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Chroniken der Ewigkeit - 零~月蝕 (Tsukihami)

von

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Roku

Schweigend gingen die beiden nebeneinander durch den Regen, wobei Xiao die Richtung angab, da sie den Weg zu Wangs Haus am besten kannte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, so neben Jin her zu gehen. Da war das Gefühl von früher, als sie öfters nach der Schule zusammen auf den Heimweg waren und sie diejenige war, die am meisten geredet hatte, happy, wie sie fast jeden Tag war. Anfangs dachte sie, sie würde ihm mit ihrer Art auf die Nerven gehen, aber nach und nach spürte sie, wie er dieses Zusammensein sogar genoss. Ganz auf seine Art natürlich, eher schweigend und zurückhaltend, aber er gab ihr immer das Gefühl für sie da zu sein.
 

Und jetzt schwiegen sie beide, sagten kein Wort zu einander. Diese Stille fühlte sich falsch und doch richtig an. Denn am liebsten hätte sie wie früher los geredet, ihm Fragen gestellt auf die sie heute wahrscheinlich keine Antwort erhalten würde. Oh, wie sehr sie das vermisste, aber etwas sagte ihr, der Zeitpunkt war nicht der richtige. Sie musste sich auf ihre Aufgabe konzentrieren, es war immerhin der letzte Wille von Wang gewesen. Nur wenn sie hinter das Geheimnis dieses Medaillons kommt, könnte sie es auch beschützen. Mit einem Mal viel ihr auf, dass sie sich ganz schön verändert hatte zu früher. Nicht zum Negativen, sie war stärker geworden und wusste nun, dass allein der Wunsch nach einem Happy End die Dinge nicht ungeschehen machen konnten.
 

Wenn du einen Traum hast der wahr werden soll, dann solltest du es selbst in die Hand nehmen.
 

Ein trauriges Lächeln zierte ihre Lippen, als ihr der Satz von Jin wieder in den Kopf kam. Zugegeben, er war wohl für ihren Wandel am meisten verantwortlich. So sehr sie mit ihren Gedanken beschäftigt war, bemerkte sie nicht, wie Jin stehen geblieben war, erst als etwas sie plötzlich an ihrem Unterarm zurückzog. Xiao sah ihn verwundert an und wollte schon nachfragen, was denn los war, als Jin ihr signalisierte leise zu sein und nach vorne deutete. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Wohnviertel in dem einst ihr Großvater gelebt hatte, doch konnte sie bereits aus der Ferne die Soldaten der G-Corporation erkennen. Oh Mist, damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Wieso schnüffelten die denn immer noch hier rum? Und vor allem, was sollte sie jetzt tun? Die Soldaten schienen insbesondere den Hafen und den Teil des Viertels zu bewachen in dem das Haus von Wang stand. Wahrscheinlich hatten sich die Soldaten aufgeteilt und der Rest durchsuchte die anderen Dörfer, zumindest schienen es weniger zu sein, als sie in Erinnerung hatte.
 

„Folg mir.“, flüsterte Jin und ging abseits des Hauptweges entlang einer kleinen Mauer. Ohne Widerworte folgte Xiao ihm bis sie schließlich durch viele kleine Nebengassen sich dem Dorf aus einer anderen Richtung angenähert haben. Jin betrat das Dorf und ging die Straße entlang als wäre es das normalste der Welt. Die junge Chinesin folgte ihm und versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber in ihrem inneren sah es ganz anders aus. Wie konnte er so seelenruhig hier rumlaufen, während hinter jeder Ecke einer dieser G Leute sein könnte? Ihr Herz pochte wild und jedes noch so kleine Geräusch jagte ihren Puls in die Höhe. Trotzdem hielt sie sich genau an seine Anweisungen, schweigend folgte sie ihm in einem normalen Tempo durch die Gassen und seltsamerweise schien sie keiner richtig wahrzunehmen als gehörten sie schon immer zu den Dorfbewohnern. Anders wäre es sicher, wenn sie irgendwelchen Soldaten begegnet wären, aber zum Glück schienen die nicht hier zu sein.
 

