machen, Papa! Das weißt du!“, unterbrach Miyako ihren Vater wütend. Dieser seufzte erschöpft.

„Ich weiß… aber so sehen zurzeit die Fakten aus.“ Natürlich wusste er, dass die beste Freundin seiner Miyako nicht Suizid begeben würde. Dafür kannte er das junge Mädchen lange genug, fast wie als wäre sie seine eigene Tochter.

Während Vater und Tochter miteinander argumentieren und diskutierten, blockte Chiaki alles aus seiner Umgebung ab. Immer wieder wiederholte er Maron’s Namen in seinen Gedanken, betete um ihr Leben.

Sofort stand er auf, als er seinen Vater erblickte, der auf sie zukam. Der Gesichtsausdruck des Arztes: besorgniserregend.

 

„Also. wir hatten alle möglichen Test und Untersuchungen durchgeführt -wie MRT- um insbesondere mögliche Kopfverletzungen auszuschließen. Im Großen und Ganzen ist mit ihr alles in Ordnung. Keine Knochenbrüche, keine innere Verletzungen oder Blutungen. Ihr Herz schlägt auch normal. An vereinzelten Stellen waren blaue Flecken am Arm und Bein, die aber nicht von heute kamen. Im Grunde genommen geht es ihr körperlich blendend. Ich kann mir so was nicht erklären… besonders nicht bei so einem Fall von so vielen Metern Höhe. Dass sie das überlebt hat ist auch ein Wunder! Es ist wie als wäre sie eher vom ersten Stock gefallen.“ Kaiki hielt kurz inne um tief durchzuatmen. „Wahrscheinlich hatte sie während des Sturzes einen psychischen Schock erlitten, wodurch sie das Bewusstsein verlor. Sie befindet sich momentan in einem schlafenden Zustand und sie sollte eigentlich auf natürlicher Weise aufwachen…aber wenn sie bis morgen nicht es nicht tut, könnte es kritisch werden.“

Der Chefarzt warf einen letzten prüfenden Blick auf sein Klemmbrett, um ja nichts vergessen zu haben. Miyako und ihr Vater hatten ihm fassungslos zugehört.

„Maron…“ Chiaki ballte seine Hände zu Fäusten, er spürte wie sich die Fingernägel in seine Handfläche bohrten. Schuldgefühle übermahnten ihn. Verbittert drehte er sich weg, schlug sich mit der Handfläche auf die Stirn, biss sich auf die Lippe.

„Es ist alles meine Schuld…! Ich-…Ich habe sie im Stich gelassen.“ Dabei wollte ich sie beschützen! Ich habe versprochen, nein geschworen, sie zu beschützten!! Ich konnte sie nicht beschützen!!! Ich konnte nichts machen!!! Er war wütend. Wütend auf sich selbst. Wütend darauf, dass er sie tagelang leiden ließ. Wütend darauf, dass er nicht für sie da war, wenn sie ihn brauchte. Was für ein elender Versager ich doch bin…

Kaiki konnte die Gefühle, die in seinem Sohn vorgingen, in seinem Gesicht ablesen. Noch nie hatte er ihn so emotional aufgewühlt gesehen, besonders nicht seit dem Tod seiner Mutter. Er ging auf Chiaki zu und zog ihn mit einem Arm an sich heran. Der Jüngere ließ das Gewähren, lehnte seinen Kopf an die väterliche Schulter. Vater…hattest du dich damals bei Mutter genauso gefühlt…? Lange war es her, seit dem sein Vater ihn das letzte Mal in den Arm nahm. Für den Moment beruhigte und entspannte er sich.

„Vater…Bitte. Tu alles was in deiner Macht steht…Sie… sie ist der wichtigste Mensch auf der Welt für mich…“, flüsterte Chiaki leise. Mit einem mitfühlenden Lächeln schaute der Angesprochene ihn an. „Komm setz dich zu ihr. Das wird bestimmt helfen.“

 
 

***

 

Im Krankenzimmer war es ruhig. Maron lag reglos auf dem Krankenbett. Ihre Brust hob sich schwach rauf und runter. Nur das Piepsen des EKGs, welches ihres Herzschlages maß, unterbrach in einem regelmäßigen Rhythmus die Stille. Chiaki saß wie gefesselt auf einem Stuhl neben ihr, darauf wartend, dass sie aufwachte. Ihre rechte Hand war von seinen beiden umschlossen. Sanft strich er ihr immer wieder über den Handrücken. Bitte wach auf…!

