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Jenseits des Schleiers

von

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Kapitel 2

- Kapitel 2 -
 

Fröhlich betrat ich das Büro Ms's Wood.

"Ah, da bist du ja. Setz dich doch bitte." Sie wies mit ihrer Hand auf den Ahornstuhl vor ihrem Schreibtisch. Gehorsam ging ich ihrer Bitte nach.

"Was gibt es? Hab ich irgendetwas angestellt?" Mir kam der nächtliche Ausflug vor zwei Wochen in den Sinn. Damals hatte es keiner bemerkt, aber man weiß ja nie, ob es nicht doch jemand mitbekommen hat.

"Oh nein, nein. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Oder sollte ich etwas nicht mitbekommen haben?" Ihre linke Augenbraue zuckte verräterisch.

"Nein, also ich hab nichts mitbekommen ..."

"Na dann. Also, der eigentliche Grund, warum du hier bist, ist eine Bitte."

"Eine Bitte? Was kann ich denn für dich tun?"

"Es ist eher etwas Belangloses. Und ich glaube, du kannst sie leicht meistern." Ich wurde etwas misstrauisch.

"Und wie lautet sie?" Sie machte eine Pause, dann holte sie tief Luft.

"Geh bitte einmal, nur einmal mit Mr Field aus. Nur ein Essen. Er holt dich ab, ihr esst in einem schicken Restaurant und er bringt dich wieder her." Das raubte mir die Sprache.

"Bitte! Tu es für die Kleinen."

"Er ist doch doppelt so alt wie ich, wenn nicht sogar noch älter! Ich weiß doch gar nicht, was er mit mir vorhat!"

"Mir ist es eigentlich auch nicht recht, aber er hat gesagt, dass wenn du mir ihm nur einen Abend verbringst, dann wird er ein Kind adoptieren! Und du weißt nur zu gut, wie es ist, Tag für Tag zu warten in eine glückliche Familie aufgenommen zu werden."

"Ja, sicher, aber er ist ein widerlicher, schmieriger Schleimer."

"Aber er ist in dich vernarrt! Viele in deinem Alter sind jetzt schon mit einem viel älteren Mann verheiratet!"

"Ich weiß nicht. Und wirklich nur einen Abend?"

"Ja. Einen Abend. Mehr nicht. Du kannst ja die ganze Zeit daran denken, wie eines der Waisen dann glücklich bei ihm wohnt. Und wir wissen beide, dass er ein guter, wenn nicht sogar ein sehr guter Vater wäre."

"Gut. Ein Abend. Mehr nicht. Aber was machen wir, wenn er mehr will, als nur als ein Essen!"

"Das wird nicht passieren. Ich habe ausführlich mit ihm gesprochen. Er wird dich nicht anrühren und wenn doch, darf er das Gelände nie mehr betreten!"

"Danke. Und wann wäre das?"

"Gleich morgen. Wenns recht ist."

"Ja. So schnell wie möglich."

"Gut. Du kannst wieder gehen."

"Eine Frage hätte ich aber noch. Warum?"

"Warum? Das habe ich doch gerade erklärt ..."

"Nein, ich meine, warum ich darf? Ms Smith hat mir gesagt, dass jeglicher, männlicher Kontakt uns strengstens verboten sei!"

"Was? Nein, das kann nicht sein. Hier ist niemandem etwas verboten. Natürlich ist es schade, wenn du hier weggehen würdest, weil du jemanden kennen gelernt hast, aber es würde dir niemand hier etwas verbieten. Angie ist manchmal etwas komisch, aber so was würde sie nie sagen. Bist du dir auch ganz sicher, dass sie es war?" Ich nickte. "Na dann werde ich sie einmal darauf ansprechen."

"Danke." Ich stand auf und lief zur Tür.

"Ach Lylli! Komm doch bitte morgen Abend um halb sechs zu mir."

"Warum denn?"

"Überraschung." Ich schaute etwas verdutzt, nickte jedoch dann und ging.
 

"Was sollst du?"

"Psst! Nicht so laut!"

"Du sollst mit diesem ekligen Schleimer ausgehen? Warum das denn?"

"Er hat gesagt, dass wenn ich nur einen Abend mit ihm verbringe, adoptiert er einen von euch! Was konnte ich Sylvia da schon anderes sagen?"

"Nein!"

"Was?"

"Du hättest nein sagen können!"

