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Alles nur nicht der!

Vor Kaiba kann man eben nichts verbergen
von

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Hunt

Ich war wieder ganz ruhig. Zuerst hatte ich zehn Minuten lang auf dem Fußboden gehockt und gezittert. Aber ich war nicht weggelaufen. Ich hatte gegen die Panik angekämpft und mich gezwungen, wieder aufzustehen. Mir befohlen, ruhig zu bleiben und zu handeln.

Erst nachdem Seto verschwunden war und ich mir mittlerweile sicher war, dass es Steve war, der Mokuba niedergeschlagen haben musste, wurde mir bewusst was eigentlich passiert war. Mokuba kämpfte mit dem Tod. Alles wiederholte sich. Nur diesmal war ich nicht allein. Ich würde nicht davonlaufen. Mokuba, Seto und auch Rika brauchten mich.

So unauffällig wie möglich hatte ich alle Hausangestellten gefragt, ob sie Steve gesehen hatten. Niemand.

Ich machte mich wieder auf den Weg in Setos Büro. Als ich es betrat, sah ich auf die Uhr um festzustellen, wie viel Zeit mir noch blieb. Der Kunde musste bald kommen.

Zwei Schritte vor dem Schreibtisch blieb ich wie angewurzelt stehen und starrte auf die einzelne weiße Mondblume auf dem Löschblatt. Nur eine Sekunde später spürte ich seinen heißen Atem in meinem Genick.

„Dein Gesicht hat sich verändert. Ein paar Monate haben gewöhnlich nicht so eine Wirkung. Aber irgendwie habe ich damit gerechnet. Du bist immer noch sehr hübsch, Kleine Robin.“

Er atmete flach und berührte meine Schulter.

Panik kroch in jede einzelne Kapillare meines Körpers. Hitze, Kälte, alles auf einmal. Ich hatte mir vorgenommen nicht mehr wegzulaufen, aber die Angst war einfach zu groß.

Ich trat nach hinten aus und erwischte gewisse weiche Stellen meines Peinigers und kaum hatte sich seine Aufmerksamkeit von mir abgewandt, rannte ich los.

Ich verließ das Gebäude und steuerte auf den Wald zu.

„Hey!“

Beinahe wäre ich zusammengezuckt, aber ich zwang mich zur Ruhe. Dann sah ich erleichtert, dass Rika über den Parkplatz auf mich zukam.

Ich nahm mir vor mich ganz normal zu verhalten.

„Was machst du denn hier? Ich dachte du bist noch bei Mokuba im Krankenhaus.“

„Das war ich auch. Seto meinte, ich sollte hier nach dem Rechten sehen. Er wollte dich nicht allein lassen mit Mr. Fly. Wo du doch von den Geschäften keine Ahnung hast.“ Ihre Stimme klang anders als sonst. Aber es wunderte mich nicht. Immerhin war Mokuba ihr bester Freund und er lag im Koma.

„Noch keine Veränderung, nehme ich an.“

Ihre Augen waren so kalt und dunkel. „Nein.“ Ein leises Blitzen. „Sag mal, du hast nicht zufällig meinen Vater irgendwo gesehen? Ich wollte mit ihm sprechen.“

„Ich...“ Ich würde nie weiter als bis Ich kommen. Es war wirklich zum Verrückt werden. Wo war denn das Problem mich aussprechen zu lassen? Wie konnte man sich denn so eine Antwort erhoffen?

„Da.“ Rika zeigte auf den Parkplatz von dem sie selbst gerade gekommen war.

Ich entdeckte ihn ebenfalls im selben Moment, als er mich entdeckte. Wir starrten einander an. Dann drehte Steve sich um und verschwand eilig zwischen den Bäumen.

Rika drehte sich um, packte mich an den Schultern. „Ich muss unbedingt mit ihm reden. Du bleibst hier.“

„Was? Was ist denn los?“

„Später.“ Hilflos beobachtete ich, wie sie sich auf die Bäume zugbewegte.

Ich stand einfach nur da. Unbeweglich. Rika. Sie musste Beweise haben. Vermutlich hatte sie das Gleiche gedacht wie ich. Es war Steve und sie wusste es. Und jetzt war sie allein mit ihm in einem Waldstück, in dem sie sich nicht auskannte. Ich musste etwas tun.

Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, bewegte ich mich dann Richtung Gebäude zurück. Ich suchte etwas, egal was. Irgendeine Waffe, mit der ich mich verteidigen konnte. Hektisch tastete ich den nächstbesten Tisch ab, riss Schubladen auf, dann sah ich die Schere mit den langen silbernen Klingen und griff danach.

