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Nicht gesucht, aber gefunden

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Ich brauche ein Kleid


 

๑⊱☆⊰๑
 

Ein konkreter Plan stand noch nicht fest. Nur, dass Tim, Haddock, Christin und Struppi das Konzert der Castafiore besuchen würden. Die Karten dafür hatte der Kapitän von seinem Geld bezahlt und dabei festgestellt, dass er davon nicht mehr viel übrighatte. Im Anschluss liefen sie zusammen den Weg vom Palasteingang, wo Diener von Omar Ben Salad Karten des Konzerts an Interessierte verkauften, zurück. Der Weg zum Hotel führte sie erneut über den großen Basar, wo noch immer emsiges Treiben herrschte. Nun nahmen sie sich die Zeit die exotischen Waren der einheimischen Händler in Augenschein zu nehmen. Der Kapitän wollte sich gern einen exotischen Schnaps leisten, doch als er in seine Geldbörse sah verzog er unzufrieden das Gesicht.

„Hagel und Granaten. Die Karten für das Konzert waren unverschämt teuer gewesen. Ich habe kaum noch Geld.“ Damit ließ er seine Geldbörse in die Tasche seiner Hose zurückgleiten. „Eins steht fest, das ist eine Veranstaltung, die sich nur vermögende Leute leisten können. Wenn ich auf meinen Reisen nicht immer mehr Bargeld als nötig bei hätte, dann wüsste ich nicht wie wir die Karten hätten bezahlen sollen. Aber zum Glück brauchen wir keine Abendgarderobe.“, schimpfte der Kapitän wie ein Rohrspatz und hatte dabei nicht nur die Aufmerksamkeit von Tim und Christin auf sich gezogen, sondern auch die einiger Einheimischer.

Tim klopfte ihm freundschaftlich die Schulter, nahm seine Brieftasche zur Hand und bezahlte den exotischen Schnaps für den Kapitän. Er hatte zwar auch nicht mehr so viel Geld, aber für eine Flasche Schnaps reichte es gerade noch. Der Kapitän war ganz gerührt gewesen und hatte sich herzlich bei Tim dafür bedankt, wobei er versprach ihm die Flasche zu bezahlen, wenn sie zurück in Belgien waren.

Tim hatte nur abgewinkt und war schmunzelnd weiter gegangen. „Schon gut, Kapitän.“ Es machte ihm einfach Spaß jemanden eine Freude zu machen. Vor allem dann, wenn er die Person gut leiden konnte. Außerdem hatte der Kapitän gesagt, dass er die Flasche ganz in Ruhe Daheim genießen wollte. Dies glaubte Tim ihm auch, da der Kapitän ein Genießer war, was Schnaps anging. Schon auf der Karaboudjan, als sie bei der Flucht die Alkoholvorräte fanden, war dem Reporter aufgefallen, dass dort nur hochwertiges Gebräu gelagert hatte. Keine Billigmarken, soweit Tim das hatte im damaligen Augenblick erkennen können. Er kannte sich selbst zwar nicht gut mit Alkohol aus, da er keinen trank, doch hatte er durch Werbung und Bekannte gewusst welche alkoholischen Getränke gut und teuer waren und welche nicht.

Tim konnte sich für so etwas jedoch nicht begeistern, da er oft genug erlebt hatte, wie furchtbar sich Menschen benehmen konnten, wenn sie zu viel getrunken hatten. Beim Kapitän war es jedoch ganz anders gewesen. Dieser war durch und durch anständig, wenn auch öfter ziemlich temperamentvoll und regelrecht cholerisch. Aber das war definitiv nicht dem Alkohol geschuldet, das hatte Tim bereits ebenfalls feststellen dürfen.