Miyako saß an einem Tisch am anderen Ende des Zimmers. Ihr Vater war bereits nach Hause gegangen, nachdem auch ihre Mutter kurz vorbeischaute und Blumen brachte. Ihre Eltern bestanden darauf, dass sie mit nach Hause kommen sollte, doch sie weigerte sich ihre beste Freundin zurückzulassen. Diese gaben schließlich nach und redeten mit Kaiki im Korridor darüber, die Kinder für den nächsten Tag von der Schule zu befreien.

Die Dunkelhaarige hatte bereits Yamato -der noch krankgeschrieben war- per SMS darüber Bescheid gegeben, was passiert war. Dieser ließ seine besten Wünsche und Hoffnungen ausrichten.

In der Zwischenzeit kamen vereinzelte Mitschüler und Klassenkameraden vorbei, die Blumen und Grußkarten brachten. Miyako empfing die Geschenke höflich und schickte ihre Altersgenossen sofort wieder weg. Sie hatte keinen Nerv für unnötige, anstandslose Fragen.

 

Draußen ging allmählich die Sonne unter und die Nacht brach langsam ein. Als die angehende Polizistin aufstand, um sich einen Kaffee zu holen, stand Hijiri vor der Tür. „Darf ich rein?“, fragte er vorsichtig. Die Schülerin nickte kurz -das Gesicht deprimiert und erschöpft- und lief an ihm vorbei Richtung Cafeteria. Der Rothaarige ging mit leisen Schritten ins Zimmer rein, die Hände in den Taschen vergraben und stellte sich neben Chiaki.

Seitdem der Jüngere an Maron’s Bett saß, hatte er nichts mehr aus seinem Umfeld mitbekommen. Dass der ehemalige Dämonenritter neben ihm stand, nahm er nur bedingt wahr. Das wichtigste für den Jungen war das schlafende Mädchen vor ihm. Auch Hijiri schaute besorgt auf die Reinkarnation seiner großen Liebe herunter.

„Du müsstest mir danken…“, fing er an zu sagen, „In letzter Sekunde konnte ich ihren Sturz so abfedern, dass sie unverletzt blieb.“

Der Schüler erwiderte nichts oder wendete seinen Blick von Maron ab.

„Denkst du auch jemand hat sie runtergestoßen? Die Frage wäre dann ‚Wer‘?“

Wieder traf er auf Schweigen. Hijiri seufzte, fuhr sich unbeholfen über die kurzen Haare. Er war es gewohnt, dass der Blauhaarige kaum oder gar nicht mit ihm sprach, dennoch versuchte er immer wieder eine freundschaftliche Basis aufrechtzuerhalten. Schließlich verstand er sich mit Maron und ihren anderen Freunden gut. Selbst mit den Engeln kam er um weiteres besser zurecht, als mit dem jungen Kaito.

„Kann ich irgendwas für dich tun?“, fragte er schließlich, um sich nützlich machen zu wollen. Zu seiner Überraschung antwortet ihm Chiaki mit monotoner Stimme: „Kannst du Fin und Access Bescheid geben was passiert ist? Sie müssten irgendwo in der Stadt Patrouille halten.“ Perplex schaute der Ältere auf den Jüngeren runter. Will er mich loswerden…?

„Okay, wie Sie wünschen.“ Der Lehrer entfernte von dem Paar und öffnete die Tür.

„Noyn….“ Halben Schrittes hielt der Angesprochene inne und drehte sich gespannt um. Chiaki saß weiterhin mit dem Rücken gewandt vor ihm, den Blick auf Maron fixiert.

„Danke…“, kam es von dem Kaito kaum hörbar. Mit einem Lächeln begab sich Hijiri aus dem Zimmer und schloss mit einem „Gern geschehen.“ die Tür.

 

Im Flur begegnete er Miyako, die neben der Tür gelehnt war, ihren Kopf gesenkt hatte und einen Trinkbecher in der Hand hielt.

„Willst du nicht wieder rein gehen?“, fragte er verwundert. Die Kurzhaarige wendete ihren Blick von ihrem Getränk ab und schaute zu Hijiri hoch. Der Warlock konnte ihren Blick nicht deuten, und schaute sie erwartungsvoll an. Wollte sie ihm was sagen?

Im nächsten Moment verbeugte sich die Schülerin vor ihm, den Becher in beiden Händen fest umklammert, darauf bedacht nichts zu verschütten.