Ich steckte die Schere in meinen Gürtel und fragte mich dabei, ob ich überhaupt in der Lage wäre sie zu benutzen.

Mokuba.

Rika.

Nein, ich wäre sicher in der Lage. Ich lief los.

Als ich von der Lichtung zwischen die dichten Bäume trat, fielen die ersten Tropfen.

Ich wäre am liebsten Hals über Kopf in das Dickicht gelaufen, blindlings durch die Schatten, nach Rika rufend. Ich musste meine ganze Selbstbeherrschung aufwenden, um mich bedächtig voranzubewegen und mich immer wieder nach Spuren umzusehen.

Am Waldrand waren Dutzende von Menschen hin- und hergelaufen und hatten unzählige Fußabdrücke hinterlassen. Inzwischen sickerte jedoch der Regen in den Boden, und wenn ich nicht bald eine Entscheidung traf, wären sogar diese Spuren nicht mehr zu erkennen. Er ist gerannt, erinnerte ich mich, und maß den Abstand zwischen den einzelnen Abdrücken.

Steve hatte lange Beine, genau wie Rika.

Ich wandte mich Richtung Süden, wagte mich tiefer in die Dunkelheit hinein.

Der Regen schien lebendig, murmelte auf dem Weg durch die Pflanzen und das Gewirr des Efeus. Die Luft war zäh, überall hing der durchdringende Geruch von Verwesung. Kleine Tiere huschten mir aus dem Weg, raschelten leise in den nassen Büschen. Da der Wind die Baumwipfel abgekühlt hatte, überzog ein dünner Nebel den Boden und umspielte meine Stiefel.

Inzwischen bewegte ich mich schneller, versuchte meiner Furcht zu entkommen. Jeder Schatten könnte eine Gefahr bergen, jede Kontur eine Bedrohung.

Ich verlor die Spur und hätte vor Enttäuschung fast geweint, weil ich meine eigenen Schritte zurückverfolgen musste. Ich spürte Panikwellen in meiner Brust, konzentrierte mich jedoch auf den Waldboden und atmete erleichtert, fast triumphierend auf, als ich die Abdrücke wieder entdeckte.

Dicht unter der Haut zitterten und vibrierten meine Nerven, aber ich folgte weiter der Spur der Frau, die mir so viel bedeutete. Und der des Mannes, der mein Leben zerstört hatte.

Als ich den Schrei hörte, bohrte sich die Angst wie eine eisige Klinge in mein Herz.

Ich vergaß die Gebote der Logik, ließ sämtliche Vorsichtmaßnahmen außer Acht und rannte los.

Meine Füße glitten auf dem modrigen Boden aus. Umgestürzte Stämme versperrten mir den Weg, ich musste hinüberspringen, um nicht zu stolpern. Von der Feuchtigkeit klebrige Pilze zerplatzten unter meinen Stiefeln. Plötzlich stürzte ich, stützte mich mit den Handballen im Moos ab und spürte einen stechenden Schmerz in meinen Knien.

Atemlos kam ich wieder auf die Füße, lehnte mich kurz an die große Rinde einer Hemlocktanne und lief dann wieder blind durch das Efeu, das nach meinen Armen und Beinen zu greifen schien. Doch ich schlug nach den Ranken, riss daran, kämpfte mir den Weg frei.

Regen rann durch mein Haar, tropfte über mein Gesicht. Ich kniff die Augen zusammen - und entdeckte plötzlich das Blut.

Es versickerte im Boden, verblasste langsam im Regen.

Zitternd fiel ich auf die Knie, berührte die feuchten, roten Spuren mit meinen Fingerspitzen.

„Nicht noch einmal, bitte nicht noch einmal.“ Verzweifelt wiegte ich mich im plätschernden Regen, rollte mich zu einer Kugel zusammen. Furcht hämmerte auf mich ein, fuhr wie ein eisiger Sturm durch meinen Körper.

„Rika!“ Ich lauschte dem klagenden Echo. Dann rappelte ich mich hoch, fuhr mit blutverschmierten Fingern über mein Gesicht und schrie noch einmal ihren Namen.

Als ich wieder loslief, galt mein einziger Gedanke ihr.
 

Das Monster war zurückgekehrt. Der Geruch von Blut klebte an ihm. Seine Schritte lösten Panik in mir aus.

Ich musste rennen, doch dieses Mal lief ich ihm entgegen.

Der dichte, dunkle Wald, der mir immer wie ein Zufluchtsort erschienen war, der mir das Gefühl der Geborgenheit vermittelt hatte, umgab mich wie in einem Alptraum.