Es war schließlich Christin die nun Tims Aufmerksamkeit erregte und gänzlich auf sich zog. Sie war stehengeblieben und hatte mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck zurück zum Palast gesehen. Besser gesagt, zum Plakat der Mailänder Nachtigall. Sie sagte kein Wort und stand einfach nur da. Der warme Wind Bagghars wog ihr wallendes Haar sachte hin und her, während er an ihrem Rock zärtlich zupfte. Einige Herzschläge lang verlor sich der Reporter in dem herrlichen Anblick Christins, ehe seine blauen Iriden den Weg zurück in ihr Puppengesicht fanden. Deutlich konnte Tim ihren nachdenklichen Blick erkennen, was ihn aus seiner Schwärmerei herausholte. Etwas beschäftigte sie, weshalb er sich nun straffte und sie höflich fragte: „Ist alles in Ordnung, Christin?“

Sofort wandte sie ihren Kopf in seine Richtung und sah ihm direkt in die Augen. Ein Schauer, der heiß und kalt zugleich war, floss beim Verschmelzen ihrer Blicke über seinen Rücken. Auch sein Herz schlug ihm dabei schneller in Brust. Hatte er sich vor wenigen Atemzügen in ihrer Gestalt verloren, so verlor er sich nun in dem Rehbraun ihrer Augen. Dabei stellte er neuerlich fest, dass sie eine bildhübsche, junge Frau war und sie ihn mit ihrem ganzen Wesen vollkommen in ihren Bann zog. Allein der Blick in ihre Iriden erschütterte jedes Mal seine Welt in ihren Grundmauern.

Erst als sie ihre vollen Lippen teilte, um zu antworten, rief Tim sich wieder in Gedanken zur Ordnung und hörte ihr anschließend aufmerksam zu. „Ich brauche ein Kleid.“ Ihre Aussage ließ den Reporter die Augenbrauen kräuseln, während Haddock sofort mit verständnislosem Blick zu ihr sah und einwarf: „Aber du hast doch eins an.“

Auf die Antwort ihres Vaters hin blickte sie ihn aus dem Augenwinkel dezent angesäuert an. „Wie scharfsinnig von dir, Papa.“ Ihr Blick wurde rasch wieder milder. Tim hätte Haddock beinahe zugestimmt, doch bevor er das tun konnte, hatte Christin schon weitergesprochen. „Aber ich meinte, dass ich eins für das Konzert brauche.“ Leider musste Tim gestehen, dass er ihre Aussage nicht ganz nachvollziehen konnte.

Langsam und prüfend ließ er seine blauen Augen über ihren anmutigen, schlanken Körper gleiten und musterte sie dabei sehr genau. Er fand, dass sie in dem weinroten, knielangen Kleid traumhaft aussah. Die dreiviertel langen Ärmel hatte sie, wegen der Hitze, etwas weiter hochgekrempelt und ihr weiter Kragen stellte ihren üppigen Vorbau dezent, aber deutlich, zur Schau. Aus diesem Grund konnte Tim nicht verstehen, warum sie für das Konzert ein neues Kleid wollte.

„Du siehst doch wundervoll in dem Kleid aus.“ Gänzlich unbedacht hatte Tim diese Worte gesagt, woraufhin Christin ihn augenblicklich wieder ansah, da sie ihren Blick kurzfristig hatte schweifen lassen. Ein zarter, jedoch deutlich erkennbarer, rosafarbener Hauch legte sich über ihre Wangen, während sie ihn nun ganz verlegen ansah und sich verschmitzt lächelnd eine ihrer braunen Strähne hinters Ohr strich. Selbst ihr leises 'Danke' war deutlich von Verlegenheit getränkt.

Auch auf Tims Wangen schlich sich nun eine sanfte Röte, wobei er sich scheu schmunzelnd am Hinterkopf kratzte. Verlegenheit in Bezug auf Verliebtheit war ihm bis gerade eben völlig fremd gewesen. Er war zwar schon oft in Verlegenheit gebracht worden, doch hatte das nie etwas mit einer Frau oder Verliebtheit zu tun gehabt.

