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Light and Darkness

"On that land shall Darkness prevail and Light expire."
von

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Chapter 14: War of Hearts

 

Chapter 14: War of Hearts

 

 

I can't help but love you

Even though I try not to

I can't help but want you

I know that I'd die without you

 

[Ruelle – War of Hearts]

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Der Himmel war mit dunklen Wolken bedenkt, welches ihn schwarz verfärbte. Es regnete in Strömen. Die Menschen begaben sich sofort in ihren Häusern. Im Einklang fielen die Türen und Fenster zu.

 

Ein Junge, ungefähr 16 Jahre, saß inmitten der leeren Straßen, an einer Hauswand angelehnt, ungeschützt vom Regen. Seine Arme ruhten auf die angewinkelten Beine. Seine Kleider waren zerfetzt und mit Flecken übersäht. Sein Blick war leblos. Sein Kopf war leer. Seine kurzen, schwarzen Haare klebten ihm im Gesicht. Sein Gesicht war mit blauen und roten Flecken sowie Kratzern bedeckt, die er sich bei einer Prügelei mit einigen adeligen Landesjungen eingeholt hatte. Als ‚stinkenden Bettler‘ hatte man ihn beschimpft, was er nicht auf sich sitzen ließ. Dabei war er alles andere als nur ein Bettler, er war ein Überlebender. Jemand der mit jedem Tag überleben wollte. Doch für was wollte er Leben? Er seufzte, lehnte seinen Kopf an seine Arme an und schloss die Augen. Innerlich hoffte er, dass der Tod doch kommen würde.

Der Junge blendete alles um sich rum aus. Er hörte die Schritte und Pferdehufen nicht, die sich ihm näherten und anhielten. Plötzlich spürte er etwas, was ihn zusammenzucken ließ und in die Gegenwart zurückbrachte. Erschrocken blinzelte er auf, seine lila-grauen Augen weiteten sich.

Ein junges Mädchen, ungefähr seines Alters, stand vor ihm. Sie hatte dem Jungen eine Decke über den Kopf gelegt und lächelte freundlich auf ihm herab. Für eine Millisekunde dachte er, ein Engel stände vor ihm, so hübsch war sie. Sie trug einen großen, wärmespendenden Umhang, darunter war ein vornehmes Bauernkleid zusehen. Allein an ihren Klamotten sah er sofort, dass sie aus einer wohlhabenden Familie stammte. Ihr langes silbernes Haar, war nach hinten gebunden und war von der großen Kapuze des Umhangs geschützt. Ihre hellgrauen Augen hatten einen festen, starken und zugleich einfühlsamen Blick. Hinter ihr war ein weißes Pferd, welches ungeduldig schnaubte und mit den Hufen schabte.

„Du stirbst sonst, wenn du dich nicht vor dem Regen schützt.“, sagte sie mit ruhiger Stimme. Der Junge verzog verärgert das Gesicht und zischte.

„Was hast du dich einzumischen!“, fauchte er sie an. „Außerdem…! Es würde niemanden interessieren, wenn ich sterbe.“

„Hm? Dem Herrn würde es interessieren.“

„Dem Herrn?“

„Ja, Gott.“ Der Junge machte sich die stille Anmerkung, dass ihre Stimme was Angenehmes, Sanftes und zugleich Entschlossenes an sich hatte. „Gott hat dir das Leben geschenkt. Das kannst du nicht einfach wegwerfen!“

„Ach ja…?“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Und wenn ich keinen Sinn mehr in meinem Leben sehe, welches er mir ‚schenkte‘?“ Es war kurz still zwischen den beiden Jugendlichen. Das Mädchen setzte sich in die Hocke, sodass sie mit ihrem Gegenüber auf Augenhöhe war.

„Wieso? Wieso soll es keinen Sinn mehr machen zu leben?“, fragte sie unschuldig sowohl auch neugierig. Der Junge zögerte mit seiner Antwort und schaute zum Boden herunter. Als er sprach, war seine Stimme mit Bitterkeit und Trauer gezeichnet.

„Meine Eltern wurden vor meinen Augen von diesen englischen Barbaren getötet. Ich verlor alles. Meine Familie, mein Zuhause, meine Existenz. Seit drei Jahren lebe ich auf der Straße und kämpfe um mein Leben. Doch…Was hat das für ein Sinn? Wofür lebe ich? Nur um jeden Tag halb verhungert aufzuwachen und hilflos durch die Stadt zu wandern, wo Menschen wie mich mit Dreck gleichgestellt werden? Wieso würde Gott einem das Leben schenken, wenn man nur am Leiden ist?“ Das Mädchen legte ihre Hand sanft auf seine. Die Berührung ließ ihn zusammenfahren. In dem Moment, als sich ihre Hände berührten, spürte er ein undefinierbares Gefühl auf seiner Haut. Ein warmes, angenehmes Kribbeln, was er noch nie verspürt hatte.

„Ich verstehe deinen Verlust…Das mit deinen Eltern tut mir leid. Ich bin mir sicher, dass Gott um sie getrauert hatte und wünscht sich nun, dass du weiter kämpfst und weiter lebst.“ Der Dunkelhaarige entriss sich von ihrer Berührung und schwieg sie an. Er wollte kein Mitleid von ihr. Insbesondere nicht von jemanden aus dem noblen Sozialstand. „Du sagtest ‚englische Barbaren‘. Meintest du die Engländer?“, hörte er sie nach einer Weile sagen. Er verzog genervt das Gesicht und schaute sie direkt an.

„Genau, die Engländer! Seit Jahrzehnten befinden wir uns mit diesen Dämonen im Krieg! Das weißt doch das ganze Königreich!“

„Ich weiß. Und ich werde unser Königreich vom ihnen befreien.“, kam es von ihr ruhig. Diese Aussage brachte ihrem Gegenüber komplett aus dem Konzept.

„Ha?! Wovon redest du? Und wieso du?!“

„Der Herr und sein Engel haben zu mir gesprochen. Sie sagten, ich werde mit einem Schwert die ‚Dämonen‘ vertreiben und den Krieg beenden.“ Ihre hellgrauen Augen hafteten durchdringend auf seine, ließen sich nicht von seiner Perplexität beirren.

„Welcher Engel?“, fragte der Junge prüfend.

„Michael.“, kam es von ihr ohne Überlegung und Zögern.

„Der Erzengel?“

„Ja, von ihm habe ich auch mein Schwert bekommen.“ Sie deutete auf ein großes, längliches, in Stoff eingepacktes Gepäckstück, welche an ihrem Pferd hing.