Die hohen, majestätischen Bäume erschienen mir plötzlich nicht mehr wie ein Beweis für die Allmacht der Natur, sie wurden zu einem lebendigen Käfig, der für mich zur Falle werden konnte und dem Monster als Versteck diente. Der leuchtend grüne Moosteppich saugte sich als brodelnder Morast an meinen Stiefeln fest. Ich hastete durch Farnkraut, zeriss die grünen Flächen zu glitschigen Fetzen, glitt auf einem verrotteten Baumstamm aus, zerstörte die unzähligen Mikrokosmen, die er beherbergte.

Vor mir, neben mir, hinter mir tauchten grüne Schatten auf, schienen meinen Namen zu flüstern.

Robin, meine Süße. Du bist noch hübscher, als früher.

Mein Atem ging stoßweise, ich spürte Trauer, Furcht und Verlust in mir aufkeimen.

Der Regen trommelte unablässig auf die windgepeitschten Baumkronen und lief über die flechtenbedeckte Baumrinde bis auf den Boden, der ihn durstig aufsaugte. Diese ganze Welt war feucht und unersättlich.

Ich wusste nicht mehr, ob ich Gejagte oder Jägerin war, aber ein tiefer, ursprünglicher Instinkt sagte mir, dass ich in Bewegung bleiben musste, wenn ich überleben wollte.

Ich würde ihn finden. Und dann wäre es vorbei. Ich wollte nicht als Feigling sterben. Und wenn es auf dieser Welt einen Schimmer von Hoffnung gab, würde ich Rika finden. Lebendig.

Nebel wehte um meine Stiefel, brach sich an meinen langen, unentschlossenen Schritten. Mein Herz pochte in einem wilden, pulsierenden Rhythmus gegen meine Rippen, meine Schläfen, meine Fingerspitzen.

Über mir hörte ich ein Donnern, ein gewaltiges Krachen und sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite, ehe ein morscher alter Ast auf dem Waldboden zerbarst.

Ein kleiner Tod, der neues Leben brachte.

Und in dem dunkelgrünen Licht, hinter tiefen Schatten versteckt, sah ich das Monster, das ich aus meinen Alpträumen kannte.

Mit blutunterlaufenden Augen stand er da und sah mich an.

Bittere Wut beherrschte mein Denken. „Wo ist Rika? Was hast du mit ihr gemacht?“

Er lag auf den Knien, eine Hand an die Seite gepresst, aus der das Blut heraussickerte.

„Robin.“ Er flüsterte meinen Namen, Gebet und Bitte zugleich. „Lauf.“

„Ich bin lange genug vor dir weggelaufen.“ Ich trat näher an ihn heran, getrieben von einem Bedürfnis, das seit meiner Kindheit im mir schlummerte. „Wo ist Rika? Ich schwöre dir, dass ich dich umbringe, wenn du noch jemanden getötet hast, den ich liebe.“

„Ich war es nicht. Damals, aber nicht heute.“ Sein Blick verschwamm. „Sie ist in der Nähe. Lauf weg!“

Wir hörten das Krachen im Gebüsch gleichzeitig. Ich drehte mich um, mein Herz machte einen hoffnungsvollen Sprung. Doch Steve rutschte erschrocken zur Seite.

„Halte dich von ihr fern.“ Steve versuchte mich hinter sich zu drängen, taumelte jedoch nur gegen mich.

„Du hättest im Feuer verrecken sollen.“ Der Regen lief über Rikas Gesicht, das Messer in ihrer Hand tropfte. „Nichts von alledem wäre passiert, wenn du einfach krepiert wärst.“

„Rika!“ Der Schock, sie so zu sehen, mit gehetztem Blick und blutiger Kleidung, ließ mich nach vorn treten. Scheinbar verzweifelt zog Steve mich zurück und klammerte sich an mich.

Ein erneutes Knacken ertönte hinter Rika.

Seto!

Rika wirkte erschrocken und warf sich sogleich in seine Arme.

Gott sei dank. Rika war in Sicherheit und Steve konnte keinem mehr etwas tun. Aber warum hatte Rika ihn verletzt? War er etwa auf sie losgegangen, als sie ihn zur Rede stellen wollte. Ich sah wieder zu Rika und Seto und bemerkte, wie Seto sie von sich schob. Beinahe...angeekelt?

„Seto. Was für ein Glück das du kommst! Sie wollte ihn gerade umbringen. Siehst du die Schere an ihrem Gürtel? Sie war es, Seto. Die ganze Zeit hat sie uns etwas vor gemacht. Bitte hilf mir!“

„O Gott! O mein Gott!“ Ich starrte Rika an und begriff nicht. Was sagte sie denn da?

