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Zwei Seiten einer Medaille

von

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Erneut sitze ich im Zug. Meiner Familie habe ich nur einen Zettel hinterlassen, dass ich das Wochenende bei einem Freund sein werde. Es ist mir in diesem Moment egal, was passiert, wenn ich nach Hause komme. Ich will nur noch zu Luzifer und ihn für dieses Lied danken. Es hat mir gezeigt, dass mein Leben doch nicht nur voller Schmerz ist. Oder es gar egal ist, wie schön die Zeit ist, sie endet eh nur in einer neuen Welle der Gewalt.
 

Dieses Mal habe ich mir die Wegbeschreibung ausgedruckt, meinen Verlauf gelöscht und mein Handy ist seit ich in den Zug eingestiegen bin ausgeschaltet. Ich habe aus meinen Fehlern von damals gelernt. Auch wenn mein Vater mir wieder die Polizei auf die Fersen hetzt. Dieses Mal werden sie mich nicht finden. Ich will dieses Wochenende ganz alleine für uns haben. Nur für Luzifer und mich. Niemand soll uns stören.
 

Als ich mich auf meinen Sitz sinken lasse, schließe ich seufzend die Augen. Es ist länger als damals, doch es ist mir egal. Ich werde irgendwann dort ankommen und desto weiter ich weg bin umso geringer ist die Chance, dass sie mich finden. Auch wenn die Reisezeit von der gemeinsamen Zeit abgezogen wird. Es ermöglicht uns vielleicht ein längeres gemeinsames Wochenende.
 

Wie damals, als ich auf den Weg zu Tayaka war, steht auch jetzt wieder nur ein Rucksack bei meinen Beinen. An sich ist es sogar noch der Selbe wie damals. Die Polizei hat meine Sachen damals aus der Wohnung von Tayaka zu mir nach Hause gebracht. Kurz wandert mein Blick zu meiner Seite, doch der Platz neben mir ist leer. Es fühlt sich einerseits komisch an ohne ihn so zu fahren, doch andererseits weiß ich, dass ich ihn dort sehen werde.
 

Ich wünsche mir gerade seine Nähe und kurz kommt der Zweifel zurück, ob ich wirklich fahren soll, doch der Zug hat bereits die ersten Bahnhöfe passiert. Es gibt jetzt kein wirkliches Zurück mehr und eigentlich will ich es ja auch. Nie habe ich diese Trennung, diesen Kontaktabbruch wirklich akzeptiert. Immer habe ich gehofft, dass wir uns wiedertreffen. Irgendwo. Irgendwie. Nur um doch noch einmal die Möglichkeit zu haben uns zu treffen. Dort weiter zu machen, wo wir unterbrochen wurden.
 

Ruhig lasse ich meinen Kopf nach hinten sinken und versuche mich zu entspannen. Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich sein Gesicht vor mir. Ob er sich stark verändert hat? Seinen Charakter hat er auf jeden Fall nicht verloren. Das steht schon einmal fest.
 

Bei diesem Gedanken muss ich leicht lächeln. Er treibt mich damit zwar gerne auf die Palme, doch genau diese Art von ihm hat mich über Dinge nachdenken lassen, die ich sonst wohl heute noch verdrängen würde oder als selbstverständlich annehmen würde. Ich weiß nicht, was ich mir von diesem Treffen erhoffe. Es ist mir auch an sich egal, was passiert oder eben nicht. Ich will ihn nur wiedersehen.
 

Nach einer Weile kommt der Kontrolleur und ich zeige ihm meine Karte, bevor dann für den Rest der Fahrt Ruhe einkehrt. Niemand nimmt neben mir Platz und ich muss erstaunlicherweise nicht einmal umsteigen, obwohl ich doch gute fünf Stunden unterwegs bin. Ich habe Luzifer geschrieben, wann ich ankomme und so spüre ich, wie mein Herz anfängt schneller zu schlagen, desto näher ich meinem Ziel komme.
 