„Und sie sagen dir, dass du den Krieg beendest? Ein Krieg der seit sonst wie vielen Jahrzehnten andauert?“, hakte er nach. Sein Gegenüber nickte. Der Junge musterte sie nachdenklich, spielte mit den Gedanken, ob er sie für verrückt erklären sollte, oder nicht. Allerdings sah sie nicht aus wie jemand, der nicht mehr ganz bei Sinnen war oder den Verstand verloren hatte. Der Schein kann aber auch trügen.

„Du spinnst!“

„Ich spinne nicht.“

„Dann lügst du!“

„Ich lüge nicht. Ich bin gerade auf dem Weg, um meine Mission, die mir der Herr gab, anzutreten und zu erfüllen. Ich werde den König von meinen Visionen berichten und ihn um sein Vertrauen bitten.“ Die Entschlossenheit des Mädchens brachte den Jungen komplett aus der Fassung. Er starrte sie mit offenen Mund an. Für einen Moment wollte er ihr Glauben schenken, doch dann schüttelte er wild den Kopf. Tropfen spritzen aus seinen nassen Haaren.

„Du bist aber ein Mädchen! Nur Männer dürfen Rüstungen tragen und für den König kämpfen!“

„Wer sagt, dass ich das nicht ändern kann?“

„Und was wenn man dich für eine Lügnerin oder Ketzerin hält? Du kannst in große Schwierigkeiten kommen?“ Sie schüttelte bestimmt den Kopf.

„Der Herr wird mir beistehen.“ Zwischen den beiden herrschte angespanntes Schweigen.

Auf einmal stand der Junge abrupt auf, die Decke rutsche ihm runter und fiel zu Boden. Er streckte dem Mädchen seine Hand aus, die überrascht aufblickte.

„Ich komme mit dir! Wer weiß, was dir am Ende zustoßen wird. U-Und-“ Er zögerte weiterzusprechen. Seine Wangen liefen rosa an. „E-Ein Mädchen, wie du, kann nicht einfach ungeschützt durch das Land reisen! Überall lauern gefährliche Kreaturen in menschlicher Gestalt herum! D-Du brauchst auf jeden Fall eine männliche Begleitung. Nicht das du noch entführt wirst, oder schlimmer…“, fügte er schließlich kleinlaut hinzu. Sie schaute ihn mit großen Augen an, nahm schließlich lächelnd seine Hand und stand mit seiner Hilfe auf. Wieder verspürte er dieses warme Kribbeln, als sich ihre Hände berührten.

„Danke! Ich weiß deine Gutherzigkeit sehr zu schätzen. Mein Name ist übrigens Jeanne. Jeanne d’Arc.“ Das Lächeln, was sie ihm schenkte, ließ seine Röte um paar Nuancen dunkler werden.

„N-Noyn Claude.“, stotterte er verlegen. Jeanne setzte sich seitlich auf ihr Pferd auf.

„Freut mich deine Bekanntschaft zu machen, Noyn Claude. Ich bin mir sicher, der Herr hat mich zu dir geschickt!“, sagte sie ehrlich erfreut. Nachdem dieser die Decke vom Boden nahm und eingepackt hatte, setzte er sich hinter ihr auf. Gemeinsam galoppierten sie aus der Stadt.
 

Der Regen lichtete sich und die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die dicke Wolkendecke. Jeanne nahm ihre Kapuze vom Kopf und nahm einen tiefen Atemzug von der frischen Regenluft. Sie löste ihren Zopf, sodass ihre Haare in einem edlen Silber über ihre Schulter glänzten. Noyn blieb für einen Augenblick der Atem stehen, er konnte seinen Blick nicht von ihr lösen. Wunderschön…wie ein Engel…oder eine Göttin, ging es ihm durch den Kopf. Ein -ihm bisher unbekanntes- Gefühl breitete sich in seiner Bauchgegend aus und ließ sein Herz schneller schlagen. Er schüttelte unbemerkt seinen Kopf und ließ seinen Blick nachdenklich über die Landschaft schweifen. Ein Regenbogen breitete sich über den Horizont aus. Ein Feld weißer Lilien war zu sehen.

Es war merkwürdig. Vor einigen Minuten wollte Noyn den Tod willkommen heißen und nun folgte er diesem mysteriösen Mädchen auf ihrer -sogenannten- göttlichen Mission. Er wusste nicht was ihn erwartete, doch einst wusste er: diese Jeanne d’Arc gab ihm einen neuen Sinn im Leben.

 
 

***
 

Als Maron zu sich kam, wusste sie nicht wo sie sich befand. Doch sie spürte samtweiches Gras unter sich, die Grashalme kitzelten ihre Haut wie winzige Federn. Die Luft war erfrischend und trug denselben wohltuenden Duft mit sich, wie als wenn es geregnet hatte. Als Maron ihre Augen öffnete, fand sie sich auf einer Wiese wieder. Sie war in einem sättigendem moosgrün gefärbt und war teilweise mit weißen Lilien bedeckt. Sie blickte sich um. Vor ihren Augen erstreckte sich eine wunderschöne Landschaft mit einem großen See. Der Himmel war in einem grau-blau-magenta gefärbt und mit dünnen Wolken bedeckt. Hinter den Wolken strahlte schwach die Sonne. Maron konnte nicht einschätzen, welche Tageszeit in dieser Umgebung herrschte.

Wo bin ich? Was ist passiert? Mein Kopf brummt… Sie rieb sich benommen den Kopf. Sie versuchte die jüngsten Erinnerungen sich ins Gedächtnis zu rufen. Ich…Ich war auf dem Schuldach mit Miyako…und dann? Was geschah dann? Als sie zu sich herunterblickte, stellte sie irritiert fest, dass sie ein weißes Kleid trug, anstatt ihre Schuluniform.

 

„Maron.“ Eine sanfte Frauenstimme vernahm sie neben sich. Es war Jeanne d'Arc, die ein elegantes, langes, metallisch-graues Kleid trug, welches gleichzeitig einer Rüstung glich. [x][x][x]

Ihre Hände waren hinter dem Rücken verschränkt, ihre Augen in die Ferne gerichtet. Obwohl kein Wind wehte, so bewegten sich die kurzen Strähnen ihrer Haare sachte rauf und runter.