Erneut warf sie sich in Setos Arme. Dieser schien genauso verwirrt wie ich.

„Sie hat ihren Vater getötet, James vergiftet und sich sogar selbst Mondblumen geschickt. Ich habe es nicht glauben können, aber ich konnte es aus Dad herausquetschen. Sie steckt mit ihm unter einer Decke. Die Mafia, von wegen, es war sie, Robin, die ganze verdammte Zeit über!“

„Was redest du denn da, Rika?“ Ich begriff immer weniger. Warum sagte sie so etwas? Sie dachte wirklich, alles wäre mein eigenes Tun? Wieso?

Und Setos Blick veränderte sich auf eine Weise, die zu meiner Verwirrung Angst dazusteuerte. Glaubte er etwa was sie sagte? Das musste ein Missverständnis sein. Ganz sicher. Steve musste sie belogen haben, aber warum glaubte sie ihm?

Völlig hilflos stand ich da und konnte nicht mal mehr sprechen. Selbst das Atmen fiel mir schwer. In meinem Kopf spulte sich ein Film ab. Von einer gehässig lachenden Rika, die mir ewige Freundschaft versicherte. Was war nur los? Wurde ich verrückt?

„Frag ihn! Er wird es schon zugeben, wenn ich ihm mein Messer an den Hals halte, nicht wahr Daddy?!“

Rikas Parodie eines Lächelns verzerrte sich zu einem Knurren. Ihre Gesichtszüge verdunkelten sich bedrohlich. „Ich hätte glücklich sein können, wenn du nicht im Weg gestanden hättest.“

„Was zum Henker ist denn hier los?“ Ich starrte Rika an. „Was meinst du mit glücklich sein?“

„Ich hätte deine Schwester sein müssen. Ich habe euch beide immer geliebt. Unsere Familie war so schön, so vollkommen. Ich wäre dein kleiner Engel gewesen. Mokubas große Schwester. Was hat er mir angetan? Er zog mich in seinen Abgrund, machte alle unglücklich, dachte nur an sich selbst.“

„Du hast Recht. Ich habe dich schlecht behandelt.“ Steve ließ sich fallen. Er schien genau zu wissen wovon sie sprach. Auch Seto machte den Eindruck als wüsste er, was sie meinte. Ich war mir nicht einmal mehr sicher mit wem Rika eigentlich redete.

Moment. Setos kleiner Engel? Mokubas große Schwester? Was ging hier ab? Waren alle anderen oder ich selbst durchgeknallt?

„Alles was ich je wollte war Robin. Aber nicht so wie du es ihr all die Jahr über bewusst gemacht hast.“ Nun wendete Steve sich mir zu. „Robin. Du warst immer wie eine Tochter für mich. Ich gebe ja zu, dass ich ab und an versucht war mehr daraus zu machen, aber meine Gefühle für dich bewegten sich immer im väterlichen Bereich. Ich musste es deinem Vater versprechen. Das ich mich um dich kümmere.“

„Er hat mich nie so geliebt wie dich. Ich war immer nur das fünfte Rad am Wagen.“ Jetzt liefen Rika Tränen über die Wangen. „Ich habe gelitten. Was glaubst du wie es ist, wenn man erfährt, dass man nur zweite Wahl ist? Das dein Vater nichts weiter als ein Kinderdieb ist, der unschuldige, glückliche Familien zerstört? Ich habe dich vielleicht mal als Schwester geliebt. Doch nun ist es vorbei. Ich muss Seto und Mokuba vor dir schützen. Ich muss es zu Ende bringen.“

Gerade als ich meiner Verwirrung Luft machen wollte, meldete sich Seto zu Wort.

„Es reicht so langsam, meinst du nicht auch Rika? Vielleicht erklärst du endlich mal, was in deinem Kopf vor sich geht.“

Ich hätte ihn knutschen können. Das erste Mal, dass ich seine geschäftliche Seite willkommen hieß. Möglicherweise erfuhr ich jetzt, was eigentlich vor sich ging.

„Du willst wissen was in meinem Kopf vor sich geht? Das kann ich dir sagen. Rache! Pure Rache. Rache an ihm.“ Sie deutete auf ihren Vater. „Und Rache an ihr.“ Jetzt deutete sie auf mich.

Mich? Was hatte ich ihr getan?

„Es wird endgültig Zeit, dass es zu einem Schluss kommt!“

Sie stürzte sich auf mich zu, das Messer hoch erhoben in ihrer Hand. Steve schob mich zur Seite und rammte mit letzter Kraft seinen Körper gegen Rika. Als ihn das Messer noch einmal traf, spürte ich nur Verzweiflung. Er stolperte, taumelte.