"Das hab ich ja, aber sie hat so lange auf mich eingeredet, bis ich nachgegeben hab. Und jetzt soll ich auch noch nachher um halb sechs bei ihr erscheinen!"

"Weißt du warum?"

"Sie sagte nur es sei eine Überraschung."

"Klasse. Dann wird sie dich zurechtmachen. Wahrscheinlich hat sie sechs oder sieben Frauen bestellt, die sann aus dir eine wunderschöne Dame machen sollen, du weißt schon: Ein Tüpfelchen hier und da noch ein wenig Lidschatten ..." Ich schaute sie ungläubig an.

"Ach nein, dass glaub ich nicht. Was soll sie schon groß machen? Ich hab ja gar keine Sachen dazu."

"Die hat sie sicherlich auch bestellt!"
 

Shirleys Worte beunruhigten mich. Bis zu diesem Zeitpunkt, wo ich vor dem Eingang zum privaten Reich von Silvia stand. Nervös klopfte ich an. Von der anderen Seite ertönte ein fröhliches "herein". Als ich eintrat, schlug eine große Standuhr gerade sechs Uhr.

"Ah, Lyliana. Schön das du gekommen bist." Vorsichtig ließ ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen, auf der Suche nach versteckten Friseusen und Schminkutensilien.

"Ja, hier bin ich." Was anderes fiel mir in dem Moment nicht ein, da ich in Gedanken immer noch bei wild rumfuchtelnden, spindeldürren Frauen war.

"Bitte, komm mal her." Sofort gehorchte ich und trat vor sie.

"Gut. Also ich wollte vorher mit dir noch ein wenig reden."
 

Dieses Gespräch verlief dann auf eines hinaus, die Aufklärung. Ich war schon aufgeklärt worden, mehrmals um genau zu sein, aber das schien sie nicht zu wissen. Also nickte ich immer nur fleißig und tat so, als wenn ich nichts wüsste. Im Nachhinein war ich sogar ganz froh, dass sie mit mir geredet hatte und nicht wirklich Frauen angagiert hatte.

Ich ging zurück in mein Zimmer, um mich "fein zu machen". Ich stand eine Weile vor meinem Kleiderschrank und wusste nicht, was man zu so einem Anlass anziehen sollte, geschweige denn, ob ich überhaupt etwas Passendes besaß. Nach einiger Zeit hatte ich dann alle meine hübschesten und edelsten - wenn man sie so nennen konnte - auf das Bett ausgebreitet und stand rätselnd davor.

Letztendlich nahm ich ein knielanges Kleid in einem blassen Grün und ein passendes Tuch dazu. Gerade als ich mich fertig angezogen hatte, klopfte es an der Tür und Ms Smith stand in der Schwelle.

"Mr McLeoch wartet unten auf sie."

"Oh, ja, ich bin sofort fertig."

"Ach, lassen sie sich noch etwas Zeit. Man lässt einen Mann immer warten, daraus zeigt sich, ob er ein wahrer Gentleman ist." Ich schaute sie verwundert an.

"Gut, ich lass mir Zeit." Ich war etwas erstaunt so etwas aus ihrem Mund zu hören, da sie mir ja Kontakt mit Männern verboten hatte - wer weiß, warum - und anscheinend sehr männerfeindlich ist.

Als sie ging, kam ihr gerade Shirley entgegen.

"Was machst du denn noch hier, du darfst um diese Uhrzeit nicht mehr hier herumschleichen."

"Oh, ist schon gut Angie. Sie hat die Erlaubnis von mir."

"Aber, ..."

"Sie vergessen, dass ich jetzt auch Betreuerin bin und wenn eine Betreuerin einem Schützling etwas erlaubt, dann darf dieser das auch tun."

Nach einer kurzen Pause spitzte sich ihr Mund und sie sah einer Maus noch ähnlicher.

"Sicher, ich vergaß." Dann ging sie eiligen Schrittes und Shirley trat an ihre Stelle.

"Du siehst traumhaft schön aus."

"Vielen Dank."

"Und? Bist du aufgeregt?"

"Nein, ich glaub nicht." Ich wusste es nicht. Einerseits irgendwie schon, aber andererseits wollte ich es nur schnell hinter mich bringen.

"Wie du glaubst nicht?"

"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht."

"Na, wenn du meinst. Hör mal, ich muss gleich schlafen gehen, aber du erzählst mir morgen doch alles, oder?"

