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Spiegelbild

von

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Grüße: Kai-Shin

Anuri
 

Mirror Image – Kapitel Neun
 

Nagi wollte nicht hier sein. Nicht an diesem verhassten Ort. Nicht, wenn Omi allein im Schwarzhauptquartier saß. Nicht, wenn sein Geschichtslehrer zum dritten Mal über Toyotomi Hideyoshi, Tokugawa Ieyasu und Oda Nobunaga philosophierte. Er wusste nicht, warum jemand so fasziniert von der langweiligen Geschichte des 16. Jahrhundert sein konnte. Um sich abzulenken richtete sich sein Blick auf ein brünettes Mädchen, das direkt vor ihm saß.

Er hatte gestern gefehlt und heute lief sie an ihm vorbei, als hätte sie ihn nicht gesehen. Sobald er sich sicher war, dass sie wusste, dass er da war, bemerkte er, dass sie mit Absicht kein Wort mit ihm sprach. Selbst ihren ignoranten Mitschülern fiel das seltsame Verhalten des Mädchens auf und alle fragten ihn, ob er sie betrogen hätte. In dem Sinne wusste er nicht, wie er Saru hätte betrügen können, weswegen er nicht auf ihre Fragen einging, sondern nur das Mädchen still musterte.

Ein Klingeln holte ihn aus seinen Überlegungen und er atmete erleichtert auf. Plötzlich spürte er eine leichte Berührung an seinem Arm und er sah fragend auf.

„Man redet wieder mit mir?“, fragte er desinteressiert und packte seine Hefte in die Tasche.

„Weißt du, was ein Metamorph ist?“

„Nein,“ antwortete er, wusste nicht, wohin Saru mit ihrer Frage wollte.

Sie hockte sich hin und stützte ihre Arme an seinem Tisch ab, sodass sie auf einer Höhe waren, sah ihn dann eindringlich an. „Viele antike Götter waren Metamorphe. Zeus zum Beispiel hat sich in einen Ochsen verwandelt, oder in ein Reh. Auch andere Götter veränderten ihre Form, um bestimmte Pläne auszuführen.“

„Wie haben sie es gemacht?“

Saru legte den Kopf auf ihre Arme und drehte ihn in seine Richtung, seufzte leise, wahrscheinlich verwirrt von seiner Frage. „Ein Metamorph kann seine Molekularstruktur beliebig verändern, sogar das Aussehen anderer Menschen annehmen. Dafür braucht er aber ein Stück der D.N.A eines Menschen, ein Haar zum Beispiel.“ Langsam weckte das Mädchen sein Interesse und er sah sie nachdenklich an, hob dann fragend eine Augenbraue. „Er prägt sich den D.N.A.-Code ein und verändert seine Molekularstruktur nach diesen Angaben.“

„Wie?“

Sie zuckte mit der Schulter. „Keine Ahnung.“

Er sah sie lange an, wandte dann seinen Blick aus dem Fenster, schien über die Worte des Mädchens nachzudenken.

„Weißt du, dass es in unserer Neuzeit Metamorphe gibt?“

Seine Augen weiteten sich überrascht, als ihm die Worte von Brad einfielen, die er letzte Woche zu Schuldig gesagt und die er wirklich nur durch Zufall gehört hatte. Er konnte nicht viel mit den vorherigen Wortfetzen anfangen, aber der Amerikaner sagte etwas in der Richtung von: Wie es aussieht, haben wir es mit einem Formenwandler zu tun.

Konnte es sein...? Langsam fuhr seine Hand zum rechten Ohr, auf dem er noch immer schlechter hören konnte als auf dem linken. Das Mädchen bemerkte seine Handbewegung, wandte ihren Blick ab. Das war alles, was Nagi brauchte. Wütend stieß er sich vom Tisch ab, stand ruckartig auf und der Stuhl, auf dem er saß, kippte zurück. „Du!“

Saru stand ebenfalls auf, sah ihn ausdruckslos an.

„Das warst du!“

„Ich weiß nicht—!“

„Lüg mich nicht an! Sag mir nicht, du weißt nicht wovon ich spreche oder du hättest nichts damit zu tun.“

Ein Raunen durchlief den Raum. Er sah sich um, packte dann das Mädchen am Arm und zog sie aus den Raum. „Lass los,“ rief sie, zerrte an seinem Arm, aber sein Griff war zu stark. Die Schüler und Lehrer, an denen sie vorbeikamen, warfen ihnen überraschte Blicke zu, doch Nagi zog das Mädchen rücksichtslos hinter sich her bis er sie hinter den Schulhof gezerrt hatte. Saru schrie als er sie losließ und stattdessen gegen eine Wand drückte, sodass ihr Rücken zu ihm zeigte. Nagi bemerkte aus dem Augenwinkel, dass ein paar Schüler ihnen gefolgt waren, doch ein Blick genügte und sie verschwanden wieder um die Ecke.

„Metamorph, sagst du?“, fragte er, riss ihr die Schuljacke vom Leib.

„Hör auf! Fass mich nicht an,“ schrie sie, doch Nagi ignorierte sie. Ohne viele Umschweife zog er das weiße Hemd aus ihrem Rock und schob es hoch, dann hielt er wie erstarrt inne. Lange starrte er auf den Zahlencode, der auf ihr Schulterblatt tätowiert war, schloss dann tief einatmend seine Augen.

„Lass mich los...“, bettelte sie leise nach ein paar Sekunden.