Dann ging auf einmal alles sehr schnell. Er stürzte, ich hörte Schritte auf dem feuchten Boden und fühlte das Messer an meiner Kehle.

„Lass sie los.“ Seto stand breitbeinig im Moos und starrte Rika zornig an.

„Ich werde sie umbringen. Du weißt, dass ich dazu fähig bin, Bruder. Ich schlitze ihr die Kehle auf, dann ist alles vorbei.“

„Das glaube ich nicht.“ Er warf mir einen schnellen Blick zu, musste die nackte Angst in meinen Augen sehen, das Blut, das in einem dünnen Rinnsal an meiner Kehle herunterlief. „Geh von ihr weg! Lass sie gehen, Rika!“

Sie riss meinen Kopf mit der flachen Seite des Messers hoch. „Sie ist tot, hörst du mich? Sie ist tot. Vergiss sie Seto! Du brauchst nur mich!“

Wieder ritzte Rika meine Haut ein.

„Tu es nicht!“

Ich sah die Entschlossenheit in Setos Augen. Ich wusste nicht was vor sich ging, aber ich würde nicht zulassen, dass Rika mich umbrachte. Was auch immer in ihr vorging, sie war völlig labil. Wahnsinnig geworden.

Meine Hand schloss sich um das kalte Metall der Schere, ich zog sie in einer schnellen Bewegung heraus und bohrte sie in Rikas Schenkel. Rika schrie laut auf, krümmte sich vor Schmerz und ließ die Hand mit der Klinge sinken.

Einen Herzschlag später hörte ich das kurze Pfeifen des Messers, als ich mich umdrehte, sah ich, wie sich das Blut auf Setos Mantel ausbreitete, sah den erstaunten Ausdruck auf Rikas Gesicht, als sie die Waffe erneut auf ihn richtete.

Er trat nicht zurück. Seto stand zwischen mir und Rika und machte keine Anstalten sich fortzubewegen.

„Geh Seto! Sie muss sterben! Sie ist verrückt. Sie verdient nicht zu leben. Sie hat ihren eigenen Vater ermordet.“

Noch immer stand Seto reglos da. Das Blut quoll aus der Stichwunde in seiner Schulter.

„Verdammt! Muss ich mir den Weg freistechen?“

„Nein!“ Eindringlich sah er sie nun an. „Rika, lass die Waffe fallen. Willst du mich wirklich umbringen?“

Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Natürlich nicht! Ich liebe dich mein Niisama!“ Sie schritt auf ihn zu. „Aber ich muss sie töten. Sie hat es verdient. Das verstehst du doch, nicht wahr mein geliebter Bruder?“ Wieso eigentlich Bruder? Was ging hier nur ab? War etwa Rika die Person von der Seto gesprochen hatte?

„Tut mir leid! Ich werde dich nicht die einzige Frau töten lassen, die ich liebe!“

Sowohl ich, als auch Rika schienen von diesen Worten schockiert zu sein. So viele Dinge suchten in meinem Kopf nach Logik. Einer Logik, die all diese wirren Gedanken endlich zu etwas Verständlichem umformen würde.

„Die Einzige? Aber was ist mit mir? Ich bin doch deine Schwester!“

„Meine Schwester ist tot!“

„Nein, ich bin es. Ich bin deine Schwester, erinnere dich doch, Niisama! Daddy hat mich entführt und es so aussehen lassen, als wäre ich tot. Aber ich bin es nicht!“

Sie ließ die Waffe sinken und torkelte auf Seto zu. Doch dieser stieß sie von sich.

„Meine Schwester hätte so etwas wie du nie getan. Und selbst wenn, hätte sie die Konsequenzen getragen, wie es sich für einen Kaiba gehört. In dieser Familie hat man Stolz und Würde. Beides fehlt dir. Ich verstehe nicht, wie ich dich je für meine Schwester halten konnte. Du hast mich wirklich veräppelt. Für nur einen Augenblick habe ich sogar an Robins Unschuld gezweifelt. Obwohl es doch zu dir viel besser passt. Hat es dir gefallen ein wehrloses Geschöpf wie den Elefanten zu vergiften? Geschäfte mit der Mafia zu machen? Den Tod von Robins Vater anzuordnen? Mokuba umzuhauen? Oder war die ständige Hetzte und der Psychoterror mehr Spaß?“

In meinem Herzen zerbarst etwas. Das letzte Bisschen meiner Vergangenheit, dass mir noch geblieben war, zersprang in tausend Teile. Ließ mich zurück in einer leeren Hülle.