Jin betrat ein Gebäude das aussah wie ein größerer Wohnkomplex. Außen stand ein Schild mit viel Text, sie konnte gerade noch irgendwelche Preise erkennen, als sie sich auch schon an eine Art Eingangsbereich wieder fand. Viel gab es hier nicht zu sehen. Ein Fahrstuhl, eine Tür die zum Treppenhaus führte, einen Notausgang und nur wenige Schritte vom Eingang entfernt, befand sich ein kleiner Büroähnlicher Raum der mit einer Glasscheibe versehen war, so dass man hineinsehen konnte. Dort saß ein Mann der diesen Komplex anscheinend verwaltete. Xiao und Jin traten näher, wobei sie hinter Jin blieb, denn ein wenig fühlte sie sich unwohl und unsicher. Ihr war in der Zwischenzeit klar geworden, was er vor hatte und was für ein Ort das hier war und auch wenn sie sich gut verteidigen konnte, so war sie nicht gerne an solchen Orten. Man könnte diesen Ort mit einer Art Hotel vergleichen, nur das man eine sehr kleine Wohnung, meistens Einzimmerwohnung, für einen bestimmten Zeitraum mietete. Manche blieben nur eine Nacht, wieder andere einen ganzen Monat, es war günstiger als ein Hotel, aber dafür gab es keinerlei Luxus und etwas heruntergekommen waren die meisten dieser Einrichtungen auch. Sie war niemand der auf viel Luxus Wert legte, sie mochte die einfachen Dinge, aber das hier war ein Ort an dem Menschen auch verschwanden und keiner nach ihnen fragte. Hier versammeln sich jegliche Art Menschen, besonders diese mit denen sie nichts zu tun haben wollte. Eines musste sie sich allerdings eingestehen, hier würden sie sicher nicht so leicht vermutet werden.
 

Nachdem Jin alles geklärt hatte und sich mit einem Schlüssel in der Hand, an dem ein Anhänger mit einer Zimmernummer befestigt war, zu ihr umdrehte, nahm er ihre Hand und zog sie sanft zum Fahrstuhl. Ein wenig überrascht über diese Geste, folgte sie ihm und ließ sich nichts anmerken, erst als die Türen zugingen, sah sie auf Jins Hand, die immer noch die ihre hielt. Mit einem fragenden Blick sah sie Jin an, der sie schweigend betrachtete, aber kurz ihre Hand drückte als wollte er ihr damit etwas sagen. Blinzend wandte sie ihren Blick von ihm wieder ab und wartete bis sie schließlich den Fahrstuhl verlassen hatten und ihr Zimmer betreten hatten. Kaum hatte sich die Tür geschlossen, ließ Jin ihre Hand los und hinterließ ein sehnsüchtiges Kribbeln auf ihrer Haut. Seine Hand war warm und groß und es hatte sich so gut angefühlt als er ihre Hand umschlossen hatte. Es hatte sich so richtig angefühlt, dass sie es sofort vermisste als er sie los gelassen hatte. „Der Verwalter denkt wir sind ein Paar… lassen wir ihn in dem Glauben, es kann uns nur zugutekommen.“, erklärte der Japaner sein Verhalten. Natürlich, wie konnte sie auch für einen Moment etwas anderes gedacht haben. Nur langsam nickte sie als Einverständnis, den kleinen Stich in ihrem Herzen ignorierend. „Sicher…“, sprach sie leise und fing an das Zimmer genauer zu betrachten.
 