Nun mischte sich Haddock wieder ein, welcher zuerst auf Tim deutete und während er sprach auf Christin. „Er hat vollkommen Recht. Du siehst sehr hübsch in deinem Kleid aus.“ Auf seine Worte hin sah sie ihren Vater sanftmütig an und lächelte lieb. Sie legte ihre Arme hinter ihren Rücken, verschränkte die Finger ineinander und atmete tief durch. „Das ist lieb von euch, das zu sagen.“ Verlegen lächelnd sah sie die Beiden zu gleichen Teilen an.

In den letzten Stunden hatte der Reporter Haddocks Tochter oft voller Bewunderung und Schwärmerei beobachtet. Häufig hatte er sich dabei gefragt, ob sie sich ihrer Schönheit überhaupt bewusst war und ob sie wusste, was sie in ihm auslöste. Selbst in diesem Moment, wo sie so unschuldig wirkte, konnte Tim nicht anders als innerlich ins Schwärmen zugeraten. Äußerlich hingegen bewahrte er seine Fassung und ließ sich seine Gefühle nicht anmerken.

Christin zog ihre Arme schließlich wieder hinter ihrem Rücken hervor, drehte sich um und deutete in die Richtung des Plakats der Castafiore. „Aber ich brauche für diesen Anlass ein Abendkleid. In meinem Kleid werden die Wachen mich nicht hineinlassen.“, erklärte sie nun ihr Anliegen, woraufhin Tim und Haddock einen skeptischen Blick miteinander tauschten.

„Aber Seesternchen, weder Tim noch ich haben die richtige Kleidung dafür.“, redete Kapitän seiner Tochter sanft zu und erntete für seine Aussage ihren unglücklichen Gesichtsausdruck. Für den Moment ließ sie die Schultern hängen und seufzte leise auf. „Ich werde euch wohl zeigen müssen, was ich genau meine.“

So wandte sie sich ihrem Vater gänzlich zu, nahm seine schwarze Kapitänsmütze vom Kopf und strich ihm das tiefbraune, beinahe schwarze, Haar zu Recht, ehe sie die Mütze wieder ordentlich auf seinen Kopf positionierte. Auch seinen schwarzen Vollbart brachte sie geschickt mit ihren filigranen Fingern in Form und richtete ihm anschließend den Kragen seines blauen Pullovers und seine schwarze Jacke. Dabei sprach sie die ganze Zeit ruhig, aber bestimmt mit ihrem Vater. „Wenn du dein Haar und deinen Bart etwas herrichtest und deine Sachen zu Recht rückst, dann siehst du wie ein gepflegter Mann aus. Außerdem bis du Kapitän und hast damit einen angesehenen Berufsstatus. Sogar deine Kleidung und deine Mütze lassen auf eine sehr schlichte Uniform schließen. Allein deswegen werden sie dich ohne weiteres zum Konzert lassen.“

Dem Kapitän schwellte bei ihren Worten die Brust, da er offensichtlich an seinen stolzen Berufsstatus erinnert wurde und seine Tochter ihn bei der Eitelkeit packte. Tim musste darüber schmunzeln und konnte Christin in den Punkten nur zustimmen. Haddock würde auf Grund dessen, dass er Kapitän war, ohne Schwierigkeiten in den Palast gelangen.

Kurz darauf wandte sie sich Tim zu, woraufhin er sich neuerlich etwas straffte und in ihr Gesicht sah. Sachte griff sie an den Kragen seines weißen Hemdes, schloss geschickt die offenen Knöpfe und widmete sich im Anschluss seinen Ärmeln. Fast schon zärtlich strich sie diese hinunter und berührte dabei ab und zu ganz hauchzart seine Haut mit ihren Fingern. Sein Blick wurde bei ihrem Tun sehr sanft und nur zu deutlich spürte er die Schmetterlinge in seinem Bauch angetan mit ihren Flügeln schlagen. Sogar bei diesen wenigen Handgriffen raubte sie ihm bereits seine Sinne und ließ das Verlangen erneut in ihm aufkeimen, sie an sich zu ziehen und ihr einen innigen Kuss zu stehlen.