All die Jahre, nichts als eine Lüge.

Rika. Meine Schwester.

So leer.

„Du liebst mich nicht?“

„Wie könnte ich? Du bist ein Monster!“

Kaum hatte er ausgesprochen, fiel Rika auf die Knie und rührte sich nicht mehr. Das Messer glitt aus ihrer Hand. Sie war wie weggetreten. Innerlich tot. So wie ich mich gerade fühlte. Witziger Weise schienen wir beide das Gleiche durchzumachen.

Noch heute kann ich mich an ihre letzten Worte erinnern: Alles was ich wollte, war eine Familie, die mich liebt.

Bevor ich mich allein aufrichten konnte, zog Seto mich auf die Füße und hielt mich fest. Seine Arme, die bisher so ruhig geblieben waren, begannen zu zittern.

„Es geht dir gut. Dir ist nichts passiert.“ Er sagte es wieder und wieder und seine Hände strichen zärtlich über meinen Hals. „Robin.“

Ich schmiegte mich an ihn. Mein Kopf wurde leicht, schien irgendwo über meinen Schultern zu schweben. „Ich dachte, sie hätte dich getötet! Ich sah das Blut und dachte...Nein!“ Ich zuckte plötzlich zurück. „Steve!“

Ich riss mich von Seto los und sank neben Steve auf den Boden.

Er berührte mein Gesicht. „So ist es am besten für mich. Ich musste dich einfach finden. Es war das Einzige, was ich noch wollte. Du hast die Augen deines Vaters.“ Er lächelte leicht. „Ich habe ihn in vielerlei Hinsicht enttäuscht. Meine Geschäfte, der Handel mit der Mafia.“

„Nicht, bitte nicht. Seto, bitte hilf mir!“

„Wenn ich ein netter Mensch gewesen wäre, wie er es von mir glaubte, wäre alles nie so weit gekommen.“

„Du darfst nicht sprechen. Wir müssen die Blutung aufhalten.“ Ich presste die Stofffetzen, die Seto mir gab, auf die Wunde. „Wir bringen dich ins Krankenhaus.“

„Du bist ein kluges Mädchen, du solltest es besser wissen.“ Seine Augen verdunkelten sich, dann sah er Seto an. „Sie ist clever, nicht wahr, Kaiba?“

„Da haben sie Recht.“ Er drückte noch einen Fetzen seines Mantels auf die Wunde in Steves Seite. „Deshalb sollten sie auf sie hören.“

„Ich würde lieber als Held sterben.“ Sein kurzes Lachen endete in einem gequälten Husten. „Ich war nie mutig, habe nie gekämpft. Aber ich werde diesen Moment genießen. Robin!“ Er griff nach meiner Hand. „Als ich dir in jener Nacht auflauerte, wollte ich dir nichts tun.“

„Das weiß ich jetzt. Ich weiß. Bitte stirb nicht. Du bist das Einzige, was mir aus meinem Leben noch geblieben ist. Der Einzige, der mich nie belogen hat.“

„Es tut mir Leid, Kleine. Ich wollte, dass du mich einmal ansiehst, nur einmal, dass du keine Angst vor mir hast. Und zuletzt konnte ich dir doch noch helfen. Eine kleine Wiedergutmachung für die Zeit, in der du dich verfolgt gefühlt haben musst.“ Sein Blick verschwamm und wurde noch dunkler. „Rika war nicht deine Schwester Kaiba. Das ist die Wahrheit.“

„Ich weiß.“

„Pass auf meine Süße auf.“

Sein Körper wurde schlaff. Er war tot.

Seto saß bei mir, als ich bittere Tränen vergoss. Ich war einmal zu oft betrogen worden. Wie sollte ich jemals wieder jemandem vertrauen können?



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Kommentare zu diesem Kapitel (13)
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Von:  Chikakiima
2006-10-02T11:07:51+00:00 02.10.2006 13:07
Ohh ich muss mich ganz kurz noch mal melden.
Ich wollte dich fragen ob du mir das 23. kapi. per ens schicken kannst.
Wäre echt nett.
Von:  Chikakiima
2006-10-02T11:03:32+00:00 02.10.2006 13:03
*snif*
och neeee...
ist das traurig.
Ich bin voll am heulen.
Tja ich bin eben nah am Wasser gebaut.
hi hi ^^
ich freu mich weiter zu lesen.
Gut gemacht.