"Ja, natürlich!"

"Aber ich will jede Einzelheit wissen!"

"Ja, gut. Aber lass uns runtergehen. Er wartet schon." Sie umarmte mich.

"Viel Glück Lylli. Komm ja heil wieder. Ich brauch dich hier."

Ich zögerte. Daran hatte ich eigentlich auch noch nicht gedacht. Was war, wenn wirklich etwas passierte? Doch weiter kam ich nicht, denn Shirley drängelte.

"Lylli? Du kommst doch wieder!"

"Ja, natürlich komme ich wieder, du kleines Dummerchen." Ich küsste sie auf den Kopf und schob sie dann von mir weg.

"Gut.", sagte sie nur. Dann gingen wir zusammen nach unten, bis sich unsere Wege trennten und ich ganz auf mich allein gestellt war.

Das Auto fuhr langsam über die Kopfsteinpflaster, bis er schließlich vor dem nobelsten, französischen Restaurant ganz Englands hielt. Die ganze Fahrt über hatte niemand etwas gesagt, doch dies war mir irgendwie unangenehmer, als wenn er mich mit Fragen bombadiert hätte.

Meine Tür wurde geöffnet und mir wurde eine starke Hand, verpackt in einem Handschuh, zur Hilfe hingehalten. Da ich es nicht besser wusste, nahm ich sie einfach und ich wurde sofort aus dem Wagen gezogen. Die frische Luft tat mir gut und ich atmete einmal tief ein. Nicht mehr lange, dachte ich, dann hast dus hinter dir und ein kleiner Schützling hat ein neues zu Hause.

"Wollen wir?" Mr McLeoch stand vor mir und hielt mir seinen Arm hin.

Ich nahm ihn und nickte. Dann gingen wir über einen kleinen roten Teppich, hinein in die wohlige Wärme. Das war alles so ungewohnt. Alle waren so höflich und so schick angezogen und ständig wurde von einem erwartet, dass man lächelt.

Wie wir beide so dastanden und auf unseren Tisch warteten, wurden wir von jedem anderen Tisch in diesem Raum begafft. Ich wurde von oben bis unten mit mürrischen Blicken gemustert und im nächsten Augenblick wurde über mich getuschelt.

"Sir, sagen sie, warum starren mich alle hier so an?"

"Nennen sie mich John, meine Schöne. Und sie werden so angestarrt, weil sie so außergewöhnlich schön sind!" Darauf fiel mir keine Antwort ein. Wieso wurde mir ständig gesagt, ich sei so hübsch? Was hatte ich denn an mir, dass ich wie ein Meisterwerk betrachtet wurde?

Ein Mann im feinen Anzug trat vor uns.

"Miss, Mr McLeoch, wenn sie mir bitte folgen würden." Dann drehte er sich um und ging geradewegs auf einen kleinen Tisch in einer gemütlichen Ecke am Kamin zu. Sachte wurde ich hinterhergezogen. Als wir durch die gaffende Menge gingen, hörte ich immer wieder Getuschel wie: "Welch Schönheit!", "Wen hat er denn da wieder mit angeschleppt?" und: "Die Arme!" Dies verwirrte mich ein wenig.

Am Tisch angekommen wurde meine Unbehaglichkeit noch größer. Auf meinem Platz lagen drei rote Rosen mit einem grünen Band zusammen gebunden. Angewidert betrachtete ich sie. Doch dann sah ich einen Mann, der neben mir auf etwas zu warten schien. Ich schaute ihn verständnislos an, bis er mich aufklärte.

"Ihr Mantel Miss."

"Oh ja, natürlich." Ich zog ihn aus und gab ihn meinem Diener.

"Bitte setzten sie sich.", sagte John und wies mit seiner Hand auf den Platz mit den roten Rosen. Lächelnd setzte ich mich hin.

"Ich muss ihnen sagen, Lylli, dass sie heute noch schöner aussehen als sonst. Sie blenden mich geradewegs damit." Schleimer, dachte ich, lächelte aber.

Wieder erschien ein Kellner.

"Die Karten, Mylords." Mylords? Das wurde mir immer unheimlicher. Ich nahm eine entgegen und schlug sie auf. Und das Erste, was mir in die Augen sprang waren Froschschenkel.