Das holte Nagi aus seiner Apathie und er nahm seine Hände von ihrem Körper. Saru beruhigte sich langsam, drehte sich dann um und ließ sich an der Wand hinabgleiten. Sie griff nach ihrer Jacke, schüttelte sie aus, um sie von Schmutz zu befreien, während Nagi auf sie hinab sah.

„19811012-07-78,“ wiederholte er die Zahlen und sie nickte nur.

„Kurz 78.“

„Du bist ein Empath?“

„Mit spärlichen Tendenzen zur Telepathie,“ ergänzte sie erschöpft, rieb sich die Stirn.

„Das chinesische Labor.“

Sie nickte, öffnete ihren Rock, um das Hemd wieder ordentlich hineinzustecken, zog sich dann die Jacke über, lehnte sich zurück. Sie schwiegen, starrten nach vorn und saßen dicht nebeneinander. Plötzlich stand Nagi auf und sah auf Saru, die noch immer blass an der Wand lehnte.

„Warte hier,“ befahl er und sie nickte.

Nagi konnte nicht glauben, was passierte. Während er zurück in ihr Klassenzimmer ging, unter den verwunderten Blicken des Lehrers und der Schüler Sarus und seine Sachen zusammen packte und ohne ein Wort wieder herausging, überlegte er sich, was er mit der Brünetten machen sollte. Was war ihre Absicht? Warum hatte sie ihm von den Metamorphen erzählt? Sie musste etwas wissen.

Sobald er das Schulgelände verlassen hatte, bemerkte er Saru am Schultor. Sie schien auf ihn zu warten, denn sie machte keine Anstalten wegzulaufen. Er sagte nichts, als er ihr die Tasche in die Hand drückte und sie ignorierten das Rufen des Schulaufsehers, als sie den Hof verließen.
 

* * *
 

Alex saß auf einem Stuhl im Warteraum und beobachtete die Büroarbeiter, die an ihm vorbeikamen und ihren baldigen Feierabend herbeisehnten. Plötzlich versperrte ihm ein Körper die Aussicht und er fühlte sich genötigt aufzusehen. „Hey, Jennifer,“ meinte er, sah die Frau mit den kurzen schwarzen Haaren gelangweilt an. „Neue Perücke?“ Sie ging auf seine Frage nicht ein, drehte sich nur um und deutete ihm an ihr zu folgen. Widerwillig hob er sich aus dem Stuhl, folgte der Frau auf Schritt und Tritt, bis sie ein Büro erreicht hatten, das von innen mit Jalousien abgedunkelt war. Er betrat den Raum, schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf die Couch.

Jennifer stellte sich neben ihn, legte eine Hand auf seine Schulter. Dann drehte sich der Stuhl um und Yves kam zum Vorschein.

„Es wird Zeit, eure Cover loszuwerden.“

Jennifer hob fragend eine Augenbraue, während Alex gelangweilt nickte.

„Warum?“, fragte die Frau, kam einen Schritt vor.

„Sie haben vor ein paar Tagen meinen Auftrag gekündigt. Ihr beide könnt sie demnach aus dem Weg räumen. Sie sind vogelfrei.“

„Name?“, fragte Alex, der die Identität ihrer Sündenböcke nie kennen gelernt hatte. Yves überreichte ihm grinsend drei Photos. Seine Augen öffneten sich überrascht und er warf einen prüfenden Blick auf Jennifer, die nur nickte und ihm die Photos abnahm.

„Vernichtet sie, bevor Kritiker sie bekommt.“ Mit diesen Worten entließ der Mann die beiden und drehte sich auf den Schreibtischstuhl um, starrte aus dem Fenster. Der dunkelhaarige Junge schloss leise die Tür hinter sich, folgte dann der Frau, die mit sicheren Schritten den Gang entlang zum Fahrstuhl ging.

„Ich werde es erledigen,“ sagte sie zu ihm, betrat dann den Lift, bevor Alex eine Chance zur Antwort hatte. Die Türen schlossen sich und er setzte sich auf eine Bank im Gang, stützte seinen Kopf in seine Hände. Zehn Minuten saß er da, ohne sich zu bewegen. Dann stand er auf und stürmte die Treppen bis zum Erdgeschoss herunter.
 

* * *
 

„So, Abyssinian will nicht, dass du mit uns über eure Aufträge redest?“, fragte Schuldig, stützte sich vom Tisch ab. Omi sah von seinem Labtop auf und nickte ernst. „Wir könnten euch helfen,“ schlug der Rothaarige vor, beugte sich noch weiter vor.

„Schuldig,“ warnte der Blonde, drehte den Labtop. „Es war von Anfang an so abgesprochen, ich mische mich nicht in eure Aufträge ein und ihr euch nicht in meine. Mach das also nicht schwerer für mich, als es sowieso schon ist.“

„Also ist es ein besonderer Auftrag?“, fragte Farfarello, der seinen Kopf in den Ofenröhre steckte um sie zu reinigen.

Omi zuckte zusammen, wandte seinen Blick stur auf den Bildschirm und versuchte den Deutschen zu ignorieren. Dieser richtete sich plötzlich auf, ging zum Fenster und sah heraus. „Nagi kommt... mit Begleitung.“ Omi sah überrascht auf, schloss den Labtop und drängelte sich an ihm vorbei zum Fenster.