 

„Jeanne! Was machst du hier? Und wo sind wir?“, die Kamikaze-Diebin blickte sich fragend um. Zu ihrer Überraschung hatte das Umfeld sich mit dem Erscheinen der französischen Nationalheldin verändert. Neben dem See und der idyllische Natur, konnte Maron zu ihrer linken Seite Häuser und eine Kirche erkennen. Häuser, die nicht aus ihrer Kultur oder Zeit stammten. Bin ich wieder im französischen Mittelalter?

„Du bist hier bei mir. In meiner Zeit…“, beantwortete Jeanne Maron’s Fragen und murmelte zu sich selbst, „Dieser Ort bringt Erinnerungen mit sich…“  

„A-Aber wieso? Wieso bin ich hier?“

Die andere zuckte lachend mit den Schultern. „Vielleicht um etwas zu lernen?“ Sie wandte sich zu ihrer Reinkarnation und fragte mit einem wissenden Grinsen: „Gibt es etwas, dass du wissen möchtest, Maron?“
 

***

 

„Oh, Ihr habt Euch die Haare geschnitten!“ Noyn riss überrascht die Augen auf, als Jeanne sich ihm näherte.

„Ja. Ist praktischer…So kann man mir nicht an die Haare packen und der Helm passt auch besser.“ Jeanne fuhr ihre rechte Hand durch die kinnlangen Haare und nahm eine Strähne zwischen ihren Zeige- und Mittelfinger, begutachtete leicht besorgt die Spitzen. „Findest du, es sieht schlecht aus?“ Sofort wurde der -vor kurzem neu geschlagene- Ritter rot.

„N-Nein…S-Sieht gut aus! E-Euer Gesicht kommt gut zur Geltung…“ Unbeholfen blickte Noyn zur Seite und sah auf einem kleinen Beet weiße Lilien wachsen. Er kniete sich kurz hin, pflückte eine Blüte raus und steckte sie der jungen Frau hinter dem linken Ohr. Er schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. Jeanne’s Wangen bekamen einen rosa Schimmer. Sie ließ von ihrer Strähne los und verschränkte lächelnd die Arme hinter ihrem Rücken.

„Danke! Da bin ich sehr froh! Und wie oft soll ich dir sagen, dass du die Formalitäten bei mir ablegen sollst. Als wir uns kennenlernten, hatten wir schließlich auch alles informal gehalten. Seit ich damals die Audienz im Königshof erhielt, bist du so übertrieben respektvoll zu mir.“

„W-was sollen die anderen auch denken, wenn ich euch keinen Respekt erweise! Außerdem, wenn unser Truppenanführer davon mitbekommt, könnte es Ärger geben.“, versuchte er sich rechzufertigen.

„Ha? Was redest du da? Ich bin die Anführerin unserer Truppe.“

Geschlagen von dem Argument drehte Noyn sich weg und kratzte sich verlegen den Nacken. Jeanne fing an zu lachen, was sein Herz ein paar Sprünge versetzten ließ. Sie lachte ihn sichtlich aus und zog ihm am Ärmel hinter sich her.

„Komm, wir brechen gleich auf!“

 

Es war über ein Jahr her, seit die beiden sich an dem regnerischen Tag begegneten. Seitdem war viel Geschehen. Jeanne d’Arc erhielt nach wenigen Tagen eine Audienz beim König, um ihre göttliche Botschaft zu vermitteln und erhielt dessen Vertrauen sowie Unterstützung. Auf königlichem Befehl wurde sie fürs Schwertkämpfen ausgebildet und erhielt eine ranghöhere Stellung als die eines Ritters. Kurze Zeit später führte sie die ersten Truppen an, die zur Befreiung Orléans führte und wofür sie erstmalig als Heldin gefeiert wurde.

In der Zeit lernte auch Noyn von der Existenz richtiger Dämonen kennen und erfuhr, dass sie sich in den Herzen des Feindes eingenistet hatten. Wie Jeanne voraus sagte, so konnte sie diese Dämonen mit ihrem Schwert bannen. Schnell stellte sich heraus, dass auch Noyn die Seelen der Menschen von Dämonen befreien konnte. Er ließ sich zum Ritter ausbilden und trainierte mit Jeanne zusammen, um an ihrer Seite zu kämpfen, ihr beizustehen und sie zu beschützen. Nicht nur stand er ihr im Krieg zur Seite, sondern auch im normalen Leben als ihr bester Freund und Gefährte. Seit sie nach Orléans gezogen sind, lebten beide auch Tür an Tür in einer Pension nebeneinander. Egal wo sie sich befanden, Jeanne und Noyn traf man nur zu zweit an. Sie waren unzertrennlich.

 

„Kämpft weiter, Soldaten! Kämpft!! Der Herr wird uns bestehen und wir werden unser Land von den Engländern befreien!!“, rief Jeanne d’Arc den Männern hinter sich zu, als sie sich der gegnerischen Basis näherten. Ihre Soldaten brachen ein kollektives Motivationsschrei aus, zogen alle ihre Waffen in die Höhe, als sie das Gebiet betraten. Sofort gingen die englischen Truppen in die Offensive über, setzten die ersten Angriffe an und schossen mit Pfeilen auf die Franzosen. Ein brutaler Kampf brach aus. Das Klirren von Schwertern und die Schreie der Männer waren über das ganze Feld zu hören. Ein metallischer Geruch breitete sich langsam aus und der Boden färbte sich rot.

 

Jeanne bemerkte nicht, wie ein Pfeil von hinten direkt auf sie zuflog.

„JEANNE!“ Jemand warf sich auf ihr und stoß sie vom Pferd herunter. Mit einem kurzen Schmerzensschrei landeten sie hart auf dem Boden. Ihr Helm fiel ihr vom Kopf und rollte einige Meter von ihr weg. Als die Kämpferin aufblickte, sah sie, dass Noyn schützend über ihr lag. Vor Schreck bemerkte sie einen Pfeil in seinem Rücken.

„NOYN!“

„Seid Ihr verletzt?“, fragte dieser schweratmend.

„Nein, aber du! Du muss verarztet werden!“ Sie wollte sich aufsetzen, doch noch mehr Pfeile kamen auf sie angeschossen. Blitzschnell stellte sich der Ritter mit beiden Armen ausgestreckt beschützend vor ihr.

„Jeanne!! Begebt Euch in Sicherheit! Macht Euch um mich keine Sorgen!!“

„Nein, ich lasse dich nicht zurück, Noyn!!“ Sie konnte sich nicht bewegen, ihr Körper war wie erstarrt. Fassungslos sah sie, wie sein Gesicht Fürsorge und Entschlossenheit ausstrahlte, aber auch versuchte die ansteigenden Schmerzen zu unterdrücken. Noyn biss sich angestrengt auf die Lippe, um vor Schmerz nicht loszuschreien. Um die beiden herum, fielen noch mehr der französischen Soldaten. Die Engländer gewannen allmählich die Oberhand.