"Sie müssen wissen, Lyliana, das Essen ist hier das Beste, was sie meilenweit kriegen. Es ist einfach nur köstlich!" Hatte er gerade köstlich gesagt? Froschenkel mögen vielleicht den Franzosen schmecken, aber mir ganz bestimmt nicht. Angewidert erwiderte ich sein Lächeln. Ich hielt weiter nach etwas Essbaren ausschau, doch nach drei weiteren Seiten mit "französischen Spezialitäten" verlor ich langsam auch noch die letzte Hoffnung, mich in irgendeiner Weise, diesen Abend noch zu amüsieren.

"Möchten sie schon etwas bestellen?", ertönte die monotone Stimme des Kellners.

"Aye, ich hätte gerne ein Schoppen Rotwein und die Froschschenkel. Und sie meine Teure?" Er schaute mich erwartungsvoll an.

"Also ich ... ähm ... ich hätte gerne ..."

"Für sie dasselbe, bitte." Ich schaute John vorwurfsvoll an.

"Ich will aber keine Froschenkel!"

"Glauben sie mir, die sind einfach zu köstlich. Und zur Not können sie immer noch etwas Anderes bestellen."

"Ich will aber nichts von diesem Fraß oder was das sein soll essen. Das klingt alles so widerlich wie die Froschschenkel!"

"Jetzt beruhigen sie sich doch! Wir müssen nicht unbedingt hier bleiben. Wir können danach auch irgendwo anders hingehen." Wieso ist er denn auf einmal so nett und verständnisvoll? Ich nickte nur, weil ich so verblüfft über sein merkwürdiges Lächeln war. Moment mal! Was meinte er mit "irgendwo anders hingehen"? Doch nicht etwa zu sich nach Hause? Es schien, als könnte man meinen Gedanken aus meinem Gesicht ablesen, denn er musste noch breiter lächeln.

"Ich meine in ein anderes Restaurant, natürlich."

"Natürlich!", sagte ich ziemlich barsch.

Nach einer längeren Pause ergriff er abermals das Wort.

"Sie haben mich letztens wirklich auf den Arm genommen."

"Was meinen sie?"

"Das wissen sie, Lylli, ganz genau!" Er hatte recht, ich wusste es, aber wusste er es besser? Trotzdem antwortete ich nur mit einem Lächeln.

"Es war ein ganz schöner Schock für mich, als sie mir sagten, sie seien noch minderjährig ..."

"Das habe ich nicht gesagt!" Er schaute mich verständnislos an. "Ich habe sie nur gefragt, ob sie schon mal von Verführung Minderjähriger gehört haben und das heißt noch lange nicht, dass ich es bin." Jetzt fing er an zu lachen.

"Aye, sie haben recht. Jetzt wo sie es sagen. Darauf hätte ich auch kommen können. Dann hätte ich mir die lästigen Nachforschungen sparen können - und eine menge Geld." Jetzt war ich es, die ihn verständnislos ansah.

"Was haben sie gemacht?"

"Sie haben mich schon richtig verstanden. Ich habe Nachforschungen betrieben. Ich weiß so gut wie alles über ihr Leben. Wann und wo sie geboren wurden, wer ihre Eltern sind und wann sie gestorben sind. Wo sie aufgewachsen sind und noch vieles Andere."

"Wieso?" Dieses Wort war mehr ein Flüstern, als wirklich eine Frage. Ich war mir nicht mal sicher, ob er es überhaupt gehört hatte, aber das war mir in diesem Moment egal. Zu wissen, dass jemand genau so viel über mein Leben wusste, wie nur ich es konnte, bereitete mir unendliche Angst. Ich war nicht mehr fähig richtig zu denken und innerlich total verletzt.

"Wissen sie, ich mag es nicht, wenn man mich auf den Arm nimmt und erst recht nicht von einer solchen Schönheit, wie sie es sind. Wissen sie, das verletzt mich doch sehr."

Ich konnte nicht antworten. Ich starrte nur auf die Rosen neben mir und probierte, einen klaren Gedanken zu fassen.

"Erzählen sie mir von ihren Eltern und von ihren Großeltern. Wie sind sie gestorben?"

"Das ist nicht ihr Ernst!"

"Oh doch das ist es!"

Ich hatte auf keinen Fall vor, ihm von dem Tod von meiner Familie zu erzählen. Gleichzeitig kam mir ein erschreckender Gedanke in den Sinn.

"Sie hatten nie vor ein Kind zu adoptieren."