„Saru!“ rief er erstaunt aus, warf dann einen Blick auf die Uhr. „Die schwänzen schon wieder!“

„Wer?“, fragten die anderen beiden, sahen dem blonden Wirbelwind, der die Küche schon verlassen hatte und zur Eingangstür stürmte nach. Schwungvoll öffnete er die Tür, noch bevor Nagi die Chance hatte den Schlüssel umzudrehen, starrte die beiden verärgert an. Doch dann bemerkte er Sarus unordentliche Kleidung und ihr blasses Gesicht.

„Nagi?“, fragte er, warf einen fragenden Blick auf seinen Freund, der einfach nur zur Seite sah.

„Hey, was—Du?“

Alle Blicke richteten sich auf den Rothaarigen, dessen Augenbrauen sich nachdenklich verengten. Dann grinste er wieder, reichte dem Mädchen die Hand.

„Wie geht’s deinem Bein?“

Sie starrte die Hand ausdruckslos an, streckte dann ihr Bein aus und zeigte es dem Deutschen. „Es heilt, wie geht’s deiner Hand?“

„Sie heilt,“ antwortete der Rothaarige grinsend, schuf dann Platz, damit die beiden Jugendlichen eintreten konnten. Als Nagi an ihn vorbei ging, warf Omi ihm einen besorgten Blick zu, doch sein Freund schüttelte nur unmerklich den Kopf, ging voran in das Wohnzimmer, wohin ihn die anderen folgten. Sie verteilten sich im Raum und Nagi drückte das Mädchen auf einen Sessel, setzte sich auf die angrenzende Couch mit Omi auf der anderen Seite. Saru sah den Telekineten abwartend an, doch der lehnte sich nur zurück. Sie seufzte unmerklich, zog dann ihre Jacke aus, setzte dazu an, ihr Hemd aufzuknöpfen.

„Saru!“, rief Omi empört aus und sprang auf, doch Nagi hielt ihn zurück, zog ihn zurück auf die Couch. Farfarello und Schuldig runzelten die Stirn, kamen dann auf die Brünette zu, während sie sich umdrehte und ihr weißes Hemd unter die Schulterblätter fallen ließ, ihr Haar aus den Weg strich. Der Ire knurrte leise, sobald er die Nummer sah, während Omi scharf die Luft einsog und Schuldig wissend nickte.

„Wisst ihr, was ein Metamorph ist?“

„Na dann fang mal an,“ forderte der Deutsche sie auf, ließ sich auf die Couch fallen. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und ... fing an. Während ihrer Erklärung zog sie sich wieder an, setzte sich auf den Sessel und beobachtete die Jungs, die kreisförmig um sie herumsaßen. Sie hatte nicht gesagt, wer der Metamorph war oder was dieser vorhatte, aber es schien, als würde sie auch das bald verraten. Saru spürte, wie Schuldig versuchte, ihre mentale Barriere einzureißen, aber sie hatte viele Jahre Übung mit Tyfa hinter sich. Vielleicht war der deutsche Telepath besser als ihre Freundin, wenn jedoch die Barrieren eines Menschen erst einmal gestärkt waren, konnte selbst der beste Telepath sie nicht umgehen. Der Druck auf ihrem Hinterkopf ließ nach und sie lächelte Schuldig höhnisch an.

„Ich bin kein Mensch, der Freunde verrät,“ begann sie nach einiger Zeit langsam, „aber ich schulde euch meine Freiheit. Deine Wunden, Schuldig, und auch deine Nagi, sind beide von meinem Freund.“

Sie bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Omi eine Hand auf den Schenkel seines Freundes legte, wandte seinen Blick aber nicht von Saru.

„Hat er es dir erzähl?“, fragte der brünette Telekinet, legte unbewusst seine Hand auf die des Blonden. „Ich fragte ihn, wer uns aus dem Labor befreit hatte. Er wollte es mir erst nicht sagen, jedoch... nach einigem Drängen meinerseits verriet er es mir. Ich wusste deshalb, dass er eine Antipathie gegen euch hegte, aufgrund der Tatsache, dass ihr 21 so bestialisch ermordet habt.“ Ihre Augen verschmälerten sich und ihr Blick wurde eisig. „Trotzdem bin ich hergekommen, weil ich glaube, dass ihr einen guten Grund dafür hattet.“

„Er war ein Sleeper,“ warf Farfarello ein und sagte zum ersten Mal seit dem Eintreffen des Mädchen etwas. „Genauso wie drei weitere.“

„Ich verstehe,“ meinte die Brünette, starrte dann auf ihre Hände. Es war einige Zeit still, dann richtete sie ihren Blick wieder auf. „Ich wäre bereit, euch etwas über einen Metamorph zu sagen, dass noch nicht einmal Rosenkreuz herausfand – unter einer Bedingung.“ Sie richtete sich an Nagi und Omi, schließlich vertraute sie diesen beiden Jugendlichen mehr als den anderen. Der Blonde nickte.

„Tut ihm nichts.“

Sie sahen sich fragend an, schienen über Schuldigs Telepathie zu kommunizieren. „Woher sollen wir wissen, dass diese Information richtig ist?“, fragte Schuldig plötzlich.