Groß war es keines falls, es waren vielleicht 30 Quadratmeter. Am einen Ende des Zimmers stand auf einen kleinen Tisch ein Fernseher während auf der anderen Seite sich eine Art Kommode mit einem Spiegel befand. Es gab eine kleine Schiebetür die ins Badezimmer führte, in dem es immerhin eine Dusche gab, aber der Raum war definitiv zu klein für zwei Personen. Xiao fragte sich ernsthaft wie Jin, der wesentlich größer und breiter als sie war, sich zu Recht finden sollte. Unweigerlich stiegen ihr Bilder in den Kopf, die ihre Wangen erröten ließen. Kopfschüttelnd versuchte sie die Bilder los zu werden und wandte sich schnell vom Badezimmer ab um sich den Rest der Wohnung anzusehen. Sich weiter umsehend, entdeckte sie eine kleine Nische die sich zum Kochen oder besser gesagt zum zubereiten einfacher Lebensmittel eignete. Es gab lediglich zwei Herdplatten die per Kabel angeschlossen waren, einen kleinen Schrank mit dem nötigsten Geschirr und eine kleine Spüle zum Abwaschen. Wenigstens gab es einen Balkon, so dass man durch die große Tür gut Lüften konnte, es war auch das einzige Fenster das es hier gab. Den Balkon konnte man nicht wirklich als solchen Bezeichnen, man konnte gerade einen Fuß raussetzen, aber es war besser als gar keiner. Im Hauptraum gab es noch einen Einbauschrank mit Schiebetüren indem sie ein paar Kleider verstauen konnten, wenn sie wollten und zusätzlich befanden sich dort ihre Futonbetten für die Nacht.
 

Während Xiao in Ruhe die kleine Wohnung inspiziert hatte, stand Jin mit verschränkten Armen am Fenster der Balkontür und blickte nachdenklich nach draußen. Mit langsamen Schritten ging sie auf ihn zu, musterte ihn aus neugierigen Augen und fragte sich was er wohl gerade dachte. Xiao blieb mit einem kleinen Abstand hinter ihm stehen, legte ihre Hände oben auf seine Schultern und zog sich ein Stück nach oben, so dass sie auf Zehenspitzen stand und über seine Schulter blicken konnte. Sie war immerhin gute 20 Zentimeter kleiner als er. „Was beobachtest du?“, fragte sie ihn neugierig während Jin nach einem kurzen Moment des Zögerns seinen Kopf zu ihr drehte und seine Lippen ein sanftes Schmunzeln umgab, dass sie eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Dieses Lächeln überraschte sie und ließ ihr Herz erwärmen, sie fühlte sich sofort angesteckt und konnte ein sanftes Lächeln nicht mehr zurückhalten. Doch so schnell sein Lächeln gekommen war, so schnell war es auch wieder verschwunden. Mit ernstem Blick sah er wieder aus dem Fenster und meinte mit dunkler Stimme, „Die G-Corporation.“. Zurück in die Gegenwart geholt, zurück zu ihrer Mission, ihrem Problem, zog sie ihre Hände zurück und stellte sich neben ihn an das Fenster. Sie befanden sich im 5. Stock woraus man einen guten Überblick hatte und tatsächlich konnte sie ein paar Soldaten in der Ferne erkennen. Es regnete immer noch wodurch es schon den ganzen Tag nicht sehr hell draußen war und man eher das Gefühl hatte als wäre es spät am Nachmittag als Mittag.