"Nein, nicht wirklich. Jedenfalls nicht richtig. Ich würde es mit nach Hause nehmen und auf dem Papier adoptiert haben, aber lange behalten würde ich es nicht."

"Was meinen sie damit?" Ich war total entsetzt.

"Oh, sagen sie mir nicht, sie wissen nicht, wie viel ein kleines, armes, hilfloses Weisenkind an Geld einbringt!"

"Sie Bastard!"

"Aber, aber meine Liebe. Jetzt werden sie aber unhöflich!"

"Was wollen sie?"

"Das wissen sie ganz genau." Wieder hatte er recht, aber diesmal wusste ich es nicht ganz, sondern hatte nur eine unheimliche Vermutung, die sich sogleich als richtig herausstellen sollte.

"Dich!" Er nahm meine Hand, die ich jedoch sofort wieder wegzuziehen versuchte, doch er hielt sie so fest, dass es weh tat.

"Lassen sie mich los!"

"Nein. Sie werden jetzt so tun, als wenn nichts wäre, wir kriegen unser Essen und essen es ganz gemütlich, dann gehen wir lächelnd hinaus und du steigst in meinen Wagen. Wir fahren zu mir nach Hause und du tust mir einen Gefallen."

"Ich würde ihnen nie einen Gefallen tun!"

"Dann sieh es eher als deine Pflicht an, denn sonst wird es einen deiner Schützlinge bald nicht mehr so gut gehen!" Seine Hand schloss sich noch fester um meine.

"Wollen sie mich etwa erpressen?"

"So würde ich das nicht nennen, denn Erpressung ist so ein hartes und unschönes Wort - ah, das Essen kommt. Lächle!"

"Guten Appetit, Miss, Mr McLeoch."

"Vielen Dank." Ich weiß nicht, ob ich es mir nur eingebildet hatte, aber es sah so aus, als wenn der Kellner mich bemitleidenswert angesehen hat.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte, doch eines war klar: Ich würde nicht hier bleiben!

"Tut mir Leid, aber mir ist der Appetit vergangen!" Ich wollte gerade aufstehen und gehen, doch John hielt meine Hand fest.

"Geh lieber nicht."

"Ich wüsste nicht, was ich hier noch zu suchen hätte."

"Ich wüsste da schon etwas: Du willst doch nicht, dass deiner lieben Freundin etwas passiert, oder?" Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag.

"Sie wollen Shirley adoptieren?"

"Nicht wollen, ich habe sie bereits adoptiert!"

"Sie widerwertiger Bastard!!" Meine Stimme wurde immer lauter. Ich spürte die Blicke um uns herum.

"Schon wieder? Ich weiß ja nicht, wie du in diesem Heim erzogen wirst, aber solche unfeinen Wörter lernt man meines Wissens nach nicht."

"Oh doch. Nämlich um solchen Leuten wie sie es sind, in solchen Momenten wie jetzt genau diese Wörter an den Kopf zu werfen. Aber glauben sie mir, dies dient selbstverständlich nur zur Verteidigung."

"Da tut es mir aber Leid, dass du an einen solchen widerwertigen Bastard wie mich geraten bist, dem so etwas gar nichts ausmacht!" Ich war so wütend, ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Weil mir nichts Besseres einfiel, stand ich auf und rannte aus dem Lokal. Dabei stieß ich ausversehen einen Kellner mit einem Tablett voll Champagner an, sodass die Gläser scheppernd zu Boden fielen. Aber das war mir egal. Ich wollte nur noch weg, einfach zurück ins Heim, nach Hause.

Draußen blieb ich stehen und zog erst einmal die kalte Nachtluft ein.

"Ist alles in Ordnung Miss?" Ich drehte mich um und sah einem freundlich lächelnden Burschen ins Gesicht.

"Ja, alles in Ordnung Kleiner, danke!", sagte ich und erwiderte sein Lächeln. Dann ging er zurück in die Dunkelheit, woher er anscheinend auch hergekommen war. Es verwunderte mich ein wenig, jedoch konnte ich mir jetzt keine Gedanken darüber machen, da hinter mir die Tür aufging und John vor mir stand.

"Lassen sie mich in Ruhe!" Ich schrie fast, so hysterisch war ich.

"Bitte, beruhige dich!"

"Ich soll mich beruhigen? Sie sagen mir, dass sie mir nachspioniert haben und das sie meine beste Freundin verkaufen und mich vergewaltigen wollen und ich soll mich beruhigen???"