Ihre Tätigkeit war geradezu zärtlich, aber präzise. Als sie mit den Ärmeln des Hemdes fertig war, zog sie ihm den Safarihut vorsichtig vom Kopf und strich leicht durch seinen, von Natur aus abstehenden, Pony. Eine Geste, die ihm eine wohlige Gänsehaut bereitete und ihm das Herz in die Halsgegend springen ließ. Nur zu gerne hätte er mehr davon gewollt.

Noch immer schwieg Haddocks Tochter vor sich hin. Anschließend ließ sie von dem Reporter ab und musterte ihn von Kopf bis Fuß und zurück. Ihr Gesicht zierte ein warmer Blick und ihre Mundwinkel umspielte ein kleines Lächeln. Ihre braunen Augen sahen wieder zurück in seine Blauen, wobei sie neckend zu ihm: „Selbst du kannst mit den einfachsten Handgriffen sehr adrett aussehen.“

Auf ihre Worte hin hob Tim lausbübisch eine Braue, grinselte sie an und antwortete ihr mehr charmant als keck: „Ohne deine Hilfe würde ich nicht ansatzweise so adrett aussehen.“ Mutig geworden zwinkerte er ihr sogar zu, woraufhin sie verschmitzter lächeln musste und er ihr damit tatsächlich auch ein leises Kichern entlockte. Sein Herz tanzte dabei in seiner Brust und das schöne Kribbeln in seinem Bauch wurde stärker. Er mochte es sehr sie zum Lächeln zu bringen und selbst ihre kleinen Sticheleien hatte er sehr liebgewonnen.

Christin machte einen Schritt hinter sich und besah sich Tim und ihren Vater einige Herzschläge lang. Schlussendlich gab sie Tim den Safarihut zurück und neigte den Kopf zur Seite. „Ihr habt es nun sehr leicht in den Palast zu kommen.“ Der Reporter beobachtete jede ihrer Gesten, sah zu wie sie an sich runter deutete, und hörte ihren unzufriedenen Worten zu. „In der Tat bin ich gut kleidet, aber dies ist nicht gut genug für eine Veranstaltung in so hohen Kreisen.“

Allmählich verstand Tim, worauf sie hinauswollte. Tatsächlich war sie für den Alltag sehr elegant gekleidet, doch es reichte nicht für einen Anlass in einem Palast aus. Zumal die Karten für das Konzert schon sehr teuer waren. Was recht deutlich machte für welche Kreise dieses Konzert eigentlich gedacht war. Er ließ die Erinnerungen vor dem Palasteingang noch einmal Revue passieren und stellte dabei fest, dass er dort sehr viele gut gekleidete Personen die Karten für das Konzert kaufen gesehen hatte. Teilweise waren diese Leute weitaus besser gekleidet als Tim, Christin oder der Kapitän. Daher verstand er nun ihr Dilemma recht gut, weswegen ihre Bitte nach einem neuen Kleid für ihn viel mehr Sinn ergab als zu Anfang dieses Gesprächs.

Leicht nickte er ihr nun zu und lächelte sie dabei warmherzig an. „Gut, dann lass uns versuchen einen Händler mit Abendkleidern zu finden.“ Der Kapitän blickte Tim, auf seine Einwilligung hin mit verdutztem Gesichtsausdruck an, doch als dieser in das Gesicht seines einzigen Kindes sah und das freudige Strahlen in diesem erblickte, wurde auch er weich. Zumindest erschien es Tim so, als würde die Haltung von Haddock ebenfalls sanfter werden.

So machten sie sich schlussendlich auf den Weg einen Händler zu finden, welcher etwas Passendes für Christin im Angebot hatte.
 

๑⊱☆⊰๑
 

Der frühe Abend war angebrochen und die Händler packten an ihren Ständen bereits die Waren zusammen oder schlossen ihre Läden. Die Drei liefen zusammen mit Struppi durch die immer leerer werdenden Straßen und hatten bisher keinen Erfolg gehabt. Auf dem Basar fanden sich zwar Händler mit feinen Stoffen, doch hatten sie einfach nicht die Zeit Christin das Kleid schneidern zu lassen. Tim sah sich bei dem Marsch nach wie vor sehr genau um, ob er einen Händler entdecken konnte, welcher das Gesuchte im Angebot hatte. Doch fündig wurde er leider nicht.