„Lasst es mich so ausdrücken: Wenn er euch angreift, könnt ihr euch wehren – ihn töten, wenn ihr müsst.“ Sie sah sie mit einem vielsagenden Blick an, senkte ihn dann. „Aber solltet ihr ihn auf offner Straße treffen, lasst ihn in Ruhe. Ich werde ihn natürlich warnen und ihm die näheren Umstände erklären, die zu 21’s Tod führten, aber sollte er dennoch auf Rache aus sein, wäre es seine eigene Dummheit, die ihn in sein Verderben führt.“

„Du bist kaltherzig!“, rief Omi plötzlich aus und die Mitglieder von Schwarz sahen ihn überrascht an. „Er ist dein Freund, wie kannst du so über ihn reden?“

„Wir alle wissen,“ begann Saru laut und deutlich, hielt den Blick des Blonden stand, „was Freunde sich gegenseitig antun können.“ Die meeresblauen Augen wurde dunkel vor Wut, aber Omi verhielt sich vorerst ruhig. „Keiner von uns traut dem anderen, aber die Menschen um uns herum, sind die einzigen, auf die wir uns verlassen wollen und können. So entsteht ein Gleichgewicht zwischen Misstrauen und Vertrauen.“ Omi sah sie irritiert an und sie senkte ihre Stimme etwas. „Omi, Menschen wie wir, Menschen, die in einem Labor aufgewachsen sind, vertrauen niemandem, nicht einmal der eigenen Familie, weshalb wir es schwer haben, jemanden als einen Freund zu akzeptieren. Jeder von uns weiß das und deshalb misstraut jeder selbst denen, die sie als Freund bezeichnen möchten. Kurz heißt das, so etwas wie Freundschaft kann zwischen Menschen wie uns nicht existieren, selbst wenn wir wollten. Also bezeichne *du* ihn nicht als meinen Freund, denn bei dir liegt keine Illusion in dem Wort.“

„Das ist grausam!“

„Das ist die Realität.“

Omi wich aufgrund ihres scharfen Tons zurück, sah sie aus großen Augen an, doch Saru wandte sich schon wieder ab. „Seid ihr mit der Bedingung einverstanden?“

„Ja,“ antwortete der Blonde, ignorierte die unglaubwürdigen Blicke der anderen. „Schwarz wird ihn nicht anrühren, wenn du ihn uns vom Hals hältst.“

„Halt dich da raus, Kleiner,“ brummte Schuldig und sah Omi missgelaunt an, bemerkte dabei nicht den scharfen Blick, den Saru dem kleinen Blonden zuwarf. „Das hier geht dich gar nichts an.“

„Nagi ist meine Freund,“ wehrte der Weiß sich, genauso gereizt wie sein Gesprächspartner, „und wenn mein Freund nun einmal zu einer Organisation namens Schwarz gehört, dann ist es wichtig, dass ich alles über diese Organisation weiß.“

„Omi, wir sind keine Organisation,“ warf Nagi ein, versuchte seinen Freund zu beruhigen, doch dieser zischte nur und schüttelte die Hände des anderen von sich.

„Ich hätte da übrigens noch eine Bitte, das hätte dann aber nichts mit unserer Vereinbarung zu tun,“ begann Saru plötzlich, wandte sich forschend an Omi. „und betrifft dieses Mal wirklich Omi oder, genauer, Weiß.“ Der Blonde sah sie überrascht an, runzelte verwirrt die Stirn. „Haltet mir Kritiker vom Leib – und nicht nur mir, sondern allen Entflohenen von Rosenkreuz.“

Irritiert sahen die Schwarzmitglieder sich an, während Omi ungemütlich auf seinem Sitz hin und her rutschte. „Aya hat mir verboten, über die Mission zu entscheiden, geschweige denn sie abzulehnen.” Kein Muskel verzog sich in dem Gesicht des Mädchens.

„Das habe ich mir gedacht, aber wir können nicht viel gegen Weiß und Kritiker ausrichten. Ich gebe es ungern zu, aber ich bin nur ein Empath und verkrüppelter Telepath. Die anderen beiden wollen nicht kämpfen – auf keinen Fall – was die Angelegenheit nicht wirklich vereinfacht.“

„Ich kann den Auftrag von Kritiker nicht einfach ignorieren!“, rief Omi deutlicher zu seiner Verteidigung aus. „Und wie soll ich den anderen erklären, dass wir ihn ablehnen, diesen Auftrag? Kritiker würde alles über Nagi und mich erfahren... und überhaupt, einen Auftrag von Kritiker ablehnen—das wäre—das wäre purer Selbstmord!“

Saru seufzte erschöpft, rieb sich ihre Stirn. „In was für Dimensionen denkst du, Omi? Weißt du überhaupt, warum Kritiker gegen eine Beziehung zwischen Nagi und dir wäre?“

Der Jüngste von Schwarz sah sie still an, blickte nachdenklich zur Seite, dann öffnete sich überrascht sein Mund und sie wusste, dass zumindest ihm ein Licht aufging. „Kritiker hat keine Angst, dass eure Beziehung Aufträge gefährden könnte, das, was sie – und auch andere – am meisten fürchten, ist—“

„—eine Fusion der beiden Teams,“ beendete plötzlich jemand den Satz. „Das Mädchen hat Recht.“

„Brad!“, rief Schuldig überrascht aus, runzelte dann die Stirn. „Du bist doch Brad, oder?“

„Schweig,“ warf er dem Deutschen desinteressiert entgegen und dieser fing an zu grinsen. „Ah, das ist der Brad, den wir alle lieben.“

„Du wusstest davon?“, fragte Nagi den dunkelhaarigen Amerikaner, der näher kam und das Mädchen musterte.