 

In der nächsten Sekunde sackte Noyn kraftlos auf die Knie, er blutete an mehreren Stellen und noch mehr Pfeile hatten sich durch seine Rüstung gebohrt. Er keuchte vor Schmerz, hustete Blut.

„Jeanne…“, brachte er schwach hervor, bevor er das Bewusstsein verlor. Jeanne kniete sich zu Noyn hin und nahm ihn in ihre Arme.

„Noyn! Bitte stirb nicht! Bleib bei mir! Bitte!!“ Eine Träne lief ihr das Gesicht herunter.

Plötzlich wurden die beiden für einen Augenblick von einem hellen Licht umhüllt. Ein Großteil von Noyn’s Wunden verheilte auf übernatürliche Weise. Wieder kam eine Welle von Pfeilen auf die beiden zugeflogen, doch diese prahlten auf halben Wege mitten in der Luft ab. Jeanne blickte hoffnungsvoll auf. Gottes Schild! Der Herr beschützt uns!

Alle gegnerischen Soldaten schauten fassungslos in ihre Richtung, jeder von ihnen war von einer dunklen Energie umgeben.

„GREIFT SIE AN! TÖTET SIE! TÖTET DIESE JEANNE!“, rief ihr Anführer wütend, seine Augen leuchteten rot. Auf Befehl liefen mehrere Männer auf Jeanne zu, doch sobald sie sich ihr näherten, wurden sie von ihrem Himmlischen Schutzschild abgeblockt. Diese ließ Noyn behutsam zu Boden sinken, stand langsam auf und zog ihr Schwert hervor. Ihre Augen strahlten vor Mut und Stärke.

„Im Namen des Herrn…!!“

 
 

***

 

„Was ich wissen will…?“ Maron saß nach wie vor auf der Wiese und schaute nachdenklich auf den See. Die Knie angezogen und die Arme um ihre Beine gewickelt. Für einen Weile herrschte Schweigen zwischen beiden Frauen. Jeanne stand geduldig neben ihr, den Blick geradeaus gerichtet zum See. Die Haare wehten im unsichtbaren Wind rauf und runter. Das sanfte Lächeln haftete noch auf ihrem Gesicht.

 

„Eins möchte ich von dir wissen.“, sagte die Diebin schließlich und drehte ihren Kopf zu ihrem vorherigen Leben hoch. Diese ließ ihren Blick von der Wasserquelle ab und schaute ihre Reinkarnation fragend an.

„Der Herr sagte, dass Adam und Eva ein starkes Band verbindet, welches über alle weiteren Reinkarnationen standhielt. Wusstest du, dass Noyn Adam war?“ Als Jeanne die Frage hörte, lachte sie kurz auf und setzte sich zu Maron runter.

„Die Geschichte von Adam und Eva wurde erstmalig dir offenbart, Maron. Demnach wusste ich natürlich nichts von ihnen. Dass ich einst Eva war oder Noyn Adam.“

„Oh. Stimmt…Tut mir lei-“

„Was ich wusste war, dass ich Noyn Claude liebte. Ich liebte Noyn vom ganzen Herzen und gab es niemand anderes, der mir dieses Gefühl geben konnte.“

„Wie würdest du dieses Gefühl beschreiben?“, fragte Maron interessiert. Jeanne schloss ihre Augen und schwelgte in Erinnerungen.

„Warm. Wie als würde die Sonne auf dich herabstrahlen, deine Haut kitzeln. Bloß noch stärker. Seine Augen strahlten immer so vor Liebe und Fürsorge. Sie gaben mir Kraft und Stärke. Kraft, um für Gott und die Menschheit weiterzukämpfen. Stärke, um weiterzuleben.“ Maron dachte bei der Beschreibung an Chiaki zurück und lächelte verliebt in sich hinein. Genauso würde ich es auch beschreiben…

 

Ein Anflug an Traurigkeit und Schuldgefühlen überkamen sie plötzlich und ihre braunen Augen bekamen einen dezenten Glanz. Sie blinzelte mehrmals, um die Tränen zurückzuhalten. Nach knapp drei Monaten Beziehung habe ich es immer noch nicht geschafft, ihm meine Liebe zu gestehen…Wieso fällt es mir nur so schwer diese drei Worte ihm wiederzugeben? Eine kleine Träne entkam ihr aus dem Augenwinkel. Sie bettete für einen Moment ihren Kopf in ihre Arme und atmete tief ein und aus. Chiaki…Es gibt so vieles, was ich dir sagen muss! So vieles, was mir am Herzen liegt…Ich liebe dich, Chiaki…vom ganzen Herzen! Ich möchte…Ich möchte, mit dir an meiner Seite leben und glücklich werden! 

„Maron…Weißt du, bevor ich Noyn traf, da widmete ich mich allein dem Herrn. Ich war nicht unglücklich, aber fühlte mich dennoch allein. Dieses Gefühl der Einsamkeit verschwand mit dem Tag, in der ich Noyn kennenlernte. Sei es Adam oder nicht, denjenigen den du liebst und der dich auch zurück liebt, ist auch derjenige der dich stark macht. Der dich glücklich macht. Derjenige der immer an deiner Seite ist…sowie Noyn immer an meiner Seite war.“, sprach Jeanne auf sie ein.

„Aber…letztlich wart ihr zusammen…wie das Schicksal es vorher bestimmt hat, oder nicht? …Ich- Ich meine….“, wendete diese unsicher ein. Jeanne schüttelte darauf bestimmt den Kopf und schaute Maron ernst an.

„Das mag zwar war sein, dennoch bestimmen wir unser eigenes Leben, unser eigenes Schicksal. Die Zukunft steht nicht festgeschrieben. Selbst der Herr weißt nicht, was die Zukunft bringen wird. Wir entscheiden selbst über sie. Welchen Schicksalspfad wir nehmen, ist allein uns überlassen. Maron…Wir sind nicht Eva. Du bist auch nicht ich. Wir haben alle unser eigenes Leben, unsere eigenen Entscheidungen, unsere eigene Zukunft. Eventuell verknüpfen sich unsere Wege mit dem Schicksal, aber der Weg dahin ist unser, den wir selbst in die Hand nehmen müssen.“ Die Schülerin nickte nachdenklich. In ihren Kopf drehte sich alles, zu verwirrt war sie. „Ich kann dir nicht sagen was passieren soll, wenn du auf ‚Adam‘ triffst…. Ich kann dir nur immer wieder sagen: Höre auf dein Herz, Maron. Vertraue auf die Stimme deines Herzens.“, bekräftigte die junge Frau letztlich. Die Schülerin seufzte.