Es ist keine Xenia mehr da, die uns irgendwelche Stöcke zwischen die Beine wirft. Kein Vater, der uns unterbrechen wird. An diesem Wochenende wird es nur um uns gehen. Niemand wird uns stören können. Endlich werden wir das tun, was wir schon immer wollen.
 

Ich spüre, wie ich nervös zu werden beginne und muss kurz trocken schlucken, doch da wird schon meine Haltestation angesagt und ich greife nach meinem Rucksack, um zu den Türen zu gehen. Einmal tief durchatmen, dann hält der Zug an und die Tür öffnet sich auf mein Tun hin. Es fühlt sich komisch an, als ich die Stufen hinuntersteige und dabei meinen Rucksack schultere.
 

Kurz lasse ich meinen Blick über die Menge schweifen, doch als ich nicht fündig werde, hole ich meinen Zettel raus auf dem die Wegbeschreibung steht. Es ist nicht weit und ich sollte es hinbekommen. Noch einmal tief durchatmen und dann los. Weg von den Gleisen, raus aus dem Gebäude und dann nur ein paar Straßen entlang. An sich gar nicht zu verfehlen. Zumindest wirkte es so auf Boogle Maps, doch da sieht jeder Weg einfach aus.
 

Plötzlich werde ich herumgerissen und man versiegelt meine Lippen mit einem Kuss. Zieht mich näher und ich kann seinen herben Duft wahrnehmen. Er ist hier. Luzifer ist tatsächlich gekommen um mich abzuholen. Ich kann mein Glück nicht fassen und erwidere daher den Kuss nur halbherzig, wodurch er sich schließlich von mir trennt und ich erst einmal Luft hole.

„Willkommen in meiner neuen Heimat.“ Er grinst mich breit an, bevor er mir einen weiteren Kuss auf meine Stirn haucht und dann schon wie selbstverständlich meine Hand nimmt. „Komm, lass uns erst einmal nach Hause gehen. Da wirst du dann deinen Rucksack los und wir sehen weiter.“
 

„Ist okay. Aber ich bin auch nicht böse, wenn wir heute Abend nicht mehr so viel machen. Die Fahrt war ganz schön ermüdend.“ Mein Körper fühlt sich wirklich wie gerädert an. Ich bin nicht froh darüber, aber ich kann auch nichts daran ändern. Die Flucht war doch anstrengend.
 

„Wie hast du es eigentlich hinbekommen? Was haben deine Eltern dazu gesagt? Vor allem dein ach so toller Vater?“ Er sieht mich ein wenig zerknirscht an.
 

„Sie wissen es nicht. Ich bin in mein Zimmer gegangen und sie waren der Meinung, dass ich Hausaufgaben mache. Mein Vater war auch noch gar nicht Zuhause. Dann bin ich wie damals bei Tayaka einfach aus dem Fenster geklettert und zum Bahnhof gelaufen.“ Es klingt in meinen Ohren total lächerlich, doch anders wäre dieses Treffen niemals möglich und ich will es mir nicht kaputt machen lassen.
 

„So dringend willst du bei mir sein. Das ist ja schon fast wieder süß. Ich freu mich aber dich endlich wiederzusehen.“ Er wirkt glücklich. Schon fast euphorisch. So wie ich mich fühle und sein Lächeln steckt an. Seine Haare sind ein wenig länger und er trägt sie jetzt in einem Zopf nach hinten. Auch kann ich nun mehr Tattoos bei ihm entdecken, doch mehr kann ich auf den ersten Blick nicht vermuten. Dann geht er mit mir los und erneut lasse ich mich führen. Ich spüre die Sicherheit seiner Hand und muss lächeln. Es fühlt sich richtig an. Es fühlt sich echt an. Bitte verschwinde nie wieder...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2018-11-02T21:50:59+00:00 02.11.2018 22:50
Du machst das richtig super, wie du zwischen den Zeiten hin und her wanderst.
Mir gefällt dein schreib stil. Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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