Ich wusste nicht, was ich gesagt hatte, denn auf einmal verzog er sein Gesicht und wurde ganz wütend. Ich merkte nicht einmal, dass er mich am Arm gepackt und an sich gezogen hatte, so schnell war er auf einmal. Ich erwachte erst wieder, als er mich gegen die harte Steinmauer des Restaurants drückte und wild mit seinen Händen an meinem Körper rumwuselte. Ich war wie versteinert. Doch dann begriff ich, was er vorhatte und geriet in Panik. Ich probierte ihn von mir zu stoßen, aber er war zu stark.

"Hör auf ... hör auf!" Ich bekam kaum einen Ton heraus.

"Sei still!", schrie er mich an. Jetzt vergriff er sich an seiner Hose. Ich hörte, wie er den Gürtel öffnete und seine Hose zu Boden rutschte. Dann schob er mein Kleid nach oben.
 

"Das hast du jetzt davon, meine Schöne! Ich hab dir ja gesagt, du sollst nicht gehen, dann wär es auch nicht so schlimm gewesen." Er zog sich wieder an und spuckte neben mir auf den Boden. Ich hörte, wie die Tür aufging, dann einen entsetzten Seufzer und eine freundliche Stimme.

"Was ist passiert, Mr McLeoch? Können wir helfen?"

"Oh nein, vielen Dank. Ihr ist bloß etwas schwindelig geworden, deswegen ist sie auch so schnell rausgegangen. Als ich dann rauskam, ist sie ohnmächtig geworden. Sie wollte sich nur kurz hinlegen, damit sie sich nicht übergeben muss."

"Oh gut. Dann bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon, es sei etwas Ernstes. Dann einen schönen Abend noch, John."

"Danke gleichfalls Ms McNab." Dann ertönten Schritte, die sich immer weiter entfernten. Eines stand fest: Er besaß eine unglaubliche Redegewandtheit. Nach einer Weile, als die Schritte schließlich verstummten, wandte er sich wieder mir zu. Er beugte sich zu mir herunten und flüsterte mir ins Ohr.

"Ich hoffe, das ist dir eine Lehre, nicht mit Gefühlen andere so herumzuspielen. Ich wünsche dir noch ein schönes Leben, meine Geliebte! Ach so, damit ich es nicht vergesse: Da du mir in gewisser Weise den Gefallen getan hast, werde ich deine kleine Freundin fürs Erste verschonen, aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen!" Dann hob er mich hoch und schleifte mich um die Ecke, küsste mich auf den Mund und ließ mich dann im Dunkeln liegen. Als auch seine Schritte verstummten, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich fühlte mich dreckig und benutzt. Und vor allen Dingen verraten. Wahrscheinlich wird er morgen früh ins Heim gehen, mein Verschwinden mit einer überzeugenden Ausrede erklären und Shirley mitnehmen, sie für seine Spielchen benutzen und sie dann an irgendeinen Perversen für gutes Geld verkaufen.

Vor lauter Erschöpfung und Schmerz schlief ich nach einer Weile ein ...

„Wach auf!“ Langsam öffnete ich meine Augen. Vor mir sah ich einen kleinen Jungen. Er hatte sich hingekniet und lächelte mich an.

„Du musst aufwachen Lyliana!“ Mir war auf einmal warm und der Duft von frischen Blumen stieg mir in die Nase. Als ich mich aufrichtete, sah ich es. Ich lag auf einer Wiese und vor mir dieser kleine Junge. Um mich herum schwirrten Bienen und Schmetterlinge. In weiter Ferne hörte ich leise einen Bach rauschen.

„Bin ich etwa tot?“ Ich wusste, dass diese Frage einfach nur lächerlich klang, aber das war das erste, was mir in den Sinn kam.

„Nein, du bist nicht tot. Kurz davor, aber noch nicht. Das hängt jetzt ganz von dir ab.“ Ich schaute ihn verwirrt an.

„Ich kenne dich!“

„Ja, allerdings.“

„Du hast mich vorhin gefragt, ob alles in Ordnung ist.“

„Wir kennen uns aber noch länger.“ Es dauerte eine Weile, bis es mir einfiel.

„Die Tür.“ Er nickte.

„Aye.“

„Aber warum? Warum bin ich auf einmal hier?“

„Weil ich es so wollte.“

„Aber …“ Weiter kam ich nicht, denn ich wurde von aufgeregtem Stimmengewirr unterbrochen.