Auf mein Herz hören…was sagte mein Herz mir denn...

 
 

***

 

Es war ein sonniger Herbsttag. Noyn und Jeanne saßen unter ihrem Lieblingsbaum am See, hatten die Köpfe aneinander angelehnt, schliefen friedlich im Schatten der Natur. Eine leichte Brise ließ die Blätter leise rascheln. Einige lösten sich von ihren Ästen und fiel auf die jungen Menschen herab. Ihre Hände waren übereinander gelegt. Nach einigen Stunden zogen die Schatten an ihnen vorbei und die Nachmittagssonne schien hell auf sie herab. Stark blinzelnd wachte die junge Frau als erste auf, gefolgt von dem Ritter neben ihr. Von dem Sonnenlicht geblendet, hielten beide sich synchron die Hände vor den Augen.

 

„Oh…wir sind eingeschlafen.“, kam es von Noyn träge, während es sich die Augen rieb. „Dabei wollten wir uns nur kurz hinsetzen und die Ruhe genießen….“ Jeanne kicherte und nahm ein Blatt vom seinem Kopf. Dieser errötete leicht.

„Ein wenig mehr Schlaf können wir uns gönnen.“, entgegnete sie, stand auf und setzte sich am Rande des Seeufers hin, welcher nur wenige Schritte entfernt war. Der See glitzerte wie als wäre es mit Edelsteinen besetzt. Fische schwammen darin umher. Eine Entenfamilie quakte vorbei. Im Himmel sah sie Vögel, die über den Horizont in die Ferne flogen. Jeanne genoss den friedlichen Anblick der Natur. Weg vom grausamen Bild des Krieges.

 

Noyn saß noch am Baum und beobachtete sie von hinten mit einem verliebten Blick. Sie möge zwar als Heldin Frankreichs gefeiert werden, doch er sah immer noch das wunderschöne, engelsgleiche Mädchen, welches im Regen zu ihm sprach. Er kannte sie in und auswendig. Sogar die Seiten, die sie niemand anderen zeigte. Er kannte sie als starke Kämpferin, aber auch als zerbrechliche, junge Frau mit einer großen Verantwortung auf ihren schmalen Schultern. Er wusste nicht seit wann er sie liebt, jedoch seit dem Moment in der sich ihre Hände zum ersten Mal berührten, konnte er dieses wohltuende Gefühl auf seiner Haut nicht vergessen. Nach kurzer Zeit wurde dieses Gefühl von Tag zu Tag intensiver, bis ein einfacher Blick von Jeanne ausreichte, um den jungen Mann aus dem Verstand zu bringen. Noyn schätze und liebte Jeanne als Frau, weshalb er ihr jeden Tag eine Blume -bevorzugt eine weiße Lilie- schenkte, um ihrer Weiblichkeit, Reinheit sowie seine Liebe zu ihr, Ausdruck zu geben.

In Gedanken versunken betastete der Schwarzhaarige den Inhalt seiner Jackentasche. Seit langem ging ihm etwas durch den Kopf, doch nie fand er den richtigen Augenblick es anzusprechen. War dieser Augenblick vielleicht jetzt gekommen?

 

Der Ritter nahm all seinen Mut zusammen, holte eine weiße Lilie aus seiner Innentasche hervor und ging auf seine Angebetete zu. „Jeanne.“, sagte er mit einem liebevollen Lächeln. Die Angesprochene drehte sich mit einem Grinsen zu ihm um. Die Blume steckte er ihr routiniert ins Haar, hinter das Ohr.

„Ich könnte für immer hier sitzen und die Natur beobachten. So wunderschön…“, sagte Jeanne mit einem sehnsüchtigen Unterton in ihrer Stimme, als sie zu ihrem Partner hochschaute. „Da fällt mir ein…!“ Sie abrupt stand auf, nahm seine Hände in die ihrer und schaute ihm tief in die Augen. Sorge spiegelte sich in ihrem Blick wider. „Wie geht es deinen Wunden? Ich vergaß komplett zu fragen…Es- Es tut mir so leid, dass du dich wegen mir solche Gefahren begeben musstest! Wieso musst du auch jedes Mal so waghalsig Dinge tun?! Fast wärst du gestorben! Ich…Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren! Ich hatte solche Angst um dich gehabt!“ Die Bilder vom letzten Kampf schossen ihr durch den Kopf, wie sich Noyn schützend vor sie gestellt hat und schließlich bewusstlos auf die Knie fiel. Letztlich hatte die französische Armee dank Jeanne gesiegt und seitdem sind einige Tage vergangen. Der Ritter zog sie näher an sich ran, nahm ihre beiden Hände und führte sie an sein Lippen ran, hauchte ihnen einen sanften Kuss entgegen.

„Bitte macht Euch keine Sorgen. Dank Euch sind sie so gut wie verheilt, demnach habe nicht nur ich Euch gerettet, sondern Ihr auch mich. Außerdem muss ich Euch doch beschützen. Das habe ich mir geschworen.“ Er strich ihr mit einer Hand zärtlich die Wange. Sie bettete ihr Gesicht in seine Handinnenfläche und legte ihre Hand über die seiner, ihre Finger verflochten sich leicht.

„Dennoch solltest du dein Leben nicht aufs Spiel setzten. Das tut mir mehr weh, als jede Wunde die man mir zufügen würde.“

„Ich könnte mir selbst nie verzeihen, wenn Ihnen was zustößt. Ohne Euch könnte ich nicht mehr weiterleben…“

 

Plötzlich kniete Noyn für ihr hin und nahm ihre rechte Hand in beiden Händen. Jeanne hielt den Atem an. „Jeanne d’Arc…Ich frage Euch, wollt Ihr meine Frau werden und für immer im Bunde der Liebe mit mir zusammenleben? Ich schwöre Euch, Euch immer zu schätzen und zu lieben, bis zu meinem Lebensende.“ Mit einer Hand griff der Ritter in seine Jackentasche und holte zwei prachtvoll verzierte, goldene Ringe hervor.