Chika-chan
Von: abgemeldet
2006-08-14T16:59:43+00:00 14.08.2006 18:59
Wow!
ich halt mich mal kurz:

Is einfach klasse geworden
nich zu übertreffen (denk ich^^)
und dann noch
faziniert mich deine Schreibart immer wieder

irgendwie denk ich die gnaze zeit, dass Robin und Seto total gut zusammen passen...aber dann kommen wieder die stellen wo sie irgendwas machen, was gar nicht so richtig passt...echt fantastisch!!!!!

^^
weiter so^^

hdgdl!

My_Marik
Von: abgemeldet
2006-08-13T20:08:43+00:00 13.08.2006 22:08
ICh weiß nich was ich sagen soll???
*tränen aus dne augen wisch*
es war so traurig, aber auch schön, und dramatisch...schrecklich, schrekclich schön!
In dem Kap sind so viele verschiedene Gefühle drin, ich weiß nicht was ich sagen soll!
Als RIka da so.....*nicht weiterspricht*
*Schauder*
T________________T
und Steve war doch immer der gute
man, ist das schrecklich!
Doch Seto hat gesagt, das er sie liebt *Schwärm*
so toll...
bloß was sollte das zum schluss heißen?
ICh weiß nicht, bis ich noch jemanden vertrauen kann"
Sie hat doch Seto!
Mal schauen wie das nächste Kap ist!
bestimmt genauso hammer wie dieses hier...
obwohl, kann man das noch übertreffen?
Spannung, Dramatik, Vertrauen, Liebe, Verrat....alles war darin drin....besser geht es gar nicht mehr!
ciao
*knuddelknutsch*
HDGDL deine Sweety
Von: abgemeldet
2006-08-12T19:44:11+00:00 12.08.2006 21:44
oh gott..wie schaurig-schön-traurig...irgendwie hab ich geahnt, dass es rika is...ich hab gedacht, es muss irgendwas überraschendes sein, und auf einmal hab ich an rika gedacht...aber verfluchter kakemist, das nächste kapitel ist adult...aber ich will es unbedingt lesen...hey komm, bidde!!!! aber naja...achja, ich stimme shizuka-Kaiba zu...sie vertraut niemandem mehr? was is mit kaiba? (*schmelz* er hat gesagt, dass sie die einzige is, die er liebt, wie süß^^) ähem...also bidde, irgendwie, ich muss unbedingt das adultkapi lesen!!! auf jeden fall!!!
in großer hoffnung, dein begeisterter fan...das mischl-maschl
Von:  josie
2006-08-11T19:57:34+00:00 11.08.2006 21:57
ok........es war rika. RIKA????????????????????
sie hätte ich als letzes als täter gedacht.
himmel. ich muss das nochmals lesen und erstmal neu aufnehmen, von der tatsache
das es rika is.
aber das von seto, dass robin die einzige frau in seinem leben is der er liebt. hach...einfach süss.
auch konnte man die angst von robin als sie sich im wald befand regelrecht spüren. ich hatte ne gänsehaut.
was wird nun geschehen?