Plötzlich schlug Struppi Alarm, woraufhin Tim sofort stehenblieb und mit erschrockenem Blick hinter sich zu seinem Fox Terrier sah. Dieser war an Christins Seite stehengeblieben, welche vor einem Laden Halt gemacht hatte. Der dickliche, ältere Eigentümer des Ladens kam gerade zur Tür hinaus. Er war in Beduinenkleidung aus feinsten Stoffen gehüllt, während sein weißer Vollbart fein gestutzt und sein Kopf von einem großen Turban geschmückt war. Die Farben seiner Kleidung waren sandige Brauntöne, die allesamt herrlich harmonierten. Der Reporter beobachtete für einen Moment wie Haddocks Tochter den Eigentümer geschickt in ein Gespräch verwickelte.

Tim legte dem Kapitän die Hand auf die Schulter, deutete in Christins Richtung und sagte ruhig zu ihm: „Ich glaube sie hat etwas Passendes gefunden.“ Haddock hatte sich auf seine Geste hin umgewandt, nickte ihm beipflichtend zu und hatte sich mit dem Reporter auf den kurzen Weg zu ihr und dem Händler gemacht. So kamen sie in Reichweite und Tim konnte endlich hören, was die Beiden zueinander sagten. „Es tut mir leid, meine Dame. Aber ich habe bereits geschlossen.“ Das Bedauern in der warmen, tiefen Stimme des Händlers war deutlich herauszuhören, obwohl er diese Worte sehr bestimmt gesagt hatte. Tim fiel bei dessen Worten auf, dass der Händler ihre Sprache recht gut beherrschte. Was ihn einerseits erstaunte, jedoch nicht sonderlich verwunderte. Bagghar war ein Dreh- und Angelpunkt für Händler aus aller Welt, weswegen es nur logisch war, dass einige Händler sich die Sprachen ihrer Kundschaft, mehr oder minder gut, aneigneten.

Was Christin nun allerdings tat, ließ Tim sehr staunen, da sie ihre traurigste Miene aufsetzte, ihre Hände, wie vor einigen Stunden schon einmal, hinter dem Rücken faltete und den Händler geradezu flehentlich ansah. „Oh bitte, mein Herr. Ich muss Morgen unbedingt gut kleidet der Mailänder Nachtigall gegenübertreten. Sie wollen mir doch wohl nicht die Erfüllung meines großen Traumes verwehren, oder?“ Auf ihr jetziges Erscheinungsbild und die leidige Stimme begann der Eigentümer bedauernder dreinzublicken. „Ich bin ein großer Fan von Bianca Castafiore, aber noch viel wichtiger ist die Tatsache, dass ich eine aufstrebende Pianistin bin. Ich beabsichtige bei ihr vorstellig zu werden, da ich sie nur zu gern bei ihren Konzerten auf dem Flügel begleiten möchte. Bitte, Sie können mir doch nicht Ihre Hilfe verweigern. Sie sind der einzige Händler mit dem, was ich suche und brauche.“

Skepsis war bis zum letzten Moment ein großer Teil im Gesicht des Händlers gewesen, doch schlussendlich konnte ihre Maskerade sein Herz erweichen. Vollkommen verblüfft dreinblickend stand der Reporter neben Haddock und staunte dabei über ihr Geschick sich ihr Geschlecht, ohne kokett oder aufdringlich zu sein, zu nutzen zu machen. Nach dieser kleinen Vorstellung hatte der Kapitän sich zu dem Reporter gelehnt und ihm zu geflüstert: „Um Ammenmärchen und Schauspielerei war sie ja noch nie verlegen gewesen, wenn es darum ging bei Fremden ihren Willen durchzusetzen.“

In diesem Moment konnte er nicht anders, als sie erneut schwärmend zu betrachten. Ein kleines Schmunzeln umspielte dabei seine Lippen, während seine Augen auf ihr ruhten. Ihren Scharfsinn hatte er schon sehr früh bemerkt, auch dass sie sich vor Arbeit nicht scheute und auch jeder Gefahr trotzte, wusste er bereits. Doch diese Vorstellung ihres Schauspiels und ihre Kreativität, was Notlügen anging, ließ ihn sie noch mehr bewundern. Konnte diese Frau eigentlich noch perfekter für ihn werden?