„Noyn…!“ Jeanne atmete hörbar auf, hielt sich ihre freie Hand vor dem Mund. Sie war sprachlos. Ihre hellgrauen Augen weiteten sich, leuchteten vor Glück. Ihr Herz machte Freudensprünge. Die Glücksgefühle waren ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Nie im Leben hätte Jeanne von Noyn erwartet, dass er um ihre Hand anhalten würde. Dieser lächelte sie hoffnungsvoll an, seine Augen begannen zu strahlen. Zu seiner Überraschung beobachtete er, wie sich ihre Freude in Bedrücktheit umwandelte. Vorsichtig, doch zugleich bestimmt, entriss Jeanne ihre Hand aus seiner und drehte sich beschämt um, wandte ihm den Rücken zu.

„Noyn…Es tut mir leid!“

„Was…A-Aber…“ Die Ablehnung traf den jungen Mann hart, fassungslos ließ er die Ringe fallen.

„Ich…Ich muss eine reine Jungfrau bleiben, um die Seelen der Menschen weiterhin von den Dämonen befreien zu können…“, erklärte sie ihm mit leiser Stimme.

„Was…?“

„So sagte man mir es.“

 

Zwischen den beiden herrschte beklemmte Stille. Dann ging Noyn langsam wenige Schritte auf Jeanne zu, sodass seine Brust sich an ihren Rücken schmiegte. Gefühlvoll fuhr er mit den Fingerspitzen ihren Arm entlang. Am liebsten hätte er sie richtig umarmen wollen, doch er wollte die Situation nicht gefährden. Jeanne hingegen war wie gelähmt. Auch wenn Stoff ihre Haut voneinander trennte, so spürte sie trotzdem das warme Kribbeln seiner Berührungen. Die Zeit blieb für sie in der Instanz stehen. Ihr Herz klopfte laut, übertönte ihre Gedanken. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihren Kopf. Ihre Wangen färbten sich rot.

„Ich sehne mich so nach Euch. Mit jeder Faser meines Dasein möchte ich Euch in meinen Armen halten…Euch berühren…Euch küssen…“, wisperte Noyn auf sie ein. „Seit dem regnerischen Tag damals, kann ich an nichts anderes mehr denken als an Euch. Ihr gabt mir einen neuen Sinn zum Leben….Ihr seid der Grund, um für mich weiter zu existieren.“, Noyn hielt kurz inne, überlegte sich seine Worte gut, eher er weitsprach. „Bitte verleugnet Eure Gefühle nicht. Ich bitte Euch… könnt Ihr nicht mich anstelle von Gott wählen?“, seine Stimme nahm einen leicht flehenden Ton an. „Ich werde Euch beschützen, Euch glücklich machen, für immer für Euch da sein!!“ Jeanne entfernte sich ein paar Schritte von ihm. Bedrückt schaute sie zu Boden.

 

„Es geht nicht! Ich- Ich kann meine Gefühle für dich nicht über die des Herrn stellen. Ich kann meine Mission nicht einfach aufgeben!“ Sie stoppte sich für einen Moment, hielt sich ihre Hände vor die Brust -die zu zitterten begannen- und sprach mit leiser Stimme weiter. „Mein Herz sagt mir, ich muss weiter machen. Ich kann nicht einfach aufhören und den Herrn im Stich lassen!“ Die Worte trafen dem Ritter wie ein Stich durchs Herz. Er konnte nicht begreifen, wie Gott ihr mehr bedeuten kann als er selbst.

„Ihr…Ihr setzt Euer Leben für diese Mission, für Gott, aufs Spiel!!!“, zischte er mit unterdrückter Wut.

„Dann möge dem so sein!“, konterte sie emotional aufgebracht.

„Und…was ist mit mir? Existiere ich in deinem Herzen gar nicht?!“ Es war das erste Mal seit langem, dass Noyn sie wieder duzte. „Ich bitte dich, Jeanne…Ich liebe dich! Bitte…“ Seine Stimme brach ab.

Die Angesprochene drehte ihren Kopf abrupt zu ihm um, in ihre Augen glitzerten Tränen. Ohne auf seine Frage oder seinem Liebesgeständnis zu antworten, rannte sie davon und ließ einen verwirrten Noyn zurück. Sie rannte die Straßen der Stadt entlang, beachtete die Menschen um sich herum nicht. Inmitten des Weges, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Schließlich war sie an ihrem Ziel angekommen: die Kirche.

 

Noyn, der immer noch wie versteinert am See stand, ging die letzten Minuten zwischen ihnen nochmal durch den Kopf durch. Er schaute bedrückt zu Boden, wo die Ringe lagen. Immer wieder stellte er sich dieselben Fragen. Wieso konnte sie seine Liebe nicht erwidern? Wieso stellte sie Gott über ihre eigenen Empfindungen? Warum stand Gott über ihr eigenes Glück? Warum war Gott wichtiger als ihr eigenes Leben?

Er versuchte Jeanne sowie ihre Entscheidungen und Gefühle zu verstehen. Schließlich überkam ihm eine Erkenntnis. Der Ritter knirschte wütend mit den Zähnen, seine Hände ballten sich zu Fäusten, bis sie zitterten. Hass und Verachtung breitete sich in seinem Inneren aus. Verdammt sei Gott!!! Wie kann er es wagen sich zwischen uns zu stellen?! Er ist an allem schuld, wieso wir -nein- wieso Jeanne nicht glücklich werden kann! Wieso Jeanne nicht normal als Mensch leben kann! Ihm sind Jeanne’s Gefühle und ihr Glück komplett gleichgültig! Das einzige was ihn interessiert, ist der Kampf gegen die Dämonen!! Sie ist für ihn nur eine Marionette!

 

Jeanne betrat das alte, menschenleere Gebäude und ging auf dem Altar zu. Auf ihrem Gesicht war an jeder Seite eine dünne, feuchte zusehen, welches sie sich mit ihrem Handrücken, wegwischte. Sie kniete sich hin, die Hände vor sich verschränkt und sprach im Stillen zu Gott. Herr…wieso habt Ihr uns Menschen Gefühle gegeben? Wieso habt Ihr uns ein Herz gegeben? Wieso lässt ihr zu, dass wir solche Schmerzen empfinden? Schmerzen, die mehr wehtun als ein Schwert durch die Brust… Schmerzen, die einem das Herz zerreißen… Hätten wir Menschen doch kein Herz, so würden wir weniger leiden…Wieso antwortet Ihr mir nicht, Herr?

 

Sie wusste nicht, wie lange sie zu Gott sprach, wie lange ihre Fragen unbeantwortet blieben. Der Herr blieb stumm. Die junge Frau begann zu weinen. Frustration und Verzweiflung stiegen in ihr hoch. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, ihr Herz schmerzte. Ihr Schluchzen füllte die Stille der Kirche.