„Denkst du sie werden noch lange im Dorf bleiben? Was wenn sie etwas finden, dass uns mit dem Medaillon weiterhelfen könnte?“, sprach sie ihre Gedanken laut aus, sah aber weiterhin wie Jin aus dem Fenster. „Wenn sie etwas gefunden hätten, wären sie sicher nicht mehr hier. Ich denke nicht, dass sie etwas finden werden... es steht nicht mal fest ob es noch etwas zu finden gibt. Jedoch müssen wir alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen und wenn dort noch etwas ist, wirst du es finden. So wie ich Kazuya kenne wird er die Soldaten bald abrufen und das Land nach dir absuchen lassen.“. Verwundert sah die junge Chinesin ihren alten Schulfreund an. „Wieso denkst du ich werde etwas finden, sollte es etwas geben?“, fragte sie irritiert und sah ihn weiterhin an, während er mit seinem kühlen Gesichtsausdruck immer noch aus dem Fenster schaute. „Weil du das Medaillon trägst. Es wird dir den Weg zeigen.“, sagte er und sah sie nun endlich an. „Auf seine Art und Weise und egal ob du dazu bereit bist oder nicht. Das solltest du auch spüren können.“, sprach er weiter und blickte ihr dabei in ihre Augen. Diese bernsteinfarbigen Augen sahen sie ernst und durchdringen an, als könnte er in ihr tiefstes inneres blicken. Xiaoyu zögerte mit ihrer Antwort, horchte in sich und ließ sich dabei ganz auf das Medaillon ein, fühlte die Aura dass es umgab und konnte die starke Kraft spüren die es ausstrahlte. Trotz dieser Macht fühlte es sich nicht schlecht oder gar böse an, es besaß viel Kraft, eine Kraft die zu vielen in der Lage war und daher von vielen begehrt wurde. Kazuya eingeschlossen. Diese Ausstrahlung die es hatte zog somit auch jegliche andere Wesen an, allein dadurch war es schon gefährlich, aber in den falschen Händen könnte man diese Macht missbrauchen und deswegen hatte Wang es auch beschützt. Doch wieso hatte früher noch keiner Versucht es an sich zu nehmen? Wie hatte Wang es beschützen können? Das war nun ihre Aufgabe es herauszufinden, sie musste es nun beschützen und dafür sorgen, dass es nicht in die falschen Hände gelangte. Das Medaillon würde ihr dabei helfen den richtigen Weg zu finden, das konnte sie nun mit Sicherheit sagen und ohne Jin hätte sie nicht wieder neuen Mut gefasst und einfach mal in sich gehört, als sich dauernd den Kopf zu zerbrechen.
 

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und neuer Zuversicht, die sich in ihren Augen wiederspiegelte, nickte sie und grinste Jin freudig an. Ihren plötzlichen Sinneswandel nicht ganz nachvollziehen könnend, zog er eine Augenbraue in die Höhe und musterte sie, ehe ein leises Knurren von ihrem Bauch die Stille durchbrach. Verlegend biss sie sich auf ihre Unterlippe und legte schnell ihre Hand auf ihren Bauch. Zwar seufzte Jin leise, aber das kleine Schmunzeln um seine Mundwinkel herum war ihr nicht entgangen. „Ich besorge uns etwas zu essen. Du wartest besser hier, ich bin gleich zurück.“, meinte Jin worauf sie zustimmte und ein leises Danke von sich gab. Ohne darauf zu reagieren, verließ Jin die Wohnung, doch sie wusste wie er war und das er keinesfalls kalt war wie alle dachten. Sein leichtes Schmunzeln von vorhin ging ihr nicht mehr aus dem Kopf und ließ sie an den früheren Jin zurück denken. „Ich wusste es… tief in dir, bist du noch der alte.“, sprach sie leise zu sich selbst und begab sich in das kleine Badezimmer um sich frisch zu machen.
 

Nachdem Jin vom Markt wieder gekommen war und ein paar Sachen eingekauft hatte, schnappte sich die junge Chinesin direkt die Lebensmittel und wies Jin an sich auszuruhen während sie das Essen für sie beide zubereiten würde. Der restliche Tag verging sogar viel schneller als sie erwartet hatte. Sie und Jin aßen gemütlich zusammen, jeder ging seinen Gedanken nach, aber es war ein wohlfühlendes beisammen sein, das sie lange nicht mehr gespürt hatte. Wahrscheinlich traute sich deswegen auch keiner der beiden ein Wort zu sagen, aus Angst er könnte dadurch vorbei sein. Beide genossen einfach diesen Moment. Später besprachen sie nochmal kurz ihr weiteres Vorgehen, das zur Zeit noch aus Warten bestand, denn so lange die Soldaten der G-Corporation ihr Unwesen um Dorf trieben, konnten sich nichts tun außer abzuwarten, in der Hoffnung, dass sie schnell verschwinden würden. Alles andere war einfach zu gefährlich.
 