lg

josie
Von: abgemeldet
2006-08-09T10:14:13+00:00 09.08.2006 12:14
hallo^^
erstmal: das war ein spitzenkapitel sondergleichen!
du hast es wirklich so rübergebracht, dass ich die ganze zeit geglaubt hab, dass steve dahintersteckt. ich wär nie auf die idee gekommen ricka könnte damit zutun haben. mir ist sie nämlich immer vertrauensdwürdig vorgekommen, aber so kann man sich irren^^
an dem kapitel hat mir auch besonders gut gefallen wie du die umgebung und die situation im wald beschrieben hast. verwundert war ich nur als seto so plötzlich und unverwandt aufgetaucht ist, ich hätte erwartet, dass er länger im krankenhaus bleiben würde. bin schon sehr gespannt wies weitergeht!
Von:  Niua-chan
2006-08-07T15:22:15+00:00 07.08.2006 17:22
ich bin echt sprachlos
das kapitel ist echt der hammer
ich hoffe das nächste cap kommt bald
uhhaa ich bin ja so gespannt
"knuddel"
niua^^
Von: abgemeldet
2006-08-06T15:05:27+00:00 06.08.2006 17:05
seufzt* Jetzt ist es also raus. Rika ist diejenige von der alles ausging. Muss ich erwähnen wie sehr mich diese Frau schon auf die Palme gebracht hat? Ich weiß du kannst davon schon ein Liedchen singen, aber ich könnte mich immer und immer wieder darüber aufregen wenn ich lesen muss was diese falsche Schlange der armen Robin angetan hat. Immer dieses falsche Spiel und wo sie nur konnte hat sie ihr wehgetan. Das hat die arme echt nicht verdient. ABER, man muss Rika ja zu Gute halten, das sie eben einfach total durchgeknallt ist^^ Sie konnte ja gar nicht anderes handeln als sich irgendjemand herauszusuchen und diesen dann im fixen Wahn als Schuldigen für all ihre Probleme machen. Dennoch, wenn ich daran denke wie sie versucht hat Robin systematisch zugrunde zu richten, ihr all ihr Selbstvertrauen zu nehmen und sie am Ende sogar töten wollte…dabei hat Robin sie doch immer geliebt und total vertraut. Argh, ich könnte echt ausrasten wenn ich mir das immer vor Augen führe was Rika alles getan hat. So eiskalt und berechnend. Aber du weißt ja, ich kann Rika einfach nicht leiden. ^.^
Steve…joar, interessant. Wer hätte gedacht, dass auf einmal er der gute ist und nicht der Feind? Obwohl ich immer noch nicht wirklich dazu übergehen kann ihn als netten liebevollen Vaterersatz für Robin zu sehen. Er mag sich ja schon auch väterlich um sie gesorgt haben, aber sexuell belästigt hat er sie dennoch. Da komm ich einfach nicht drüber hinweg. Vielleicht ist es auch einfach so leicht in ihm den Bösen zu sehen. Na ja, sagen wir so, er hat ne Menge Mist gebaut und hat sich echt oft falsch (und auch anzüglich) gegenüber Robin benommen, aber am Ende hat er ja dann doch noch die Kurve bekommen.
Das er allerdings solche Angst vor seiner eigenen (Adoptiv)Tochter hatte, dass er total nach ihrer Pfeife getanzt hat…na das ist schon beeindruckend. Entweder ist Rika sehr mächtig und dominant oder Steve doch recht leicht einzuschüchtern.
Doch am Ende hat er sich ja doch noch gegen sie gestellt und wollte gegen sie ankämpfen. Robin zuliebe? Um sie zu beschützen? Auf jeden Fall sehr interessant die Wendung.
*schnief* Armer Mokuba. Ausgerechnet Rika hat ihn niederschlagen müssen. Dabei behauptet sie auch noch sie liebe ihn weil sie ja seine große Schwester sei. Jaja, einfach nur durchgeknallt sag ich dazu.
Seto…oh mein heroischer Retter in der Not. XD
Nein wie könnte man nicht als sich sabbernd am Boden zu wälzen wenn man DAS liest? So ein Auftritt und solche Selbstsicherheit. Allerdings fand ich es fast schon erschreckend, dass er einen Moment tatsächlich an Robin gezweifelt hat und Rikas Worten glauben wollte. Im Grunde heißt das ja dann, dass er ihr nicht wirklich vertraut wenn er ihr sogar solche Taten zutraut. Auch wenn es nur einen kurzen Augenblick lang war.
Aber wir werden sehen. Schließlich hat er sich für sie verwunden lassen UND *schmelz* er hat ihr eine Liebeserklärung gemacht. Zwar aus dem Affekt heraus, aber ist das dann nicht im Grunde das ehrlichste? Da gibt es kein Zögern und Nachdenken, sondern er hat einfach das gesagt, was er (in dem Moment) empfunden hat.
Aber da werden wie wohl einfach mal die Entwicklung abwarten müssen, also wenn er wieder runter ist von dem ganzen Adrenalin, wie er sich dann Robin gegenüber verhält.
Und wie sieht´s eigentlich mit seiner Wunde aus? Hoffentlich verheilt die gut und ist nichts ernstes.
Hm, was noch?
Außer das ich immer noch austicken könnte wenn ich an Rika denke? XD
Ach ja, du hast die Verfolgungsszene sehr gut beschrieben. Das hat mir gefallen, alles so düster und dennoch sehr lebendig. Das Moos und die Bäume…also mir kam es beim Lesen sehr realistisch und eben auch lebendig vor. Sehr schön^^.
Aber ich bin ja nichts anderes von dir gewöhnt.
Na gut, genug geschrieben. Das Kapitel war mehr als aufschlussreich, es war die Enthüllung. War aber auch mal nötig zu erfahren wer hinter all dem steckt.
Und allein (wie du ja weißt) wäre ich niemals drauf gekommen. *grins*
Bis dann
Ronja
Von:  kikotoshiyama
2006-08-04T18:23:29+00:00 04.08.2006 20:23
Huhu!
Hammer Kappi^^
SChreib BITTE ganz schnell weiter ja???
Bin nehmlich gespannt was jetzt mit Rika passiert und wie Robin das alles verarbeiten wird und wie es jetzt zwischen Seto und Robin weiter geht;)
Cu kiko


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