Plötzlich verspürte sie einen warmen Luftzug durch die offenen Kirchenfenster. Das wilde Rascheln von Blättern und Zweigen war draußen zu hören. Kleine Staubwolken bildeten sich über den Boden. Jeanne’s Haare wurden zur Seite geweht.

Sie atmete tief ein und aus, versuchte sich zu fassen, ihre Nerven zu beruhigen. Mit einer Hand wischte sie sich die letzten Tränen aus den Augen. Nach einigen Augenblicken blickte sie zum Mosaikfenster vor ihr hoch, welches glanzvoll in der roten Abendsonne leuchtete. Trotz des Glases spürte sie die angenehme Wärme der Strahlen auf ihrer Haut. Ein entschuldigendes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab.

 

Verzeiht mir, Herr. Ich…Ich vertraue darauf, dass Ihr mir beisteht und über uns alle wacht. Ich werde das Land und die Menschheit von Teufel befreien sowie den Frieden zurückbringen. Und dann…möchte auch ich zu mein Glück finden…ein normales, friedliches Leben führen. Zusammen mit den Menschen die mir wichtig sind. Ich glaube an Euch, Herr…und an mein Herz. Mein Herz wird mich leiten.

Für einen Moment sah Jeanne Noyn’s Gesicht vor ihrem inneren Auge. Sie nahm die Lilie aus ihrem Haar und betrachtete sie für eine Weile. Sie liebte die Lilien, die Noyn ihr immer schenkte. Sie wusste euch zu gut, welche Bedeutung die Blume mit sich trug. Ein verliebtes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Der alleinige Gedanke an ihrem Ritter löste in ihr dieses warme, angenehme kribbelnde Gefühl aus.

Noyn…so gern, hätte ich dir gesagt, dass ich dich auch liebe… Ihr Lächeln bekam einen traurigen Akzent. Auch wenn du mich oder Gott vielleicht hasst, Noyn… Ich werde auch an dich glauben! Der Gedanke an dich wird mich stark machen! Deine Liebe zu mir… und meine Liebe zu dir, wird mich stark machen und mir Kraft geben! Bitte hab noch etwas Geduld…dann möchte ich mit dir zusammen glücklich sein. Dann werde ich auch ‚Ja‘ sagen.

Eine Vision blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Die Lilie fiel ihr aus der Hand. Nachdem Jeanne wieder zu Sinnen kam, seufzte sie traurig auf und schloss die Augen. „Herr, worin mein Weg mich auch führen wird…ich werde es akzeptieren.“ Sie hielt kurz inne. „Ich werde an Euch glauben…egal, welches Schicksal ihr mir offenbart, ich werde Euch und Eurer Kraft in mir Vertrauen….“

 

Seit dem Tag am See war das Verhältnis zwischen Noyn und Jeanne angespannt. Noyn ließ seine steigende Abneigung gegenüber Gott und ihrer Mission deutlich spüren, was Jeanne innerlich mehr belastete machte, als sie dachte. Für den jungen Mann war jeder Tag mit ihr wie eine innere Tortur. Immer wieder musste er an die Ablehnung seines Antrages denken, was sein Herz bluten ließ. Letztlich wurde der Ritter mit einigen seiner Kameraden auf eine königliche Mission in die Nachbarsstadt geschickt. Teilweise war er froh darüber, für ein paar Tage von Jeanne und seinem Kummer wegzukommen und sich abzulenken. Doch gleichzeitig war er sich unschlüssig darüber, ob er sie wirklich allein lassen sollte.

Was soll schon passieren? Bisher lief alles so wie es sein sollte. Außerdem wird Gott sie schon beschützen!, dachte er sich. Dies war das einzige -und letzte- Mal, wo Noyn dem Herrn sein Vertrauen geschenkte.

Die tragische Geschichte nahm seinen Lauf. Jeanne war sichtlich verletzt von Noyn’s Abwesenheit ihr gegenüber. Mehr und mehr Menschen um sie herum -mit unter der König- fingen an sich gegen sie zu stellen, hinterfragten ihre Glaubwürdigkeit als Gesandte Gottes. Mit jedem weiteren Tag wurde sie von ihren Mitmenschen und Vertrauten mehr und mehr im Stich gelassen und hintergangen. Das Gefühl von Schmerz, Verrat und Einsamkeit vermehrte sich in ihr, ihr Himmlischer Schutzschild wurde instabil. Bis schließlich der Tag kam, in der die Jeanne verhaftet und wegen Ketzerei sowie Gotteslästerung als Hexe verurteilt wurde. Noyn befand sich zu dem Zeitraum nach wie vor auf seiner königlichen Mission. Nur durch das Gemurmel und Geflüster seiner Mitmenschen bekam er von den Gerichtsverfahren seiner Geliebten mit. Der Schock saß tief. Wieso half Gott ihr nicht? Wieso konnte er das Mädchen, welches ihn so verehrte nicht beschützen?

Von seinen Gefühlen geleitet, begab der Ritter sich sofort nach Orléans zurück. Doch am Ende war es zu spät.

 
 

***

 

Auf einmal fängt alles um die beiden Frauen herum an zu drehen. Wie in Zeitraffer zog die Wiese, der See, die Häuser, alles um sie rum zog an ihr vorbei und verschwammen ins nichts. Die weißen Lilien verwelkten bis sie zu Staub zerfielen. An ihrer Stelle wuchsen rote, spinnenartige Blumen, die Maron nicht kannte. „Wa-Was passiert hier? Jeanne?“, fragte sie irritiert. Die Angesprochene stand nach wie vor neben ihr, unbeeindruckt von dem was um sie herum passierte. Ihr Gesicht war zu einer ausdruckslosen Miene verhärtet.

Die Umgebung verdunkelte sich, wurde leer. Eine unangenehme Kälte umgab die Luft. Unheimliche Stimmen und Geflüster waren zu hören. Maron konnte ihre Worte nicht deuten. Jeanne hatte sich von der Jüngeren weggewandt, entfernte sich einige Meter von ihr. Sie beugte sich leicht nach vorne, ihre Arme waren vor ihrem Oberkörper übereinander verschränkt, wie als würde sie selbst sich umarmen und festhalten wollen. Ihre Hände umklammerten krampfhaft ihre Oberarme. Sie fing an zu zittern. Maron konnte zwar Jeanne’s Gesicht nicht sehen, dennoch war das Bild der starken, legendären und stolzen Heldin verschwunden. Stattdessen stand vor ihr eine zerbrechliche, unsichere und verängstigte junge Frau.