Am Abend breiteten sie die beiden Futonbetten mit ein wenig Abstand zueinander aus. Trotzdem war es für Xiaoyu nah genug an Jin, nah genug um nicht einschlafen zu können. Als Jin bereits ruhig atmete und im Land der Träume verschwunden war, drehte sie sich erneut von der Seite auf den Rücken und starrte und die Decke im dunklen Zimmer. So gut sie auch die letzte Nacht neben ihm eingeschlafen war, so schlecht klappte dies in dieser Nacht. Sie fühlte sich aufgewühlt und nervös, so viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf und wenn sie sich auf die Seite drehte um nachzusehen ob Jin auch immer noch schlief, machte es das kein bisschen besser. Seine Gesichtszüge waren sanfter als wenn er wach war, auch wenn sie es nicht entspannt nennen würde, für Jins Verhältnisse sah er entspannt aus. Sein nackter Brustkorb, der nur halb von der Bettdecke verdeckt wurde, hob und senkte sich langsam, während seine Hände locker auf der Decke lagen. Er sah wirklich friedlich aus. Eine seiner Haarsträhnen fiel ihm weiter ins Gesicht als er seinen Kopf zur Seite drehte. Xiaoyu spürte das Verlangen und das Kribbeln in ihren Fingern, doch eine kleine Bewegung von ihm, ließ ihre Hand auf den Weg zu seinem Gesicht inne halten. Sie fühlte sich vor Schreck wie erstarrt, atmete aber leise aus, als sie bemerkte, dass er immer noch schlief. Langsam setzte sie ihre Bewegung fort, zögerte aber noch einmal bevor sie seine Strähne vorsichtig zur Seite schob und sein Gesicht genauer betrachtete.
 

Er war wunderschön. Seine gerade Nase, seine markanten Gesichtszüge, die hohen Wangenknochen und diese männlichen und doch so weichaussehenden Lippen. Erschrocken über ihren Gedanken legte sie sich sofort zurück auf ihren Rücken und starrte mit erröteten Wangen an die Decke. Was war nur los mit ihr, dass sie auf solche Gedanken kam? Sicher, er war ein gut aussehender Mann, dessen war sie sich schon immer bewusst gewesen, aber sie mochte ihn in erster Linie wegen seinem Charakter, sie war keines dieser Mädchen die ihn wegen seinem Aussehen anhimmelte, so etwas konnte sie nicht leiden. Und doch spielte ihr Körper bei seinem Anblick gerade verrückt. Sie hatten sich zu lange nicht gesehen, das musste es sein, sie war es einfach nicht mehr gewohnt.
 

Frustriert darüber jetzt erst recht nicht mehr einschlafen zu können, stand sie auf und setzte sich an den Tisch mit dem Spiegel, der sie an einen Frisiertisch aus alten Filmen erinnerte. Sie hatte sich die kleine Lampe da neben angemacht und sah nun seufzend ihrem Spiegelbild entgegen. In letzter Zeit war so viel passiert, all ihre Gedanken schwirrten um die Ereignisse der letzten Tage und Wochen während sie sich selbst im Spiegel nachdenklich betrachtete. Sie hatte viel durch gemacht, Trauer und Schmerz durchlebt, Menschen die ihr etwas bedeuten mit hineingezogen… doch sie hat sich für diesen Weg entschieden, sie würde kämpfen und das beschützen was ihr wichtig war. Reife und Stärke schimmerten in ihren Augen. Gedankenverloren öffnete sie ihre Zöpfe und nahm sich ihre Haarbürste und ein kleines Täschchen aus ihrem Rucksack, ehe sie sich wieder vor den Spiegel setzte. Sie fühlte sich anders, erwachsener und doch war sie noch immer sie selbst, sie würde nie ihre lebensfrohe verspielte Art verlieren, es war ein großer und wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit der sie ausmachte. Und doch war es Zeit für eine Veränderung. Sich wieder im Spiegel betrachtend, nachdem sie ihre Haare gebürstet hatte, fing sie an sich ihren Pony und Strähnen Drumherum zu Recht zu legen, bevor sie aus einem kleinen Etui eine Schere nahm und anfing vorsichtig aber gekonnt ihre Haare zu schneiden. Da sie früh ihre Eltern verloren hatte und bei Wang gelebt hat, hatte sie gelernt mit wenig auszukommen, so dass sie sich selbst beigebracht hatte ihre Haare zu schneiden und zu frisieren, was anfangs natürlich oft schief gelaufen war. Sie erinnerte sich noch sehr gut daran, wie sie weinend zu Wang gelaufen war, weil sie ihre Haare schief geschnitten hatte und er sie dann getröstet hat und ihr wieder Mut gemacht hat.
 