Mit einer höflichen Handbewegung lud der Händler die Drei und auch Struppi in sein Geschäft ein, woraufhin sie dankend der Einladung Folge leisteten. Im Inneren des Hauses sahen sie sich um und begutachteten für einen Augenblick die Waren, wobei Tim feststellte, dass die Stoffe, Abend- und Brautkleider, sowie Schuhe und Anzüge in modernen Formen wie einheimischer Kultur gehalten nur vom Feinsten waren. Dies hier war definitiv ein Geschäft, das für die Vermögenden eingerichtet war. Durch den Basar, der in unmittelbarer Nähe stattfand, erhielt der Laden auch viel Laufkundschaft und einige Frauen, vermutlich auch genug Männer, konnten nicht drum herum kommen einen Blick hineinzuwerfen.

„Nun, meine Dame. Können Sie sich denn überhaupt eines meiner teuren Kleider leisten?“, wollte der Händler schlussendlich sehr interessiert von Haddocks Tochter wissen, woraufhin er auch Tims Aufmerksamkeit auf sich zog. Kurz tauschten Tim und der Kapitän einen unbehaglichen Blick miteinander, denn er war sich sicher, dass die Preise der Waren gesalzen waren. Anschließend wandten die Beiden ihre Gesichter wieder Christin zu. Diese biss sich beschämt auf die Unterlippe. „Also, wir haben nicht sehr viel-“ Der Händler jedoch unterbrach sie rasch, in dem er seine Hand hob und anschließend auf ihr schwarzes Samthalsband deutete. „Ich denke damit könnten wir ins Geschäft kommen.“, waren seine einzigen Worte gewesen, wobei er ganz klar durchblicken ließ, dass er ein professioneller Geschäftsmann war und sich nicht so leicht übers Ohr hauen ließ. Außerdem schien er Wertvolles mit nur einem Blick ausmachen zu können.

Haddock weitete entsetzt die Augen bei der Aussage des Mannes und auch Christin hob erschrocken ihre Hand zu ihrem Samthalsband und strich mit den Fingerkuppen über den, in Gold eingefassten, Saphir. Anschließend beobachtete der Reporter wie sie den Kopf schüttelte und ehrlich sowie bedauernd sagte: „Es tut mir leid, aber unser Familienerbstück ist unverkäuflich.“

Auf diese Worte hin sah der Händler ein wenig zerknirscht drein, doch bevor er etwas sagen konnte, sprach Christin bereits weiter. „Ich habe jedoch etwas anderes, womit wir ins Geschäft kommen werden.“ Dieses Mal klang ihre Stimme zuversichtlicher, wenn nicht sogar ernst, und auch ihr Gesichtsausdruck hatte nicht nur an Siegessicherheit gewonnen. Da lag auch etwas in ihrem Blick, dass Tim nur mit Schalk betiteln konnte. Ihre Augenbraue hatte sie dabei geradezu verspielt gehoben und auch ihre vollen Lippen umspielten nun ein vielversprechendes Lächeln.

Interessiert sah Tim zu ihr und fragte sich was sie eintauschen könnte. Sie machte auf ihn nicht gerade den Eindruck, als hätte sie ein Vermögen unter ihrem Rock versteckt. Auch der Kapitän beäugte seine Tochter mehr als zweifelnd, bei ihren Worten. Sogar Struppi sah sie fragend und mit schief gelegtem Kopf an.