„Es kursieren schon lange Gerüchte über unser Vorhaben, sogar Kritiker spekulierte. Es fiel auf, dass wir Aufträge mit Weiß als Gegner ablehnten.“

Omi sah den älteren Mann verzeihend an, wollte gerade etwas sagen, als dieser ihn unterbrach. „Du brauchst dich nicht entschuldigen. Durch diese Annahme, dass irgendetwas zwischen Weiß und Schwarz vorging, wurde es ruhiger. Viele verhielten sich unauffällig, weil sie nicht wussten, von welcher Seite die Angriffe kommen könnten.“ Ein Lächeln lief über die Lippen des Dunkelhaarigen und Saru konnte erahnen, dass sich der Amerikaner über diese Tatsache amüsiert hatte. „Andererseits gab es auch ein paar Mafiabosse, die nicht besonders erfreut über diese Gerüchte waren. So zum Beispiel ein gewisser Yves Arlain, nicht wahr, Ren Saru?“

Ein kaltes Lächeln legte sich auf die Lippen des Mädchens. „Das kann ich nicht wissen,“ antwortete sie gelassen, lehnte sich im Stuhl zurück.

„Yves Arlain?“, fragte Nagi und runzelte die Stirn. „Ist das nicht der Mann, der uns vor ein paar Monaten anheuern wollte?“

„Ja. Wir lehnten seinen Auftrag ab, weil er auf Kritikers Abschussliste steht,“ ergänzte Brad, kreuzte die Arme vor der Brust.

„Und Saru... arbeitet für ihn?“ Nagi sah das brünette Mädchen überrascht an, legte dann den Kopf in seine Hand, schüttelte ihn. „Das bedeutet, du hast versucht, dich mit mir anzufreunden, weil dein Auftrag was war?“, fragte er ruhig. Saru bemerkte, wie Omi Gänsehaut bekam, seinen Arm um die Hüfte des anderen legte.

„Mein Auftrag bestand darin, euch beide auseinander zu bringen – egal wie.“

Omi sah sie schockiert an, während Nagi nur leicht seinen Kopf drehte um ihr Gesicht zu sehen. Aus Farfarellos Richtung war ein gefährliches Knurren zu hören, während Schuldig und Brad überhaupt nicht reagierten. Plötzlich stand der blonde Weiß auf und kam auf sie zu, stellte sich direkt vor ihr. Ohne ein Wort zu sagen holte er zum Schlag aus und ohrfeigte das überraschte Mädchen.

„Wie kannst du uns das ins Gesicht sagen ohne auch nur einen Funken Reue zu zeigen?“

„Indem ich den Mund öffne und ihn zum Sprechen benutze,“ antwortete sie, legte eine Hand auf ihre errötende Wange.

„Warum bist du so unmenschlich?“

„Weil man sich Menschlichkeit in Rosenkreuz nicht bewahren kann!“

„Hör auf dich selbst zu bemitleiden!“, rief Omi aufgebracht, ballte seine Hände zu Fäuste. „Dauernd redest du von Rosenkreuz. Rosenkreuz ist an allem Schuld. Rosenkreuz hat dein Leben versaut. Rosenkreuz hat dies und das gemacht. Sieh dir Nagi an oder Schuldig, wie unmenschlich sind sie?“

„Ich bin siebzehn, Omi. Ich war über fünfzehn Jahre eine Laborratte, ein Versuchsobjekt, eine ausgebildete Waffe und ich bin nur ein Empath. Wozu brauch man einen Empath, frag ich dich? Ich bin für nichts und wieder nichts mein Leben lang wie ein Objekt behandelt worden, weil ich schlicht und einfach sensibler bin als der durchschnittliche Mensch. Telekinese, Telepathie, Pyrokinese oder Weissagung, Metamorphose, Heilen, das sind Eigenschaften, die man benutzen kann, aber nicht Empathie,“ antwortete sie bemüht ruhig, richtete ihren Blick auf jeden einzelnen von Schwarz. „Nagi war drei Jahre in Rosenkreuz, Schuldig fünf. Vergleich das mit fünfzehn in meinem Alter und denk an die systematische Abtötung jeglicher Gefühle. Das tötet einen Menschen von innen, Omi. Rosenkreuz ist keine Ausrede, Rosenkreuz ist der Grund.“

„Sie hat recht,“ setzte Nagi an, sobald er bemerkte, dass sein Freund antworten wollte. „Rosenkreuz ist keine Ausrede für das, was du bist, es ist der Grund, dass du zu dem geworden bist, das du bist. Außerdem war es ein Auftrag.“

„Das ist nicht wahr! Ihr Freund will sich doch rächen, dass heißt, er spürt Trauer für die Ermordung—“

„Weil er denkt, dass es das ist, was ein ‚Freund’ machen würde. Er versucht nur betont ‚normal’ zu sein. Er fühlt nichts, will es nur nicht wahr haben,“ unterbrach ihn das Mädchen, stand dann auf. „Ich hätte mich nicht von Nagi mitschleppen lassen sollen. Ich hätte es noch nicht einmal ansprechen sollen.“

„Warte!“

Sie reagiert nicht auf Brads Aufforderung, umrundete nur gelassen die Couch auf der Omi und Nagi saßen. Plötzlich wurde sie aufgehalten und konnte sich nicht mehr bewegen.