„Danke, dass du Maron gerettet hast.“ Überrascht machte ihr Gegenüber große Augen. „Ich habe gehört, was du Chiaki gesagt hast… und ich bin dir durchaus dankbar dafür! Ich- ich bin mir sicher, dass Chiaki dasselbe empfindet, auch wenn er es sich nicht eingestehen will.“, fügte sie hinzu, nachdem sie sich wieder aufrichtete.

„Ich habe versprochen sie zu beschützen…sie beide zu beschützen. Und das tue ich auch…meiner Jeanne d’Arc zu Liebe…“, sagte Hijiri ehrlich. Die junge Frau nickte, lächelte ihn kurz an und ging wieder ins Krankenzimmer rein. Noyn machte sich währenddessen auf die Suche nach Silk und den Himmelsengeln.

 

Es dauerte nicht lange bis das Engelspaar durch das Fenster reingeflogen kam. Noyn hatte sich mit Silk nach Hause begeben und ausgerichtet, er würde am nächsten Tag nach der Schule sie wieder besuchen kommen.

„Maron…oh nein, oh nein, oh nein, oh nein!“, rief Fin entsetzt als sie sich auf die Fensterbank absetzte, Tränen liefen ihr das Gesicht herunter. Access legte tröstend einen Arm um sie.

„Wie geht es ihr?“, fragte er seinen Partner. Miyako stand auf und gesellte sich zu den dreien. Sie legte beistehend eine Hand auf Chiaki’s Rücken.

Dieser blickte kurz zu den Engeln auf. „Mein Vater sagte, sie hat keinerlei Verletzungen und dass sie von selbst aufwachen sollte. Jedoch sind es schon vier Stunden her seit sie hier liegt. Sie hatte sich bisher auch keinen Millimeter bewegt.“ Ihm entfuhr ein müdes Seufzen. Plötzlich entsprang ihm eine Idee. „Ihr habt doch Heilkräfte. Könnt ihr vielleicht was machen damit sie aufwacht?“

„Hmm…ich schau mal.“, sagte der männliche Engel, verwandelte sich mit einem Puff in seine Himmelsengelform und stellte sich auf die andere Bettseite. Seine Handflächen fingen an zu leuchten und ließ sie über Maron wandern.

„Wie du gesagt hast, sie hat keine Verletzungen…allerdings scheint es wie -wie sag ich das am besten-…als hätte sich ihr Bewusstsein oder wohl eher ihr Geist zurückgezogen. Wir kommen nicht an sie ran…sie müsste, wie dein Vater bereits sagte, von alleine wieder wach werden.“

„Und…was ist wenn sie es nicht tut?“, fragte Miyako. Access zögerte mit seiner Antwort.

„Hoffen wir, dass sie es tut.“, sagte er schließlich. Die Polizeitochter lief ein paar Schritte rückwärts und ließ sich geistesabwesend auf ihrem Stuhl fallen. Chiaki verstärkte für einen Moment den Druck um Maron’s Hand, ließ jedoch sofort wieder locker.

„Es tut mir leid, Kumpel.“, hörte er Access neben sich sagen, eine Hand auf die Schulter gelegt.

„Noch ist die Hoffnung nicht verloren…“ Der Blauhaarige gab dem anderen ein schwaches Lächeln, welches die Augen nicht erreichte. Diese spiegelten Frust und Verzweiflung wider.

 
 

***

 

 

Kaiki machte seine letzten Rundgänge durch das Gebäude. Es war gespenstig ruhig im Krankenhaus. Die meisten Patienten schliefen und nur wenige Mitarbeiter waren wie er wach. Das letzte Zimmer in der er vorbeischauen wollte, war das von Maron Kusakabe. Leise öffnete er die Tür. Als erstes erblickte er Miyako Toudaiji, die auf dem Tisch seelenruhig eingeschlafen war. Ihre Arme dienten ihr als Kissen und eine Decke war über sie gelegt. Auf der Tischoberfläche verteilt waren Blumen in einer großen Vase, Grußkarten sowie einige Bentoboxen und Essenstabletts zu sehen. Unsichtbar für seine Augen - Access und Fin schliefen eng aneinander gekuschelt auf dem Stuhl neben ihr, Miyako’s Halstuch diente ihnen als Decke.

Der Chefarzt ließ seinen Blick ans andere Ende des Zimmers schweifen. Sein Sohn saß nach wie vor in seinem Stuhl angelehnt neben dem Krankenbett und hielt die Hand der Patientin. Er hatte Kopfhörer in den Ohren.

„Du solltest auch etwas schlafen.“, sagte Kaiki zu seinem Sohn sanft. Dieser nahm seine Kopfhörer ab und schüttelte schwach den Kopf.