„Hör zu, Lyliana, komme zur Tür. Fahre zum Haus deiner Großeltern und zögere es nicht zu lange heraus. Versprichst du es mir?“

„Aber das Haus ist zerstört und die Tür ebenfalls.“

„Versprichst du es mir?“ Ich schaute in seine Augen. Sie waren rot, aber irgendwie hatten sie etwas noch Seltsameres an sich. Aus einem Impuls heraus antwortete ich einfach.

„Ja.“

„Danke.“ Dann verschwand er und alles wurde schwarz.


 

"Legt sie hier herüber." Die Stimme kam mir bekannt vor.

"Vorsichtig." Ich merkte, wie ich auf etwas Weiches gelegt wurde, mein Bett.

"Wo wurde sie gefunden?"

Gleich um die Ecke des Lokals, Madam."

"Shirley!" Ich war erstaunt, als mir bewusst wurde, dass ich gerade gesprochen hatte.

"Holt sie her!"

"Aber es ist schon so spät!"

"Holt sie her hab ich gesagt!"

"Ja, Madam." Eine warme Hand legte sich auf meine Wange.

"Was hat er dir nur angetan?" Ich öffnete langsam die Augen.

"Silvia?"

"Ja, ich bin hier. Bleib ruhig liegen."

"Shirley!?"

"Sie kommt gleich!"

"Sie dürfen sie nicht weggeben. Er will sie weiter verkaufen!"

"Was redest du da?"

"John! Er will sie vergewaltigen und weiterverkaufen!"

"Mr McLeoch? Nein, das würde er nie tun!"

"Doch ..."

"Ist sie hier?"

"Ja, kommen sie nur herein." John trat an mein Bett.

"VERSCHWINDE!!! HAU AB!!!"

"Beruhige dich! Ich bin es doch nur!"

"Sie steht noch unter Schock, John."

"Ja, ich verstehe. Es ist ja verständlich, wenn einer Frau so etwas angetan wird."

"John, was ist passiert?"

"Ich weiß es auch nur aus zweiter Hand. Bei mir hat die Polizei angerufen und ich bin so schnell wie möglich hergekommen."

"FASS MICH NICHT AN!!!" Sofort nahm er die Hände weg.

"Was hat dieser widerliche Kerl dir nur angetan, Liebste?" Ich war total geschockt. Wieso tat er so etwas? Was hatte er davon?

"Madam, hier ist sie."

"Lylli!" Das war Shirleys Stimme. Sie rannte auf mich zu und schlang dann die Arme um mich.

"Geht es dir gut?" Ich konnte nicht antworten. Ich wusste nicht, ob es mir gut ging. Im Moment fühlte ich so gut wie gar nichts, nur Leere.

"Sag doch etwas!" Ich konnte immer noch nicht antworten, schließlich fing ich an, bitterlich zu weinen. Wieder umarmte sie mich. Ich ließ sie nicht mehr los wollte mich an ihr festklammern und für immer in dieser Haltung bleiben. Doch dann wurde sie weggezogen.

"Es reicht jetzt Shirley. Sie braucht Ruhe!"

"Ja, ist gut. Ich komme gleich morgen Früh!" Ich nickte nur.

Die Tür schloss sich und ich war wieder alleine, mit John und Silvia.

"GEH ENDLICH!" Immer noch schrie ich.

"Ich glaube es ist besser so, John. Kommen sie. Unten wartet die Polizei mit einigen Fragen. Ich glaube wir sollten sie jetzt alleine lassen."

"Aye, sie haben recht." Dann gingen beide und ich wurde abermals an diesem Abend alleine gelassen.
 

(Ende 2.Kapitel)



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2006-03-01T19:49:31+00:00 01.03.2006 20:49
oh o.o Ich bin entsetzt! Ueber mehrere Dinge um genau zu sein! Also erstmal ueber den Inhalt! Wie kann der so fies sein, das gibts doch nicht T__T
Und dann noch ueber etwas anderes... bin ich etwa immernoch die einzige Leserin? Sorry das ich erst so spaet ein Kommi schreib o.o Achje ich bin sooo faul. Ein gl[ck bist du es nicht :D Also, freu mich wieder auf die Fortsetzung mit neuen so tollen Ideen, hoffentlich weniger brutal, die Arme Lylli :/


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