 

„Diese Welt…ist falsch…voller Verrat und Schmerz…“, flüsterte Jeanne kaum hörbar. Ihre Stimme hatte einen rauen Ton angenommen. Maron zuckte leicht zusammen. „Haben mich die Menschen im Stich gelassen…oder war es Gott? Wie viele Jahre muss ich noch leiden…? Wann kann ich endlich Frieden finden? Diese Welt ist so falsch…Oder habe ich alles falsch gemacht? Lasst mich endlich raus…! Wann- wann finde ich endlich Erlösung...? Wann hören diese Qualen auf?“ Jeanne befand sich wie in eine Trance. Einzelne dunkle Partikel schwebten unbemerkt in der Luft. Was geht hier vor?!, dachte sich Maron. Sie konnte den plötzlichen Sinneswandel ihrer Vorgängerin sowie die zusammenhangslosen Worte, die sie von sich gab, nicht verstehen. Vorsichtig ging sie auf die junge Frau zu, die ihr immer noch den Rücken zuwandte.

„Jeanne…Was- Was ist plötzlich los mit dir?“ Wimmern und Schluchzen war von der jungen Frau zu hören.

„Ich…habe Noyn enttäuscht…“

„Was…?“

„Ich habe ihn enttäuscht, sein Herz gebrochen…ich konnte seine Gefühle nicht erwidern. Wie- Wie sehr wünsche ich mir, nochmal bei ihm zu sein…seine Stimme zu hören…mit ihm zu lachen…in seine Arme zu liegen…das Leben mit ihm zu führen, dass wir uns insgeheim gewünscht hatten…“ Die zitternde Stimme der Älteren brach ab. Maron legte zögernd eine Hand auf ihre Schulter, um Trost zu spenden. Mitleid gegenüber der anderen zeigte sich in ihren braunen Augen. Als sie was erwidern wollte, sprach Jeanne ungehindert weiter.

 

„Ich habe auch vor Gott versagt…“ Unerwartet drehte sie sich zu ihrer Reinkarnation um. Tränen liefen ihr das Gesicht herunter. Ihre hellgrauen Augen waren trüb und von Schmerz gezeichnet. Die Kamikaze-Diebin atmete hörbar auf und starrte Jeanne schockiert an. Nicht weil sie weinte, sondern ihre Haut am ganzen Körper dunkle Flecke bekam und Brandnarben sich abzeichneten. „Ich- Ich konnte meine Mission nicht erfüllen….Ich habe Frankreich von den Engländern befreit…doch zu spät merkte ich, dass die Menschen um mich herum, die Einwohner des Landes, besessen waren. Nachdem ein Wärter eines Nachts in meine Zelle kam…und mir die Unschuld nahm…Ich konnte nichts mehr tun…Selbst wenn ich geflohen wäre, ich war nutzlos. Meine Reinheit wurde beschmutzt…“

„Jeanne…!“

„Die einzige Möglichkeit war mich hinrichten zu lassen, damit die heilige Kraft des Herrn erwachte und die Dämonen bannte.“

 

Für einen Weile herrschte betroffenes Schweigen. Dann ging Maron einen Schritt auf Jeanne zu, packte sie am Ärmel und ohrfeigte sie.   

„Hör zu!! Ich verstehe nicht, was hier plötzlich von sich geht! Aber eins will ich dir sagen: Auch wenn man dir deine Unschuld nahm, deine Reinheit kann man dir nicht nehmen!!“, brachte Maron aufgebracht hervor.

„Wa-“ Überrascht hielt sich Jeanne ihre Wange. Ihr Blick verklärte sich. Die Flecke und Narben auf ihrer Haut verblassten langsam.

„Solange man dir deinen Glauben nicht genommen hat, bleibst du immer noch rein! Dein Herz bleibt nach wie vor rein, solange dein Glaube an dich selbst besteht! Solange du dir treu bleibst, bleibt deine Seele rein!“ Nun fing auch Maron an zu weinen. „Du hast dein Bestes für den Herrn getan. Nun werde ich deine Mission fortführten! Du- Du bist so stark…im Vergleich zu dir bin ich nur ein kleines, schwaches Mädchen.“ Sie stoppte sich kurz. „Und…ich hoffe, du und Noyn, ihr werden bald wieder zueinander finden…Er ist ein guter Mann. Seine Gefühle zu dir haben sich nicht geändert...“

 

Jeanne fasste sich wieder und lächelte ihr Gegenüber an. „Du bist nicht schwach, Maron…Ich sehe es in deinen Augen. Du bist vielleicht stärker als ich es jemals war.“ Ein kurzes Lachen entfuhr ihr. „Wir sind uns ähnlicher als wir denken, findest du nicht?“ Der Raum wurde wieder heller. „Scheint so wie als hättest du noch etwas gelernt…“, fügte sie geheimnisvoll hinzu. „Nun…Es wird Zeit aufzuwachen, Maron Kusakabe!“ Die Angesprochene schaute ihr Gegenüber verwirrt an.

„Aufwachen? Wovon redest du? Ich bin doch wach. Oder…?“ Überrascht musst Maron feststellen, dass Jeanne sich langsam in Luft auflöste. „JEANNE, WARTE!“ Die Kamikaze-Diebin streckte ihre Hand aus, griff jedoch ins Leere. Unsicher schaute sie auf ihre leere Hand herunter. „Ich muss aufwachen?“

In der Ferne sah sie plötzlich ein kleiner Lichtfunken, aus der sie eine Stimme hört. Sie rief nach ihr. Es war eine vertraute Stimme. Eine Stimme, die ihr Herz schneller schlagen ließ. Sie lief darauf zu und verschwand im Licht.

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Seredhiel
2020-01-18T23:43:04+00:00 19.01.2020 00:43
hui... mit solch einem Kapitel habe ich nun wirklich nicht gerechnet
wow einfach klasse, vor allem auch der Einfall :)

finde ich großartig, dass Maron Jeanne eine Ohrfeige gegeben hat *zwinkert*
denn sie trifft es genau auf den Punkt... nur der Körper nicht rein ist, kann es das Herz immer noch sein :)

nun bin ich sehr gespannt, was Maron aus diesem Traum mitnimmt *kichert*
hoffe hier, dass Noyn und Jeanne noch eine Chance bekommen :)
und ja ich bin da einfach eine kleine Romantikerin ^-^

*Kekse und Kakao da lass* bin gespannt auf das nächste Kap :)


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