Langsam hob sie ihre Hand, legte sie auf ihren großzügigen Ausschnitt und ließ sie in diesem verschwinden. Tim konnte nicht anders, als ihre großen Brüste in diesem Moment in Augenschein zu nehmen. Er hatte sich Christin zwar schon öfter genau angeschaut, doch so genau hatte er es bisher nie gewagt sie zu betrachten. Er musste gestehen, dass der Anblick ihres Vorbaus ihn wohlig erschaudern ließ. Sie war eine bildhübsche, kluge und attraktive junge Frau, die ihn nicht nur geistig, sondern auch sexuell sehr ansprach.

Was sie allerdings aus ihrem schönen Dekolleté hervorzauberte, ließ den Reporter, den Kapitän, den Händler und sogar Struppi stutzen. Bedächtig zog sie ein goldenes Armband, welches ringsum mit kleinen Brillanten und großen Rubinen besetzt war, hervor. Die Augen von Tim und Haddock weiteten sich vor Verwunderung und auch deren Münder standen ihnen offen. Der Händler hingegen bekam leuchtende Augen, streckte die Hand ehrfürchtig danach aus und fragte höflich: „Darf ich?“

Ohne die Miene zu verziehen, nickte sie ihm zu und entließ das Armband aus ihrer Hand in die Seine. Sofort nahm er es gründlich in Augenschein, wobei das Gold in seiner vollen Reinheit erstrahlte und die Juwelen bezaubernd glitzerten. „Hagel und Granaten, wo hast du das her, mein Delfinchen?“, wollte Haddock erstaunt von seiner Tochter wissen und lenkte ihr Gesicht sachte mit dem Zeigefinger an ihrem Kinn in seine Richtung. Die Verblüffung stand ihm noch immer mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben und auch Tim war neugierig näher an sie herangetreten. Immerhin hätte er nicht damit gerechnet, dass sie solch wertvollen Schmuck mit sich herumführte. Auf die Frage des Kapitäns hin hatte Christin die Arme vor der Brust verschränkt und die Beiden seelenruhig darüber aufgeklärt. „Ganz einfach; Sakharine schenkte es mir als Zeichen unserer Verlobung.“

Schlagartig verkrampfte sich Tims Magen. Verlobung? Hatte er richtig gehört? Christin und Sakharine waren verlobt? Eine ihm bis dato unbekannte lodernde Wut umschlang fest seinen Körper. Durch seine Adern pumpte sich ein eiskaltes Gefühl, welches ihm sogar die Kehle abschnürte. Wollte Christin diesen Mann etwa ernsthaft heiraten? Er konnte einfach nicht fassen, was er da hörte. Das musste ein Irrtum sein. Ein Streich seiner Fantasie, die ihm hier ein Worst-Case-Szenario vorsetzte. Niemand, absolut niemand, sollte Christins Herz erobern. Er wollte der Einzige sein, der sie ganz allein für sich gewann.

„Du wirst ihn heiraten?“, rutschte es dem jungen Reporter niedergeschlagen, vor allem jedoch ungläubig, heraus. Seine Worte bereute er sofort und hätte sie am liebsten zurückgenommen. Er wollte sich und seine Enttäuschung darüber nicht verraten, doch gesagt war eben gesagt, nicht wahr? Doch kaum hatte er ihr diese Frage gestellt, wandte sich Christin ihm gänzlich zu. Ihr Gesichtsausdruck war im ersten Augenblick verwirrt und doch als sie ihm in die Augen sah wurde ihr Blick wieder warmherziger. Ihrer Kehle entfloh sogar ein belustigtes Lachen, was er wiederum nun gar nicht verstand. Was war daran denn nun so komisch? „Sei nicht albern, Tim.“

Ihr Lachen verstummte kurz darauf, doch ihre Augen blieben auf Tims Iriden gerichtet. Sie blickte ihn nun liebreizend an, lächelte noch immer und fuhr aufrichtig fort: „Sakharine könnte vom Alter her mein Vater sein. Außerdem hat er mich eingesperrt und wie eine Gefangene behandelt. Glaubst du wirklich, dass ich so einen heirate?“ Nun sah sie etwas scheuer drein, strich sich eine ihrer widerspenstigen Strähnen hinters Ohr und gestand ihm: „Was noch viel wichtiger ist; Ich möchte von einem Mann erobert und nicht erkauft werden.“