„Ich kann dich nicht gehen lassen,“ meinte der Brünette plötzlich und erhob sich von der Couch, drehte sich ihr zu. „Du hast einen Auftrag und der ist leider gegen Omi und mich gerichtet, was uns zu temporären Feinden macht. Du musst wissen,“ Nagi hob seinen Kopf, sah ihr direkt in die Augen. „Schwarz macht keine Gefangenen.“

Sie lächelte zufrieden, warf einen Blick auf den schockierten Blonden an Nagis Seite. Dann drehte Brad sich plötzlich zur Tür und zog seine Waffe, Schuldig und Farfarello gingen sofort in Gefechtsposition. Langsam öffnete sich die Tür von außen und zwei Personen betraten ohne Sorgen das Wohnzimmer. „Das wird jawohl nicht nötig sein,“ empörte sich das grünhaarige Mädchen und deutete gelassen mit ihrer Hand auf Brad, der seine Waffe wieder runter nahm. Der Junge neben ihr ging auf seine Schwester zu, rüttelte sie leicht an der Schulter und die Verspannung in ihrem Körper löste sich, ließ es zu, dass sie zumindest ein paar Glieder bewegen konnte. „Das Problem mit Ren ist,“ begann Toyu und wandte sich an die anderen im Raum, „dass sie versucht, so inhuman wie möglich zu wirken. Sie versucht sich einzureden, dass sie keine Gefühle hat und begründet es ständig mit Rosenkreuz.“

„Was—“

„Es ist unhöflich, andere zu unterbrechen, Saru,“ mischte sich Tyfa ein, wandte sich dann ebenfalls von ihr ab. „Tyfa Arata, freut mich. Das heißt, ich würde mich freuen, wenn ihr meine Freundin nicht gefangen halten würdet.“

„Ich sagte es schon einmal und ich wiederhole mich nicht gern, aber Schwarz macht keine Gefangenen.“

„Und wie ich hörte, ist es dein Prinzip, keine Unschuldigen zu töten.“

„Sie arbeitet für Arlain,“ antwortete Farfarello, musterte die beiden Neuankömmlinge interessiert, da Brad sie anscheinend kannte – ansonsten hätte er nie die Waffe runtergenommen.

„Nicht mehr.“ Saru sah, ob dieser Worte, ihren Bruder überrascht an, doch der schien sie vorrübergehend zu ignorieren. „Nachdem wir hörten, dass ihr uns aus dem Labor befreit habt, kündigten wir den Auftrag.“

„Das heißt, Arlain wird euch umbringen lassen,“ schlussfolgerte Nagi und entließ das Mädchen aus seiner Telekinese. Schuldig runzelte die Stirn, wandte sich von dem Brünetten ab.

Saru rieb mit einer Hand über den Nacken. „Was soll das heißen, ihr habt den Auftrag gekündigt? Wegen Schwarz?“

„Auch,“ antwortete Tyfa, nahm sich die Freiheit heraus und setze sich auf den Sessel, den ihre Freundin vorher belegt hatte.

„Du hast mich darum gebeten, herauszufinden, wer Schwarz angegriffen hat. Ehrlich gesagt, landete ich dort in einer Sackgasse, da sie zu viele Feinde haben.“ Über Farfarellos Lippen lief ein hämisches Grinsen. „Dann tauchte,“ sie warf einen kurzen Blick auf Schwarz, wandte sich dann wieder an Saru, „152 auf. Ich war etwas verwundert, dass muss ich sagen und forschte ein bisschen nach. Dabei fand ich ein paar sehr interessante Information über Arlain und 152 heraus.“

Toyu stellte sich hinter das grünhaarige Mädchen, legte eine Hand auf die Rückenlehne und fuhr fort. „Außerdem hatten wir euer Gespräch mit angehört. Wie du, haben wir nur logisch kombiniert und es dauerte nicht lange bis wir wussten, dass 152 ebenfalls im Auftrag von Arlain handelte. Wir waren lediglich seine Strohpuppen, sollte bei ihm etwas schief gehen.“

„Soll das heißen, wir waren seine Sündenböcke?“

„Exakt!“

„Das ist gelogen!“

Tyfa ignorierte ihren Einwurf, redete anstelle von Toyu unbeschwert weiter. „Daraufhin riefen wir Crawford an.“

„Ihr habt was?“

Das brünette Mädchen sah zu Brad, dann in die Gesichter jedes einzelnen im Raum. Bei Toyu hielt sie inne, senkte dann ihren Blick. „Ihr habt mich die ganze Zeit verarscht.“ Ihre Augen wurden zu Schlitzen verengt und sie fixierte ihren Bruder wütend. „Seit einer Woche... und Alex... Ihr habt Alex nur zu uns gelassen um ihn auszuforschen?“

„Nein,“ antwortetet Tyfa mit einer sanften Stimme. „Wir haben ihn zu uns geholt, damit wir ihn kontrollieren können. Wir wollten nicht, dass er noch mehr anstellt und somit weiter in Arlains Sumpf gezogen wird.“

„Ihr wolltet ihn lieber in eurem Sumpf, was?“

„Weißt du, warum wir diesen Auftrag überhaupt angenommen haben?“, fragte Toyu und sah seine Schwester gereizt an. „Weil du ohne das Kämpfen nicht leben kannst. Wegen deiner Komplexe, weil du nur ein verkrüppelter Telepath und ein nutzloser Empath bist.“

‚Autsch’, dachte Nagi als er einen Blick auf das brünette Mädchen warf, das verärgert die Hände zu Fäusten ballte. Er wusste, dass ein Empath regelmäßig unterbewertet wurde, dennoch hatte er eine andere nützliche Gabe: sie konnten Menschen mit ihren eigenen Gefühlen manipulieren oder verwirren. Rosenkreuz konnte das nie herausfinden, da es von Anfang an jegliche Emotion abtöten wollte, aber Schuldig hatte es ihm einmal erzählt.