Deine Haare werden schneller nachwachsen als du gucken kannst.
 

Ihre langen und noch vom Duschen feuchten Haare hatte sie in einzelne Strähnen unterteilt und in so etwas ähnlichen wie Lockenwickler gedreht. Zum Glück hatte sie von Natur aus schon immer leicht gewellte Haare, nur hatte sie das nie gemocht und sie immer geglättet. Nach einer gefühlten Ewigkeit, vielen Anpassungen und nachdem sie sogar im Bad ihre Haare geföhnt hatte, blickte sie erneut in den Spiegel und band sich zwei niedrigere Zöpfe mit jeweils einem Haarband das einer lila farbigen Blüte ähnelte. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen sah sie ihr Werk an. Jetzt sah sie aus, wie sie sich auch fühlte, es passte zu ihr und ließ sie sowohl erwachsener als auch immer noch süß wirken.
 

Zum Schlafen öffnete sie jedoch wieder ihre Zöpfe, da sie so besser liegen konnte. Dank ihrer Haarschneideaktion mitten in der Nacht, konnte sie nun auch endlich einschlafen. So gut sie auch in manchen Dingen geworden war, so war frühes oder gar pünktliches Aufstehen noch nie ihre Stärke gewesen. Am Rande ihrer Wahrnehmung, hörte sie wie tiefe, dunkle Stimme ihren Spitznamen aussprach und irgendetwas von ihr wollte. Grummelnd drehte sie sich auf die andere Seite und zog die Decke höher. Was auch immer man von ihr wollte, sie war viel zu müde und es war doch so schön warm um Bett… „Noch ein bisschen…“, nuschelte sie und war bereits wieder im Land der Träume. Erst der Geruch von frisch gekochtem Reis, ließ die junge Chinesin aus ihrem festen Schlaf langsam erwachen. Blinzend rieb sie sich die Augen und setzte sich auf, wobei ihre leicht gewellten Haare ihr über ihre Schulter fielen und vom Schlafen ein wenig durcheinander waren. Jin kam gerade mit zwei gefüllten Reisschüsseln aus der Küche, als er seine alte Schulfreundin bemerkte wie sie ihm verschlafen entgegen blickte. Er stockte und blieb wie angewurzelt stehen, wobei er sie unentwegt ansah, jedoch kein Wort sagte. Irritiert was los ist, sah Xiaoyu hinter sich, mit der Vermutung Jin hätte irgendetwas gesehen, aber dort war nichts zu sehen, also drehte sie sich mit einem fragenden Blick zu ihm wieder um. Er stand immer noch da wie zuvor und starrte sie an. War er etwa sauer auf sie weil sie wieder einmal verschlafen hatte? Seufzend krabbelte sie aus ihrem Bett und hörte wie Jin die Schalen auf den Tisch stellte, ehe sie ihn wieder ansah. „Tut mir leid, dass ich so lange geschlafen habe… ich gehe mich eben frisch machen.“, murmelte sie und verschwand im Badezimmer mit frischer Kleidung und einem kleinen Tässchen im Arm. Frisch geduscht, frisiert mit zwei Zöpfen wie gestern Nacht und mit neuer Kleidung betrat sie nach kurzer Zeit wieder das Zimmer. Sie hatte aus ihrem Rucksack Hot Pans aus Jeans genommen, dazu ein dunkelblaues T-Shirt das nur ein wenig kürzer war als normal lange Shirts. Perfekt dazu passend, trug sie ihre kurze beige farbige Jacke mit Kapuze und braunfarbigen fingerlosen Handschuhen aus Leder. Sie hatte tatsächlich angefangen eine Vorliebe für Handschuhe und Stulpen zu entwickeln. Ihre braunen Sneakers würde das Outfit abrunden, dachte sie sich und war zufrieden, denn als sie nach China gereist war, hatte sie nicht gerade sehr viel an Klamotten eingepackt, denn immerhin hatte sie auch nicht vorgehabt so lange zu bleiben.
 