Sah Tim richtig? Er konnte sich nicht täuschen, denn der rosa Hauch auf ihren Wangen war nur zu deutlich zu erkennen. Wollte sie etwa von ihm erobert werden? Sein Herz begann wieder schneller in seiner Brust zu schlagen und die Schmetterlinge in seinem Bauch flatterten nun aufgeregter herum. Wenn dem tatsächlich so war, dann würde dies bedeuten sie hätte ebenfalls Gefühle für ihn. Dieser Gedanke beflügelte ihn so sehr, dass er es nicht in Worte fassen konnte.

Obendrein entspannte sich Tim sichtlich bei ihren Worten und lächelte sie dabei an. Er musste gestehen, dass ihre Aussage ihn ungemein beruhigte. Er war bereits zu verliebt in Christin gewesen, um sie kampflos aufzugeben. Aber er konnte sich auch nicht wirklich vorstellen, dass sie sich tatsächlich Sakharine verschrieben hätte. Obwohl die Angst und der Schock ihn für den Augenblick eiskalt erwischt hatten.

Schließlich war es der Händler, welcher wieder die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zog. „Nun, denn meine Dame. Suchen Sie sich aus was Ihnen gefällt.“ Freudig jauchzte Christin auf, bedankte sich glücklich bei ihm und ging zielstrebig durch den Laden. Sie schien genau zu wissen, was sie wollte. Beim Betreten des Ladens hatten sie ja bereits die Möglichkeit gehabt sich umzuschauen. Was Tim sehr schätzte, denn so würden sie hier keine weiteren Stunden mit Anprobieren vertrödeln.
 

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Es dauerte tatsächlich keine halbe Stunde, bis Christin ihre Auswahl anprobiert und sich das Kleid samt den passenden Pumps in Seide einwickeln lassen hatte. Dies war so schnell und heimlich passiert, dass Tim und Haddock nicht mal wussten welche Farbe die Schuhe oder das Kleid hatten. Viel zu beschäftigt waren die Beiden damit gewesen selbst die Waren zu durchstöbern. Abgesehen davon hätte Tim erwartet, dass Haddocks Tochter sich ihnen schon einmal in dem gewählten Kleid präsentieren würde. Doch dem war nicht so.

Auf dem Weg zum Hotel, die Sonne war schon zur Hälfte verschwunden, hatte der Kapitän seine Tochter hoffnungsvoll gefragt: „Zeigst du uns das Kleid im Hotel?“ Haddocks Tochter hatte belustigt gekichert und bejahend genickt. „Gewiss, Papa. Aber erst Morgen, bevor wir zum Konzert gehen.“ Christin war sichtlich sehr zufrieden mit dem Kleid und schien nun nicht mehr zu befürchten, auf Grund ihrer Kleidung, nicht in den Palast gelassen zu werden.

Im Nachhinein betrachtet war es sehr klug von Christin gewesen, dass sie auf ein Abendkleid gepocht hatte. So kamen sie wenigstens alle Drei ohne Schwierigkeiten in den Palast, würden sich problemlos unter die Gäste mischen können und konnten so versuchen das Modell der dritten Einhorn zu finden.

Dass Haddocks Tochter allerdings ein kleines Geheimnis aus dem Kleid machte verstand Tim noch nicht so ganz. Es war schließlich nur ein Abendkleid und doch beschlich ihn eine Ahnung, warum sie so handelte. Irgendwie wurde der Reporter das Gefühl nicht los, dass sie das Kleid noch geheim hielt, weil sie ihm damit imponieren wollte. Selbst wenn er sich das nur einbildete, so war es eine zuckersüße Illusion, die ihn noch mehr in die Verliebtheit zu Christin trieb.
 

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