Ein Empath war ohne Gefühle nichts.

„Du bist ein Nichts,“ warf er ein.

„Da liegt sie schon am Boden und du trittst immer noch nach,“ bemerkte Schuldig.

„Haltet die Schnauze!“

Alle Blicke wandten sich auf Saru, die sie feindselig musterte, dann versuchte sich langsam zu beruhigen indem sie ein paar Mal ein und aus atmete. „Ich lass mich nicht von euch verspotten. Eine Woche lang habe ich mich gefragt, was ich machen soll—“

„So etwas nennt sich Gewissenskonflikt, den man nur haben kann, wenn man ein Gewissen hat, was darauf schließen lässt, dass moralische Grundvorstellungen vorhanden sind, die im Zwiespalt mit den eigenen Gefühlen stehen. Ergo, du hast Gefühle.“

„Farfarello!“, rief Omi aus, sah den Weißhaarigen überrascht an.

„Könnte hier ein bisschen Ordnung einkehren?“, fragte Nagi und hielt sich den Kopf. Er dachte, er bekäme jeden Moment Kopfschmerzen. Die anderen wurden still und beobachteten ihn.

„Erstens, Brad, was weißt du und warum wissen wir es nicht?“

Der Amerikaner warf einen desinteressierten Blick auf den Jüngeren, begann dann zu sprechen. „Vor drei Tagen wurde ich von Toyu Saru angerufen, der mir mitteilte, dass wir es mit einem Metamorph – einer Art Formenwandler – zu tun hätten.“

„Und du glaubtest ihn?“

Brad warf einen skeptischen Blick auf den Brünetten, runzelte dann die Stirn. „Natürlich nicht.“ Mit diesen Worten begann der Amerikaner den anderen zu erklären, dass Schuldig der einzige war, der etwas näheres über den Metamorph wusste. Brad allein kannte jegliche Informationen und Umstände, forschte nach den Daten der vier Rosenkreuzflüchtlinge und Arlain, während er Nagi und Omi außen vorließ.

Saru hörte ihm genervt zu, wollte nicht glauben, dass Tyfa und Toyu sie hintergangen hatten, doch dann fielen ihr ihre eigenen Worte wieder ein. Niemand vertraute jemanden, so war es, auch zwischen ihnen. Frustriert lehnte sie sich gegen eine Wand, strahlte nach außen Desinteresse aus.

„Wir vermuten, dass Yves Plan die Zersplitterung von Tsukiyono-kun und Schwarz war,“ führte Toyu fort, nachdem Brad geendet hatte. „Yves stand auf Kritikers Abschussliste und wusste, dass er Schwarz brauchte. Also musste Omi weg.“

„Die Vergewaltigung kam uns deswegen ziemlich ungelegen,“ mischte sich Saru mit einem kalten Lächeln ein, wandte sich an das Paar auf der Couch. Omi war kurz davor aufzuspringen und das Mädchen erneut zu ohrfeigen, aber Nagi hielt ihn mit einer Hand und einem gequälten Lächeln zurück.

„Saru, sei still,“ zischte Tyfa, deutete dann Toyu an, weiter zu reden.

„Diesen Auftrag sollten allerdings vorerst zwei andere erledigen. Als die Sache dann zu gefährlich für die beiden wurde, heuerte Yves uns an. Er gab uns den Auftrag Omi und Nagi auseinander zubringen, sodass, sollte etwas schief gehen, er uns als Sündenböcke dastehen lassen konnte.“

„Das heißt, unsere Spur hätte zu euch geführt und von dort nicht weiter, weil er darauf vertraute, dass ihr nicht reden würdet“, schlussfolgerte Nagi, sah kurz auf Saru, die ihren Blick nicht von Toyu ließ. Doch anscheinend hatte sie seinen Blick gespürt, denn sie drehte sich plötzlich zu ihm um. Ihre Lippen verformten sich zu einer schmalen Linie und ihre Augen schienen ihn aufspießen zu wollen.

„Unser Plan war es Weiß darauf aufmerksam zu machen, dass ihr beide zusammen seid, um sie zu benutzen und einen Keil zwischen euch zu treiben. Da Tsukiyono-kun nun aber von einem seiner Freunde vergewaltigt wurde und sich die Beziehung zwischen Tsukiyono-kun und Naoe-kun gestärkt hatte, bekamen wir ein paar kleine Probleme. Wir wollten uns dennoch teilweise an den Plan halten und schickten Saru zu eurem Laden,“ – Toyu deutete auf Omi „ – und ich gab mich als Naoe-san aus.“

Omi und Nagi sahen ihn verständnislos an. Er seufzte, schloss dann seine Augen und plötzlich schien sein gesamter Körper in Bewegung zu sein. Erst langsam, doch dann schien er sich so schnell zu bewegen, dass ein menschliches Auge es kaum verfolgen konnte. Wenige Sekunden später saß ein Ebenbild von Nagi auf dem Sessel, lächelte sie leicht an.

„Ich bin auch ein Metamorph,“ meinte er.

„Wie...?“, flüstere Omi, stand langsam auf. Er ging auf Toyu zu, zog ihn dann hoch, um ihn von allen Seiten zu betrachten. Er runzelte seine Stirn, blieb dann hinter dem anderen Jungen stehen. Ohne Vorwarnung packte er plötzlich nach dem Hosenbund, schob die Hose etwas weiter nach unten. Während die anderen überrascht den Mund öffneten – außer Brad, verstand sich – schob er die Hose wieder hoch und legte die Hand an sein Kinn.