„Ich will für sie da sein, sobald sie aufwacht.“ Der Ältere seufzte kurz.

„Ich weiß, dir ist es egal, aber du musst auch an dich selbst denken. Ich brauche nicht Arzt zu sein, um zu sehen wie angeschlagen du bist…und das nicht nur von heute.“

„Meine oberste Priorität ist Maron. Ihr Wohlbefinden, ihre Gesundheit, ihre Sicherheit, ihr Glück…Sie alle stehen um weiteres über meins. Sie war so viele Jahre allein und ich hatte in der Vergangenheit ihr viel Unrecht getan…Es ist nur fair, das ich alles stehen und liegen lasse und für sie da bin.“

„Chiaki…“

„Mir geht es gut, Vater. Wirklich.“, sagte der Angesprochene mit bekräftigender Stimme. Kaiki konnte seine Gefühle verstehen, dennoch machte er sich große Sorgen um die Gesundheit seines Sohnes. Nach längerem Zögern beschloss er das Thema ruhen zulassen. Es war ein emotional turbulenter Tag für seinen Jungen. Er holte ein Kissen und eine Decke aus dem Schrank, legte dem Jüngeren die Decke über die Schulter und positionierte das Kissen zwischen Kopf und Stuhllehne. Dieser schaute perplex zu seinem Vater hoch. Der Krankenhausdirektor lächelte nur auf seinen Sohn herab. Chiaki bedankte sich mit einem Nicken und zog die Decke enger um sich. Mit leisen Schritten verließ Kaiki das Zimmer und wanderte durch die Korridore entlang zu seinem Büro. Immer noch haftete das Lächeln auf seinem Gesicht. Wie der Vater, so der Sohn…

Das Bild des jungen Paares erinnerte ihn an ihn selbst und Midori, wie er tage- und nächtelang nicht von ihr wich, als sie für ihre Krankheit ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Bis allerdings zu dem Tag, als sich ihr Zustand komplett verschlechterte und sie schließlich darauf beharrte, dass er nicht mehr zu ihr ans Bett kommen sollte.

„Deine letzte Erinnerung von mir, soll nicht die sein, in der ich im Sterben liege, Kaiki.“, sagte sie ihm mit ein Lächeln. Chiaki’s Vater stieß ein kurzes, leicht verbittertes Lachen aus. Letztendlich war seine letzte Erinnerung von ihr, die wie sie ihn anlächelte. Das Lächeln, in das er sich von Tag eins an verliebte. In seinem Büro angekommen ließ Kaiki sich -mit dem Rücken voraus- erschöpft auf die Couch fallen und nach wenigen Minuten schlief auch er ein, mit den Gedanken an seine verstorbene Frau und dem jungen Paar am anderen Ende des Gebäude.

 

Der nächste Morgen brach an. Müde kniff Chiaki sich die Augen, als die Sonne durch die Fenster schien, sich durch die dünnen Vorhänge kämpfte. Leicht geblendet hielt er sich die freie Hand vor das Gesicht. Er schaute träge auf die Uhr. 7:00 Uhr morgens…und sie ist immer noch nicht aufgewacht oder hat einen Finger gerührt. Gott…wenn du wirklich über uns wachst…Bitte lass Maron wach werden…

Auf einmal spürte er etwas in seiner rechten Hand. Eine leichte Bewegung. Zuerst kaum bemerkbar, doch dann mit mehr und mehr Druck, bis sich ihre Finger angestrengt um seine schlossen. Nahezu unauffällig regte Maron ihren Kopf. Kniff ihre Augen leicht zusammen. Ihre Wimpern flatterten bei der minimalen Bewegung. Leise unverständliche Laute entkamen ihr.

Sofort stand Chiaki auf, beugte sich über sie und legte seine linke Hand auf ihre rechte Wange.

„Maron!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Seredhiel
2020-01-17T22:20:19+00:00 17.01.2020 23:20
*schock* wie... was... wieso... weshalb *schniff*

armer Chiaki durchleidet da wahrlich Qualen...
arme Maron... was ist nur passiert >.<
braver Noyn hat wenigstens den Sturz abgefedert

schön dass sie wieder wach ist... aber ich habe eine böse Vorahnung... mal sehen ob sich das bewahrheitet
*Kekse und Kakao da lass* doch das muss bis Sonntag warten *seufzt* morgen leider den ganzen Tag beschäftigt *weint*
Antwort von:  mairio
18.01.2020 07:03
Was für eine Vorahnung hättest du? :)

*dir viel Durchhaltevermögen heute wünsch*

LG 😊


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