Jin hingegen hat zu gestern auch seine Kleidung gewechselt, er trug nun eine schwarze Lederartige Hose mit einem roten Gürtel und eine farblich dazu passende Jacke die auch aus Leder zu sein schien. Er trug die Jacke ein wenig offen, so dass man ein Stück von seinen nackten Oberkörper sehen konnte. Die Jacke hatte eine Kapuze, die er jedoch nicht auf hatte und um seine Arme verlief aus rotem Leder eine Art Panzerung die runter bis zu seinen Handschuhen ging. Auf seiner Schulter konnte sie in goldener Farbe sein Tattoo abgebildet sehen, das sie seit langer Zeit gestern Nacht wieder gesehen hatte während er geschlafen hat. Beide sahen sich für einen längeren Moment schweigend an, musterten sich so unauffällig wie es ging, ehe Xiaoyu sich mit langsamen Schritten zum gedeckten Tisch begab und hinsetzte. Auch Jin setzte sich hin, ihr gegenüber, doch bevor er anfing zu essen, meinte er, „Du siehst anders aus.“. Xiao wollte sich eigentlich gerade für das gutaussehende Frühstück bedanken, sie hatte nicht gedacht, dass Jin sie auf ihr neues Aussehen ansprechen würde. Sie wusste gar nicht wie sie darauf reagieren sollte, was sie ihm sagen sollte. „Ähm… ja… ich konnte letzte Nacht nicht sehr gut einschlafen… ich musste irgendwie viel nachdenken… und dann kam ich auf diese verrückte Idee.“, erklärte sie ihm. „Sieht es… schlecht aus?“, fragte sie ihn vorsichtig und schüchtern zugleich wobei sie spürte wie ihre Wangen sich leicht erwärmten und jetzt mit Sicherheit ein zartes Rosa ihre Wangen zierte.
 

Erneut sah Jin sie für einen längeren Moment schweigen an, indem sie seinem Blick nur schwer standhalten konnte und ihre Nervosität ihr noch den Letzten Nerv raubte. Ihr Herz schlug aufgeregt gegen ihre Brust, als sie seine Stimme hörte. „Es steht dir.“, war seine kurze Antwort, die er heraus gemurmelt hatte, ehe er sich seinem Essen zuwandte. Hatte er ihr gerade ein Kompliment gemacht? Es war typisch für seine Art, aber sie wusste wann ihm etwas gefiel und er meinte immer seine Worte ernst. „Du magst es!“, entwich es ihr überzeugt und mit einem Grinsen im Gesicht. Kurz hob er seinen Blick von seiner Reisschale an um ihr einen leicht genervten Blick zu schenken, ehe er sich wieder seinem Essen zuwandte. Natürlich gefiel ihm ihr neues Aussehen, hatte sie nicht in den Spiegel geschaut? Ihr neues Erscheinungsbild hatte ihn heute Morgen sprachlos gemacht. Sie wirkte reifer und trotzdem unschuldig auf ihn, diese Mischung verursachte ein ziemliches Gefühlschaos in ihm und das obwohl ihm normalerweise solche Dinge vollkommen egal waren. Doch wenn es um Xiaoyu ging war das wieder eine ganz andere Sache.
 