„Nagi, er hat sogar deine Narbe,“ begann er, brach dann ab, als er die fassungslosen Blicke der anderen sah. „Was denn?“, fragte er verwundert, sah dann zu Nagi, der den Kopf gesenkt hatte und die Stirn mit der Hand abstützte. „Ich...“ fing der Blonde nun an zu stottern, lief rot an. „Ich wollte doch nur gucken, ob...“

„Lass gut sein, Tsukiyono-kun,“ meinte Toyu, der sich in der Zwischenzeit wieder zurückverwandelt hatte. „Ich bin ein Ebenbild von deinem Freund, ein exaktes Ebenbild mit den gleichen Makeln, aber nur Äußerlich.“

Omi nickte leicht, setzte sich dann wieder neben Nagi und senkte seinen Blick, während Nagi seinen Kopf leicht in seine Richtung wandte und Omi bemerkte, dass er nicht aus Scham sein Gesicht versteckte, sondern weil er grinsen musste. Omi lächelte, wandte sich dann wieder ab.

„Wo war ich? Ach ja, wir hatten nur nicht erwartet Schuldig-san in der Nähe des Ladens zu entdecken, was dazu führte, dass Fujimiya-san auf ihn traf.“

„Ah ja,“ murmelte Schuldig, wandte sich an Saru, die seinen Blick stur entgegnete. „Sie hat sich vor das Auto geworfen.“ Nagi und Omi wandten ihren Blick auf das Mädchen, das genervt seufzte, den Kopf gegen die Wand legte. „Dann bin ich eben mit Absicht vor ein Auto gesprungen, es ist ja nicht viel passiert. Es war alles geplant.“

„Du hast einen Verband,“ entgegnete Omi entrüstet.

Das Mädchen lächelte hinterhältig, sah den Blonden süffisant an. „Der Verband?“, fragte sie, beugte sich runter und rollte langsam den weißen Verband von ihrem Bein. Darunter erschien ein makellos scheinendes Bein. „Ein paar Kratzer, Omi, das ist alles,“ meinte sie grinsend. „Alles Show für deinen rothaarigen Freund, Aya. Seine Schwester wurde doch von einem Auto angefahren, oder?“

Dieses Mal sprang der Blonde doch auf, wurde aber festgehalten als er auf die Brünette losgehen wollte. „Du bist so ein Biest,“ zischte er, doch sie richtete sich nur mit einem kühlen Lächeln auf, lehnte sich zurück.

„Saru war es auch, die die Verletzung von Schuldig-san bemerkte und Tyfa erzählte uns später von dem Angriff. Als dann auch Naoe-san mit einer Verletzung ankam, machte sich meine Schwester Sorgen.“ Das Mädchen zischte, wandte sich an ihren Bruder. „Ich habe mir keine Sorgen gemacht. Diese Vorfälle störten nur unseren Plan.“

„Ihr müsst wissen,“ fuhr der blauhaarige Mann fort, schien das Mädchen zu ignorieren. „Meine Schwester ist eine gute Schauspielerin, findet ihr nicht auch?“

Als Antwort auf die Frage holte Farfarello plötzlich ein Messer aus einer seiner Jackentaschen. Die anderen beobachteten seine Bewegungen skeptisch. Noch bevor einer seiner Freunde reagieren konnte, warf der Weißhaarige das Messer auf die Brünette, die sich nicht vom Platz bewegte, während sie das gefährliche Geschoss ruhig beobachtete. Ein paar Zentimeter, bevor es die Haut ihrer Wangen berührte, hielt es mitten in der Luft inne. Saru nahm das Messer aus der Luft, warf dann einen Blick auf den Iren, dann auf Nagi, der sein Gesicht abgewandt hatte. Ein Lächeln stahl sich über ihre Lippen und sie ließ das Wurfgeschoss auf den Boden fallen.

„Manchmal ist es praktisch, ein Empath zu sein, Nagi,“ murmelte sie, richtete dann ihren Blick auf ihren Bruder. „Was soll das ganze Gerede, Toyu, sag ihnen, was du sagen willst und spiel hier nicht den Allmächtigen. Übergehe mich nicht, wenn du von mir redest. Du magst zwar mein Bruder sein, das bedeutet aber nicht, dass du mich lesen kannst wie ein offenes Buch. ‚Gute Schauspielerin’?“, ahmte sie ihren Bruder nach. „Ich hab die Schnauze voll von euch. Vielleicht sehen wir uns noch mal wieder, aber dann wahrscheinlich in der Hölle. Bye Bye.“ Mit diesen Worten verließ sie an Nagi und Omi vorbeigehend das Wohnzimmer, warf ihnen noch ein demonstratives Lächeln zu.

Kaum dass sie das Haus verlassen hatte, runzelte sie die Stirn, schüttelte dann den Kopf und entfernte sich mit energischen Schritten vom Haus. Toyu konnte sagen, was er wollte, es entsprach nicht der Wahrheit.

Sie hatte keine Gefühle für Schuldig, Nagi oder Omi. Sie machte sich keine Sorgen um das Wohl anderer. Sie brauchte nicht einmal andere Menschen zum Leben. Sie könnte sich allein durchschlagen. Im Alleingang war sowieso alles einfacher.

Allein war sie besser dran.

„Hey, 78.“
 

---ENDE KAPITEL NEUN---



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