Nachdem sie beide zu Ende gefrühstückt hatten und Xiaoyu sich freiwillig für den Abwasch gemeldet hatte, wunderte sie sich wo er geblieben war als sie fertig und aus der Küche zurück war. Ihr fiel sofort die offene Balkontür auf, der sie sich schließlich näherte und wie vermutet, stand er auf dem kleinen Balkon, den man nicht als solch einen Bezeichnen konnte. „Mach dich fertig, wir brechen gleich auf.“, sagte er mit ernstem Ton obwohl er mit dem Rücken zu ihr stand, wahrscheinlich hatte er sie gespürt, als sie hinter ihn getreten war. „Heißt das, sie sind weg? Bist du sicher?“, fragte sie hoffnungsvoll nach und stellte keinesfalls seine Fähigkeiten in Frage, sie wollte nur auf Nummer sicher gehen. „Ja… sie scheinen über Nacht weiter gezogen zu sein. Wir sollten trotzdem vorsichtig sein.“, meinte er und drehte sich zu ihr um. Xiaoyu nickte und machte sich dran ihre Schuhe anzuziehen und nur das nötigste in ihre Jackentasche zu stecken. Ihre Sachen würden sie hier lassen und später zurückkommen. Diese Wohnung diente einfach perfekt als Basis und Unterkunft zugleich, was schon fast merkwürdig klang, schließlich befand sie sich nicht in einem Krieg, aber ein wenig fühlte es sich so an.
 

Bereit sich in die Höhle des Löwen zu begeben, machten sich beide auf den Weg nach draußen. Es regnete nicht, aber der Boden war noch nass und die Luft fühlte sich feucht und drückend an. Ein leichter Nebel hatte sich um das Dorf gelegt, so hatte man eher den Eindruck von einem späten Herbsttag als eines Sommertages. Nur die Temperatur verriet die wahre Jahreszeit. Für einen kleinen Moment blickten sich beide noch einmal direkt an, als würden sie sicher gehen wollen, dass der jeweils andere auch bereit für das war, was nun kommen mag, egal was es sein würde. Fest entschlossen wandten beide ihren Blick auf den Weg und traten die letzte Stufe des großen Wohnkomplexes hinunter. Nun gab es kein Zurück mehr.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So ganz bin ich mit dem Kapitel nicht zufrieden... irgendwie ist es mehr ein Zwischenkapitel geworden indem ich mir noch mehr Details gewünscht hätte. Aber vielleicht bin ich auch zu kritisch xD Keine Ahnung ob überhaupt noch jemand diese FF liest *lol* Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Ling-Xiao
2018-01-04T00:00:19+00:00 04.01.2018 01:00
Wow. Du hast mal wieder ein klasse Kapitel hinbekommen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Antwort von:  Ran_Angel
04.01.2018 09:06
Vielen Dank für dein Kommi ^^ Ich freue mich ^.^
Von:  Shenduan
2017-12-19T20:14:14+00:00 19.12.2017 21:14
Ja ich lese noch. Ich finde das du diese ganzen Gefühle und überhaupt diese Atmosphäre sehr gut beschreiben kannst. Ich bin jedesmal mitten in der Geschichte vertieft. Weiter so 😍
Antwort von:  Ran_Angel
19.12.2017 21:47
Woah, es gibt echt noch Leute die meine Geschichte lesen, ich bin überrascht xD
Vielen Dank!!! Ich freue mich sehr über dein Kommi und das es dir so gut gefällt ^__^
Antwort von:  Shenduan
19.12.2017 22:44
Ich warte schon lang das es weitergeht. Ich freue mich 😘


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